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Ausgegeben im Februar 1928. —
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1925
Abteilung A
8, Heft
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>: ‚Jeder Jahrgang besteht aus 2 Abteilungen zu je 12 Heften,
(Abteilung A: Original-Arbeiten, Abteilung B: Jahres-Berichte.)
0 .....2..Jede Abteilung kann einzeln abonniert werden.
...ı., Anordnung des Archivs.
Das Ardlıy für Naturgeschichte, ausschließlich lg %
Inhalts, besteht aus 2 Abteilungen, ; e
Abteilung A: Original-Arbeiten®
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Jede Abteilung erscheint in je 12 Heften jährlich. n
Jedes Heft hat besonderen Titel und Inhaltsverzeichnis, ist Ei
für sich paginiert und einzeln käuflich.
Die Jahresberichte behandeln in je einem Jahrgange mn Be,
Laufe des vorhergehenden Kalenderjahres erschienene zö0logischae
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Die mit * bezeichneten Arbeiten waren dem Referenten nicht
zugänglich. =
Die mit } bezeichneten Arbeiten behandeln fossile Formen. ; E |
Über die eingesandten Rezensionsschriften erfolgt regelmäßig
Besprechung nebst Lieferung von Belegen. Zusendung erbeten as 5:
den Verlag oder an den Herausgeber.
Der Verlag:
Nicolaische Der Herausgeber:
Verlags-Buchhandlung R. Stricker Embrik Strand.
: Berlin W, ‚Potedamerstr. 90.
ARCHIV
NATURGESCHICHTE
GEGRÜNDET VON A. F.A. WIEGMANN
FORTGESETZT VON
W.E. ERICHSON, EH. TROSCHEL
- E.VON MARTENS, F. HILGENDORF
W. WELTNER unD E. STRAND
NEUNUNDACHTZIGSTER JAHRGANG
1923
Abteilung A
3. Heft
HERAUSGEGEBEN
VON
EMBRIK STRAND
(BERLIN)
NICOLAISCHE
VERLAGS-BUCHHANDLUNG R.STRICKER
Berlin
Inhaltsverzeichnis.
f Seite
Adolf von Jordans. Versuch einer Monographie des Formenkreises
Sturnus vulgaris L. nebst Untersuchungen über die Formenkreis-
lehre, ihren Inhalt und ihre Bedeutung für den Verwandtschafts-
begriff und die Abstammungstheorie. (Mit 1 Tafel, 1 Texttafel
und 4 Textfiguren). 5 ; 1
Endre Dudich. Rosalia alpina L. und ihre Formen (Coleoptera,
Gerambyeidae).. (Mit "3 Nexttafeln) wa re lte
Druck von Julius Brandstätter, Leipzig, Querstraße 13
Versuch einer Monographie
des Formenkreises Sturnus vulgaris L.
nebst Untersuchungen über die Formenkreislehre,
ihren Inhalt und ihre Bedeutung für den Verwandt-
schaitsbegrifi und die Abstammungstheorie.
Von
Dr. Adolf von Jordans.
' (Mit 1 Tafel, 1 Texttafel und 4 Textfiguren.)
I. (spezieller) Teil.
Abgeschlossen am 15. September 1920.
Dem Andenken meines Freundes und ersten ornithologischen Lehrers
_ Dr. Otto le Roi,
als preußischer Offizier gefallenin den Karpathen am 11.Oktober 1916,
in treuer Dankbarkeit gewidmet.
„La nature se moque de nos difficultes“.
(Laplace.)
Als ich einige Zeit vor dem Kriege die ornithologische K.ollek-
tion des Livländers Härms erwarb, veranlaßte mich das darin
befindliche reichhaltige Starenmaterial nicht minder als die bis-
herige von vielen Seiten und in vielen Arbeiten immer wieder
betonte Unklarheit der Kenntnis der Sturnusformen zu dem Ver-
suche, durch möglichst umfangreiches Vergleichsmaterial eine
Klärung dieser Frage herbeizuführen. Der Krieg verhinderte die
Ausführung. So griff ich nach meiner Rückkehr in die Heimat
Ende November 1919 meinen Plan wieder auf und fand trotz
der großen bestehenden Verkehrsschwierigkeiten allseits bereit-
willigste Unterstützung; bedauerlich war die Unmöglichkeit,
Material aus russischen Sammlungen zu beschaffen. Aber auch
ohne dieses konnte ich mich an die Ausführung wagen infolge
. des mir von allen deutschen Sammlungen zur Verfügung gestellten
reichen Materials, das die stattliche Summe von rund 1200 Exem-
plaren erreichte. Inzwischen hörte ich, daß Hartert eine Abhand-
lung über die Starenformen in den Novitates Zoologicae veröffent-
licht hatte, was mich nach einigem Bedenken jedoch nicht ab-
schreckte, da ich eine Arbeit größeren Umfanges beabsichtigte;
die wertvolle Schrift sandte mir der Autor später zu.
Archiv für Naturgeschichte R va
1923, A. 3. 1 3, Heit
2) Dr.. Adolf von Jordans:
An erster Stelle die Materie selbst, dann auch die äußerst
schwierig scheinende Abgrenzung der vielen beschriebenen For-
men, die widerspruchsvollen, schwankenden und ungenauen
Literaturangaben schienen mir auch geeignet zu allgemein theo-
retischen Studien, wozu mich besonders die Arbeitsweise und die
Anschauungen, wie grundlegenden Forschungen meines hochver-
ehrten Lehrers und Freundes Pastor Kleinschmidt anspornten.
Daß mir bei dieser speziellen und eng umgrenzten Arbeit eine
solche Fülle von Problemen entgegentreten würde, wie es später
der Fall wurde, übersah ich zunächst nicht.
Ich bin mir bewußt, daß — wie die Ergebnisse der Wissen-
schaft stets nur approximativen Wert haben können — die hier
versuchte Monographie des Formenkreises Sturnus vulgarıs man-
cherlei Ergänzungen bedarf, daB sogar weitere Untersuchungen
die Notwendigkeit von Korrekturen hier und dort ergeben werden;
ich werde an einigen Stellen besonders darauf hinweisen. Syste-
matische Arbeiten können stets nur insoweit ein Resultat ergeben,
einen Abschluß bedeuten, als eine möglichste Verwendung aller
bekannten Beobachtungen und bisheriger Untersuchungen auf
Grund vorhandenen Materials stattfindet. Wesentlich ist hierbei
säuberliche Trennung des objektiven Tatbestandes und der sub-
' jektiven Einstellung des Untersuchenden zu den Folgerungen,
die er aus jenem zieht. Wo dieses Prinzip nicht durchgeführt wird,
ist der Boden der Wissenschaft verlassen. Die theoretische
Verwertung der Untersuchungsergebnisse ist aber
anderseits erst der letzte Zweck systematischer Sen
dien. So ist es an zweiter Stelle Pflicht jedes Forschers, Diffe-
renzen zwischen Tatsachen.und theoretischen Folgerungen Anderer
nach eingehender Prüfung und ohne jede persönliche Einstellung
rückhaltlos aufzudecken, zur Diskussion zu stellen und sein eigenes
Urteil folgen zu lassen, mit einem Wort: Kritik zu üben. Dieses
steht jedoch nur dem zu, der sich ganz demselben Gegenstand
gewidmet hat, nicht dem, der einmal zum Zeitvertreib in anderer
Autoren Arbeit geblättert hat.
Was die Literatur anbelangt, so war es mein Bestreben,
alle wichtigen Abhandlungen selbst durchzusehen und zu prüfen.
\vie wesentlich das ist, sah ich später erst ganz, als ich immer
wieder fand, welches Durcheinander angerichtet wurde, indem
der eine Autor sich auf den anderen verließ, kritiklos abschrieb,
falsch zitierte, falsch deutete, die Folge davon häufig ein fast
unentwirrbarer Rattenkönig. Nach großer Mühe und unter viel
Zeitaufwand ist mir die Beschaffung sämtlicher angeführten Ar-
beiten schließlich gelungen; einige sah mein Freund Kurella in
Berlin durch und sandte mir wörtliche Abschrift der in Betracht
“kommenden Stellen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen
besonderen Dank ausspreche. Ich hoffe und glaube auch, daß mir
keine Arbeit von Bedeutung entgangen ist; möglich ist es trotz
größter Sorgfalt, namentlich bei solchen der russischen Literatur.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris LL 3
Den Urtext der russischen Abhandlungen ließ ich mir übersetzen.
Vielfach ist es ausgeschlossen, nach Literaturangaben zu ent-
scheiden, welche Form der betreffende Verfasser vor sich hatte,
einmal der schönen Nomenklatur wegen, aber ebenso wegen der
Unsicherheit,, in manchen Fällen auch gänzlichen Unkenntnis
des Autors in der Formenfrage des Stars. hr
Um möglichste Genauigkeit und auch Übersichtlichkeit zu
erreichen, habe ich die gesamten jedesmalig hingehörigen Arbeiten
dem von mir angewandten Namen der Form chronologisch folgen
lassen teilweise mit ganz kurzer Inhaltsangabe. Synonyma und
nomina nuda ließ ich durch den Druck hervorheben. Auch die
Entwirrung der Synonymie machte teilweise erhebliche Schwierig-
keiten, in manchen Fällen wäre sie überhaupt nur an Hand der
betr. Belegstücke möglich. Auf die Arbeit Buturlins im Ornith.
Jahrbuch 1904, in der der Autor neue Arten und Unterarten des
Stars beschrieb, gehe ich später genau ein, möchte aber doch schon
hier erwähnen, daß er bereits einige Jahre später in einem Briefe
an einen Kollegen seine Schrift ‚veraltet und überholt‘ nennt.
Große Verwirrung veranlaßte der Umstand, daß bei Neubeschrei-
bungen nicht genügende Aufmerksamkeit auf die Erlegungsdaten
der Bälge gelegt wurde, wie auf die Färbungsverhältnisse, welche
recht kompliziert, d. h. durchaus nicht so eindeutig fixiert sind,
daß man nur auf Grund verschiedenen Farbglanzes weniger
Vögel konstante Formen unterscheiden könnte. Die Nichtbe-
rücksichtigung dieser Umstände veranlaßte unter anderem Bu-
turlin, Individuengruppen artlich zu trennen, da er sie neben an-
deren, von diesen anscheinend unterschieden, in demselben Ge-
biete vorkommend feststellte. Das war konsequent, nur die Vor-
aussetzung war falsch. — Eine unverzeihliche Nachlässigkeit ist
es, ‚Formen‘ zu beschreiben, ohne zu sehen, daß die zu deren
Begründung vorliegenden Stücke gar keine Brut-, sondern Zug-
vögel sind, die aus Gebieten herstammten, deren Bewohner be-
reits beschrieben waren. Über die Nomenklaturfrage will
ich mich nicht weiter auslassen. Diese erquickliche Sache wird
ja seit Jahren von Fachgelehrten so heiß umstritten, daß sich
ihretwegen Männer privat und öffentlich entzweien: Über den
- Gegenstand wird nur zu oft der Sinn der Sache vergessen: Ihr
nächster Zweck ist -leichteste und sicherste internationale Ver-
ständigungsmöglichkeit. Alle Streiterei hat es soweit gebracht,
daß in einzelnen Fällen der Trivialname (!) hinzugesetzt werden
muß, damit man ohne Bücherwälzen wissen kann, was für ein
Tier "eigentlich gemeint ist! Soweit die Namengebung als Aus-
druck der Verwandtschaft eine Frage ist, darauf komme ich im
Schlußkapitel zurück.
Ich habe als Grundlage der im Text angegebenen Größen-
verhältnisse sämtliche 1200 Bälge durchgemessen und ebenso
jeden einzelnen Vogel zur Klarlegung des Färbungscharakters
verglichen. Wenn ich nun zur Beschreibung des hier zu behandeln-
1* 3. Heft
4 Dr. Adolf von Jordans:
den Lebensringes übergehe, so will ich noch ein paar Bemerkungen
voranschicken, die mich veranlaßten, von einer Gattungsdia-
gnose abzusehen: Ein Kenner wird keinen Augenblick überlegen:
ist dieser Balg, den ich hier in Händen halte, ein Star oder vielleicht
ein anderer Vogel (bei anderen Arten dürfte freilich die Entschei-
dung nicht immer so einfach sein); einem Nichtfachmann wird
es hingegen auch noch mit Hilfe der besten Diagnose kaum mög-
lich sein, ’aus einer großen Versammlung verschiedenster Familien
und Gattungen, die so diagnostizierte mit Sicherheit heraus zu
finden. Es haben ferner, meiner Stellungnahme gegenüber dem
gesamten Problem nach, Gattungs-Familien-Diagnosen einen
rein äußerlichen Wert; sie sind angebracht in Übersichtswerken,
wo es sich darum handelt, aus praktischen Gesichtspunkten heraus
eine schematische Einteilung vorzunehmen; hierauf beruht
Linnes System. Wollte man eine Diagnose eines blutseinheit-
lichen Lebensstammes geben, so gehört zu der äußerlich morpho-
logischen Darstellung die gleichwesentliche innere, d.h. osteolo-
gische, anatomische usw. Charakterisierung; das überschreitet
aber den hier gegebenen Rahmen und setzt andersartige Unter-
suchungen voraus. Zuletzt hätte eine Diagnose nur Sinn bei Gegen-
überstellung mehrerer Lebenseinheiten unter der Voraussetzung,
daß überhaupt ein Vergleichsobjekt da ist, das heißt eine innere
Vergleichsmöglichkeit, und das bedeutet mit anderen Worten
bei der Voraussetzung einer Descendenz verschiedener Formen-
kreise ; diese letztere scheint mir aber zum mindesten nicht bewiesen,
doch darüber im II. Teil.
Verbindlichen Dank sage ich den Herren und den Verwaltungs-
stellen, die trotz Ungunst der Verhältnisse durch Überlassung von
Untersuchungsmaterial oder schwer zu beschaffender Werke das
Zustandekommen der Arbeit ermöglichten oder mir durch münd-
liche und schriftliche Anregungen wertvolle Hinweise gaben:
Herrn Dr. E. Hartert-Tring, Custos C. E. Hellmayr-München,
Prof. Dr. A. Jacobi-Dresden, Pastor OÖ. Kleinschmidt-Dederstedt,
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. A. Koenig-Bonn, f Just.-Rat. P. Kollibay-
Neisse, cand. med. H. Kurella-Berlin, Geh. Reg.-R. Prof. Dr. A.
Reichenow-Berlin, R. Schlegel-Leipzig, Dr. E. Stresemann-Mün-
chen, Amtsrichter Tischler-Heilsberg, Graf v. Zedlitz und Trützsch- :
ler, der Direktion der Senckenb. Naturf. Gesellschaft in Frank-
furt, dem Vorstand der Bibliothek der königl. Akademie der
Wissenschaften in Berlin.
Herrn Prof. v. Lorenz und Dr. M. Sassi vom k. k. Hofmuseum
in Wien danke ich ebenfalls bestens für ihre Bereitwilligkeit zur
Übersendung des dortigen wertvollen Materials, die aber infolge
der derzeitigen Postverhältnisse nicht ausgeführt werden konnte;
doch war mir die genaue listenmäßige Zusammenstellung der-
selben schon von Wert. Ein Prüfstein meiner Ergebnisse wäre
eine Untersuchung dieses ebenso umfangreichen wie interessanten
Materials, zum Teil aus Gegenden stammend, woher mir sonst
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.L 5
keine Bälge zur Verfügung standen. — Nachdem ich meine Arbeit
abgeschlossen hatte, wurde die Übersendung des Wiener Ma-
terials schließlich doch noch möglich durch das große Entgegen-
kommen der deutschen Botschaft, durch deren Vermittlung
ein nach Deutschland reisender Herr dasselbe mir mitbrachte.
Das Ergebnis der Untersuchung wird man bei der Besprechung
der verschiedenen Rassen finden.
Sturnus vulgaris vulgaris L.
Sturnus vulgaris Linne, Syst. Nat. Ed. X., p. 167 (1758 Schweden
ex. Faun. Suecica).
"St. varius Meyer, Taschenb. Deutschl. Vogelk. I. 1810, p. 208.
Turdus solitarius Montagu, Orn. Dict. Suppl. 1813.
Sturnus solitarius Montagu, Leach, Cat. Brit. Mus. 1816, p. 16.
St. nitens Brehm Isis 1828, p. 1282.
St. domesticus Brehm, Handb. Naturg. Vögel Deutschl. 1831, p. 398.
St. sylvestris Brehm, Handb. Naturg. Vögel Deutschl. 1831, p. 398.
St. septentrionalis Brehm, Handb. Naturg. Vögel Deutschl. 1831,
p- 400.
St. Hollandiae Brehm, Handb. Naturg. Vögel Deutschl. 1831, p. 1016.
St. guttatus Macgillivray, Hist. Brit. B. I. 1837, p. 595.
St. tenmirostris Brehm, Isis 1841, p. 206.
St. longirostris Brehm, Naumannia III. 1853, p. 16.
St. vulgaris L., Schrader, J.f. 0.1853, p. 243 (Marienlund) — Nord-
mann, Übersicht der bis jetzt in Finnland und Lappland
vorgek. Vogelarten 1860, p. 23 (Mittl. Ankunftszeit f. Helsing-
fors 14. März).
St. europaeus Blasius, J. f. ©. 1863, p. 60.
St. vulgarıs L., Büchner, die Vögel d. St. Petersburg. Gouv. St.
Petersburg 1866. — Sommerfeldt, Zoologist 1867, p. 697
(Vardö). — Dresser, Hist.B. Eur. London 1871—81, Tome IV. —
Russow, Ornis Esth-Liv-Kurland, Pleske 1880, Dorpat.
St. ruthenus Sewertzow, Menzbier, Rev. comp. Faun. ornith. Mos-
kau et. Toula 1881 p. 212. — Rev. comp. faun. ornith. fleu-
ves de Wolga et 1’ Oka 1881, p. 133 (Ms. nomen nudum).
Si. vulgarisL., Tristram, Fauna and Flora Palaestine 1884, London
p. 73 (Wintervogel).
St. vulgaris L., Gröndal, Ornis II. 1886 p. 356 (1 Ex. Dez. 1878
auf Island). — Pleske, Übersicht der Säuget. und Vögel d.
Kola Halbinsel St. Petersburg 1886. — Mewes & Homeyer,
Beobachtungen i. n. w. Rußland St. Petersb. 1886, p. 56. —
Lorenz, Beitr. Kenntn. Orn. Faun. Nords. Kaukasus, Moskau
1887, p. 9. (Zugvogel). — Sarudny, Ornithofauna des Orenb.
Gebietes, Zapiski Acad. Imp. Sc. St. Petersburg 1888 (russisch).
— Sharpe, Catal. Birds. Vol. XIII. p. 27—82 London 1890
partim! S. dort weitere Literatur. — Nikolski, Zapiski Imp.
Acad. Naut. St. Petersburg 1891, Vol. 68, p. 204 (russisch)
(häufiger Zugvogel der Krim). — Festa, Boll. Mus. Zool.
3, Heft
6 Dr, Adolf von Jordans:
Torino 1894, No. 174, p. 4 (08. 3 . 93 bei Jerichow, Wintervogel
in Ägypten, Nildelta). — Es Ornis von Malta und Gozo,
Ornis VIII. 1895, p. 157 (W intervogel). — Anguel de Larisma,
Ornis VIII. 1895, p. 335. — Kollibay, J.f.O. 1895, p. 24 (‚Wenn
Trennung in vulg. u. menzb. richtig, Oberschles. Stare zu menzb.‘“)
St. vulgaris intermedius Prazäk, Orn. Mon. Ber. 1895, p. 144
(Böhmen, Mitteleuropa). — Koepert, J. fi. ©. 1896, p. 235
(Sachsen Altenb.).
St. vulgaris vulgaris EL; Olphe-Gaillard, Faune Seh. Europ.
occid. 1896, fasc. SOSE, P9, x
St. Sophiae Bianchi, Ann. Mus. Zool. Acad. Imp. Sc. St. Petersb.
1896, p. 129 (Twer u. St. Petersb. Gouy.) russisch (übers.
Orn. M. Ber. 1897, p. 165).
St. v. intermedius Pr., Hellmayr, Ornith. Jahrb. 1899, p. 106 (1. N.-
Oesterr. nur intermedius). — Madarasz, Ornith. Jahrb.
1899, p. 225—26 (erkennt intermedius nicht an).
St..v. intermedius Pr., v. Tschusi, Ornith. Jahrb. 1899, p. 183
(bestreitet selbst den Durchzug der echten vulg. in Österreich-
Ungarn, sein Material, jetzt im Wiener Hofmuseum, lag mir
vor). — L. Dresser, Man. Pal. Birds London 1902 (vereinigte
faröensis, minor, humei, menzbierı mit St. v. L.!).
St. sophiae Bi., Buturlin, Zametki o. Nickotorykh Ptitzakh hostotch-
noi Liflandii, Moskau 1902 (Brutvogel O.-Livlands).
St. v. L., Brusina, zur Ornis Serbiens, Aquila 1902, p. 162 (26. 10.
1890. Nisch). — Hartert, Vögel der pal. Fauna, Heft 1 1903,
p. 41. — Schalow, Die Vögel der Arctis (Fauna Arctica) Jena
1904 (mehrere Herbstvögel aus Grönland, ob faröensis?). —
Brauner, Mem. Soc. Nat. Odessa 1907, Vol. XXX., p. 127—129.
— Giglioli, Avifauna Italica, Florenz 1907. — Hantzsch,
Beitrag z. Kenntnis Vogelwelt Islands Berlin 1905, p. 299—300
(gelegentlicher Gast auf Island). — Nicoll, Ibis 1908, p. 480
(Wintervogel in Ägypten, b. Damanhor). — Parrot, Beitr.
Orn. Ins. Corsica, Orn. Jahrb. 1910, p. 126 (Zugvogel bis 17. IIL.).
St. v. intermedius Pr., Loudon, J. f. ©. 1910, p. 49 (Zugvogel im
Talysch)
St. v. L. Le Roi, Koenig, Avifauna, Spitzbergensis 1911, p. 142
(ex Taur Spitzbergen tot gefunden).
St. v. L., — St. v. intermedius Pr., Tischler, die Vögel der Prov.
Ostpr. 1914, p. 329 (Mehrzahl ostpr. Stare intermedius).
St. v. sophiaeBi. — St. v. intermedius Pr., Sarudny & Härms, Orn.
Mon. Ber. 1914, p. 104-105. (In den Ostseeprov. neben
soph. auch v. Name intermedius muß für diese Vögel durch
sodhiae ersetzt werden; nach Sar udny im Gouv. Pskow inter-
medius neben vulgaris. )
Szrw.B.Dintia; Materialien z. Avifauna Serbiens, Aquila XXII.
1915, p- 340 (Zugvogel u. \intervogel in Serbien). —subsp. ?;
v. Geyr-Schweppenburg, Ornith. Beob. Komitat Syrmien
J:#20. 1915, p/10t.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 7
St. caucasicus Laubmann (nec Lorenz, determ. fals.) Ornith. Jahrb.
1915, p. 12—13. (1 Ex. v. Alentschen-Tschai, Armenien).
St. v. L., Schenk, Fauna Regni Hungariae, Aves, Budapest 1917,
p: 83 (partim!).
St. sophiae Bi. — St. v. v. L., Hartert, Nov. Zool. 1918 p. 328,
329, 339.
St.v.L., v. Lucanus, J. f£.0©. 1919, p. 68 (i. Holland erbrüteter Star,
später Brutvogel in Finnland).
Auf die Biologie des Stares einzugehen, muß ich hier ver-
zichten, einmal, da die unserer westeuropäischen Form allen be-
kannt ist, eine Beschreibung derselben aber anderseits nur Wert
hätte, wenn man ihr die der übrigen Formen gegenüberstellen
könnte; da über diese noch nicht genügend Positives bekannt ist,
zumal nicht was zu irgend welchen theoretischen Schlüssen be-
rechtigte, sehe ich hier ganz davon ab.
Bei der Beschreibung der verschiedenen Kleider will ich mit
der Jugend beginnen, der Altersentwicklung folgend. Der junge
Star, d. h. der Vogel in seinem ersten ausgewachsenen Kleide
bis zur ersten Herbstmauser ist in seinem Gesamtkolorit einfarbig
matt graubraun. Er sieht einer Drossel ähnlicher als einem aus-
gefärbten Star. Der Schnabel ist bei Nestjungen gelblichbraun,
wird dann tiefbraun-schwarz; dadurch, daß seine Länge zunächst
noch gering ist, die Breite an der Wurzel aber fast ebenso groß wie
beim erwachsenen, ist er im Verhältnis klobiger: Länge ca. 22,
Breite 7,5—8 mm. Die Füße sind braun, die Iris graubraun.
Die ganze Oberseite ist graubraun, an Intensität wechselnd
(im gleichen Gebiete!); Es gibt zwei Phasen: eine mehr braune,
eine mehr graue. Je näher er der Mauserzeit entgegenrückt,
verschießt die Farbe, wird heller und mehr fuchsig-braun. Die
Ohrdecken zeigen weißliche Schaftstriche, Zügel wie die Oberseite
vielfach etwas dunkler; von der Nasenöffnung bis hinter das Auge
zieht zuweilen ein hellgelblich-weißer Streifen. Das Kinn ist
schmutzig weiß, die Kehle ebenso, aber nach den Rändern zu
mit gelbbraunen Spitzen, wodurch diese Partien längsgefleckt
erscheinen. Die Ausdehnung des Weiß wechselt. Die Bauchseite
ist wie der Rücken, jedoch die Mitte mehr oder weniger stark
grauweiß gefleckt bezw. manchmal gestreift. Ich habe einen
Vogel vor mir liegen, dessen ganze Unterseite gleichmäßig tief-
dunkel graubraun ist, daneben einen andern, dessen Unterseite
mit Ausnahme der Flanken hellgrau-weiß gefleckt ist. Die Basis
aller Federn ist schiefergrau, die Randpartien graubraun; je nach
der Ausdehnung ersterer Farbe nun erscheint der Vogel entweder
mehr oder aber weniger hell gefleckt. Alle Flügelfedern besitzen
auf der Oberseite dieselbe Farbe wie der Rücken, jedoch tragen
sie wechselnd breite, hellbraun-gelbe Außensäume, am breitesten
sind die der Armschwingen; vielfach tritt an Stelle. des Braun-
gelb ein Grauweiß. Die Federn des Oberrückens, der Schulter,
namentlich die Außenfahnen der großen Handdecken und Arm-
3. Heit
S Dr. Adolf von Jordans:
schwingen zeigen zuweilen (auch je nach dem Winkel des ein-
fallenden Lichtes wechselnd) einen geringen grünen Metall-
glanz. Die Außenränder der Hand- und Armschwingen sind auf
der Unterseite silbrig glänzend, die Unterflügeldecken hellgrau
mit breiten rahmfarbenen Säumen, der Schwanz graubraun mit
sehr schmalen lichten Säumen. A:
Ein Geschlechtsdimorphismus besteht im Jugendkleide nicht.
Die Mauser, deren Eintritt in der Jahreszeit nach dem Datum
der Brut schwankt, bietet ein mannigfaches, doch begrenzt ge-
setzmäßiges Bild. Ich besitze Mauservögel aus den ersten Tagen
des Juli bis in die Mitte des Oktober. Der Star mausert auch im
Alterskleide nur einmal im Jahre und dann sein gesamtes Feder-
kleid. Meistenteils verläuft die erste Mauser folgendermaßen:
Sie beginnt mit den Flankenfedern gleichzeitig vielfach auf der
Vorderbrust; parallel hierzu auf der Oberseite mit den Schulter-
federn, großen Handdecken, Armschwingen und den Federn des
Hinterrückens. Die neuen Federn sind länglicher als die alten,
metallisch glänzend, mit großen weißen Endflecken, diese am Grunde
konvex, an der Spitze konkav. Handdecken und Armschwingen
besitzen keinen Endfleck, aber erstere breite, letztere schmalere
hellbraune Außensäume. Allmählich verbreitet sich die Mauser
auf die ganze Brust bis Kropf, Bauch und Unterschwanzfedern
damit parallel auf der Oberseite, Vorder-Hinterrücken und Bürzel,
gleichzeitig wechseln die Schwanzfedern, zunächst die mittelsten,
dann erst folgen die Handschwingen. Es tritt dann ein Kleid ein,
in dem der ganze Vogel mehr oder weniger vermausert ist bis auf
Kopf und Hals; hier wieder mausert zuerst der Oberkopf, zuletzt
Ohrdecken, Kehle und Hals. Auf der Kehle schreitet die Mauser
von der Mitte nach den Seiten zu fort.
Der frisch vermauserte Vogel besitzt folgendes Kleid: Die
ganze Unterseite stark weiß gefleckt, auf dem Bauch sind diese
Flecken schwach bis stärker rahmfarben, Kehle, Hals und Kropf
mit kleineren mehr spitzen Flecken entsprechend der hier vor-
handenen .Federform; Kinn und Kehle fast ganz weiß; Unter-
schwanzfedern mit breiten rahmfarbenen Säumen. Die Basis
aller Federn ist dunkelgrau, der zwischen dieser und der Spitze
liegende Teil metallisch glänzend, dies jedoch noch nicht so stark
wie beim alten Vogel. Die Nuancierung des Glanzes wie bei adulten
(siehe unten). Die Ohrdecken scheinen fast ganz gelblich weiß,
da der glänzende Teil verdeckt wird. Der Streif vor dem Auge
bis zum Schnabel schwarz. Oberseite vom Schnabel bis zum Schwanz
metallisch mit breiten bräunlichen Spitzensäumen. Flügelfedern
braunschwarz, Außenfahnen dunkler mit hellen Rändern. Hand-
schwingen mit Ausnahme der drei ersten mit graulichen Flecken
vor den Spitzen. Die inneren Armschwingen schiefergrau mit
braunschwarzen, dann hellbraunen Endsäumen, Außenfahnen
der letzteren ebenso wie die der Flügeldecken metallisch glänzend.
Die beiden mittelsten Schwanzfedern ebenso wie die Außenfahnen
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 9
der übrigen schiefergrau glänzend mit schmalem hellgrauen Rande,
Innenfahnen matt braunschwarz; vor dem hellbraunen Rande
eine schmale Zone schwach metallglänzend. — In diesem Kleide
lassen sich die Geschlechter, wenn auch nicht immer gleich leicht,
unterscheiden. Die VWieibchen sind stärker gefleckt und zeigen
einen etwas geringeren Glanz.
Bereits während der Mauser schlagen sich die jungen Vögel
zu größeren Flügen zusammen und streifen mehr oder minder
weit im Lande herum, beginnen dann allmählich zu ziehen.
Im folgenden nun haben wir die Herbst-\W inter-Frühlings-
und Sommervögel bis zur Mauser getrennt zu betrachten.
Die hellen äußeren Federpartien werden allmählich abgenutzt,
so daß der Metallglanz immer stärker zu Tage tritt, jedoch bleiben
die Weibchen stets stärker gefleckt; es besteht jetzt ein individuell
wechselnd starker Geschlechtsdimorphismus. Durch die Ab-
nutzung erleiden die Federn eine zunehmende Umformung von
breit zu schmal-länglich entsprechend dem Wegfall der hellen
Ränder. — Bereits im Januar und Februar beginnt eine Umfär-
bung des Schnabels von braunschwarz zu gelb, das im ersten Jahre
noch matte Gelb nimmt mit jedem Jahre an Intensität zu, bei
ganz alten Vögeln ist der Schnabel zitronengelb; während der Um-
färbung bleibt die Spitze des Schnabels am längsten dunkel,
wenigstens in der Regel (es liegen mir Zugvögel vom März aus
Korsika vor, die bereits völlig gelben Schnabel besitzen). Das erste
„Hochzeitskleid“ unterscheidet sich von dem der nächsten Jahre
noch durch stärkere Fleckung und damit breitere Federn. Ich
werde daher erst das alte Brutkleid des nächsten Jahres im genauen
beschreiben. Während der Brut schleißen die Federn stark ab.
Kurz vor und bei Beginn der Herbstmauser hat der Vogel ein
ganz verändertes Aussehen. (Es scheint, daß bei einjährigen Staren
die Mauser früher einsetzt als bei mehrjährigen). Das Gelb des
Schnabels verblaßt allmählich (ganz alte $& trifft man bisweilen
noch im Juli mit gelben Schnäbeln an), er wird immer dunkler, beim
vermauserten Vogel ist er einfarbig dunkel schwarzbraun; im
zweiten Herbstkleid (schon im Juni bei Beginn der Mauser) und
beim & tiefer schwarz als beim ® und im ersten Herbstkleid;
jedoch verwischen sich die Unterschiede bei alten Bälgen. — Bei
einjährigen Vögeln, weniger bei alten, verschwinden die hellen
Federränder auf Ober- und Unterseite mit Ausnahme der Flügel-
federsäume fast völlig. Je mehr die Abnutzung fortschreitet,
desto mehr werden auch die metallischen Teile der Federn abge-
rieben, so daß zuletzt der ganze Kopf und Hals, auch die Brust,
namentlich nach dem Bauch zu, fast einfarbig schwarz oder
schwarzbraun erscheint. Flügel- und Schwanzfedern „verschießen ,
werden matt graubraun bis fuchsig; diese Veränderung fällt bei
den && stärker auf als bei den 92 und bei alten mehr als bei jün-
geren. Ich besitze Männchen in dem abgeschlissenen Gefieder
3, Heit
10 Dr. Adolf von Jordans:
von Juni bis Juli, die Mauser scheint vollendet Ende August bis
Mitte September, Weibchen dagegen beginnen früher, das ver-
schlissene Kleid zeigen sie bereits Anfangs bis Mitte Mai, ja es liegt
ein Stück in voller. Mauser bereits vom 29. April vor mir. — Wäh-
rend der Mauser ziehen sie schon; denn ich habe Stücke in voller
Mauser von Korsika und Sardinien. Die zweite Mauser scheint ähn-
lich aber nicht ganz gleich zu verlaufen wie die erste. Zunächst zei-
gen sich einzelne neue Federn auf den Brustseiten und Flanken, da-
mit manchmal gleichzeitig mausern die großen Flügeldecken, Se-
kundärschwingen und einzelne Schwanzfedern, auch hier zunächst
die mittelsten. Allmählich dehnt sich das frische Federkleid
auf die ganze Unterseite aus. Auf der Oberseite mausert zuerst
der Oberrücken (hier treten die neuen Federn stets später auf
als auf der Brust, ja ich besitze Stücke, deren ganze Unterseite
fast völlig vermausert ist, während sich auf der Oberseite noch
kaum eine neue Feder zeigt). Dann folgen Kopf, Kehle, Hals
und zuletzt die Primärschwingen. — Alle frischen Federn des
Rückens, Kopfes und der Unterseite sind schmaler und spitzer;
die hellen Flecken und Säume spärlicher bezw. kleiner, auch hier
die der Unterseite mehr oder weniger reinweiß, die der Oberseite
rahmfarben bis bräunlich aber schwächer als bei einjährigen;
außerdem besitzen die Federn stärkeren Metallglanz als die nach
der ersten Mauser. An diesem Merkmal lassen sich Vögel in sehr
vermausertem Gefieder von solchen aus den nächsten Jahren un-
schwer unterscheiden.
Hier will ich noch eine wichtige Tatsache einschieben: Die erste
verkümmerte Schwinge ist bei der Nominatform im Jugendkleid
bedeutend größer und stärker als bei adulten Vögeln; bereits die
zum ersten Male vermauserte Schwinge ist plötzlich erheblich
kleiner und schwächer, diese Rückbildung nimmt mit dem Alter
des Vogels zu; sie schwankt allerdings individuell. Maximum und
Minimum, das ich fand, ist auf Seite 21 abgebildet. Ich werde
bei der Beschreibung der Faröer-Form hierauf zurückzukommen
haben.
Die nun jeden Herbst folgende Mauser verändert das Feder-
kleid des Stars progressiv in der beschriebenen Richtung: Abnahme
der hellen Fleckung und Breite der hellen Säume, Zunahme der
lanzettlichen Form des Kleingefieders, Zunahme des Mittel-
glanzes und damit auch eine konstant gleichartige Änderung
aller übrigen Jahreszeitkleider. — Eine Änderung in der Tönung
des Metallglanzes konnte ich, trotz anfangs 'gegenteiliger Mei-
nung, in den verschiedenen Kleidern En. Altersstufen — mit
einer im Text genannten Ausnahme
es auch scheinen will, daß junge Vögel a der ersten Herbst-
mauser einen stärker rötlichen Glanz des Oberkopfes aufweisen.
Es hat nun die Beschreibung des adulten Vogels zu folgen; ich
rechne hierunter alle Exemplare aus der Zeit nach der "zweiten
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 11
Herbstmauser, während die zwischen erster und zweiter als sc-
miadult zu bezeichnen sind. Bevor ich auf diese Beschreibung
- eingehe, ist zunächst noch ein anderes grundlegendes Kapitel zu
erledigen: das der Metallfarben. Eine große Anzahl, ja die
größte aller Irrtümer bei der Beschreibung des Stares und seiner
Formen resultiert aus der Nichtberücksichtigung der Änderung
der Metallfarben für unser Auge je nach der Richtung deseinfallenden
Lichtes, unter dem der Untersucher seine Kennzeichnung gab.
Meines Wissens hat zum ersten Male auf diese ausschlaggebende Tat-
sache Allan Hume in den Stray Feathers 1879, p. 174 hingewiesen
und seine Beschreibung danach gegeben; ihm folgte Buturlin in
seiner Starenarbeit in den Ornith. Mon. Ber. 1904. Ohne ganz
konsequent hierin genau definierter Art und Weise zu folgen,
werden stets Irrtümer, Widersprüche und Unklarheiten bestehen
bleiben. Ich hatte zuerst auch eine genaue physikalisch physio-
logische Untersuchung der Beschaffenheit der, verschiedenen beim
Stare vorkommenden Farben vor, was mir auch zur Untersuchung
verwandtschaftlicher Beziehungen sehr wertvoll schien, aber die
[ ER EIN Erklärung:
+ - : a—= Vogel (Pfeil = Schnabel-
DT 5 ru richtung).
= = b= Auge des Beobachters.
= r c= Lichtrichtung.
A=B-= ‚‚rechtwinkliges
Licht‘,
UT EL TREFTREIEE 0 = „stumpfwinkliges
€ c Licht‘,
Anmerkung: Der Terminus ‚„rechtwinkliges‘-,,stumpfwinkliges“ Licht
ist nicht ganz eindeutig, wie ich mir wohl bewußt bin, aber ich fand keinen
Ausdruck, der kürzer gefaßt sagte, worauf es ankommt, und an Hand
dieser Skizze dürfte auch, wie mir scheint, ein Mißverstehen nicht möglich
sein. — Die Bezeichnung ‚‚direktes‘-,indirektes‘‘ Licht ist nicht zutreffen-
der, da der Glanz auch wesentlich vom Lichteinfalls winkel abhängig ist.
3. Heft
UIID. Dr, Adolf von Jordans:
schwierige und langwierige Arbeit würde den Abschluß der eigent-
lichen Arbeit so sehr hinaus geschoben haben, daß ich vorläufig
davon absah, später aber nochmals Zeit zur Prüfung dieser inter-
essanten Frage zu finden hoffe. Eine große Schwierigkeit macht
die eindeutige Bezeichnung der Farben, namentlich der Metall-
farben; aber eine entsprechende Farbenskala beizufügen, war aus
äußeren Gründen kaum durchführbar, da Metallglanz namentlich
in seinen mannigfaltigen Nuancierungen schwer wiederzugeben
ist und außerdem auf Papier anders wirkt als auf Vogelfedern in
der Natur; der Versuch hätte mehr Verwirrung gebracht als das
Bemühen möglichster Eindeutigkeit in den Farbenbezeichnungen.
Wenn der Leser einen Star zum Vergleich oder zur Bestimmung
zur Hand nimmt unter genauer Benutzung der Tabellen, so glaube
ich, daß die richtige Deutung kaum Schwierigkeitenmachen dürfte.
— Die Skizze auf Seite 11 soll die Art und Weise, unter der ich die
Farbenbeschreibung vornahm und die Bedeutung der forthin an-
gewandten Abkürzungen veranschaulichen.
ö adult: Das ‚„Hochzeitskleid‘ entsteht, wie bereits gesagt,
durch Abnutzung des Herbst- bezw. Wintergefieders. Die hellen
Flecken und Säume sind reduziert, ihre Ausdehnung schwankt
individuell. (Im Berliner Museum steht ein ausgestopftes Stück
aus Schlesien, bei dem die Fleckung vollständig verschwunden
ist.) Die Oberseite ist stets bedeutend stärker gefleckt als die
Unterseite, ebenso ist erstere Fleckung mehr rahmfarben bis
bräunlich, während letztere fast rein weiß ist. Fleckung des Kopfes
und der Halsseiten meist sehr gering, vielfach ganz verschwunden;
die der Unterseite ist am stärksten auf Kropf, Vorderbrust und
Mitte, namentlich auf dem Bauch, wo sie ebenso wie auf den Unter-
schwanzdecken fast nie verschwindet, während Stücke mit Aus-
nahme dieser Teile auf der Unterseite ungefleckt sehr häufig sind.
Je älter der Vogel, desto spärlicher die Fleckung. Die Schulter-
wie Flügeldeckfedern meist mit breiten hellen Rändern, Primär-
und Sekundärschwingen wie Schwanzfedern mit schmalen gelb-
lichweißen Säumen. Unterflügeldeckfedern und Achselfedern grau-
bräunlich mit rahmfarbenen Säumen, deren Breite schwankt,
meist aber beträchtlich ist; die ganzen Federn sind im Alter dunkler
als bei jungen Vögeln. Außenfahnen der Schwingen dunkelschwarz
oder graubraun, dunkler als die Innenfahnen; Sekundärschwingen
graubraun mit schwarzem Saum vor dem helleren Rande, Außen-
fahnen und Spitze der Innenfahnen der innersten Sekundarien
hell schiefergrau. Schaft aller Federn am Grunde licht gelblich-
weiß, nach der Spitze zu dunkelschwarzbraun werdend. Schwanz-
federn mit schiefergrauem Glanz. Grund aller Federn hellgrau
(die Intensität differiert), anschließender Teil der Federn schwarz-
braun, apikaler, d. h. freiliegender Teil durchweg (mit Ausnahme
der Schwingen und des Schwanzes) metallglänzend. — Schnabel
gelb; Läufe und Füße rotbraun; Iris hellbraun. Füße während
der Brutperiode kurze Zeit sehr hell.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.
Federpartien
Oberkopf .
Oberhals
Rücken .
Bürzel, Oberschwanz-
decken .
Sehulterfedern
Flügeldecken
Armschwingen .
Halsseiten. re
Ohrgegend und Wange
Kinn und Kehle .
Kropf.
. grün (gelblich)
. grün,
bei rechtwinkl. Licht
. grün!)
. violettrot
. grün (gelblich) °) bis vio-
lettrötlich
seltener
rötlich
. grün (gelblich)
. grün, oft mit stahlbläu-
lichen Rändern
oft mit schwach
bläulichen Rändern (sehr
selten stärker bläulich-
violett) ?)
violettrot
tiefgrün
. grün,
. violettrot
13
bei stumpfwinkl. Licht
violettrot!)
grün (messing) ie
grün (schwach bläulich)
grün (schwach bläulich)
violettrötlich bis bläulich
intensiv dunkel violett-
rot
violettrötlich
bronzegrün
tief violettrot
violettrot
bronzegrün.
Brust und Bauch . grün (manchmalmit bläu-
lichem Schimmer)
schwach srünlich
. grün mit wechselnd star-
kem blaurötlichen Glanz
Mit Ausnahme des Rückens, soweit er grün ist, des Bürzels
und der Oberschwanzdecken, bei welchen der grüne Glanz bei
jeder Beleuchtung grün bleibt, tritt an Stelle des grünen Glanzes
bei rechtwinkeligem Licht violettrot bei stumpfwinkl. und umge-
kehrt; wie das Grün verhält sich das Violettbläulich. — Zwischen
Kropf und Vorderbrust Federn mit gelbgrünlichem Glanz. Die
Außenfahnen der Schwanzfedern zeigen bisweilen einen schwach
grünen bezw. rötlichen Glanz.
Q© adult: Die Weibchen unterscheiden sich von den Männchen
durch reichlichere Fleckung, breitere helle Säume und durch ge-
ringeren Glanz, der aber in seinen Eigenschaften und seiner Ver-
teilung mit voriger Tabelle übereinstimmt. Ganz selten — es liegen
mir nur zwei Exemplare vor, deren richtige Geschlechtsbestimmung
zweifellos ist — zeigen alte Männchen fast gleich starke Fleckung
wie die Weibchen (Hennenfedrigkeit?). Außerdem ist das Klein-
gefieder kürzer und nicht so lanzettförmig als bei den 3. Brust
- und Bauch bräunlich. |
Die Größenverhältnisse, die ich sorgsamst feststellte, stimmen
nicht überein mit den anderseits angegebenen, besonders auch nicht
dunkel violettrötlich
schwach rötlich
violettrot
Unterschwanzdecken .
Weichen
1) Beirechtwinkl. Licht in allen Kleidern und dem ganzen Verbreitungs-
gebiet vielfach mit individuell verschieden starkem violettroten Glanz der
äußeren Fahnen; entsprechend dessen Vorhandensein bei stumpfwinkl.
Lieht mit grünem Schimmer.
?2) Rücken, namentlich Vorderr., oft intensiv. violettrot bei rechtwinkl.,
dann bei stumpfwinkl. L. ebenfalls intensiv grün. Je rötlicher der Oberkopt
desto grüner der Rücken und umgekehrt. Selten die ganze Oberseite mit
Ausnahme des Kopfes violettrot. Je reiner grün der Oberkopf desto violett-
roter der Rücken und umgekehrt.
3) Das Extrem dieses Charakters zeigt Nr. 2872 meiner Koll., ein
mausernder Juli-Vogel aus der Provinz Sachsen.
3. Heft
A ne Dr. Adolf von Jordans:
mit denen, die Hartert nennt, obschon ich die gleiche Meßmethode
befolge wie letzterer. Sämtliches Material habe ich gemessen,
und es ergaben sich folgende Zahlen (Maßmethode s. Tabelle
„Größenübersicht‘‘): Flügel 126—137%) mm. — Erste Schwinge
11—15 (meist 12—14) ?), iuv. 15,5—19,5 mm. — Schnabel 23—27
mm x 7,5—9 (meist 8) mm. — Lauf 27—31,5 mm. — Mittelzehe
27—31 mm. — Schwanz 60—67 mm.
Die Weibchen besitzen durchweg wenig geringere Maße, um
1 bis 2 mm Unterschied.
Nach den mir vorgelegenen Stücken besitzen die Schweden
auffallend lange Flügel; es mag Zufall sein, ich möchte aber darauf
hingewiesen haben.
Der von Prazäk als Sturnus vulgaris intermedius abgetrennte
Star (Orn. Mon. Ber. 1895, p. 144) sollte sich von der Nominat-
form unterscheiden durch „deutlichen Purpurschimmer auf Kopf
und Kehle, von „menzbieri nur durch grünlich schillernde Ohr-
gegend“; es sei die ‚einzige Form, die in Böhmen vorkommt“,
ähnliche Vögel habe er aus Mähren, Österr. Schlesien, Nieder-
Österreich und Galizien gesehen. „Für den mitteleuropäischen
Star in der Mitte zwischen vulgaris und menzbieri““ schlägt er den
Namen S!. v. intermedius vor. Als teıra typica ist Böhmen an-
zusehen; aus diesem Lande hat mir genügendes Material vorge-
legen: diese Vögel unterscheiden sich in keiner Weise von deutschen
oder schwedischen; ebenso verhält es sich mit den Staren Oesterr.
Schlesiens, Niederösterreichs etc. Ich stimme Hartert daher ganz
bei, wenn er schreibt (Nov. Zoolog. 1918, p. 329), daß intermedius
für die von Bianchi 1896 creierte Form sophiae nicht in Betracht
kommt, wie Sarudny-Härms dagegen sophiae als Synonym zu
intermedius stellen. Die „Form“ intermedius ist nichts weiter als
eine Phase der Nominatform; sie liegt durchaus innerhalb der
Färbungsvariationsbreite der letzteren. Reine ‚‚intermedius‘‘-
Vögel, bei denen der grüne Glanz durch violettroten verdrängt
wird, kommen im gesamten Verbreitungsgebiet des typischen
vulgaris vor, worauf bereits Hartert u. A. hingewiesen haben.
Es haben mir Brutvögel dieses Charakters aus allen von der schwe-
dischen Form bewohnten Gegenden vorgelegen, ohne daß ich
hätte feststellen können, daß es in irgend einem Gebiete der vor-
wiegende Färbungscharakter sel. — Man sehe sich auch mal die
Literatur- Angaben der Verbreitung des intermedius an! — ES
gibt bei den Staren, ähnlich wie es bei anderen Charakteren inner-
halb anderer Formenkreise der Fall ist, eine intermedius-Form
(= poltaratskyi) und eine intermedius-Phase, die bei vielen For-
men wiederkehrt, und die, wie wir später sehen werden, Buturlin
verleitet hat, eine Menge neuer Formen zu beschreiben. — Herr
*) Nach Hartert128— 132 (200 von ihm gemessen), Bianchi 122 — 127mm,
°) Nach Buturlin 10—12, selten 13 mm. — Die Flügelmaße sind stets
für adulte Vögel angegeben.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 15
Amtsrichter Tischler lieh mir. liebenswürdigerweise sein reiches
ostpreußisches Starenmaterial (31 Frühjahr- — 34 Herbst- —7 junge
Vögel) und schrieb mir dazu: ‚Meiner Ansicht nach zeigen alle
intermedius-Färbung‘‘. In seinen ‚Vögel der Provinz Ostpreußen‘
sagt er: „Die Mehrzahl der ostpreuß. Stare gehört der von Prazäk
1895 aufgestellten Form intermedius an, die Bianchi 1896 als
St. sobhiae beschrieb‘. Der Vergleich ergab, daß nicht ein ein-
ziger der genannten Bälge, weder der Brut- noch der Zugvögel,
auch nur irgendwie außerhalb der Variationsbreite schwedischer,
deutscher, englischer usw. Brutstare lag; sie zeigen sogar verhältnis-
mäßig selten und schwach die intermedius- Phase ausgebildet.
Der ostpreuss. Sturnus ist ein rassenreiner vulgarıs.
Wo in den Grenzgebieten der Formen vulgaris-poltaratskyi
oder vulgaris-graecus (und in paralleler Weise bei asiatischen
Formen z. B. caucasicus-nobilior) Stare mit intermedius-Charakter
vorkommen (wo dieser tatsächlich vorliegt, also bei solchen mit
violettroter Kopffärbung, damit gleichzeitig ohne rötlichen Rücken-
. glanz aber mit rötlichen Flügeldecken- und Sekundariensäumen),
so werden diese vielfach Hybride sein: ich neige aber mehr zu
der Ansicht, daß besonders bei solchen Exemplaren, die im Zen-
trum des Verbreitungsgebietes der betr. Form mit den Sonder-
heiten der korrespondierenden Form angetroffen werden, dies
der spontane Ausdruck der physiologischen Einheitlichkeit des
ganzen Sturnus-Iypus ist.
Zu der Literaturübersicht der Nominatform möchte ich noch
sagen, daß ich aus der Fülle der Publikationen nur eine beschränkte
Auswahl angeführt habe; weitere Angaben findet man in den
Sammelwerken.
In dem Annuaire du Mus. Zool. St. Petersburg 1896 Vol. I,
p. 129 beschrieb Bianchi (russisch) den Star des St. Petersburger
und Twer’schen Gouvernements als Sturnus sophiae n. sp., dessen
weitere Verbreitung im europ. Rußland noch ungeklärt sei. Die
Diagnose lautet in wörtlicher Übersetzung: „Kopf und Rücken
von verschiedener Färbung; Schulter grün, bläulich grün oder
bronzegrün (niemals purpurn), Flügeldecken grün oder stahlgrün
ohne vorherrschende Purpurfärbung; Brust grün, Körperseiten
grünlichblau oder purpurblau, Oberkopf und Kehle purpurn,
Ohrdecken grün im Kontrast mit dem purpurfarbenen Oberkopf,
Halsseiten und Kehle.‘ Es folgt dann eine ausführliche Beschrei-
bung der verschiedenen Kleider, die nichts W esentliches bringt.
Flügel 123—130 mm, Lauf 28—30 mm, Schnabel 27—29 mm.
Was den ersten Teil Bianchis Diagnose angeht, so bringt sie
nichts charakteristisches gegenüber der Nominatform. Im Gegen-
satz zu poltaratskyi, bei der die Ohrdecken purpurn seien, blieben
sie bei sophiae grün; daß dieses Merkmal keine Formverschieden-
heit begründen kann lese man unter poltaratskyi nach (bei diesem
purpurrote oder grüne Ohrdecken). Hiernach schiene sophiae
mit polt. identisch zu sein; daß auch das nicht der Fall ist werde
3, Heft
Kalbe Dr. Adolf von Jordans:
ich im folgenden nachweisen. Ich gehe zunächst auf einige der
sehr vielen und ebenso unklaren und widerspruchsvollen Literatur-
angaben ein: Sarudny und Härms stellten in den Orn. Mon. Ber.
1914 p. 104 ‚‚die aus Rußland stammenden und bisher mit znter-
medius bezeichneten Stare zu sopdhiae,‘‘ ebenso Domaniewski
(Passeriformes der Umgebung von Saratow, Travaux Soc. Sc.
Varsovie 1916). Überall treten derartige Behauptungen oder
auch gleichsinnige Zweifel über das Vorkommen von vulgaris
im Gebiet von sophiae in der Literatur auf, ein wichtiger Hinweis
auf den wirklichen Sachverhalt! — Hartert stellt in V.d. p. F.
sophiae als Synonym zu vulgarıs; in seiner Revision der Staren-
formen (Nov. Zool. 1918) kommt er zu anderem Resultat: Er
erkennt St. v. sophiae als selbständige Form gegenüber poltaratskyi
an. Von ihrem Kennzeichen schreibt er (in Übersetzung): ‚Diese
Form (sophiae d. Verf.) unterscheidet sich vom typischen vulgaris
durch mehr purpurnen Kopf, besonders an Scheitel und Kehle,
während die Ohrdecken grün bleiben. Es ist nicht zutreffend,
daß der Rücken purpurner ist, als wie er bei allen Formen variiert.“
Uber die Verbreitungsgrenzen macht er keine genauen Angaben,
sagt aber, daß bei Krasnojarsk schon poltaratskyi brüte. Später
neigte er in seiner mit mir geführten Korrespondenz zu der Annahme
der Möglichkeit, daß sophiae vulgarıs sehr nahe stände, vielleicht
sogar mit ihm identisch sei. Wichtig scheint ihm die stets von den
russischen Ornithologen wiederholte Behauptung der Verschieden-
heit. Bianchi und Buturlin nennen den Brutstar Ost-Livlands
sophiae; ıch besitze eine größere Serie von Samhof-Livland, von
Härms gesamn.elt, die alle zweifellose vulgaris sind. Zunächst nun zu
dem Merkmal der Ohrdeckenfärbung: Von allen Ornithologen, die
sich mit den Unterschieden vulgaris-sophiae-poltaratskyı befaßt
haben, sind als ausschlaggebendes Kennzeichen des letzteren die
roten Ohrdecken angegeben im Gegensatze zu den grünbleibenden
der sophiae. Nach dem von mir untersuchten großen Material
von Poltaratskyi sowohl aus der typ. Altai-Gegend als aus dem
ganzen Verbreitungsgebiet von. Ton sk bis zum Baikal gibt es
Vögel mit rein violettroten und solche mit rein grünen Ohrdecken,
sogar waren letztere in der Mehrzahl vorhanden! Hier gibt es
also nicht ein so oder so, sondern ein so und so! Es bleibt als
letztes Merkmal des sophiae einmal gegenüber polt., das andere Mal
gegenüber vulgaris die Färbung des Oberkopfes und der Kehle.
Stimmte die Angabe des violettroten dieser Federpartien, so wären
die beiden Formen identisch. Dies ist aber nicht der Fall. Von
vielen wird nun behauptet, die Kopffärbung stände in der Mitte
zwischen beiden: Nicht so rein violettrot wie bei potaratskyi aber
violettrot im Gegensatz zu vulgaris. Diejenigen, die diese Be-
hauptung zuerst aufstellten sind neben dem Autor des sophiae
fast alle russischen Ornithologen und neben diesen dann auch
die anderer Länder. Meines Erachtens ist für jene ein Hauptgrund
mit, daß sie nicht genügend großes westliches Vergleichsmaterial
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 17
besaßen, um die Variationsbreite des vulgaris übersehen zu können.
Mir stand anderseits leider auch nur ein sehr geringes ostrussi-
sches Material zur Verfügung. Aber alle diese Vögel waren durchaus
nicht verschieden von westdeutschen. (Dies schrieb ich vor der
Untersuchung des Wiener Materials; vergl. jitkowi.) Über die
Pendelweite der Färbung des vulgarıs bitte ich nachzulesen, was
ich darüber unter ‚‚intermedius‘‘ sagte. Im gesamten Gebiete
gibt es eine reingrüne Phase und eine solche mit wechselnd stark
ausgeprägtem intermedius-Charakter, die aber nie die Intensität
echter #oltaratskyi erreicht; daher auch die allenthalben wieder-
kehrende Behauptung des Vorkommens von vulgaris-intermedius-
sophiae in demselben Gebiete als Brutvögel nebeneinander.
St. vulgaris sophiae Buturlin ist synonym zu St. vulgarıs L. der
Nominatform. Nach dieser Feststellungerklärtsichauch ohne weiteres
das massenhafte Überwintern echter vulgarıs im Talysch-Gebiet.
Verbreitung: Es lag mir ein sehr umfangreiches Material
vor aus allen Jahreszeiten aus dem gesamten großen Verbreitungs-
gebiet mit Ausnahme allerdings einer nur verhältnismäßig geringen
Zahl aus Frankreich, N.-Spanien und Italien; ich zweifle aber nicht,
daß die Stare aus diesen Gebieten zur Nominatform gehören. —
Das Brutgebiet des Si. vulgaris vulgaris L. umfaßt folgende Länder:
Skandinavien (bis etwa zum 71°), Finnland, Großbritannien,
Frankreich bis zu den Pyrenäen, Italien, Deutschland, Österreich,
Dalmatien, Ungarn, Bosnien, Herzegowina (genaue Grenze in
den drei letzt genannten Ländern vergl. unter Si. v. graecus),
ganz Rußland (mit Ausnahme der Schwarzen Meer- und Kaukasus-
länder) bis in die Gegend von Saratow-Simbirsk (vergl. jıtkowi),
im Norden Rußlands etwa bis zum 64. Breitengrad. (Aus Rußland
konnte ich große Serien nur aus den westlichen Gebieten unter-
suchen, hier bis zu den mittleren Rokitnosümpfen.) Ich verglich
Brutserien aus: Schweden, Großbritannien, Holstein, Pommern,
Mecklenburg, West-Ostpreußen, Livland, Litauen, Pripet- und
Rokitnosümpfen, Böhmen, Mähren, Ungarn, Österreich, Tirol,
Bayern, Schlesien, Sachsen, Brandenburg, Westfalen, Rheinland,
Hessen, außerdem eine größere Anzahl von Individuen aus den
oben genannten Gegenden.
Im Journal f. Orn. 1919 p. 68 berichtet v. Lucanus von einem
„in Holland erbrüteten Star, der später als Brutvogel in Finnland
erlegt wurde“. Da nicht a priori anzunehmen ist, daß diese Be-
obachtung ein Zufall bezw. die Tatsache eine Ausnahme sein
sollte, ist die Annahme — abgesehen von anderen Gründen — be-
rechtigt, daß auch der finnische Star der Nominatform angehört
(Brutvögel aus Finnland sah ich nicht). Herr Oberstleutnant
v. Lucanus teilte mir auf Anfrage mit, daß er die Angabe der Lite-
ratur entnommen habe, die Stelle aber nicht mehr angeben könnte;
die Tatsache sei aber unzweifelhaft richtig.
Als Zugvogel geht die Form im Westen bis Madeira und den
Canaren, im Süden bis Nordafrika, Malta, Ägypten, Balkan,
Archiv Se nrpeschichle 2 3. Heft
18; Dr. Adolf von Jordans:
Cypern, Palästina, im S.-Osten über die Krim und den Kaukasus
bis Kl.-Asien ins Tiefland von Talysch.°©) Er wurde einige Male
auf Grönland, Island (? faröensis) und auch auf Spitzbergen er-
beutet, ebenso einmal auf Vardö. Der von Laubmann (Ornith.
Jahrbuch 1915, p. 12—13) erwähnte, im Münchener Museum be-
findliche junge Herbstvogel vom Alentschen-Tschai (Nebenfluß
des Araxes) in Armenien, den der Autor zu caucasicus stellt, lag
mir vor; er hat nichts mit der Kaukasus-Form zu tun, sondern
ist ein echter vulgaris. Es ist mir unerfindlich, was Laubmann
veranlaßte, das Exemplar zu genannter Form zu stellen. — Im
Berliner Museum befinden sich 9 Stare aus dem Talysch-Gebiet von
Anfang bis Mitte März, aus der Sammlung Loudon stammend;
sie sind bezeichnet mit ‚Si. poltaratskyi intermedius‘‘, sind aber
in Wirklichkeit reine vulgaris (Ostgrenze seiner Wanderung;
neben caucasicus in demselben Winterquartier). Die von Loudon
in seiner „Dritten Reise nach Zentralasien“ (]J. f. ©. 1910, p. 49)
als St. v. intermedius Prazak bezeichnete Form vom Talysch
dürfte sich auf diese Bälge beziehen.
Durch Ringversuche ıst festgestellt, daß die jungen Vögel
schon gleich nach dem Flüggewerden sich auf die Wanderung be-
geben, Es ist dies wichtig für die Beschreibung geogr. Formen,
da im Sommer und Herbste erbeutete Vögel keine Brutvögel aus
dem betr. Erlegungsgebiet zu sein brauchen; wichtig zumal auch
einjährige Vögel vielfach noch nicht zur Brut schreiten, sondern
wandernd sich allenthalben mehr oder minderlang in einem ihrer
Heimat entfernten Gebiete aufhalten und vielleicht auch hier —
wie oben von dem finnischen Star beschrieben — zur Brut schreiten.
Bei Vögeln entgegengesetzten Verhaltens wird hierdurch geogr.
Formenbildung begünstigt, wie sie bei den Staren und auch wohl
bei den europäisch-asiatischen Amseln umgekehrt beeinträchtigt
wird.
In den milderen Gegenden Deutschlands bleiben kleinere,
bisweilen auch größere Starenflüge den ganzen Winter über zu-
rück — Sogar in Norddeutschland, in der Mark, ob dies heimische
Vögel oder nördliche und östliche Wanderer sind, sei dahin gestellt,
doch letzteres ist anzunehmen. — Früher wurde allgemein an-
genommen, daß der Star in milderem Klima zweimal brüte, während
neuerdings immer mehr die Ansicht einer einmaligen Brut vertreten
wird. Hier im Rheinland brütet der Star regelmäßig zweimal;
die 2. Brut beginnt er im 2. Drittel des Mai. In kälteren Gegenden
dürfte als Regel wohl nur eine Brut stattfinden, doch wird der Star
auch hier in besonders warmen Jahren zu einer 2. Brut schreiten.
Als Vergleichsmaterial dieser Form benutzte und maß ich
585 Exemplare.
*) Ein Vogel am 22. I. 1911 wurde von Dr. Pietschmann bei Mossul
erbeutet (Wiener Hof-Museum), ein echter vulgaris; demnach geht er also
auf seinem Zuge bis Nord-Mesopotamien, wo er um diese Zeit neben poltarats-
kyi, caucasicus, porphyronotus, balcanicus und purpurascens lebt.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 19
Sturnus vulgaris granti Hartert
St. v. granti Hartert: Vögel der pal. Faun., Berlin 1903, p. 43
(Azoren). — Hartert und Ogilvie-Grant, Nov. Zool. 1905, p. 127.
Die Färbung und Zeichnung des Azoren-Stars ist ganz die
gleiche wie bei der Nominatform. Die Farbe der Füße scheint
heller zu sein. Leider konnte ich keine Vögel im Jugendkleide
untersuchen. Daß Kopf und Kehle stets ohne jeden Purpur-
schimmer sein sollen, wie Hartert in seiner Beschreibung sagt, trifft
nicht zu. Auch in dieser Beziehung verhält sich die Form genau
wie die Festlandsform.
Auch hier liegen wie bei faröensis die Unterschiede in den
Maßen: Flügellänge 125 —134 mm. — 1. Schwinge 11—14 mm. —
Schnabel 22—25 x8—8,5 mm. — Lauf 28—831 mm. — Mittelzehe
26—29 mm. — Schwanz 61—64 mm. — Die Form ist Standvogel
auf den Azoren (nähere Verbreitung auf den einzelnen Inseln siehe
bei Hartert). Für die Beantwortung der Frage, von wo aus die
Inseln besiedelt wurden mit dieser Form, dafür fehlen mir vor-
läufig stichhaltige Anhaltspunkte. — Von dieser Form lagen mir
36 Stück vor. |
Sturnus vulgaris faröensis Feilden
Sturnus faröensis Feilden, Zoologist 1872, p. 3257, Faröer. —
Journ. £. ©. 1875, p. 227. — Andersen, Vid. Meddel. naturh.
Foren. Kjöbenhavn 1889, 1900, 1901, 1902.
St. vulgarıs faröensis Feilden, Hartert, Vögel d. pal. F. 1903, p. 44.
— Laubmann, Fauna Faeroensis. Die Vogelwelt der Faröer,
Zoolog. Jahrbuch, Jena 1915, p. 60—61.
Hartert schreibt in seinen ‚‚Vögeld. pal. Fauna‘ über die Jungen
des Faröer Stars: ‚Sie sind erheblich dunkler und mehr gräulich-
braun als die des gemeinen Stars, die Kehle weniger weiß, Unter-
körper nur schwach und wenig weiß gestreift. Die Jungen würden
zur Abtrennung der Form genügen.‘ Dasselbe bestätigt neben
anderen Autoren Laubmann in seiner Fauna Faeroensis. Ich habe
die mir vorliegenden jungen noch einfarbigen Stücke und solche
im Übergangskleide mit großen Serien aus dem gesamten Ver-
breitungsgebiet der Nominatform verglichen und bin zu folgendem
Resultat gekommen, welches ich auch dadurch bestätigt fand,
daß ich Nichtfachleuten die Serien vorlegte und sie bat, die
dunklen Vögel auszusuchen. Hierbei stellte es sich heraus, daß das
Maximum der Dunkelheit nicht bei faröensis, sondern bei der
Nominatform lag! Nebenbei darf man nicht Exemplare der einen
Form kurz vor der Mauser mit Stücken der anderen vergleichen,
deren Jugendgefieder eben ausgewachsen ist, da letzteres zu-
‚nehmend verbleicht; auch kann es. der Zufall bringen, daß man
gerade nur die helle Phase der Nominatform vor sich hat, man
muß eben ein großes Material zur Verfügung haben, um individuelle
Schwankungen möglichst auszugleichen. Es kommen bei beiden
Formen eine helle grauschwarze und eine dunkle graubraune
DA 5, Heft
8 Dr. Adolf von Jordans:
Phase vor, nur diese darf man wechselseitig vergleichen. Es be-
steht aber insofern doch ein wenn auch geringer so doch nicht un-
deutlicher Unterschied, indem nämlich das Mittel bei faröensis
dunkler ist als bei vulgaris, d. h. die hell-dunkel Kurve bei ersterem
später beginnt und früher aufhört als beiletzterem; graphisch dar-
gestellt eiwa so:
faröensis
Free
hell dunkel
| |
vulgarıs
Man könnte daher, wenn keine anderen Differenzen beständen
(namentlich der Größe), iuvenes der beiden Formen an der Färbung
in sehr vielen Fällen nicht unterscheiden. — Die Ausdehnung der .
weißen Partien auf Kehle und Brustmitte korrespondiert hiermit. —
Die Differenz der Schnabelmaße bei den jungen faröensis ist be-
deutend geringer (vielfach überhaupt nicht vorhanden) als bei den
alten. — Die 1. Schwinge dagegen ist auch bei faröensis iuv. größer
und stärker als bei vulgaris.
Was ich über die jungen Vögel sagte, gilt auch für die adulten.
In der Tönung der Farben besteht nur ein minimaler Unterschied
gegenüber der Nominatform, deutlich ist dieser nur, indem das
frische Herbstgefieder der Alten ein dunkleres Kolorit aufweist. —
Im übrigen ist die Farbenverteilung die gleiche wie bei der mittel- _
europäischen. Bei rechtwinkligem Licht erscheint Kopf und Kehle
grün (nur selten mit schwach rötlichem Glanz), bei stumpfwinkligem
Licht lebhaft violettrot (selten schwach grünlich), umgekehrt viel-
fach der Rücken, indem der Vorderrücken bei rechtwinkligem Licht
meist mehr oder weniger stark violettrot glänzt. Roter Glanz
ist stets nur dort intensiv vorhanden, wo die Feder-
partien nicht von anderen überdeckt werden; dies zeigt
besonders der Oberrücken im Vergleich zu dem durch die Flügel
bedeckten Unterrücken und Bürzel. Ebenso wie das Grün verhält
sich der bläuliche Glanz der Flankenfedern: je intensiver bläulich
bei rechtwinkelgim Licht desto stärker violettrot bei stumpf-
winkligem.
Faröensis ıst eine ausgeprägte Form, deren Merkmale gegen-
über der Nominatform in dem wenig dunkleren Kolorit, der Größe
und Form der 1. Schwinge, in der allgemeinen Körpergröße wie in
den einzelnen Maßen bestehen:
Faröensis Nominatform
Flügellänge 132—140 mm 126—137 mm | |
1. Schwinge ad. 15—21, iuv. ad. 11—15, iuv. 15,5—19,5 mm
20—23 mm |
Schnabel 26-30 x 8,5—9 23—27 x7,5—9 mm
Lauf 30—32 mm 27—51,5 mm
Mittelzehe 30—32 mm 27—31 mm
Schwanz 63—-70 mm 60—67 mm
u a
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 21
Die Größenverhältnisse der 1. Schwinge zeigen folgende Ab-
bildungen.
faröensis vulgaris
faröensis ; vulgaris granti
ad. Maximum — Minimum — Y,
Anscheinend äußerst selten tritt eine atypische Ausbildung
der abortiven Schwinge bei faröensis auf. So befindet sich im
Senckenb. Museum ein Exemplar, dessen 1. Schwinge ebenso stark
reduziert ist wie bei der Nominatform, und das daraufhin (ur-
sprünglich als ‚‚faröensis‘‘ bezeichnet) als vulgaris determiniert
wurde; es ist jedoch ein echter Faröer-Star, was aus den übrigen
Maßen eindeutig hervorgeht. Im allgemeinen Teil werde ich auf
das theoretisch Bedeutsame solcher atypischer Kleider hinweisen.
In dem vorliegenden Falle könnte man eine progressive Adaption
sehen.
Hartert und andere sind geneigt, die größere Flügellänge und
stärkere 1. Schwinge darwinistisch zu erklären als Anpassung an
das stürmische Klima der Faröer. Ersterer möchte vielleicht aber
auch in dem Merkmal ein Kennzeichen höheren Alters der Insel-
form erblicken. Letztere Erklärung (wenn überhaupt eine der-
artige möglich ist) scheint mir die richtigere; denn die Nominatform
besitzt im Jugendkleid eine fast ebenso starke abortive Schwinge
als faröensis im Alter, bei ersterer Form wird sie in der ersten
Mauser stark reduziert, bei letzterer viel weniger. Die Größe ist
also keine ‚‚Neuerwerbung‘ bei faröensis. Außerdem sind ja über-
haupt die Maße der distalen Körperteile größer als bei der Fest-
landsform. Ob der längere Schnabel sich nicht auch selektions-
3. Heft
DIR). Dr, Adolf von Jordans:
oder adaptionsmäßig erklären ließe ? Vielleicht stecken die Würmer
und Maden auf den rauhen Faröern 3 mm tiefer im Boden als auf
dem Festlande?! — Die Form ist Standvogel auf den Faröer. —
Als Vergleichsmaterial lagen mir 47 Exemplare der Inselform vor.
? Sturnus vulgaris zetlandieus Hartert
Sturnus v. zetlandicus Hartert, Nov. Zool. 1918, p. 329 (Shetlands).
Der Star der Shetlands-Inseln wurde von Hartert als selb-
ständige Form abgetrennt; die Merkmale, die die Trennung ver-
anlaßten, sind folgende: der Schnabel ist nicht so stark und lang
wie bei faröensis aber stärker als bei vulgaris, die 1. Schwinge ist
schmäler wie bei faröensis, Schwingenlänge 131—138 (nach Hartert
bei faröensis 133—136, bei vulgarıs 1283 —132, selten 134 mm). „Die
Jungen sind in der Regel so dunkel wie die.von faröensis, viel
dunkler als die von vulgaris.‘“ — Verbreitungsgebiet sind die Shet-
lands; der Star der Fair-Isle ist Hartert fraglich.
Was zunächst die Schnabeldimensionen angeht, so ist, da
Hartert keine Maße angibt, meinerseits hier keine Entscheidung
möglich. Ich maß für faröensıs 26—80, für vulgaris 23—27, und
zwischen diesen soll nun noch zetlandicus stehen; dies scheint mir
unwahrscheinlich. Ich maß die Schwingenlänge für faröensis mit
132—140, für vulgaris 126—137, die Shetlandsform varliert nach
Hartert von 131—138; auch hier scheint mir ein typischer Unter-
schied fraglich. Was die Färbung der Jungen angeht, so verweise
ich auf meine diesbezüglichen Ausführungen unter faröensıs.
Mir lag kein Material von den Shetlands vor; Hartert schrieb
mir, daß sich nur eine Serie im Royal Scottish Museum in Edin-
burgh befinde, dieses Material kann ich mir vorläufig leider nicht
beschaffen. Mit Rücksicht hierauf und auf den Umstand, daß nach
der geographischen Lage die Entstehung einer selbständigen Form
auf den Shetlands nicht unwahrscheinlich ist, führe ich vorläufig
den mir doch fraglichen Star unter dem ihm von Hartert gegebenen
Namen an.
Sturnus vulgaris poltaratskyi Finsch
Sturnus vulgaris L., Eug. Büchner, Die Vögel des St. Petersb.
Gouv. St. Petersb. 1866. — Sewertzow, J.f. O. 1875, p. 173. —
Seebohm, Ibis 1878, p. 333 (Jenisseisk).
St. poltaratskyi Finsch, Proc. zool. Soc. London 1878, Part. III,
p. 712 (Markakul, chines. Altai).!)
? St. nobilior Hume — St. v. var. indicus (errore) Hume, Stray
Feathers 1879, p. 175. RL
St. pollaratskyi F., Seebohm, Ibis 1880, p. 182—183. — Dresser,
Hist. Birds. Eur. London 1871—81, T. IV (vereinigte Purdu-
rascens Gld. mit polt. F., von dem er den Typus untersuchte!). —
E. v. Homeyer & Tancre, Beitr. z. Kenntn. Ornith. W.-Sibi-
rıiens, namentlich der Altaigegend. Mitteilen. Ornith. Ver.
?) Finsch irrtümlich 1879 St. Poltoratzkyi (Vergl. nächste Seite).
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris LL 23
Wien, 7. Jahrg. 1883, p. 89. — Lorenz, Beitr. z. Kenntn.
ornith. F. Nords. Kaukasus 1887, p. 9. — Pleske, Revision d.
turkestan. Ornis, Mem. Acad. Imp. Sc. St. Petersb., Vol.
RRRXVE No, 3,1888, p..14.
Si. menzbieri Sharpe, Ibis 1888, p. 438 (Krassnojarsk).
St. poltoratzkyi F., Sharpe, Transact. Linn. Soc. London II. Serie,
Vol. V, Part. III, 1889, p. 82 (März und Dezember in Afghani-
stan 1884—85).
St. menzbieri Sh., Oates, Faun. Brit. Ind. Birds 1889, p. 522 (Winter
im. Punjab, Cabul, Sindh). — Cat. Birds Brit. Mus., Vol. 13,
2033... Sharpe, ]. 1.0.1891, p. 30708. Sharpe,
Sec. Yarkand Exped. London 1891, p. 25 (Bora i. Winter). —
Bieske, Mel. biologs. Acad. Imp. Sc.. st. Petersb;, Bd. XIII,
1892, p. 279 (Tian-Shan, Dzungarei). — Richmond, Proc. U. S.
Nat. Mus., Vol. XVIII, 1895, p. 573 (i. Oktober Tian-Shan,
Kaschgar). — Johansen, Ornith. Jahrb. 1896, p. 135, 1897,
p. 174, 1898, p. 129, 1899 (Ankunft b. Tomsk, Mitte April,
Brutbeginn Ende Mai nach neuem Kal.).
poli. F.-St. menzbieri Sh., Bianchi, Ann. en Zool. Akad. Lan
Se. St. Petersb. 1896 (0. M. Ber. 1897, p. 168 übers.).
Stolzmann, oe de la Ferghana, Ball. Soc. Imp. Nat.
Moscou 1897, 99.
2. Poll. E., lan, Ibis 1898, p. 505 (häufiger Brutvogel bei
Yenisseisk, „nördlicher nicht beobachtet‘‘).
St. menzbieri Sh., Jesse, Ibis 1902, p. 545 (Wintervogel in Lucknow).
S08 Sean, F., Dresser, Manual of Pal. B. London 1902 (nobrlior
polt. ). — Hartert, Vögel d. pal. Fauna 1903, p. 44. —
Madaräsz, Über die V ögel Cyperns, Ann. Hist. Nat. Mus. Hung.
Budapest 1904 (Wintervogel auf Cypern).
v. poli. F., St. menzb. Sh., Loudon, Ornith. Jahrb. 1907, p. 145
(Semiretje-Gebiet).
menzbieri Sh., Johansen, Ornith. Jahrb. 1907, p. 121 (Stare
von Krasnojarsk identisch mit denen von Tomsk).
St. v. polt. F., Nicoll, Ibis 1909, p. 481 (Unterägypten).
St. menzb. Sh., Whithead Ibis 1909 (von Oktober bis Mitte April
in Indien).
St. polt. F., Bucknill, Ibis 1910, p. 17 (Cypern, Wintervogel). —
St. polt., F., St. menzb. Sh., Loudon, J. f. ©. 1910, p. 49 (Tedshen,
Talyschh Karakum auf Frühjahrszug). — Staff-Surgeon,
Ibis 1911, p. 672 (Wintervogel bei Wei-Hai-Wei). — Johansen,
Ornith. Jahrb. 1911 (Brutvogel am See Tschany i. d. Baraba-
steppe). — Sassi, Ann. K. K. Hofmus. Wien 1912 partim!
(Mesopotamien).
St. vulg. menzbieri Sh., Suschkin, Die Vogelf. d. Minussinsk-
Gebietes, Bull. Soc. Nat. Moscou 1912, publ. 1913, p. 25960.
St. vulg. polt. F., Laubmann, Abhandlgn. K. bayr. Akad. Wiss.
XXVI. Bd. 9, 1914 ee in Baludschistan). —- Hartert,
Nov, Zool. 1918, p.
SL.
=
52
=
St.
m
3. Heft
a Dr. Adolf von Jordans:
St. vulg. menzbieri Sh., Grote, ]J. f.O. 1919, p. 359 u. 60 (n. Sarudny
b. Orenburg, Durchzügler).
Die Frage der Formzugehörigkeit der russisch-sibirischen Stare
ist namentlich im Hinblick auf die umfangreiche und widerspruchs-
volle Literatur nicht einfach zu lösen. Von vornherein muß ich
auch hier darauf hinweisen, daß man sich über die Variationsbreite
ein und derselben Form nicht klar war, und auf diese Tatsache sind
in erster Linie die Irrtümer zurückzuführen; auch scheinen die
wenigsten, die dieses Thema behandelten, die Originalbeschrei-
bungen eingesehen zu haben. Finsch beschrieb in den Sitzungen
der zoolog. Ges. zu London am 18. 6. 1878, dann in den Proc. zool.
Soc. London 1878, p. 713 und in den Verhandlungen der zool.
botan. Ges. Wien 1879, p. 202, den sibirischen Star (typ. Loc. See
Marka-Kul im chines. Altai) unter dem Namen Siurnus poltaratskyi
(irrtümlich in letztgenannter Zeitschrift Poltoratzkyi; vergleiche
hierzu Hartert, Nov. Zool. 1918, p. 333).
Er stellt hier in einer Tabelle, die die Unterschiede klarlegen
soll, u. a. die Nominatform seiner Form gegenüber; wie aus den
für erstere angegebenen Kennzeichen hervorgeht (Kopf und Kropf
violett), muß er sie bei ‚stumpfwinkligem Lichte‘ verglichen haben,
aber auch dann noch sind die Merkmale für vulgaris nicht ganz
richtig. Aus dem weiteren Texte geht hervor, daß Kennzeichen
für Doltaratskyi nach ihm sind (bei rechtwinkligem Licht): Der
Rücken (,,Mantel‘) grün ohne violett, Kopf und Kehle violett ohne
jedes Grün, die Unterseite violett. Hierzu im Gegensatz schreibt
er weiter, daß er am nächsten verwandt sei dem Sf. indicus Hodegs.,
von dem er sich durch die ‚schwarze, tief bouteillengrün schim--
mernde Unterseite‘ unterscheide! Er rechnet Exemplare aus
Indien, von Schiraz, Balutschistan, dem Elbrus und Kleinasien
im Winterkleid und einen jungen Vogel vom Jenissei, die er ver-
glich, zu seiner Form. Soweit Finschs Auslassungen.
Im Berliner Mus. untersuchte ich 13 Stare, meist Brutvögel
aus dem Altai, ferner aus der typ. Loc. 2 Brutvögel aus der Samm-
lung Erlanger. Bei einem & aus Katon-Karagai fällt die intensiv
und rein violettrote Unterseite — ähnlich wie bei Wintervögeln aus
Indien — auf; ein solches Exemplar dürfte Finsch bei seiner. Be--
schreibung vorgelegen haben. Weitere Stücke vom selben Fundort
zeigen nur stärkere violettrote Flanken, während die Mitte ‚‚normal‘
bläulichgrün ist. Oberkopf, Kinn und Kehle sind (bei rechtwinkligem
Licht) rein violettrot, nur im abgeriebenen Kleide mit grünem
Unterton. Die Ohrdecken sind ebenso rein violettrot oder grün!
Darauf weise ich ganz besonders hin. Die Federsäume der Flügel-
decken und Sekundarien sind bläulichgrün mit wechselnd stark
violettroten Partien. Die Unterflügeldecken sind sehr hell (Mitte
licht gelblichbraun mit breiten rahmfarbenen Säumen), noch
heller bei jungen Vögeln. Weiter unten komme ich auf die Färbungs-
verhältnisse zurück.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris «L.
95
Sharpe beschrieb im Ibis 1888, p.438, denStar vonKrassnoyarsk
(errore von Kleinasien und Persien) als Sturnus menzbieri: ‚‚Similis
St. vulgaris, sed capite et gula tota rubescenti-purpureis distin-
guendus.“ Also keine Differenz gegenüber poltaratskyi, wie denn auch
tatsächlich Vögelaus dieser Gegend identisch sind mit denen des Altai.
Ich lasse zunächst die Färbungstabelle folgen:
Federpartien
Oberkopf . . .
Oberhalserem... .
Rücken .
Bürzel, Oberschwanz-
decken
Schulterfedern
Flügeldecken, Arm-
schwingen
Halsseiten .. ... .
Ohrdecken u. Wangen
Kinn und Kehle. ..
- Kropf.
*
Brust und Bauch
Weichen...
Unterschwanzdecken
. meist blaugrün
bei rechtwinkl. Licht
. rein violettrot, selten mit
blaugrünem Unterton,
namentlich im abgeriebe-
nen Kleide stärker ®)
. rein violettrot, selten mit
blaugrünem Unterton,
namentlich im abgeriebe-
nen Kleide stärker
. tief grün, Vorder- entwe-
der rein grün oder mit
geringem rötlichen oder
gelblichen Glanz, Hinter-
grün bisweilen bläulich
wie Hinterrücken
. wie Vorderrücken
. kleine u. mittlere Decken
blaugrün, bisweilen vio-
lettrötlich überflogen,
große reingrün oder blau-
grün oder rötlich, Arm-.
schwingen von bläulich
grün bis stark violettrot,
was fast stets gegenüber
der Nominatform auffällt
. stets rein violettrot
violettrot oder grün, das
Grün vielfach stark blau-
grün, wie es bei der No-
minatform nie vorkommt.
Färbung unabhängig vom
Alter. Abgerieben stets
grüner Unterton
rein violettrot
messinggrün bis bläulich-
grün (schmaler Streifen
stets erstere Färbung)
(Bauch
schwächer glänzend) bis-
weılen violettrötlich, sel-
ten rein violettrot
. entweder wie bei der No-
minatform schwach röt-
lich oder bläulich, meist
stark violettrot
. messinggrün-bläulichgrün
bei stumpfwinkl, Licht
messinggrün
messinggrün
heller grün ohne röt-
lichen Glanz, Vorder-
wenn dort rein grün hier
blaugrün, Hinter- wenn
dort bläulich hier violett
blaurot
wie Hinterrücken
wie Vorderrücken
lebhaft violettrot, wenn
dort rötlich dann hier
grünlich, Rot immer
stark überwiegend
messinggrün
erün oder violettrot
kupfergrün
dunkel violettblaurot
dunkel violettrot, bis-
weilen schwach bronze-
farben, seltener grünlich
bronzefarben
entweder violettrot oder
schwach bis rein bronze-
farben
bläulich bis violettrot
®) Ich sah Brutvögel aus dem chines. Altai mit stark blaugrünem
Oberkopf und mit Flanken, die fast ganz denen der Nominatform
glichen.
3. Left
26 B: Dr. Adolf von Jordans:
Der Rücken ist bei poltaratskyi im allgemeinen (doch fällt dies
nur bei Serien auf) mehr bläulichgrün gegenüber dem reinen und
vielfach violettrötlichen oder messinggelblichen der Nominatform,
worauf bereits Lorenz bei seiner Beschreibung des caucasicus
hinweist. |
Unterflügeldecken und Achselfedern: Bei jüngeren Vögeln
sind diese sehr hell, die Mitte hellgraubraun mit sehr breiten, rahm- .
farbenen Säumen, stets heller wie bei der Nominatform, manchmal
fast weiß mit nur dunkleren schmalen Schaftstrichen; bei alten
Vögeln auch sehr hell, selten ist nur ein geringer Unterschied gegen-
über der hellen Phase letzterer festzustellen; Vögel im abgeriebenen
Sommerkleide besitzen manchmal rein rahmfarbene Unterflügel-
decken, bei denen die Mitte nur minimal dunkler erscheint. Die
Helligkeit variiert sowohl jahreszeitlich wie nach dem Alter und
individuell im gesamten Verbreitungsgebiet der Form. Die Varia-
tionsbreite bei vulgaris-poltaratskyı dürfte etwa so darzustellen sein:
vulgaris
hell, EaR seen ' dunkel
poltaratiskyi
Die Gesamtfärbung der Vögel im Jugendkleide stimmt mit
der der Nominatform überein, soweit das mir zugängliche geringe
Material da ein Urteil erlaubte. — In dem ganzen Verbreitungs-
gebiet der Nominatform kommen durchaus nicht selten Stare vor,
die einen an Stärke wechselnd ausgeprägten violettroten Glanz des
Oberkopfes, des Kinns und der Kehle aufweisen; die Häufigkeit
des Auftretens’ ist nicht örtlich bestimmt, die Intensität wie bei
sibirischen Vögeln wird jedoch nie erreicht (s. auch sophiae-inter-
medius unter vulgarıs L.).. — Größenverhältnisse: Flügellänge
127—135 mm. — 1. Schwinge 12 —15 mm. — Schnabel 23—27 mm. —
Lauf 29—31 mm. — Mittelzehe 23—30 mm. — Schwanz 60—65 mm.
Verbreitung: poltaratskyi vertritt die Nominatform, um es so
auszudrücken, in ganz Sibirien, d. h. dem nordasiatischen Rußland.
Seine Westgrenze bildet der Gebirgszug des Ural°), hier im Süden,
also im Gouv. Orenburg und in der Provinz Uralsk, liegt das Be-
rührungsgebiet mit jilkowi, und eine Hybridisation der beiden
Formen in den Grenzgebieten wird gesehen, daher auch die Un-
gewißheit von Forschern, die in dieser Gegend sammelten inbezug
auf die Zugehörigkeit einzelner Stücke und das behauptete ‚‚Neben-
einandervorkommen‘‘ (siehe auch „sophiae“). Soweit Sturnus im
Norden Asiens und auch im Osten lebt, gehört er zu poltaratskyi.
Der nördlichste mir bekannt gewordene Fundort ist Jenisseisk am
°) Nachträglicher Zusatz: Hermann Grote (,,Aus der ornithologischen
Literatur Rußlands, Berichte und Übersetzungen III“, 1921, p. 37) schreibt
nach den Veröffentlichungen Uschakows aus dem Jahre 1913 über die Vögel
des Kreises Tara im Gouv. Tobolsk: „‚Sturnus poltaratskyi menzbieri Sharpe
und Sturnus intermedius Praz. Beide Formen sind hier zahlreiche Brut-
vögel.“ (!) Die Belege sind von Menzbier und Buturlin nachgeprüft.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 27
mittleren Jenissei (Popham, Ibis 1898). Über die Ostgrenzen liegen
kaum Daten vor, als Brutvogel ist er nachgewiesen bis in die Gegend
des Baikal-Sees. Die Grenze wird hier zusammenfallen mit der
des westlichen Verbreitungsareals des Formenkreises Spodiopsar.
Die Südgrenze bildet das nördliche Wohngebiet der Formen
St. v. dzungaricus und zardamensis, soweit diese als solche aufrecht-
zuerhalten sind (nach Hartert geht er bis Marka-Kul und Saissan-
Nor) und des dorphyronotus (also Nord-Turkestan); wie die Grenze
von hier zum Aral-See bzw. Kaspischen Meer verläuft, ist noch
unbekannt. Auf der Herbst- und Winterwanderung berührt
poltaratskyı weite Gebiete. Er hält sich dann in großen Scharen
in den nördlichen Ebenen Indiens auf (Lucknow, Simla, Assam,
Punjab, Sindh etc.), ebenso, doch überwintert er anscheinend
weniger häufig, in Turkestan (Tli-Gebiet, Taschkent, Semire-
tschensk etc.) ; ich sah ferner Stücke aus Kaschmir und Baludschi-
stan, einen Vogel von Angora (dies könnte jedoch auch graccus
sein. Nach Sharpe wurden Mitte März Vögel dieser Form in
Afghanistan gesammelt. Auf Cypern (Bucknill, Madarasz u. a.)
und in Mesopotamien (Sassi, Neumann) 10) ist er Wintervogel,
ebenso Zugvogel am Tedshen, in der Kara-Kum-Wüste (Loudon) ;
im Talysch soll er sich in großen Schwärmen aufhalten, doch die
von mir aus diesem Gebiet untersuchte große Serie war ausschließ-
lich reinrassige Nominatform! Nach Nicoll wurde er in Unter-
ägypten erbeutet. Der östlichste bekannt gewordene Fundort
(Staff-Surgeon) ist Wei-Hai-Wei am Gelben Meer in der Provinz
Schantung. — Auf seinen Wanderungen berührt er selbstverständ-
lich die zwischenliegenden von anderen Formen bewohnten Ge-
biete, wo er dann auch ab und zu erbeutet wird, manchmal, wie
ich nachweisen konnte, zu späten Terminen, d. h. dann, wenn
bereits die heimische Form ihr Brutgeschäft beginnt, entsprechend
der nördlicheren Heimat des Zugvogels, was zu sehr vielen Irr-
tümern in der Verbreitungsangabe und Begrenzung der Formen
Anlaß gab.
Ich untersuchte schöne Brutserien von westlich Tomsk bis
Krassnojarsk und aus dem chinesischen Altai, im ganzen von dieser
Form 74 Exemplare.
? Sturnus vulgaris zaidamensis Buturlin
Sturnus zaidamensis Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904, p. 208 (Zaidam,
Sadschu).
St. v. zaidamensis But., Hartert, Nov. Zool. 1918, p. 336.
Buturlin beschrieb diesen Star nach zwei Exemplaren aus
dem Zaidamschen Tieflande und von Sadschu am Nordufer des
Nan-Shan ;er rechnet ihn zur Gruppe vulgaris-poltaratskyi-huma (),
10) Die Vögel, auf die Sassi und Neumann das Vorkommen der polta-
ratskyi in. Mesopotamien gründeten, lagen mir nachträglich vor (Wiener
Coll.): mehrere derselben sind aber balcanicus, einer vulgaris, und bei dem
letzten ist nicht sicher zu entscheiden, ob er ein poltaratskyi oder graeeus 1St,
ersteres scheint mir eher der Fall zu sein.
3. Heft
28 - Dr. Adolf von Jordans:
von der er sich durch das Fehlen jeglichen Bronzeglanzes unter-
scheide; seine Charakteristika sollen sein: grüner Kopf, Nacken,
Hals, Kinn und Kehle, purpurfarbige Ohrdecken und Unterseite
des Körpers, purpurne Flügel und Schultern mit schwachem
grünen Schimmer auf den Schultern, starkem auf den Flügeln,
grüner Rücken und violetter Bürzel. Er schreibt: ‚diese Art ist
sicher selbständig“. Nach dem Formenkreisbegriffe kann hiervon
natürlich keine Rede sein, es könnte höchstens eine selbständige
Form sein. Ich habe ebensowenig wie Hartert Vögel aus dem
Zaidam-Gebiete gesehen, kann daher auch nicht definitiv urteilen,
möchte aber wie folgt Stellung nehmen: Der Autor läßt uns im
unklaren, ob seine beiden Stücke Brut- oder Zugvögel sind, er gibt
keine Maße, er gründet auch diese Form nur auf zwei Exemplare!
Zu Beginn seiner Arbeit schreibt er, daß er bei der Farbenbestim-
mung den Vogel mit dem Kopfe zum Licht, d. h. zwischen sich
und das Fenster halte; nur wenn er das besonders bemerke, halte
er ihn vom Lichte abgewandt. Da er bei zaidamensis nichts hinzu-
setzt, hat er also die Farben nach ersterer Lichtrichtung an-
gegeben. — Es liegt mir nun ein Brutvogel von Tomsk (poltaratsky:i)
vor, der bei derselben Lichtrichtung folgenden Farbglanz zeigt:
Oberkopf, Kinn, Kehle, Halsseiten grün, Ohrdecken rein violettrot,
Unterseite des Körpers desgleichen, Flügel und Schultern grün mit
schwachem rötlichen Schimmer, ebenso Rücken und Bürzel; man
vergleiche das mit Buturlins obiger Diagnose! Trotzdem halte ich
mich nicht für berechtigt, vorläufig zardamensis einzuziehen aus
folgenden Gründen: Da Buturlin seine neue Form ausdrücklich
poltaratskyi gegenüberstellt, so hat er seine beiden Vögel zweifellos
mit dieser Form verglichen; es kann nun sein, daß ihm von dieser
ein nicht genügendes Variationsmaterial vorlag, was unwahrschein-
lich ist, oder aber er vergaß die Lichtrichtung, unter der er die
Diagnose gibt, anzuführen. Hiernach würde sich zaidamensis
unterscheiden von der Nominatform und poltaratskyi durch violett-
rote (Buturlins ‚purpurfarbige“) Unterseite von ersterer, ferner
durch violettrote Ohrdecken, von letzterer durch grünen Kopf,
Kinn und Kehle; eine merkwürdige Mischung bei dem sich vielfach
komplementär verhaltenden Rotgrün - Glanz innerhalb ein und
derselben Form. Ist dieses Merkmal konstant, so wäre der Star
des Zaidam-Gebietes allerdings eine selbständige Form, die den
beiden obengenannten Formen am nächsten stände. Zoogeogra-
phisch wäre das sehr interessant, da sich dann zwischen die grün-
köpfige vulgaris und zaidamensis auf weite Gebiete eine rotköpfige
Form — poltaratskyi —- zwischenschöbe, vielleicht ein weiterer
Hinweis auf klimatische Bedingtheit des Farbglanzes. Zunächst
heißt es aber festzustellen, ob dienach zwei Exemplaren angegebenen
Unterschiede wirklich konstant sind, ob die betreffenden Vögel
überhaupt Brutvögel dort sind, d. h. mit anderen Worten, ob
zaidamensis aufrechtzuerhalten ist, was ich vorläufig als höchst
fraglich betrachte,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 29
Das Areal Zaidam-Tiefland Sadshu liegt merkwürdig zu dem
Verbreitungsgebiet des Porphyronotus und der angrenzenden
Formen!
Sturnus vulgaris graecus Tschusi
Sturnus menzbier: Sh. Reiser, Ornis Balcanica, Bd. II, Wien 1894,
DSH:
St. vulgaris L. Führer, Ornis Balcanica, Bd. IV, Wien 1896.
St. menzbieri Sh.? boltaratskyi I Madarasz, Die Vögel Ungarns,
Budapest 1899—1903 (Stare von Kovil = menzb., östl. Ungarn,
Siebenbürgen = ıntermedius, nördl. mittl. westl. — vnlg.)
St. vulgaris graecus Tschusi, Ornith. Jahrb. 1905, p. 141 (Griechen-
land).
St. vulg. graecus Tsch., Reiser, Ornis Balcanica, Bd. I, Wien 1905,
p. 241—243 (n. Tschusi zwischen vulg. und bolt., n. Klein-
schmidt zwischen vulg. und purpurascens aus Kleinasien!). —
Dombrowski, Ornis Romaniae, Bukarest 1912.
St. vulg. polt. F. Lintia, Mat. Avif. Serbiens, Aquila XXII, 1915,
p- 340 (Serbien und SO.-Ungarn).
St. vulg. L. subsp.? Geyr v. Schweppenburg, ]J. f. ©. 1915, p. 101
(Komitat Syrmien).
vulg. polt. F., Schenk, Fauna Regni Hungariae. Aves. Budapest
1917, P: 82.
St. vulg. purpuracens Gld. (errore), Schenk, Fauna Regni Hung.
Aves. Budapest 1917, p. 83.
"St. vulg. graecus Tsch., Hartert, Nov. Zool. XXV, 1918, p. 331
St. vulg. purpurascens Gld. (errore), Gengler, Balkanvögel, on
p- 56—58 (Mazedonien, d. Autor nennt ihn den ‚,östl. Star“ !).
St. vulg. balcanicus x vulgaris, Stresemann, Avifauna Macedonica,
München 1920, p. 13.
Im ornith. Jahrbuch 1905, p. 141, trennte Tschusi den Star
Griechenlands unter dem Namen Si. v. graecus subsp. n. ab. Der
Autor (vergleiche Reiser, Ornis, Balcanica, p. 242, wonach als
solcher nicht ‚‚Tschusi und Reiser‘ zu bezeichnen ist) gibt folgende
Diagnose — ich zitiere nur die wichtigen Sätze: ‚„Sturnus vulgaris
ähnlich, aber mit violetten Sekundarien und Flügeldeckensäumen ..
Jüngere Vögel sehen vulgaris gleich... Oberkopf, Hals und Kehle
purpurn, Ohrdecken ebenso aber oft (bei jüngeren) mit mehr oder
weniger grünem Schimmer.“ Typus: 2 Exemplare von Chiliadu,
Thessalien 18. u. 19. Mai.
Hiernach stände der griechische Star sehr nahe poltaratskyı,
worauf ich noch eingehend zurückkommen werde; es fragt sich, ob
nicht nach den angegebenen Merkmalen ein anderer Name die
Priorität haben könnte. Es käme zunächst, lediglich was die
Diagnose angeht, intermedius Prazäk 1895 und sophiae Bianchi 1896
in Frage; letzterer ist aber für den Vogel des mittleren und östlichen
europäischen Rußlands gegeben worden und außerdem ein Synonym
von vulgaris (siehe diesen) ; intermedius soll der Name des ‚‚Mittel-
St.
=
3. Heft
20 Dr. AalolE von Jordans:
europ. Stars“ sein (als terra typica sehe ich Böhmen an), und er
ist ebenso ein Synonym von vulgaris; ein älterer in Betracht
kommender Name ist also nicht vorhanden. Es ist daher ein Irrtum,
wenn Buturlin und Härms in ihrer Beschreibung des balcanicus
(Ornith. Mon. Ber. 1909, p. 57) sagen: ‚St. graecus Tschusi und
Reiser = Si. intermedius Prazak‘‘ — Hartert schreibt in den ‚Notes
on Starlings‘‘, Nov. Zool. 1918, p. 331): „Se. v. graseus Isch.
very different from SZ. v. balcanıcus and nearest to. St. v. sophiae
(Jitkowi) ... outer edges to larger upper wing coverts and secon-
daries glossy purplish as in S£. v. vulgaris... Differs from St. v.
sophiae by having more purple on the wings.‘
Ich komme nun zurück auf die Tschusische Diagnose: ‚Die
violetten Sekundarien und Flügeldecksäume“, auch nach Hartert
das Hauptcharakteristikum der Form, besitzt genau in demselben
Maße der sibirische Star, letzterer sogar bei extrem ausgeprägten
Exemplaren in noch verstärktem Maße.!) Man kann dieses an
Itensität wechselnde Merkmal direkt ein korrelatives zu dem Rot-
glanz des Kopfes nennen. Die Vögel aus dem Verbreitungsgebiet
der Nominatform, die den ‚‚intermedius-Charakter‘‘ aufweisen,
haben stets auch diese violettrote Färbung der Flügel-Feder-
partien. Eine Parallele zu dem Rotglanz des Kopfes einerseits und
der Grünfärbung des Rückens andererseits: Je ausgeprägter
ersterer, desto reiner letztere und umgekehrt. — Hier besteht also
kein Unterschied gegenüber poltaratskyi, höchstens insoweit, als
die rechtsstehenden Exemplare in der Kurve letzterer über die des
graecus hinausgehen — soweit wenigstens mein Material zeigte. —
„Jüngere Vögel sehen vulgaris gleich“. Dies stimmt nur für die
iuvenes beider Formen, nicht aber für semiadulte, wie aber wohl
unter ‚jüngere‘ zu verstehen ist. Für diese gilt das Gleiche in-
bezug auf die Kopffärbung wie bei den adulten. ‚Oberkopf, Hals
und Kehle purpurn, Ohrdecken ebenso, aber oft (bei jüngeren) mit
mehr oder weniger grünem Schimmer“, so der Autor. Die Färbung
des Kopfes ist völlig gleich der des Sibiriers, auch die der Ohr-
decken, die teils grün, teils violett sind (alles bei rechtwinkligem
Licht) sowohl bei semiadulten wie den adulten Vögeln. Diese
Merkmale sind nicht abhängig vom Alter, wohl insofern von der
Jahreszeit, als dann mit zunehmender Abnutzung bei vorher violett-
roter Färbung gegebenenfalls der — nicht immer vorhandene —
grüne Unterton mehr zutage tritt. — Auch die Glanzverhältnisse
der Brust und der Flanken decken sich durchgängig mit denen des
poltaratskyi, doch sah ich bisher bei graecus nicht so starke Rot-
färbung wie bei jenem. Nur bei 2 Exemplaren aus der Münchener
Sammlung ist es anders: Diese zeigen das letztgenannte Merkmal
so intensiv, wie ich es bei den sibirischen nicht fand, aber gleich-
11) Wie ich nachträglich sehe, hebt Bianchi als Kennzeichen des polt.
bereits hervor, daß ‚‚die Flügeldecken violett oder purpurn oder stahlgrün,
aber an den Rändern purpurn“ seien (Ann. Mus. Zool, St. Petersb. 1896 —
russisch). Ein Merkmal, das keiner der späteren Autoren mehr erwähnt,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 31
zeitig besitzen diese ebensolche Flanken, deren Rot weit auf die
Brust hinübergeht (ähnliche Vögel erwähnte ich vom chines. Altai) ;
ein gleiches Stück von Rasa in Rumänien vom 13. 3. ist in der-
selben Sammlung. Ich halte diese Vögel neben den erwähnten
Eigentümlichkeiten auch wegen ihres Gesamthabitus für Misch-
linge balcanicus-graecus; sie wären zu bezeichnen: Sturnus vulgaris
graecus < balcamicus. Ein typischer Bastard der genannten
Formen liegt mir in einem Balg aus dem Senckenb. Mus. aus der
Coll. Parrot von Unterägypten (Alexandria 1904) vor. Hybridi-
sation dieser beiden Formen in den Grenzbezirken ist ja natürlich.
Bisher sahen wir keinen nennenswerten Unterschied zwischen dem
Sibirier und dem Griechen; aber die Untersuchung der Unterflügel-
decken und Achselfedern führt zu einem anderen Resultat. In
diesem Merkmal steht der griechische Star der Nominatform näher
als der sibirischen. Das Ergebnis des Vergleiches hängt wesentlich
von der Größe des Materials ab (was die speziellen Verhältnisse
des Färbungscharakters dieser Federpartie anlangt, so verweise
ich, um mich nicht zu wiederholen, auf die Ausführungen bei
poltaratskyi). Das Maximum der Helligkeit bei graecus erreicht
nicht das des poltaratskyi, liegt aber jenseits des der Nominatform,
und ebenso reicht das Maximum der Dunkelheit des graecus nicht
bis zur Mitte der Kurve jenes. Schematisch dargestellt würde sich
folgendes Bild ergeben:
poltaratskyi
vulgaris nn,
dunkel | | hell
ee ern 2 aa ee
grascus
Ist es nun richtig, diese ‚„Subtilform‘“ zu benennen? (Daß sie
bereits einen Namen hat, und zwar auf Grund von angenommenen
Unterschieden, die sich als nicht stichhaltig herausstellten, kann
m. E. bei dieser Frage keine Rolle spielen.) Ja! Und zwar aus
folgendem Grunde — es ist mir gleichzeitig eine -willkommene
Gelegenheit, meinen im Schlußkapitel erläuterten Standpunkt
auch in dieser Richtung an einem konkreten Beispiele veranschau-
lichen zu können —: Einmal besteht ein Unterschied; wenn auch
nur ein „subtiler“, je größer das Material desto deutlicher, aber
dies mag für einige Ornithologen nicht ausschlaggebend sein, für die
Berechtigung einer nomenklatorischen Trennung. In diesem Falle
müßte dann die Form Griechenlands — in weiterem Sinne — als
identisch angesehen werden mit der Sibiriens; nun liegt aber da-
zwischen ein sehr großes Gebiet, das von einer anderen Rasse —
der Nominatform — und daneben der bulgarisch-rumänischen be-
wohnt ist. Wir haben keine Möglichkeit zu entscheiden, ob graecus
und poltaratskyi physiologisch eine Einheit bedeuten gegenüber vu/-
garıs, vielmehr ist es aus geographischen wie auch aus allgemeinen
Gründen viel wahrscheinlicher — von Sicherheit soll man in solchen
3. Heft
32 Dr. Adolf von Jordans:
Fällen nie sprechen —, daß die Ähnlichkeit der Ausdruck
einer parallelen Erscheinungsform des allen Formen
eines Lebenskreises eigenen, gleichwesentlichen Typus
ist. Ob diese Parallelität Sich därstellen läßt durch die Formel
graecus graecus
poltaratskyi vulgaris
Kombinationen im Verein mit weıteren Formen, wissen wir
nicht und läßt sich — wenigstens ich sehe keine Möglichkeit —
heute nicht paläogeographisch entscheiden. Mit anderen Worten:
wir wissen nicht, ob graecus dem poltayatskyı physiologisch näher
steht als vulgaris oder gar einer anderen Starenrasse. Persönlich -
neige ich zu der Auffassung einer verwandtschaftlichen (physio-
logischen) Parallelität.. In diesem Grunde, da ein Problem offen
bleibt, sehe ich die Notwendigkeit der nomenklatorischen Trennung.
Es wäre übrigens nicht uninteressant, die Verbreitung der
Starformen der Balkanhalbinsel und ihrer Nachbargebiete mit der
anderer Vogelformen und ebenso mit den Tierrassen anderer
Klassen zu vergleichen, wobei sich interessante Parallelen heraus-
stellen würden, nach deren ‚‚mechanistischer Erklärung‘ (im üb-
lichen Sinne) man vergeblich suchen wird, aber das gestattet mir
leider der Raum nicht.
Eine Färbungstabelle des graecus zu geben, erübrigt sich wohl.
Die Unterschiede gegenüber vulgarıs und poltaratskyı habe ich ja
bereits oben des näheren erläutert. Nur einige Bemerkungen
möchte ich hier noch hinzufügen: Bei sicheren Brutvögeln ist das
Grün des Rückens (bei rechtwinkl. Licht) durchweg ein anderes
als bei der Nominat- und der sibirischen Form; der Unterschied
läßt sich schwer beschreiben. Der Rücken ist etwas heller, das
Grün weniger gelblich, reiner und mehr blaugrün. Ein ganz altes
Sin abgeriebenem Kleide zeigt grünen Vorder-, blaugrünen Hinter-
rücken, Bürzel und Oberflügeldecken (dieses fast rein stahlblau),
bei stumpfwinkligem Lichte rein blaugrünen Vorder-, violett-
rötlichen Hinterrücken, wie ich es bei vulgarıs und poltaratskyı nie
fand. — Es liegen mir drei Vögel im Jugendkleide aus Mazedonien
vor. Diese sind außerordentlich hell und grau auf Ober- wie Unter-
seite, heller als die helle Phase bei vulgaris, bei einem Vogel im
Übergangskleide ist das helle Grau stark ‚‚fuchsig‘‘ verschossen,
so stark sah ich das sonst nicht. Ob diese helle Färbung ein kon-
stantes Merkmal ist, kann nur größeres Material entscheiden, ich
glaube es nicht. Die Fleckung der Oberseite ist sehr hell und durch-
gängig nicht so gelblich wie bei der Nominatform; der Rücken ist
nur selten und auch nur dann sehr schwach rötlich .bei rechtwinkl,
Licht. — Größenverhältnisse: Flügellänge 129—137 mm (meist
132—134). — 1. Schwinge 11,5 —15 mm. — Schnabel 23—27 mm
(meist 24—26). — Lauf 29—31,5 mm. — Mittelzehe 28—30 mm.
-— Schwanz 60—67 mm (meist 63—65).
Die Verbreitung des graecus ist ein ebenso schwieriges wie
interessantes Kapitel; vorläufig kann ich nur in großen Zügen ein
vulgaris < oder poltaratskyı < oder noch anderen
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.L_ 33
annäherndes Bild zu geben versuchen, da es mir an genügendem
Material aus vielen Gegenden fehlte und die Literaturangaben so
vage und vieldeutig, zum größeren Teile ganz unzuverlässig sind,
daß damit wenig anzufangen ist. Vom Münchener und Berliner
Museum erhielt ich eine große Serie mazedonischer Brutstare,
während des Krieges dort gesammelt, die ebenso wie solche aus
anderen Gegenden des Balkans — auf diese Vögel komme ich noch
zurück — identisch sind mit denen aus Thessalien und dem übrigen
Griechenland. Ein Topotyp aus der Münchener Coll. (Chiliadu
18. V.) trägt von Tschusis Hand geschrieben den Vermerk ‚nicht
typisch‘. Ein Teil der untersuchten Mazedonier aus der Zugzeit
gehört der Nominatform an. Die Form graecus bewohnt wohl ganz
N.-Griechenland, wenn auch in spärlicher Besiedelung; anscheinend
überschreitet sie das Pindus-Gebirge nicht und fehlt sowohl den
Aegaeischen Inseln wie auch Creta. Die Serien aus Mazedonien
stammen vom Oberlauf des Vardar, die Form dürfte auch Al-
banien bevölkern, wie weit sie nach Osten geht wissen wir nicht,
vielleicht bis Konstantinopel*). Nach den wenigen Stücken, die
ich aus Bulgarien (Sofia) erhielt, und außerdem auch aus geo-
graphischen Gründen gehört der bulg. Star zu graecus und nicht,
wie Dombrowski meint, zu balcanıcus (,‚poltaratskyı‘‘ Dombrowski,
Ornis Romaniae Bukarest 1912, p. 48 — siehe unter balcanicus) ;
das Grenzgebiet gegenüber balcanicus ist noch nicht bekannt
(siehe diesen). Die von Reiser (Ornis Balcanica, Bd. II, Wien 1894,
p: 81) erwähnten Exemplare von Kara Orman (östl. Veles) aus dem
Juni 1890, die er zu menzbieri stellt, ebenso das dort gen. Stück
aus dem Mai von ‚‚östl. Sofia‘‘ wie das von Jamboli (Östrumelien)
vom Juli sind offenbar graecus. — Nun die schwierige Frage der
‚weiteren Verbreitung, die wie gesagt, noch nicht zu lösen ist. Über
den Star Montenegros kann ich nichts Definitives aussagen. Führer
schreibt (Reisers Ornis Balcanica, Bd. IV, Wien 1896): ‚„Auf-
fallenderweise brütet kein Star in Montenegro, und es ist nicht
möglich, im Frühjahr und Sommer auch nur einen einzigen zu
Gesicht zu bekommen‘ — was mir doch recht zweifelhaft scheint.
Gengler erwähnt in seinen ‚„Balkanvögeln“, p. 56, einen jungen
Star von Aleksina in Serbien aus dem Juli, sagt aber weiter aus-
drücklich, daß er ‚in Serbien den Star in den bereisten Gegenden
nirgends als Brutvogel fand‘; überhaupt sei er nur recht selten
dem Star in der Gegend begegnet. Was der Autor über die Ver-
schiedenheit des Jugendkleides des serbischen und mazedonischen
Sturnus schreibt, ist vollkommen irrig; man kann nicht nach
einem (!) Exemplar urteilen. Das hier nebenbei. — Lintia dagegen
nennt den Star (,,S2. v. poltaratskyi F.“‘) einen besonders im Flach-
*) Anmerkung: Es hieß immer, daß bei Konstantinopel kein
Star brüte. Dagegen teilt mir mein Vetter Baron Fritz von Fürstenberg,
der lange Jahre am Bosporus wohnte, ein großer Jäger und guter Be-
obachter, mit, daß der Star dort wohl, aber nur vereinzelt als Brut-
vogel vorkomme.
Archiv la urgesrhichie Q 3, Heft
o
34 Dr. Adolf von Jordans:
land Serbiens sehr gemeinen Brutvogel, während vulgaris nur Zug-
und Wintervogel dort sei. Leider ist es ja jetzt nicht möglich,
Material aus dem Serajewoer Museum zu bekommen, ich, nehme
aber an, daß sowohl hier in Serbien wie auch in Montenegro die
griechische Rasse beheimatet ist. — In Bosnien und der Herze-
gowina liegt das Grenz- und damit das Vermischungsgebiet zwischen
vulgaris und graecus, so daß Exemplare aus diesen Gegenden viel-
fach als Hybride zu bezeichnen sind. Aus der Herzegowina sah
ich nur 3 Vögel, davon einer graecus, der andere mischrassig, der
dritte vulgaris. Aus Bosnien konnte ich auch im ganzen nur
8 Exemplare vergleichen, davon 3 aus der Zugzeit reine vulgaris,
2 stark abgeriebene Sommervögel mischrassig und 2 Brutvögel
aus der Gegend von Serajewo, wie einer von Mosramra vom 22. V.
(Wiener Museum, von Tschusis Hand als vulgaris x balcanıcus
bezeichnet) reinblütige (äußerlich!) graecus. Der dalmatinische
Star — wenigstens aus dem Norden des Landes — gehört zu der
reinrassigen Nominatform. Im Norden liegen die Verhältnisse
noch komplizierter; um da Klarheit zu schaffen, ist noch großes
Material namentlich aus Ungarn erforderlich. Sehr zu bedauern
war es, daß mir das Material aus dem Budapester Museum unzu-
gänglich blieb. Großes Interesse beanspruchten die von Baron
Hans Geyr v. Schweppenburg in Slavonien gesammelten Stücke,
die sich im Mus. Koenig befinden, und über die Geyr im ]J. f. O.
1915, p. 101, berichtete (,Ornith. Beobachtungen im Komitat
Syrmien‘). Der Verfasser weist auf den ständig vorhandenen
„Purpurschimmer an Kopf und Kehle‘ hin, er konnte sich ‚‚nicht
entschließen, die Stare von Vukovar einer bestimmten Unterart
zuzuweisen‘“. ‘Hätten alle Autoren, die über Stare geschrieben
haben, sich diese einzig richtige, aber eben so seltene Zurückhaltung
auferlegt — bei Fehlen eines genügend großen Vergleichsmaterials
— so wäre ein solches unglaubliches Kunterbunt in der Staren-
nomenklatur und Starenkenntnis nie möglich gewesen. Die An-
nahme Baron Geyrs, daß jüngere, etwa einjährige Vögel einen
anderen Glanz haben könnten als alte, ist nicht ganz zutreffend,
lediglich die Intensität nimmt mit dem Alter zu, nicht aber die
Art des Glanzes. — Der Fundort der Stare, Vukovar, liegt in
Ost-Slavonien unmittelbar an der Donau; es sind 8 Vögel von Mitte
bis Ende April; sie gehören zu graecus mit (bei rechtwinkligem
Lichte) violettroter Kehle, doch ist der Oberkopf bereits mehr oder
minder grünglänzend, auch die Secundarien zeigen nicht mehr den
reinen graecus-Iyp. Es handelt sich also hier zweifellos um Hybri-
disationsprodukte, die ‘je nach dem als graecus < vulgaris oder
graecus > vulgaris zu bezeichnen sind oder auch bestimmte Ex-
emplare nur mit einem der ‚beiden Namen; das Verhältnis der
Hybride und der reinblütigen Stücke an großem Material aus diesen
Gegenden festzustellen, lohnte der Mühe. Wie steht es nun mit
den Sturnus Ungarns? Auch aus diesem Lande wäre ein reich-
haltiges Material aus den verschiedenen Provinzen sehr erforderlich;
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.. 85
in Ermangelung eines solchen muß ich mich mit Hinweisen be-
gnügen, deren Inhalt sich mir bei der Untersuchung von etwa
einem Dutzend Bälgen und den wenigen brauchbaren Literatur-
stellen ergab und mit Madaräsz’ Anschauungen im wesentlichen
übereinstimmt (siehe Literatur): im westlichen Ungarn lebt der
reinrassige vulgaris; aus dem Komitat Neograd n. östl. von Buda-
pest sah ich einige Exemplare, die bereits starkes graecus-Blut
verrieten, doch ist es mir fraglich, ob dies Brutvögel waren; aus
Nordungarn konnte ich keine Stare vergleichen, doch dürfte
hier der vulgaris-Stamm überwiegen, wenn nicht ausschließlich
vorkommen. Dagegen in Südungarn (bei Kovil bei Peterwardein
nur ‚‚menzbieri‘ nach Madäräsz) und ebenso im Osten, in Sieben-
bürgen, liegen die Verhältnisse umgekehrt. Madaräsz sagt in
seinen „Vögeln Ungarns‘: In Ungarn, namentlich in den sieben-
bürgischen Komitaten, lebe eine Zwischenform zwischen vulgaris
und menzbieri; da jeder Übergang existiere, dürfe für diese kein
Name (,‚intermedius‘‘) gegeben werden. Er erwähnt dann ein
Exemplar aus dem Mai, das sich im Ung. Nat. Mus. befinde, und
nennt es menzbieri, dagegen andere Stücke aus den Jahren 1891,
1896, 1897, bei Fogaras erlegt, ‚‚poltaratskyi‘. Diese werden rein-
rassige graecus sein. Diese Angaben bestätigen meine Ansicht. —
Schenk (siehe Literatur) nennt einen Vogel von Fogaras in SO.-
Ungarn oltaratskyi, einen anderen aus dem Banat vom Juni
purpurascens (beide im Ung. Nat. Mus.); ersterer ist zweifellos
graecus, der letztere entweder auch, oder was mir wahrscheinlicher
scheint, in Anbetracht der Gegenüberstellung der beiden Exemplare
ein Bastard graecus-balcanicus; Schenk hält den Brutstar Ungarns
für vulgaris, mit Recht inbezug auf den westlichen und zentralen
Teil. — Die Ostgrenze gegenüber vulgaris (? und balcanicus) ist
einstweilen nicht festzustellen; ich glaube, daß sie etwa mit den
Gebirgszügen der Karpathen (in weiterem Sinne) zusammenfallen
wird, und das somit in Galizien die Nominatform zu Hause
ist, feststellen konnte ich das Vorkommen letzterer aber erst an
schönen Serien aus den Rokitnosümpfen, während des Krieges
dort gesammelt.
Als theoretisch wichtiges Resultat ergibt sich: S2. vulgarıs
graecus ist keine sog. Zwischenform oder auch eine Mischrasse, oder
gar mit doltaratskyi zu identifizieren, sondern eine wohlunterscheid-
bare Form, die unabhängig auf dem Balkan entstand, in ihrer Ent-
stehung eine deutliche Parallele zu den Rassen vulgaris-poltaratskyi
bildend und somit gleichzeitig ein schöner Beweis der physiologi-
schen Einheit des Sturnus vulgaris-Lebensringes. An den all-
seitigen Randgebieten findet häufige Vermischung statt, einerseits
zwischen vulgaris und graecus, anderseits zwischen graecus und
balcanıcus. Die Produkte dieser Kreuzungen lassen bei geringem
Material das Bild leicht verschwimmen, und dieser Umstand ver-
anlaßte viele Autoren zu falschen Schlüssen, hier und in anderen
Fällen zum Zweifeln an dem Bestehen oder zum wenigsten an der
3x 3. Heft
36 RN. Dr. Adolf von Jordans:
Möglichkeit, viele Starenexemplare in ihrer Rassenzugehörigkeit
erkennen zu können. Noch verwirrter kann das Bild werden durch
den Umstand der zweifellos sehr nahen Blutsverwandtschaft dieser
sich berührenden Rassen, wodurch auch mitten im eigentlichen
Wohngebiet einer Form mischrassige Individuen gefunden werden
können, infolge davon daß hin und wieder Vögel der anderen Rasse
auf ihrer alljährlichen Wanderung durch fremdes Gebiet dort
zurückbleiben und sich mit ihren Vettern verbinden. — Die Summe
aller dieser Kreuzungsprodukte bildet dann eine ‚Mischrasse‘“,
keine „Zwischenform‘! — Alle solche Überlegungen können
m. E. einen nüchternen Beobachter nur immer mehr zu der Über-
zeugung bringen, daß es viele in sich geschlossene Lebenseinheiten
gibt mit der Fähigkeit einer großen Pendelweite der äußeren Ge-
staltung aber mit einer sie allseitig umschließenden unüberwind-
lichen Schranke: Die Unmöglichkeit deren Überwindung ‚oder
Durchbrechung vernichtet den Glauben an das navıa deı. Dort,
wo es heute noch anders scheint, kennen wir vielfach den ganzen
Inhalt der in Frage stehenden Lebenseinheit noch nicht.
Als sicheren Zugvogel konnte ich graecus bisher nur von
Rumänien nachweisen, doch glaube ich, daß viele als poltaratskyi
oder menzbieri in der Literatur und in Sammlungen bezeichneten
Stare aus dem Nachbargebiete, zur Winterszeit oder im Herbst
und Anfang des Jahres erbeutet, nicht Angehörige der sibirischen
Rasse sind, die ihre Hauptzugrichtung nach dem Süden und Osten
haben wird, sondern der griechischen, doch ist eine sichere Ent-
scheidung schwierig und vielfach unmöglich bei der großen Ähnlich-
keit der beiden. Einen Bastard graecus x balcanicus aus Alexan-
dria erwähnte ich bereits oben. Ich untersuchte von dieser Form
83 Exemplare.
Sturnus vulgaris baleanieus Buturlin & Härms
Sturnus purpurascens (non Gould) Sharpe, Cat. Br. Mus. 1890,
p. 37 (partim) (Walachei, Dobrudscha, Rumänien).
St. menzbieri Sharpe (errore), Reiser, Orn. Balc. II, 1894, p. 81.
St. purpurascens Gould (errore), Bianchi, Ann. Mus. Zool. Acad.
Imp. Sc. St. Petersb. 1896 (partim).
St. menzbieri Sh. (errore), Brauner, Bemerkungen über die Vögel
der Krim. Odessa 1898, p. 36 ff. (russisch).
St. poltaratskyi Finsch (errore), Madaräsz, Ornith. Jahrb. 1899,
p. 227.
St. purpurascens Gould (errore), Hartert, Vögel der pal. Faun.,
Berlin 1903, p. 46 (partim).
St. baleanieus Buturl. & Härms, Orn. M. Ber. 1909, p. 56. Rumänien.
St. vulgaris poltäratskyi F. (errore), Dombrowski, Ornis Romaniae,
Bukarest 1912.
- St. vulgaris balcanicus, Bucknill, Ibis 1913, p. 8 (Wintervogel aut
Cypern).
St. vulgaris balcanicus Buturl. & Härms, Hartert, Nov. Zoolog.
1918... p: 991.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 37
St. vulgaris balcanicus But. et H., Gengler, Balkanvögel, 1920, p. 59.
Die Entwicklung der Federkleider ist dieselbe wie bei der
Nominatform. Die Kennzeichen dieser sehr ausgeprägten Form
sind folgende:
Federpartien bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl, Licht
Oberkopf . . . . ... violettrot grün
Oberhals . . . . . . bläulichgrün oder “rein blauviolett
grün (Genick mehr blau)
Rücken. .... . . bläulichgrün (Vorder- stärker bläulich (Hinter-
mehr grün, Hinter- mehr mehr violettrot)
blau, nie mit rötlichem
Glanz)
Schulterfedern, Bürzel,
Oberschwanzdecken blaugrün violettrot
Flügeldecken . . . . violettrot (große Flügel- violettrot (schwach
decken vielfach mit bläu- bronzefarbig)
lichem oder grünlichem
Glanz)
Armsehwingen. . . . violettrot, bisweilen mit violettrot (schwach
i bläulichem oder grün- bronzefarbig)
lichem Schimmer
Halsseite . . blaulichgrün violettrötlich
Ohrdecken und Wange violettrot oder grün grün oder violettrot
Kinn und Kehle . . violettrot, selten schwach grün, selten mehr rötlich
bronzefarbig oder grün-
lich
Kropks 2: =orum., violettrötlich
Brust und Bauch. . vordere Brustseiten stahl- schwach violettrötlich
bläulich, Mitte u. Bauch oder schwach bronze-
sehr schwach glänzend. farben
Übrige Brust violettblau-
rot (selten mitschwachem
grünen Glanz)
Weichen leuchtend violettrot schwach bronzefarben
Unterschwanzdecken . schwach bläulichgrün schwach rötlich
Die Unterflügeldecken und Achselfedern sind ähnlich
wie die der Nominatform, erinnern aber bereits durch die
durchweg schmäleren hellen Säume und dunkleren Ton
der Feder an die asiatischen Formen, ja in einzelnen Fällen
. werden sie diesen sehr ähnlich. Das Weibchen unterscheidet sich
vom Männchen (neben den bei der Nominatform angegebenen
Merkmalen) durch viel schwächeren Glanz, dadurch daß das Grün
weniger bläulich ist und weniger leuchtend, ferner zeigen die Ohr-
decken stets einen wechselnd starken grünen Glanz bei recht-
winkliger Beleuchtung, der bei stumpfwinkliger violettrot wird.
Die Färbung der hellen Flecken der Oberseite ist namentlich beim
& reiner, mehr weiß, weniger bräunlich als beim mitteleuropäl-
schen Star, daher ist der Unterschied gegenüber den Flecken der
Unterseite bedeutend geringer. Auch von dieser Form war es mir
nicht möglich, Vögel im Jugendkleid zu vergleichen. — Flügel-
länge 130—138 mm. — 1. Schwinge 11—16 mm. — Schnabel
3. Hoft
38 . Dr. Adolf von Jordans:
3427 x 8-8,5 mm. — Lauf 29—32 mm. — Mittelzehe 28 bis
31 mm. — Schwanz 62—69 mm.
Die Maße des Weibchens sind wie bei allen Starformen durch-
gängig etwas geringer als die der Männchen.
Extrem gefärbte balcanicus können sehr ähnlich
gleichgerichteten caucasicus-nobilvor werden, nur ist die
Ausdehnung des Rotglanzes auf Flügeldecken und Armschwingen
bei letzteren stets beträchtlicher, vor allem aber bilden auch die
Unterflügeldecken eine deutliche Grenze, auch hat caucaszcus durch-
schnittlich viel geringeren Violettglanz auf der Bauchseite.
Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die Dobrudscha,
Walachei, im Süden durch Bulgarien bis zum Mittellauf der
Maritza, über Rumänien und wohl durch Bessarabien bis zum
Gouv. Chersum (Tiraspol am Dnjester in Coll. Buturlin) ;12) die
Westgrenze ist noch nicht bekannt. — Nach Hartert (Nov. Zool.
1918, p. 331) schoß ihn Guillemard auf Cypern, Bucknill fand ihn
gleichfalls als Wintervogel dort und glaubt, daß die enormen
winterlichen Starenschwärme auf dieser Insel sich hauptsächlich
aus Durburascens und balcanicus zusammensetzen. Unter den von
Dr. Pietschmann bei Mossul erbeuteten Winterstaren (Wiener Mus.),
von Dr. Sassi als ‚„‚poltaratsky:‘“ bezeichnet, von Neumann im J.f.O.
1915, p. 122, erwähnt (welche von diesen?) befinden sich 2 bal-
canicus (vgl. St. opbenheim:).
Die mir aus dem Herbst, Winter und frühen Frühjahr (sogar
noch ein Stück vom 3. 5. in meiner Sammlung, deutlich ver-
kümmert) vorliegenden Zugvögel aus Rumänien gehören zu graecus.
Übrigens die genaue Grenze ist noch in keiner Richtung festgestellt.
Vergleichsmaterial, darunter der Typus in meiner Samm-
lung: 50 Exemplare.
Sturnus vulgaris jitkowi Buturlin
Sturnus vulgaris Jitkowi Buturlin, Orn. Jahrb. 1904, p. 206 (,‚Ural
bis mittlere Wolga“).
St. sturnus.sophrae Bi. — St. st. menzbieri Sh., Suschkin, ‚Die Vögel
der mittl. Kirgisen-Steppe“, Moskau 1908 (russisch), übers.
Grote, J. £. ©. 1914, p. 325, sophiae u. vulgaris im Ilezkbezirke
Brutvögel nebeneinander, menzbieri im Kustanaibezirk.
St. vulgaris sophiae Bi. — St. vulg. jitkowi But., Domaniewski,
„Passeriformes der Umgebung von Saratow‘“, Travaux Soc.
Sc. Varsovie III. Classe des Sc. mathem. et nat. No. 18, 1916,
p. 140 (Brutvogel bei Saratow).
Die Untersuchung des Wiener Materials zwang mich, die Stare
Südostrußlands anders zu beurteilen, als ich es bis dahin getan,
d. h. sie von vulgaris zu trennen. Weshalb ich zu meiner jetzigen
Auffassung gekommen bin, sollen die nachfolgenden, eingehenden
12) Brauner (s. Literatur) nennt den Dnjepr die Grenze zwischen
dem porphyronotus (= purpurascens) der Krim und menzbieri (= balcanicus,
der Verf.), der den Chersoner und Odessaer Kreis bewohne.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 39
Auslassungen dartun: Buturlin schreibt bei seiner Diagnose des
jitkowi (sprich schitkovi): ‚Von den mit diesen die gleichen Ge-
- biete bewohnenden (,‚den östlichen Teil des europ. Rußlands vom
Ural bis zur mittl. Wolga inkl. das Tal der Sura‘) St. poltaratskyi
intermedius Pr. unterscheidet er sich scharf durch die purpur-
bronzeartige Färbung des Rückens (zwischen den Schultern), aber
vom typ. 52. vulgarıs L.... durch starken Purpurglanz des
Scheitels, Kinn und Kehle.“ Der Typus stammt von Simbirsk.
Er soll nach dem Autor außerdem auch in einzelnen Exemplaren
in den Gouvernements Moskau und Charkow vorkommen; Winter-
vögel sah er vom Kaukasus und Transkaukasus, er verfliege sich
sogar in das westliche Europa.
Ich sah Brutvögel von Moskau und auch einige Stücke von
Simbirsk, letztere aber waren wohl Zugvögel, diese alle waren
zweifellose vulgarıs (vgl. auch diesen). Der Wortlaut der Beschrei-
bung von Buturlins neuer Form veranlaßte mich, jitkowi als iden-
tisch mit der Nominatform zu erklären, wozu mich auch die nun-
mehr ermöglichte Untersuchung des Typus aus der Wiener Coll.
in bezug auf die Diagnose voll berechtigte! Der Typus wurde
am 26. 4. 1900 (russ. Datum) im Tal der Sura im Gouv. Simbirsk
erlegt. Was der Autor mit der ‚„purpurbronzeartigen“ Rücken-
färbung gegenüber intermedius meint, ist mir gänzlich unverständ-
lich. Es ist die typische violettrote Färbung echter grünköpfiger
vulgaris, wie sie umgekehrt bei rotköpfigen Vögeln (,‚intermedius-
Phase‘) nie vorkommt. Buturlin schreibt weiter: Von vulgaris
durch ‚starken Purpurglanz des Scheitels, Kinn und Kehle unter-
schieden‘. Dabei besitzt der Typus (genau wie auch die anderen
gleich zu besprechenden Exemplare derselben Gegend) rein
grünen Kopf! — nebenbei ein erneuter Beweis für die Unhaltbar-
keit des ‚„sophiae‘‘. — Somit mußte ich jitkowi als Synonym zu
vulgaris stellen, solange mir kein weiteres Material vorlag. Es er-
klärt sich aus obigem ferner ohne weiteres des Autors Behauptung
vom Vorkommen seiner Form auch in anderen Gegenden, „sogar
im westl. Europa‘. — Nun befinden sich aber bei-dem Wiener
Material noch 5 weitere Brutvögel: 2 von Simbirsk, 3 von Uralsk
und ferner 2 Frühjahrsstücke aus dem Nordkaukasus (nicht Brut-
vögel), die alle mit dem Typus eine übereinstimmende Färbungs-
eigentümlichkeit besitzen: Sie haben bei rechtwinkligem
Eicht stark violettblaue Flügeldecken und Arm-
schwingen-Säume. Die Ausdehnung wechselt, am stärksten
ist sie bei einem der Uralskvögel; dieser steht etwa in der Mitte
zwischen caucasicus und vulgaris auch in bezug auf ein noch zu
erörterndes weiteres Merkmal. Bei allen aber ist diese Färbung
stärker wie bei gleichgerichteten Extremen echter vulgaris (ich
sah ein Exemplar von England, zwei von Mitteldeutschland, eins
von Moskau, die an Intensität dieses Glanzes auf den Sekundarien
nicht sehr viel nachstanden, während der der Flügeldecken stets
bedeutend grüner war). Da nun sämtliche Vögel aus den Gegenden
3. Heft
40 . * Dr, Adolf von Jordans:
etwa zwischen Süd-Ural, Simbirsk und Kaspischem Meer die gleiche
Färbung besitzen, außerdem die oben bei der Literaturangabe ge-
nannten Autoren, die in diesen Gebieten beobachteten bzw. sam-
melten, sich nicht über diese Vögel klar waren, so dürfte letzteres
“ wohl kaum mehr auf ‚Zufall‘ beruhen, sondern auf Gleichförmigkeit
des verschiedenen Untersuchungsmaterials. Außer den bereits
genannten Wiener Bälgen konnte ich jetzt noch weitere Stücke
aus jenen Gegenden untersuchen. Hiervon sind zwei mit „Zarizyn“
bezeichnet (Etiketten von derselben Hand geschrieben, wie die
unter caucasicus genannten vom gleichen Ort), neun sollen aus der
Gegend von Sarepta an der Wolga stammen, drei aus Coll. Wien
von „Uralsk, Sarpa, Kalmückensteppe‘“. (Sarepta ist identisch
mit Sarpa; dieses liegt etwas südlich Zarizyn am Westufer der
Wolga und am Östrande eines nord-südlich verlaufenden Höhen-
zuges, der von den nordkaukasischen Gebirgen durch ein schmales
langgezogenes Seengewässer getrennt ist. Uralsk dagegen liegt
bekanntlich am Mittellauf des Ural im gleichnamigen Gouverne-
ment. Uber die Bezeichnung bzw. Lage der ‚„Kalmückensteppe‘
konnte ich mir nicht recht klar werden. Auf meine Anfrage bei
Kleinschmidt, aus dessen Sammlung die Stücke stammen, sandte
er mir einen Brief Schlüters, von dem er die Vögel bezogen hatte,
folgenden Wortlauts: ‚Von unserem russischen Sammler, den wir
auf Ihren Wunsch nach der genauen Begrenzung der Kalmücken-
steppe gefragt haben, geht uns heute folgende Antwort zu: ‚Diese
Steppe... zieht sich durch den größten Teil des Astrachanschen
Gouvernements, geht durch das Dongebiet, durch das Stavro-
polsche Gouvernement und den südlichen Kaukasus bis Kislais...““
Halle a. S. 27. VI. 1912. — Ich nehme daher wohl mit Recht
an, daß die so etikettierten Vögel aus dem Gouv. Uralsk-Astrachan
stammen, aus den Steppengegenden östlich Sarpa.) Die Vögel aus
Sarpa tragen als Datum alle den Vermerk ‚‚März‘‘, die von Zarizyn
und Uralsk ‚Mai‘; da dies russ. Datum ist, so werden die März-
Vögel auch möglicherweise im April erbeutet sein, ich halte sie
sogar für Stücke von Ende April. Jedenfalls werden es alle mit
Ausnahme von einem Sarepta und einem Uralsk-Vogel (vulgaris)
nach Schnabelfärbung und Gefieder Brutvögel sein. Die Bälge
von Sarpa stimmen ganz überein mit denen von Uralsk, dagegen
nicht mit denen von Zarizyn; letztere scheinen mir (einer von ihnen
allerdings in Flügelfärbung jitkowr ähnlich) caucasicus zu sein oder
doch diesem sehr nahe zu stehen. Es fragt sich nun, ob bei diesen
die Fundortsangabe tatsächlich die engere Gegend von Zarizyn
meint, was mir nicht einwandfrei scheint. Jedenfalls ist es im
höchsten Grade unwahrscheinlich (vgl. Karte!), daß wenn bei
Zarizyn caucasicus brütet, südlich davon, also in Richtung auf den
Kaukasus dagegen eine andere Form. Nehmen wir aber die Richtig-
keit der Angabe „Zarizyn‘ an, so löst sich die ganze Schwierigkeit
und es scheint mir das auch das wahrscheinlichste zu sein — indem
die Sarpa-Stare aus den Steppengegenden östlich dieser Stadt,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 41
also östlich von der Wolga — stammen?®), und im Nordwesten bis
Simbirsk und ostwärts bis Uralsk-Orenburg gehen, in welchem
Gouvernement sie dann schließlich wie südwärts in den Gebieten
nördlich des Aralsees mit poltaratskyı zusammenstoßen, daß ander-
seits caucasicus die Ausläufer des Nordkaukasus bis in die Gegend
von Zarizyn bewohnt und die Wolga nicht überschritten hat. In
den Berührungsgebieten werden Vermischungen stattfinden; außer-
dem ist bei jüngeren Staren dieser Formen eine sichere Zuordnung
nicht leicht, da, wie früher gesagt, jüngere caucasicus oft eine
stärkere grüne Beimischung auf dem Flügelglanze zeigen, die sie
jitkowi ähnlich machen. — Die bei anderen Vogelarten wie auch
bei Säugetieren etc. beobachtete Formenverschiedenheit in den
verschiedenen Kaukasusregionen (N-O-S-W) konnte ich bei Szurnus
nicht konstatieren.
Da nun die hier behandelten Vögel tatsächlich mit keiner
anderen Rasse identisch sind, so ist, obschon die Diagnose Butur-
lins falsch ist, doch der darauf begründete von dem Autor gegebene
Name zitkowi anzuwenden, da der Typus hergehört.
Die Schwingenfärbung beschrieb ich oben; diese ist charakte-
ristisch und berechtigt voll zu einer Trennung. Außerdem unter-
scheidet sich z1tkowr auch durch die Färbung der Unterflügeldecken
und Achselfedern. Diese sind dunkler als bei vulgaris, heller als bei
caucasicus (der helle Rand breiter und gelblicher, Mittelteil wenig
lichter als bei der Kaukasusform); helle Maxima näher gleichen
vulgaris, als dunkle dem hellen Maximum von vulgaris, graphisch
dargestellt etwa so: |
vulgaris caucasicus
hell | ; | | | dunkel
| yitkowi |
Ich muß nun nochmals auf die Verbreitung zurückkommen.
Nach dem bisher untersuchten Material scheint das Zentrum des
von dieser Form bewohnten Areals in den Steppengegenden südlich
des Urals zu liegen und die charakteristischen Merkmale nach
Norden (Simbirsk-Ural) zugunsten des vulgaris, nach Osten (Grenz-
gebiete des Orenburger Gouvernements) zugunsten des poltaraiskyı,
13) Bei caucasicus erwähnte ich einen Star von Sarpa (S 25. V. Coll.
Kollibay), der fraglos ein echter caucasicus ist, von demselben Sammler er-
beutet; dieses Stück wird von Sarpa, d. h. westl. der Wolga stammen. —
Kleinschmidt schreibt mir noch folgendes von Wichtigkeit: „Die Vögel von
der allbekannten Sarepta-Präparation. erhielt ich ohne Fundortsangabe.
Auch bei anderen Arten fiel mir schon seit Jahren auf, daß Präparate aus
Zarizyn nicht ganz mit Präparaten aus Sarepta übereinstimmten. Wie weit
sich die Sammler bei Jagdausflügen von ihren Wohnorten bzw. Sammel-
zentralen entfernt hatten, haben sie leider nicht angegeben. Die eilige,
gleichmäßige Schrift auf Etiketten pflegt ja oft zu verraten, daß der Sammler
seine Beute unetikettiert liegen ließ und sie dann nach der Erinnerung
ungenauetikettierte. Die Fundorte Zaryzin und Sarepta dürften annähernd
stimmen. Dabei kann es aber sein, daß die Sarepta-Vögel nördlicher als die
von Zarizyn, gesammelt sind, wenn der eine Sammler nordwärts, der andere
südwärts von seinem Wohnort jagte.‘‘
3. Heft
49 £ Dr, Adolf von Jordans:
nach Süden (Gebiete des nördlichen Aralsees und Kaspischen
Meeres — nördlicher Teil Transkaukasiens zwischen Aralsee und
Kaspischem Meer auch von jitkowi bewohnt ?) und Westen (Zarizyn-
Wolga) zugunsten des caucasicus abzunehmen und allmählich in
die Formen der betr. Gebiete überzuleiten. Es ist daher schwer,
eine bestimmte Grenze anzugeben; ich halte aber z. B. die Zarizyn-
Vögel für echte caucasicus, mit Blutmischung einzelner Exemplare.
Diese Verhältnisse legen den Schluß nahe, daß yıtkowi eine Misch-
form aus den verschiedenen Nachbarformen darstellt, und diese
Annahme fände eine Stütze in der Tatsache, daß ihr Wohngebiet
das einstige Überschwemmungsland des kasp. Seenkomplexes ist,
das mit zunehmender Trockenlegung von den verschiedenen vordem
bereits bewohnten Randgebieten aus bevölkert wurde. Auch in
diesem Falle ist eine nomenklatorische Trennung unbedingt an-
gebracht zur Festlegung und weiteren Untersuchungsanregung. —
Ich persönlich stehe der Mischformtheorie sehr skeptisch gegenüber,
wenn ihre Annahme in diesem speziellen (seltenen) Falle auch einige
Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ieh sehe vielmehr in dem
wechselseitigen Vorkommen gleichgerichteter (nicht gleicher!)
Anlagen unter bestimmten gleichen Faktoren an getrennten Orten
realisiert, anderseits in dem sich in bestimmter Richtung (hier nach
dem caucasicus-Gebiet hin) häufenden Vorkommen gleicher Merk-
male die Hinneigung zur Ausprägung dieser Eigentümlichkeiten
in eben diesen Gegenden, die kummulierend zur stärkstmöglichen
Ausprägung (caucasicus) führte. So kann auch das äußere Bild
einer .„‚Mischrasse‘“ entstehen, ohne ‚aber daß tatsächlich diese
Rasse aus der Mischung zweier oder mehr vorhandener Rassen
hervorgegangen ist; Rassenbildung ist eben nichts weiter als die
mögliche und notwendig gewordene Realisierung bis dahin latenter
Anlagen unter bestimmten (korrespondierenden) inneren oder
äußeren Bedingungen und deren Wechselwirkung. Wenn man alle
Starenrassen miteinander vergleicht — und dies soll die Färbungs-
übersichtstabelle” erleichtern — so wird sehr deutlich, daß die
Rassenbildung sich äußert in der verschiedenen Kombination
nur recht weniger Merkmale. Ich komme darauf zum Schlusse
nochmals zurück.
Eine Diagnose der Rasse zu geben, kann ich mir wohl sparen,
sie geht aus dem Gesagten hervor (von graecus ist Jitkowi unter-
schieden vor allem durch den grünen Kopf%) und durch noch leb-
haftere Flügelfärbung). — Zugvögel dieser Rasse sah ich, wie er-
wähnt, aus dem Nordkaukasus. — Vergleichsmaterial: 15 Exem-
plare. — Weiteres Material aus Südostrußland ist dringend er-
forderlich.
Sturnus vulgaris eaucasieus Lorenz
Sturnus vulgarıs L. (errore) Bogdanow, Vögel des Kaukasus
(Schalow), Journ. f. Ornith. 1880, p. 264.
11) Jedenfalls durchweg grün, wenn auch wie bei eaucasicus eine rot-
köpfige Phase vorkommen mag.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.
43
St. purpurascens Gould (errore) Seebohm, Birds of the Caucasus,
Ibis 1883, p. 8.
St. unlgarıs L. — St. unzıcolor Temmink (errore) Radde, Ornis
Caucasica, 1884, p. 147, partim.
Sturnus eaucasieus Lorenz, Beitr. Orn: Faun. Nords. Kaukasus,
Moskau 1837, p. 9, Taf. V, Fig. 1 (Kislowodsk.)
St. vulgaris L. (errore) Radde und Walter, Die Vögel Transcaspiens,
Ornis V, 1889, p. 22
Gould und caucasicus Lorenz).
St. v. caucasıcus Lor.
Hartert,.V.d.
(leugnet Selbständigkeit des purpurascens
p- F. 1903, p. 72. — Nov. Zool.
1918, p. 333. — Witherby, Ibis 1903, p. 519.
St. poltaratskyi satunini Buturlin, Ornith. Jabrb. 1904, p. 207.
St. polt. caucasicus Lor., Witherby, Ibis 1907, p. 106. — Witherby,
Ibis 1910, p. 516. — Loudon, Journ. f. Ornith. 1910, p. 29.
St. polt. satumini Buturlin, Loudon, Journ. f. Ornith. 1910, p. 49.
Diese Form bietet mancherlei Interessantes.
Die Färbungs-
verhältnisse ergeben sich aus nachstehender Tabelle:
Federpartien
Oberkopf .
Oberhals
Rücken .
Bürzel, Oberschwanz-
decken .
Schulterfedern .
* Flügeldecken
Armschwingen .
Halsseiten.
. grün,
. dunkelgrün,
. wie Vorderrücken,-
bei rechtwinkl. Licht
bisweilen mit ge-
ringem bis starkem röt-
lichen Glanz
. violettrot (wechselnde
Ausdehnung) oder ohne
Rot, dann tief grün bis
stahlblaugrün
bisweilen
stark rötlicher oder bläu-
licher Vorder-, stark bläu-
licher Hinter-
. wie Rücken, doch längste
Schwanzdeceken violett-
bläulich
von
tiefgrün bis violett- oder
llplsulich :
. tief violettrot od. violett-
bläulich
. violettrotblau mit zu-
weıilen schwachemBronze-
glanz
. grün, hinterer Teil violett
rot oder grün
Ohrdecken und Wange tiefgrün
Kinn und Kehle .
Kropf.
Brust und Bauch
. grün, bisweilen gering bis
stark vıolettrötlich
. violettrot
. blöulichgrün, selten vio-
lettrot, Vorderbrust mes-
singgrün oder violettröt-
lieh. Brust- und Bauch-
mitte ganz ohne oder mit
starkem Glanz
bei stumpfwinkl. Licht
violettrot, bisweilen
wechselnd stark grün
erün. oder violettbläulich
tief bläulichgrün, bis-
weilen gelblichgrüner
Vorder-, rötlicher
Hinter-
wie Rücken, vıolettröt-
liche längste Schwanz-
decken
wie Rücken, wenn eben
stahlbläulich, dann hier
vıolettrötlich
bronzefarben
bronzefarben
violettrot, hinterer Teil
erün,
allen ot oder tief grün
bleibend
vıolettrot,
erünlich
kupferi ig-bronzegrün
YV ioleikre ot, Vor der brust
schwach rötlich oder
bronzefarben
bisweilen
3. Heft
44 RAR Dr. Adolf von Jordans:
Federpartien. bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Weichen . . .. . . lebhaft violettrot, an In- schwach bronzefarben
tensität wechselnd,
manchmal mehr violett-
bläulich, selten mit schwa-
chem Bronzeglanz oder
reinem gelb
Unterschwanzdecken . grün bis violettrötlich od. rötlich bis bläulichgrün
bläulich
Säume der Schwanz-
tederm ar 2. von schwach bis stark violett- bronzefarben
blaurot
In der Rücken-, Kopf- und Halsfärbung steht er der Nominat-
form nahe; die Färbung des Flügels ist ähnlich, nur intensiver und
ausgedehnter als bei balcanicus. Auffallend ist der vielfach vor-
handene Metallglanz der Schwanzfedersäume und die Färbung der
Ohrdecken, welch letztere bei wechselnder Lichtrichtung entweder
auch wechselt von grün in violett oder aber gleich bleibt! — Die
Zeichnung und Federentwicklung ist die gleiche wie bei der No-
minatform, jedoch scheint die Fleckung weniger stark zu sein und
bei ganz alten Männchen auch auf der Oberseite völlig zu ver-
schwinden (,‚unicolor‘‘); die Flecken selbst sind auf Unter- und
Oberseite fast rein weiß. Die ganze Färbung weist bei dieser Form
eine große Variationsbreite auf.
Die Unterflügeldecken und Achselfedern der jüngeren
Vögel sind schwärzlichbraun mit breiten, rahmfarbenen Säumen,
während die der alten schwarzgrau, fast rein schwarz sind
mit rein weißen und sehr schmalen Säumen. Auf diese
Unterschiede wies bereits Lorenz in seiner Originalbeschreibung
hin. Nach ihm sollen auch bereits junge Vögel im einfarbigen Kleid
leicht unterscheidbar sein, ich sah nur 2 iuvenes, vermochte aber
keinerlei Sonderheiten festzustellen. Die semiadulten Kaukasus-
Stare zeigen in der Färbung der Flügel einen Unterschied gegenüber
den alten, — was von einer Reihe von Autoren auch für andere
Formen behauptet wird, ich konnte dies (wohl jahreszeitliche bei
S. Purpurascens) jedoch sonst nirgends feststellen, — indem der
violett-rote Glanz der adulten bei den semiadulten mehr grün oder
bläulichgrün und weniger intensiv und ausgedehnt ist. Man ver-
gleiche, was ich unter balcanicus über die Ähnlichkeit dieser beiden
Rassen sagte.
Buturlin beschrieb im Ornith. Jahrb. 1904 den Star des Nord-
kaukasus (als typ. Lokalität nennt er Kislowodsk!) als Sturnus
poltaratskyi satunini, der sich von caucasicus Lorenz ‚‚durch starke
Purpurfärbung der Se des Kinns und der Kehle“ unterscheiden
sollte. Mir liegen Vögel von Kislowodsk vor, und sowohl bei diesen
als auch bei denen anderer Gegenden befinden sich Stücke mit
grünem oder wechselnd starkem violettroten Glanz des Kopfes
6. weiter unten). Es ist das weiter nichts als die fast bei allen Star-
formen bestehende Variationsbreite innerhalb derselben Form.
Wie Kleinschmidt bei Wanderfalken eine Rasse leucogenys und
®
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.L 45
eine Variation leucogenys feststellte, genau so gibt es auch beim
StareineRasse ‚intermedius“ (= poltaratskyi) und eine Varia-
tion „intermedius‘‘. Infolgedessen beschrieb, wer dies übersah,
bei.allen möglichen Formen solche mit diesem Charakter, wie sa-
Zunini, dresseri usw. Die Vögel mit rötlichem Kopfglanz
besitzen einen rein grünen Rücken (,rein‘ je nach der
Stärke des Rot) und die mit grünem Kopf einen stark röt-
lichen Rücken.
Die Geschlechtsunterschiede sind die gleichen wie die der
Nominatform, ebenso die Größe der 1. Schwinge. Die Länge des
Schnabels ist beträchtlich, der Durchschnitt liegt bei 27 mm.
Rlüsellänge 197-136 mm. — 1. Schwinge 12—15 mm. —
Schnabel 25-30 x 7,5-58,5 mm. — Lauf 29—31 mm. — Mittel-
zehe 28—30 mm. — Schwanz 61—69 mm. — Ein im März bei
Kislowodsk erbeutetes Exemplar (subsp.?), das Lorenz (Beitr.
Orn. N. Kauk., p. 9) untersuchte und zu Purpurascens stellte,
rechnet Buturlin, dem es gleichfalls vorlag, zu seinem fauricus.
Nun die Verbreitungsfrage: Nach Lorenz geht caucasıcus im
Norden des Kaukasus bis Pjatogarsk und Mineralnaja. Buturlin
sah Wintervögel vom Karabugas am Ostufer des Kaspischen
Meeres und ‚sogar vom Ural-Flusse‘“ (Ornith. Jahrb. 1904, p. 202).
Mir liegt ein Vogel aus den ersten Monaten des Jahres aus der
Münchener Sammlung vor „vom Unterlauf der Wolga‘; dieser
zeigt mit einem dad. aus dem Dezember 1888 von Merw (Wiener
Museum) und einem weiteren vom 20. V. von Tiflis (s. Anmerkung
unter nobilior) eine extrem violette Färbung. Oberkopf und Kehle
dunkelviolettrot (aber Ohrdecken grün). Unterseite stark violett-
rot. Das Maximum der Rotfärbung bildet ein g ad. vom 23. V. 1894
von Pschai (N.-Kaukasus) im Wiener Museum, dort als ‚‚nobtlior“
bezeichnet. Es ist dies ein fragloser Brutvogel; auch bei diesem
sind die Ohrdecken grün, dagegen die gesamte Unterseite dunkel-
violettrot mit schwachem Bronzeglanz der Weichen und Arm-
schwingen. Ein & vom 25. 5. 1911 aus der Sammlung Kollibay,
dieser Form zugehörig, wurde erlegt in ‚„Sarpa bei Sassnobka
Wolga‘; ein ad. vom Mai 1909, von Zarizyn a. d. Wolga (Gouv.
Saratow) lag mir aus der Wiener Coll. vor (trotz reingrünen Kopfes
von Tschusi als satunini bezeichnet), dies dürfte wohl bisher der
nördlichste Fundort sein (falls letzterer stimmt, vgl. Jilkown).
Jedenfalls erstreckt sich das Brutgebiet über den ganzen Kaukasus,
nördlich vielleicht bis etwa zur Linie Astrachan-Zarizyn (?) —
Asowsches Meer. Im Westen bildet das Ostufer des Schwarzen
Meeres die Grenze. (Der westlichste mir bekannt gewordene
Fundort ist Konstantinopel, von wo ich einen Zugvogel vom 20.1.
in dem Senckenbergischen Museum sah, vgl. nobilior.) Die Süd-
westgrenze dürften die kaukasisch-armenischen Grenzgebirge
bilden. Die Ost- und Südostgrenze ist noch ungeklärt. Im Talysch-
Gebiet, wo er nach Loudon u. A. in enormen Schwärmen über-
wintert, ist er auch Brutvogel ebenso in Lenkoran. Mir lagen eine
3. Hell
46 Dr. Adolf von Jordans:
ganze Reihe aus dieser Gegend vor, ebenso aus dem Terek-Gebiet,
aus dem Gebirge von Tschurek und Malka, ein Stück von Kumba-
schinsk (Berliner Mus.), das Loudon als satunini: determinierte
und eine Anzahl von demselben Ort aus dem Wiener Museum,
darunter ein iuv. Im Winter kommt übrigens im Talysch neben
caucasicus auch die Nominatform vor, wie Stücke aus dem Berliner
Museum beweisen. An der Südküste des Kaspischen Meeres fand
ihn Witherby Anfang und Mitte März (Ibis 1910, p. 516). Im Osten
brütet er noch bei Aschabad (Mus. Koenig) und am Tedschen in
Transkaspien (Mus. Koenig, Senckenbergisches Museum — vgl.
nobilior); ein junger Augustvogel im Übergangskleid und der be-
reits genannte adulte von Merw aus dem Wiener Museum als
„poltaratskyı‘““ bezeichnet, gehören zu caucasicus. Radde und
Walter nennen ihn einen ‚häufigen Brutvogel am Tedschen, am
Murghab und am linken Ufer des Amur-darja (letzter Fundort
scheint mir doch fraglich!). Ungeklärt ist auch noch die Verbreitung
im Süden und in Persien.
Ich muß hier nachträglich eine wichtige Einfügung vornehmen,
veranlaßt durch die Untersuchung des Wiener Materials (vgl.
hierzu St. oppenheimi unter St. purpurascens). Neumann trennte
den Star Mesopotamiens als Sf. v. obpenheimi ab (J. f. ©. 1915,
p. 121 £f.): ‚‚Zu dieser Form gehören vermutlich auch zwei Vögel
im Sommerkleid mit gelbem Schnabel... der andere Vogel hat
Datum 30. 5. 1910. Dieser letztere ist nun aber der ein-
zıge sichere Brutstar aus der Gegend von Mossul, den
wir kennen, und er ist ein echter caucasicus! Der Vogel
ist von Dr. Pietschmann am 30. 5. 1910 in Mossul erlegt; ein
zweiter eben flügger Vogel wurde von demselben Herrn ebenfalls
in Mossul am 23. 5. 1910 erbeutet; beide Bälge befinden sich jetzt
im Wiener Hofmuseum. — Der Brutstar (Nord-Ost)Mesopota-
miens*), gehört also zu der hier behandelten Rasse. Es
‚überwintern in dieser Gegend außerdem: Porphyronotus, purpu-
rascens, balcanticus, poltaratskyi und vulgaris (vgl. diese)!
Nach Hartert nistet caucasicus in den Gebirgen Nord- und
. Südwest - Persiens. Lorenz schreibt von einem caucasicus von
Nordpersien aus dem Juni und vom Akal-Teke in Aserbeidjan ?
Witherby fand ihn als Brutvogel bei Ispahan, Feridan und Ker-
manschah (Ibis 1907, p. 106) und in Fars und Shiraz (Ibis 1910,
p. 519), wo er am 29. 4. Junge im Neste beobachtete; im allgemeinen
sei er nicht häufig dort mit Ausnahme von Shiraz. Ich sah Brut-
vögel von Teheran (Wiener Coll.). Hartert nennt ihn als Winter-
vogel von Fao am Pers. Golf. Er geht also vom Kasp. Meer über
Mesopotamien bis zum Pers. Golf als Brutvogel (wenigstens sicher
als solcher bis Shiraz). Fraglich ist die Form Mittelpersiens, ich
möchte aber annehmen, daß dies auch caucasicus ist. In Ost- und
Südostpersien soll sich als nächste Form anschließen: nobilior. Im
*) Ob im zentralen, westlichen und südlichen Teile Mesopotamiens
Stare brüten, ıst unbekannt.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L,L_ 47
Gebirge geht caucasicus (nach Hartert V. d. p. F.) bis in Höhen
von 7000 Fuß (also rund 2100 Meter ‚oder mehr“).
° Für die Kenntnis der hier besprochenen Rasse sind auch meine
Darlegungen am Schlusse der nobilior-Untersuchungen von Wichtig-
keit. Ich konnte 68 Exemplare der Kaukasusform vergleichen.
Sturnus vulgaris nobilior Hume
Shurans nobilior Hume, ‚‚The starlings of India‘, Stray Feathers,
vol. VIII, 1879, p. 175 (Kandahar).
St. purpurascens Gould (errore), Bianchi, Ann. Mus. Zool. Acad.
Imp. Sc. St. Petersburg 1896 (partim).
eenobihor Hume, Hartert V.:d.:p. FE. 1903,'p. 43.
Sturnus poltaratskyi nobihor Hume, Loudon Journ. f. Ornith. 1910,
P 50. |
St. v. nobilior Hume, Zugmayer, Beobachtungen über die vorder-
asiatische Vogelfauna.
St. v. nobilior Hume, Hartert, Nov. Zoolog. 1918, p. 335.
Zunächst will ich in Übersetzung Humes Senn
der Form wiedergeben. (Hume ist übrigens der erste, der auf die
Notwendigkeit der Angabe der Lichtrichtung bei der Beschreibung
der Starformen hinweist und dies durchführt.) Bei (nach meinem
Terminus) rechtwinkligem Lichte sind die Merkmale des nobilior
nach dem Autor folgende: „Kopf purpurn, Interskapularregion
bronzegrün, Schultern, Hinterrücken und Rumpf grün mit purpur-
blauer Schattierung, Sekundarien und Flügeldecken dunkel pur-
purn, ein wenig bronzefarben, Kehle tief purpurn, Brust bronzegrün,
Bauch kupferig purpurn.‘
Alte Stücke seien nur wenig gefleckt. Als Fundort nennt er
Kandahar, er sah Stücke von Cabul und Murdan. Zugmayer er-
hielt 4 Exemplare aus Khoi, Loudon nennt nobrlior Brutvogel im
Murgab-Tale. Im Tring-Museum befindet sich ein Wintervogel von
Merw (Nov. Zool. 1918, p. 335). Nach Harterts Annahme umfaßt
sein Brutgebiet Ostpersien (von Meshed bis Seistan) und Afghanı-
stan; nach diesem Autor (V. d. p. F. p. 45, 46) ist er sehr ähnlich
poltaratskyi und caucasicus; von ersterem unterscheide er sich
„durch die beim alten Vogel stets (und wahrscheinlich in allen
Kleidern) schwärzlichen, schmal weißlich gesäumten Unterflügel-
decken, durch prächtig purpurne Oberflügeldecken, mehr rötlich
purpurnen Unterkörper und längeren und schmäleren Schnabel“
(Maße gibt er für letzteres Kennzeichen nicht an), von caucasicus
durch purpurroten Kopf und Kehle, mehr purpurrötliche statt
grüne Unterschwanzdecken. Es lagen ihm nach seiner Angabe nur
Stücke aus den Wintermonaten vor. In den Nov. Zoolog. 1918
schreibt derselbe Autor, daß junge Vögel gelblich gesäumte "Unter-
flügeldecken besitzen und etwas purpurn auf dem Rücken, so dab
er dann „schwer von dresseri zu unterscheiden ist“. Wie aus
meinen Tabellen ersichtlich ist, hat die Form mit boltaratskyi
nichts zu tun. Es kommt darauf an, ob Unterschiede zwischen ihr
und caucasicus bestehen. Meine Übersichtstabelle der kaukasischen
8, Heft
48 j Dr. Adolf von Jordans:
Form hatte ich bereits fertiggestellt, als ich an nobilior heranging.
Auf Harterts Angaben prüfte ich nochmals die Färbung der Unter-
schwanzdecken von Kaukasus-Brutvögeln und konnte nur wieder
feststellen, daß die dort angegebenen Farben — ‚‚grün bis violett-
rötlich oder bläulich‘“ — stimmen. Nach Harterts Kennzeichen
und Humes Beschreibung bleibt also nur mehr der ‚„purpurrote
Kopf und Kehle‘ und die schwach ‚‚bronzefarbenen Flügeldecken‘“
übrig. Ersteres ist aber das Merkmal, auf welches Buturlin seine
Form ‚‚satunini‘“ gründete, mit Unrecht, wie ich oben ausführte.
Nach diesen Feststellungen, die lediglich auf die Literatur-
quellen begründet waren, ging ich an die Untersuchung der als
„nobilior‘‘ bezeichneten Vögel aus dem Material, das mir aus den
verschiedenen Sammlungen zur Verfügung gestellt wurde. Ich
selbst besitze keine derartigen Stücke; nobilior scheint in deut-
schen Sammlungen kaum vorhanden zu sein, und die Serie, die das
Tring-Museum besitzt, konnte ich leider aus Verkehrsgründen
nicht zur Ansicht erhalten. Ich muß mich also auf die 2 Vögel be-
schränken, die beide aus dem Senckenbergischen Museum stammen
(Coll. Parrot und Graf Berlepsch).
Das erste ist ein d vom 20. 1. 1907 von Konstantinopel; es ist
ein echter caucasicus in stark geflecktem Winterkleide mit grünem
Kopf und Kehle (bei rechtwinkl. Licht), nur Kehle und Stirn
schwach rötlich überflogen.
Das zweite ist ein @ vom 5. 3. 1890 (Flügellänge 130, Schnabel
27, Lauf 31, Mittelzehe 30, Schwanz 64 mm) vom Tedschen in
Transkaspien. Das einzige, was bei ihm zunächst auffällt, ist der
bei rechtwinkligem Licht rein violettrote Kopf und Kehle, auch
die Ohrgegend ist rötlich (bei stumpfwinkl. Licht kupferig grün).
Bei caucasicus kommen, wie oben des näheren dargelegt, auch
solche Individuen vor, die diesem vom Tedschen in der Intensität
des Rot nichts nachgeben.*°) Es ist auch zu betonen, daß andere
Vögel vom Tedschen typisch grünköpfig sind. Der Tedschen liegt
übrigens nahe am Grenzgebiete der beiden angeblichen Formen.
Ich möchte nun zunächst die mutmaßliche Verbreitung des
caucasicus und nobilior gegenüberstellen: caucasicus ist als Brut-
vogel nachgewiesen von (ich nenne nur das hier in Betracht kom-
mende Grenzgebiet) Aschabad — Tedschen — Murghab — Amur-
darja (?) — Südufer des Kaspischen Meeres — Kermanschah —
Feridan — Schiraz — Pers. Golf (?), wieich vermute, wird sein Brut-
gebiet auch ganz Mittel- und Südpersien umfassen. — Nobilior soll
brüten im Bezirke von Kandahar, im Norden im Murgab-Tale, im
Osten bei Kabul, im Süden bzw. Südwesten bei Murdan, nach
Hartert im Westen von Meshed bis Seistan, — das wäre in großen
15) Nachträglich erhielt ich noch einen Vogel aus dem Dresdener
Museum vom 20. V. 05 aus Tiflis von Tschusi Ver cn „St. vulg. polta-
ratskyt Finsch ? nobilior Hume‘““ gleichfalls mit rein violettrotem Kopf und
Kehle (bei rechtwinkl. Licht) aber grünen Oberdecken.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Staurnus vulgaris L. 49
Zügen das östliche und südöstliche Persien, Afghanistan und wohl
auch Balutschistan.
Die beiden Verbreitungsgebiete schließen sich also gegenseitig
aus: dies spräche an und für sich für die Möglichkeit zweier ge-
trennter Formen.
Die Form nobilior würde sich zu caucasicus ver-
halten wie poltaratskyi zu vulgaris: verschieden durch
die violettrote Färbung des Kopfes der jeweils öst-
lichen Form, wobei ähnliche Exemplare mit oder ohne
Rot (“intermedius“ — ‚„satunini“) in beiden Gebieten
vorkommen, was ein schöner Beweis für die Einheit-
lichkeit des Typus wäre: bei gleichem Anlagenkomplex
eine entgegengesetzt gerichtete Differenzierung, die
zur Herausbildung zweier örtlich getrennter gleich-
gerichteter Extreme führte. Ich weise aber schon darauf hin,
daß bei poltaratskyi auch noch andere Merkmale (Unterflügeldecken
etc.) vorhanden sind, während nobilior und caucasicus
außer in der Kopffärbung identisch sind. — Die Frage,
ob eine Trennung berechtigt ist, zu entscheiden, hindert mich
fehlendes Material, vor allem aus Afghanistan. Das Vorkommen
stark roter Individuen im Kaukasus und auch am Tedschen
(typische Färbung des nobihior) läßt mir die Selbständigkeit zweifel-
haft erscheinen. Ist die Färbung afghanistanischer Stare nicht
konstant (d.h. nicht so konstant wie die des caucasicus in der typ.
Lokalität), so müßte Siurnus vulgaris caucasicus Lorenz
1887 als Synonym zu Siurnus vulgaris nobilior Hume
1879 gestellt werden und die vom Kaukasus durch Persien und
Afghanistan lebende Form letzteren Namen erhalten.
Nachdem ich diese Ausführungen abgeschlossen hatte, über-
sandte ich eine Abschrift derselben Herrn Hartert mit der Bitte
um Kritik, da ihm größeres Material zur Verfügung stand. In
seiner Antwort heißt es: ‚‚nobrlior ist in der Tat äußerst nahe
caucasicus, aber letzterer hat dunkleren Oberkopf, weniger purpurn
‚als nobilior, die Oberflügeldecken in der Regel reiner purpurn,
ebenso Unterschwanzdecken mehr purpurn.‘“ — Gleichzeitig hatte
Herr Hartert die Liebenswürdigkeit, mir trotz Postschwierigkeiten
einen Sturnus nobilior & ad. (am 11. 12. 1900 in Seistan von Za-
rudny gesammelt) zuzusenden!®), wofür ich ihm auch an dieser
Stelle meinen besten Dank sage. — Was ergab nun der Vergleich ?
Zunächst darf ich annehmen, daß es ein ausgesucht typisches Stück
ist, das mir zur Gegenüberstellung gesandt wurde. Die Färbung
des Oberkopfes und der Kehle ist genau dieselbe wie die der oben
erwähnten Vögel vom 5. 3. 1890 vom Tedschen, vom 20. 5. 1905
von Tiflis, vom Dezember 1888 von Merw und vom 23. 5. 1894
von Pschai. Dagegen besitzt der Seistan-Vogel (bei rechtwinkligem
Lichte) rein violettrote Ohrdecken, wie ich es bisher noch bei
16) Der Vogel ging später durch Tausch in meinen Besitz über.
Archiv für Naturgeschichte q ft
1923. A. 3, 4 3. Heit
HUN | Dr. Adolf von Jordans:
keinem Exemplar weder vom Kaukasus noch vom Tedschen sah.
Dasselbe Merkmal von poltaratskyi gegenüber vulgaris und ebenso
eine fast rein violettrote Unterseite mit wenig bronzefarbenen
Flanken und gleichen Armschwingen. Eine Differenz in der Fär-
bung der Oberflügeldecken besteht nicht; die Unterschwanz-
decken sind allerdings auch rein purpurn, doch sah ich gleiches
auch bei Kaukasusvögeln. Der Seistan-Vogel ist, was zu betonen,
ein Winterstück.
Ich habe meine Ausführungen so stehen gelassen, wie ich sie
Hartert geschrieben hatte, da ich nichts daran zu ändern brauchte,
vielmehr die letzte Untersuchung eine willkommene Ergänzung ist
in dem Sinne, daß meine obigen Zweifel an der Selbständigkeit der
beiden Formen davon abhängig sind, ob der Star\des für nobilior
angegebenen Verbreitungsareals konstant (im obengenannten
Sinne) violettroten Kopf, Ohrdecken, Unterschwanzdecken,
Brust und Bauch besitzt.
Die schließlich doch noch gegebene Möglichkeit, das Wiener
Material zu vergleichen, versetzte mich in die Lage, die Untersuchung
zu vervollständigen. Wenn ich hier die obigen Auseinandersetzungen
stehen lasse, so geschieht dies in dem Bewußtsein, daß ich auch
jetzt noch kein endgültiges Resultat geben kann, und daß für einen
nachfolgenden Untersucher die Arbeit durch diese Aneinander-
reihung der einzelnen Daten erleichtert wird. : |
Der unter caucasicus genannte Vogel vom Dezember 1888 aus
Merw unterscheidet sich von dem Seistan-Exemplar nur durch
seine grünen Ohrdecken und weniger roten Unterkörper; dagegen
ist der N.-Kaukasus-Brutvogel (,‚Sturnus vulgaris nobihor Hume‘“,
Pschai 23. V. 1894, Wien) nicht zu unterscheiden von dem Seistan-
Balg aus dem Tring-Museum mit Ausnahme der auch bei ihm
wieder grün bleibenden Ohrdecken. Der ganze Unterkörper ist
ebenso violettrot, zwar eine Nuance dunkler, was aber zweifellos
an der späteren Erlegungszeit liegt. — Auf die Annäherung an
balcanicus wies ich unter diesem hin.
Hier verdient noch eine andere Feststellung betont zu werden:
Hartert schreibt, daß einzelne nobilior schwer von dresseri (= por-
phyronotus, d. Verf.) zu unterscheiden seien. Es ist richtig und
merkwürdig, daß sowohl die extremen Stücke mit nobilior-Charakter
aus dem Kaukasus, wie der Seistan-Vogel gleichzeitig einmal eine
grünblaue Oberseite besitzen wie das gleichgerichtete Extrem
echter dorphyronotus, ferner — wenn auch schwachen — Bronze-
glanz auf Armschwingen und Weichen und drittens eine violett-
rote Unterseite, wie sie bei Porphyronotus — wenn auch selten —
auch vorkommt, indem dann hier der meist starke, vielfach fast
reine Bronzeglanz fortgefallen ist. Das extreme Stück von Pschai
aus dem Kaukasus läßt sich kaum unterscheiden von einem gleich-
gerichteten Extrem eines $ordhyronotus-Brutvogels aus Turkestan
in meiner Sammlung oder von durpurascens aus Kleinasien. Auch
diese Verhältnisse lassen mich starke Zweifel setzen in die Rassen-
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 51
verschiedenheit caucasicus — nobihor. Man könnte auch an rassen-
fremdes Blut denken, ich glaube aber auch hier vielmehr den Aus-
_ druck identischer Anlagen zu sehen; solche Kleider wären dann
als Fremdkleider anzusehen.
Sturnus vulgaris porphyronotus Sharpe
Sturnus vulgaris L., Sewertzow, Turkestanje Jevotnie 1873, p. 64
übers. Dresser, Ibis 1875, p. 238 (genaue Brutangabe i. Tur-
kestan).
St. purpurascens Gould (errore) Sewertzow, Allgem. Übers. d. aralo-
tianschanischen Ornis, J. f. ©. 1873, p. 34, 1875, p. 172. —
Brooks, Stray Feathers 1879, p. 682 (Saharunpore). — Hume,
Stray Feathers 1879, p. 175 (Pandshah, Etawah, N. W. Pro-
vinzen). — Finsch, Reise W. Sibirien, Wien 1879, p. 92 (Yar-
kand, N. W. Indien u. Kashmir, im Winter). — Seebohm, Ibis
1880, p. 182—183. — Biddulph, Ibis 1881, p. 79, 573 (Gilgit). —
Swinhoe, Ibis 1882, p. 111 (Afghanistan). — Sewertzow, Ibis
1883, p. 55 (Pamir im Winter). — Menzbier, Ibis 1885, p. 353
(Ober-Tarim, i. Herbst). — Bianchi, Mel. biolog. Bull. Imp.
Acad. Sc. St. Petersb. 1886, p. 658 ‚Zur Ornis d. westl. Ausl.
d. Pamir u. Alai‘“. — Pleske, Mem. Acad. Imp. Sc. St. Petersb.
1888, XXXVI, No. 3, p. 14, Revision d. turkest. Ornis (Sa-
‘ markand).
Sturnus porphyronotus Sharpe, Ibis 1888, p. 438 (Turkestan,
Yarkand).
St. purpurascens Gd. (errore), John, Ibis 1889, p. 169.
St. porphyronotus Sh. — St. purp. Gld. (errore), Oates, Fauna
Brit. Ind. B. I. 1889, p. 521, 524 (Winter, Kaschmir, Punjab,
Etawah). — Sharpe, Sec. Yark. Miss. Aves. 1891, p. 26 (Yar-
kand, Kaschgar).
St. purpurascens porphyronotus SH, nd Proc’. ;S, Nat.
Mus. XVIII, 1896, p. 573 (Thian-Shan, Kaschear).
St. purpurascens Gld. — St. porphyr Sh., Bianchi, Annuaire Zool.
Mus. St. Petersburg 1896, p. 135 (partim!), übers. O. M. B.
1897, p: 167.
St. burp. porphyr. Sh. — St. purp. Gld. (errore), Stolzmann,
Oiseaux de la Ferghana. Bull. Soc. Imp. Nat. Moskau 1897,
p- 60.
St. porphyr. Sh., Koslow, Arbeiten Exped. Kais. russ. geogr. (res.
St. Petersburg 1899, Bd. 2, p. 272 (russisch) ‚‚neben menzbreri
in Sa-Tshjan (= Sadshu) brütend‘“.
St. purp. Gld. (errore), Jesse, Ibis 1901, p. 600 (Winter Lucknow
Indien).
St. v. porphyr. Sh., Schalow, J. f. ©. 1901, p. 395, 440, Beitr. z.
Vogelf. Centralasiens (Winter Faisabad u. Kurla).
4* 3. Heft
52 5 Dr. Adolf von Jordans:
St. porphyr Sh., Dresser, Manual Pal. Birds 1902, I, p. 400
(partim!)
St. v. porbhyr._ Sh., Hartert, Vögel d. pal. Fauna 1903, p. 46.
St. porphyr. Sh., Madaräsz, Die Vögel Cyperns, Ann. Hist. Nat.
Mus. Hung. Budapest 1904, p. 526.
St. purpurascens dresseri Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904,
p. 208 (Aksu-Kara-Tau).
St. purpurascens johanseni Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904,
p. 209 (Aschabad-Buchara-Kenderlik).
St. taurieus harterli Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904, p. 210
(Merw-Ferghana).
Si. porphyronotus loudoni Buturlin, Ornith, Jahrb. 1904,
p. 211 (Tian-Shan-Ferghana-Kuldsha). \
St. vulg. porphyr. Sh. (?), Lönnberg, Arkiv f. Zoolögi, Stockholm
1905, Vol. 2, p. 22 (Tian-Shan).
St. vulg. porphyr. Sh., Smalbonnes, ]J. f. ©. 1906, p. 419 (Tian-Shan).
St. purp. Gld. (errore) — St. porphyr. Sh., Loudon, Ornith. Jahrb.
1907, p. 145 (Semiretschje-Gebiet).
St. v. porphyr. Sh., Schalow, J. f. ©. 1908, p. 120 (Tian-Shan).
St. v. johanseni But., Schalow, J. f. ©. 1908, p. 121. 3
St. porphyr. Sh., Whitehead, Ibis 1909, Birds of Kohal and Kurran.
— Bucknill, Ibis 1910, p. 17 (Wintervogel auf Cypern).
St. Purpurascens Gld. (errore), Carruthers, Ibis 1910, p. 442 (Samar-
kand, Buchara). RE
St. purpurascens johansenn But. — St. tauricus harterti But.,
Loudon, J. f. ©. 1910, p. 50 (Buchara u. Hungersteppe).
St. purpurascens Gld. (errore), Loudon, J. f. ©. 1910, p. 50 (Len-
koran, Kumbaschinsk, Kara-Kum, Frühjahrszug).
St. vulg. loudoni But., Gyldenstolpe, Ark. f. Zool. Stockholm 1911,
Vol. 7, p.-2 (Narin-Taschkent).
St. vulg. porphyr. Sh., Laubmann, Abhandlgn. Königl. Bayr. Acad.
Wiss., Bd. XXVI, 1913, I, p. 43 (Tian-Shan). — Kollibay,
J. £. ©. 1916, p. 583 (Turkestan).
St. vulg. dresseri But., Hartert, Notes on Starlings Nov. Zool.
118, =P. 3398
Zunächst gebe ich eine Färbungstabelle; diese mag teilweise
wenig klar scheinen, ich glaube aber, nicht mir sondern vielmehr
der Materie selbst daran die Schuld geben zu müssen. Man wird
sich nur nach einer solchen Übersicht kaum ein genaues Bild von
eınem so stark varlierenden Vogel machen können, aber das ist
auch nicht ihr Zweck. Sie soll zum Vergleichen dienen, und ich
glaube behaupten zu dürfen, daß die Form nach ihr eindeutig be-
stimmt ist. Die Schwierigkeit lag in einer möglichst kurzen aber
dabei möglichst vollständigen. Fassung. — Sharpes Original-
beschreibung lautet: „Similis St. purpurascenti sed dorso rubes-
centi-purpureo, uropygio concolore distinguendus.‘“ Er stellt diese
Merkmale ausdrücklich denen von Starbälgen aus Kleinasien, also
aus der typ. Lokalität des purpurascens gegenüber,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.
Federpartien
Oberkopf .
Oberhals
Rücken *),
Bürzel u. Oberschwanz-
decken . .„ ,
Schulterfedern ,
Flügeldecken ®)
Sekundarien .
Halsseite See
Ohrgegend und Wange
Kinn und Kehle.
Kropf.
Brust.
Bauch
| er hmrenzdecken e
Weichen
. Vorder-
bei rechtwinkl. Licht
. bronzegrün (ohne jeden
violetten Glanz bis rein
violettrot)
. bronzegrün bis blaugrün
(selten fast nur bläulich)
violettbläulich,
seltener bläulichgrün bis
tief blaugrün 28) oder vio-
lettrot. Hinter- violett-
rot oder violettbläulich
. violettrot bis violettblau
selten grünlichblau
. violettrot bis violettblau,
selten grünlichblau
. violettrötlich mit starkem
grünlichgelben (Bronze-)
Glanz
. wie vorige, nur fast ohne
rötlichem Glanz
bklaugrün
rein vıolettrot oder
schwach violett mit grü-
nem Unterton oder auch
(selten) bronzegrün one
violett
. bronzegrün. bis rein
vıolettrot
. blaugrün oder bronzegrün
. violettrot mit wechselnd
starkem Bronzeschimmer
. bronzefarben m. schwa-
chem rötlichen Glanz
bronzefarben m. schwa-
chem rötlichen Glanz
. bronzerötlich
Vögel im Jugendkleide lagen mir leider
53
bei stumpfwinkl. Licht
blaugrün mit violett-
roten Säumen b. bronze-
grün
grün mit rötlichem bis
bläulichem Glanz
intensiv violettrot oder
vıolettbläulich
violettrot
vıolettrot
rein bronzegrün
rein bronzegrün
violettrötlich
bronzegrün bis tief grün
(ohne Bronze)
blaugrün bis bronzegrün
violettrot oder bläulich-
grün
rein bronze- od. messing-
glänzend
rein bronze- od. messing-
glänzend
rein bronze- od. messing-
glänzend
bronzegrünlich
nur ganz wenige Vor,
ich vermag daher keine bestimmten Angaben über die Variations-
breite in deren Helligkeit bzw. Dunkelheit zu geben; -diejenigen,
die ich untersuchen konnte, waren ziemlich hell, lagen jedoch noch
innerhalb der Variationsbreite der Nominatform. Vögelim Jugend-
‚kleid sah ich aus dem August, im Übergangskleid aus dem Sep-
tember. — Das erste Hochzeitskleid ist durchaus verschieden in
seiner Zeichnung von dem aller anderen Stare. Zur Verdeutlichung
17) Ist bei erster Lichtrichtung Kopf grün, dann Rücken violettbläulich,
ist bei erster Kopf violettrot, dann Rücken blaugrün.
18) Extrem des Grünglanzes ist das Stück Nr. 2368 meiner Sammlung
son Mairan-Kul, Turkestan & 6. IV. 07. 2
1%) Auch die Färbungsverhältnisse des Flügels sind hier anders als bei
vulgaris, namentlich tritt bei alten porphyr. eine Verdunklung der Flüg« 13
federn ein; die nicht verdeckten Teile, also Außenfahne und Spitze, sind tief
mattschwarz, die bei vulg. grauen Flecken vor den Spitzen sind hier dunkel-
braun; die hellen Außensäume der Handschwingen sind sehr schmal und fast
reinweiß,
3. Heft
54 | Dr. Adolf von Jordans:
dieses die beigegebene Tafel (rechts vulgaris & 19. 9. von Rostock in
Mecklenburg ausdem Museum Koenig, links dporphyronotus 85.9. vom
Tian-Shan aus dem Münchener Mus.). Soweit ich sehe, hat noch
niemand auf diesen Unterschied aufmerksam gemacht. Einmal
ist die Fleckung namentlich auf der Unterseite und dem Oberkopf
spärlicher bzw. die Flecken sind bedeutend kleiner als bei den
anderen Formen, an erster Stelle als bei der Nominatform; ferner
ist der Charakter der einzelnen Flecken ein ganz anderer. Es ist
schwer, diesen in Worten wiederzugeben, trotzdem fällt er beim
Vergleich sofort in die Augen. Auf der Unterseite ist ihr binterer
Rand gerade abgeschnitten (bei der Nominatform und den anderen -
bogenförmig), der Schaft bildet nur eine winzige dunkle Ver-
längerung bis in das Weiß des Fleckens (bei der Nominatform geht
er fast bis zur Spitze), der helle Flecken selbst ist sehr kurz, der
vordere Rand (nach der Spitze zu) ist fast gerade (bei der Nominat-
form stark lanzettlich); die Unterschwanzdecken besitzen einen
nur sehr schmalen hellen Rand; auf der Oberseite ist der hintere
Rand wie auf der Unterseite, der vordere breiter, bogenförmiger;
die Schwingen sind gleichfalls schmaler hell gesäumt. Infolge
dieser Eigentümlichkeit, d. h. der Kleinheit der Fleckung, zeigt be-
reits das erste Frühjahrskleid durch die Abnutzung eine nur mini-
male Fleckung, die beim zweiten Herbstkleid noch mehr ver-
schwindet; die Form hingegen nähert sich hier durch Zunahme
der Länge der Feder dem Charakter der Nominat-Fleckung und
in den späteren Kleidern verschwindet sie immer mehr, so daß bei
ganz alten Vögeln kaum noch eine Spur derselben zu_sehen ist.
Auf diese Eigentümlichkeit ist die vielfache Literaturangabe
(namentlich in der Arbeit von Lorenz) vom Vorkommen der ‚uni-
color“-Form in Rußland, überhaupt im Osten, zurückzuführen.
Diese Angaben sind natürlich sinnlos und haben nichts mit der
Form unicolor zu tun. — Ein Geschlechtsunterschied läßt sich
merkwürdigerweise bei semiadulten und adulten Vögeln kaum fest-
stellen, weder in der Stärke der Fleckung noch deutlich in der
Intensität des Glanzes. — Die äußeren Fahnen der Schwanzfedern
besitzen vielfach einen violettrötlichen Glanz, die Färbung der
Unterflügeldecken und Achselfedern variiert: meist sind diese -+
rein schwarz mit schmalen weißen Säumen (wie sie bei der Nominat-
form z. B. nie vorkommen), dagegen findet man auch nicht selten
Stücke, deren Unterflügeldecken hell bis dunkel graubraun mit
breiten rostfarbenen Säumen sind; jüngere Vögel zeigen stets
hellere Decken. Eine eingehende Darlegung der sehr vielen und
ebenso verwirrten Literaturangaben über die ‚porphyronotus-
Gruppe“, wie Buturlin u. a. sagen, will ich mir sparen ?%), nur die
wichtigsten kurz berühren, und da ist es zunächst notwendig, mich
mit Buturlins Arbeit im Ornith. Jahrb. 1904 auseinanderzusetzen.
Der russische Ornithologe unterschied hierin folgende neue Formen:
°) Die Arbeiten Humes in den Stray Feathers verdienen besondere
Beachtung.
Versuch einer Monograpbie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 55
St. purpurascens dvesseri, St. purpurascens johanseni, St. porphy-
ronotus loudont, St. tauricus harterti und schließlich als eigene Art
St. tauricus. — Laubmann setzte zunächst in seiner Tian-Shan-
Arbeit (Abhandlungen der K..bayr. Ac. d. Wissenschaften München
1913) starke Zweifel in die Richtigkeit der Buturlinschen Star-
formen; er vereinigte Porphyronotus loudoni wieder mit Si. v.
porphyronotus. Auch Kollibays Arbeit im J. f. ©. 1916, p. 583 u. ff.
ist hier von Wichtigkeit. Er hielt johanseni, harterti, loudoni ‚‚wohl
für identisch“ und glaubte, daß alle turkestanischen Stare porphy-
ronotus sind. Hartert erkannte in den Notes on Starlings (Nov.
Zool. XXV, 1919) St. v. tauricus als getrennt an, ferner St. v. dresseri,
vereinigte mit diesem Si. Purp. johanseni und St. tauricus harterti
und stellte dorphyr. loudoni als Synonym zu St. v. borbhyronotus Sh.
Nach eingehenden Untersuchungen an reichem Brutmaterial
bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen. Zunächst unterschied
Buturlin die Form dresseri als Mittelstufe zwischen -$urpurascens
und dorphyronotus; der Unterschied sollte darin bestehen, daß der
Rücken bei dresseri ‚nur grün ist, wenn man ihn mit dem Kopfe
vom Lichte forthält; bei der gewöhnlichen Betrachtung dagegen
mit dem Kopfe zum Licht ist der Rücken purpurblau‘. Dieses ist
nach meinem Material durchaus nicht zutreffend. Ein Unterschied
des Glanzes bei verschiedener Lichtrichtung gegenüber ‚typischen
porphyronotus aus Kaschgarien‘ besteht durchaus nicht; die Vögel
aus den beiden Gebieten sind ganz gleich, wenn man genügendes
Material vergleicht“. Die beschriebene Form (dresser:) zerfällt
wieder ihrerseits in zwei Unterformen: eine östlichere (Aksu,
Karnak, Kara-Tau) mit bronzepurpurner Färbung auf Kopf
und Hals (dresseri) und eine westliche (Aschabad, Artyk, Buchara,
Kara-Kum, Kenderlik) mit einer bronzegrünlichen Färbung auf
Kopf und Hals, die Buturlin S?. purp. johanseni taufte. Von der
östlichen Form untersuchte er 4, von der westlichen 9 Exemplare
(und 2 Übergangsstücke! aus Buchara) ; auf solch geringes Material
eine Abtrennung von Starformen zu gründen, kann allerdings nur
zu Falschheiten führen. Bei derartiger Oberflächlichkeit ist es
denn auch nicht verwunderlich, wenn der Verfasser sich genötigt
sieht, nach Belieben Gruppen artlich oder unterartlich zu trennen;
man vergleiche einmal seine Verbreitungsangaben auf der Karte
und außerdem seinen bei seinen ‚Formen‘ verschiedentlich ge-
gebenen Hinweis: „Kommt mit der vorigen Form innerhalb des-
selben Gebietes brütend vor!“ Genau so wie bei der Nominat-
form Exemplare mit rein grünem und solche mit mehr oder weniger
violettrötlichem (,intermedius“) Kopfe vorkommen oder bei
eaucasicus solche, die Buturlin als ‚„satunini“ abtrennt, so auch hier
die parallele Variationsbreite dresseri-johanseni. (Ich ver-
weise auf meine diesbezüglichen Sätze unter caucasicus.) Ich be-
sitze Stücke aus Kaschgarien und Semiretschensk mit fast rein
violettem Kopf, umgekehrt solche aus dem dresseri-Gebiet mit rein
grünem. Einen Brutvogel von Taschkent aus der Sammlung Kolli-
3. Heit
56 Dr, Adolf von Jordans:
bay re Buturlin selbst und bezeichnete ihn als johanseni,
obschon er das Extrem in violettroter Kopffärbung darstellt! Er
richtete sich also einfach nach seinem geographischen Schema; die
Variationsbreite ist in Wirklichkeit nach meinem Material in den
verschiedenen Gebieten gleich. Es scheint mir von Interesse zu
sein, was Hartert mir Dez. 1919 über die Form dresseri schrieb:
„Ob dresseri sich unterscheiden läßt, ist mir zweifelhaft geworden,
aber wie kommt es, daß meine große borphyronotus-Serie immer
bronzegrüne Köpfe hat, meine dresseri nur ausnahmsweise,
außerdem der bei borphyromotus so gut wie ganz konstante Rücken
stark varliert. Schließlich scheint er nicht so groß zu werden, aber
das mag an der kleineren Serie liegen.‘ — Ich untersuchte anderes
und größeres Material; an diesem bestätigen sich Harterts Beobach-
tungen in keiner Weise, weder was die Färbung noch was die Größe
"angeht; diese sind bei den Serien aus beiden Verbreitungsgebieten
ganz dieselben. Ein Beweis, wie abhängig wir vom Material sind!
St. purpurascens dresseri Buturlin und St. purpurascens
johanseni Buturlin sind Synonyma des SZ. vulgaris borphy-
ronotus Sharpe.
Bei seiner Beschreibung des St. taurieus harterti sagt Buturlin
nur, daß ‚„‚die Hauptmassen der turkestanischen Stare von Merw
bis Ferghana (man vergleiche auf der Karte die Verbreitung von
dresseri bzw. johanseni: Aschabad bis Karatau! d. Verf.) nach
Untersuchung von 37 Exemplaren diese Form vorstellen‘, er nennt
ihn ferner ‚den östlichen Vertreter des Krim-Stares“, eine genaue
Beschreibung gibt er nicht, sondern nennt nur die Unterschiede
gegenüber SZ. faurscus sp. n. (man vergleiche den Wortlaut der
Unterscheidung!). Der tauricus harterti bedeutet nichts weiter als
ein unsinniges Umherwerfen mit neuen Namen; man verzeihe mir
das harte Wort, aber ich meine, gelinder kann man solche Spielerei
nicht bezeichnen. — Hartert vereinigt, wie oben bereits gesagt,
johanseni und harterti mit dem von ihm noch anerkannten dvesseri.
— Loudon (J.f.©. 1910, p. 50) fand johanseni, dresseri x johanseni
und Zauricus harterti,am 24. 3. bei Buchara, wo johanseni bereits
mit Legen beschäftigt war. Hartert vereinigte Buturlins SZ. por-
phyronotus loudoni mit St. v. porphyronotus Sh. (Notes on Starlings,
p: 334). Von loudoni gilt dasselbe, was ich von harterti sagte. Ich
erspare es mir,fauf Buturlins „Beschreibung“ einzugehen, wer sich
aber des näheren orientieren will, den verweise ich auf den Original-
text. Sturnus tauricus harterti Buturlin und Sturnus por-
phyronotus loudoni Buturlin sind ebenfalls Synonyma des
Sturnus vulgaris porphyronotus Sharpe.
Die Größenverhältnisse an reichem Material gemessen, wobei
sich für die verschiedenen Gegenden keine Differenzen ergaben,
sind folgende: Flügellänge 198&—135 mm (Durchschnitt 129 bis
133 mm, Minimum 4 x, Maximum 2 x gemessen). — 1. Schwinge
12, 5—16 mm, iuv. 16—20, 5 mm. — Schnabel 25—29 x 7—8 mm.
—Lauf29 x 31 mm. —-Mittelzehe28—30 mm, — Schwanz 62 —67mm,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 57
Eine genaue Umgrenzung des großen Verbreitungsgebietes des
porphyronotus läßt sich heute noch nicht angeben; in großen Zügen
dürfte die Form ein Areal bevölkern, daß sich erstreckt von der
Gegend um Merw (bei Aschabad und am Oberlauf des Murghab
brütet noch caucasicus) durch ganz Turkestan, d. h. Buchara,
Samakand, Ferghana, Kaschgarien, Yarkand (Pamir ?), Tian-Shan,
Semiretschensk. Im Westen grenzt dorphyronotus an caucasıgus,
im Südwesten an nobılior, im Norden an Zoltaratskyi, im Osten
an dzungaricus, im Süden an humit.
Zur Zugzeit geht er nach Kaschmir, Afghanistan, Nordwest-
Nord-Nordost-Indien (häufig bei Sindh und Lucknow, zwei Vögel
von Assam im Senckenberg. Mus.), vereinzelt wurde er in Trans-
kaspien (und Transkaukasien?) gefunden; auch sucht er Persien
und das östliche Kleinasien wie auch Mesopotamien auf, wenn dies
nicht ebenso wie auf Cypern, wo er nach Bucknill und Madaräsz
ein regelmäßiger Wintervogel sein soll, furpurascens Gould ist.
Die Form hat ein ähnliches Verbreitungsgebiet, nur weniger aus-
- gedehnt und gleichen Winteraufenthalt wie Corvus cornix sharpei
Oates. — Untersuchungsmaterial: 97 Exemplare.
?Sturnus vulgaris dzungarieus Buturlin
St. dzumgaricus Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904, p. 208 (Urungu in
(der Dzungarei).
St. v. dzungaricus But., Hartert, Nov. Zool. 1918, p. 336.
Buturlin rechnet diesen Star zur ‚Gruppe purpurascens, Por-
Dhyronotus und minor“ , seine Kennzeichen dieser gegenüber sollen
folgende sein: „Kopf und Hals bronzepurpurfarbig, Rücken violett-
grün, Bürzel violettfarbig (vom Lichte fortgehalten ist der Rücken
grün, der Gürtel blau) Schultern purpurbläulich, Flügel purpur-
bronzefarbig, Unterseite des Körpers mit einigem Bronzeschimmer
auf den Seiten.‘‘ Der Autor hält den Vogel „bloß für eine Ab-
weichung vom Sf. durpurascens Gould.‘‘! Beschrieben wurde er
außerdem nur nach zwei Exemplaren (aus Urungu in der Dzungarei
vom April und einem Wintervogel aus Indien)! Er soll sich von
erstgenannter Gruppe ‚leicht durch. den schwachen Bronzeschimmer
wie auch durch andere Merkmale‘ unterscheiden.
Wie steht es nun mit den angegebenen Unterschieden ? Vögel
aus dem Gebiete_lagen mir nicht vor. Die Charakteristika
decken sich vollständig mit von mir untersuchten ty-
pischen dporphyronotus (manvgl. obige Beschreibungim einzelnen
mit meiner dorphyronotus-Tabelle). Aus Buturlins Worten ist es
. nicht einmal ersichtlich, ob ihm überhaupt ein Brutvogel vorgelegen
hat. Hartert (Nov. Zoolog. 1918, p. 336) hält die Form auch für
fraglich, er kann aber einen Vogel vom Kenterlik-Altai (woher mir
ein echter dporphyronotus-Brutvogel vorlag) und einige Wintervögel
von Meerut, Murdan u. a. ©. schließlich ein September-Stück vom
Tian-Shan nicht gut unter einer anderen Form unterbringen, wohl
aber nach der Beschreibung unter dzungaricus, wozu er daher diese
3. Heft
58 | Dr. Adolf von Jordans:
Vögel rechnet. Er gibt die Flügellänge mit 129—136 mm an,
Buturlin nennt keine.
Nach dem oben Gesagten (Harterts Auslassungen sind auch
nur Vermutungen, da auch er keine Vögel aus der Dzungarei sah)
halte ich die Form für mehr als fraglich, zumal die anderen ‚,‚siche-
ren‘ Buturlinschen Starformen sich als falsch erwiesen, halte mich
indessen nicht für berechtigt, ohne Vögel aus der typischen Loka-
lität untersucht zu haben, die Form jetzt schon einzuziehen; ich
halte sie aber mit Bestimmtheit für ein Synonym von St. v. por-
phyronotus Sharpe. Nochmals: man darf sich nicht verleiten
lassen, nach Untersuchung von 1 oder 2 Staren Formen abzutren-
nen, ohne die große Variationsbreite des Farbenglanzes inner-
halb jeder Form zu berücksichtigen.
Sturnus vulgaris purpurascens Gould
Sturnus vulgaris L., Kaleniczenko, Bull. Soc. Nat. Moscou X1l
1839, p. 218 (Eupatoria, Krim). — Radde, Bull. Soc. Nat.
Moscou Ill. 1854, p. 138, (Krim). — Radde, ].f. ©. 1854, p. 57,
(Krim). — .Radde, Bull. Soc. Nat. Moscou, XXVIII 1855,
p. 180 (Krim). — Blakiston, Zoologist 1857, p. 5513 (Sebasto-
pol). — Irby, Zoologist 1857, p. 5358 (südl. Teil der Krim). —
Schatiloff, Bull. Soc. Nat. Moscou IV. 1860, p. 492 (Tamah
a. Krim).
Sturnus purpurascens Gould, Proc. Zool. Soc. London 1868, p. 219
(Erzerum). — Birds Asia 1870 Vol. V. (fig.). — Dresser, ie
Birds Europe London 1871—81, Tome IV.
St. vulgaris L., Goebel, J. f. ©. 1874, p. 448 (Krim).
St. purpurascens Gould, Danford, Ibis 1878, p. 25 (Kaisarijeh,
nach p. 271 = Caesarea in Cappadocien).
St. vulgaris L., Kessler, Bull. Soc. Nat. Moscou 1878 III. p. 206
(Krim).
St. purpurascens Gould, Danford, Ibis, 1880, p. 93 (Caesarea).
St. vulgaris L., Kessler, Ornith. Centralblatt 1880, p. 29 (Krim).
St. purpurascens Gould, Seebohm,. Ibis 1880, p. 182—183. —
Lorenz, Beitr. Kenntn. Ornith. F. Nords. Kaukasus 1887
p. 9 (vergl. caucasicus). — Sharpe, Ibis 1888, p. 440. — Guille-
mard, Ibis 1889, p. 222 (Cypern i. Winter). — Lord Lilford,
Ibis 1889, p. 327 (Cypern i. Winter). — Dresser, Ibis 1891,
p. 368 (Erzerum). — Nikolski, Zapiski Imp. Acad. Nauk. T.
68 1892, p. 202 (russisch) Krim.
St. porphyronotus Sh. (errore) Bianchi, Ann. Mus. Zool. Acad.
Imp. Sc. St. Petersb. 1896, p. 135 (partim); — Brauner,
„Bemerkungen über die Vögel der Krim.‘ Odessa 1898, p-
36 ff. (russisch),
St. vulgaris purpurascens Gould, Hartert, „Vög. d. pal. Fauna‘
1903, p- 46 (partim).
St. taurieus sper. nov. Buturlin, Ornith. Jahrb. 1904. Krim.
St. purpurvascens Gould, Buturlin, Ibis 1906, p. 411 (Transkaukasien)
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L, 59
Nicoll, Ibis 1908, p. 498 u. 633 (Giza Ägypten Winter). —
Bucknill, Ibis 1910, p. 17, 1911, p. 644—45, 1913, p. 8 (Win-
tervogel auf Cypern).
St. vulgaris Gould, Dombrowski, ‚Ornis Romaniae‘ Bukarest 1912
(ob diese Form? Winter in Rumänien). — Weigold, ]J. £.
0.1912, p. 288 und 365 (Aleppo, Biredjeh i. Mesopotamien).
St. vulgaris poltaratskyi F. — St. vulgarıs nobilior Hume? St. vul-
garis L. Subsp. ? Sassi, Ann. K. K. Hofmus.W ien 1912 (Partim).
St. vulgaris oppenheimi Neumann, J. f. ©. 1915, p. 121 (Mesopo-
tamien). — Hartert, Nov. Zool. 1918, p. 332.
Si. vulgaris nobilior Hume (errore), Sassi, Ann. Naturhist. Hofmus.
Mien: 1912, p. 118.
Die Verbreitungsangaben in der Literatur nicht weniger
als die unklaren und sich oft widersprechenden Beschreibungen
dieser Form veranlaßten mich zu besonderer Skepsis. Sie sollte
nicht nur in Klein-Asien und Persien vorkommen, sondern auch
an den verschiedensten Ortlichkeiten mitten im Verbreitungsge-
biete des dorphyronotus, ohne daß allerdings in den meisten Fällen
festzustellen war, ob diese Angaben sich auf Brut- oder Zugvögel
bezogen, abgesehen davon, daß es höchst unwahrscheinlich: ist,
daß die südliche Form so häufig in dem sehr viel nördlicheren
Gebiet der anderen angetroffen würde. Aber diese Unstimmig-
keiten erklären sich ohne weiteres, wenn man sich über die sehr
große Ähnlichkeit der beiden klar geworden ist und gleichzeitig
sieht, daß (mit Ausnahme Harterts in seinen späteren Veröffent-
lichungen) nicht einer wußte, worin die Differenz besteht *),
sondern entweder voneinander abgeschrieben oder die Namen
nach geglaubten Unterschieden angewandt wurden.
Gould beschrieb den Star aus der Gegend von Erzerum als
Sturnus purpurascens (Proc. Zool. Soc. London 1868, p. 219);
die Charakteristika sollten sein: Vorderrücken und Brust grün,
Hinterrücken und Oberschwanzdecken purpurblau, auffällig größer
als vulgarıs; ganze Oberseite schön purpurn, während grün bei
vulgaris; Schwingen kupferrot. — Die Beschreibung ist weder
klar noch widerspruchslos! Hartert unterschied (Vögel d. pal. F.
1903) purpurascens gegenüber porphyronotus an erster Stelle wegen
des grünen Rückens des ersteren und zog zu dieser Form die
Stare der Dobrudscha-Balkanhalbinsel-Kleinasien bis Nordwest-
Indien. Inzwischen wurde balcanicus abgetrennt. Erstgenannter
Autor beschränkte dann in seinen ‚Notes on Starlings“ 1918
21) Es ist mir unerklärlich, daß durch die gesamte ornith, Literatur
jahrzehntelang von Formen die Rede ist, ohne daß fast einer, der sie nenut,
Brutmaterial aus den typ. Gegenden verglichen hätte, obschon bereits die
Originalbeschreibungen fast identisch sind! Ein kleinasiatischer Balg trägt
folgende schöne Etikette: St. v. purpurascens Gould — durchstrichen, ver-
bessert in St. v. porphyronotus Sharpe, durchstrichen, verbessert in St. porphyr.
loudoni Buturlin, durchstrichen, verbessert in St. tauricus Buturlin — ich
fügte dem hinzu Sturnus vulgaris purpurascens Gould!!!
3. Helft
60 Dr. Adolf von Jordans:
das Verbreitungsgebiet des Durpurascens (gegenüber Porphyro-
notus und balcanicus) in der Hauptsache auf Kleinasien und Ar-
menien, während die genaue Verbreitung noch nicht bekannt sei.
Er sagt in dieser Arbeit, daß er durch die Angaben Dressers und
Sharpes irre geleitet wurde und jetzt erst die Eigentümlichkeiten
erkannt habe. Ich schrieb ihm, daß es mir nicht möglich sei,
einen Färbungsunterschied der beiden Formen zu erkennen;
ich hätte allerdings nur ein geringes Material aus Kleinasien,
worauf er mir antwortete: ‚S#. v. porphyronotus ist burburascens
allerdings zum Verwechseln ähnlich, aber bedeutend kleiner.“
Auf verschiedene Entgegnungen meinerseits, daß ich keine Unter-
schiede entdecken könnte, schrieb er mir etwas später: „Ich bin
der Ansicht, daß Porphyronotus sich von Purpurascens wohl
unterscheiden läßt: in der großen untersuchten Serie sind die
Rücken immer rein purpurn, während sie bei Purpurascens in
der Mitte Stahlblau oder dergl. haben; daß dies bei einem Stück,
das ich gesehen, fehlt, oder nur angedeutet ist, tut dem Werte
der Subspecies keinen Abbruch‘ usw. — Weshalb ich diese Korre-
spondenz hier anführe, darauf kömme ich weiter unten zurück.
Auch Nicolski weist auf die sehr große Ähnlichkeit des Krimstars
(Durpurascens) mit porphyronotus besonders hin.
Die Untersuchung mußte ich nun zurückstellen, bis ich nötiges
Material zusammen hatte. Die dann angestellten Vergleiche er-
gaben folgendes: Eine Färbungsdifferenz besteht nicht.
Von 74 porphyronotus wiesen nicht weniger als 45 Exemplare einen
bläulichen (9 einen rein blaugrünen, 3 einen stahlblauen, der Rest
einen bläulichen — bei dem grün überwog —) Vorderrücken (,,Inter-
scapulargegend‘) auf, nur 20 einen solchen, der mehr oder weniger
reinviolettrot war, und 9 mit überwiegend rotem Rücken (alles
bei rechtwinkl. Licht betrachtet); ich weise aber darauf hin, daß
sämtliche Stücke letzterer Färbung Vögel waren, die in teils
weniger teils stärkerer Abreibung standen und ich habe keinen
Grund anzunehmen, daß dies Zufall ist. Aus diesem Grunde
führte ich meine mit Hartert hierüber stattgehabte Korrespondenz
an. Die Gegenüberstellung ist ein erneuter deutlicher Beweis
unserer Abhängigkeit vom Material. Soweit über forphyronotus
— wie steht es nun bei Purpurascens? Aus Kleinasien konnte ich
leider nur 16 Exemplare untersuchen; von diesen sind 11 zweifellos
Brutvögel. Das Resultat kann der Anzahl entsprechend nicht
so zuverlässig sein, wie das obige. Immerhin aber dürften weitere
Vergleiche an großem Material mein Ergebnis kaum zu ändern
im stande sein, was sich aus Berücksichtigung der angeführten
Tatsachen ergibt. Ich verweise für Purpurascens auf die Färbungs-
. tabelle von Dorphyronotus; nur folgendes hebe ich hervor: Bei
den von mir untersuchten Brutvögeln besaßen drei einen rein-
violettroten Rücken, alle anderen zeigten einen starken stahl-
bläulichen bisweilen blaugrünen Vorderrücken (die Intensität
nimmt mit fortschreitender Abnutzung des Gefieders ab). Die
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 61
Köpfe wiesen einige Male einen leicht violettroten Glanz auf
(abgesehen von den fast immer roten Ohrdecken). Die Färbungs-
verhältnisse aller übrigen Federpartien sind bei den beiden Formen
die gleichen. — Nach anderen Autoren sollten die juvenes des
purpurascens wesentlich dunkler sein als die des Turkestan-Stars:
Mir lag nur ein Jugenkleid (3 Eregli 9. VI. Mus. München) vor;
der Ton ist derselbe wie bei dem Durchschnitt von vulgaris bezw.
von dorphyronotus. Ich glaube nicht, daß sich an größerem Material
eine Verschiebung der Variationsbreite herausstellen wird, belegen
kann ich das, wie gesagt, einstweilen nicht. Eine Differen-
Zins des Kederkleides des. Stares PFurkestans. und
Kleinasiens besteht nicht. Ich glaubte nun, daß sich über-
haupt keine Unterscheidungsmöglichkeit der beiden Populationen
feststellen lassen würden, so unwahrscheinlich das aus rein theo-
retischen Gründen auch war in Anbetracht der weit voneinander
entfernt liegenden Verbreitungsgebiete, zwischen die sich außerdem
noch auf ein beträchtliches Areal hin andere Formen — caucasicus-
nobilior — einschieben. Immerhin wäre dies durch die Möglichkeit
späterer Wanderung erklärlich. Bestärkt wurde ich in dem Gedanken
dadurch, daß ich den Krimstar zu forphyronotus rechnete, da ich
mein Hauptaugenmerk zunächst auf die Färbung gerichtet
hatte und außerdem Neumanns als oppenheimi beschriebener Star
Mesopotamiens mit Vögeln aus Turkestan identisch schien.
Hartert wies mich auf den richtigen Weg, d.h. seine Stellung-
nahme veranlaßte mich, auch die mir anfangs gleich scheinenden
Größenverhältnisse mehrere Male nachzuprüfen. Hier- liegt
nun tatsächlich eine deutliche Differenz vor, deutlich für den, der
sich über das Wesen und die Bedeutung der Form (= Rasse)
klar: ist.
Um später nicht wiederholen zu müssen, gehe ich zunächst
aber noch auf zwei andere ‚Formen‘ ein: Die erste ist der Star
der Krimhalbinsel, den Buturlin als Sturnus tauricus spee. nov. (!)
im Ornith. Jahrb. 1904, p. 209, abtrennte, und dessen Selbständig-
keit auch Hartert in den Nov. Zool. 1918, p. 332, bedingungsweise
anerkannt hat. Buturlin untersuchte 8 Exemplare (ob Brutvögel,
sagt er nicht). ‚Er unterscheidet sich sofort von allen anderen
Staren durch die violettblaue Färbung des Rückens (Gegend des
Kreuzes), wobei diese Färbung, in welcher Richtung zum Lichte
hin man den Vogel auch halten mag, weder in Purpur, noch Grün
übergeht.‘“ Die übrigen vom Autor angegebenen Unterschiede
decken sich, wie er selbst sagt, mit denen des porphyronotus. Die
purpurblaue Färbung des Vorderrückens (was er über die Bestän-
digkeit des Glanzes bei wechselnder Lichtrichtung sagt, ist nach
meinen Stücken von dort unrichtig) ist ja das Merkmal, das Hartert
für das typische des purpurascens angibt, zu Unrecht, wie ich oben
‚auseinandersetzte. Maße gibt er nicht an. Bianchi und Brauner (siehe
Literatur) stellten den Krimstar zu porphyronotus; Nikolski zu
Purpurascens. Buturlin sagt: „Im März ist er auf dem N.-Kaukasus
3, Heft
62:2; Dr. Adolf von Jordans:
gefunden worden (Kislowodsk), ich untersuchte ein Exemplar
von Th. Lorenz, doch ist es möglich, daß er sich nur zufällig dort-
hin verfliegt. Er überwintert in Kleinasien.‘“ Dies Stück erwähnt
Lorenz in seinen Beiträgen z. Ornith. Fauna an der Nordseite
des Kaukasus 1887, p. 9, und stellt es zu Zurpurascens. Hartert
schreibt nun (Nov. Zool.), daß Lorenz ‚den Krimstar zu Purbu-
rascens‘‘ rechnen, was nicht ganz richtig ist, wie aus obigem her-
vorgeht! — Im Mus. Koenig befinden sich drei Stare (43), Brut-
vögel von Yenikale auf der Krim. Zwei derselben zeigen vom Lichte
abgewandt, also bei ‚rechtwinkl. Licht,‘ einen tief blaugrünen
Rücken, einer einen fast rein grünen Rücken mit ganz minimaler
bläulicher Beimischung: bei ‚stumpfwinkl. Lichte“ wandelt
sich der Rückenglanz des letzteren in reines violettröt, der der
beiden ersteren in violettrot mit bläulichem Schimmer; damit
ist Buturlins Diagnose hinfällig: Färbungsdifferenzen bestehen
nicht, auf die Größenverhältnisse gehe ich weiter unten ein.
Nun zur zweiten Form: Im Journal f. Ornithologie 1915,
p. 121, benannte Neumann den Star Mesopotamiens als Sturnus
vulgaris oppenheimi subsp. nov. Seine Diagnose lautet: ‚Kopf
grünglänzend mit purpurnem Unterglanz, der auf den Ohrdecken
deutlicher ist. Kehle grünglänzend. Kropf mehr purpurn, Genick
stahlblau, fast ohne jeden grünen Glanz. Obere Flügel-
decken, Schulter, Unterrücken und Bürzel purpurglänzend. Außen-
fahnen der Armdecken und Armschwingen bronzeglänzend. Un-
terseite mattschwarz mit kaum bemerkbarem purpurnen Glanz.
Flügel 135, Schnabel beim Typus sehr kurz und flach (todusartig)
27 mm (!) (freier Teil 25 mm) lang.‘ — Die nächsten 5 Vögel, die
er aufzählt, scheinen mir derselben Form anzugehören, davon
einer vom 22. 1. von Mossul, zwei ohne Datum desgleichen, von
den zwei anderen einer ‚vermutlich von Ende April“, der letzte
vom.30. Mai. — Von weiteren vier Vögeln, die der Autor beschreibt
und die von Dr. Sassı als poltaratskyi bestimmt seien, scheinen
mir nach der Beschreibung 3 caucasicus und einer Poltaraiskyi
zu sein, mit Sicherheit kann ich das natürlich, ohne sie gesehen
zu haben, nicht behaupten. Zu oppenheimi zurück: Der von mir
oben gesperrt gedruckte Satz soll das einzige Merkmal hervorheben,
das die Form von anderen (Porphyronotus-purpurascens) unter-
scheiden könnte, und auf das der Autor selbst das stärkste Gewicht
legt. Der Typus wurde am 16. 1. 1913 bei Tel Halaf von Dr. Kohl
gesammelt (also möglicherweise ein Zugvogel!!). Neumann schreibt:
„die neue Form paßt nach Buturlins Schlüssel in keine der vor-
handenen Arten genau hinein. Sie brütet, wie ein von Dr. Pietsch-
mann bei Mossul am 23. Mai gesammelter einfarbig grauer, knapp
flügge gewordener Vogel zeigt, dort und wohl im ganzen Meso-
potamien.“ Ich kann diesem Gedankengang bei bestem Willen
‚nicht folgen. Der eine — der Typus — ist ein adulter Januar-
Vogel, der andere sin einfarbiger kaum flügge gewordener. Dieser
beweist das Brüten der neuen Form in Mesopotamien!? Von
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 63
den beiden einzigen Brutvögeln, die er untersuchte, sagt er aus-
drücklich, daß sie vermutlich zu der neuen Form gehören,
oppenheimi ist also nach einem Stück aus dem Januar beschrieben!
— Ich verglich den Typus ım Berliner Museum; entgegen Neumann
sehe ich dessen Vorderbrust ebenso wie dıe Flanken deutlich
bronzefarben und die Mitte rötlichviolett. Zunächst fällt allerdings
der rein stahlblaue Vorderrücken nicht minder auf als das
ebenso glänzende Genick; bei näherem Zusehen kein irgendwie
stichhaltiges Charakteristikum. Als ich Herrn Prof. Neumann
einen turkestanischen Brutvogel aus dem Berliner Museum
zeigte, der auch fast reinblauen Glanz aufwies, meinte er, wenn
er den Vogel verglichen hätte, würde er seine Form nicht beschrieben
haben, und darin konnte ich ihm nur beistimmen. Also auch hier
besteht eine Färbungsdifferenz zwischen oppenheimi und porphy-
ronotus-Purpurascens in keiner Weise. — Hartert konnte auch nur
Wintervögel von Mesopotamien vergleichen (Nov. Zool. 1918)
und stellte diese zu oppenheimi.
Ich komme nun zur Besprechung der Größenverhältnisse.
Wie wir sahen, ist die Färbung der Formen #orphyronotus-bur-
purascens-tauricus-oppenheimi die gleiche, es sei denn, daß bei
purpurascens der bläuliche Vorderrücken die Regel, der rein-
violettrote die Ausnahme bildet, was mir durchaus nicht wahr-
scheinlich scheint; mein Material läßt aber nicht eine unbedingte
endgültige Entscheidung zu.
Die Maße von 74 Dorphyronotus waren: Flügel 128—135 mm,
(Durchschnitt 129—133 mm). — Schnabel 25—29 mm. — Lauf
2931 mm.- Mittelzehe 2830 mm. — Schwanz 62—-67 mm. —
Hartert maß als Flügellänge an 38 Exemplaren (Nov. Zool.)
125—135 mm. (Durchschnitt 125—133 mm). Hiernach ist an-
zunehmen (115 Exemplare), daß das Maximum der Form gefunden
ist. Für Durpurascens (aus Kleinasien) maß ich an 16 Vögeln
(außer der Flügellänge kommen hier nach Feststellung die anderen
Maße nicht in Betracht): Als Flügellänge 130—138 mm (130,
130, 151, 131, 133, 134, 135, 135, 135, 135, 135, 135, 135, 137,
137, 138). — Hartert gibt von 19 Individuen an: 129—138 mm.
Es variiert also darnach Porphyronotus zwischen 125 und 135,
purpurascens zwischen 129 und 138. Von purpurascens (aus Klein-
asien) wurden nur 35 Stücke gemessen; es ist also nicht unwahr-
scheinlich, daß die Minima und Maxima (namentlich die
Maxima, da der Durchschnitt meiner Maße bei 135 liegt) noch nicht
gefunden sind; aber bereits das derzeitige Ergebnis berechtigt
unbedingt zu einer nomenklatorischen Trennung der beiden Rassen,
verstärkt noch mit Rücksicht auf die geographische Verbreitung.
Interessant ist nun der Vergleich der beiden anderen behandelten
Formen, zunächst opfenheimi. Neumann gibt an: 135, 134, 135,
139, 131 (128 abgerieben) also 131—139 mm. Flügellänge. Das
Minimum liegt innerhalb obengenannter Pendelweite, das Maximum
zeigt eine stete Zunahme von 1 mm. Ich sehe mich infolgedessen
3, Helt
(0 ER Dr. Adolf von Jordans:
veranlaßt, den Sturnus vulgaris oppenheimi Neumann 1915 ais
Synonym zu Sturnus vulgaris Ppurpurascens Gould 1868 zu
stellen ??).
Einige Monate nach Niederschreibung dieser Sätze erhielt
ich das Material aus dem Wiener Hofmuseum, das mein Resultat
im wesentlichen bestätigt: Da Neumann keine genaueren Etiketten-
angaben macht (Nummern fehlen auf diesen), so war es mir,
da ich auch andere Meßresultate hatte, nicht möglich, die von
ihm im einzelnen behandelten Bälge mit Sicherheit zu identi-
fizieren (man vergl. hierzu meine Bemerkungen unter vulgarıs,
poltaratskyi, caucasicus und porphyronotus). Der Vogel vom 22. ].
gleicht allerdings ‚vollkommen dem Berliner Exemplar“ und ist
mit 136 mm Flügellänge zu Purpurascens zu stellen, ebenso ein
weiterer Vogel vom Jahre 1911 (ohne weiteres Datum), auch von
Mossul mit gleichem Flügelmaße, desgleichen ein weiteres Exem-
plar mit gleicher Etikette mit 140 mm; dagegen gehört endlich
noch ein Balg, wie die übrigen von Dr. Pietschmann gesammelt,
aus dem Jahre 1910 mit der Etikettenaufschrift ‚Mesopotamien ? ?‘“
fraglich zu Horphyronotus mit 131,5 mm. Mit diesem letzten Stück
verhält es sich ähnlich wie mit dem Typus, der 135 mm Flügel-
länge besitzt. Eine bestimmte Entscheidung, ob diese Wintervögel
zu der turkestanischen oder der kleinasiatischen Form gehören,
ist nicht möglich, da aber das Maß des Typus das Maximum für
porphyronotus, dagegen Medium von Purpurascens darstellt, so
stelle ich oppenheimi als Synonym zu letzterem Namen. Nun noch
ein Wort zu Neumanns Beschreibung. Er basiert seine neue Form
auf einen Wintervogel, und rechnet einen, den einzigen sicheren
Brutvogel, als ‚vermutlich zur selben Rasse gehörig‘; dabei ist
dieses Stück ein unzweifelhafter caucasicus!! (Vergl. diesen).
Buturlin gibt, wie gesagt, für seinen Zauricus keine Maße
an. Hartert stellt die Flügellänge bei zwei Krimstaren mit 141
und 142 mm fest; es ist dies die bisher größte bekanntgewordene
‚Flügellänge eines Stars®). Deshalb fragte ich bei Hartert an,
ob nicht vielleicht ein Irrtum oder ein Druckfehler vorliege; seine
Antwort bestätigte die Richtigkeit seiner ersten Angabe. Ich
maß bei 3 Zauricus-Brutvögeln 132, 132, 135 mm; das Minimum
liegt wieder innerhalb der oben gegebenen Pendelweite des durpuras-
cens, das Maximum ist auf 1 mm die stete Fortsetzung derselben. -
Da keine anderen Unterschiede bestehen, so ist Sturnus tauricus
Buturlin 1904 ebenfalls ein Synonym von Sturnus vulgaris
Purpurascens Gould 1868. Der Krimstar ist, wie Hartert schon
Schreibt, eine isolierte Kolonie des purpurascens, der Autor erkannte
dessen Formselbständigkeit vorläufig an, bis größeres Material
®) Weshalb ich hier trotz geringen Materials eine Entscheidung treffen
konnte, ergibt sich ohne weiteres aus dem Texte!
23) Der bereits genannte Wintervogel aus Mossul aus Coll. Wien hat
auch eine Flügellänge von 140 mm; es läßt sich ja nicht feststellen, ob dieser
ein Brutvogel der Krim oder Kleinasiens ist.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 65
untersucht sei; aus den angeführten Gründen ist eine Trennung
nun nicht mehr berechtigt. Die Maße des purpurascens sind‘
Flügellänge 129—142 mm, (Durchschnitt bei 136) — 1. Schwinge
12—15 mm. — Schnabel 25—29 mm (31). — Lauf 29—31 mm. —
Mittelzehe 28—30 mm. — Schwanz 62—65 mm.
Verbreitung. Das Verbreitungsgebiet der Form ist nach
Osten und Süden noch wenig genau bekannt: Kleinasien (von
Eregli und Kaisarijeh im Süden sah ich Brutvögel). Im Westen
geht er anscheinend bis zum Aeaeischen Meer (Smyrna). Ob er
auf den vorgelagerten Inseln vorkommt, ist unbekannt. Im Nord-
Westen geht er bis zu den Küsten des Marmara-Meeres (welche
Form um Konstantinopel brütet bzw. im größten Teile der euro-
päischen Türkei, ist nicht festgestellt, doch dürfte es grascus sein).
Im Norden bildet die Grenze das Südufer des Schwarzen Meeres,
hier wieder im Norden unterbrochen durch die Krim, die eine iso- .
lierte Brutkolonie unserer Form darstellt ?*) und.wo er nach Nikolski
etwa Mitte März eintrifft, im Nordosten die armenisch-kaukasischen
Grenzgebirge; weiterhin läßt sich die östliche Grenze noch nicht
genauer bestimmen, hier stößt dieselbe mit der südwestlichen des
caucasicus zusammen. Zur Brutzeit fand ihn Weigold in Nord-
Syrien (Aleppo). In Palästina brütet kein Star, ebenso nicht
auf Cypern, wo er neben anderen Formen nur als Wintervogel
genannt wird (Guillemard, Lord Lilford, Bucknill). Nicoll fand
ihn auf dem Zuge bei Gizeh in Ägypten; im Museum Koenig
befindet sich ein Stück von Cairo, das le Roi dort im Fleische am
30. 1. kaufte; nach Hartert (Nov. Zool. 1918, p. 331) ist die Form
als Zugvogel in Griechenland angetroffen worden, und nach
Dombrowski ist sie regelmäßiger Wintergast in Rumänien; ob
es sich in letzterem Falle wirklich um diese Form handelt, läßt
sich so nicht mit Bestimmtheit sagen, die Maße sprechen nicht
dagegen, da auch die übrigen nicht mit meinen übereinstimmen
wohl infolge anderer Meßmethode; die Beschreibung paßt zu keiner
anderen Form.
Aus der Lage der Heimatgebiete des purpurascens einerseits
und des porphyronotus anderseits und der Merkmale der beiden
Formen ergibt sich die Schwierigkeit, Nicht-Brutvögel derselben
zu unterscheiden, die in vielen Einzelfällen zur Unmöglichkeit
wird. Zur Zugzeit hält sich die turkestanische Form in Klein-
asien (in weiterem Sinne) auf, und da die Pendelweite der ersteren
bis in die der zweiten hineinreicht, so ist es bei den Vögeln, die
innerhalb dieser Linie liegen, nicht möglich, ihre Formzugehörigkeit
festzustellen; nur die Exemplare, die auf der Maximal- bzw.
Minimalkurve liegen, sind jederzeit sicher zu bestimmen. Ob
purpurascens physiologisch Porphyronotus näher steht als eine
2!) Brauner (siehe Literatur) nennt den Star der Krim noch porphy-
ronotus Sh. Im N.-Westen bilde der Dnjepr die Grenze, westlich brüte
„„menzieri‘“ (vgl. beaucasicus).
Archiv für Naturgeschichte
1923. A. 3, 5 3, Heft
66 ; Dr. Adolf von Jordans:
andere Form des Sturnus vulgaris, mit anderen Worten, ob erstere
beiden einst dasselbe Wohngebiet inne hatten und später erst
durch eine sich dazwischen schiebende Form (caucasicus) vonein-
ander getrennt wurden und sich dann differenzierten, oder aber
ob sie Bay sseule Rassen sind, diese Frage zu entscheiden, liegt
heute noch (?) außerhalb der Entscheidungsmöglichkeit ; für beide
Annahmen ließen sich Gründe anführen, aber das vn hieße nichts
weiter, als den Rhetor spielen.
Sturnus vulgaris humü Bröoks
Sturnus indicus, Hodgson Icon. ined. brit. Mus. nomen nudum!
St. splendens Temminck Bp. Consp. Gen. Av. p. 421-1850. ex
Ms. nomen nudum!
St. unicolor (Temminck errore) Hume Ibis 1870, p. 539 (Cashmere).
St. nitens Hume (nec Brehm 1831) Ibis 1871, p. 410. (Cashmere,
Afghanistan). — Stray Feathers 1873.— Dresser Ibis 1875, p. 238.
St. humü Brooks Ibis Oktober 1876, p. 500 (Cashmere).
St. ambiguus Hume, Stray Feathers Dezember 1876, p. 512 (schlägt,
da nitens Hume durch nitens Brehm präokkupiert ist, den
Namen ambiguus vor).
St. humii Gould, Gould Birds of Asia vol. V. 1877 (descer. humii
Brooks, Fig. nec humii sed vulgaris aut poltaratskyı).
St. nitens Hume Stray Feathers 1879, p. 176 (Cashmere, Attock).
St. humii Brooks Stray Feathers 1879, p. 682.
St. indicus, Seebohm, Ibis 1880, p. 183.
St. nitens Hume, Cordeaux, Ibis 1888, p. 218.
St. ındicus Hodgs, Sharpe, Ibis 1888, p. 439.
St. humii Br., Oates, Faun. Brit. Ind. B. 1889, p. 521.
St. indicus Hodg., Sharpe, Sec. Yark. Exped. London 1891.
St. humii Br., Richmond, Brids. from Kashmir, Proc. U, S..Nat
Mus. 1895, p- 460.
St. humei Br. (errore) Bianchi, Ann. Mus. Zool. Acad. Imp. Sc.
St. Petersb. 1896.
St. humii Br., Davidson, Ibis 1898, p. 19.
St. v. humii Br., Hartert, Vögel pal. F. 1903, p. 45. — Nov. Zool.
1918, p: 98
Federpartien bei .rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Vberkopfkr nn. grün bis intensiv stahl- blaugrün bis violett- od.
blaugrün bläulichrot
Oberhals, Rücken, Bür-
zel, Oberschwanz- -
decken 24 2.02 8 violettrot, Vorderrücken grün, Vorderrücken zu-
zuweilen stark bläulich, weilen violettrötlich
Hinterrücken m. grünem
Unterton bis. fast rein
grün
Schulterfedern . . . . violettrot grün
Flügeldecken . ... . bronzefarben mit violett- stumpf kupferfarbig
roter oder grüner Bei-
mischung
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 67
Federpartien bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Armschwingen-Säume .bronzefarben mit violett- - stumpf kupferfarbig
roter oder grüner Bei-
mischung
Ohrgegend, Kinn und
Kehle .... .. . grün bis blaugrün, blaugrün, zuweilen mit
schwach rötlichem Glanz
Kropf. ..... .. . violettrot mit bläulicher bronzefarben
Beimischung nach der
Kehle zu und bronze-
farbener nach der Brust
ZU
Brust, Bauch, Flanken,
Unterschwanzdecken bronze bis kupferfarbig stumpf bläulichgrün mit
(Brustmitte bisweilen röt- schwach bronzener Bei-
lich, Flanken bisweilen mischung
stark grünlich)
Die Außenfahnen der Schwanzfedern zeigen einen wechselnd
starken bronzegrünen Glanz. Die Unterflügeldecken und Achsel-
federn sind tiefschwarzbraun mit wechselnd breiten hellen Säumen.
— Von dieser Form lag mir das Jugendkleid nicht vor. Flügel-
länge 122—128 mm. — 1. Schwinge 12—14 mm. — Schnabel
26 28x65 1,5 mm. — Lauf 2931 mm. — Mittelzehe 28 bis
30 mm. — Schwanz 59—65 mm.
Das Brutgebiet scheint sich zu erstrecken über das Himalaja-
Kaschmir, etwa bis Nepal und dem n. w. Punjab. Sein Winter-
quartier sind die Ebenen Nordwest-Indiens, wo er namentlich
in Sindh dann häufig zu sein scheint.
Sturnus vulgaris minor Hume
Sturnus minor Hume, Stray Feathers 1873, p. 207 (Larkhana).
1879, p. 175—176 (Brutvogel in Sindh). — Döig, Feathers
1879, p. 374 (Brutvogel am Narra, Notiz über die Eier). —
Sharpe, Ibis 1888, p. 440. — Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus.
XIII. p. 39, 1890. — Bianchi, Ann. Mus. zool. Acad. Imp.
ses: Petersb. 1896.
St. vulg. minor Hume, Hartert, Vögel d. pal. F. 1903, p. 46. — Nov.
Zool. 1918, p. 336.
Diese scharf ausgeprägte Form steht im Färbungscharakter
wohl humii am nächsten. Die Färbungsverhältnisse sind die
folgenden:
Federpartien bei rechtwinkl. Licht beistumpfwinkl. Lieht
Oberkopr. 2.0.12 .. tief grün (selten mit ganz rötlich mit grünem
geringen rötlichen Re- Unterton
flexen).
Oberhals, Rücken, Bür-
zel, Oberschwanz-
deekemr un. leuchtend violettrot (Bür- kupfergrün
zel bisweilen schwach
gelbgrünlich)
5* 3. Heft
68 - Dr. Adolf von Jordans:
'Federpartien bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Schulterfedern . . . . kupfrig grün tief grün
Flügeldecken, Arm-
schwingen-Säume . . kupfergrün violettrötlich-bläulich
Ohrgegend u. Halsseite tief grün schwach rötlich
Kinn und Kehle . . . tief grün schwach rötlich
Kropp ann nem... violettros kupfergrün
Unterschwanzdecken . schwach violettrot schwach grün
Übrige Unterseite . . lebhaft kupfergrün, nach tief grün mit bläulichen
der Mitte und die Vorder- und rötlichen Reflexen,
brust mehr bronzegrün namentlich aufden Flan-
ken bläulich
Die Außenfahnen der Schwanzfedern zeigen vielfach einen
lebhaft- grünen Glanz. Die Unterflügeldecken und Achselfedern
sind tiefbraunschwarz mit ganz schmalen hellen Säumen. Es scheint
außerdem, daß der Form die hellen Schwingensäume fehlen
(wenigstens den alten Vögeln), worauf bereits Hume hinweist.
Junge Vögel und solche im Übergangskleid standen mir leider nicht
zur Verfügung; adulte Vögel sind nur wenig gefleckt, (wenig
gegenüber der Nominatform) Sf. v. minor bildet in seiner Klein-
heit den östlichen Gegenpol zu der großen westlichen faröensis,
ist aber noch bedeutend kleiner als die westliche granti. Flügel-
länge etwa 116—-120 mm. — 1. Schwinge 12 —15 mm. — Schnabel
24—26 x 6,5—/,5 mm. — Lauf 26-28 mm. — Mittelzehe 2527
mm. — Schwanz 60—64 mm. — Standvogel in Sindh; nach Hume
und Hartert im Osten bis Etawah.
Sturnus vulgaris unicolor Temminck.
Sturnus unicolor Temminck ?°), Man. d’ Orn. 1820, p. 133 Sardinien.
Das schwierige Problem der systematischen Stellung des Ein-
farbstars bietet theoretisch viel Interessantes. Ich unterließ es,
eine Literaturübersicht beizufügen, zumal da alle Angaben —
wie sich aus dem Text ergibt — eines Vorkommens des unzicolor
in anderen Gegenden als seinem eigentlichen Verbreitungsgebiet
mit wenigen Ausnahmen durchaus auf Irrtum und Unkenntnis
beruhen.
Die prinzipielle Frage, auf die es letzterdings ankommt, ist
die: Bildet der Einfarbstar eine physiologische Einheit mit Sturnus.
vulgaris, d. h. bildet er mit diesem einen Formenkreis oder stellt
er eine von diesem getrennte Lebenseinheit dar ?
Die Meinungen hierüber gehen auseinander: Die Gegenpole
bilden die Anschauungen der artlichen Selbständigkeit und die
der Einheit der beiden. Obschon Hartert unicolor sowohl in seinen
„Vögel der pal. Fauna‘ als auch in den ‚Notes on Starlings‘“ als ge-
trennte Spezies aufführt, so will er doch offenbar — wie auch andere
Autoren — die Frage offen lassen, wenn er schreibt: ‚Er (unicolor)
ist weiter von den übrigen Sturnus-Formen getrennt, als jene von-
25) Literatur-Angaben siehe Naumann, Naturgesch. Vögel Mittel-Eu-
ropas, Bd. IV. Sharpe, Catal of the Birds Brit. Mus. T. XIII, p. 39 u. 49 u. a.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 69
einander.‘‘ Andere Autoren, die sich schon unklar sind über die
Begrenzung der vulgaris-Form — und das ist die Mehrzahl von
ihnen! — vertreten gegenüber unzcolor einen unklaren Standpunkt,
indem sie (wie z. B. Dombrowski, Ornis Romaniae, p. 46—-47)
die Einheitlichkeit des Typus vertreten im Glauben, daß das
ausschlaggebende Charakteristikum die ‚Einfarbigkeit‘“ sei, und
daß z. B. derartige Bindeglieder zwischen unzcolor und Individuen
der vulgaris-Rassen (namentlich der östlichen) nicht selten seien,
da auch fast ,,‚einfarbige‘“ Exemplare bei caucasicus-porphyronotus
etc. vorkämen, während aber diese Einfarbigkeit lediglich darin
besteht, daß bei sehr alten Vögeln die helle Fleckung fast ganz
verschwindet, wo indessen die Einfarbigkeit echter unicolor
etwas ganz anderes bedeutet; auf diesen Grundirrtum sind alle
Fälle angeblichen Vorkommens des Sturnus unicolor in Asien
. zurückzuführen, wie ich an vielen Bälgen feststellen konnte,
daß solche alte asiatischen, ja sogar auch europäischen Stücke
die Etiketten trugen mit der Aufschrift: Sturnus untcolor Temm.!
(Siehe hierzu Keyserling, Blasius, Schlegel, Degland, Nordmann u. a.)
Es sind nun folgende Fragen klarzustellen:
1. Bestehen zwischen vulgaris und wmicolor morphologische
Unterschiede: a) in der Größe? b) in der Struktur und Plastik ?
c) in der Färbung?
2. Bestehen biologische Unterschiede ?
3. Sind diese Differenzen graduelle, d. h. Rassenmerkmale, oder
prinzipielle, d. h. physiologische, also Realgattungsmerkmale ?
Bevor auf diese Fragen eingegangen wird, ist zunächst eine
Beschreibung des Einfarbstars vorzunehmen. — Ich beginne mit
dem Jugendkleide, d.h. mit dem Kleide, das durch die erste Herbst-
mauser abgelegt wird (ebenso wie vulgaris mausert auch unzcolor nur
einmal jährlich im Herbst). Die Färbung des ersten Kleides ist
durchaus identisch mit der des Sturnus vulgaris; auch hier gibt es
‚eine helle, mehr bräunliche, und eine dunkle, mehr schwärzliche
Phase, bei beiden nach der Mauserzeit infolge von ‚‚verschießen“
an Helliskeit zunehrrend, die sich mit den gleichen Phasen des
Faröerstars decken, d. h. also im Durchschnitt ist unicolor etwas
dunkler als die Nominatform vulgaris, ohne das Maximum oder
Minimum zu verschieben. Hervorzuheben ist besonders auch die
gleiche Federstruktur des Jugendkleides; plastische Unterschiede
gibt es hier ebensowenig wie solche oder Färbungsdifferenzen
des Schnabels und der Füße. Die Größe der abortiven Schwinge
fällt zusammen mit der des mitteleurop. Stars, ist also geringer
und schwächer als die der Faröerform. Die Übereinstimmung
des Jugendkleides geht soweit, daß auch bei dem Einfarbstar
vielfach die Außenfahnen der großen Handdecken und nament-
lich der Armschwingen einen oft recht deutlichen Metallglanz
aufweisen, der bei stumpfwinkl. Licht grün, bei rechtwinkl. Licht
rötlich ist.
| 3, Heft
70 = Dr. Adolf von Jordans:
Hat man also Vögel im einfarbigen Jugendkleide
vor sich, so läßt sich durchaus keinerlei Unterschied
feststellen und man würde keinen Anlaß haben, die
beiden Lebewesen nicht zu einer Lebenseinheit, zu
einem Formenkreis zu rechnen. Anders wird es bei der
ersten Mauser, deren Verlauf auch noch der gleiche bleibt.
Wie sieht nun der frischvermauserte Einfarbstar aus? Die
neuen Federn zeigen zwei Charakteristika: einmal eine andere
Färbung und ferner eine andere Struktur. Von weitem betrachtet
sieht der Vogel, mit Ausnahme der sehr feinen hellen Federspitzen
eintönig tief schieferig-grau oder silberig-schwarz aus, matt glän-
zend, wie mit feinstem etwas Öligem Puder überstreut. jede
Feder (mit durchgängiger Ausnahme des Oberkopfes und des
Hinterrückens) trägt einen ganz kleinen weißgrauen Endfleck
wie vulgaris, nur ist dieser viel kleiner; die Größe ist, worauf ich
bereits bei vulgaris hinwies, bedingt durch die Form der Feder-
spitzen, die hier sehr scharf und schmal sind, und durch stärkere
Ausbreitung des Pigments. Die hellen Säume der Flügelfedern
und des Schwanzes sind außerordentlich schmal, vielfach kaum
mehr sichtbar. Den Namen Einfarbstar (unzicolor) trägt der Vogel
aber nur mit sehr bedingtem Recht, wie eine nähere Untersuchung
ergibt: (Hier bestehen wieder zwei Sonderheiten). Alle Glanz-
farben, die bei vulgarıs und seinen Rassen vorkommen, finden sich
hier wieder oder besser umgekehrt gesagt: alle Glanzfarben, die
unicolor zeigt, weisen auch die Rassen von vulgaris auf, und dabei
sind mehrere ‚Farben‘, die bei vulgaris auf der einzelnen
Feder zonenweise nebeneinander liegen, hier über die
ganze Feder verteilt, unter dem Mikroskop betrachtet wird
das Licht auf winzigen Strecken verschieden reflektiert, rotgrün-
blau-gelb und deren Schattierungen wechseln fortwährend ab,
so wird ein scheinbar einheitlicher silberig-schwarzer, fettiger
und matter Glanz-Charakter hervorgerufen; daneben herrschen
aber auf den einzelnen Federpartien wie Kopf, Rücken,
Flügel usw. bestimmte Farben in der Zusammenwirkung
vor und zwar genau so verteilt, wie bei den vulgarıs-
Rassen. Es ist letztere äußerst wichtige Tatsache bisher noch
von keinem Autor gebührend hervorgehoben worden. Der ge-
ringere Glanz des Einfarbstars beruht auf stärkerer
Pigmentbildung.
Wenn ich nachstehend eine Färbungstabelle gebe, so ist dabei
zu betonen, daß die einzelnen Glanzwirkungen (infolge obiger
Verhältnisse) bedeutend schwächer sind als die bei den bisher
beschriebenen Staren; was ich in der Tabelle der Kürze wegen
„einfarbig“ nenne, ist oben des näheren dargelegt.
Federpartien bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Oberkopr ar... einfarbig leicht rötlich deutlich grünlich
Oberhalsz-.1. 2,0: grünlich rötlich
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.L 71
Federpartien. bei rechtwinkl. Licht bei stumpfwinkl. Licht
Rücken. .. .. . . dunkel violettrot, zuwei- dunkelgrün, zuweilen m.
len mit grünlichem rötlichem Schimmer
Schimmer
Bürzel .. .... . wie Rücken, doch mit wie Rücken, doch mit
stärkerem grünen Schim- stärkerem roten Schim-
mer mer
Oberschwanzdecken . grün mit rötlichen Säu- violettrot mit grünen
men oder rot Säumen oder grün
Schulterfedern. . . . Säume violettrot, ver- Säume grün, verdeckter
deckter Glanzteil grün Glanzteil rot
Flügeldecken . . . . violettrotoder grün, dann grün oder violettrot,
:Säume doch rot dann Säume doch grün
Armschwingen . . . . vıolettrot mit grüner Bei- grün mit roter Bei-
mischung, stets rot über- mischung
wiegend
Handschwingen . . . grün, zuweilen schwach dunkel violettrot, zu-
violettbläulich weilen schwach grünlich
Halsseite .. . .. .. . violettrötlich grünlich
Ohr und Wange. . . „einfarbig“ „einfarbig“
Kinn und Kehle. . . „einfarbig“, mehr grün, ‚einfarbig‘, mehr rot,
zuweilen mehr rot zuweilen mehr grün
Kerpen nr... u. rötlich erünlich
Brusuee ın...2...,...violettrot grün
Bauch... ... . ..orun, selten rötlich violettrot, selten grün-
lich
Weichen .. .... . grün, nur schwach röt- violettrot, schwach
liche Säume grünliche Säume
Unterschwanzdecken . grün violettrot
Bevor ich auf die Feder-Plastik eingehe, fahre ich zunächst
ın der Beschreibung der Federkleid-Entwicklung fort: Im ersten
Herbstgefieder läßt sich bereits ein Unterschied der Geschlechter
konstatieren. Das Weibchen ist etwas stärker gefleckt und schwä-
cher glänzend als CE Männchen (die gleichen Verhältnisse wie
bei vulgaris). Außerdem sind die Kehlfedern kürzer. Die Spitzen-
flecken werden infolge ihrer Kleinheit rasch abgenutzt, so daß
3g im ersten Hochzeitskleide sie bereits fast völlig verloren haben,
während die 92 sie dann noch besitzen. Nach der 2. Herbstmauser
ist bei-ersteren keine Spur von Fleckung mehr nachzuweisen
(mit ganz seltenen Ausnahmen) und bei letzteren sind sie so re-
duziert wie bei den Männchen im ersten Frühjahre oder auch ganz
verschwunden. Hieraus ergibt sich die Schwierigkeit, das Geschlecht
einzelner Individuen in verschieden alten Stadien wie auch bei
den Vögeln nach der 2. Herbstmauser, die sich sehr ähneln aber
doch unterscheidbar sind, durch den verschieden starken Glanz,
und die verschiedene Form der Federn namentlich der Kehle
zu bestimmen. Damit komme ich zur Besprechung der Feder-
Plastik. Doch bevor ich damit beginne, ist noch die Färbung der
Flügelfedern und der Unterflügeldecken zu besprechen. Die Außen-
fahnen der Schwungfedern und der Spitzen sind tief samtschwarz,
die Innenfahnen tief braunschwarz, mit zunehmendem Alter und
Jahreszeit lichten sich letztere etwas auf und werden dann mehr
nußbraun. Der helle Fleck vor der Spitze ist entweder schiefer-
3. Heit
2 Erg Dr. Adolf von Jordans:
grau oder tief braunschwarz, so daßersich dann nur wenig abhebt,
mit fortschreitender Jahreszeit verbleicht er durch die Sonnen-
strahlen und wird dann lebhaft braun; die Färbungsverhältnisse
ähneln sehr denen des porphyronotus im Gegensatz zu denen der
Nominatform. Der Grund aller Federn ist grau, wenig dunkler
als bei vulgaris, die Kiele sind am Grunde gelblich weiß und werden
nach der Spitze zu licht bis dunkelbraun und schließlich schwarz.
— Die Unterflügeldecken und Achselfedern sind einfarbig, bei
jüngeren Vögeln lichter grau bis bräunlichschwarz, bei adulten
tief braunschwarz oder fast reinschwarz ohne jeden helleren Rand,
der bei einjährigen Vögeln in schwachen Resten besonders an den
Spitzen noch zu erkennen ist. Es ist sozusagen der dorphyronotus-
Unterflügel noch mehr verdunkelt und die hellen Säume ganz ver-
schwunden. Das Herbstgefieder namentlich der Weibchen und
der jungen Vögel, aber auch das der Männchen ist silberig grau
überflogen, der Silberglanz wird mit fortschreitender Abnutzung
schwächer und geht im Frühjahr fast ganz verloren. Die Schwanz-
federn bei frischvermauserten Vögeln sind gleichmäßig dunkel
(braun) schwarz, am Grunde lichter, mit zunehmendem Verschleißen
werden sie, namentlich die mittleren Teile, mehr braun, vielfach
partienweise hell nußfarben. Füße und Schnäbel sind wie bei
vulgaris gefärbt, soweit sich das an Bälgen feststellen läßt; die
Färbung der Füße bei adulten Vögeln im Sommerkleide scheint
heller zu sein als bei der Nominatform, ganz so wie bei granti (?).
Die Farbe des Auges ist die gleiche wie bei vulgaris.
Unter Plastik verstehe ich die äußere Form, unter Struktur
den inneren Aufbau. Wenn die Autoren den Sturnus unicolor als
eigene Lebenseinheit (‚Art‘) dem Sturnus vulgarıs gegenüber
stellen, so geschieht dies einmal wegen der Färbung, dann aber
vor allem wegen der gänzlich abweichenden Federausbildung.
Und in der Tat ist letztere auffällig. Während im Jugendkleide
sich keinerlei Verschiedenheit wahrnehmen läßt, so wird das bei
der ersten Herbstmauser plötzlich anders. Die Federn des gesam-
ten Kleingefieders sind stark verlängert und verschmälert, ein-
zelne Partien sind rein lanzettförmig. Gleichzeitig damit Hand
in Hand geht eine Reduzierung der flaumigen Federbasis, der
verdeckte Federgrund wird dadurch weniger wollig, so daß das
gesamte Gefieder dünner und härter wird; daher kann ein geübter
Untersucher unzcolor-Bälge bereits mit geschlossenen Augen aus
vulgaris-Serien herausfühlen.
Die plastischen Unterschiede des Kleingefieders gegenüber
vulgaris verdeutlicht die beigegebene Tafel; an Hand dieser mag
eine kurze Beschreibung der Differenzen folgen. Alle Federn des
Kleingefieders sind mehr oder weniger stark verlängert und gleich-
zeitig auch (absolut) -verschmälert. Die stärkste Veränderung
zeigen die Kehl- und Nackenfedern. Auf der Tafel sind die Federn
von umicolor verglichen mit denen der vulgaris-borphyronotus,
welch letzterer gegenüber der Nominatform die gleiche Entwick-
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 73
Federformen
x = unicolor x, = vulgaris
a Oberkopf, b Ohrdecken, e Kinn, d Kehle, e Vorderbrust, f Bauch,
& Weichen, h Nacken, i Vorderrücken, k Bürzel. — !/,
lungstendenz aufweist. Der Flaum am Grunde des Kiels ist re-
duziert, der Kiel selbst erheblich verlängert, die Federäste sind
verkürzt (schon an der frisch vermauserten Feder, diese Ver-
kürzung wird durch fortschreitende Abnutzung noch vergrößert),
dadurch erhält die ganze Feder ein lanzett- oder noch mehr degen-
förmiges Aussehen. Die abgebildeten Federn (von gleichaltrigen
Vögeln aus derselben Jahreszeit) zeigen eine Längendifferenz
von 1,1 cm (dorphyronotus 2,3 — wunicolor 3,4); an den Federn
des Oberkopfes ist noch eine deutliche Differenz wahrnehmbar,
„ während sie bei denen der Ohrdecken und des Kinns schon weniger
3. Helft
74 i Dr. Adolf von Jordans:
deutlich, aber doch typisch ist. Die Nackenfedern sind bei unzcolor
wie die Kehlfedern verlängert, doch der Flaum ist kaum reduziert
(im Verhältnis zur Größe). Bei den Vorderbrust-, Bauch-, Wei-
chen-, Vorderiücken- und Bürzelfedern sind keine so starken
Unterschiede ausgeprägt, doch Jällt auch bei diesen die Verlänge-
rungs- und Verschmälerungstendenz in dre Augen; ähnlich diffe-
rieren die Unter- und Oberschwanzdeckfedern. Hat man den ganzen
Vogel in der Hand, so scheint der Befiederungsunterschied er-
heblich größer zu sein, wie es auf der Tafel aussieht, doch wird
nur durch die Summierung dieser Schein erweckt.
Zu der Tafel muß ich noch einige Erläuterungen geben:
Zunächst habe ich von jedem Vogel Federn typischer Ausbildung
dargestellt. Auf dreierlei Art waren die Differenzen darstellungs-
möglich. Entweder setzte ich unicolor der Nominatform gegenüber
oder der Form faröensiıs oder, wie es geschehen ist, der Form
porphyronotus; es ergab sich nämlich folgende Überlegung: In
der Gesamtgröße (wie wir weiter unten sehen werden) steht unicolor
dem Faröerstar am nächsten; stellte ich diese gegenüber, so ver-
ringerte sich auch der Unterschied der Größe zwischen den.ein-
zelnen Federn, dagegen wäre die Form-Differenz erheblich ge-
wesen; wählte ich vulgaris als Vergleichsobjekt, so vergrößerte
sich die Form — und die Größendifferenz, (vulgaris, faröensis,
granlı usw. besitzen breitere, gedrungere Federn) ; da nun das Haupt-
merkmal in der Verlängerung und Verschmälerung der unicolor-
Feder besteht, so wählte ich, da es sich an erster Stelle um die Frage
der Formenkreiszugehörigkeit des letzteren hier handelt, diejenige
Rasse des bisher behandelten Kreises vulgarıs zur Gegenüber-
stellung, die bereits eine ähnliche Entwicklungsrichtung auf-
weist, und die ich in dporphyronolusfand, diegegenüber
vulgaris deutlich verschmälerte und verlängerte Fe-
dern besitzt. — Ich komme auf alle diese Verhältnisse zum
Schlusse nochmals zurück. —
Jetzt ist noch zu untersuchen, ob ein Unterschied in der
Plastik der Schwung- und Schwanzfedern vorhanden ist: Die Form
ist identisch, dagegen besitzen die Schwanzfedern des Einfarb-
stars eine wenig aber doch deutliche, die Schwungfedern eine größere
Biegungsfestigkeit, sie fühlen sich im ganzen fester, stärker an
als die des gemeinen Stars in allen seinen Rassen. — Die Maße
sind folgende: Flügellänge 129—139 (meist 132—136) mm. —
1. Schwinge ad. 12—15, iuv. 17-20 mm. — Schnabel 2429 x
8—9,5 mm. — Lauf 29—32 mm. — Mittelzehe 28—31 mm. —
Schwanz 63—70 mm.
Koenig gibt in seiner ‚‚Avifauna von Tunis“ (]J. f. ©. 1888)
als Flügellänge von 6 von ihm in Tunis geschossenen Einfarbstaren
an: 145, 145, 140, 135, 140, 145. ich konnte diese Bälge untersuchen
und ichmaß (in derselben Reihenfolge): 137, 137, 130, 129, 136, 132.
Koepert schreibt im ‚Neuen Naumann‘, daß die Unter-
schwanzdeckfedern bei unicolor länger seien als bei vulgaris, d.h,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 75
sie erreichten fast den Rand des mittleren Schwanzausschnittes;
nach meinen angestellten Vergleichen und Messungen trifft dies
nicht zu, ebensowenig besteht irgend ein sonstiger Unterschied
in den relativen Größenverhältnissen (vergl. Tabelle).
Das Verbreitungsgebiet des Einfarbstars ist beschränkt
auf die Länder des westl. Mittelmeer-Gebietes. Er bewohnt Spanien
mit Portugal bis zu den Pyrenäen(?), ohne daß einstweilen hier
eine genaue Grenze gegenüber der Nominatform anzugeben mög-
lich ist, ferner Sardinien und. Korsika, Sizilien (merkwürdiger
Weise lebt nach meinen Beobachtungen auf den Balearen kein
Star) und das nordwestl. Afrika, d.h. Marokko, Algerien und Tunis.
Die Behauptungen seines Brütens auf Malta ebenso wie in ein-
zelnen Teilen Italiens (s. Naumann u. a.) sind irrig, er zeigt sich
dort nur als nicht häufiger Strichvogel. In Algerien ist er weniger
häufig als in Marokko und Tunis und fehlt dort an vielen Lokalitäten,
deren Beschaffenheit ganz denen entspricht,, an denen er in den
Nachbargebieten lebt. Seine Südgrenze in Nordafrika fällt mit
dem Beginn der Wüste zusammen; hier fand ihn Hartert noch
bei Laghuat und Ghardaja (Nov. Zool. 1918, p. 327). Wo die
ÖOstgrenze seiner Verbreitung liegt, konnte ich aus der Literatur
nicht ersehen; während er für Tunis, wie gesagt, als häufiger B:ut-
vogel angegeben ist, finde ich ihn von Tripolitanien nicht mehr
erwähnt; hier dürfte die glaziale Meeresausbreitung zwischen
Tunis und Tripolis einerseits und die geringe Ausdehnung des ‚,Tel“-
Gebietes anderseits die Ursache seiner heutigen Verbreitung sein.
Der Einfarbstar ist ein Standvogel und nur im beschränkten
Sinne Strichvogel. Außerhalb seiner Wohngebiete wurde er nur
in Malta, auf den Balearen, in Italien und Süd-Frankreich gelegent-
lich angetroffen. Alle Behauptungen seines Vorkommens im Osten,
so in Palästina, auf der Balkanhalbinsel, im Kaukasus, ja sogar
in Indien, wie sie namentlich von einer Reihe älterer Autoren
aufgestellt wurden, beruhen ausnahmslos auf irrtümern oder auf
Unkenntnis des echten unicolor. (Dies betonen bereits Sharpe
und Hartert.) Vögel von dort als ‚unztcolor‘‘ bezeichnet, sind nichts
weiter als alte Exemplare der dort brütenden (oder durchziehenden)
Rassen, deren helle Fleckung größtenteils oder ganz verschwunden
‚ist, und die dann von den Autoren, die dem Einfarbstar nur aus
Beschreibung kannten, als »nicolor benannt wurden (s. auch die
Literaturübersichten der östl. vulgaris-Formen).
Kleinschmidt wies mich brieflich darauf hin, daß ‚‚sardinische
unicolor die samtschwarzen Fleckchen an den Schwingenenden
dunkler, die Marokkaner brauner haben‘‘; ‚vielleicht ist das nur
durch den Sonnenbrand hervorgerufen“. Auf diese für die weitere
Untersuchung wichtige Erscheinung verwandte ich besondere
Aufmerksamkeit. Einen durchgängigen Unterschied konnte ich
nicht feststellen; bei meiner obigen diesbezl. Beschreibung sagte
ich bereits, daß die Helligkeit und Farbennuancierung jener
Flecken einmal individuell schwankt, in noch größerem Maße aber
3. Heft
76 Dr. Adolf von Jordans:
abhängig ist von der Jahreszeit. Eine Lokalvariation scheint mir
nicht zu bestehen, ich halte sie aber nicht für ausgeschlossen.
Da für einige Autoren die Biologie des Einfarbstars für ihre
Stellungnahme zu der Frage der Artselbständigkeit desselben mit
ausschlaggebend war und ist, so gehe ich hier etwas näher auf die
Lebensgewohnheiten ein, in vollem Bewußtsein der Bedeutung,
die darin für mein Urteil liegt, daß ich hier nicht aus eigener
Erfahrung sprechen kann, sondern mich auf die Angaben derer
stützen muß, die den Vogel aus eigener Anschauung kennen. Doch
zunächst gebe ich hier nur Daten; weiter unten komme ich dann
“ausführlich zur Besprechung der eingangs gestellten Fragen, aus
der meine systematische Auffassung abgeleitet wird. Hartert
schreibt in den ‚Vögeln d. pal. Fauna“, Bd. I, p.47.: ‚Die Lebens-
weise des Einfarbstars ist im großen und ganzen die unserer Stare.
Sein Pfiff ist etwas stärker, voller, die Nahrung ist die aller Stare,
aber er scheint Schnecken besonders zu lieben. Er nistet teils
einzeln, teils in kleinen oder größeren Gesellschaften in Löchern
an den Felswänden, Ruinen alter Wasserleitungen oder sonstiger
Gebäude, unter Dächern, an Türmen, auch (selten) in Baumlöchern
oder sogar in Bienenfresserröhren und legt 4—6 Eier, die denen
unserer Stare gleichen, nur meist etwas heller sind.“ — Koenig
sagt in seiner „Avifauna von Tunis“ (J. f. ©. 1888, p. 172), worin
er das Leben des Einfarbstars eingehend schildert: ‚Alles wohl
nach Art unseres Sf. vulgarıs und doch so verschieden, daß dem
scharfen Beobachter der Unterschied nie entgehen wird.‘ Anfang
März.stelle er sich an seinen Niststellen ein. Das Nest ist wie
das des gemeinen Stars, die 4—6 Eier gleichen denen des vulgaris,
sind aber etwas stärker, etwa wie die des faröensis. Im Herbst
und Winter vergesellschaftet er sich mit den großen Schwärmen
des ın seiner Heimat überwinternden mitteleurop. Stars.
Nachdem eine eingehende Beschreibung der Morphologie
des Einfarbstars wie eine kurze biologische Übersicht gegeben ist,
komme ich nun zu dem schwierigsten Kapitel: zur Beantwortung
der eingangs gestellten Fragen, die entscheiden sollen, ob umicolor
eine eigene Lebenseinheit darstellt oder ob er einen einheitlichen
Formenkreis mit vulgaris bildet.
Zunächst: bestehen Größenunterschiede, die jenseits einer
kontinuierlichen Reihe derjenigen Maße liegen, die innerhalb der
Rassendifferenzen des Formenkreises vulgaris vorhanden sind?
Die Verneinung dieser Frage ergibt ohne weiteres ein Blick auf
die beigefügte Größentabelle; es besteht weder ‘eine Differenz
in den relativen noch in den absoluten Größenverhältnissen; daß
der Schnabel des Einfarbstars durchschnittlich und im Maximum
am Grunde etwas stärker d. h. etwas breiter ist, und der Schnabel
dadurch etwas gedrungen scheint, so ist diese Eigentümlichkeit
so verschwindend, außerdem kontinuierlich, daß dem keinerlei
Bedeutung beigemessen werden kann.
et
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 77
Die zweite Frage lautete: Bestehen plastische oder struk-
turelle Differenzen, und wenn, bilden diese eine mit vulgaris
kontinuierliche Reihe, oder existiert zwischen ihnen eine Lücke,
ein Sprung? Die Beantwortung dieser Fragen ist zum Teil be-
reits in der vorhergehenden gegeben. Osteologische Eigentüm-
lichkeiten konnte ich keine feststellen. Es bleibt übrig die Unter-
suchung der Federplastik und der Struktur, welch letztere dann
zur dritten Frage überleitet. Ich bitte, die beigefügte Feder-
tabelle zum Vergleich heranzuziehen. In der Form der unzcolor-
Feder sah man von jeher den stärksten Beweis der Artverschieden-
heit der beiden Lebewesen. Ich habe bereits oben die einzelnen
Federformen miteinander verglichen. Es wurde bisher nie besonders
darauf hingewiesen (wenigstens nicht in dem hier behandelten
Zusammenhange), daß auch bei vulgaris eine offensicht-
liche Zunahme der Verschmälerung und Verlängerung
demredern mir zunehmendem-Alter stattfindet. Bei
den iuvenes der beiden Stare besteht noch keinerlei Differenz.
Die Federn des zum ersten Male vermauserten unzcolor zeigen
gegenüber gleichaltrigen vulgarıs eine starke Verlängerung, diese
ist aber höchstens eben so stark (vielfach geringer) als bei
den Federn adulter vulgaris und namentlich einer seiner öst-
lichen Rassen. Erst nach der zweiten Herbstmauser äußert
sich diese Entwicklungstendenz so stark, daß sie dann das
Maximum der ältesten vulgaris stark überholt. Dies kann
‚aber m. E. kein Grund sein, hierauf eine Artverschiedenheit
d. h. eine potentielle Verschiedenheit des artlichen Anlagekom-
plexes zu gründen. Kontinuität eines Merkmals genügt natürlich
nicht, daraufhin Artgleichheit zu behaupten; diese kann nur dann
bestehen und zwingt uns wenigstens zu derAnnahme der Einheitlich-
keit, wennsämtliche MerkmaleoderDifferenzen Kontinuität zeigen.
Da die Metallfarben in der Struktur ihrer Träger begründet
sind, so führt die Frage nach der Gleichheit oder Verschiedenheit
der Struktur gleichzeitig zu der nächsten hier zu behandelnden,
der der Färbungsverhältnisse. Hier muß ich kurz einige allgemeine
Hinweise geben über das Zustandekommen der Glanzfarben; eine
speziellere Bearbeitung bleibt späterer Zeit vorbehalten. Was bei
den Staren als ‚‚Farben‘‘ unserem Auge erscheint, sind nicht eigent-
liche Farben, d. h. es liegt diesen kein 'verschiedenartiges Pigment
(Pigmentfarben) zu Grunde, sondern die Farbenerscheinungen sind
eine Folge des inneren Aufbaus, der mikroskopischen Struktur der
Feder (Strukturfarben — Prinzip der Newtonschen Plättchen).
Die Verhältnisse sind hier bei der Starfeder allerdings etwas kom-
plizierter Natur, da nämlich auch Pigment vorhanden ist, und die
Intensität der Glanzfarben aus der Struktur und dem Pigment
resultiert. Das Pigment als solches ist in unserem Falle dunkel.
Hieraus folgt zunächst: je stärker das Pigment desto dunkler
(schwärzer) die Feder, wo Pigment ganz fehlt, erscheint die Feder
weiß. Der Grund aller Starenfedern ist wie bereits gesagt grauweiß,
3. Helft
78 Dr. Adolf von Jordans:
d. h. also er ist nur sehr wenig pigmentiert; entweder ist apical
die Feder ganz mit Pigment durchsetzt oder aber die Spitze selbst
bleibt pigmentfrei. Den ersteren Fall haben wir vor uns in dem
Kleingefieder der vulgaris-Formen, den letzteren in dem des uni-
color (adult) ; bei ersteren werden dann diese pigmentlosen Teile der
Feder mehr oder weniger schnell abgenutzt, jedenfalls schneller
als pigmentierte Teile Man kann daher sagen, daß die Einfarbig-
keit (= Fleckenlosigkeit) der alten unzcolor auf Pigmentierung
der ganzen Feder beruht; ebenso sind die alten Vögel der öst-
lichen vulgaris-Formen (wie dorphyronotus, humii etc.) pigment-
reicher, als die der westlichen Rassen. Es liegt also hier offenbar
nur ein gradueller Unterschied vor, dessen Ursache in der Nahrung,
im Klima u. A. begründet sein wird. — Die Fleckung kann somit
nicht zu artlicher Trennung berechtigen, umsoweniger wie dieselbe
bei jugendlichen unzcolor auch, wenn auch geringer als bei vulgarıs,
vorhanden ist. Die Untersuchung der farblosen (weißen) Feder-
spitzen leitet über zu der Untersuchung des Farbglanzes. Unter
dem Binocularmikroskop sehen wir nämlich, daß diese Teile,
obschon pigmentfrei, auch Farbglanz besitzen, und zwar unter-
‚scheidet man hier auch Intensität wie Art des Glanzes. Ich muß
mich kurz fassen: Schwache Pigmentierung verringert den Farb-
glanz, zunehmende Pigmentierung verstärkt ihn; Pigmentsättigung
läßt ihn verschwinden und die Feder glanzarm schwarz erscheinen.
Soviel über die Intensität des Glanzes. — Die Art des Glanzes,
d. h. ob die Feder grün, blau, rot etc. erscheint, ist lediglich be-
dingt durch die innere Struktur der Feder; die Glanzwirkung ist
beschränkt auf die Oberflächenteile, auf die Oberflächenstruktur.
Daher nimmt der Glanz mit fortschreitender Abnutzung der
Feder ab (daneben sahen wir schon, daß eine Verringerung Hand
in Hand geht mit zunehmender Pigmentierung, genauer gesagt,
er nimmt zu mit zunehmender Pigmentausbildung, erreicht dann
ein Maximum (Optimum) und nimmt mit steigender Pigment-
anhäufung wieder ab). Die Art des Glanzes ist ferner abhängig
von der Richtung des Lichtes, in dey dieses die reflektierende
Struktur trifft; das im einzelnen ee ist hier von neben-
sächlicher Bedeutung und bleibt physikalisch-histologischer Un-
tersuchung vorbehalten. Die sogen. Einfarbigkeit des unicolor
beruht auf diesen verschiedenen Komponenten. Einmal hat die
Pigmentausbildung das Optimum für die Glanzbildung über-
schritten (daher weniger stark glänzend), ferner ist die strukturelle
Anordnung der reflektierenden Teilchen insofern eine andere wie
bei vulgaris, als die Änderung derselben sehr nahe beieinander
liest, mit anderen Worten sie auf kleinen Strecken derselben
Feder wechselt, während sie bei vulgaris im großen und ganzen
auf der einzelnen Feder sowohl wie auf ganzen Federpartien ein-
heitlich bleibt. (Kleinschmidt erkannte als erster diese Tatsachen.)
— Diese Unterschiede kann man unter dem Mikroskop sehr deutlich
sehen. Ich wies aber bereits oben darauf hin, daß dieselben bei
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 79
eingehender Betrachtung eines Vogels lange nicht so scharf aus-
geprägt sind, als es immer betont worden ist; ferner weise ich
nochmals darauf hin, daß außerdem eine ausschlaggebende Rolle
auch hierbei die Intensität der Pigmentierung spielt. — Auch bei
der uulgaris-Feder läßt sich vielfach eine engfolgende Glanzänderung
feststellen, diese aber verläuft so, daß immer eine Glanzart sehr
stark überwiegt, d. h. daß diese erheblich größere Felder einnimmt
als die untergeordnete.
Nach diesen Untersuchungen kann es keinem Zweifel unter-
liegen, daß vulgaris und unicolor auch in Bezug auf Einfarbigkeit
und Fleckenlosigkeit des letzteren nicht zwei verschiedenen Le-
benseinheiten angehören.
Wir kommen nun zur dritten Frage: der der biologischen
Eigentümlichkeiten; ich kann mich hier ganz kurz fassen
und auf meine gegebene Schilderung verweisen. Wesentliche
Unterschiede bestehen nicht. In wechselnd starkem Maße zeigen
alle Tierrassen in ihrer Lebensweise geringe Abweichungen, die
eine Resultante der Verschiedenheit des Klimas und der Umwelt
darstellen. Von einigen Forschern, so z. B. von Koenig, werden
Besonderheiten des unzcolor gegenüber dem vulgaris betont, die
ich aber auch von anderen Autoren für östlichere Rassen, so z. B.
für Dorphyronotus, humii und minor genau so angegeben fand.
Auch hier dürften Unterschiede, die das genannte Maß über-
schreiten, sicherlich nicht bestehen.
Auch die Berücksichtigung der Verbreitung des Einfarb-
stares besitzt große Wichtigkeit. Wie ich an anderer Stelle ge-
sagt habe, genügt m. E. geographischer Ausschluß äußerlich nahe-
stehender Vogelformen nicht prinzipiell, hieraus die Einheit-
lichkeit des Formenkreises dieser zu schließen, nämlich dann nicht,
wenn die Gebiete dieser Formen nicht aneinander grenzen oder
durch Gebiete verbunden werden, innerhalb deren gleichartige
Formen wohnen, sondern nur dann, wenn die betr. Formen sich
geographisch ausschließen, die Verbreitungsareale aber aneinander
stoßen. Auch hier gibt es Ausnahmen z. B. bei Inselformen, und
notwendige Berücksichtigung paläogeographischer Beziehungen; da
hat jeweilige Untersuchung zu entscheiden. In unserem Falle
liegen die Verhältnisse nun so: Sturnus unicolor und Sturnus vul-
garıs schließen sich geographisch streng aus, aber die Heimat des
einen bildet die direkte Fortsetzung derjenigen des anderen.
Das einzige landverbundene Grenzgebiet bilden die Pyre-
näen (genaues ist leider von hier noch nicht bekannt),
und spätere Forschung wird zeigen, ob hier eine Vermischung
vorkommt; bisher sah ich kein Stück, was auf diese hätte
schließen lassen. (Aus dem Pyrenäen-Gebiet konnte ich keine
Stare untersuchen) Das Experiment könnte hier vielleicht
wichtige Aufschlüsse geben. Also auch die Verbreitung sagt zum
mindesten nichts gegen die Annahme der physiologischen Einheit.
Oberflächliche Betrachtung oder prinzipielle Verschiedenheit der
3, Heft
80 Dr. Adolf von Jordans:
Anschauung vom Wesen der ‚Art‘ mag ein anderes Resultat
als das rechte erscheinen lassen. — Ich will nicht leugnen, daß
unicolor morphologisch den übrigen Rassen des Sturnus vulgaris
ferner steht, als diese sich untereinander, anderseits betont das
Resultat meiner Untersuchungen, daß die Unterschiede weit geringer
sind, als sie meistens angenommen und behauptet werden. Es gilt
hier, eine prinzipielle Frage zu erörtern: Ich unterscheide ‚‚morpho-
logische Arten“ und ‚‚physiologische‘ genetische. Die ältere Syste-
matik kannte nur erstere Kategorie, die neuere dagegen zeigt, daß
nur die Feststellung und Unterscheidung der letzteren tiefere
Naturerkenntnis bringen kann. Die Anhänger jener mögen umi-
color als selbständige Art auffassen, diejenigen dieser vermögen
inihr nur ein Glied des Formenkreises Sturnus vulgaris zu sehen.
Ich brauche somit kaum noch zusagen, daßBich, auf peinlichste
Untersuchung gestützt, den Einfarbstar als eine Rasse des
Sturnus vulgaris L. ansehe, dem die Bezeichnung Sturnus
vulgaris unicolor Temminck zu geben ist.
Wie verhält es sich nun mit der nomenklatorischen Frage,
wenn sich tatsächlich der sardinische Einfarbstar als Rasse unter-
scheiden läßt — was ich, wie ich oben auseinandersetzte, unent-
schieden lassen muß? Ist es der Fall, so müssen wir hier wohl
zweifellos annehmen, daß diese beiden sich genetisch näher stehen;
als eine von ihnen irgend einer anderen Rasse von vulgarıs. Hier
wäre nach Laubmann, Sachtleben u. A. quaternäre Nomenklatur
anzuwenden; weshalb ich diese unbedingt ablehne, werde ich im
Schlußkapitel darlegen. Hier möchte ich nur soviel sagen: das
genetische Verhältnis läßt sich in einem solchen seltenen Falle ge-
nügend durch den Rassennamen selbst ausdrücken; wenn man den
Sardinien-Star z. B. mit dem Rassennamen subunicolor oder ähnlich
bezeichnen würde, so würde diese Hindeutung vollauf genügen. Der
Name braucht durchaus nicht gleich die ganze Genealogie zu geben!
An Vergleichsmaterial benutzte ich 98 Exemplare dieser Form.
Formenübersicht.
Sturnus vulgaris vulgaris L. Sturnus vulgaris jJitkowi Buturlin
St. v. granti Hartert ? St. v. caucasicus Lorenz.
St. v. faröensis Feilden St. v. novilior Hume
? St. v. zetlandicus Hartert St. v. porphyronotus Sharpe
St. v. poltaratskyi Finsch | ?St. v. dzungaricus Buturlin
?St. v. zaidamensis Buturlin St. v. purpurascens Gould
St. v. graecus Tschusi St. v. humii Brooks
St. v. balcanicus Buturlin u. Här.: Si. v. minor Hume
St. v. unicolor Temminck
Ich hatte beabsichtigt, am Schlusse eine allgemeine Verbrei-
tungskarte für sämtliche Formen einzufügen, aber einmal ist die
Einzelverbreitung in vielen Fällen noch zu wenig genau festge-
stellt und anderseits hätten sich die Druckkosten so sehr vergrößert,
daß dies Mehr in keinem Verhältnis zum Werte der Karte stand;
so sah ich davon ab,
81
s Sturnus vulgaris L.
reise
X
Versuch einer Monographie des Formen!
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(67€ "A ‘SI6T 'T00Z "AON) eyıeH YarU (7
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3. Heft
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blaugrün Untertonbis | grünlich Beinen decken blaugrün blaugrün Halsseite bronzefarben | Pis kupfern | stark grünl.
fast rein grün RER HR 5 n.d. Brustzu
= V.- violebt- x 1 ya» |viol.-bläulich ee | A
bronzegrün BR: = 5 violebtrot | viol.-rötl.m. violettrot od. er 23 violettrot
porphyro- |ohn.viol.rot. ln LIED b.violettblau,| starkem on ilanerietn schw. violebb en ee m, wechselnd bronze-
notus Sh. |Glanz bisrein Hlauertin Soc Bar 1 “| selten grün- | grünlich Tananeren =) mit grünem oleniror seaiktien stark. Bronze- rötlich
violettrot > een blau gelbem Glanz| ;- i Unterton = schimmer
rot bis bläul. Bronzeglanz
26) Hier nur Charakteristika; genaues s. Text; Grund für Nichtaufführung mehrerer Formen s, Text, granti, faröensis zellandieus, purpurascens in der Hauptsache
nur-Größendifferenzen, Färbungsverteilung des unicolor s. Text. Färbung der Unterflügeldecken s. Text.
35
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.
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3, Heft
6*
84 RER _ Dr. Adolf von Jordans:
Zusammenfassung.
Nachdem nun die einzelnen Formen des Siurnus vulgaris
behandelt sind, so weit unsere heutige Kenntnis es zuließ, will
ich den ersten Teil der vorliegenden Arbeit mit wenigen zusammen-
tassenden Sätzen beschließen, um im 2. Teil allgemein theoretische
Fragen zu erörtern, die mich seit langem beschäftigen und die
durch diese Bearbeitung eines einzelnen kleinen. Lebensringes
neue Richtungen erfuhren, anderseits aber erst den Ausgangspunkt
und die Veranlassung für viele weitgehende Anschauungen gaben.
Das Vorkommen des Stares ist auf die paläarktische Region
beschränkt. Sein Wohngebiet umfaßt ım Westen die Inselgruppen
der Azoren im Süden, der Faröer im Norden, Nordwest-Arrika bis
zum Rande der Sahara, ganz Europa und Asien (Nord- und Ost-
grenze soweit hier bekannt im einzelnen im Text angegeben) bis
Transbaikalien, die nordwestliche Mongslei, Tibet, es überschreitet
die Himalajagrenze (Nepal) bis ins indische Faunengebiet hinein
(etwa bis zur Höhe Haidarabad-Etawah), geht über den Punjab _
Aighanistan, Balutschistan, Persien, Kleinasien und Mesopotamien
(Südgrenze?) und findet sein Ende in Nordpalästina.
Es läßt sich Vieles für und Vieles gegen die Theorie anführen,
nach der das Entstehungszentrum einer Art dort zu suchen ist, wo
wir heute die reichste Formenbildung sehen; das würde in unserem
Falle etwa das westliche Himalajagebiet (im weiteren Sinne) sein.
Ich nehme zu dieser Frage keine Stellung, da mir beweisende An-
baltspunkte fehlen. Theoretisch vertrete ich den Standpunkt,
daß die oben genannte Anschauung keine Allgemeingültigkeit
hat, sondern daß 'bei den verschiedenen Formenkomplexen (Arten)
die Entstehung und Ausbreitung verschiedene Wege genommen _
hat. Auch hier gilt das Wort: ‚Nicht so oder so, sondern so und
so!“ Die Sucht, die komplizierten Lebensvorgänge auf eine
Formel zu bringen, verleitet immer zu Verallgemeinerungen und
zu Zwangsschlüssen. Es gibt keine Gesetze in den Lebens-
erscheinungen der Tiere, sondern höchstens, wenn meh-
rere oder viele Bildungen parallele Wege gegangen sind,
biologische Regeln.
Die Rassendifferenzierung des Stars findet ihren Ausdruck
in sehr wenigen Merkmalen, in wenigen und geringen Verschie-
bungen des Typus; die Merkmale selbst sind sehr labil. Aus diesem
Umstande resultiert die Schwierigkeit, feste Diagnosen zu geben
und die Unklarheit der meisten Autoren über die Trennung der
einzelnen Rassen, daher auch die Unzahl von Synonyma. Wer sich
dagegen eingehend dem Studium dieses Formenkreises gewidmet
hat, wird bald ein klares Bild vor sich haben, verschwommen nur
an den Stellen, wo mangelndes Material die Zusammenhänge
bzw. Trennungslinien noch nicht sehen läßt.
Die Unterscheidungsmerkmale sind in der Hauptsache be-
. schränkt auf die Maße und die Färbungsverhältnisse. Die Kenn-
EERREIETREN De
TER
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 85
zeichen sind, wenn auch recht labil, so doch wenig kompliziert,
und sobald wir ein einzelnes herausgreifen, untersuchen und durch
die Reihen hindurch vergleichen, so sehen wir es nur in geringem
Ausmaße variieren. Erst durch die Kombination dieser Varianten
entsteht ein ziemlich buntes und zunächst schwer entwirrbar
scheinendes Bild der Rassendifferenzierung. Wie wir gleich sehen
werden, kann man häufig bei der Kenntnis eines Merkmals
(z.B. Art des Kopfglanzes) einer bestimmten Rasse das Aussehen
eines anderen Merkmals mit Sicherheit folgern: es bestehen ‚‚kor-
relative Merkmale‘. Dies ist für folgende Feststellung wichtig: Hat
man aus einer Gegend eine größere Anzahl sicherer Brutvögel,
die uns mit Sicherheit die Variationsbreite dieser Form erkennen
lassen, so können wir mit relativer Sicherheit (abgesehen nur vom
Vorkommen von ‚„Fremdkleidern“) Vögel derselben Gegend als
Zugvögel eliminieren, die in einem Merkmal außerhalb dieser ge-
fundenen Skala stehen, auch wenn sie schon während der Brutzeit
jener ersten Form in deren Wohngebiet erlegt wurden.
Ich will im folgenden nur kurz einige Merkmale besprechen und
beginne mit den Größenverhältnissen:
Die Schnabelmaße (Länge x Wurzelbreite) variieren
innerhalb des gesamten Formenkreises von 22—30 x 6,5—9,5 mm,
also eine Pendelweite von 8 bzw. 3 mm. Die geringste Schnabel-
größe hat die Inselform grantı mit 22—25, die stärkste die Insel-
form faröensis mit 26—30, dagegen besitzt die breiteste Schnabel-
wurzel unicolor mit 8-9,5 die schmalste humii und minor mit
6,5—7,5 mm. Das Verhältnis dieser beiden Indizes zueinander
läßt den Schnabel schlanker oder gedrungener erscheinen. Inner-
halb einer Form variieren dieselben Größen etwa um 4 bezw.
1,5 mm. Nach der Schnabelgröße allein läßt sich kaum eine Form
mit Sicherheit bestimmen, höchstens die beiden, die die Extreme
aufweisen. — Die Länge des Laufs variiert innerhalb des Kreises
von 26-32 mm, also um 6 mm, innerhalb einer Form etwa um
3 mm; die der Mittelzehe von 25—32 mm, innerhalb einer Form
ebenfalls um etwa 3 mm. Die Schwanzlänge schwankt von 59
bis 70 mm, also um 11 mm; auch hier würden sich nur wenige
Einzelexemplare lediglich auf Grund der Schwanzlänge einer
bestimmten Form einreihen lassen. Die Länge der abortiven
Schwinge geht von 11—21 ad. 15,5 —23 iuv., diese genügt zur
Bestimmung von faröensis mit 15 —21 ad. Schließlich die Flügel-
länge innerhalb des Kreises variiert von 116—142, also um 26,
innerhalb einer Form etwa um 8—11 mm (die Maxima und Minima
einiger Formen sind noch nicht gefunden, so daß sich letztere
Zahl noch etwas verschieben wird); auch hiernach lassen sich
nur wenige Formen diagnostizieren, wenn auch eine größere An-
zahl Einzelexemplare, die auf der Minimal- bzw. Maximalkurve
liegen. Aus diesen Gegenüberstellungen ergibt sich, daß der
Formenkreis Sturnus in relativ engen Maßgrenzen liegt, d. h. nur
innerhalb einer geringen Anzahl Millimeter pendelt, daß weiter
3. Heft
"86 Dr. Adolf von Jordans:
seine Einzelformen sich kaum in Bezug auf ein Größenmerkmal
ihrer Rassenzugehörigkeit nach bestimmen lassen, ja sogar nur
wenige nach Kombination sämtlicher Maße, daß ihre Einzelmaße
in noch geringeren Grenzen pendeln, die etwa im Ausmaß die Hälfte
der Gesamtpendelweite des betr. Merkmals beim Kreise ausmachen.
Erst die Kombination ermöglicht große Mannigfaltigkeit selbst
bei enggezogenen Merkmalsgrenzen.
Gehen wir nun über zur Besprechung der verwickelter lie-
genden Färbungsverhältnisse, die noch bedeutend kompli-
ziert werden durch die zwei Komponenten der Pigmentierung
und des auf Struktur beruhenden Farbglanzes. Wie ich bei uni-
color bereits schrieb, ist für das Entstehen des Farbglanzes ein
Minimum — Optimum — Maximum der Pigmentbildung zu unter-
scheiden; ferner ist die Grundlage des Schillerns \(Irisierens bei
gleichbleibender Lichtrichtung) ein schnelles strukturelles Wechseln
der einzelnen Federteile. Hieraus resultieren schon eine Menge
möglicher Kombinationen. Nun zeigt die Untersuchung, daß
diese Änderungen bei denselben Federpartien der Individuen
derselben Rasse eine ziemliche Konstanz aufweisen, aus deren
Größe die jeweilige Variationsbreite der einzelnen Merkmale
der Rasse resultiert. Die Rassenbildung selbst vollzieht sich durch
erbliche geographische Isolierung dieser Konstanzgrößen. — Ich
sprach soeben von dem Wechsel der Struktur als Ursache des Iri-
sierens. Dem Zustandekommen und der Veränderung der Struk-
turfarben kann noch anderes zugrunde liegen, als eine wirkliche
strukturelle Anderung. Jene kann nämlich auch darin bestehen,
daß zwar die Struktur selbst unverändert bleibt, daß aber durch
das Hinzukommen oder Fortfallen bestimmter Pigmentstoffe eben
durch die Struktur eine Veränderung in der Lichtbrechung her-
vorgerufen wird. So konstatierte z. B. Beebe bei seinen Scarda-
fella-Versuchen, daß durch Zunahme von Melanin in dem dunkel-
braunen Pigment ein Bronze- oder Grünschillern bewirkt wird,
am stärksten auf den Flügeldecken und inneren Sekundarien!
So tritt also beim Zustandekommen von Farben, oder Farben-
erscheinungen besser gesagt, noch eine dritte Komponente hinzu;
welche von diesen oder wie viele die jeweilige Wirkung hervorrutt,
ist in jedem einzelnen Falle zu untersuchen. Beebe fand ferner,
daß je dunkler eine Skardafella in Laufe seiner Züchtungsexperi-
mente wurde, desto mehr schillerte sie, das dunkelste von ihm
untersuchte Stück am lebhaftesten. Obschon ähnliche Bedingungen,
so folgt auch in diesem Punkte Sturnus anderen, eigenen Regeln. —
Das Star-Pigment selbst, wie wir es an dem mittleren Teile
des Kleingefieders und dem größten Teile der Schwingen sehen,
ist dunkelbraun, das sich zu schwarz verdichten oder zu dunkel
bis hellgrau lichten kann, bis es in den uns weiß erscheinenden
Federteilen mehr oder weniger ganz verschwindet. So zeigen ein-
zelne Rassen z. B. ganz helle, andere fast reinschwarze Unterflügel-
decken, deren Pigmentintensität auch je nach Alter schwankt,
PETE BEREIT
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 87
mit breiten oder schmalen, hellen oder weißen Säumen — eine
weitere Kombinationsmöglichkeit darstellend. Nun zu den Struk-
turfarben, die dem Star sein prächtiges buntes Federkleid geben;
. es erscheinen uns hier die reinen Grundfarben blau — rot — gelb.
Alle anderen beim Star vorkommenden Farben (wie ich die Struk-
turfarben hier der Kürze wegen nenne), wie grün mit allen seinen
Schattierungen, blaurot, violett, blau, violettrot, messinggelb,
bronzegelb, bronzegrün, kupfergrün usw. sind sehr einfache
Mischungen aus zwei oder allen drei Grundfarben, einmal etwas
mehr von der einen, das andere mal von der anderen beigefügt,
d. h. wohl bemerkt stets durch minimale Strukturveränderung
hervorgerufen, wie eben auch der eigentliche Metallglanz, der in
seinen mannigfaltigen Nuancen kaum formulierbar ist, nur auf
diesen beruht; also auch hier eine große Variationsmöglichkeit.
Im wesentlichen (nur bei unzcolor bedeutend geringer, wenn auch
hier bestehend) sind nun die einzelnen Variationen auf den ver-
schiedenen Körperregionen bzw. Federpartien getrennt, d. h.
es überwiegt auf diesen stets eine Farbe und nicht nur das, sondern
das Auftreten bestimmter Farben auf einer Region, läßt eine ihr
korrespondierende Farbe auf einer anderen erscheinen; so haben,
um ein Beispiel zu nennen, Stare mit rotem Kopf stets grünen
Rücken und sobald dem Rot des Kopfes grün beigemischt ist,
erscheint auf dem grünen Rücken eine gleichstarke rötliche Bei-
mischung. Abgesehen davon, das nun dieses Auftreten bestimmter
Farben nach Rassen streng. gesondert ist, gibt es auch gelegentlich
innerhalb einer und derselben Rasse eine Phase mit umgekehrter
Farbenverteilung, allerdings nur in Bezug auf eine Region (rot-
köpfige Phase bei grünköpfiger Rasse usw.). — Ganz ähnliche Ver-
hältnisse haben wir übrigens bei den Carabiden und Goldwespen. —
Man kann demnach die Merkmals - Kombinationsmöglichkeit
in dem Formenkreis Sturnus ermessen! Ein Formenkreis, in
festen engen Grenzen geschlossen, besitzt trotzdem eine Fülle von
Möglichkeiten zur Rassenbildung. Dabei können wir nur die An-
lagen feststellen, die durch Realisierung heute in Erscheinung treten,
- und nur, nur auf diesen darf empirische Forschung fußen — alles
weitere ist Phantasie. Durch welche Prozesse die kleinsten struk-
turellen Änderungen hervorgerufen werden, darüber wissen wir
bisher 'nichts. Wie sich aus der Labilität der einzelnen Merkmale
ergibt, ist es leicht möglich, daß auch gelegentlich Nachkommen
reinrassiger Eltern eines oder gar mehrere von ihnen rassenfremd
zur Ausprägung bringen, d. h. so wie es sonst eine andere Rasse
als Kennzeichen besitzt: solche Erscheinungen nennen wir „Fremd-
kleider.“ Diesen liegt kein rassenfremdes Blut zugrunde, wie
den von rassenverschiedenen Eltern abstammenden Mischlingen,
deren Vorkommen in der Hauptsache auf die Grenzgebiete zweier
Nachbarrassen beschränkt ist, wie ich solche im Texte verschie-
dentlich anführte.
Noch weitere Folgerungen ergeben sich: Wodurch die Rassen-
3. Heft
90 Dr. Adolf von Jordans:
bildung hervorgerufen wird, wissen wir nicht; da unser Begriff
der Rasse aber wesentlich beruht auf der Tatsache der geographischen
Isolation, so muß jedenfalls ein irgendwie gearteter Zusammenhang
zwischen diesen beiden Faktoren bestehen; sagen wir, die Rasse
ist ein Produkt oder Spiegelbild der Landschaft. Es können
mit zunehmender Entfernung vom Wohnzentrum zweier Nachbar-
rassen auf die Peripherie dieser beiden Verbreitungsgebiete hin
sich die Individuen dieser Rassen-ähnlicher werden, bis ihre Kenn-
zeichen unmerklich ineinander übergehen; nur dort, wo Rassen
sich nicht gegenseitig berühren, werden Übergangsglieder fehlen. —
Nur dort wo Rassen nachweislich ursprünglich geographisch ge-
trennt in späteren Zeitepochen ihre Gebiete bis zum Zusammen-
schmelzen ausdehnten, hat es Sinn, die hier aus wirklicher Mischung
hervorgegangenen Nachkommen als ‚Mischform“ zu bezeichnen.
Stresemann prägte für erstere Formenreihe die Bezeichnung
„Primäre“, für letztere den Namen ‚‚Sekundäre Formenkette‘“.
Nach ihm bestehen primäre Formenketten nur aus äußerst ge-
ringfügig voneinander verschiedenen Gliedern und alle größeren
Färbungs- usw. Unterschiede werden nur durch Mischformen
(sekundäre Formenketten überbrückt in litt.). Dieser quantitativen
Begriffstrennung kann ich allerdings nicht beistimmen; denn es
ist sehr wohl möglich, daß erst bestehende große Unterschiede
durch nachträglich sich bildende Zwischenglieder einander ge-
nähert werden, ohne daß letztere aus Mischung hervorzugehen
brauchten.
Welche Wege die Rassenbildung gegangen ist, ob von der
Form A aus über B nach C oder von C ausgehend über B nach A,
entzieht sich in der Mehrzahl der Fälle unserer Feststellungs-
möglichkeit. Ob z. B. die Formenbildung balcanicus aus graecus und
diese aus vulgaris und in dazu paralleler Weise nobilior aus cau-
casicus, diese aus jılkowi, diese aus vulgarıs oder ebenso Poltaratskyı
aus vulgaris oder in umgekehrter Folge oder aus ganz anderen
und mehreren Richtungen vor sich gegangen ist, entzieht sich un-
serer Kenntnis; jedenfalls scheinen mir solche ‚„Stammreihen“
nutzlose Bemühungen zu sein, für die eine wie für die andere
lassen sich Gründe anführen, aber erklären bzw. in der Erkenntnis
weiter vordringen, tun wir damit doch nicht. Wohl das eine:
sicher eindeutige paläogeographische Unterlage setzt uns in
den Stand, der Rassenbildung in ihrem zeitlichen Verlauf, d. h.
der Ausbreitung der Rassen zu folgen.
Diese Betrachtungen würden überleiten zu dem Kapitel nomen-
klatorischer Fragen; da dieses aber einen ganz anderen Fragen-
komplex umfaßt, dessen Inhalt zum großen Teil in nicht direktem
Zusammenhange mit der hier versuchten Monographie steht, so
will ich den ersten, den speziellen Teil hiermit schließen und die
Behandlung jenes Fragenkomplexes dem theoretischen Teil vor-
behalten,
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 91
II. Allgemeiner Teil.
Inhalt und Bedeutung der Formenkreislehre.
„Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern;
Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz, aul ein
Heiliges Rätsel.‘‘
‚Das Wahre mit dem Göttlichen identisch, läßt sich niemals
von uns direkt erkennen, wir schauen es nur im Abglanz, im
Beispiel, Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen;
wir werden es gewahr als unbegreifliches Leben, und können
dem Wunsch nicht entsagen, es dennoch zu begreifen.“
Goethe.
Empirie und Idee.
Es ist nie möglich, eine reine Grenze zwischen Eimpirie und
Idee zu ziehen, stets bleibt ein Medialgebiet bestehen, das aufzu-
lösen, d. h. dessen letzten Zusammenhänge nach beiden Seiten hin
zu sehen, dem Autor selbst nicht gelingen wird; ebenso wird dieser
aber von sich sagen, daß sein Standpunkt sich aus Empirie und
Idee nach und nach organisch entwickelte aus den mannigfaltigen
Problemen, die das bis in seine Konsequenzen betriebene Studium
einer Organismengruppe stellte. — Je tiefer er versucht, in ein
zunächst einheitlich scheinendes Problem einzudringen, desto
größer wird die Anzahl der Fragen, die lösungsnotwendig werden,
und je weiter er diesen Fragen nachgeht, desto schwieriger wird
der Lösungsversuch, bis er zu jener letzten Frage kommt, von der
Goethe sagte: ‚Der Begriff des Entstehens ist uns versagt.“
Der Leser der hier folgenden Kapitel wird es vielleicht unbe-
rechtigt finden, wenn ich dieses mit jenen ersten zu einem Ganzen
vereinige, unberechtigt, so weit gehende theoretische Erwägungen
aus dem spärlichen und vielfach nüchternen Tatsachenmaterial
anzustellen. Ich bitte, aus dieser Vereinigung zu ersehen, daß die
Monographie dieser Vogelgruppe nicht ein oberflächlicher Versuch
ist, sondern das Ergebnis mehrjähriger ausschließlicher Beschät-
tigung mit dieser Materie. Erst und nur die Folgerungen, cie aufs
Engste an die Empirie angeschlossen sein müssen, und von denen
der Untersuchende überzeugt sein muß, daß sie ohne Sprung —
soweit das überhaupt möglich ist — gezcgen sind, geben der
Systematik ihre Berechtigung und ihre Bedeutung für das mensch-
liche Denken und Erkennen.
1. Die Beziehungen der Rassen zueinander innerhalk eines Formen-
kreises.
Allgemeiner Begriff des Formenkreises.
Ich bin ein Schüler Kleinschmidts, d. h. ein Vertreter seiner
„Formenkreislehre“. In dem Lebewesen Star sah ich ein will-
kommenes Objekt zur Erforschung des Wesens und der Bedeutung
der (zunächst) niedersten einheitlichen blutsverwandten Kate-
3. Heft
92 | Dr. Adolf von Jordans:
gorie zoologischer Systematik. Eine Definition (im strengen Sinne)
des Formenkreisbegriffs will ich hier noch nicht geben, wohl aber
kurz sagen, was ich in großem Umrisse darunter verstehe. Zu-
grunde liegt eine morphologisch-zoogeographische Anschauung.
Die Glieder der Formenkette sind die Rassen, d. h. die geographi-
schen Vertreter eines wesenseinheitlichen Lebenstypus. Der ‚‚For-
menkreis‘‘ umschließt die uns unterscheidbaren Lebewesen, die
untereinander eine direkte Blutsgemeinschaft verbindet, die sich
äußert in unbegrenzter Fruchtbarkeit untereinander. (Auf das
Problem der Fruchtbarkeit komme ich noch zurück). In diesem
Sinne verstehe ich den Begriff ‚Art‘ (Spezies) oder wie Klein-
schmidt, Kant folgend, sagt ‚Realgattung.‘“ Die ‚Form‘ oder
Subspezies ist ein morphologischer Begriff auf geographischer
Grundlage-Rasse, als genetischer Begrifi. : |
Die Abgrenzung der Formen.
Die in einem bestimmten abgegrenzten Gebiete vorkommenden
Repräsentanten der Art bilden, soweit diese für uns von den
Repräsentanten der gleichen Art eines anderen Gebietes unter-
scheidbar ‚sind, eben die betreffende Form, die als solche durch
die ternäre Benennung gekennzeichnet wird. Die Rasse läßt sich,
sei es nach den Größenverhältnissen (den absoluten wie den rela-
tiven), sei es nach dem Färbungscharakter oder nach noch anderen
Merkmalen genau definieren. Biologische Differenzen dagegen
weisen durchweg auf Artverschiedenheiten hin (es gibt natürlich
eine Reihe ‚Ausnahmen“). — Die Eigentümlichkeiten können
außerordentlich gering sein, ja sie können vielfach nur an Serien
festgestellt werden, aber sie sind in ihren Maxima und Minima
konstant. Wenn z. B. — vorausgesetzt sind natürlich möglichst
umfangreiche Serien, die sich durchweg aus sicheren Brutvögeln
zusammensetzen sollen — ein Individuenkomplex in seinem
Maximum oder Minimum von dem Individnenkomplex eines an-
deren Gebietes verschieden ist, so ist jener eine Form, und die
Verschiedenheit, sei sie auch sehr gering, aber fraglos konstant
rechtfertigt es, ihr einen Namen zu geben, um diese Tatsache fest-
zulegen und die Grundlage zu weiteren Studien zu bilden. Der
Name bedeutet ein Problem oder eine Problemlösung. — Es wird
vielfach auch den medialen Größen ein ausschlaggebender Wert
beigelegt; hierbei ist aber sebr zu berücksichtigen: Um einen
positiven Medialwert festzulegen, sind sehr große Serien not-
wendig, größere als zur Fixierung der Maxima-Minima, die sich
teilweise bei Fixierung derjenigen einiger Rassen für die anderen
zum mindesten annäherungsweise theoretisch berechnen lassen.
Ferner ist zu bedenken, daß der Häufigkeitspunkt nicht unbedingt
in der Mitte der Extrempunkte gelegen sein muß. Es ist natürlich
von Wert, wenn jeder Untersucher auch die Medial — d.h. Mittel-
werte — nach seinem Material angibt, nur ist große Vorsicht
bei der Verwendung dieser Größe geboten.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L._ 9
Individuelle Variationen. Atypische Kleider.
Begriff der biologischen Kontinuität.
Von diesen Formen-Rassen sind streng zu unterscheiden
alle Arten von Varietäten und von individuellen, d. h. bei jeder
Form erscheinenden, man könnte auch sagen ‚krankhaften“
Aberrationen, z. B. Riesen, Zwerge, Albinisten, Melanisten.
Eigens zu behandeln sind ferner die sogen. atypischen Individuen,
au? die ich noch zurückkommen werde. Albinisten und Melanisten
sind wohl immer ohne weiteres als solche kenntlich, dagegen nicht
Riesen und Zwerge, die außerdem noch den Wert von Atypien
besitzen können. Wenn an großem Material die Extreme fest-
gestellt sind, so sind Riesen und Zwerge dadurch zu eruieren,
daß diese außerhalb der kontinuierlichen Größenreihe stehen.
Was ist aber in biologischen Sinne kontinuierlich? Um dies
zu erläutern ein schematisches Beispiel: An einer umfangreichen
Individuenanzahl ist das Minimum der Flügellinge mit 100 mm
gefunden, von hier beginnt die individuelle Variation endigend
mit einer Maximalgröße von 120 mm. Nun zeigt ein neu hinzu-
sekommenes Exemplar 135 mm. T!st dies nun das wirkliche Maxi-
mum? Das muß dann noch größeres Material, daneben auch der
Vergleich der Größen der anderen Rassen entscheiden. Es ergibt
sich bei derselben Rasse nach weiterer Untersuchung kein größeres
Maß als 120; so ist mit größtmöglichster Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, daß bier eine individuelle Riesenausprägung vor-
liegt, die außerhalb der Kontinuität liegt, ergeben sich dagegen
fortlaufende Mittelglieder von mindestens DR: mm Zunahme
(hier können auch kleine Sprünge innerhalb der Reihe vorkommen
nur begründet in der. Unzulänglichkeit des Materials), so folgert
daraus, daß eine kontinuierlic he Reihe von 100 mm Minimum bis
135 mm Maximum besteht. Da ist jeder einzelne Fall sorgsamst
zu untersuchen. Schwieriger liegt das in vielen Fällen bei Fär-
bungsmerkmalen. Damit ist aber diese Frage noch nicht erledigt.
Einer solchen Tatsache kann noch anderes zugrunde legen’
Plutmischung. Nehmen wir an, die Nachbarrasse babe eine Flügel-
länge von 127—137 mm, so kann das obige Individuum von 155
bei sonstigen Merkmalen der erst genannten Form ein Misch-
produkt dieser zwei sein; allerdings dürfte in den meisten Fällen
sonstige Merkmalmischung damit Hand in Hand gehen. Solche
Vermischungserscheinungen sind aber nicht häufig. Entweder
bandelt es sich wohl meist um tatsächliche Riesen bzw. Zwerge
oder um eine noch andere Erscheinung, auf die ich nun einge chen
will. Ich nannte bereits das Vorkommen atypischer Kleider,
Hierunter ist das gelesentliche Auftreten von Individuen zu ver-
stehen, die aus der typischen Ausbildung einer Rasse herauisspringen,
indem sie Merkmale (entweder einzelne oder den Gesamtcharakter)
einer arderen Rasse desselben Formenkreises zeigen. Während
solches Vorkommen bei Nachbarformen die einfachste und daher
3. Heft
34 Dr. Adolf von Jordans:
anzunehmende Erklärung in der Blutmischung findet, ist dasselbe
nicht der Fall bei geographisch weit voneinander getrennten For-
men. Ich fand vin Beispiel bei dem Faröerstar (vergl. diesen).
Das für diese Inselform zunächst typische Charakteristikum ist
die bedeutende Größe der abortiven Schwinge gegenüber allen
anderen Sturnus-Rassen. Nun besaß ein einziger der von mir
untersuchten Bälge von dort eine I. Schwinge in der typischen
Ausbildung (kurz und schmal) der Fesilandsform, infolgedessen
war er auch als ‚‚vulgarıs L.‘“ bezeichnet. Daß dies aber ein en-
demischer Inselvogel ist, ergab sich zweifellos aus der Überein-
stimmung der übrigen Merkmale des Balges mit diesem. Ähnliche
und noch deutlichere führen nicht nur andere Ornithologen an,
sondern sie wurden auch von Forschern auf anderen zool!. Gebieten,
auf denen man Formenkreise unterscheidet, hervorgehoben (z. B.
von Häcker bei Radiolarien, Fries bei Hummeln). Wie sind nun
diese zu erklären? Doch bevor ich diese Frage beantworte, will
ich noch eine andere hergehörige Beobachtung erwähnen: Das
Auftreten mehr oder weniger rotköpfiger Stare in Gebieten, wo
diese sonst „typisch“ grünköpfig sind, während vielfach gleich-
zeitig die östlich anschließende Form durch konstant roten Kopf
gekennzeichnet ist (vulgaris-poltaratskyi, caucasicus-nobilior). Ich
wies darauf hin, daß eine rotköpfige Rasse zu unterscheiden ist
und eine rotköpfige individuelle Variation, ebenso wie Klein-
schmidt z. B. eine Falkenrasse leucogenys und eine gleiche Variation
innerhalb desselben Falkenkreises feststellte; es ließen sich noch
viele ähnliche Beispiele anführen. Auch diese Vorkommnisse
sind auf die gleiche Stufe zu stellen mit den atypischen Kleidern.
In der Ausbildung und dem Auftreten atypischer Merkmale ist
als Ursache die physiologische Einheitlichkeit des Formenkreises
zu erblicken, die durch uns unbekannte Faktoren an verschiedenen
Orten sich die gleiche potentielle Anlage außerhalb der in jener
Gegend typischen Ausbildung realisieren läßt. Beobachten wir
bei Rassen, deren Züsammengehörigkeit uns noch verschlossen
ist, das Auftreten atypischer Merkmale, so ist das ein starker Hin-
weis auf deren Zusammengehörigkeit, die weitere Untersuchung
wertvoll macht. — Hier ist noch eine weitere Schwierigkeit kurz
zu behandeln, nämlich die, einzelne Individuen solcher Rassen zu
fixieren, deren Variationskurven sich teilweise überdecken; na-
mentlich gilt das für sclche Exemplare derartiger Rassen, die außer-
halb der Brutzeit entfernt ihrer Heimat erlegt werden. Heinke
hat in seiner hochbedeutsamen Arbeit über die Heringsrassen be-
rechnet und nachgewiesen — was auf den ersten Blick selbstver-
ständlich, bei genauem Zusehen an Hand von Kurvenzeichnungen
dies aber durchaus nicht ist — daß solche Individuen mit größter
Wahrscheinlichkeit zu der Rasse gehören, die dem Minimum der
Differenz am nächsten steht. Es läßt sich das aber nur zucht-
mäßig eindeutig klarlegen, indem man sieht, zu welchen der beiden
Kurven die Nachkommen solcher Tiere hinneigen. An toten
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 95
Exemplaren ist eine Entscheidung kaum eindeutig möglich, worauf
ich im speziellen Teile des öfteren hingewiesen habe.
Materialgröße.
Aus alle dem ergibt sich mit Eindringlichkeit, wie unzulässig
es ist, eine Form nur nach ganz wenigen oder, wie es geschehen
ist, auf Grund eines einzigen Exemplares zu beschreiben, im all-
gemeinen ebensowenig, nach einem oder ganz wenigen vorliegen-
den Individuen beschriebene Formen zu kritisieren; der eine wie
der andere Fall geschieht gerade von Seiten der Ornithologen
immer wieder und bringt diese leider nicht mit Unrecht in Miß-
kredit bei den Bearbeitern anderer zoologischer Gebiete, ganz ab-
gesehen davon, daß sich jeder dritte Jäger oder Vogelschützler
„Ornithologe‘““ nennt und sogen. ornithologische Zeitschriften auf
einem entsprechenden Niveau stehen; doch das hier nur nebenbei.
Bestimmbarkeit der Rassen (Methodisches). Geographisches- und
Fruchtkarkeitsmoment. Technische Bezeichnung der Rasse (Sub-
spezies — Conspezies).
Zu Anfang sagte ich, daß die ‚Glieder einer Formenkette
die geographischen Repräsentanten eines wesenseinheitlichen Le-
benstypus seien‘. In dieser Formulierung könnte man eine petitio
prinzipii sehen, da ja gerade festzustellen ist, was zu einem Typus
gehört. Zunächst sollte das auch keine strenge Definition sein,
als vielmehr ein methodologisches Prinzip. Es fragt sich nun, wie
erkennen wir die Rassenzugehörigkeit, d. h. Rasseneinheitlichkeit ?
Als Prinzip wurde da aufgestellt: Rassen sind diejenigen morpho-
logisch gleichen Individuenkomplexe, die sich geographisch aus-
schließen, oder umgekehrt ausgedrückt, diejenigen Formen von
Lebewesen, die in denselben geographischen Bezirken nebenein- .
ander leben, ohne sich zu vermischen, gehören verschiedenen
Formenkreisen an — es ist also letzterdings ein Fruchtbarkeits-
problem. Formen die miteinander unbegrenzt (d. h. ohne Minderung
der Fruchtbarkeit) fruchtbar sind, können sich nicht nebeneinander
rein erhalten. Fruchtbarkeit ist der Ausdruck physiologischer
Gleichheit oder doch nahestehender Blutsverwandtschaft (physio-
logischer Affinität). Das scheint auf den ersten Blick eine sichere
und leichte Entscheidungsmöglichkeit zu geben, in Wirklichkeit
tritt da aber eine Fülle neuer Probleme auf. Ich kann hier nur zum
Teil auf diese eingehen, vor allem um zu zeigen, wie kompliziert
einfachst scheinende Naturvorgänge in Wahrheit sind. Wie können
wir zunächst einmal feststellen, ob Formen, die geographisch ge-
trennt sind, untereinander fruchtbar sind? Das einfachste ist
natürlich das Experiment, obschon hier wieder Domestikations-
einflüsse eine besondere Berücksichtigung in der Beurteilung der
Ergebnisse erfordern. In der Ornithologie scheitert diese Mög-
lichkeit meist schon an äußeren Schwierigkeiten. Es sind nun
weitere zwei- Fälle zu beleuchten. Aneinanderstoßende Formen
3. Heft
96 Dr. Adolf von Jordans:
eines Kreises werden an ihren Gen fast immer Bastardierungen
eingehen, außerdem stehen sich solche Formen durchweg mor-
phologisch so nahe und ihre Merkmalskurven (wenigstens wohl
immer in Bezug auf ein Kennzeichen) sind entweder stetige oder
sich teilweise überdeckende, daß dann eine Entscheidung sich
wohl ohne weiteres ergibt. Werden also bei angrenzenden Lebewesen
keine Bastarde gebildet, so ist das als Ausdruck physiologischer
Ungleichheit anzusehen. — Was ich hier sage bezieht sich in erster
Linie nur auf die Verhältnisse bei den Vögeln; bei den Lepido-
pteren z. B. liegen die Dinge ganz anders, auf sie werde ich noch
kurz zurückkommen. — Bei solchen Formen, deren Verbreitungsge-
biete nicht aneinanderstoßen, vielfach durch weite Zwischen-
räume gesondert sind, ist die Feststellung der physiologischen
Gleichwertigkeit auf Analogieschlüsse angewiesen. In den meisten
Fällen wird der Ornithologe nicht im Zweifel sein, ob es sich um
einen oder verschiedene Formenkreise handelt, in einigen aber ist
die Entscheidung schwierig und setzt eingehende Vergleichs-
studien voraus. Nur in ganz seltenen Ausnahmen wird eine wirklich
eindeutige Zuweisung kaum möglich sein.
Die Gesamtheit der blutsverwandten Formen der Rassen
bildet also den Formenkreis, die Realgattung, die ‚natürliche
Art“. Ob man daher die Form ‚‚Conspezies‘ oder ‚Subspezies“
nennt, scheint mir irrelevant. Beide Bezeichnungen sind an und
für sich falsch, denn die betreffende Form ist weder eine „Mit‘-
noch eine ‚Unter“art, sondern die Summe aller zugehörigen
Formen bildet die Art. Ich ziehe es aber vor, den alt eingebür-
gerten Namen Subspezies anzuwenden, statt, wie es logisch richtig
wäre, eine neue Bezeichnung zu gebrauchen; dagegen ist die deutsche
Bezeichnung Form-Rasse begrifflich richtig. Der hier gewonnene
Formenbegriff deckt sich ganz mit dem Begriff der Menschen-
rassen bei der Annahme de: einheitlichen Entstehung des Menschen-
geschlechtes, über die der Anthropologe v. Luschan in einer seiner
neuesten Arbeiten schreibt: „Heute ist die weitaus überwiegende
Majorität aller Fachleute der Überzeugung, daß der Prozeß der
Menschwerdung pur einmal und an einer Stelle erfolgt ist, und
daß alle jetzt lebenden menschlichen Rassen von dieser einen
Urform .abstammen.““
Hier habe ich einiges über die Namengebung einzufügen,
zu deren Wesen und Bedeutung ich bereits im ersten Teile meinen
Standpunkt darlegte; aus dieser Betrachtung werden sich weitere
Fragen entwickeln. Linne bezeichnete die niedersten Kategorien
seines Systems als Art, für die er einen lateinischen Namen prägte
und .diesem die Bezeichnung der Gattung, zu der jene gehört,
vorsetzte. Sein System war eine äußerliche Einteilung der ihm
bekannten Lebewesen, ein „künstliches“. Ob es überhaupt ein
„natürliches“ gibt, bleibt hier dahingestellt. So nannte Linn€ den
europäischen Star Sturnus vulgaris. "Erst neuere Forschung schuf
hier den Begriff der Rasse und setzte für diese einen dritten Namen
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 97
hinzu. Der Formenkreis wird somit ausgedrückt durch den Gat-
tungs- - Artnamen; weshalb ich dies en betone, wird sich ncch
ergeben.
{ Ich will bier eine weitere Frage erörtern, die Stresemann in
seiner Arbeit im ]J. f. ©. 1919 in die Worte faßte: ‚Sollen Subtil-
formen benannt werden?‘ Meiner Meinung nach ist die Frage-
stellung nicht glücklich gewesen, da sie in dieser Form nicht ein-
deutig "gelöst werden kann. Wie überall in der Natur ist jeder
physiologisch einheitliche Lebensring seine eigenen Wege gegangen,
und die Fragen, die uns die Natur stellt, will sie nach dem von ihr
verschieden eingeschlagenen Wege, verschieden beantwortet haben,
wenn wir sie nicht in unsere nur allzu leicht zur Verallgemeinerung
geneigte Gedankenwelt zwingen wollen, womit wir uns von vorn
herein den Weg der uns möglichen Naturerkenntnis verlegen.
Der Begriff Subtilform ist ein lediglich quantitativer, er schwankt
je nach der Ansicht des Forscher. Zu unterscheiden wären hier
schon Färbungs- und Größenmerkmale; für letztere liegt ein ob-
jektiver Maßstab im Bereich der Möglichkeit, für die ersteren kaum.
Ich will nun der Einfachheit halber in großen Zügen Stresemanns
Gedankengang folgen, soweit er an dieser Stelle von Bedeutung ist.
Folgerichtig sich ergebende nomenklatorische Schwierigkeiten
muß man meiner Ansicht nach mit in den Kauf nehmen; die Nomen-
klatur hat sich der Natur zu fügen; eine übermäßig große Schwie-
rigkeit kann ich da auch nicht sehen, denn man braucht ‚‚subtile
Nomenklatur lediglich in "Monographien anzuwenden, während
man in allgemeineren Arbeiten subtile Namen zur Erleichterung
jener‘ hinzufügen kann. Ich gebe da‘ Kleinschmidts Methode
Recht; es fragt sich aber, welche Subtilformen sollen benannt
werden ? Stresemann antwortet — vor ihm vertraten schon andere
Autoren denselben Standpunkt —: „Ein eigener ternärer Name
gebührt nur einer Form, die so gut ausgeprägt ist, daß mindestens
die Hälfte der Individuen von der nächstverwandten, benannten
Form unterscheidbar ist. Bei räumlich gesonderten (z. B. auf
Inseln beschränkten) Formen und Endgliedern einer Formenkette
wird auch ein geringerer Unterschied die ternäre Benennung recht-
fertigen.‘ — Gibt es bei Endgliedern einer Formenkette ‚geringere
Unterschiede“ ?? — Darin stimme ich vollständig zu, und das wird
jeder moderne Ornithologe tun: räumlich gesonderte Individuen-
komplexe sollen auch bei minimalen Differenzen benannt werden
z. B. Sturnus vulgaris porphyronotus — und Sturnus vulgaris
burpurasz :ens — Motacilla flava und simillima usw; ich gehe noch
einen Schritt weiter, indem ich es auch für richtig halte, solche
Formen namentlich zu trennen, die sich nicht unter scheiden lassen,
aber auf größere Strecken durch Formen getrennt werden, die
demselben Formenkreis angehören, d.h. in einzelnen Fällen, über
die gewissenhafte Spezialarbeit entscheidet, nicht immer, durchaus
nicht; wenn ein Forscher dies im einzelnen Falle tut, so soll ihm
daraus eben nicht a priori ein Vorwurf gemacht wer den. Es hat
Archiv für Naturgeschichte 7 3. Heft
1923. A. 3,
Jr
98 Dr. Adolf von Jordans:
aber nur dort Berechtigung, wo durch den Namen gleichzeitig
. angedeutet wird, daß hier weiter liegende theoretische Erwägungen
gegeben sind. — Nun zum ersten Teil der Stresemann’schen Sätze:
die Häufigkeit eines Merkmals bei einer Gruppe soll entscheiden.
Das scheint mir falsch: welches ist die ‚Hälfte der Individuen‘ ?!
Die Hälfte von 20, 50, 100 oder 1000 Exemplaren einer Form, die
gerade ein Beobachter untersucht bei vielleicht 100 oder 1000-
facher Anzahl der lebenden Vögel dieser Form? Nein, ausschlag-
gebend für die Benennung, die doch nur Vorarbeit bedeutet,
scheint mir eingehendste Beschäftigung mit dem betr. Kreise, dem
die fraglichen Vögel angehören. Ein allgemeines Gesetz gibt es
da eben nicht. — Alle Formen sind Bindeglieder, sind Ringe einer
Kette. Wohl sind Mischrassen möglich, bei denen kann stets nur
der einzelne Vogel besonders bezeichnet werden und dafür scheinen
mir die Zeichen >< die besten; aber die Indices 2-3, 3—2, 15
usw. dürften nur bei Zuchtexemplaren benutzt werden, denn in
der freien Natur fehlt die Möglichkeit absoluter Korrektheit
der Anwendung dieses Verhältnisausdruckes, daher bliebe die
Anwendung doch stets persönliches Gutdünken, würde damit
zwecklos!
Variabilität. Pendelweite. Kurvendarstellung
(symmetrische-asymmetrische Kurven).
Unsere Kenntnis der Mannigfaltigkeit der Rassen nimmt mit
fortschreitender Vergrößerung der Beobachtungen und des Sammel-
materials ständig zu. Immer neue Formen werden aufgefunden
und beschrieben, andere eingezogen, die auf irriger Annahme be-
gründet wurden. Es fragt sich nun: wo liegt die Grenze zwischen
zwei Rassen und läßt sich überhaupt immer und wann eine solche
ziehen? Nie ist ein Vogel ganz gleich einem anderen; die Nach-
kommen eines Elternpaares unterscheiden sich voneinander mehr _
oder weniger stark. Es handelt sich zunächst um äußerlich mor-
phologische Unterschiede. Unser Auge sieht auch oft gar keine
Differenzen. (wie vielfach bei Nestjungen), wo die Eltern sehr wohl
ihre Kinder voneinander unterscheiden; sie werden sie ebenso
sicher vielfach an anderen Merkmalen erkennen, als das mensch-
liche Auge es tut. Jene meist geringen Unterschiede, sei es in der
Größe, sei es in der Färbung oder in Strukturverschiedenheiten,
bezeichnen wir als die individuelle Variation der betreffenden
Individuen. Mit zunehmender Individuenzahl nimmt auch (meist)
die individuelle Variation zu; heißt das nun, daß diese unbegrenzt
wird, d. h. wenigstens für uns nicht mehr in ihrer Ausdehnungs-
größe feststellbar? Darwin glaubte an eine unbegrenzte Variabi-
lität der Organismen und hierauf beruht wesentlich seine Lehre.
Daß hier auch eine philosophische Schwierigkeit besteht (es folgt
daraus die Variabilität der Variabilität), soll hier nicht erörtert
werden. Ebenso wie die schließliche Zahl der Individuen einer Art
begrenzt ist, so ist es auch ihre Variabilität; diese liegt sogar in
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L.L 99
recht engen Grenzen eingeschlossen. — Die diese durchbrechenden
Mutationen gehen uns zunächst nichts an. — An großen Serien
läßt sich die Pendelweite der einzelnen Merkmale einer Rasse
feststellen und aus der Kombinierung aller Pendelweiten desselben
Merkmals aller Rassen die individuelle Variation des ganzen For-
menkreises. Hier besteht nun eine nicht unwesentliche Schwierig-
keit: Feststellen lassen sich natürlich nur die realisierten Eigen-
schaften, nicht dagegen die potentiell möglichen, noch nicht reali-
sierten Anlagen. Dies heißt aber mit anderen Worten, daß sich
nur die Variationen, nicht aber die Größe der Variabilität als solche
feststellen läßt; denn wir können ja aus der Summe der beobach-
teten Variationen nicht nachweisen, daß diese nun auch die allein
möglichen sind! Das darf aber nicht zu dem Schlusse verleiten, daß
die Variabilität eine ‚‚allseitige‘, ‚unbegrenzte‘ sei, denn Beob-
achtung und exakte Forschung, d. h. Empirie kann immer nur
einzelne — ob auch zahlreiche — Variationen feststellen, somit ist
ihre Größe für uns stets genau begrenzt, und wie die Empirie
zeigt, liegt sie in relativ engen Grenzen. Hier wollte ich nur
auf dieses Problem hingewiesen haben, an anderer Stelle werde
ich mich noch weiter mit ihm auseinandersetzen.
Durchschnittlich hat sich bisher ergeben, daß die Schwan-
kungen eines einzelnen Merkmals bei allen Rassen eines Kreises
annähernd gleiche Ausdehnung besitzen. ‚Eine Nachbarform
ist nicht die permanente Ausprägung einer einzelnen Varietät,
sondern sie stellt eine Verschiebung des ganzen Variations-
komplexes dar unter Beibehaltung ziemlich gleicher
Pendelweite dieser Variation.‘ (Kleinschmidt, Berajah 1916,
p. 40.) —- Dieser Satz kann m. E. nur eine Regel, kein Ge-
setz bedeuten. Es ist sehr wohl möglich, daß eine Rasse — nament-
lich solche enger Verbreitung — eine geringere Pedelweite zeigt,
als eine andere, die das Spiegelbild einer fest umschriebenen
aber doch im Vergleich zu jener viel (qualitativ) ausgedehnteren
und vielseitigeren Umwelt darstellt. Die Rasse ist ein organisches
Spiegelbild ihrer Heimat, der Landschaft.
Aus auffallenden Differenzen schloß Stresemann die Blutun-
reinheit der betr. Individuenkomplexe, hervorgerufen durch Sum-
mierung der rassenverschiedenen Eltern-Merkmale. In den Be-
ziehungen der Ausbildungsgrade eines oder vieler Merkmale
können nun bei den Rassen ganz verschiedene Verhältnisse herr-
schen. Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen. Die
Form A des Gebietes a besitzt eine Flügellänge von 16—20 cm, die
Form B des angrenzenden Gebietes b eine solche von 22—26 cm,
die Form € des nächsten Gebietes c eine solche von 283—32 cm. usW.;
daneben lebt die Form a eines anderen Kreises mit Flügellänge
16—20 cm, die Form ß des angrenzenden Gebietes von 20—24 cm,
die Form y des nächsten Gebietes mit 24—28 cm, eine dritte
Rasse X eines dritten Kreises bewohnt das erstgenannte Gebiet
und besitzt eine Flügellänge von 16—22 cm, die Form Y des Nach-
7* 3. Heft
ANOB irer Dr. Adolf von Jordans:
barareals eine solche von 18—24, die Form Z des nächsten Gebietes
eine solche von 92-28 cm. Zunächst wollen wir das einfachste
Beispiel erörtern, bei dem angenommen ist, daß die Rassen nur
in diesem einzigen Merkmale divergieren und gleichzeitig ein fort-
laufendes Verbreitungsareal ohne nicht von dem Kreise besiedelte
Zwischengebiete bewohnen. Im ersten Falle zeigen die Formen A,
Fig. I. Diskontinuierliche Kurve.
Fig. IV. Asymmetrische Kurve. Fig. V. Zweigipflige Kurve.
16 42 18 9 20 16 Z1 18 18 20 2 2E 23
B, € eine Reihe, die zwar gleichmäßig an Größe zunehmen, deren
einzelne Variationskurven aber keinerlei Berührungspunkte haben
(vergleiche Kurventafel Fig. T). Rassen solcher Ausprägung werden
in der Natur nur selten vorkommen, setzen wir dagegen an Stelle
des Größenunterschiedes eine Färbungsdifferenz, so ist diese
Ausbildung eine nicht seltene. (Man vergleiche hierzu die Form
des Sturnus vulgaris, balcanicus, caucasicus, porbhyronotus, humiti
usw.) In diesem Falle handelt es sich also um getrennte Rassen,
denen als solchen eigene Rassennamen beizulegen sind. Ob sich
diese Formen geographisch berühren oder durch Zwischengebiete
#
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 101
getrennt sind, ıst irrelevant. —- Betrachten wir jetzt die Formen
a, ß, y. Diese bilden zwar auch eine Reihe mit gleichmäßig zu-
nehmender Größe, aber die Variationskurven berühren sich gerade
in ihren Anfangs- und Endpunkten. (Vergl. Tafel, Fig. IL.) Be-
rühren sich auch deren Verbreitungsareale, so ist es bei einem
verschwindend kleinem Prozentsatz der Fälle (bei 20 und 24 cm)
nicht möglich, die.wenigen Exemplare eine der beiden Rassen zuzu-
teilen, die auf den Anfangspunkten der zweiten und dritten Kurve
stehen. (Diese Schwierigkeit fällt fort, sobald es sich um mehrere
Merkmale handelt.‘ Sind die Formen durch Zwischengebiete ge-
trennt, so ist jene Zugehörigkeit ohne weiteres klar. Auch die
individuenkomplexe, die eine solche fortlaufende Berührungs-
variationskurve zusammensetzen, sind also rassennomenklatorisch
festzulegen.
Nun kommen wir zu dem dritten Fall, dem der Rassen X, Y, Z
(vergl. Tafel F., III). Hier greifen die drei Kurven stark über-
einander, der Anfangspunkt der zweiten und dritten liegt mindestens
unter dem Häufigkeits(K ulminations-)punkte der vorhergehenden.
Es läßt sich in diesem Falle demnach &twa die Hälfte der Gesamt-
Individven nicht der nächstfolgenden Rasse zuteilen. (Von Ex-
perimentalversuchen müssen wir absehen, denn solche wären
zumal in dem notwendigen Umfange undurchiührbar.) Nehmen
wir nun an, die letzt besprochenen drei ‚Rassen‘ bewohnten
ein zusammenhängendes Gebiet, die kurzflügeligsten Individuen
den Westen, die langilügeligsten den Osten. Man könnte aus diesem
ganzen (Gebiete beliebige Bezirke festlegen, und die Messung
deren Bewohner würden in jedem dieser Bezirke eine andere
Kurve ergeben; so ließen sich beliebig viele Kurven darstellen.
Es ist nun ohne weiteres ersichtlich, daß es ein Nonsens ist, be-
liebige Individuenkomplexe herauszugreifen, um sie nomenkla-
torisch festzulegen; man könnte dann folgerichtig beliebig
viele ‚Rassen‘ beschreiben. Es ist ebensowenig angängig,
‘hier Namengebung dem Geschmack des einzelnen Forschers
freizustellen. In den meisten Fällen wird es nun so sein, daß ein
Beobachter an einen bestimmten.in dem gesamten Verbreitungs-
gebiete liegenden Bezirke sammelt, die erbeuteten Vögel von den,
nehmen wir an, geographisch entfernten Punkten gesammelten
und bereits benannten Exemplaren verschieden fand und dieser
„Rasse“ dann — für ihn folgerichtig — einen Namen gibt; erst
später gewahrt man an Material aus dem ganzen Areal, daß es sich
um eine fortlaufende stetige Reihe handelt. Dann ist es nur logisch,
jenen neugeprägten Namen wieder einzuziehen. Um aber über-
haupt die interessante Tatsache der stetigen Reihe und deren
Entwicklungstichtung festzulegen ist es notwendig, die beider-
seitigen Extreme (also Anfangs- und Endglieder der Gesamtkurve)
zu benennen. Oben wandte ich mich gegen den öfters gemachten
Vorschlag, ‚Formen dann nicht zu benennen, wenn mindestens
die Hälfte der Individuen nicht unterscheidbar ist“. Ich muß
3. Heit
102% Dr. Adolf vou Jordans:
dies hier nochmals erläutern, da der Vorschlag sich anscheinend
mit meinen hier gemachten Äußerungen deckt. Ich sagte dort,
daß die ‚Hälfte der Individuen“ völlig abhängig ist von dem
zufällig zur Beobachtung gelangenden. Material; der eine Unter-
sucher könnte jene nach seinem Material mit vollem Recht be-
nennen, der andere würde das Gegenteil feststellen; ob das Materia!
„groß genug‘ ist wird immer von persönlicher Meinung abhängen.
Immerhin könnte man in meinen dort und hier gemachten Aus-
führungen doch einen Widerspruch sehen, aber ganz mit Unrecht:
Es kommt absolut nicht auf die Größe der Übereinstimmungszahl
an (zufällig war es bei meinem Kurvenbeispiel auch etwa die Hälfte),
sondern-auf die Tatsache der Stetigkeit, d. h. teilweisen Über-
deckung der Kurven. Man sollte in solchem Falle auf das Häu-
figkeitsverhältnis der in einem bestimmten Abschnitt festgestellten
Flügellängen-Größen hinweisen, vor allem den Mittelwert fest-
legen, das genügt vollständig für die weitere Verwertung der Er-
gebnisse. In anderen Disziplinen der Zoologie ist man schon lange
zu demselben Standpunkt gelangt, in dem z. B. die Entomologen
stetige ‚Schmetterlingsreihen durch die Anfügnng des Wertes
ne kenntlich machen. — Bisher Sahandale ich den dritten
Fall unter der Voraussetzung der geographischen Einheitlichkeit
des Gebietes; nun ist aber auch der Fall möglich, daß Formen,
durch nicht bewohnte oder besonders von anderen -Vertretern
bevölkerte Zwischenareale getrennt, eine stetige sich überdeckende
Reihe in Bezug auf ein Merkmal bilden. In einem solchen Falle
ist es notwendig, die- Formen jedes einheitlichen Gebietes für sich
zu benennen, da sonst die Übersicht leiden und vor allem der
innere Zusammenhang zu leicht übersehen werden könnte. —
Auch ist die nomenklatorische Trennung selbstverständlich dann
am Platze, wenn zwar in Bezug auf ein Merkmal eine stetige
Reihe gebildet wird, aber die Form außerdem noch in einem oder
weiteren nicht stetigen Kennzeichen differieren, so daß für diese
Differenzen sich dann eine Kurve wie im Fall I oder II ergäbe.
Meine bisher dargelegte Stellungnahme gegenüber der Namenge-
bung solcher Rassen, die eine stetige Reihe bilden und gleichzeitig
ein geographisch zusammenhängendes Gebiet bewohnen, erhält
aber noch eine wichtige Finschränkung. Wenn es sich um Reihen
handelt, die nicht nur in einer Richtung stetig sind, sondern an
bestimmten Punkten oder besser Berühr ungsflächen in mehrere
stetige (oder nicht stetige) Reihen oder Einzelformen divergieren,
so ist es natürlich wichtig, genau den Divergenzpunkt zu wissen
und den an diesen Berührungsflächen liesenden Individuenkom-
plex der stetigen Reihe nomenklatorisch zu trennen. — Auch hier
a theoretisch allgemeingültige, sondern praktisch angewandte
ege
Bisher nahmen wir an, daß die Größenkurven der einzelnen
Rassen symmetrisch verliefen, d.h. daß der Häufigkeitspunkt
die Kurvenmitte bilde. Die folgende Betrachtung leitet über
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturaus vulgaris L. 103
zu dem nächsten Problem, dem der Rassenmischung und deren
Folgen. Wenn durch Beobachtung festgestellt wird, daß bei einem
Material aus einer bestimmten Gegend die Flügellänge 16—24 cm
beträgt, daß aber der Häufigkeitspunkt nicht in der Mitte (also
bei 20 — symmetrische Kurve), sondern bei 7 (asymmetrische
Kurve) liegt, so ist zu untersuchen, wodurch diese Asymmetrie
hervorgerufen wird. (Vergl. Tafel Fig. IV.) Es sind drei Fälle
möglich. Entweder haben wir eine reine Rasse vor uns, die eben
‚zwar große Individuen umtaßt, bei der aber die kleinen die häutig-
sten sind ; derartige Fällesind mir aus der Ornithologie nicht bekannt,
dagegen haben Botaniker verschiedentlich solche Rassen iest-
stellen zu können geglaubt; man könnte darin eine prospektive
Bedeutung in Bszug auf Größenzunahme oder ebenso gut eine
respektive in Bezug au! die Kleinheit schen. Die zweite Möglich-
keit ist die, daß die Asymmetrie nicht der Natur entspricht, son-
dern nur hervorgerufen ist durch ungenügendes Material, es wäre
dann in unserem Beispiele zwar das Maximum der Form gefunden,
nicht aber das Minimum. Natürlich kann die Kurve ebenso asym-
metrisch nach dem maximalen Kurvenende zu sein, dann wäre das
Minimum, nicht aber das Maximum gefunden. Solche Fälle sind
mir bei meinen Untersuchungen des öfteren begegnet; zunehmendes
Material machte dann die Kurve symmetrisch. Einmal kann also
die Materialgröße die Ursache sein, aber auch noch ein anderer
Umstand kann zugrunde liegen; damit komme ich zur Besprechung
der dritten Möglichkeit: Nämlich wir können rassenunreines
Material vor uns haben. Betrachten wir hierzu die Verhältnisse,
die durch die Kurve II dargestellt sind. Wir haben eine Formen-
reihe, die durch die Rassensrößen 16—20, 20—24, 24—28 gekenn-
zeichnet ist: Berührungsrassen; das vorliegende große Material
zeigt Größen von 19—22 .oder 22—25; im ersteren Falle kann
der Kulminationspunkt näher dem minimalen Ende liegen, im
zweiten dem maximalen. Wir haben dann eben Vögel vor uns, die
zwei verschiedenen Rassen (a und P, bezw. ß und y. angehören).
Hier wird die Berücksichtigung des geographischen Momentes
die Lösung bringen.
Hiermit kommen wir zu der wichtigen Frage der Bedeutung der
" Rassenmisehung, ihres Wesens und ihrer Folgen. Doch vordem
möchte ich noch eine weitere Möglichkeit des Kurvenverlaufs er-
wähnen, die auch eine Folge von Blutmischung sein soll. Die Kurve
kann nämlich auch zwei Kulminationspunkte zeigen (vergleiche
Tafel, Fig. V.). Wodurch wird dies hervorgerufen? An und für sich
wäre es ja auch theoretisch denkbar, daß bei reinen Rassen ein
Merkmal zwei verschiedene Häufigkeitsgrade besäße, ein solcher
Fall ist mir aber aus keinem zoologischen Gebiete bekannt. Es
ist aber denkbar, daß infolge Rassenmischung neben asymmetrischen
auch zweigipflige Kurven entstehen können. Nehmen wir z. B.
an, daß eine Rasse mit 16—20 cm Flügellänge sich bastardiert
mit einer solchen von 24—28 cm, so wäre es möglich, daß der
3. Heft
104 ö Dr. Adolf von Jordans:
größere Prozentsatz der Nachkommen nach dem Minimum der
kleineren Rasse neigt, dann würde ein Kulminationspunkt nach
diesem Minimum hin auftreten, während der der heimischen größeren
Rasse nur wenig verschoben wird. Eine doppelgipfelige Varia-
tionskurve stellt Kleinschmidt in seiner Nucifraga-Monographie
fest bei der Alpenform des Tannenhähers, die er durch das Zurück-
bleiben einzelner nordischer Vögel in den Alpen, wohin letztere
auf ihrer gelegentlichen Wanderung vordrangen, und die sich dann
mit der endemischen Rasse kreuzten, erklärte. Dies ist immerhin.
ein seltener Extremfall, indem eine Rasse auf ihrer Wanderung
das Gebiet einer anderen demselben Kreise angehörenden seden-
tären berührt. Zweigipfligkeit würde auf Blutmischung in geringer
Stärke hindeuten, wenn tatsächlich in der Natur (d. h. hier bei den
Vögeln) zweigipflige Kurven vorkommen und diese nicht auf
methodischen Darstellungs-Fehlern beruhen, was mir einstweilen
zum mindesten noch möglich scheint.
Wir besprachen bisher einige Folgeerscheinungen der Rassen-
mischung überhaupt. In diesem Kapitel hier behandele ich nun
die Bedeutung der gegenseitigen Rassenmischung innerhalb eines
Formenkreises. Rassen eines und desselben Kreises sind mit-
einander unbegrenzt d. h. unvermindert fruchtbar, der Prülstein
der Einheitlichkeit des Kreises. Ich möchte hier einen kleinen
Seitensprung machen: Die Beobachtungen und umfangreichen
Züchtungsexperimente der Lepidopterologen scheinen zu einem
anderen Resultate auf ihrem Gebiete zu führen. Bei Schmetter-
lingen scheint festgestellt zu sein, daß einander nahestehende
geographische Rassen ihre Fruchtbarkeit in der F,® Generation
stark einbüßen oder gar ganz verlieren. Nicht nur geographische
Rassen, sondern sogar saisondimorphe Lepidopteren besitzen
häufig untereinander verschiedenartige Ausbildung der namentlich
männlichen chitinisierten Sexualorgane, die aber trotzdem me-
chanisch die Kopulation nicht zu hindern brauchen infolge der
nachgebenden Weichheit der weiblichen Organe. Züchtungsresultate
sind auch hier nur mit großer Vorsicht zu allgemeinen Schlüssen
auf die Verhältnisse in der Natur zu benutzen. Ferner scheint
mir daraus nur zu folgen, daß der Rassenbegriff, den wir bei den
Vögeln gewonnen haben, bei den Lepidopteren z. B. anders zu
fassen ist, um Identisches auszudrücken. Kehren wir zu den
Vögeln zurück. Wie ich bereits öfters sagte, findet eine wohl
durchgängige Vermischung von Rassen, die aneinander stoßen,
in diesen Berührungszonen statt. Unterscheiden sich diese For-
men nur durch Größenverhältnisse, so ist es in einzelnen Fällen
äußerst schwierig — wie aus der Besprechung hervorgeht — fest-
zustellen, ob tatsächlich Blutmischung oder individuelle Variation
vorliegt; leichter dagegen ist es durchgängig bei Färbungsdiffe-
renzen. Solche Mischlinge erwähnte ich bei der Beschreibung
28) Jch zitiere nachfolgend diese Arbeiten mit den ihnen. hier beigefügten
Zahlen und der Seitenangabe der betr. Stellen,
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E22 20
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Versuch einer Monographie des Formeukreises Sturnus vulgaris L, 105
der Formen Siturnus vulgaris graecus, balcanicus etc.; diese Misch-
produkte haben infolge der dauer nden Blutmischungen keine wei-
tere Bedeutung bei Formen, die ein zusammenhängendes Gebiet
bevölkern. Sie sind nomenklatorisch lediglich durch Mischformeln
in jedem einzelnen Falle zu bezeichnen.
Es ist im nachfolgenden neben weiterer Erörterung letztbe-
handelter Fragen zu untersuchen, ob zwischen Bastardbildung
aneinanderstoßender Rassen und Bastardierung solcher Rassen,
die durch, von keinen zu dem betreffenden Formenkreise gehörigen
bevölkerte Zwischengebiete getrennt sind, ein Unterschied besteht,
und ob sich daraus besondere Folgerungen ergeben. Hier erwähne
ich an erster Stelle folgende Arbeiten Stresemann’s: 1.2) Sitta
curopaca homeyeri eine reine Rasse oder eine Mischrasse“, ver-
öffentlicht in den Verhandlungen der Ornith. Ges. i. Bayern XIV.
Hierss1l..1919;,2. „Zur Frage der Entstehung neuer Arten durch,
Kreuzung“ Jaarbericht No. 9, 1919, van den Club van Nederland '-
sche Vogelkundigen“; 3. „Über die Formen der Gruppe Aegi-
thalus caudatus und ihre Kreuzungen“; 4. „‚Über die europäisc nn
Gimpel‘, Beiträge zur Zoogeographie der palaearktischen Region
Heft I, 1919; 5. ‚Die europäischen Mattkopfmeisen‘“. Strese-
mann und Sachtleben, Verhandlungen Ornith. Ges. Bayern XIV.
Heft III, 1920. — Eingehende, überaus fleißige Untersuchungen,
auf schönes Material gestützt, ließen den Verfasser zu seinen
Resultaten kommen. Er unterscheidet: Reine (bomozygote) Rassen,
reine (homozygote) Zwischen- oder Übergangsrassen, und unreine
(heterozygote) Misch- oder Bastardrassen. Was nach ihm unter
„reiner Rasse‘ zu verstehen ist, ist ohne weiteres klar; allerdings
wird auch einer solchen, falls sie in ihrer Verbreitung einer anderen
Rasse desselben Kreises angrenzt, durch Bastardierung einzelner
Individuen oft oder wohl stets ein geringes Quantum rassen-
fremdes Blut zugeführt werden, was aber auf die Rasse als solche
ohne Bedeutung bleibt. Was ist dagegen unter einer Zwischen-
rasse oder Übergangsrasse zu verstehen : ? Stresemann sagt (J. f. O.
1919, p. 292), daß eine Zwischenform eine zwischen zwei benannten
Formen vermittelnde Rasse darstellt. Die Bezeichnung selbst
stammt von Kleinschmidt. Ich bat den Autor noch mal schriftlich
um eine Interpretation, woraufhin er mir schrieb: ‚Unter homo-
zygoten Zwischenformen verstehe ich solche Rassen, welche zwi-
schen zwei benannten Rassen das morphologische Bindeglied dar-
stellen. Es ist lediglich eine Frage nomenklatorischer Priori-
tät, ob eine Rasse mit einem Namen versehen ist oder als un-
benannte Zwischenform ein bescheidenes Dasein fristen muß.
Die Rollen könnten vertauscht sein, wenn das Entdeckerglück es
‚gewollt hätte.‘ Es besteht also kein prinzipieller, sondern nur ein
rein äußerlicher, nomenklatorischer Unterschied zwischen diesen
beiden Bezeichnungen; es gibt eben wesentlich nur ‚‚reine‘ Rassen
und aus Verschmelzung zweier solcher resultierende Mischrassen.
Es fragt sich aber nun, wie steht es mit der Namengebung solcher
3, Helt
106 Dr. Adolf von Jordans:
Zwischenformen? Zu dieser Frage habe ich bereits oben Stellung
genommen, woich über die Benennung oder Nichtbenennung einzel-
ner Glieder innerhalb stetiger Reihen sprach, auch erwähnte ich den
Unterschied primärer u. sekundärer Formenketten nach Stresemann.
——- Übrigens sollten nach Kleinschmidt auch einzelne Glieder stetiger
Reihen benannt werden schon aus praktischen Gründen, da ohne
Namengebung solche bestehende Differenzen oder Eigentümlich-
keiten von den Autoren nicht genügend berücksichtigt, übersehen
oder ignoriert würden; demgegenüber stehe ich auf dem Stand-
punkte, daß solche Untersuchungen zunächst nur in Spezialarbeiten
von wirklicher Bedeutung sind und daß die Autoren, die auf diesem
Gebiete Arbeiten und solche Dinge, die von Vorgängern festgelegt
sind, ignorieren oder übersehen, ruhig selbst ignoriert werden
sollten.
Ich gehe nun zur Besprechung des dritten und letzten Stre-
semannschen Begriffes über, der der ‚„heterozygoten Misch- oder
Bastardrassen“, und damit kommen wir zum Ausgangspunkte
dieser ganzen Problemstellung zurück. Wie schon oft gesagt, findet
bei solchen Formen, deren Wohngebiete aneinanderstoßen, hier
eine Bastardierung mindestens einzelner Individuen statt, die vor
allem bei Formen, deren Rasseneigentümlichkeiten in Färbungs-
differenzen bestehen, schwieriger bei ausschließlichen Größenunter-
schieden, als Bastardprodukte leicht kenntlich sind. Wie wir
weiter unten noch sehen werden, müssen aber solche morpho-
logische Mischprodukte nicht unbedingt das Resultat einer Blut-
mischung sein, sondern der Mischcharakter kann auch auf anderer
Grundlage beruhen. Bastardindividuen werden durch nomen-
klatorisch verabredete Formeln bezeichnet, durch die die größere
Hinneigung zueiner der Elternformen oder auch Mittelstellung zwi-
schen diesen sich ausdrücken läßt (vergleiche hierzu auch Strese-
mann ‚Sollen Subtilformen benannt werden?“ ].f. ©. 1919, p.
291 ff.). Ich muß hier nochmals einen Umstand hervorheben:
Wenn Stresemann eine reine Scheidung zwischen homozygoten
und heterozygoten Rassen vornimmt, so kann er implizite nicht
umhin, einen nennenswerten Einfluß dieser nur in Grenzbezirken
stattfindenden mehr oder minder beschränkten fremdrassigen
(homozygoten) Blutzuführung in die (homozygote) Nachbarrasse
zu leugnen. Nun folgerte Stresemann, auf großes Material sich
stützend, in seinen Monographien der Formenkreise Sitta (1),
Aegıthalos (3) und Pyrrhula (4), daß z. B. Sitta europaea homeyert,
stolzmannı und amurensis, ferner Aegühalos caudatus euwropaeus,
schließlich Pyrrhula pyrrhula germanica Mischformen, Bastard-
rassen seien. Welches sind die Gedankengänge Stresemanns,
die ihn zu diesem Resultate führten? Ich will diesem an dem
Schwanzmeisen-Beispiel nachgehen. In vorglacialer Zeit bewohnte
eine homozygote Schwanzmeisenrasse ganz Europa; durch palä-
ogeographische Verhältnisse (Vereisung, Klimawechsel usw.) wurde
dieses Gebiet zu einem großen Teil für Aegithalos unbewohnbar, die
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 107
einheitliche Rasse wurde auseinandergerissen, der eine Teil zog
sich nach Osten zurück und erlitt hier im Laufe langer Zeiträume
eine morphologische Umformung zu der heutigen homozygoten
Rasse caudatus, der andere Teil rückte nach Westen, bildete sich
hier auch um und zwar zu der heutigen homozygoten Form pyre-
naicus. Die Umbildung aber blieb auf morphologische Differen-
zierung beschränkt, während keine physiologischen Änderungen
sich vollzogen (bei Certhra verlief dieser Prozeß dagegen nach
Stresemann wesentlich anders, doch .gehört dies in ein späteres
Kapitel, wo die Frage der Spaltung eines in verschiedene Formen-
kreise zu behandeln sein wird). Als dann die späteren klimatischen
Verhältnisse sich wieder wandelten und eine Neubesiedelung des
einst verlassenen Gebietes durch Aegıthalos möglich wurde, rückten
die Formen wieder vor, vermischten sich, und in dem neubesiedelten
Gebiete Mitteleuropas entstand hieraus die heterozygote Misch-
rasse europaeus. Nach den Entstehungsgebieten der Formen
caudatus (Westgrenze: Mittelschlesien, Posen, Westpreußen) und
pyrenaicus (Östgrenzgebiete: Frankreich, etwa nördl. nordöstl.
östl. Departs.) hin überwiegt je das Elternblut, das innerhalb
dieser Gebiete rein ist, während in der Zwischenzone (kleiner
Teil Frankreichs, Belgien, Deutschland bis zu seinen östl. Prov.)
alle denkbaren Übergänge leben (auch hier äußerlich mehr oder
weniger reinrassig aussehende Individuen vorkommend, eine Folge
der mendelnden Eigenschaft der einzelnen Charaktere). Eine pa-
rallele Entwicklung (Umformung) machten in anderen Gegenden
Pyrrhula und Sitta durch.
Paläogeographie. Problem der Wanderung.
Hier wären einige Worte über die Bedeutung der Palägeo-
graphie einzuschalten: Wanderungen, wie sie Stresemann u. A. an-
nehmen, bilden die Voraussetzungen dieser ganzen Rassenent-
stehungshypothese, sie sind begründet in der Annahme einer für die
Organismen vitalen Bedeutung der Florenfolge in den glacialen
Epochen. Wir haben eine ganze Reihe Beobachtungen, zum Teil
auch solche, die sich auf rezente Rassenentstehungen beziehen,
die mit Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese rechtgeben. Aber
mit größter Vorsicht soll man ihre Grundlagen untersuchen; so
hat man z. B. als unbezweifelbar angenommen, daß in eigentlichen
tertiär-diluvialem Glacialgebieten während der Vereisung weder
Vögel noch Säugetiere leben konnten; neuerdings hat sich jedoch
mit Wahrscheinlichkeit herausgestellt, daß dicht bei Glacial-
gletschern Wälder, wenn auch anscheinend beschränkten Umfanges,
existierten, wie heute in Süd- und Nord-Amerika sogar auf den
Gletschern selbst Wälder leben. Über die paläogeographischen Ver-
hältnisse und Entwicklungen (s. besonders Glacial-Interglacial-
zeiten!) gehen die Meinungen der ersten Forscher dieses Faches
noch sehr auseinander. Nur größte Zurückhaltung und vor allem
eingehendstes Studium können zu Schlüssen auf die heutige Fauna
3. Heft
108 \ Dr. Adolf von Jordans:
(vor allem die Avifauna!) auf palägeographischer Grundlage be-
rechtigen. Anderseits läßt sich deren große Bedeutung durchaus
nicht in Abrede stellen, im Gegenteil! Wir urteilen zweifellos
in Bezug auf das Wanderungsproblem hauptsächlich nach Ana-
logieschlüssen. Lehnt man den kausalen Zusammenhang zwi-
schen Wanderung und Formentstehung ab (was man viel-
leicht in reinem Kritizismus tun könnte), so verzichten wir damit —
soweit ich heute wenigstens sehe — überhaupt auf die Möglichkeit
der wissenschaftlichen Untersuchung; die Folge wäre der Zwang
der Annahme der Nichtentstehung und damit des „ursprünglichen“
Nebeneinanderlebens der Rassen. Ich stehe auf dem Standpunkt,
daß die Tatsachen eindeutig die Entstehung der Rassen als Folge-
erscheinung der Wanderung beweisen!
Die Theorie Stresemanns (dieser hat die schen bestehende
Theorie auf gen. Spezialfall angewandt) scheint auf den ersten
Blick eine bestechende und bisher manches schwer Verständliche
nun erklärende zu sein. Wenden wir uns nun deren Nachprüfung
zu und suchen wir uns den postulierten Verlauf zu veranschaulichen:
(Ich folge hier zum Teil Stresemanns Beweisführung 1, p. 142 ff.)
Deutschland’ wurde wieder eisfrei. Voraussetzung einer Neu-
besiedelung ist der dazu notwendige Expansionsdrang der Formen.
Besaß diesen nur eine der beiden Rassen, so hätte sich diese das
ganze verlassene Gebiet allmählich allein erobert, und es wäre dann
nur beim Anstoßen an das bereits fremdrassig bewohnte Gebiet
zu gelegentlicher Bastardierung gekommen, wie wir es heute allent-
halben sehen. Es genügt auch nicht die Annahme, daß nur hin
und wieder einzelne Individuen der beiden expandierten, dann
wären diese wohl kaum je bei den großen Entfernungen zusammen-
gestoßen, jedenfalls hätte auch dieser Fall, angenommen, daß er
eintrat, nicht zur völligen Neubesiedelung.des ganzen Gebietes
genügt, da bei der Auswanderung einzelner Stücke diese sich un-
bedingt viel häufiger in der Nähe ihrer Heimatgebiete unterein-
ander gekreuzt hätten, und so wäre das jeweilige Heimatgebiet
ganz allmählich ausgedehnt worden, bis auch hier wieder die homo-
zygoten Gemeinschaften aufeinander getroffen wären, ohne ein
Zwischengebiet heterozygot bevölkern zu können. Es bleibt also
nur die beiderseitige allmähliche Grenzverschiebung der beiden
Rassen gegeneinander zu übrig, die in der eben geschilderten Weise
vonstatten gegangen sein mag. — Bei diesen ganzen Untersuch-
ungen ist es nicht angängig, Parallelen zu ziehen mit den Er-
scheinungen der Völkerwanderungen oder Widersprüche in jenen
und diesen zu konstruieren; denn die Verbreitung der Menschen-
rassen konnte sowohl ganz andere Voraussetzungen haben oder
verlief auch infolge anderer Konkurrenzmittel — Waffen usw. Ehe-
isolation infolge Sprache und Kultus — in wesentlich verschie-
denen Bahnen. — So konnte nun der Fall eintreten, daß homo-
zygote Rassen in ihrem Expansionsdrang, jede für sich einheitliche
Gebiete bevölkernd, schließlich aneinander stießen, sich dann
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 109
hin und wieder mischten — genau wie wir es heute sehen. \vohl
konnte sich die eine der beiden Rassen schneller ausbreiten als
die andere, das Ergebnis war dann nur, daß diese, als sie auf die
langsamer fortschreitende andere Rasse stieß, bereits ein größeres
Areal besaß und festhielt. Ich kann mir bei einer derartigen
Rassenverteilung keine Möglichkeit denken, die die
Grundlage schaffen sollte für das Entstehen einer
Mischrasse über ein Gebiet von vielen hundert Kilo-
metern hin. — Allerdings theoretisch ließen sich drei Fälle
konstruieren: Der erste hätte zur Voraussetzung die Annahme,
daß zwei Rassen sehr stark (quantitativ) und schnell expandierten
und sich übereinander schöben. Zur Entstehung einer Mischrasse
daraus wäre es aber erforderlich, daß diese Individuen sich über-
haupt erst wieder paarten, nachdem sich ihre Gebiete übereinander
geschoben hatten; denn sonst wäre ja eine Durchdringung nicht
mehr möglich gewesen, da auch dann homozygote Rassen zunächst
-aneinander gestoßen wären. An der Tatsache des zunächst An-
einanderstoßens in mehr oder minder weiter geographischer Aus-
dehnung kommen wir kaum vorbei. Man könnte hier als Gegen-
beispiel den Parus plesker anführen; diese Meise scheint zwar
entstanden zu sein durch sporadeweise Expansion von cyanus in
ein von anderer Rasse (coceruleus) bereits bewohntes Gebiet
und aus der Mischung mit diesen an verschiedenen Orten, sie breitete
sich dann weiter aus, aber heute scheint sie in jenen Gegenden
wieder verschwunden zu sein, d. h. sie ist in den alten Stamm
‚wieder aufgegangen. Solche vorübergehenden Erscheinungen kön-
nen aber nicht als Widerlegung meiner Annahme en, wie mir
scheint, sondern sie stützen sie im Gegenteil!
Nun ergäbe sich aber auch dann noch die theoretische Mög-
lichkeit eines zweiten Falles der Mischrassenbildung über ein
großes Gebiet hin. (Die Breite der von Sitta-Bastardrassen be-
wohnten Mischzone beträgt nach Stresemann „etwa 400 Km!“
1, p. 147): Im Anschluß an die Expansion, die einen ersten Ab-
schluß al bei der Berührung der beiden Rassen, dringt eine von
beiden weiter in das Gebiet der anderen ein, vermischt sich mit
dieser oder verdrängt diese. Voraussetzung dieser Möglichkeit
‚ist eine stärkere Vitalität der nachdrängenden; verdrängen könnte
sie sie nur, wenn ihre Merkmale völlig dominieren. In diesem Falle
ergäbe sich kein Mischprodukt, sondern nur eine Verkleinerung
des Wohngebietes der zurückgedrängten; außerdem könnten wir
diese Verschiebung heute nicht mehr feststellen. Eine Verdrängung
einer Rasse durch eine andere widerspricht auch der Vorstellung,
die wir uns von der Ausbildung und Entstehung von Rassen machen,
auf die ich noch zu sprechen kommen wer de. Eine nachtr ägliche
Vermischung zweier Formen anderseits, die ıhre W ohngebicte
über weite Strecken bis zur Berührung aneinandergeschoben haben,
kann nicht eine solche rücklaufende Ausdehnung der entstan-
denen Mischrasse nach beiden Seiten in das Wohngebiet der
3. Heft
DU sine
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110 Dr. Adolf von Jordans:
Eliernformen hinein hervorrufen, wie es für die Mischrasse von
Aeeithalos oder Sitta von Stresemann postuliert werden müßte.
Wir sehen selbst bei sehr nahestehenden Rassen (z. B. ‚‚Berührungs-
rassen‘‘ deren Maxima und Minima aneinandergrenzen, Kurve II),
heute höchstens eine Mischzone geringer Ausdehnung, (die Breite
kann abhängig sein von der Lage der Ausgangsgebiete zueinander),
wenn nicht in den meisten Fällen nur ein wechselndes Auftreten
einzelner Bastardgemeinschaften. — Aus dem Gesagten ergibt
sich: Die Bildung einer Bastardrasse ist nur möglich
innerhalb eines engen geographischen Raumes an der
Berührungsgrenze zweier oder mehrerer Rassen. Damit
tällt m. E. Stresemanns Annahme der Bastardnatur solcher Rassen
wie z. B. Sıtta europaea homeyeri, Acgithalos caudatus eurobaeus,
Pyrrhula pyrrhula germanica, die heute große ausgedehnte Wohn-
gebiete innehaben. — Die Möglichkeit zur Bildung von Misch-
rassen ist z. B. dort vorhanden, wo zwei oder mehrere Rassen
an ein Seengebiet kleineren Umfanges stoßen, wenn dieses nach
und nach austrocknet oder das Wasser in anderer Richtung ab-
fließt. Geschieht dieses dort, wo das vorher überschwemmte
Gebiet einen ebenen Boden besitzt, so würden auch hier die ein-
zelnen Rassen der Trockenlegung folgen, bis sie schließlich zu-
sammentreffen; ist der Boden dagegen wellig oder gebirgig, so
entstehen zunächst einzelne Inseln, die vom ursprünglichen Rande
aus besiedelt werden, so daß in diesem Falle ein Über- und Durch-
einandergreifen der Elternrassen möglich oder wahrscheinlich
ist. Dann wird schließlich das Trockengebiet von einer Mischrasse
bevölkert sein. Einen solchen Fall könnten wir bei der Starrasse
ritkowi (vergl. diese) vor uns haben, deren eigentliches Verbrei-
tungsareai das ehemalige Überschwemmungsgebiet des Kaspischen
Meeres darstellt. Ich persönlich glaube aber auch hier an eine
nicht Mischnatur. — Je größer das Neuland, desto schwieriger und
unwahrscheinlicher ein regelloses Durchdringen und Überschieben;
hier werden zunächst Rassen-Berührungsgrenzen entstehen, Gren-
zen natürlich im Sinne von wenig ausgedehnten Flächen.
Bisher besprach ich nur den Fall der Möglichkeit von Bastard-
rassenbildung, wo die Elternrassen zwar durch ein nicht bevöl-
kertes Zwischengebiet getrennte Areale bewohnen, wo aber nach
erfolgter Expansion ein einheitliches Gebiet von den Eltern-
rassen mit der neugebildeten Rasse bewohnt wird. Der dritte Fall
läge dann vor, wenn zwei Formen weit voneinanderliegende
Heimaten haben, die durch weite unbevölkerte Zwischengebiete
getrennt sind oder Inseln bewohnen. Voraussetzung für die Mög-
lichkeit einer Blutmischung ist hier nur dann gegeben, wenn die
eine Rasse wandert, die andere sedentär ist und die erste das
Gebiet der zweiten auf ihrer Wanderung nicht nur berührt,
sondern auch Individuen von ihr hier zurückbleiben und sich
mit der sedentären kreuzen. Solche Fälle wird man mit Recht
als extreme, d. h. seltene bezeichnen können. Ein Beispiel hierfür
a
Versuch einer Monographie des Fermenkreises Sturnus vulgaris L. 111
führte ich oben an in der Alpeniorm des Tannenhähers, in dessen
Gebiet gelegentlich der sporadeweisen Wanderung der sibirischen
Rasse Individuen dieser zurückbleiben und sich kreuzen. We-
nigstens folgerte diese Verhältnisse Kleinschmidt in seiner Nuci-
fraga Monographie aus der Zwe‘gipfligkeit der relicta-Kurve.
Es ist aber die Frage, ob bei (relativ) häufiger Blutzuführung eine
wirkliche Mischform als Ausdruck nivellierenden Ausgleichs ent-
steht, die in einer schließlich symmetrisch (eingipflig) werdenden
Kurve sich verdeutlicht, oder ob die Zweigipfligkeit, also eine
Blutspaltung, bestehen bleibt. Voraussetzung iür ersteres ist
Nichtkonstäanz der Rassenmerkmale, umgekehrt für die zweite
Möglichkeit. Die Frage der Rassenmerkmals-Konstanz werde ich
am Schlusse dieses Abschnittes eigens behandeln. Es dürfte aber
im Falle der Nichtkonstanz hier die Zweigipfligkeit bestehen blei-
ben, da für das Zustandekommen des Gegenteils wohl sicherlich
nicht eine genügend starke Blutmischung von statten gehen wird.
Auch in beiden Fällen würde man einen solchen Individuen-
komplex als echte Bastardrasse bezeichnen können. — Die Ent-
stebung hat aber nichts zu tun mit Stresemanns angenommener
Bastardrassenbildung, wie sich aus den gänzlich verschiedenen
geographischen Verhältnissen ergibt.
Rassenbildung in Inselgebieten.
Die Entstehungsmöglichkeiten von geographischen Formen
in Inselgebieten sind so mannigfaltige, daß ich hier nur einige
theoretische Erwägungen anstellen möchte, zumal da ich bereits
früher einige Beispiele kontinentaler Rassenbildung anführte,
die ebenso für Inselgebiete zutreffen. Stresemann kam zu seinen
Ansichten über die Entstehung und die Bedeutung der Misch-
formen auf Grund seiner Studien der Verhältnisse im malayischen
Archipel, wo der Meeresboden zwischen den einzelnen Inseln sich
nur verhältnismäßig wenig (100—150 m) zu heben braucht, um
aus den heutigen Inseln ein großes zusammenhängendes Land-
gebiet entstehen zu lassen. Ähnlich seien die Verhältnisse in
Eurasien noch ım Pliocän gewesen, komplizierter hier nur durch
größere klimatische Unterschiede. Aus den Rassenverhältnissen
dort schloß er dann auf einen ähnlichen Verlauf hier und kam
so dazu, eine Reihe Formen (aus dem Kreise Aegithalos, Pyrrhula
etc.) als Mischnaturen zu erklären. Mir scheinen aber doch ganz
wesentlich andere Verhältnisse dort und hier geherrscht haben zu
können, die eine solche parallele Erklärung nicht zulassen. Schon
die Glacialverhältnisse sind in ihrer Wirkung auf die Tiere, auf die
Vögel im speziellen, nicht mit denen, wie die klimatischen Verhält-
nisse auf Inselgruppen herrschen, zu indentifizieren! Es handelt
sich in Eurasien (überhaupt auf den Kontinenten) auch um wesent-
lich größere Entfernungen der bewohnten und der nichtbewohnten
Gebiete (z. B. wie sie bei Aegithalos von Stresemann vorausgesetzt
werden) als zwischen denen der malayischen oder anderen Insel-
3. Heft
112 A Dr. Adolf von Jordans:
archipelen. Dies ist, wie wir oben sahen, von ausschlaggebender
Bedeutung. Im einzelnen kann ich auf alle diese Fragen nicht
eingehen. Auch hier (bei Inselgebieten) hängt der Verlauf der
Rassenbildung neben den Entfernungen der erstgetrennten Ge-
biete von der jeweiligen Art des Gebietszusammenschlußes,
von der Verteilung der Verbreitungslage einer oder mehrerer
Rassen desselben Kreises zu dem Neuland hin, und nicht zuletzt
von der biologischen Eigentümlichkeit der Rassen selbst ab. Einige
Anhaltspunkte hierfür gab ich bei meiner Besprechung des mög-
lichen Fntstehungsverlaufs der Starrasse Jitkowi (5. diese). Theo-
retisch ist aber noch folgendes von Wichtigkeit und beansprucht
volles Interesse: Wir können, wenn ein zwischen zwei Formen
liegendes vordem nicht bewohntes oder bewohnbares: Gebiet plötz-
lich für diese besiedelungsfähig wird, a priori niemals etwas bestimm-
tes sagen über das Aussehen der Vögel (sei es eine reine oder eine
gemischte Rasse, die hier neu entsteht, sofern überhaupt eine
Rassenausprägungsänderung eintritt), die dieses Neuland bewohnen
werden. Sie können sowohl mischrassig aussehen (ohne wirklich die
Folge einer Blutmischung zu sein) oder wirkliche Mischnatur besitzen
oder aber sie können auch ein von den Elternrassen ganz verschie-
denes ‚‚neues‘“ Kleid zeigen, das uns ihre genealogische Geschichte
nicht mehr erkennen läßt. Es wohnen nicht selten zwischen sehr
ähnlichen Rassen solche von diesen gänzlich verschiedenen Aus-
sehens. Es bevölkern Gebiete von fast gleichen (für uns!) klima-
tologischen Bedingungen vielfach Rassen sehr differierenden
Aussehens und ebenso umgekehrt Areale verschiedener klimati-
scher Verhältnisse sehr ähnliche Rassen. — Die Bildung von
Rassen ist bedinst durch. Tormenkreiscisene innere
Faktoren, die zur Realisierung gelangen unter bestim-
ten äußeren Bedingungen. Die Umwelt selbst läßt uns
nura posteriori ihre Wirkung aufdie inneren Faktoren
erkennen, ohne daß wir a priori nach erkannter -Wir-
kung auf einen Formenkreis auf die bei einem anderen
schließen könnten.
Gibt es „homozyzote‘‘ Rassen ?
Wie sind nun auf anderem Wege derartige Formen zu eı-
klären, die deutliche morphologische Charaktere von mehreren
ihrer Nachbarrassen in sich vereinigen und außerdem noch die
Eigentümlichkeit besitzen, mit zunehmender Nähe des Grenz-
bezirkes der Nachbarform die Eigentümlichkeiten dieser stärker
zu zeigen als in größerer Entfernung von ihr? Haben wir eine
andere und dabei einfachere Erklärungsmöglichkeit ? Ist vielleicht
schon Stresemanns Grundpostulat irrig oder zum mindesten
nicht eindeutig? Das Grundpostulat des Forschers bildet die Ein-
teilung in homozygote (reine) und heterozygote (unreine) Rassen,
und von diesen ging ich bei meiner Untersuchung hier aus. Homo-
zygotie bedentet: Identität der Erbeinheiten, Heterozygotie Un-
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 113
gleichheit der Erbeinheiten. — Johannsens theoretische und prak-
tische Erblichkeitsforschungen ergaben, daß der Individuenkomplex
eines bestimmten Gebietes die ‚Population‘ oder der ‚Phänotypus‘‘
sich aus verschiedenen Einheitskomplexen, den ‚„Biotypen“ zu-
sammensetzt. Kreuzt man zwei Individuen und dann deren Nach-
kommen stets rein untereinander, sosind diese entweder homozygot
oder heterozygot. Im zweiten Falle (der Heterozygotie) welche durch
die mendelnde Spaltung der Charaktere in F, erkannt wird, gehören
die Eltern zwei verschiedenen Biotypen an. Im anderen Falle ge-
hören beide Eltern demselben Biotypus an, die Nachkommen bilden
einc einheitliche Variationskurve, die den Innbegriff der Realisie-
rungsgrade der Anlagen darstellt. Die Merkmale schwanken um einen
Mittelwert, sie ‚fluktuieren“; die so gewonnene Variationskurve
verändert sich nicht, sie bleibt konstant von Generation zu Gene-
ration; die Schwankungen resultieren aus den jeweiligen Realisie-
rungsstärken der verschiedenen Erbeinheiten, der Gene, d- h. aus
den somatischen Verhältnissen. Untersucht man nun die Nach-
kommen eines anderen homozygoten Individuenpaares derselben
Gegend, das ein Merkmal zeigt, was jener Biotypus nicht aufweist,
so sehen wir hier dasselbe Resultat: eine Konstanz der Merkmale
ım einen Mittelwert fluktuierend. Kreuzt man nun aber die Nach-
kommen dieser beiden homozygoten Biotypen miteinander, so ent-
steht aus deren Vereinigung ein Gemisch, was sich in einer Verän-
derung des Varlationskurvenverlauis verdeutlicht. DieNachkommen
solcher biotypisch verschiedener Eltern sind heterozygot ge-
worden. Nun kann ein Phänotypus aus einer großen Zahl Biotypen
zusammengesetzt sein; durch die Summierung der biotypischen
Variationskurven infolge fortgesetzter Vermischung derselben
resultiert dann die sehr viel größere, bei Mischung aller möglichen
Kreuzungen dann auch konstant gewordene Variationskurve des
Phänotypus, der Population, d. h. der Rasse. (Vergl. Fig. p. 114.) Dar-
ausergibt sich, daß es keine homozygoten Rassen gibt,
wie es Stresemann annimmt; Rassensind heterozygot, und so
sehen wir anf dem Gebiete der Erblichkeitsforschungen des Autors
Grundlagen seiner ‚„Bastardrassenlehre“ als irrig, wie wir oben
sahen, daß sich auch bei der Arinahme der Homozygotie der Rassen
die Entstehung einer Bastardrasse in dem Umfange, wie sie Strese-
mann 2. B. für die mitteleuropäische Schwanzmeise postuliert, nicht
erklären ließ?®).
29) Stresemann, mit dem ich u. a. auch über diesen Abschnitt meiner
Arbeit sprach, sagte mir, nach Johannsen stimme meine Ansicht, aber er
habe die Homozygotie in erweitertem Sinne gemeint. Es ist aber meiner
Auffassung nach nicht zulässig, einen Begriff in irgendwie anderem Sinne
zu verwenden, als wie er von seinem Urheber definiert und damit festgelegt
worden ist, Zum mindesten wäre dann eine genaue Interprätation zu geben,
und dann ist es am Platze, seiner Definition entsprechend ein neues Wort
zu prägen, sonst kann es nur — wie man es ja allenthalben sieht — Miß-
verständnis und Unklarheit geben. — Auch aus inhaltlichen Gründen lie®
ich daher diesen Abschnitt unverändert stehen.
Archiv en g 3, Heft
D ” “
114 er Dr. Adolf von Jordans:
Bedeutung der Heterozygotie der Rassen. — Definition des Formen-
kreisbegriffs.
" . Aus der Heterozygotie der Rassen läßt sich nun ein Problem
der Formenkreislehre aufs schönste auflösen, d. h. auf ihr beruht
das Wesen der Rassenbildung. Ich muß hier ganz kurz darauf
eingehen, wie wir uns etwa das Entstehen von geographischen
Rassen vorzustellen haben, während ich später noch auf den Be-
griff des Entstehens selbst und die Grenzen unserer Erklärungs-
möglichkeit eingehen werde. Das Grundpostulat ist die Fähigkeit
eines Tieres, sich in vitalen Einklang mit seiner Umwelt zu‘setzen.
Große Kurve: Kurve des Phäenotypus.
Kleine Kurven: Kurven der Biotypen.
(Nach Haecker: Allgemeine Vererbungslehre 1911, p. 281)
— Damit soll nicht gesagt sein, daß alle morphologischen Ände-
rungen bei veränderter Umwelt vital sein müßten. — Wir können
zunächst nur die Tatsache feststellen, daß das Tier die Fähigkeit
hat, wenn es am Leben bleiben soll, sich veränderten Lebens-
bedingungen anzupassen, mag das nun äußerlich — morpholo-
gisch — in Erscheinung treten oder sich dieser Prozeß nur inner-
lich — physiologisch — vollziehen; das Tier, das diese Fähigkeit
nicht oder nicht mehr besitzt, wird mit veränderter Umwelt zu
Grunde gehen. Ob wir nun die Annahme zugrunde legen, daß
ein Tier infolge aktiver Veränderungen in eine ihm bis dahin
neue Gegend versetzt wird — bei den Vögeln geschieht dies
wohl ausschließlich durch Wanderung, d. h. langsame stetige Ver-.
größerung der Heimatgebiete oder durch Wanderung und An-
siedlung in einem von seiner Heimat entfernt liegendem Bezirke —
oder ob es durch passive Geschehnisse, die jenseits aktiven Ein-
greifens liegen, in eine veränderte Umwelt gerät, ist gleichgültig.
Letzterer Fall wird dann eintreten, wenn in geologischen Zeit-
räumen klimatologische Veränderungen in dem Heimatgebiete
vor sich gehen. Bei weniger beweglichen Tieren als den Vögeln
werden umweltliche Anderungen diese öfters, d. h. in schnellerer
Reihenfolge treffen, wenigstens treffen können. Es sind auch hier
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 115
zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Entweder sind auch die
neuen Verhältnisse derart, daß die ‚Konstitution des von ihnen
betroffenen Tieres eine Änderung desselben in keiner Richtung
notwendig macht, oder aber es treten solche Veränderungen auf,
auf die das Tier irgendwie reagiert. Diese Reaktionen haben wir
hier ins Auge zu fassen, da eben nur sie eine Umbildung realisieren
lassen. Jede stammeseinheitliche Individuengruppe be-
Sezerzumachst eine fest umsrenzte Anzahl von An-
lagen, deren Summe konstant ist und sich in ihrer Zu-
sammensetzung von dem Anlagenkomplex einer jeden
anderen stammesfremden Individuengruppe unter-
scheidet. Ob unter gewissen Voraussetzungen sich diese Summe
“ verschieben, d. h. verändern kann, das zu untersuchen bleibt
noch einem weiteren Kapitel vorbehalten, das diesem Problem
zu widmen ist, doch geht uns das hier zunächst nichts an. Dies
ist die Definition des Begriffes „Formenkreis“.
Bedeutung des Eigenschaftsbegriffes. — Realisierung von Anlagen.
Rassenbildung.
Jeder einzelne Organismus einer solchen Gruppe besitzt die
Möglichkeit, sämtliche Anlagen des Formenkreises zu reali-
sieren. Die Summe der in jedem Einzelfalle realisierten Anlagen
ist der Gesamtausdruck des uns in die Erscheinung tretenden
Organismus. Da nicht alle Anlagen gleichzeitig bei einem und dem-
selben Individuum realisiert werden können (nebeneinander
potentiell bestehende Eigenschaften widersprechen sich zum Teil:
Grüner Kopf — roter Kopf, Flügellänge 16 — Flügellänge 28 cm),
so ergibt sich aus der Summe der Realisierungsarten vieler ver-
schiedener Individuen die Variationsbreite eines Merkmals. Jedes
Individuum besitzt also realisiert nur einen gewissen Prozent-
satz der Gesamtsumme der realisierbaren Anlagen. Die tatsächliche
Realisierung einer bestimmten Anlage ist die Folge der Wechsel-
wirkung innerer und äußerer Umstände. Ihre Auslösung selbst
ist unserer Erkenntnis (einstweilen ?} verschlossen, wir können nur
das Resultat feststellen. Eine Anlage wird durch Reali-
sierung zur Eigenschaft. Es folgt weiter aus dem Gesagten,
„daß die in der freien Natur vorhandenen Entwicklungsformen
einer Spezies nicht den gesamten Umfang der in ihrer Struktur
liegenden Entwicklungsmöglichkeiten ausmachen müssen‘ (Klebs).
Aus der Kombination der verschiedenen Merkmale ergibt sich
die Mannigfaltigkeit der möglichen Realisierungsarten.
Ich muß hier einem möglichen und nahe liegenden Einwand
begegnen: ‚Wenn jeder Organismus die potentielle Möglichkeit
besäße, sämtliche Anlagen seines Formenkreise zu realisieren, So
müßte man diesempirisch dadurch nachweisen können, daß es dem
Experimentator gelingen müßte, beliebige beim Formenkreis vor-
kommende Eigenschaften bei einem Individuum einer anderen Rasse
desselben Kreises in Erscheinung treten zu lassen, und diese
g*+ 3. Heft
116 ar Dr. Adolf von Jordans:
Möglichkeit werden Sie doch nicht behaupten wollen!“ Theoretisch
behaupte ich die Möglichkeit nicht nur sondern die Gewißheit,
aber die praktische Ausführungsmöglichkeit muß ich allerdings
nicht nur bestreiten, sondern leugnen! Um ein bestimmtes Merk-
mal experimentell hervortreten zu lassen, müßte es möglich sein, den
gesamten historischen Gang nicht nur der betreffenden Rasse, mit
der ich experimentiere, sondern auch der, die das betr. Merkmal
zeigt, nicht nur aufs genaueste zu kennen, sondern ihn auch bis
ins kleinste im Experiment zu wiederholen, dann würde die ge-
wünschte Eigenschaft auftreten! Wenn ich das nicht als notwendig
ansehen wollte, so müßte ich aber zum mindesten sämtliche
Faktoren kennen, die das Auftreten der Merkmale ermöglichen,
beide Möglichkeiten wird wohl niemand behaupten; wollen! Auf
demselben Prinzip beruht nebenbei — eben ohne die notwendige
Kenntnis auf Seiten des Experimentators — das experimentell
erreichte Auftreten von nicht erwarteten ‚Mutationen‘.
Wie wir oben gesehen haben, besitzt jeder Biotypus (d. h.
die Individuen einer im Rahmen des Phaenotypus potentiell
begrenzten Gemeinschaft) eine fest beschränkte Teilsumme der
Gresamteigenschaftssumme des Phaenotypus. Besteht eine
stammeseinheitliche Individuenmasse nur aus einer
Rasse, d.h. hat ein Individuenkomplex keine geographi-
schen Vertreter ausgebildet, so gibt es auch nur einen
Phänotypus; wir. können dann nicht euisvon
einem: Formenkreis sprechen Es gibt eine Menge
solcher, vielfach weit verbreiteter Vogelarten, soweit die
Nichtunterscheidung einzelner Rassen bei ihr nicht in unserer
Unterscheidungsunfähigkeit besteht! Wir müssen annehmen, daß
dies den Urzustand jedes später entwickelten Formenkreises dar-
stellt. Wenn diese heterozygote Art nun, infolge irgendwelcher
innerer oder äußerer Umstände veranlaßt, ihr Heimatgebiet aus-
dehnt — nehmen wir zuerst den Fall des einheitlichen Zusammen-
hanges des alten und des neuen Gebietes an, also ein Überfluten
der Grenze — so wird sie in dem neuen Gebiete entweder genau die
gleichen klimatischen Verhältnisse antreffen, dann ist anzunehmen,
oder wir können jedenfalls den Fall setzen, daß keine Änderungen
in der Realisierung der möglichen Eigenschaften — im Gegensatz
zu den bestehenden — einzutreten gegeben sind. Es wird keine
Rassenbildung sich vollziehen. In den meisten Fällen jedoch
werden die Vordringlinge eine irgendwie andere Umwelt vorfinden,
und zwar werden diese Änderungen mit zunehmender Entfernung
von der Heimat wachsen. Auf diese Änderungen, seien es kli-
matische, oder seien es noch andere, dagegen werden die vor-
dringenden Individuen in den Grenzen, die ihnen ihr Anlage-
komplex genau vorschreibt, vital reagieren, d. h. so, daß sie ihre
Anderungsmöglichkeit in bestmöglichsten Einklang mit ihrer Um-
welt bringen; ist eine Änderung notwendig, die jenseits der Grenze
des ihnen Möglichen liegt, so werden sie bald das Gebiet verlassen
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 117
oder darin zugrunde gehen. So entsteht im ersteren Falle die neue
Rasse. Die dort vorhandenen, realisierten Eigenschaften verschwin-
den, d.h. werden unrealisiert, die dortunrealisierten werden hier reali-
siert. Bei dem angenommenen Falle der topographischen Einheitlich-
keit des alten und neuen Gebietes werden möglicherweise (es kann
auch anders geschehen) die Individuen, die am nächsten der Grenze
bleiben, am wenigsten abgeändert werden müssen, je mehr sie sich
entfernen, desto unterschiedlicher werden sie. Kommen nun,
wie wir es bei Aegıthalos sehen, von zwei Seiten sich zwei Rassen
auf einem bisher nicht bewohnten Zwischengebiete entgegen,
so werden auf jeder Seite die grenznächsten ihren Elternrassen
am ähnlichsten, am reinsten bleiben können, während nach dem
Zentrum zu ihre Abweichung zunehmen wird. Diese Abweichung
kann nun ebensogut (je nach den äußeren Verhältnissen) von beiden
Elternrassen stark sein, wie wir es bei den meisten Rassen sehen,
oder die neue Umwelt veranlaßt bei den beiderseitigen Vordring-
lingen nur eine geringe Abweichung; in beiden Fällen bilden sich
zwei neue Rassen, oder aber drittens die neuen Verhältnisse be-
dingen entweder eine gegenseitig sich entgegenkommende von den
Eltern stark oder schwach divergierende Ausbildung oder eine sich
entgegenkommende, gegenseitig sozusagen ergänzende, nur geringe
Differenzierung, so daß hier eine anscheinende Vermischung der
Elterneigenschaften stattfindet, die die Bildung einer Bastard-
rasse vortäuscht! In den beiden letzten Fällen entsteht nur eine
neue Rasse. Und diesen Fall haben wir vor uns in den Rassen
Aegithalos caudatus europaeus, Sıtta eurobaea homeyeri, Pyrrhula
pyrrhula germanica! Bei der mittelgroßen Pyrrhula germanica ist
das Verständnis der Beziehung Wanderung — Ausprägungsform
der Rassen ohne weiteres gegeben: Das Zusammentreffen der
größeren Elternrassen aus kälterem mit der kleinen aus wärmerem
Heimatgebiete in einem Zwischengebiete, dessen Klima usw. das
Medium jener beiden darstellt. Den von Stresemann angenommenen,
aus seinen Untersuchungen festgestellten größeren Variationsbreiten
der neuen Rassen gegenüber ihren Elternrassen kann ich kein be-
sonderes Gewicht beilegen; ihre Möglichkeit ergibt sich ohne wei.
teres auch bei meinen Ergebnissen. Die größere Varlationsbreite
ist weiter nichts als die größere Zahl der realisierten Eigenschaften,
vielleicht eine Folge der neuen Umwelt und ein Sich-Einstellen
der neuen Rasse in das vitale Gleichgewicht. Ob sie allgemein
besteht in solchen Fällen, scheint mir ungewiß, noch durchaus
nicht bewiesen. — Die Art der Neubildungen hängt auch ferner
ab von der Gestalt der Variationskurve der Elternrassen.
Wesen und Bedeutung der Fremdkleider und Mutationen.
Aus diesem Resultate ergeben sich noch weitere interessante
Folgerungen. Einmal brauchen Individuen aus den Grenzbezirken
zweier Rassen keine wirklichen Mischprodukte zu sein, sondern
sie können nur vorgetäuschte Bastarde sein! Eine Entscheidung
3, Heft
118 z Dr. Adolf von Jordans:
im einzelnen Falle ist kaum möglich. Ferner erklären sich daraus
ohne weiteres die sog., oben bereits erwähnten „Fremdkleider“.
In diesen haben wir nun nichts anderes zu sehen als
eine‘.dem betreffenden Gebiete fremde atypische
Realisierung der allen Individuen desselben Formen-
kreises eignen gleichen Eigenschafts-Realisierbarkeit,
ganz gleich, ob es sog. regressive oder progressive Kleider sind.
Wodurch diese hervorgerufen ist im einzelnen Falle, entzieht sich
unserer Kenntnis. Das Auftreten von Fremdkleidern gibt einen
deutlichen Hinweis auf die Zugehörigkeit der betr. Elternrasse
zu einem Formenkreis, zu dem sie bis dahin vielleicht von uns
noch nicht gerechnet wurde; genaueste Prüfung ist da erforderlich.
„Die Entstehung einer neuen Rasse‘ besteht also
nicht in dem Hinzukommen einer neuen bis dahin der
Art nicht eigenen Anlage, sondern nur in der anders-
artigen Realisierung der vorhandenen Anlagen. —
Außer dieser Neurealisierung auf fremdem Gebiete ist aber auch
noch eine andere Möglichkeit der Rassenneubildung vorhanden.
Gehen Änderungen in der bestehenden Umwelt einer Rasse vor
sich, denen gegenüber die Ausprägung der betr. Rasse nicht mehr
das vitale Gleichgewicht darstellt, oder werden durch innere,
unserer Kenntnis unzugängliche Vorgänge der Rasse eine Mög-
lichkeit der Neukombination solcher Anlagen geschaffen, die einmal
bisher noch nicht auslösbar, realisierbar waren und die gleichzeitig
eine vitale Besserung darstellen, so können auch plötzlich diese
Neukombinationen realisiert werden, die den Tieren ein teilweises
oder gänzlich neues Aussehen aufprägen. Solchgestaltige soge-
nannte ‚„Neu‘bildungen bezeichnete de Vries als „Mutationen“.
Diese Mutationen können, wie gesagt, eine vitale Besserung dar-
stellen oder aber auch nur der Ausfluß irgend welcher innerer.
Auslösungen sein, ohne von vitaler Bedeutung für die betr. Rasse
zu sein. Diese Eigenschaften können erblich sein und gleichzeitig
die bisherige Kombination verdrängen (wie es z. B. bei vielen Fär-
bungsmutationen der Schmetterlinge beobachtet wurde), oder aber
wieder verschwinden. — Diese Fälle sind eine Parallele zu den
Fremdkleidern (s. auch das Vorkommen rotköpfiger Stare im
Gebiete der grünköpfigen) ; der Unterschied besteht nur darin, daß
ein „Fremdkleid“ bereits das typische Kleid einer be-
stehenden Rasse darstellt, während eine „Mutation“
darın besteht, daß diese Kombinierung bis dahin noch
nicht realisiert war.
Wir haben bei der Betrachtung des Verlaufs von Mutationen.
zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Handelt es sich um eine
stammeseinheitliche Individuengruppe, innerhalb deren eine Mu-
tation — auftritt, die keine geographischen Vertreter, d. h. Rassen
ausgebildet hat, so wird, falls weiter diese Gruppe nur ein einheit-
liches Wohngebiet inne hat, eine Umbildung des gesamten Indi-
viduenkomplexes erfolgen (zunächst bleiben allerdings auch reine
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L, 119
Rz Individuen bestehen). Der Descendenztheoretiker wird sagen:
die alte Art ist von einer neuen abgelöst, es ist eine neue Art ent-
standen, der Darwinist würde hinzufügen: durch Selektion, und
beide würden in dieser unter unseren Augen vollzogenen Tatsache
einen schlagenden Beweis ihrer Lehre sehen. Daß dies aber zu Un-
recht geschähe, ergibt sich aus einer einfachen Überlegung: Ist die-
selbe Individuengruppe über einzelne, nicht zusammenhängende
Wohngebiete verteilt, räumlich vielleicht sehr weit getrennt, wie
es bei vielen Arten, die nicht in Rassen differenziert sind, der Fall ist,
so wird nur die Lebensgemeinschaft die Umbildung erfahren,
innerhalb deren die Mutation auftrat, die übrigen werden ihr altes
Aussehen behalten. — Ähnlich liegt der Fall bei den Gruppen,
die sich in Rassen differenziert haben; die eine mutierte wird ein
neues Aussehen erhalten, die anderen unberührten werden bleiben,
wie sie sind. Ich vermag in der Umbildung durch Mutation nichts
anderes zu sehen als eine Neukombination vorhandener, bisher nicht
realisierter Anlagen. ‚Neues‘ ist nicht entstanden, jedentalls sind
wir nicht in der Lage, dies nachzuweisen, und solange haben wir
die nächstliegende ‚einfachere‘ Erklärung anzunehmen. Neues
kann nur entstehen durch Hinzukommen bisher nicht
Vorhandenen. Auf diese Anschauung fundamentaler Bedeutung
habe ich noch zurückzukemmen.
Wertiekeit der Rassen. Quaternäre Nomenklatur?
Hier muß ich einen Abschnitt einfügen, der äußerlich zwar
zunächst in das Gebiet der Nomenklatur gehört, daneben aber
gleichzeitig von Wichtigkeit für die Frage nach dem Verhältnisse der
Formeneines Kreises zueinanderist. Ausdem bisher über den Rassen-
begriff, ferner über die Entstehung der Rassen eines Kreises und
ihrer Beziehungen zueinander Gesagten geht zwingend hervor,
daß die Rassen als solche völlig gleichwertig sind, denn sie haben
als Grundlage einen identen Anlagenkomplex.
Sachtleben (,‚Die geographischen Formen des schwarzköpfigen
Distelfinken“. Archiv f. Naturgeschichte, 84. Jahrg. 1918, Abtlg.
A.6. Heft, Februar 1920, p. 152—153) kam zu dem Schlusse, daß
die grau- und schwarzköpfigen Rassen des Stieglitzes zwar zu einem
Formenkreis gehören, welcher Ansicht ich ganz beipflichte, daß
aber die schwarzköpfigen genetisch einander näher ständen, als
eine Rasse von diesen irgendeiner der grauköpfigen. „Nun zerfällt
aber doch ohne Zweifel3') der Formenkreis Carduelis carduelis
(nicht etwa nur morphologisch, sondern auch genetisch) in zwei
Gruppen, grauköpfige und schwaızköpfige Stieglitze, die sich beide
aus einer (vielleicht grauköpfigen vergl. das Jugendkleid) Urform
entwickelt haben. Der ursprüngliche Stamm hat sich also in zwei
Äste (grauköpfiger und schwarzköpfiger Ast) gegabelt, deren jeder
sich in mehrere Formen verzweigt‘‘ (Sachtleben). — Das ‚ohne
3) Hier und im folgenden: Sperrdruck nicht im Originaltext.
3. Heft
120 5 Dr. Adolf von Jordans:
Zweifel‘ ist für mich in keiner Weise einleuchtend, ebenso ist
hier die genetische Folgerung aus dem morphologischen Zustande
für mich nicht zwingend; entbehrt vielmehr der Grundlage und
scheint mir eine petitio principii. Aus einer ‚„Urform‘ haben die
Formen sich zweifellos ‚entwickelt, aber wir haben vorläufig
(je ?) kaum eine Möglichkeit, das genetische Verhältnis derselben
zueinander zu beweisen, d. h. zu sagen, die eine Form steht der
anderen genetisch näher. Will man aus der Grauköpligkeit
des Jugendkleides überhaupt einen berechtigten Schluß ziehen,
so kann dieser nur dahin lauten, daß die grauköpfigen die ältere
Ausbildung darstellen, aber daraus kann man keineswegs folgern,
daß die schwarzköpfigen aus einer grauköpfigen Rasse sich ab-
zweigten, Anders verhält es sich allerdings bei solchen Formen,
die in Bezug auf ein Merkmalin einer Richtung eine Umformung
zeigen, namentlich wenn diese zusammenfällt mit derselben geo-
graphischen Richtung, also z. B. bei Größenzunahme oder be-
stimmter Färbungsänderung, wie in der Art der Färbungsintensität.
(Sturnus unicoler, falls sardinischer, trennbar). — Sachtleben
folgerte dann weiter aus seiner Hypothese die Notwendigkeit, das
von ihm geschlossene Verhältnis durch Anwendung einer quater-
nären Nomenklatur zu verdeutlichen (vergl. was ich oben über
Nomenklatur schon sagte). Abgesehen von dem theoretischen
Ergebnis meiner Untersuchungen, das diesem Standpunkt unbe-
dingt entgegensteht, fehlt auch, wie ich eben zeigte, (vorläufig?) die
praktische Möglichkeit der Feststellung, ob die verschiedene Fär-
bung nicht lediglich eine Konvergenzerscheinung ist und garnichts
mit rassengeschichtlicher Entwicklung in jenem Sinne zu tun hat.
Wollte man trotz alledem Sachtleben folgen, so bestände die
theoretische Möglichkeit, falls man durch die quaternäre Nemen-
klatur tatsächliche Blutsverhältnisse festlegen will, einer beliebig-
fachen Namenanzahl bei großen Formenkreisen. Es könnten 10
Gruppen bestehen, deren Mitglieder untereinander „sich näher
ständen‘‘, als irgend einer Rasse einer anderen Gruppe! —
Ich gehe hier noch auf eine andere Arbeit ein, deren Auter
auch die Notwendigkeit quaternärer Namengebung postuliert®):
Laubmann, ‚Beiträgezur Kenntnis des Formenkreises Alcedo atthis“
(Archiv für Naturgeschichte, 84. Jahrg. 1918, Abtlg. A, 7. Heft,
ausgegeben im April 1920). Er will die vierfache Benennung nicht
deswegen eingeführt wissen, um sogenannte Subtilformen (= Zwi-
schenformen) „quasi als Subspezies von Subspezies zu kennzeich-
nen“, weshalb z. B. Stresemann jene verwirft, sondern zur äußeren
Verdeutlichung der ‚Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb eines
Formenkreises‘, was er für ‚von hervorragender Bedeutung‘ hält.
Zunächst stehe ich letzterem gegenüber auf anderem Standpunkt;
.?) Auf entomologischem Gebiet vertraten Semenow-Tianschanski, auf
ornithologischem auch Suschkin einen ähnlichen Standpunkt; die von den
Entomologen angewandten kategorialen Definitionen decken sich allerdings
nicht mit denen der Ornithologen.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 191
für mich bedeutet wissenschaftliche Nomenklatur an erster Stelle
internationale Verständigungsmöglichkeit und systematische Orien-
tierungsmöglichkeit, an letzter Stelle auch äußere Kennzeichnung
der näheren Zugehörigkeit eines Lebewesens zu einem anderen;
aber nicht ist der Name dazu da, einen genealogischen Lauf aus-
zudrücken, ganz abgesehen davon, wieweit unsere Kenntnis uns
hierzu überhaupt in den Stand setzt! Für die mutmaßlichen genena-
logischen Zusammenhänge ist der Text da. Doch über diese Mei-
nung liefe sich immerhin streiten. Laubmann schreibt weiter: ‚Eine
solche Möglichkeit — er spricht eben davon, die Verwandtschafts-
beziehungen schon im Namen auszudrücken — würde nicht nur
dem eingeweihten Spezialisten, sondern aiıch einem fernstehenden
Forscher den Überblick ung mein erleichtern.“ Darum schaltei
er in den Formenkreis sine neue Kategorie ein, die er mit dem
Namen ‚„Formengruppe‘‘ belegt, z. B. Formenkreis Alcedo atthıs,
a) Fetmengruppe: Alcedo atthis attns, 1. Form Alcedo atthis althis
ıspida L. b) Formengruppe: Alcedo atthis hispidordes, 1. Form
Alcedo atthis hispidoides hispidoides Lm. usw. Die einzelnen Formen
der Gruppe aithis sind untereinander näher verwandt als mit irgend
einer Form aus der Gruppe hispidoides‘ dies vom Autor postuliert
bzw. angenommen. Dieses Kapitel behandelte ich schon bei der
Kritik von Sachtlebens Stellungnahme gegenüber den Formen von
Carduelis. — Um aber Laubmanns gedachtes Ziel zu erreichen
(nett wird übrigens die Nomenklatur erst noch bei vierfachen
Namen und gleichzeitiger Anwendung der Mischformeln ‚‚mit
welchen dann auch die feinsten Nuancen zoogeographischer Vari-
ation zur Darstellung gebracht werden können“ (Laubmann). Ist
das der Sinn der Nomenklatur ? ?) dürfte sich das mindestens eben-
so auf andere Weise verwirklichen lassen, als durch Anhängung eines
4. Namens. Um dies an einem anderen Beispiel (das der Autor
auch nach seiner Darstellung gibt) zu zeigen, nehmen wir den
Formenkreis Corvus corone L.: =
Formenkreis: Corvus corone L.
a) Corvus corone corone L.
b) Corvus corone orientalis Eversm.
a) Corvus cornix cornix L.
b) Corvus cornix sardonius Rl.
I. Gruppe |
II. Gruppe
Das scheint mir genau ebenso deutlich. Auserdem müssen
diesen Gebieten fremde Forscher ohnehin den Text mit zur Hand
nehmen ım ersten, wie im zweiten Falle. Ich kann in der Anwenduns
einer quaternären Nomenklatur nichts anderes sehen als einmal
eine schon äußere Festlegung einer starken hypothetischen in vielen
Fällen unbewiesenen oder unbeweisbaren Annahme genealogischer
Verhältnisse, ferner eine Verzerrung der Zwecke der Nomenklatur
überhaupt, und nicht zuletzt eine gänzlich überflüssige Über-
lastung mit einem Wust von Namen!
3. Heft
122 Dr. Adolf von Jordans:
These der Konstanz der Rassenmerkmale.
Noch ein weiteres Problem ist zu behandeln: das der Kon-
stanz der Rassenmerkmale. Ich zitiere hierzu eine Reihe
von Sätzen aus Kleinschmidts Falco Peregrinus (Berajah 1916,
p. 41), in denen er sich für seinen Standpunkt der Konstanz auch
auf Kant beruft: ‚Nach den unantastbaren Feststellungen unseres
deutschen Altmeisters Kant ist genau das Gegenteil (der Nicht-
konstanz der Verf.) der Fall. Die Rasse (progenies) hat gerade
darin ihr Wesen, daß sie nicht eine bloße Schminke ist, sondern
daß ihre, durch lange Zeugungen dem Boden und dem Klima
angearteten Eigenschaften beharrlich sind. Es ist für .die Rasse
charakteristisch, daß ihre Merkmale nicht verschwinden,
wenn die Umstände aufhören, die sie hervorgebracht haben!
Virchow nannte dies die Persistenzder Rassenmerkmale....
Die Rassen sind nicht unwesentliche Neubildungen, die die Wissen-
schaft ignorieren darf, sondern uralte Zeugen für die Tatsache,
daß die einzelnen Rassenkomplexe..... selbständige, wenn auch
oft eng benachbarte Wege des Werdens einschlugen.‘‘ — Diese
Ausführungen Kleinschmidts erschienen mir im ersten Augenblick
sonderbar, und ich vermochte sie nicht mit seinen Grundanschau-
ungen in Einklang zu bringen; je weiter ich diese Frage durch-
dachte, um so mehr wuchs mir die Gewißheit, daß hier ein wesent-
licher Widerspruch besteht. Wenn die Rassenmerkmale nicht
verschwinden nach Aufhören der Umstände, die sie hervorgebracht
haben, mit anderen Worten nach einem Wechsel der Umwelt
(sei der Wechsel vom Vogel aus aktiv oder passiv erfolgt), so ist
es schlechterdings nicht möglich, überhaupt eine Rassenneubildung
zu verstehen d. h. danach wäre sie ausgeschlossen. Die Konstanz
der Rassenmerkmale wäre gleichbedeutend mit Un-
veränderlichkeit (Nichtverschiebbarkeit des Variationskom-
plexes) einer Rasse, mit Unmöglichkeit einer Rassen-
neubildung. Die einzelnen Anlagen der Merkmale sind
konstant, wie wir bisher sahen, nicht aber die Merkmale selbst,
d.h. ihre Realisierung. Auf der Verschiedenheit der Einzel-
Realisierungen der konstanten Anlagen-Summe beruht
die Rassenbildung. — Die strenge Beweisführung ruht in den
Händen der Experimentatoren; nur diese können das letzte Wort
hier sprechen. Die theoretische Seite besprach ich soeben in großen
Zügen. Stehen nun die experimentellen Ergebnisse mit diesen
in Einklang? Wie ich bereits betonte, sind solche Experimente
an Vogelrassen aus praktischen Gründen nur Schwer durchzu-
führen. Den einzigen, mir bekannten Experimentalversuch auf
diesem Gebiete stellte der Amerikaner Beebe an (Geographic
varlations in Birds, with Special Reference to the Effects of Humi-
dity. Zoologica. New York Zool. Soc. 1. 1907); auch Allen’s
Untersuchungen gehören zum Teil hierher (‚The heredity of coat
colour in mice.‘“ Proc. Amerc. Acad. Arts. Sci. 1904). Beebe ex-
perimentierte mit der nord- und mittelamerikanischen Taube
7
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulsearis L. 123
Scardafella inca. \\ährend in ihrem eigentlichen Verbreitungs-
gebiete die Variation nicht sehr groß ist, leben in Brasilien, Vene-
zuela und Honduras stark abweichende Formen (brazilensis,
ridgwayi, dialeucor), die durch stärkere Pigmentierung gekenn-
zeichnet sind. ‚Durch Zucht in einer besonders feuchten Atmo-
sphäre gelang es Beebe nun, die inca so zu beeinflussen, daß sie
mit jeder neuen — natürlich oder künstlich erzwungenen — Mauser
immer dunklere Federn bildete, wobei allmählich auch das dunkel-
braune Pigment in ein glänzend irisierendes Bronze oder Grün
übergeht. So gelingt es, die Form inca im Versuche allmählich das
Aussehen der drei anderen Formen annehmen zu lassen, bis schließ-
lich ein Federkleid erreicht wird, das in der Natur nirgends ver-
wirklicht ist“ (Goldschmidt a. a. O.). Eine Rasse realisierte also
durch veränderte Umwelt Eigentümlichkeiten einer anderen,
die vorher bei ihr unrealisiert waren vor unseren Augen. Zwingend
müssen wir daraus annehmen, daß bei Fortbestehen dieser Ver-
änderung der Umwelt die neurealisierten Eigenschaften als solche
bestehen. bleiben, ein Beweis für die Nichtkonstanz realisierter
Rassenmerkmale, letztere im speziellen Falle ausgelöst durch zu-
nehmende atmosphärische Feuchtigkeit. Allen kam zu ähnlichem
Resultate an anderen Vögeln und an Säugetieren und konnte mit
ihrer Hilfe die Färbungsverdunkelung im Norden und Süden Ameri-
kas, im äußersten Süden und Südwesten starke Aufhellung, im
Süden und Südosten mittlere Färbungen ‚‚erklären‘. benso
kennen wir Beispiele von Färbungsänderungen infolge veränderter
Ernährungsbedingungen, z. B. dunkle Färbung der Kanarienvögel
bei Hanffütterung u. a. — Wir haben also zum mindesten einen
Beweis dafür, daß Rassenmerkmale nicht konstant sein müssen.
— Allgemein bekannt sind ja die außerordentlich zahlreichen
‚„ lemperaturversuche‘, die von Standfuß, Frings, Pictet u.a.
an Schmetterlingen angestellt wurden. Hierbei ergab sich, daß
man durch erhöhte oder erniedrigte Temperaturen Schmetter-
lingsrassen stark beeinflussen kann, in der Richtung abzuändern,
daß südliche Rassen bei erniedrigter Temperatur die Färbung ihrer
nordischen Vertreter, die nördlichen Rassen bei erhöhter Temperatur
die Merkmale ihrer südlichen Vertreter annehmen. Auf diese Weise
gewann es, Formen zu erzielen, die man bisher aus der Natur noch
nicht kannte, die man dann später erst auffand. Viele Anhaltspunkte
gewann man so auch für die Richtung der Ausbreitung, die diese
Schmetterlinge eingeschlagen haben. Auf Einzelheiten kann ich
hier nicht eingehen; doch stellte sich die wichtige Tatsache heraus,
daß nicht bei allen Rassen sich eine Änderung hervorrufen ließ, zu-
nächst natürlich vor allem nicht bei solchen, ler en Färbungsmerk-
male durch andere als Temperatureinflüsse hervorgerufen waren
und ferner anscheinend auch vielfach nicht bei solchen, die ein ver-
mutlich hohes Alter besitzen. — Nur Regeln sind hier aufstellungs-
möglich, nicht Gesetze; denn de Formenkreise besitzen
vielfach andersartige Entwicklungstendenzen, andersartige An-
3. Heft
124 i Dr. Adolf von Jordans:
lagen, die sich gegenseitig widersprechen. Jeder Formenkreis
ist seine eigenen Wege gegangen; auch hier heißt es: Nicht so
oder so, sondern so ‘und so! Rassenmerkmale können
anscheinend konstant sein, sie müssen es aber nicht
sein; andernfalls wäre keine Rassenneubildung möglich.
Hiermit will ich meine Untersuchungen und Ergebnisse, so-
weit sie sich auf den Formenkreis als solchen und die Bildung der
Rassen beziehen, abschließen.
Nun wollte ich das Problem des Zusammenhanges der Formen-
‚kreise untereinander erörtern, mit anderen Worten das Problem
der Verwandtschaft. Aber je mehr ich mich in dieses Kapitel ver-
tiefte, um so mehr wuchs mir die Überzeugung, daß dies den Rahmen
meiner Arbeit so ausdehnen würde, daß ich lieber nur eine mehr oder
weniger gedrängte Zusammenstellung der Gedanken geben will,
zu denen mich u. a. die Beschäftigung mit dem Spezialgegen-
stand, von dem ich ausging, in notwendiger Folge führte. Ich be-
halte eine eingehende Auseinandersetzung mit allen diesen Fragen
und Problemen, die in fast alle Zweige menschlichen Wissens
und menschlicher Vorstellung und damit menschlicher Tätigkeit
hineinragen, ja diese zum Teil grundsätzlich bestimmen und aus-
füllen, einer selbständigen Arbeit vor.
2. Beziehungen der Rassen eines Formenkreises zu denen eines
anderen und damit die Beziehungen der Formenkreise zueinander. —
Allgemein-theoretische Bedeutung der Formenkreislehre.
Die oben gewonnene Definition des Formenkreisbegriffes
ist identisch mit dem des Artbegriffs, Formenkreis = ‚,‚Art.“ —
Es liegt in der Natur der Sache die Möglichkeit, daß die Indivi-
duengruppe, die wir heute als eine Form bezeichnen im Verlaufe
weiterer Untersuchung als eine Mehrheit von Formen sich heraus-
stellt, daß also die augenblickliche Unterscheidung nur eine vor-
läufige und approximative sein kann; ebenso sogar, daß wir heute
Individuengruppen zu einem Kreise rechnen, die sich späterhin
als zu verschiedenen Formenkreisen gehörig herausstellen, wie es
z. B. vordem mit unseren beiden Baumläuferarten, mit Sumpf-
und Weidenmeisen u. a. geschah. — Formenkreise können —
und das ist bei weitem die Mehrzahl — völlig verschieden
voneinander sein, sie können sich aber auch außerordentlich
nahe kommen, man denke an die eben genannten, ferner z. B.
an die beiden Haubenlerchenarten cristata und theklae u. a. mehr.
Anderseits können innerhalb eines Kreises Formen anscheinend von
anderen stärker differieren, als letztere voneinander, ein Beispiel
sahen wir an dem sogen. Einfarbstar. Unserem heutigen Den-
ken drängt sich nun unter dem alles umfassenden Abstammungs-
gedanken notwendig die Frage auf, ob im ersteren Falle eine tat-
sächliche nahe genetische s. str. Beziehung vorliegt, d. h. ob diese
einander näher verwandt sind als äußerlich fernerstehende und
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 195
ob man im zweiten Falle die Vorstufe einer artlichen Trennung
zu erblicken hat? |
Einzelne Glieder verschiedener Kreise können sich bastar-
dieren, ebenso wie die Rassen eines Kreises sich untereinander
mischen, aber eben mit dem wesentlichen Unterschiede, daß
Bastarde, wenn zunächst überhaupt fruchtbar, in der Genera-
tionenfolge an Fruchtbarkeit progressiv abnehmen und sie schließ-
lich ganz wieder verlieren, im Gegensatze zu Mischlingen. Die
Nichtminderung der Fortpflanzungsfähigkeit bedeutet ja gerade
ein Kriterium für die Zugehörigkeit zu einem und demselben
Formenkreise. Wenn Nachkommen von Bastardeltern unge-
schmälert fruchtbar bleiben, so ist das ein Beweis dafür, daß
die Eltern bisher irrtümlich als zwei verschiedenen Kreisen an-
gehörig angesehen wurden. Äußere noch so große Ähnlichkeit
genügt also keineswegs a priori, daraus genetische Einheitlichkeit
zu folgern. Das zweite Kriterium genetischer Einheitlichkeit eines
Kreises, mit dem ersten eng verknüpft, war das der geographischen
oder zeitlichen Isolation der Formen. Nur genetisch verschiedene
Individuengruppen können auf demselben Raume gleichzeitig
nebeneinander ihre morphologischen Eigentümlichkeiten bewahren.
Damit kommen wir zu dem zweiten Problem: Es ist aus dem Ge-
sagten evident — eben schon aus Begriffsfolgerung — daß äußere
Ähnlichkeit nicht der Ausdruck genetischer Einheitlichkeit ist;
das sagt aber noch nicht, ob Ähnlichkeit nicht der Ausdruck
direkter genetischer Zusammenhänge sein kann. Warum sollten
nicht z. B. unsere Sumpf- und Weidenmeisen, die beiden Baum-
läufer, die wir heute zwei verschiedenen Formenkreisen zurechnen,
einstmals nur Rassen eines Kreises gewesen sein, die dann geo-
graphisch getrennt wurden, lange isoliert lebten, später wieder
zusammenkamen, ihre physiologische Affinität aber inzwischen
verloren hatten und so nun nebeneinander in demselben Gebiete
sich rein erhalten können ? Als der Beginn eines solchen Divergenz-
prozesses könnte man heute z. B. den Einfarbstar ansehen, der
.bereits stärker von seinen nächst verwandten Rassen getrennt ist,
morphologisch und auch geographisch, als andere des Sturnus-
Kreises von einander ? Artdivergenz, d.h. Spaltung einer Stammes-
art in mehrere Tochterarten, wäre nur möglich durch geographische
Isolation — Moritz Wagners Migrationstheorie durch räumliche
und zeitliche Sonderung. Hier wird man einwenden: nein, auch
Artneuentstehen findet statt im Bezirke einer existierenden Art,
räumlich und zeitlich zusammenfallend, nämlich durch Mutieren.
Ich verweise dem gegenüber aber auf das, was ich im ersten Ab-
schnitt dieses Teiles der vorliegenden Arbeit über die Bedeutung
der Mutationen und Fremdkleider sagte. Hier will ich nur hin-
zufügen, daß viele beobachtete Mutationen zunächst fast das ganze
Gebiet der Ausgangsart oder Rasse bevölkern und diese zurück-
drängen; daß sie aber ebenso nach kürzerer oder längerer .Zeit aus
nicht erkennbaren Ursachen wieder verschwinden; sie sind nie-
3. Heit
126 : Dr. Adolf von Jordans:
mals absolut erblich, sondern nur bedingt. Ich werde nochmals
‘auf sie zurückkommen. Kehren wir zur Artdivergenz mit gleich-
zeitiger Isolation zurück. Der Ausgangspunkt für die Annahme
einer stattgehabten Spaltung bildete das Faktum mehr oder minder
großer Ähnlichkeit der angenommenen Tochterarten. Morpholo-
“ gische Ähnlichkeit sagt nun aber a priori nichts aus über genetische
Zusammenhänge, wenn wir uns eben nicht von vornherein auf
den Boden der Abstammungslehre gestellt haben! Ähnlichkeit
ist ein sehr weiter Begriff und ein sehr unzuverlässiger; eine
sehr große Ähnlichkeit (die allen in derselben Größe erscheint,
hat schon eine geringe Wahrscheinlichkeit; je eingehender sich -
ein Forscher mit demselben Lebewesen beschäftigt hat, desto
stärker werden ihm die Verschiedenheiten auffallen; ich brauche
nur an die Schwierigkeit zu erinnern, die wohl jeder Reisende
erlebt hat, wenn er sich zum erstenmale bei einem fremden Völker-
stamm aufhielt und vergebens versuchte, einzelne Personen be-
stimmt auseinander zu halten oder wieder zu erkennen), eine sehr
große Ähnlichkeit, wie gesagt, verleitet uns nur zu leicht, Unter-
schiede zu übersehen, und welche von diesen Kategorien ist nun
die ausschlaggebende? Das leitet über zu der Frage: welches sind
quantitative, welches qualitative Merkmale? Eine allgemei gültige
Lösung scheint mir unmöglich: Merkmale, die bei einem Le-
bensring quantitativer Natur sind, können bei einem anderen
qualitative Bedeutung haben — anscheinend. Jeder Formenkreis
hat seinen eigenen Werdegang und seine eigenen Bildungsformeln.
Der taxonomische Wert dieser beiden Merkmalskomplexe ist nicht
eindeutig formulierbar. Begrifflich können wir eine Unterscheidung
deduzieren, indem wir sagen: das Vorhandensein qualitativer
Verschiedenheiten schließt unverminderte Fruchtbarkeit aus,
quantitativer dagegen nicht, da sie eben nicht wesentliche (,,Or-
ganisation“) sondern nur von außen hinzugekommene (,,An-
passungs-Merkmale‘“) sind. Aber das bringt uns keinen Schritt
weiter, sondern bedeutet vielmehr einen circulus vitiosus. Ich halte
die Problemstellung für falsch, insofern als alle Merk-.
male ein notwendiger, inhärenter Bestandteil eines
Lebewesens sind. Jene Problemstellung ist erst ein Ergeb-
nis der Abstammungslehre, aus ihr deduziert.
Das ausschlaggebende Moment für die Frage der Artdivergenz
ist und bleibt die Fruchtbarkeit. Was ist Fruchtbarkeit? Eine
Definition erübrigt sich; aber was liegt ihr zu Grunde? Wir können
dies nur so fassen, daß wir sagen (dabei sehe ich von den Verhält-
nissen beim Kulturmenschen ab, da hier andere Momente nament-
lich auch reinpsychische eine bedeutsame Rolle spielen): die Nach-
kommen eines Elternpaares besitzen die Fähigkeit, in der Gene-
rationenfolge in unverminderter Stärke Nachkommen zu erzeugen,
sie bilden eine genetisch ununterbrochene Reihe; wir können
weiter nur soviel” sagen, daß diese Fähigkeit auf identischer An-
lage beruht. Wenn wir nun aus der Übereinstimmung äußerer
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturpus vulgaris L. 1927
Merkmale, aus der Ähnlichkeit — die, wie wir sahen, nichts über ge-
netische Zusammenhänge aussagen kann — trotz nicht vorhandener
Fruchtbarkeit dieser ähnlichen Lebewesen a posteriori schließen,
daß diese in blutsverwandtschaftlichem Verhältnis stehen — also
letztere nur einen gemeinsamen Vorfahren haben —, so verlassen
wir damit völlig den Boden der empirischen Forschung, setzen
uns mit dieser bewußt, einer vorgefaßten Meinung zuliebe, in Wider-
spruch. Wenn man diese Deduktionen als zurecht bestehende
anerkennt, so wird man doch gegen die Folgerungen einen anschei-
nend stichhaltigen Einwand erheben können. Man leugnet, um bei
unserem Beispiele zu bleiben, nicht die Fruchtbarkeit der Sumpf-
und Weidenmeisengruppen, sondern die „sexuelle Affinität“ ist
durch die lange Trennung und die dabei ausgeprägten Eigentüm-
lichkeiten verloren gegangen, an ihre Stelle trat ‚sexuelle Aver-
sion“, so daß sie sich jetzt rein nebeneinander halten können. Sie
wären also sozusagen nur „vorgetäuschte Arten“, und damit
fiele für uns das Fruchtbarkeitsmoment selbst als Erkennungs-
mittel der genetischen Einheitlichkeit oder Verschiedenheit fort.
Dem gegenüber ist folgendes zu sagen. Wir kennen aus der Ge-
fangenschaft genügend Bastarde ähnlicher Eltern, deren Nach-
kommen gar nicht oder minder fruchtbar sind, die sich ebenso
verhalten, als ob ihre Eltern ganz verschiedenen Typen angehörten;
auch hier läßt sich aus der Ähnlichkeit nichts folgern. Die Annahme
„sexueller Aversion‘ ist ein Produkt abstammungstheoretischer
Vorstellung; mit solchen Axiomen läßt sich schließlich alles wahr-
scheinlich machen, oder gar beweisen, nur entbehren sie empi-
rischer Grundlage*). Rassen eines Kreises können stark verschieden
sein, und wenn zufällig diese nach Trennung wieder zusammen-
kämen und sich nebeneinander erhielten, würde niemand auf den
Gedanken kommen, ihnen sexuelle Aversion anzudichten, man
würde sie eben als verschiedene Arten ansehen! Aber weder das
eine noch das andere ist der Fall in der Natur; im ersten Teile
behandelte ich des längeren das Verhalten einheitlicher Rassen
in Bezug auf geographische Verteilung und ihre Neubildung usw.
Morphologische Ähnlichkeiten verleiten unberechtigterweise zu ge-
netischen Verknüpfungsvorstellungen. Zwischen Ähnlichkeit und
Verschiedenheit gibt es alle Übergänge. Zum Problem der Ähnlich-
keit gehört auch das der Mimikry, worauf näher einzugehen mir hier
der Raum verbietet Nur das eine: wenn wir Mimikry feststellen,
so wird damit vielfach auch schon eine Erklärung als gegeben
angesehen, während in Wirklichkeit sie nichts weiter bedeutet als
die Tatsache bestimmter Ähnlichkeiten, ja sogar vielfach vielleicht
nur von Ähnlichkeitsbeziehungen für unser menschliches Auge.
Die bisherigen Auseinandersetzungen, die von dem Schluß
aus der Ähnlichkeit auf genetische Zusammenhänge handelten,
leiten über zu dem großen Problem der Abstammung überhaupt.
Inhalt und Geschichte der Deszendenztheorie sind bekannt: sie
*) Vergleiche pag. 147 unten.
3, Heit
128 : Dr. Adolf von Jordans:
ist im gleichen Maße ein naturwissenschaftliches, wie ein Welt-
anschauungsproblem geworden. Wenn Kant sagt: „Die Natur-
wissenschaft reicht genau so weit, wie die Möglichkeit der Anwen-
dung mathematischer Methoden“, so kann dies nur eine formale
Scheidung bedeuten; denn dieser Satz selbst bedeutet sonst
schon eine Weltanschauung. Jede Wissenschaft hat zum Ziel
eine Bereicherung menschlicher Erkenntnis; die Naturwissen-
schaft kann zu diesem Ziele erst beitragen, wenn sie, zunächst
mittels mathematischer u. a. Methoden vorgegangen, aus den Unter- .
Punkte mit den empirischen Ergebnissen in Widerspruch stehen
dürfen —, in diesem Augenblicke wird aus der Naturwissenschaft
Naturphilosophie — in diesem Sinne hat Kant recht, nicht aber,
wenn er, wie fast die Mehrzahl der heutigen Naturforscher es tun,
damit hätte sagen wollen: Die Natur läßt sich rein mathematisch
fassen, wenn man darüber hinausgeht, setzt man sich mit ihr in
W iderspruch. Naturwissenschaft ohne logische Folgerungen ist
ein inhaltloses, müßiges Beginnen, und in dem Sinne meine ich,
daß sich Naturwissenschaft und Naturphilosophie gar nicht trennen
lassen. Keine Wissenschaft kann sich ohne Begriffe betätigen.
Erst die Begriffe geben dem menschlichen Denken seine Aus-
drucksmöglichkeit.
Der erste Begriff, mit dem die Abstammungslehre arbeitet,
auf dem sie überhaupt beruht, ist der der Verwandtschaft. Was
ist nın Verwandtschaft im Sinne der Deszendenztheorie ? Sie setzt
voraus leibliche Nachkommenschaft von einem Elternpaar und
bedeutet das hierauf beruhende Blutsverhältnis bestimmter Einzel-
individuen zu bestimmten anderen Einzelindividuen; dies Ver-
hältnis drückt den Grad der Verwandtschaft aus. Aus der Bluts-
verwandtschaft resultiert die Ähnlichkeit eines Tieres mit dem
anderen; je größer die Ähnlichkeit, desto näher der Grad der Ver-
wandtschaft. Man schließt also einfach aus der Größe der Über-
einstimmung auf die genetische Entfernung, ohne auch nur einen
Anhaltspunkt dafür zu haben wieviel Generationen die betr. Tier-
individuen auseinander liegen. Dabei wird die Ähnlichkeit aus
äußeren morphologischen oder anatomischen Eigentümlichkeiten
konstruiert. Um den Wert dieser ganzen Methode einmal zu be-
leuchten, folgender Vergleich: Würde man Menschen auswählen,
die irgend eine gleich gerichtete, aber verschieden ausgebildete
Eigentümlichkeit ze, Personen, deren Verwandtschaft bzw.
Nichtverwandtschaft man nicht kennt, so könnte man die schönsten
Reihen zusammenstellen vom normalen bis zum extremen Typ
(z. B. der bekannten physiognomisch eigentümlichen Unterlippe
der männlichen Habsburger); diese stellt man nach stufenweise
fortschreitender Ausprägung in eine Linie, und diese Linie bildet
dann die Genealogie der betr. Menschen, ihren „Stammbaum“,
ohne daß sie, menschlich gesprochen, auch nur im entferntesten
blutsverwandt sind. Genau so, d. h. ohne jede prinzipielle Ver-
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 199
schiedenheit, nur in noch viel krasserer Form konstruieren die Ab-
stammungstheoretiker tierische Stammbäume und halten sie für
den Ausdruck wahrhaft genetischer Generationen. Je ernsthafter
und subtiler die Untersuchungen ganz eng begrenzter Lebens-
gruppen vorgenommen werden, desto klarer sieht man, wie wenig
wir von den inneren Zusammenhängen wissen und aussagen können,
und je populärer und oberflächlicher ganze Tierabteilungen in
vorgefaßten und antropomorphen Gesichtspunkten überschaut
werden, mit desto größerer Bestimmtheit, mit desto unwissen-
schaftlicherer Unfehlbarkeit werden die letzten Zusammenhänge
aufgedeckt und bewiesen! Veranlaßt wurden derartige Speku-
lationen durch die angeblich mit zunehmender Kenntnis der Lebens-
formen der Tiere undPflanzen aufgefundenen sogenannten Übergangs-
formen nicht nur zwischen den niedrigsten Kategorien, den Arten,
sondern bis hoch hinauf zwischen denen von Ordnungen und Klas-
sen. Je mehr man sich bemühte, solche Stammreihen aufzufinden,
desto mehr mußte man der Natur Gewalt antun. Wo man auf der
einen Seite mehr oder minder lückenlose Reihen zusammenstellen
konnte, mußte man bei denselben andere Eigentümlichkeiten —
derselben Tiergruppen — außer acht lassen, deren ebensolche
Aneinanderreihungen ganz andere Linien entstehen ließen. So
sah der eine Forscher die eine Merkmalsgruppe als die qualitative,
die auf Blutsverwandtschaft beruhende, der andere Untersucher
eine andere als solche und jene als nebensächliche Erwerbung im
Individualleben der betr. Organismen an; immer mehr stellt sich
heraus, daß die Tiere nicht linien- sondern flächen- und kubenmäßig
miteinander verknüpft sind; allenthalben ergeben sich Merkmals-
Kreuzpunkte, wenn man überhaupt eine Abstammung annimmt.
Die Deszendenztheorie muß aber notwendig in jeder Art das zeit-
liche Endglied einer linienförmigen Abstammungsfolge sehen,
die nur in einer Richtung mit der nächstverwandten Art verbunden
sein kann, nicht umgekehrt den Brennpunkt eines genetischen
Strahlenbündels. Dieser Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen,
erfand man den Begriff der Konvergenz. Man bezeichnete solche
Merkmale, die bei nach der Abstammungslehre nicht oder doch nur
ganz weit verwandten Formen mehr oder weniger völlig überein-
stimmend auftreten, als konvergente, d. h. nicht auf gemeinsamer
Abstammung beruhende, sondern durch gleiche Lebensbedin-
gungen bei ganz verschiedenen Tieren hervorgerufen; äußerst
kompliziert gebaute Organe sollen nun auf einmal trotz größt-
möglichster Ähnlichkeit nicht der Ausdruck gleicher Abstammung
sein, eben einfach deshalb nicht, weil deren verschiedene Träger
in anderen Merkmalen so völlig differieren, daß man sie unmöglich
in dieselbe genetische Reihe einordnen kann. In dem einen Falle
schließt man aus der Ähnlichkeit die Verwandtschaft, baut daraui
die ganze Theorie auf, im anderen Falle, wo Ähnlichkeiten und Ver-
schiedenheiten in starkem Maße gleichwertig auftreten, schlie®t
man daraus die Nichtverwandtschaft, ganz abgesehen davon, ob
Archiv für Naturgeschichte Ief
1923. A. 3. 9 SET
130 “. & Dr. Adolf von Jordans:
nicht im ersteren Falle neben den Ähnlichkeiten auch Verschieden-
heiten bestehen, welch letztere man aber wegen ihrer geringen
- Quantität als nebensächlich zu bezeichnen beliebt. Dieser Willkür
die Krone aufzusetzen, blieb Haeckel vorbehalten mit seinem
.„biogenetischen Grundgesetz“. Von Gegnern der Deszendenzlehre
wird immer wieder auf das Fehlen von Bindegliedern zwischen
den Gruppen niederer und höchster Kategorien hingewiesen, und
dieser Einwand wird umgekehrt von ihren Anhängern mit dem Hin-
weis zurückgewiesen, daß nur der kleinste Teil der Erdoberfläche
nach Fossilien durchsucht oder auch der größte Teil undurch-
forschbar ist, sonst würde eine Menge solcher Bindeglieder zweifellos
gefunden werden*); für und gegen das eine wie das andere ist viel
gesagt worden und läßt sich viel sagen. Aber die ganze Frage ist
irrelevant; auch noch so viele „„Übergangsformen“ würden nichts
beweisen. Der Grundirrtum der ganzen Abstammungslehre ist
ihr Postulat, aus der Ähnlichkeit auf Blutsverwandtschaft schließen
zu können. — Ich sehe davon ab, hier weitere Gesichtspunkte heran-
zuziehen. Ich halte die Darlegungen für beweisend dafür, daß das
Grundpostulat der- Abstammungslehre willkürlich, niemals em-
pirisch ist und ebensowenig logisch durchführbar ist; nehmen wir
es trotzdem als richtig an, so ist das Glauben aber keine Wissen-
schaft. —
Ich sprach bisher über das Ähnlichkeitsproblem und dessen
Lösungsversuch durch die Deszendenztheorie. Ich versuchte diesen
Lösungsweg ad absurdum zu führen. Es wird zu prüfen sein, ob
eine andere Möglichkeit besteht, diesem und dem Verwandtschafts-
problem näher zu kommen, ob beide auf anderem Wege gelöst
werden können. Doch bevor ich diesen Versuch anstelle, werde
ich noch eine andere Seite der Abstammungslehre beleuchten.
Der Abstammungsbegriff wird gleichgesetzt mit dem der Ent-
wicklung. Dies Wort ist doppeldeutig. Es bedeutet zunächst
den Vorgang des Auseinanderwickelns, des Entfaltens, es bedeutet
zunächst nur eine Aufeinanderfolge von Geschehnissen. Ein
Schmetterling beim Verlassen der Puppenhülle entwickelt, ent-
faltet seine Flügel. Wenn wir dagegen sagen, der Schmetterling
entwickelt sich aus dem Ei oder das Kind entwickelt seine psy-
chischen Fähigkeiten, so meinen wir damit die Tatsache des Fort-
schritts, des Entwickelns vom Einfachen zum Komplizierteren.
Hiermit ist gleichzeitig ein Werturteil verbunden. In diesem
Sinne gebraucht der Abstammungstheoretiker den Begriff Ent-
wicklung für seine Lehre; das ist überhaupt ihr wesentlicher Inhalt.
Die ersten auf der Erde entstandenen Organismen waren die ein-
fachsten, die Entwicklung führte sie zu immer komplizierteren,
höher stehenden, vollkommeneren Formen. Aber ich frage: Ist
denn überhaupt in der Natur ein Werturteil möglich? Kann sich
aus etwas Einfachem etwas Kompliziertes entwickeln im Sinne
*) Man vergleiche den Nachtrag!
’
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 131
des von der Abstammungslehre postulierten genetischen Ge-
schehens? Ich will diese Frage beantworten, indem ich einige
- Sätze aus I. v. Uexkülls ‚Umwelt und Innenwelt der Tiere“ zi-
tiere: ‚Man sah ın der Tierreihe den Beweis für eine stufenweis
ansteigende Vervollkommnung von der einfachsten zur mannig-
fachsten Struktur. Nur vergaß man dabei das eine, daß die Voll-
kommenheit der Struktur gar nicht aus ihrer Mannigfaltigkeit
erschlossen werden kann. Kein Mensch wird behaupten, daß ein
Panzerschiff vollkommener sei als die modernen Ruderboote der
internationalen Ruderklubs; auch würde ein Panzerschiff bei einer
Ruderregatta eine klägliche Rolle spielen. Ebenso würde ein Pferd
die Rolle eines Regenwurms nur sehr unvollkommen ausfüllen. —
Die Frage nach einem höheren oder geringeren Grad von Voll-
kommenheit der Lebewesen kann gestellt werden, wenn man jeden
Bauplan mit seiner Ausführung zusammenhält und prüft, in wel-
chem Fall die Ausführung am gelungensten ist. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß bei dieser Fragestellung die niederen Tiere,
weil sie zu den älteren Geschlechtern gehören, den Preis davon
tragen werden, denn es scheint die Regel zu gelten, je älter die
Familie um so besser die Durcharbeitung.
Man versucht ferner das Vollkommenheitsproblem zu erörtern,
indem man die Bedürfnisse der Organismen mit ihrem Bauplan
vergleicht und fragt, inwieweit entspricht der Bauplan dem Be-
dürfnis. — Das ist auch. die Fragestellung des Darwinismus ge-
wesen. Nur aus ihr heraus erhält die Behauptung, die höheren Tiere
seien die vollkommneren, einen Sinn.
Wenn man nämlich die Bedürfnisse des Menschen als Maß
ansieht, an dem alle Baupläne der Tiere zu messen sind, so sind
natürlich die höheren Tiere die vollkommensten. — Das ist aber
ein zu handgreiflicher Irrtum, um darüber ein Wort zu verlieren. —
Haben wir doch zu Erforschung der Bedürfnisse eines Tieres gar
keine anderen Hilfsmittel zur Hand, als eben seinen Bauplan. —
Er allein gibt uns Aufschluß über die aktive wie passive Rolle,
die das Tier in seiner Umwelt zu spielen berufen ist. — Deshalb
ist die ganze Fragestellung sinnlos. —
Aber selbst die Behauptung, daß die variierenden Individuen
einer Art mehr oder weniger gut ihrer Umwelt angepaßt seien, ist
völlig aus der Luft gegriffen. — Jedes variierende Individuum
ist entsprechend seinem veränderten Bauplan anders, aber gleich
vollkommen seiner Umgebung angepaßt. — Denn der Bauplan
schafft, in weiten Grenzen selbsttätig die Umwelt des Tieres.
Aus der unübersehbaren Mannigfaltigkeit der anorganischen
Welt sucht sich jedes Tier gerade das aus, was zu ihm paßt, d. h.
es schafft sich seine Bedürfnisse selbst entsprechend seiner eigenen
Bauart. — Es gibt keine Entwicklung vom Schlechteren zum Besseren,
vom Unvollkommeneren zum Vollkommeneren. Bereits das Ei ist
vollkommen vollkommen‘. — Ich möchte, um das Paradebeispiel der
Darwinisten für die Vervollkommnung zu benutzen, hinzufügen:
9* 3, Heit
132 Dr. Adolf von Jordans:
Das Pferd in seiner heutigen ‚‚vervollkommneten“ Zehenausbildung
kann dies besser, schneller laufen, als der breittatzige Bär auf seinen
5 Zehen?! j
Derjenige, der der Entwicklungstheorie zum Siege verhalf,
war an erster Stelle Darwin. Die Hauptursache der für eine ur-
sprünglich rein naturwissenschaftliche Hypothese einzig dastehenden
schnellen und allgemeinen Verbreitung, die der Darwinismus auf
allen Gebieten menschlichen Denkens fand und die auch nur in
der Zeit seiner Geburt — und diese war wieder in jener begründet —
möglich war, ist sein innerster Kern: die notwendige Forderung
des Untergangs alles Schwachen, die Entwicklungsmöglichkeit
des Vollkommenen aus dem Unvollkommenen, also letzterdings
die Ungleichwertigkeit alles Lebens. Er scheitert an der Wirk-
lichkeit: Es gibt keine Entwicklung eines Unvollkommenen zum
Vollkommenen, alles ist durchaus vollkommen in seiner Wesen-
heit — mit Ausnahme des ‚„Kulturmenschen“. Alles Natur-
geschehen ist absolut, daher in sich ohne Wertschätzungsmöglich-
keit. Es gibt kein Sichbeugen des Höheren zum Tieferen, kein
Sicherheben des Tiefstehenden zum Höherstehenden. Ebenso-
wenig gibt es einen Sozialismus in der Natur; die Natur zerstört
sich nicht selbst. —
Darwin gab uns den Mut, nach den Ursachen biologischen
Geschehens zu fragen;“ seine Arbeiten haben außerordentlich
fruchtbar gewirkt, aber sie haben auch unabsehbaren Schaden
‚angerichtet, nicht nur durch falsches Verstehen von Seiten seiner
Nachfolger, sondern durch viele falsche Problemstellungen, un-
genaue Definitionen. Seine naturphilosophischen Gedanken aus
dem Zeitgeist geboren — seine Pangenese ist eine Übertragung
' der Zusammensetzung und Arbeitsmethode des damaligen eng-
lischen Parlaments in die Naturvorgänge — waren zum Teil
unklar, sie wurden von außen in die Beobachtung hineingetragen,
nicht aus diesen abgeleitet. Aber nicht Darwin, der gewissenhafte
Forscher, sondern seine Nachfolger trifft die Verantwortung für
das Hinzufügen aller jener Dinge, die der Meister selbst beiseite
ließ, die bewußt und unbewußt seine Anschauungen umdeuteten,
sie auf Gebiete übertrugen, auf denen sie nichts zu suchen hatten,
einmal darin festgerannt, das Wort Entwicklung als Schlagwort
auf allen Gebieten ausposaunten, ob es paßte oder nicht, und es
zuletzt im Kampfe, in vielfach unsauberstem Kampfe um Welt-
anschauungen mißbrauchten. Haeckels Lehre und Haeckels Me-
thode ist die trübste Epoche, ein Schandfleck deutscher Geistes-
geschichte. Durch Popularisierung seiner Ansichten, in den Mantel
der Wissenschaft gekleidet und in der Form von Romanen unters
Volk geworfen, durch flache jeder Logik bare Schlagworte, durch
gehässigste und unfairste Form des Kampfes untergrub er jede
Autorität; er wurde so „zum geistigen Vorbereiter der deutschen
Revolution‘, ein Zeugnis, das ihm der ‚Vorwärts‘ ausstellte. Diesen
Kampf auf die Spitze getrieben zu haben, ist das traurige Verdienst
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 133
von Haeckels Schüler und Apologet Herrn Prof. Heinrich Schmidt,
Jena, der der deutschen Sozialdemokratie das Zeugnis ausstellte,
daß sie ‚in langsamer und zäher, bewunderungswürdiger Arbeit
das Volk zu kritischem Denken über Weltanschauungsfragen heran-
gebildet“ habe!! Die Lehre vom Kampf ums Dasein wurde der
westlichen Kultur Quintessenz, an deren Götzendienerei Europa
heute zerschellt ist. — Zur Selektionstheorie selbst nehme ich hier
keine Stellung, nur zu einem ihrer Probleme: Ihr Ausgangspunkt
ist das Auftreten nützlicher Variationen. Diese nahm Darwin als
gegeben hin und baute darauf seine Lehre auf; er verwahrte sich
ausdrücklich dagegen, daß er das erste Entstehen der zweck-
mäßigen Eigenschaften habe erklären wollen.. Seinen Nachfolgern
war es vorbehalten, zu behaupten, die Selektionstheorie erkläre
alle sog. Zweckmäßigkeit auf rein mechanische Weise, und dies.
wurde dann zu ihrem ungeheueren ‚Erfolg‘. Es ist nicht anders
möglich, als hierin eine bewußte Unterstellung und Irreleitung
aller weniger Orientierten zu sehen. Darwins Lehre, als mecha-
nistisch — materialistische Weltanschauung ausgebeutet, ist da-
gegen in ihrer Wesenheit vitalistisch. Sie setzt die allseitige Variabi-
lität voraus, die nützliche — zweckmäßige — und schädliche Eigen-
schaften auftreten lassen kann. Allseitige Variabilität ist über-
mechanisch, denn kein mechanisches Prinzip kann allseitig variabel
sein (Driesch). Die Vorstellung einer allseitigen Variabilität ist
gegründet auf die Beobachtung des menschlichen Lernens, das
weder mathematisch noch experimentell festlegbar ist; die Lern-
fähigkeit des Menschen als solche ist nicht begrenzt. Nochmals
Variabilität und Anlage setzt Darwin bewußt als gegeben voraus.
Der Begriff der Anlage = Potenz (Goldschmidt faßt den Begriff
der Potenz anders, indem er darunter die Stärke der Realisierungs-
möglichkeit versteht) ist eine notwendige Form unseres kate-
gorlalen Denkens: es kann nichts geschehen, ohne daß es vorher
möglich gewesen ist; dies sein Sinn. Dieser Potenzbegriff deckt
sich im wesentlichen mit der öbvapıg des Aristoteles; diese ist dem
Leben immanent, nicht übergeordnet. Ist die Realisierungsmög-
lichkeit gegeben, so wird die Anlage als Eigenschaft erkennbar.
Wir können also diesen Moment feststellen, wir können dann weiter
nach immer wieder gemachten Beobachtungen bei Repräsentanten
_ eines und desselben Formenkreises sagen: wenn die und die Be-
dingungen gegeben sind, treten die und die Eigenschaften, Verän-
derungen ein, und aus der Summe aller dieser beobachteten Verän-
derungen deduzieren wir die Variabilitätsweite des Kreises. Wir
können also nur feststellen, wann bestimmte Änderungen auslösbar
sind; nicht diese sind aber als Ursachen des Entstehens zu denken,
sondern die Anlagen. Bei verschiedenen Lebensringen können
gleiche Bedingungen verschiedene Resultate ergeben und ver-
schiedene Bedingungen gleiche. Jeder Kreis hat seine eigenen
Gesetze. — Vererbung bedeutet nichts weiter als gleiche Reali-
sierung in zeitlich auseinanderfolgenden Generationen.
3. Heft
134 Dr. Adolf von Jordans:
Abstammung im Sinne der Descendenztheorie bedeutet Ent-
stehen einer neuen Art aus einer bereits vorhandenen. Friedmann
(die Konvergenz der Organismen, Berlin 1904) sagt sehr treffend:
„Wenn man in der Tat bisher außerstande war, eine hinreichende
Artdefinition zu geben, so folgt daraus nicht der von Darwin und
seinen Anhängern gezogene seltsame Schluß, daß die Arten ver-
änderlich sind, sondern nur der Schluß, daß unsere heutige Syste-
matik auf ein Prinzip sich gründet, das seinen Zweck nicht erfüllt.“
Ich setze, wie gesagt, den Begrifi der Art = Formenkreis. Unter-
suchen wir nun den eingangs gestellten Satz. Unter ‚neuer Art“
kann nur verstanden werden ein Lebenskreis, dessen Gesamtan-
lagenkomplex verschieden ist von allen zeitlich gleichzeitig exi-
stierenden, und der (nach der Descendenztbeorie) entstand aus-
gehend von einem bereits existierenden. Entstehen kann hier
nur heißen, für uns in die Erscheinung treten. Was heißt ‚neu‘ ?
„neu“ kann etwas der Erscheinung nach (für den Menschen,
auf den Menschen bezogen) sein, nicht dem Wesen nach, denn vor
der Erscheinung mußte die Möglichkeit (Potenz, Anlage) zu ihr
gegeben sein. Ob eine Anlage neu (wesentlich) sei, ist nicht zu
erforschen, denn nur realisierte Anlagen, Eigenschaften sind fest-
stellbar, der Forschung zugänglich; daher Evolution (nicht im
Sinne der alten Einschachtelungsvorstellung, da diese ja nur eine
zurückverlegte Realisierung bedeutet), nicht Epigenese (im Sinne
von Hinzukommen von vorher nicht Vorhandenem). Daraus folgt:
das Primäre ist die (unbegrenzt) Mannigfaltigkeit, das Sekundäre
das Differenzierte, Spezialisierte das Spezialisierte setzt also
vorangegangene Mannigfaltigkeit voraus; von der Summe des
Möglichen ist beim organischen Einzelwesen (oder einer Art als
Summe wesensgleicher Einzelindividuen) nur ein Teil realisiert,
oder kann wenigstens nur ein Teil realisiert sein. Diejenige Indivi- -
duensumme, deren Erscheinungsformen identisch scheinen, ist
die Art; ist eine Teilsumme auf geographisch beschränkte Gebi»te
verteilt, deren Gesamtkomplex der des nächsten gleich ist, so be-
zeichnen wir diese als Rasse. Da nun die Rassenunterschiede
in bestimmten Richtungen voneinander differieren — rot — grün-
iarbig einer bestimmten Körperregion — so kann niemals ein.
Individuum sämtliche Realisierungsmöglichkeiten gleichzeitig in
Erscheinung treten lassen. Durch Abstraktion können wir. uns
geistig aus der Summe der Erscheinungen den ‚‚Typus‘ einer Art
vorstellen, besser gesagt, sämtliche Realisierungen addieren;
der Typus selbst kann somit niemals in Erscheinung treten, er
bleibt eine geistige Fiktion. Durch „Metamorphose“ entstehen die.
Rassen gleichzeitig oder nacheinander. Es liegt nach dem Gesagten
außerhalb der empirischen Erforschungsmöglichkeit, ob eine Neu-
entstehung von Typen — Arten im Sinne von der Entstehung
einer Art aus einer anderen durch Veränderung (Zu- oder Abnahme)
des Gesamtanlagenkomplexes der Art möglich ist. — Der Gesamt-
anlagenkomplex eines Typus kann nur wieder ein Teil der primären
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 135
unbegrenzten Mannigfaltigkeit (Potenz der Potenz) sein, jeder
Typus also nur in Minderung, in Teiläußerung in Bezug auf die
absolute Mannigfaltiskeit bestehen. Der Urtypus umfaßt alle möz-
lichen Einzeltypen. Die absolute Mannigfaltigkeit ist somit iden-
tisch mit absoluter Einheit‘ Die Typen sind Ideen dieser Einheit,
die durch den Willen dieser Einheit in Teilgestalten in Erschei-
nung treten, ohne daß sie selbst durch diese Realisierungen in ihrer
Einheit vermehrt oder vermindert werden könnte. Von dieser Ein-
heit sagt Goethe: ‚Dieses Ungeheure personifiziert tritt uns als ein
Gott entgegen, als Schöpfer und Erhalter, welchen anzubeten, zu
verehren und zu preisen wir auf alle Weise aufgefordert sind‘.
Da es außerhalb empirischer Forschungsmöglichkeit liegt,
nachzuweisen, daß eine Art als eine wesentlich neue aus einer bereits
vorhandenen Art hervorgehe, da es umgekehrt aus theoretischen
Erwägungen eine solche Neuentstehung garnicht geben kann,
was bedeutet dann noch die ganze Frage der Abstammung und
der Verwandtschaft? Gehen wir aus von unserem Begriffe des
Formenkreises. Die Individuen eines und desselben Kreises sind
verwandt, blutsverwandt untereinander, wenn auch in Graden,
die wir in der menschlichen Familiengenealogie nicht mehr als solche
bezeichnen würden, wohl aber in dem Sinne gleichen Blutes, sie
stehen untereinander in direkten genetischen Beziehungen. Anders
die Individuen verschiedener Kreise; zwischen ihnen laufen keine
direkten Linien, denn sie sind ja miteinander nicht fruchtbar.
Sollen nun wirklich solche, menschlich gesprochen, außerordentlich
große Ähnlichkeiten wie wir sie z. B. zwischen den beiden Baum-
läufern —, den Haubenlerchen —, den Schwarzkopfmeisenarten
sehen, nichts weiter sein als zufällige Übereinstimmungen ? Zunächst
jedenfalls sagt Ähnlichkeit nichts aus über Blutsverwandtschaft.
Morphologisch äußerst ähnliche Tiere können ja physiologisch
voneinander ebenso verschieden sein wie morphologisch ganz un-
ähnliche; darüber können wir garnichts aussagen! Wäre es nicht
auftallender, wenn bei der Fülle der Lebewesen, bei der unüber-
sehbaren Menge der Arten die vielfach unter gleichen Lebens- .
bedingungen stehen, alle ganz verschieden wären, als wenn kleine
und große, ja sehr große Ähnlichkeiten existieren? So haben ja
auch Tiere ganz verschiedener Klassen, die in gleicher Umwelt
leben, oft verblüffend ähnliche, ja bis in anatomische Einzelheiten
ähnlich gebaute Organe. — So lange wir nicht tatsächlich empirisch
nachweisen können, daß ein Formenkreis sich auf Grund irgend
welcher Vorgänge von einem bereits existierenden abgezweigt
hat und gegenüber jenem selbständig, d. h. mit diesen unfruchtbar
geworden ist, haben wir kein Recht, auf Grund noch so großer
Ähnlichkeit auf genetische Beziehungen zu schließen und dann
letztere einfach als bestehende angenommen nach Erklärunger
zu suchen; denn alle diese Erklärungen können nie etwas beweisen,
sondern werden und bleiben mehr oder fast immer weniger geist-
reiche Spekulationen. Der Biologie tut nach dem unseligen Zeit-
3, Heft
136 Dr. Adolf von Jordans:
alter Haeckels bitter Not ‚eine innere kritische Vertiefung, wenn die
Entwicklung der Wissenschaft nicht in groben Realismus auslaufen
soll“ (Naef). Ebensowenig wie wirüber die Ursachenauf-
fallendster Ähnlichkeitenim Bau ganzentferntstehen-
der Tiere, die uns die Fä’!le merkwürdigster Mimikry
Zeigen; auch nur das allergeringste Positive wissen, ge-
nausosolltenwir unseingestehen, daß wir nichts wissen
über die Ursachen auffallender Ähnlichkeiten im Bau
sehr nahestehender Tiere.
Wenn wir Formenkreise, die morphologisch sich sehr ähnlich
sind, als Gattungen vereinigen, so kann dies nichts anderes sein,
als ein technisches Mittel der Übersichtserleichterung, es kann
niemals Anspruch auf den Ausdruck wirklich genetischer Geschlos-
senheit erheben. Es mag ein menschliches Bedürfnis sein, nach
dem Vorbild menschlicher Familienzusammenhänge solche Ver-
einigungen als natürlich gegebene anzusehen, gut, aber empirische
Wissenschaft hat mit menschlichen Gewohnheiten nichts zu tun.
Man wird mir entgegenhalten: Haben Sie denn bessere Erklärun-
gen für die Tatsachen, die uns die Überzeugung von der Richtig-
keit der Abstammungslehre gaben? Darauf antworte ich mit
einem offenen Nein. Ich erkläre lieber aber nichts, was ich nicht‘
im empirischen Sinne erklären, d. h. auf Bekanntes zurückführen
kann, als daß ich alles erkläre durch Phantasien, die weder em-
pirisch wissenschaftlicher noch theoretisch pbilosophischer Kritik
als Erklärung standhalten. Können wir denn auch sonst in der Bio-
logie — wenigstens heute — irgend etwas erklären: Fruchtbarkeit,
Fähigkeit der Assimilation, Vererbung oder was es sonst sei,
warum denn die Ähnlichkeit? ? Können wir denn die Ähnlichkeit
der Kristalle erklären? Wer behauptet etwa, Kristalle gleichen
Systems hätten sich auseinander entwickelt, ist der eine vielleicht
höher entwickelt als ein anderer, mit diesem näher verwandt als
mit einem anderen? Ja, näher verwandt — aber in gleichnis-
haftem Sinne!
| Wer an die Descendenztheorie heutiger Anschauung glaubt,
der möge gewiß diesen Glauben haben, er darf aber nicht seinen
Glauben als aus der Empirie abgeleitet als unumstößlich hinstellen
gegenüber dem anderer, als sei deren Überzeugung nur aprioristisch
und als seien seine Hypothesen etwas anderes als die Überzeugung
derer, die zu anderen Resultaten kamen.
Die Untersuchungen, die mich bis hierher führten, gingen aus
von einer sehr eng umgrenzten Gruppe von Lebewesen; je enger
die Grenzen gezogen sind, und je tiefer man dann innerhalb dieser
in die Lebenserscheinungen einzudringen sucht, um so eindring-
licher sieht man, wie kompliziert diese Erscheinungen sind, und
wie wenig Licht bisher in diese hineinfällt. Gelten nun die Er-
gebnisse, zu denen mich meine Spezialuntersuchungen führten, auch
für andere Disziplinen der Zoologie? Nein und ja! Die reintheo-
retischen oder wenn man will naturphilosophischen ja, entweder
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturuus vulgaris L. 137
können diese nur richtig oder falsch sein; anders dagegen speziellere
Fragen. Ich will hierauf nur ganz kurz eingehen. Bei den Schmet-
terlingen, um eins der vielen möglichen Beispiele herauszunehmen,
gibt es saisondimorphe oder auch, wo es besonders auffällt durch
die geringe lokale Entfernung, durch Gebirge (z. B. die Alpen ge-
trennte) ‚Rassen‘ eines Kreises, die vielfach ganz abweichende
Sexualorgane besitzen, die zwar trotzdem (34 chitinöse Geschlechts-
organe) infolge der Beschaffenheit der weiblichen (nicht chitinös)
die Kopulation nicht ausschließen, sie aber doch stark negativ
beeinflussen; ja die Nachkommen scheinen auch langsam an Frucht-
barkeit abzunehmen. Sieht man nun in solchen Rassen nicht mit
Recht werdende Arten? Es ist schon auffallend, daß solche saison-
dimorphe, also an einer und derselben Lokalität aber zu verschie-
denen Jahreszeiten vorkommende Rassen, und, um bei unserem
Beispiel zu bleiben, jene nördlich und südlich der Alpen lebende,
gleiche oder ähnliche Verhältnisse aufweisen. Über werdende Arten
sagt das garnichts, sondern es zeigt nur, daß z. B. bei den Schmetter-
lingen andere innere Zustände gegeben sind, daß hier und dort
bei den Vögeln unsere Begriffe von Rasse, Variation und Kreis
nicht identisch sind, daß die Natur hier vom Menschen, um es so
auszudrücken, eine andere Terminologie verlangt, um vergleichen
zu können; die Dinge sehen anders aus, weil die Begriffe nicht
identisch sind. Noch ein letztes Beispiel aus der Paläontologie.
Die zeitlich aufeinanderfolgende Umwandlung der Ammoniten von
den trachyostracen mit einfachem Lobenlinien bis zu den liostracen
mit außerordentlich komplizierter, aber gleichmäßiger Auflösung
und Zerschlitzung derselben. Müssen wir hier nicht unbedingt
einen eindeutigen Beweis für die Abstammungslehre, für die Ent-
stehung neuer Arten sehen? Die Tatsachen beweisen allerdings —
-so weit wir überhaupt von Beweisen sprechen können —, jedenfalls
sprechen mit größtmöglichster Wahrscheinlichkeit dafür, daß die
komplizierteren direkte Nachkommen der einfacheren sind, aber
damit gleichzeitig auch, daß eine progressive Umbildung inner-
halb der einzelnen Typen, innerhalb der Arten, der Formen-
kreise stattgefunden hat. Nichts dagegen spricht dafür, beweist gar,
daß eine Neuentstehung von Arten stattgefunden hat. Über all je
mehr Material wir auf“ allen Gebieten der Paläontologie erhalten,
zusammenstellen und vergleichen, mit um so größerer Beweis-
kraft sehen wir, eine bestimmte einem Endstadium zueilende Um-
bildung unter undurchbrechbaren Grenzen der spezifischen Eigen-
arten; die Spezifität ist unzerstörbar. — Über die Bedeutung der
sogen- Übergangsformen sprach ich oben.
Das Hauptkriterium der Einheitlichkeit des Formenkreises
oder, anders gesagt, für die Verschiedenheit mehrerer ist die Frucht-
barkeit. Worin das Wesen der Fruchtbarkeit besteht, wissen wir
nicht. Sie ist eine Funktion des Lebens. Wir wissen weder, was
sie innerlich bedingt, noch was sie innerlich ausschließt. Es
ist diese Tatsache m. E. der na t aller biologischen For-
3. Heit
198% 2% Dr. Adolf von Jordans:
schung. A priori können wir also auch nicht sagen, es sei unmög-
lich, daß zwei Formenkreise unter bestimmten Bedingungen
nicht plötzlich unvermindert fruchtbar miteinander werden könn-
ten, oder ebenso umgekehrt, daß nicht Tiere, die wir heute zwei
verschiedenen Kreisen zurechnen, einstens miteinander frucht-
bar waren, d. bh. einen Kreis bildeten. Ist es nicht möglich, so gibt
es keine Artabstammung g, ist es möglich, so gibt es eine "Descendenz.
Da eine solche Änderung aber bisher empirisch nicht festgestellt
ist, sind wir, so lange wir auf empirischem Boden stehen wollen,
nicht berechtigt, eine solche anzunehmen, d. h. wir müssen eine
Descendenz als aus den empirischen Tatsachen gefolgert leugnen.
Ich möchte hier noch einem Einwand begegnen. Ein em-
pirischer Beweis für eine Abstammung ist darin gesehen worden,
daß es experimentell gelang, verschiedene Arten unter bestimmten
Bedingungen nicht nur miteinander fruchtbar zu machen, sondern
sie sogar gegenseitig in Generationenfolge ineinander auch mor-
phologisch überzuführen. Das bekannteste Beispiel ist die Um- _
wandlung der Arthemia salina in Arthemia mühlhausenti durch
Verminderung bzw. Vermehrung des Salzgehalts des Wassers,
in dem die Tiere gehalten wurden). Es ist das ein schönes Resul-
tat, welches ea eben nur beweist, daß diese beiden ‚Arten“
nichts weiter sind als Rassen eines und desselben Kreises; eine
gute Parallele dazu bilden die oben angeführten Versuche Beebes
mit der Scardafella Taube, nur mit dem Unterschiede, daß man bei
letzteren von vornherein die differierenden Tiere als Rassen er-
kannte.
Was sagen zum Problem der Fruchtbarkeit weiter die Bastar-
dierungen? Wenn wir bei den Vögeln und allen anderen Tieren
. beobachten, daß nicht nur Individuen von Arten, sondern auch
ganz verschiedener Gattungen und Familien gelegentlich mit-
einander Nachkommen erzeugen, so sehen wir einerseits, daß zwar
eine Fruchtbarkeit solcher unter bestimmten uns im Wesen un-
bekannten Bedingungen stattfindet, anderseits beweist aber gerade
der Umstand, daß, wenn nicht in der ersten Bastardgeneration
immer aber in ganz wenigen Folgen die Fruchtbarkeit nachläßt
und sehr bald ganz erlischt, daß die spezifischen Grenzen unzer-
störbar sind; wo dies zwischen ‚‚Arten‘ nicht der Fall ist, zeigt
uns dieses Resultat, daß wir Individuengruppen bis dahin spezifisch
trennten, die entweder als Phasen oder aber als Rassen einem For-
menkreis angehören. So komme ich auf anderem Wege zu dem-
selben Ergebnis, das Friedmann in die Worte faßt: „Wir halten
auf Grund der wirklich naturwissenschaftlichen Empirie daran fest,
daß die spezifische Organisation eine Konstante ist, und daß das
Leben immer als ein bestimmter, unwandelbarer Speziescharakter
auftritt.“ ‚Tot sunt species, quot at initio creavit infinitum ens‘
(I inne).
*) Neuerdings wird das Resultat dieser Versuche stark angezweifelt.
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L, 139
Innerhalb einer Spezies traten im Zeitenlauf bestimmte Um-
wandlungen des Tieres auf, die wir durch paläontologische Funde
schon an einer schönen Anzahl mit größtmöglichster Wahrschein-
lichkeit in ihrem zeitlichen Verlauf verfolgen können. Diesem
Verlauf der Änderungen im Leben der Formenkreise im einzelnen
jedem für sich nachzugehen, ist Aufgabe der Forschung; je gründ-
licher das geschieht, diese mühselige Spezialarbeit im engen, ja
engsten Rahmen, desto sicherer und darum wertvoller werden die
Resultate für die Erkenntnis des organischen Geschehens sein.
Es wird uns immer mehr zur Gewißheit werden, daß
es nicht eine Abstammung im Sinne der alten Des-
cendenztheorie gibt, eine Entstehung von neuen Arten,
Om reime, Zunahme.:der Anzahl aller vorhandenen
Arten, sondern nur eine stete Wandlungin den unzer-
sprengbaren Grenzen des Formenkreises, der Art. Gleich-
zeitig mit den zunehmenden Kenntnissen der Wandlungen ist.
es das Ziel, die Zusammenhänge kennen zu lernen, die diese Wand-
lungen schaffen. Das ehrliche Bestreben der großen alten Forscher,
an ihrer Spitze Lamarcks und Darwins, und vieler ihrer Nach-
folger — ich sehe ab von dem a prioristischen Wollen ihrer Schüler,
die ihren Fanatismus in ‚Wissenschaft‘ hüllen — die Zusammen-
hänge in der organischen Welt zu erforschen und das Wesen des
Lebens zu ergründen, mußte scheitern an dem Glauben, alles
Lebensgeschehen auf ein oder wenige Gesetze zurückführen zu
können. So mußte Stück für Stück ihrer allesumfassenden, alles-
erklärenwollenden Theorien, die vielleicht für eins oder wenige
Phänomene auch weiterhin als Erklärung standhielten, hinweg-
genommen werden; und jene, die gar glaubten, ihre aus dem
Organischen abgeleiteten Theoreme und ‚Gesetze‘ hätten auch
absolute Gültigkeit für das anorganische Geschehen und umgekehrt,
die dann endlich das Leben einfach als Funktion der Materie aus-
gaben, statteten die von ihnen postulierten letzten und kleinsten
Lebensatome, die Erbmasseträger und alle jene Gebilde, die ein
jeder mit eigener Nomenklatur versah, mit allen den Eigenschaften
aus, die das Leben ausmachen, ohne zu sehen oder sehen zu wollen,
daß sie das Leben eben voll in jene zurückverlegt nicht aber aus
dem Anorganischen erklärt hatten *) !
Das Leben hat nur ihm eigene Fähigkeiten, es hat
eigene Gesetze. Das Organische schlechthin, der Organismus als
Einzelerscheinung, besitzt einmal die Fähigkeit, kraft seines Wesens
an die Stelle eines bestimmten kausal-mechanischen Vorganges einen
anderen Vorgang zu setzen, der zwar ebenso kausal-mechanischer
Natur ist, welch letzterer aber die Wirkung des ersteren ausschaltet,
überlagert. Der Vogel überwindet das Gesetz der Schwerkraft durch
*) Diese Kritik richtet sich natürlich nicht gegen die Mendelisten
oder gegen die sehr interessanten empirischen Beobachtungen der Ver-
erbungsvorgänge, sondern nur gegen die oben charakterisierte theoretische
Auslegung und Ausheutung derselben! (Der Verfasser)
3. Heft
140 .. Dr. Adolf von Jordans:
die Gesetze des Fluges. Der Organismus benutzt mechanisches
Geschehen entsprechend den Notwendigkeiten seiner Organisatıon.
Das Anorganische dagegen, als Einzelerscheinung nur ein festes
Gefüge von Elementen, kann niemals an die Stelle einer ihm ein-
mal eigenen Gesetzmäßigkeit, oder sagen wir gesetzmäßig sich
äußernden Wirkung, eine andere Gesetzmäßigkeit setzen, die jene
auszuschalten oder zu überlagern imstande wäre; das Leben ist
aktiv, das Anorganische passiv. Das Anorganische können wir
restlos in Formeln fassen und seine Wirkungen berechnen, die
Summe der Teile gibt beim Organismus nicht das Ganze. Es
gibt im Leben der Organismen keine allgemeingültigen Gesetze.
An der gegenteiligen Behauptung scheitern alle großen Lebens-
theorien, da sie eben eine allgemeingültige Erklärung zu sein vor-
geben. Jeder Formenkreis hat seine eigenen Wachstums-, d. h.
Entwicklungsgesetze und diese im einzelnen zu verfolgen, ist
unsere Aufgabe. Es ist damit selbstredend nicht ausgeschlossen,
daß diese Gesetze bei mehreren Gruppen die gleichen sein können,
falsch ist nur, dies als gesetzmäßig vorauszusetzen. ‚Man könnte
nämlich etwa zeigen, daß bestimmte Organisationen unter be-
stimmten Verhältnissen sich in bestimmtem Sinne verändern
müssen. Doch wären die so aufgestellten formulierbaren Gesetze
keine allgemeinen Naturgesetze sondern Gesetze für die betr.
systematische Kategorie, z. B. etwa der Raubtiere, deren besondere
Struktur die Voraussetzung bestimmtgerichteter Abänderung
bilden müßte“ (Naef). Schon nach Aristoteles geht die
Entwicklung nur vor sich innerhalb der Bahnen der
Gattungs- (Art) Typen, die ihre eigenen Bildungsge-
setze haben, und nur so weit, als diese Gesetze, als
dieses spezifische Prinzip es zuläßt (de anim. I.). Wir
können im allgemein biologischen Geschehen stets nur von Regeln
sprechen; ein Gesetz, das eine Ausnahme hat, ist eine Regel. Ich
kenne keines der vielen biologischen ‚Gesetze‘, das nicht Ausnah-
men aufzuweisen hätte.
Nur die unabhängige, subtilste Erforschung der Gesetzmäßig-
keiten der Lebensäußerungen innerhalb eines jeden Formenkreises
vermag uns zu weiterer Erkenntnis der inneren Zusammenhänge
des Lebens zu führen, der Zusammenhänge zwischen dem inneren
Wesen eines Tieres, seinem funktionalen Leben und seinen Wand-
lungen in den Generationenfolgen. Untersuchen wir verschiedene
Kreise, so sehen wir überall, daß verschiedene Wirkungen gleiche
Resultate herbeiführen können und gleiche Wirkungen verschie-
dene Resultate; denn eben jeder Kreis hat seine, jede
Spezifität hat ihre eigenen Gesetze!
Der Forscher ist in der Problemlösung abhängig von den
Mängeln seiner Zeit; seine Größe besteht in der Problemstellung,
die über seine Zeit hinausgeht. Darwin suchte nach den Ursachen
biologischen Geschehens und glaubte sie — unter Voraussetzung
der Variabilität — in der Wechselwirkung zwischen Tier und Um-
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 141
welt zu finden; rein mechanisch sollten sich alle Vorgänge auf-
lösen lassen, mechanische Kausalität sollte sie erklären. Und wo
seine Nachfolger in weiterer Forschung und im Vorteil der tech-
nischen Vervollkommnungen vor Tatsachen standen, die bei nicht
aprioristischer Einstellung eine mechanische Erklärung nicht zu-
gelassen hätten, da setzten sie Hypothesen und Theorien ein,
mit denen sie zwangsweise jene in mechanistisch — kausalem
Verhältnisse erklären wollten und zu erklären vorgaben. Gehen
wir dagegen wirklich unbefangen an alle letzten Lebensäußerungen
und Lebensvorgänge heran, so sehen wir mit absoluter Gewißheit,
daß Kausalität in jenem Sinne nicht ausreicht, daß es im Leben
übermechanische Vorgänge gibt, die ebenso natürliche
sind wie jene, da sie eben natureigene sind; zwischen
Organismus und Mechanismus gibt es keine Übergänge. Die Furcht
vor dem ‚„Übernatürlichen‘“ setzte Leben = Summe mechanischen
Geschehens. — Das Leben ist in seinem Verlaufe mechanisch
völlig unbestimmbar. Die Fragestellung muß vielmehr lauten:
was können wir mechanisch erklären, was nicht ? und die weitere
Problemstellung: wie sind die nichtmechanischen Vorgänge in Be-
griffe zu fassen, die wir aus der Empirie ableiten, die uns jene
erklären. Der verfehmte Begriff der Finalität ist philo-
sophisch eine völlig gleichwertige Erklärung wie der
der Kausalität; er ist rein willensmäßig aus der Natur von
uns ausgeschalten worden, ohne daß wir einen irgend gleichwer-
tigen anderen Begriff, andere Erklärung an seine Stelle zu setzen
vermögen. — „Eine Durchdringung der Biologie unter dem Ge-
sichtspunkte der Finalität ist ein unabweisbares Postulat der bio-
logischen Methode‘ (Friedmann, Konvergenztheorie). Die Fina-
lität ist eine Funktion des Lebens, sie ist ebenso wie das
Schieksal eine Logik des Organischen. — ‚Wahre Entwick-
lung ist eine auf inneren Potenzen des sich Entwickelnden
beruhendes, gesetzmäßig fortschreitendes einem bestimmten Ziele
zustrebendes Werden eines im ganzen Laufe der Veränderungen
individuell begrenzten Wesens“ (I. v. Wiesner, ‚Erschaffung,
Entstehung, Entwicklung und über die Grenzen der Berechtigung
des Entwicklungsgedankens‘“, Berlin 1916). Auch Oskar Hertwig
(„Das Werden der Organismen‘, Jena 1916) arbeitet mit dem,
von ihm allerdings theoretisch nicht anerkannten, Finalitäts-
begriff, wenn er ausdrücklich betont, daß die Entwicklung niemals
„tichtungslos‘‘ sei. ‚Bestimmte Formen werden trotz aller be-
ständig einwirkenden umändernden Faktoren im Entwicklungs-
prozeß festgehalten, weil nur durch ihre Vermittlung das complizierte
Endstadium auf dem einfachsten Viege und in artgemäßer \\ eise
erreicht werden kann‘. — Man solle aber Finalität nicht übersetzen
mit „Zweckmäßigkeit‘, sondern mit dem Worte „Bestimmung“.
Es muß Aufgabe der Gegenwart sein, eine Logik des Organischen
aufzubauen, die uns einer Erklärung der Rätsel organischen Ge-
schehens näher bringen soll; andere Fragestellungen, die andere
3. Heft
292,5 Dr. Adolf von Jordans:
Beantwortung heischen, als die kausalen im Bereich des orga-
nischen Geschehens. Dann werden uns die kindlich anmutenden
„Erklärungen“ für Mimikry durch die leeren Worte aktiver und
passiver Anpassung, das Überleben des Passendsten und ähnliche
mechanistische Erfindungen des materialistischen Zeitalters nur mehr
eine naive Episode menschlichen Forschergeistes sein! Dann und nur
dann werden wir auch diemerkwürdigen Erscheinungen mancher tier-
geographischen Probleme und des Übereinstimmens bestimm-
ter Landschaften mit ihren ureigenen Tier- und Pflan-
zenwelten verstehen lernen. Dieser Weg wird gegangen werden;
überall kündigt er sich an, aber vorläufig weniger in den Arbeiten
der Fachleute als in fast allen bedeutenderen Werken neuerer —
nennen wir sie Philosophen, deren grundlegende ‚Gedanken sich
wieder finden in denen ihrer ältesten Vorläufer; er wird schwerer
sein als der bisherige, er wird mehr Selbstkritik und Ehrlichkeit
verlangen, aber er ist der einzige, der — vielleicht zum Ziele führen
wird, bis zu dem Ziele menschlicher Erkenntnis, das überhaupt
erreichbar ist. Die Vorstellung genetischer Art-Verwandtschaft
wird dann vielleicht als letztes sich verwandeln in ein
Symbol der letzten alles umfassenden, alles erschaffenden
Einheit!
Ich hatte meine Arbeit längst abgeschlossen, sie schon in
Druck gegeben, als ich Drieschs ‚Philosophie des Organischen“
(Leipzig 1921) zu lesen begann; ich möchte daraufhin noch einige
Gesichtspunkte, die mir dieses hochbedeutsame Werk gab, hier nach-
träglich anfügen. Auch nach ihm ist ein organisches Naturgesetz
etwas ganz anderes als ein anorganisches; im Worte Gesetz
werden die disparatesten Dinge zusammen geworfen. Driesch
hat, die irseducible Gesebenheit der Arten auf sdac
kürzeste Formel gebracht: die Entelechie als Netur.
konstante. Im Zusammenhang mit seiner Grundthese von der
Autonomie des Lebens spreche ich von einer Autonomie jeder Art,
in dem Sinne, daß ein Analogieschluß von den Gesetzen aus, die
wir bei der Art A festgestellt haben, auf das Verhalten der Art
B stets hypothetisch in der Luft schwebt, d.h. allen Gefahren
voreiliger Verallgereinerung unterliegt: was für die eine Art
typisch ist, ist für die andere atypisch. Dieser Begriff des Typus
und des Typischen (wohl von Goethe ganz verdeutlicht) hängt
mit dem genannten Begriffe aufs Engste zusammen. Eine sorg-
fältig und langsam fortschreitende Begriffsanalyse und -konstruk-
tion (wie Driesch sie in der Verarbeitung der Begriffe pro-
spektiver Potenz, prospektiver Bedeutung, klassisch durchgeführt
hat) ständig durch die sorgtältigste empirische Einzelforschung
gestützt und ergänzt, wird uns allein weiterbringen. Hier wird
Kleinschmidts Arbeitsmethode und seine Formenkreis-
lehre (erstere führte ihn zu dieser) eine geniale, wahrhaft
ernste Verbindung von Empirie und Idee — von aller-
größter Bedeutung.
Versuch einer Monographie I Formenkreises Sturnus vulgaris L. 143.
In den kleinsten und oberflächlich leichtest erklärbar scheinen-
den Äußerungen des Lebens treten dem ernsten Beobachter, der
der Wahrheit näher kommen möchte, so höchst komplizierte Vor-
gänge entgegen, daß, je weiter er sich in die Erscheinung vertieft,
eine Erkenntnis in immer weitere Ferne rückt, und die Lösung des
Rätsels immer fraglicher wird. Aber diese Erkenntnis ist unver-
gleichlich wertvoller, als die Erfindung phantastischer Hypothesen
und der fabelhafte Dünkel weniger ihrer Macher als ihrer Nach-
beter. „Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf
dem Wege, entsetzliches Unheil anzurichten.‘“ Diese Worte
Goethes, für die Revolution geprägt, gelten nicht weniger für die
- Wissenschaft!
Nachtrag.
Als die Arbeit schon im Drucke war, las ich das überaus inter-
essante und wichtige Werk „Vergleichende biologische
Formenkunde der fossilen niederen Tiere‘ (Berlin 1921)
des Paläontologen Dr. Edgar Dacque, der seine darin aus-
gearbeiteten Gedankengänge bereits 1911 in der Abhandlung
„Paläontologie, Systematik und Deszendenzlehre“ kurz
dargelegt hatte. Da es mir einmal von Wichtigkeit schien, auch die
neuesten kritischen Forschungsergebnisse eines Paläontologen hier
mit heranzuziehen, anderseits sich dessen Resultate in wesentlichen
Punkten mit meinen Anschauungen decken, so konnte ich es mir
nicht versagen, einige wichtige Sätze aus jenen Werken hier noch
anzufügen, da es mir nicht mehr möglich war, sie dem Texte selbst ein-
zufügen. Es liegt mir nicht daran, eine Bestätigung zu erhalten —.
wie es den Anschein haben könnte — sondern ich tue es, um die
unabhängig gefundenen Ergebnisse eines Paläontologen und eines
Ornithologen zu vergleichen.
Dacque schreibt 1911, p. 176: ‚Das wachsende Material läßt
die Stammesgeschichte weit verwickelter und unklarer erscheinen
als das frühere wenige.‘ (Haupteinwand gegen das Fehlen der
postulierten Bindeglieder infolge noch zu geringen paläontologi-
schen Materials.)
1921, p. 712: „Je mehr das Material an. wirklichen
Arten wächst, um so weniger klar werden die Stammbäume, um
so mehr lösen sich die Gruppen, die Typen, die Gattungen in un-
abhängige Zentren und Linien auf.“
1911, p. 171: ‚,...Esist also keine Rede davon, daß man mit
diesen ältesten kombinierten Faunen der theoretisch geforderten
Wurzel des Lebensstammbaumes prinzipiell näher stünde als etwa
mit den heutigen Klassen und Ordnungen.“
1921, p. 730*): ‚Wo wir,viel Material von einer Gattung haben,
löst sich alles auf, nicht wo wir wenig haben.‘
Anmerkung: Die mit einem * versehenen Sätze sind im Original-
text gesperrt gedruckt.
3. Heft
Ar 2 Dr. Adolf von Jordans.
1911, p. 174: „Es haben sich noch niemals zwei Iypen oder
größere Gruppen auf einen einzigen, einheitlichen, gemeinsamen
Ursprungspunkt einwandfrei zurückführen lassen. — Nur in auf-
fallend seltenen Fällen kann man eine morphologisch definierte
Gattung Schritt für Schritt ohne Künstelei in eine später auf-
tretende überleiten. Bei’ solchen seltenen Überleitungsmöglich-
keiten handelt es sich jedoch niemals um die Verknüpfung zweier,
in ihrer Organisation wesentlich verschiedener Gattungen, sondern
nur um einander nahestehende Formen, deren Grundorganisation
in solchen Stammreihen stets dieselbe bleibt. Der Entwicklungs-
prozeß geht dabei stets nur auf ein Mehr oder Weniger, nicht auf
die Entstehung von etwas prinzipiell Neuem hinaus.“
1911, p. 177: „Doch hat es sich bis jetzt jedesinal bei genauer
Untersuchung und mit wachsendem Material herausgestellt, daß
alle diese angeblichen Misch- oder Übergangstypen — der viel
zitierte Urvogel Archaeopterix nicht ausgenommen — in einer oder
sogar in mehreren Richtungen so spezialisiert waren, daß man sie
nicht als Urtypen später wirklich existierender (nicht gedachter)
Formen in stammesgeschichtlichem Sinne ansehen durfte, sondern
sie ausscheiden mußte als Vertreter in eigener Richtung schon ent-
wickelter Untergruppen.
1921, p. 721*: „Ich fordere jeden Paläontologen, auch die
Wirbeltierforscher, auf, eine einwandfreie Stammesreihe zu zeigen,
in der keine Strichlinien an Stelle von wirklichen Arten, keine
Spezialisationskreuzungen an Stelle von gleichmäßigen Weiter-
bildungen erscheinen und wo alle Glieder einer Reihe auch zeitlich
aufeinanderfolgen; Stammreihen, die sich weiter erstrecken als
über die Grenze normaler Lebenslagevariationen oder einer ‚guten
Art‘ hinaus!... Niemals — ich sage ausdrücklich niemals —
gelang es, stammesgeschichtliche Formenreihen bei Wirbeltieren
oder Wirbellosen über einen ganz engen Kreis von Lebenslage-
variationen hinaus geschlossen kontinuierlich zu verfolgen. Auch
die schönste bisher aufgestellte und für eine stammesgeschichtliche
Umwandlungsreihe ausgegebene Formenkette, die der Paludinen
aus Slawonien, ist... keineswegs eine echte Stammreihe, bei der
eine alte- Form, Neues produzierend, in einem neuen Typus aui-
ginge, sondern es sind reine, eine Zeitlang erblich erscheinende
Lebenslageänderungen, deren Nachkommen immer wieder rück-
schlagen... Sie ist ein Beispiel für eine scheinerbliche Umwand-
lung, die keine Stammreihe ist, wird aber bis zum heutigen Tage mit
einer geradezu ärmlichen Sparsamkeit i immer wieder als Stammreihe
für die geologische Umwandlung der Arten auch in guten paläonto-
logischen Büchern genannt und abgebildet, obwohl sie es ganz und
gar nicht ist, ebensowenig wie die Steinheimer Planorbisreihe.‘
I2ASP. 718: „Blutsverwandtschaft und Formähnlichkeit hat
man im Zeitalter des Deszendenzgedankens gleichgesetzt und
systematisch fest verwoben. Verwandtschaft läßt sich nur genea-
logisch, nicht morphologisch, nachweisen; wo aber die Genealogie
Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 145
fehlt, ist der Nachweis unmöglich. Die Versuche, Verwandtschafts-
grade durch Ähnlichkeitsgrade zu messen, können zu ebenso großen
Irrtümern, wie zufällig zu einem richtigen Ergebnis führen.‘
1911, p. 183: ‚‚Morphologisch begründete systematische Kate-
gorien bestehen daher aus einer größeren Zahl heterogener Ein-
heiten, von denen jede auf eigenem Wege, die eine früher, die andere
später einem gemeinsamen Entwicklungsziel zuläuft.‘‘
1921, p. 727*: „Wir haben nur eine ideale Phylogenie, bei der
es auch nur ideale Stammbäume gibt.“
1921, p. 739*: „Nur blutleere Vorstellungsbilder erlauben der
Deszendenztheorie alten Stils immer wieder, die Paläontologie zu
beherrschen, deren Material exakterweise und klar eine ganz andere
Stellungnahme zu dem Entwicklungsproblem erfordert.‘
1921, p. 728*: „Was wir nämlich stammesgeschichtlich vor-
finden in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Gattungen, Arten und
Faunen, das sind morphologisch abgrenzbare, abgeschlossene
Typen und innerhalb derselben engere oder weitere Variations-
und Mutationskreise mit steten Spezialisationskreuzungen, bei
denen wir zwar eine stammesgeschichtliche mehr oder weniger un-
mittelbare Verknüpfung annehmen können, wofür aber in jedem
Falle bisher der Beweis durch Bildung geschlossener Reihen fehlt.
Es gibt phänotypisch-kontinuierliche Umbildungen in engem
Kreise; größere Umbildungen sind diskontinuierlich. Ja noch
mehr: Umwandlung findet überhaupt, so weit wir bisher wirklich
sehen, nur innerhalb gegebener Typen statt. Wie die Typen ent-
stehen, ist eine Frage für sich. Wir kennen sie nur als angepaßte
Arten. Was Typen sind, wissen wir ebensowenig; hier geht das
Naturwissenschaftliche ins Metaphysische über. Typen — soviel
wenigstens läßt sich mit übertragener Ausdrucksweise sagen —
sind den wirklichen Formen zugrunde liegende, in ihnen realisierte
Artpotenzen. Es sind keineswegs nur Abstraktionen aus den kon-
kreten Formen, sondern sind. stets genotypische Realitäten und
Potenzen jenseits des Gegenständlich-Phänotypischen... Nur
innerhalb gegebener Grundformen gibt es einen Umwandlungs-
fortschritt als zunehmende einseitige Spezialisierung und Differen-
. zierung; Grundformen selbst sind nur als Fortschritt oder Ent-
‚wicklungsprodukt zu verstehen.‘
1927, p: 741°: ‚Wir hätten so eine Konstanz der Art ım
tieferen Sinne und dennoch eine Umbildung der Art im äußeren
Sinne — beides in einem; aber so paradox es klingt: genotypische
Konstanz bei phänotypischer Umwandlung. In dieser Doppel-
seitigkeit angeschaut löst sich das bisherige Deszendenzproblem
zu einer neuen Fragestellung auf, zu einem Problem, das mit dem
Aristotelisch-Goetheschen Begriff der Entelechie im wesentlichen
getroffen ist... Nicht anders ist es ja auch im Völkerleben: be-
stimmte Grundlagen werden ‚entwickelt‘, d. h. spezialisiert; hinzu-
erworben wird nichts, nur latente Möglichkeiten entfalten sich, je
nach den äußeren Bedingungen. Diese erscheinen dann als die Ur-
Archiv ehe 10 3, Heft
L
146 Dr. Adolf von Jordans:
sache der Entwicklung. Wir müssen aber, um den Tatsachen der
Natur und des Völkerlebens gerecht zu werden, von einer epi-
genetischen Deszendenzlehre zu einer entelechischen Deszendenz-
lehre übergehen. Damit bekommt auch der Begriff ‚Entwicklung‘
seinen tiefsten wörtlichen Sinn zurück.“
1911, p. 194: (Die Selektion versagt als Erklärung der Ent-
wicklungsursache) ‚...so reduziert sich das ganze Problem auf
die physiologische Frage, wie überhaupt eine zu äußeren Verhält-
nissen in Beziehung stehende Form zustandekommen kann.“
1921, p. 758: „Es bleibt ..... immer wieder die letzte biologische
Grundfrage bestehen: vom Zusammenhang der Form und dem
bewußten oder unbewußten Bedürfnis des Organismus oder der
Gattung — eine durch und durch transzendente Frage, an der
unser Denken und daher erst recht die naturwissenschaftliche
Methode ihre Grenzen findet.“
Inhaltsübersicht.
I. (Spezieller) Teil.
Einleitung nr - BE a ER Re
Sturnus vulgaris Dulgaris 1. : RE ER, | 5
1Sturnus vulgaris intermedius Prz. . . . N A el.
1Sturnus. sophiae, Biauchi .. 2a we u ee re
Sturnus vulgaris.granti Hart! „... vn Sa en med
Sturnus vulgaris Jaröoensis Beildı, 2. 2 2 Su nr Sr
? Sturnus "vulgaris zeilandieus Hart... : 2. sn heuer.
Sturnüs vulgarıs pollaratskya Ensch 0 u 0. en nenn
TSturnus‘ menzbieri Share een er ee
?Sturnus vulgaris zaidamensis But. . ...... 2... 0... 21
Sturnus vulgaris graecus Tsch. OR EA RE ee
Sturnus vulgaris balcanicus But. & ns, nah
Sturmwus, vulgaris nitkoun: Bub. 2 00 u ee
1. Sturnus; vulgarıs cauensicus orn 2 u >
TSturnus poltaratskyi satuninn But. 2. 2... 2.2.2. 22.,...243
Sturnus vulgaris nobilior Hume DB a 37
Sturnus vulgaris porphyronotus Sh. 51
1Sturnus purpurascens dresseri But. 52
1Sturnus purpurascens johanseni But. . 52
-TSturnus taurieus harterti But. »- . SR RE
eis porphyronotus loudone: But. ...2...0.. 72 ar ea
?Sturnus vulgaris dzungarieus But. .. . . 22... u...
Sturnus vulgaris purpurascens Gould . RE en
1Sturnus tauricus But. . . , . SEE ENG DEI
1Sturnus vulgaris oppenheimi Neunk Re a en
Sturnus vulgaris Ihumiı Brooks... u er
Sturnus vulgaris minor Hume.“. .. u. 0
Sturmus vulgaris unicolor Temm. 0 ee
Bormenübersicht ‘,. ....... a eo.
Größentabelle: us na Sl sn!
Kärbungstabelle. 1 Hul.lne.... a, u ee Re
Karbungstabelle IE... 3,0022 2 ee
Zusammenfassung . . 84
Anmerkung: Die cl bezeichneten Saab nt nr der
betr. Formen,
Pi PIE NEN,
- Versuch einer Monographie des Formenkreises Sturnus vulgaris L. 147
Inhaltsübersicht.
II. (Allgemeiner) Teil.
Inhalt und Bedeutung der Formenkreislehre
Bopiie und Idee . ...=... . 91
l. Die Beziehungen der es Sulandhder norhalb eines
Formenkreises .. ee ey ae]
"Allgemeiner Begriff des Formenkteises. . 2... 2... gl:
. Die Abgrenzung der Formen . . 92
Individuelle Variationen. — " Atypische Kleider, —_ - erehersele Kon-
tinuität . . RE ER a RE ae a es et son de
Materialeröße EEE 95
Bestimmbarkeit der Rassen he — “ Geographisches. und
Fruchtbarkeitsmoment. — Bezeichnung der Rasse . ......%5
Variabilität. — Kurvendarstellung . . . 2.2... 2.072024: 98
Paläogeographie. — Wanderungsproblem . . . 2... 2.2.2. 107
Kassenbilduns ins Inselsebieteni.... ... nz... een.
ESTIERTEUNENE Bee a EL ER 1
Heverozygotie. — Definition des Formenkreisbegriffs . . ..... . 114
Eigenschaft. — Anlage. — Rassenbildung . . !..... -...15
- Fremdkleider und Mutationen. AR Nr: Sr et
Wertigkeit der Rassen. — Quaternäre Nomenklatur er ed
Über die These der Konstanz der Rassenmerkmale . : . ... . 122
2. Die Beziehungen der Rassen eines Formenkreises zu.
denen eines andern und damit die Beziehungen der
Formenkreise zueinander. — Allgemeine theoretische
Bedeutung der Formenkreislehre .. 124
Bedeutung der Ähnlichkeiten. Erle oblen und Descendenz-
theorie. — Quantitative und qualitative Merkmale. — Fruchtbar- --
keit. — Sexuelle Affinität und Aversion, — Mimikry. — Natur-.
wissenschaft und Naturphilosophie. — Empirie und Abstammungs-
theorie. — Verwandtschaftsbegriff. — Konvergenz. — Übergangs-
formen. — „Entwicklung“. — Einfachheit und. Vollkommenheit. —
' Darwin-Haeckel. — Variabilität und Zweckmäßigkeit. — Potenz-
begriff. — Vererbung. — ‚‚Neue“ Art im Sinne der Descendenztheorie
und in philosophischer Hinsicht. — Evolution-Epigenese. — Typus.
— Nichtfeststellbarkeit des Entstehens neuer T'ypen. — Nochmals
Bedeutung der Ähnlichkeit. — ‚‚Gattungen“. — Wert descendenz-
theoretischer „Erklärungen“. — Beweise aus anderen Disziplinen
: für die Theorie. — Umbildung innerhalb der Typen. — Fruchtbar-
- keit eine Funktion des Lebens. — Fruchtbarkeitsproblem und Bastar-
dierung. — Konstanz der Spezifität. — Gesetz und Leben. — Eigen-
gesetzlichkeit des Lebens. — Organismus und Materie. — Eigen-
gesetzlichkeit des Kreises. — Kausalität — Finalität. — Finalität,
Funktion des Lebens. — Schicksal als Logik des Organischen. —
„Bestimmung“. — Landschaft und Leben. — Genetische Artver-
wandtschaft, ein Symbol der;letzten Einheit. — Autonomie der Art.
erlnsee N Ere
> *
* *
Vergl. p. 127*: ‚Mag der Mutationssprung, welcher die Gefieder-
färbung beeinflußt, auch noch so groß sein, so beeinträchtigt er doch
unseres Wissens die sexuelle Affinität zwischen, SEEN und Mutante
nicht im geringsten.‘ — Stresemann, Journ. f. Ornith. 1922, p. 410.
10* 3, Heft
148 - Endre Dudich:
Rosalia alpina L. und ihre Formen
(Coleoptera, Cerambycidae).
Von
Dr. Endre Dudich, Budapest.
(Vorgetragen in der Ungarischen Entomologischen Gesellschaft
am 17. Februar 1922.)
(Mit fünf Texttafeln.)
Der Alpenbock (Rosalia alpina L.) variiert betreffs der Skulptur
und der Zeichnung der Flügeldecken in den südlichen und südöst-
lichen Teilen seines Verbreitungsareales so stark, daß eine ganze
Reihe von Aberrationen aus den Alpen, Italien, Ungarn, Buko-
wina und von der Balkanhalbinsel beschrieben wurde. }
Aurivillius führt in dem Col. Cat. 39 (Cerambycinae) 1912,
p. 327—329, schon 23 Aberrationen und 2 Varietäten auf, wozu sich
noch vier seither beschriebene gesellen: ab. serrata Brancsik, Trencs.
Mus. Egyl. Ertes. 1914, p. 6, fig.; ab. Csikii Laczö, Rovartani
Lapok, 2271918, p, 125, hie. 47 ab. Rleischen L.aczo, ]- cp 12%
fie. 5,6; ab. lineaia Laczö, |. c., p. 125, 0e 7.
‚Alle stammen aus Nordwestungarn (Com. Trencsen).
Das ganze ‚Sündenregister‘‘ umfaßt nunmehr 29 Namen.
Wenn man die Beschreibungen und die Abbildungen studiert,
wird es sofort augenscheinlich, daß die Mehrzahl der Aberrationen
keinen Namen verdient. An einem größeren Material sieht man,
daß kaum zwei vollkommen gleiche Exemplare vorzufinden sind.
Die Aufstellung und die Benennung von Aberrationen ist eine
Haarspalterei, eine Spielerei, die, wenn so fortgesetzt würde, die
Art in ihre Individuen auflöste. Dies ist aber für die Syste-
matik überhaupt nicht erwünscht, im Gegenteil müssen die Syste-
matiker den Aberrationsmachern energisch entgegentreten und
durch unbarmherzige Revisionen die Systematik von diesem über-
flüssigen Ballast befreien, durch schonungsloses Synonymieren die
Lust den ‚Mihilisten‘‘ benehmen.
Diese Ansicht hat mich geführt, als ich die kritische Be-
arbeitung der Rosalia-Aberrationen begonnen habe. Ob ich die
Aufgabe mit Erfolg gelöst habe, haben die Kollegen zu entscheiden.
Als Untersuchungsmaterial stand mir das Material des Ungarischen
National-Museums (darunter die Typen von E. Reitter), der Königl.
Ungar. Entomologischen Station, ferner die Sammlungen mehrerer
ungarischer Sammler (Bokor, Cerva, Gammel, Gebhardt, Guränyi,
Streda) zur Verfügung, so daß ich im ganzen 400 Exemplare vor
mir hatte. Den genannten Instituten und Herren, besonders dem
Herrn Oberforstrat Stephan Guränyi, der mir das interessanteste
Material lieferte, spreche ich für ihre liebenswürdige Unterstützung
meinen herzlichsten Dank aus.
RERER!
Rosalia alpina L. und ihre Formen 149
1. Die Nominatform.
Eine detaillierte Beschreibung halte ich für überflüssig, hier
sollen nur jene Merkmale hervorgehoben werden, die variabel sind.
Die Grundbehaarung ist grau, bläulichgrau oder fast blau, die
Zeichnungen tiefschwarz mit schmaler, weißlichgrauer Einfassung.
An der Basis der Flügeldecken befinden sich zahlreiche, kahle,
glänzend schwarze Höckerchen. Die Zeichnung besteht aus den
folgenden Elementen: 1. ein Fleck hinter der Schulter (Post-
humeralfleck, macula posthumeralis), der die Naht nicht erreicht;
2. eine gemeinsame Querbinde (Mittelbinde, faseia media) ungefähr
ın der Mitte, die an der Naht nicht unterbrochen ist; 3. ein Fleck
vor der Spitze (Anteapikalfleck, maeula anteapicalis), der die Naht
nicht erreicht. Zu dieser elytralen Zeichnung kommt noch ein
Fleck am Vorderrande des Pronotums (Pronotalfleck, macula
pronotalis).
Diese Zeichnungselemente sind betreffs ihrer Umrisse und
Flächenausdehnung außerordentlich variabel, sogar nicht selten
auf beiden Flügeldecken verschieden, so daß das Tier asymmetrisch
erscheint.
Der Posthumeral- und Anteapikalfleck können so in der Länge
wie in der Breite ausgezögen sein. Einmal erreichen sie den Seiten-
rand, andermal nicht. Die Grenzlinien der Mittelbinde sind manch-
mal fast gerade und parallel, am meisten aber gebogen, wellen-
förmig, gezackt, bikonkav, bikonvex, konkav-konvex, konvex-
konkav usw. Einmal ist sie an der Naht verjüngt, andermal er-
weitert. Sie erreicht fast immer den Seitenrand. Es treten ferner
Ausläufer, Einbuchtungen, Einschnürungen auf. Kurz und gut ist
die Mannigfaltigkeit so groß, daß ein begabter und eifriger „Mihi-
list“ Hunderte von Aberrationen aufstellen könnte. Die Ab-
bildungen (Texttafel III, Fig. 13—18, IV, Fig. 1—13) geben ein
annäherndes Bild über die Mannigfaltigkeit der Zeichnungselemente.
Trotz dieser großen Aberrationsfähigkeit sind die drei Zeich-
nungselemente: Posthumeralfleck-Mittelbinde-Anteapikaltleck als
solche ziemlich stark fixiert, so daß die überwiegende Mehrzahl der
Individuen der Nominatform angehört. Sie ist die regelmäßige
Form der Gegenwart, der Typus der Art. Ob auch phylogenetisch,
bleibt vorläufig dahingestellt.
2. Die var. syriaca M. Pic |
Beschrieben in Ann. Soc. Ent. France (7) 4, 1894, Bull.,
p. CCLXXXV. Stammt aus Syrien (Akbes). Grundfarbe deutlich
graublau, Pronotalfleck groß, die Elytralflecken weniger regel-
mäßig, besonders der Posthumeralfleck, der mehr oder weniger ın
der Mitte eingeschnürt ist. Die helle Einfassung der Flecken fehlt.
Mir liegen 9 Exemplare aus der Reitterschen Sammlung vor,
sämtlich aus Jerusalem. Ich fand die Charakterisierung von M. Pic
(l.c.) und Th. Pic (Ent. Nachr. :6, 1900, p. 12) für ganz zutreffend.
Die Unterschiede von der typischen alpina sind, wenn das Tier in
3. Heft
150- —- Endre Dudich::
natura vorliegt, viel mehr auffallend, als man sich nach der Be-
schreibung vorstellt. Besonders charakteristisch ist die Unregel-
mäßigkeit, vielleicht besser gesagt die Unruhigkeit der Grenz-
linien der Zeichnungselemente. Drei Exemplare (Texttaf. I,
Fig. 13—15) wurden von E. Reitter zu der ab. Pici Csiki gesteckt,
sie verdienen aber ebensowenig einen Namen wie diese Aberration
selbst. Zu der Charakterisierung kann ich noch hinzufügen, daß
die Höckerchen an der Basis der Flügeldecken vorhanden sind.
Th. Pic (1. c.) spricht die Vermutung aus, daß diese Varietät
sich später als eine selbständige Art herausstellen wird. Meiner
Auffassung nach ist diese Varietät wirklich eine gute Art, indem
sie nicht nur Färbungs- und Zeichnungsunterschiede aufweist, son-
dern auch plastische. Bei der Rosalia alpina sind, die Fühlerglieder
3.—5. des Männchens an der Spitze, in den Haarbüscheln mit je
einem großen, das Glied 6 mit einem kleinen Dorn bewehrt. Die
Männchen der var. syriaca tragen dagegen nicht nur an dem 3.—5.,
sondern auch an dem 6. Gliede je einen großen und noch dazu an
dem7. einen kleinen Dorn. Die Fühler der Je beider en
sind gleich bewehrt.
Aus diesem Grunde halte oh die var. syriaca für eine elbst
ständige Art, diein der Zukunft den Namen Rosalia syriaea MxaPie-
na za führen hate
3. Die Skulpturabänderungen.
var. Reicher Aurivillius
Beschrieben von Reiche, Au. Soc. Ent. France {9.0 1800,
Bull., p. CXVII (Aurivillius 1. c. p. 329 gibt irrtümlich p. 18 an),
erwähnt von Lameere, Ann. Soc. Ent. Belg. 31, 1887, p. 163, be-
nannt von Aurivillius (l. c.). Ihr Charakteristikum ist, daß die
Höckerchen, die Granulierung an der Basis der. Flügeldecken,
fehlen. Im älteren Sinne ist sie eine a ab. sculpt., da aber ihre
Variationsnatur (siehe Kolbe, Zft. f. wiss. Insektenbiologie 16,
1920, p. 60—62) noch unaufgeklärt ist, hat sie als ‚Form‘ f. Reichei
Auriv. 1912 zu gelten. — Sie stammt aus Sizilien.
ab. interrupta Reitter
Reitter hat diese Aberration folgendermaßen char akt
(W. E. Z. 19, 1900, p. 131): ‚,‚Wie die Stammform, die schwarze
Mittelbinde ist an der Naht schmal unterbrochen. — Hierher alle
meine Exemplare aus a — M. Pic (Longic. VII, 1, 1908,
p. 22) gibt als Patrien Gr., ‚ Jura an. — Die ab. interrupta |
wurde bisher als eine en aufgefaßt. Die Unter-
suchung der Typen führte mich zu einer anderen Auffassung.
In der Reitterschen Sammlung fand ich drei Exemplare: zwei
aus Sizilien, eins aus Bosnien (Majevica, Zoufal). Das erste sizilia-
nische Exemplar ist von Reitter als „v. interrupta m. .““ bezettelt,
dies ist also die Holotype. Das zweite ist eine Paratype, das dritte
endlich eine Ideotype, da es in der Originalbeschreibung nicht er-
wähnt _ stammt nicht von dem Originalfundorte, aber nach der
DM nl La > ln Jub. 1 Amalia LA Al Aula an u 2 an. —
\
N
Rosalia alpina L. und ihre Formen 151
Texttafel I
Publikation der Beschreibung von dem Autor selbst bestimmt
wurde. — Die Holotype ist wie Texttaf. III, Fig. 12, gezeichnet,
die Unterbrechung der Mittelbinde ist also keineswegs schmal. Die
Grundbehaarung ist so stark weißlich, daß die helle Einfassung der
Flecke kaum bemerkbar ist. Die Flecke erreichen den Seitenrand
nicht. Am wichtigsten scheint mir der Umstand zu sein, daß die
Höckerchen der Flügeldeckenbasis vollständig fehlen, was für die
5. Heit
152. : Endre Dudich:
f. Reichei charakteristisch ist. — Die Paratype und die Ideotype
(Texttaf. III, Fig. 8) haben eine wirklich schmal unterbrochene
Mittelbinde und eine gut entwickelte Granulierung (Höckerchen)
an der Flügeldeckenbasis.
Die ab. interrupta ist also eine mit der f. Reichei
verwandte Skulpturabänderung und umfaßt nur solche
Exemplare mit unterbrochener Mittelbinde, bei denen
die Granulierung der Flügeldeckenbasis fehlt. Solche
Exemplare, die in ihrer Zeichnung und Skulptur mit
der Paratype und der Ideotype übereinstimmen, sind
aus der ab. interrupta auszuschalten und haben als Zeich-
nungsabänderungen zu gelten. Hierher gehören wahrschein-
lich alle ‚interrwpta‘-Exemplare des Kontinents; solche kommen
. aber, wie die Paratype beweist, auch in Sizilien vor. Über ihren
systematischen Wert werde ich unten ausführlich sprechen.
Da die Variationsnatur der ab. interrupta noch nicht aufgeklärt
ist, bezeichne ich sie als f. interrupta Reitter 1900. Eine Vereinigung
mit der f. Reichei wäre meiner Ansicht nach nicht berechtigt, da
nichts über die Zeichnung der f. Reichei geschrieben wurde, also
ist sie wahrscheinlich typisch.
Ich halte es für nicht ausgeschlossen, daß es bei diesen Formen
sich um eine Mutation handelt. Oder sind sie als primäre Formen
anzusehen, die sich im Süden des Verbreitungsareals behalten
haben, demgegenüber eine superiore, rauher skulpturierte Form in
den übrigen Teilen des Areals vorherrscht? Die Frage kann ich
vorläufig nicht beantworten. Allerdings wäre es sehr interessant
zu wissen, wie die anderen sizilianischen Formen (ab. Croissandeanui
M. Pic, ab. guadrimaculata Ragusa, also die dunkelste und die
hellste Form!) und die Exemplare aus Tunis (siehe Brogniart, Nouv.
Arch. Mus. Paris, Ser. 3, Vol. 3, 1892, p. 244) skulpturiert sind.
4. Die Zeichnungsabänderungen.
Das Studium der Abänderungen führte mich zu den folgenden
Feststellungen:
1. Den Aberrationen kann man gar keinen geographischen
Charakter beimessen. — 2. Die Aberrationen treten unter den typi-
schen Individuen in ganz kleiner Prozentzahl auf. — 3. Die Ge-
schlechter variieren ungefähr in gleichem Maße, weder eine weib-
liche noch eine männliche Präponderanz war feststellbar. — 4. Das
Abändern ist nicht richtungslos, sondern es liegen gewisse Ab-
änderungstendenzen den Aberrationen zugrunde. — 5. Die Ab-
änderungsintensität der Zeichnungselemente nimmt in aboro-
oraler Richtung ab. — 6. Es kommen auch kombinierte (symme-
trisches Auftreten zweierlei Abänderungscharaktere) und einseitige
Aberrationen (asymmetrisches Auftreten der Abänderungscharak-
tere) vor.
Für die Feststellung der Variationsnatur der Aberrationen,
die ich im weiteren als „Formen“ (f.) bezeichnen werde, sind die
a |
Rosalia alpina L. und ihre Formen 195
16, UT e 18,
Texttafel IL
erwähnten Abänderungstendenzen von großer Wichtigkeit. Es
äußern sich nämlich folgende Tendenzen:
a) Zur Bildung einer Längsverbindung unter den Zeichnungs-
elementen (eonnexio). Endresultat: eine längsgestreifte Form. —
b) Zur Verkürzung (abbreviatio) der beiderseitigen Halbmittelbinde,
so daß die Mittelbinde an der Naht unterbrochen wird. End-
resultat: eine geileckte Fo:m. — c) Zur Bildung von Querverbin-
3. Helt
AR 2% Endre Dudich:
dungen (eommissio) zwischen den korrespondierenden Zeichnungs-
elementen beider Flügeldecken. Endresultat: eine quergebänderte
Form. — d) Zur Ausbreitung (dilatatio) und Zusammenfließen der
Zeichnungselemente. Endresultat: eine einfarbig dunkle (nigro-
tische) Form. — e) Zum völligen Verschwinden (reduetio) der
Zeichnungselemente. Endresultat: eine einfarbig helle Form.
Ich bin geneigt, diese fünf Tendenzen als Anzeiger eines ein-
heitlichen Entwicklungsprozesses, einer Zeichnungsevolution auf-
zufassen. Da das Variieren nicht in allen Richtungen stattfindet,
sondern sich auf einige Richtungen beschränkt, ist diese Zeichnungs-
evolution eine bestimmt gerichtete. Und dies ist bekanntlich das
orthogenetische Zeichnungsgesetz von Eimer.
Die vier Stadien von Eimer: forma striata, maculata, tigris
und eoneolor fallen mit den Endresultaten der Tendenzen a—d zu-
sammen, und auch die Abnahme der Abänderungsintensität in
aboro-oraler Richtung deutet auf die postero-anteriore Richtung
der Eimerschen Zeichnungsevolution hin. — Das Eimersche Zeich-
nungsgesetz hat schon in der Coleopterologie eine Anwendung ge-
funden. Zum Beispiel Escherich hat es (D. E. Z. 1892, p. 113—130)
auf die Gattung Zonabris Har., Schröder (Allg. Zft. f. Ent. 6, 1901,
7, 1902) auf die Adalia bipunctata L. angewandt. Es bringt uns in
die Lage, die bisher scheinbar isolierten Aberrationen von einem
einheitlichen Gesichtspunkt zu betrachten, als Glieder eines Ent-
wicklungsprozesses zu erblicken und ihre Variationsnatur fest-
zustellen.
Unsere erste Aufgabe ist die Stellung der Nominatform in dem
Eimerschen Nacheinander der Formen zu fixieren. — Zeichnungs-
phylogenetisch aufgefaßt stellt die Nominatform eine-noch
nicht vollständig ausgebildete f. Zigris dar, indem die
Mittelflecke beider Flügeldecken zu einer gemeinsamen Querbinde
zusammenfließen. Bei einer idealen f. tigris sollten drei Quer-
binden (transversalis) vorhanden sein, dieich, der postero-anterioren
Evolutionsrichtung entsprechend, von hinten nach vorn numeriere:
fascia anteapicalis: Transversalis I
media: A TI
‚ posthumeralis Ss Tl.
Es sei noch hervorgehoben, daß das eigentümliche Charakte-
ristikum der f. tigris in unserem Falle nicht in der Ausbildung der
gemeinsamen Querbinden, also nicht in der Commission liegt. Die
Commission ist nur eine sekundäre Erscheinung, die dadurch ent-
steht, daß wir die beiden Flügeldecken als ein einheitliches Gebilde
betrachten. Die primäre Ursache der Entstehung der f. tigris,
also ihr Charakteristikum, liegt darin, daß die Flecke der Einzel-
flügeldecke sich in Querrichtung bis zu der Naht verlängern.
Wenn wir so annehmen, daß die Zeichnung der R. alpina einer
orthogenetischen Evolution unterzogen ist und die Nominatform
eine Stufe der f. tigris darstellt, so können wir die abweichenden
Formen auf sie beziehen. Jene Formen, die zeichnungs-
Rosalia alpina L. und ihre Formen
13... 74, re 18.
= ) Texttafel III
phylogenetisch niedriger stehen 'als die Nominatform,
d. h. solche Zeichnungseigentümlichkeiten zeigen, die
die Nominatform im Laufe ihrer artlichen Evolution
schon längst hinter sich ließ, betrachte ich als Rück-
schläge, atavistische Formen (f. at.).. Diese lassen uns die zeich-
nungsphylogenetische Vergangenheit der Art vermuten, indem sie
3. Heft
15h 22 Endre Dudich:
die Etappen des Weges von einer längsgestreiften Form gegen die
Nominatform als gesetzmäßige Gegenwartsform darstellen. Sie
sind die Produkte einer regressiven Variation. — Jene Formen
dagegen, die betreffs der Zeichnungsevolution der
Nominatform vorübereilen, also solche Zeichnung zei-
gen, die die Nominatform noch nicht erreicht hat,
sind progressive Formen (f. progr.). Sie entstehen durch pro-
gressive Variation, sie antizipieren sozusagen die Zukunft.
Es ist selbstverständlich, daß, nachdem wir die Zeichnungs-
‘evolution nach Individuen einer rezenten Art festzustellen ver-
suchen, das erzielte Bild nicht in allen Punkten ganz klar sein
wird. Einerseits treten die Eimerschen Formen sehr selten ganz
typisch auf, sondern sie sind durch Annäherungsformen ver-
treten. Anderseits gesellen sich die progressiven und atavistischen
Merkmale am meisten mit den typischen Zeichnungselementen,
manchmal sogar beide gleichzeitig an einem Exemplar, so daß wir
dann über heterepistatische Exemplare reden müssen. Wenn
wir das vorliegende Material in eine zeichnungsphylogenetische,
lineare Reihe einzuordnen versuchen, wird es infolge der vor-.
kommenden Spezialisationskreuzungen nicht möglich.
i Aber dies war auch nicht mein Ziel. Ich wollte nicht die
Richtigkeit oder die Unrichtigkeit des Eimerschen Zeichnungs-
gesetzes prüfen, sondern mit Hilfe desselben eine systematische
Frage klarlegen. Deshalb schloß ich mich den Ansichten Eimers
ohne Vorbehalt an. Das Grundprinzip, das wir für die Beurteilung
des systematischen Wertes der Formen durch die orthogenetische
Auffassung der Variation erhalten, lautet: Nur jene Formen
(Aberrationen) sind aufrechtzuerhalten, die irgendeine
Phase der Zeichnungsevolution vollkommen oder bis
zu gewissem Grade vollkommen darstellen, dagegen
sind sämtliche Übergangsformen einzuziehen.
Ich möchte noch zwei Umstände hervorheben. Erstens, daß
Vererbungsversuche über die Zeichnungsformen, die manche For-
scher für die Beurteilung der Unterkategorien der Art als maß-
gebend verlangen, in unserem Falle — leider — nicht vorliegen.
Zweitens, worauf Reuter (in „Hemipterologische Spekulationen II“,
Festschrift für Palmen I, 1905—1907, Nr. 2, p. 13) aufmerksam ge-
macht hat, daß die Längszeichnungen der Coleopteren (und Hemi-
pteren) mit denen der Lepidopteren usw. gar nicht homolog sind,
das seinen Grund in der verschiedenen Tragweise der Flügel hat.
A. Atavistische Formen.
Der erste regressive Schritt findet von der Nominatform aus
dadurch statt, daß der tigris-Charakter verschwindet, indem
die Mittelflecke infolge einer Verkürzung (abbreviatio) die Naht
nicht mehr erreichen. So ist keine Mittelbinde, keine Transversalis
II vorhanden. Rein morphologisch ausgedrückt: die Mittelbinde
ist an der Naht schmal unterbrochen, auf jeder Flügeldecke be-
Rosalia alpina L. und ihre Formen 157
13% 14, 15, 16: ED 18.
Texttafel IV
finden sich drei Flecke. Diese Form entspricht der f. maculata
Eimers. — Diese Form ist es, die ich aus dem Formenkreis der
f. interrupta Reitter ausgeschieden habe, weil sie den Reichei-
Charakter nicht besitzt. In meinem Material war sie ziemlich
reich vertreten (Texttaf. III, Fig. 5—11). Obwohl diese Form
zeichnungsphylogenetisch begründet ist, verzichte ich auf die Be-
nennung und bezeichne ich sie als f. at. a. Übrigens ist sie schon
3. Heft
158 22:0 Bndre Dudich:’ -
bei Castelnau (Hist. Nat. des Ins. Col. II, 1840, t. 50, f. 2) ab-
gebildet.
Verschiedenartig ausgebildete Rückschlagsformen führen gegen
die f. striata Eimers. Bei diesen treten die atavistischen Charak-
tere immer mit der Transversalis II zusammen auf, sogar manchmal
noch schwache Progressionen dazu. Als Anzeichen einer einstens”
vorhandenen Längsverbindung unter den Flecken, oder was gleich-
bedeutend ist, eines Längsstreifes (stria longitudinalis) betrachte
ich die Fortsätze, die von den Zeichnungselementen gegeneinander
vorgestoßen wurden und die überzähligen Fleckchen unter den art-
lichen Zeichnungselementen. Diese weisen, wie die Reste einer
ehemaligen Landverbindung, auf eine Longitudinalis hin, die
später in die Posthumeral-, Mittel- und Anteapikalflecke dila-
zeriert wurde. >
Solche Fortsätze finden sich:
A. Zwischen Posthumeralfleck und Transversalis II, z. B.
Texttaf. I, Fig: 2, III, Fig. 18, IV, 2, 3. —B. Zwischen Trans-
versalis II und Anteapikalfleck, z. B. f. lineata Laczö (Texttaf. I,
Fig. 7), ferner Texttaf. IV, Fig. 13, 15, bei denen der Anteapikal-
fleck einen Ausläufer gegen die Transversalis II herausschickt.
Häufiger sind solche Formen, bei denen der umgekehrte Fall vor-
kommt, z. B. f. Piei Csiki (Texttaf. I, Fig. 11), f. Fleiseheri Laczö
(Texttaf. I, Fig. S—9), f. hamata Brancsik (Texttaf. I, Fig. 10). In
diesen Formenkreis gehören die Texttaf. I, Fig. 12—18 abgebildeten
Exemplare. Ziemlich häufig sind die Exemplare der f. prolongata
Reitter (Texttaf. III, Fig. 1—4), bei der die Transversalis II ent-
lang der Naht rückwärts gezogen Ist.
Überzählige Flecke treten zwischen der Transversalis II und
dem Anteapikalfleck auf, so bei der f. multimaeulata Th. Pie
(Texttaf. II, Fig. 18, 9) und f. quadripunetata Reitter (Texttaf. I
Fig. 46). Die letztere Form zeigtaucheinen schwachen progressiven
Charakter, die Verkleinerung des Anteapikalfleckes. Wenn diese
Verkleinerung zum völligen Verschwinden des Anteapikalfleckes
führt, entsteht die f. Kyselyi Zoufal, die aber, als eine ausgesprochen
progressive Form, nicht hierher gehören kann.
- Von diesen Formen wurden einige schon eingezogen. So hat
M. Pic (Bull. Soc. Ent. France, 1900, p. 231) die f. prolongata Reitter
für synonym mit der Nominatform erklärt, später die f. quadri-
Dunctata Reitter mit der f. multimaculata Th. Pic (Longic. VII. 1.
. 1908, p. 19). Aber keineswegs sind diese Formen synonym mit
der f. Brancsiki Laczö, wie C. Schaufuß (Calwers Käferbuch, 6. u
1,1916, p. 857) das behauptet.
Meiner Ansicht nach sind alle diese Formen nur
geringfügige Abänderungen der Nominatform, die die
Übergänge von der Nominatform zu einer längs-
gestreiften Form darstellen. Sie bieten uns wertvolle Aui-
schlüsse über eine Etappe der Zeichnungsevolution und ihre Be-
nennung. war seinerzeit vielleicht berechtigt, aber wenn man die
Rosalia alpina L. und ihre Formen 159
se
Variationen (welcher Rang diesen Formen damals gegeben wurde!)
und Aberrationen aus einem höheren Gesichtspunkte betrachtet,
so verlieren sie allen Wert. Ich ziehe sie alle als Synonyme
zu der Nominatform. Die entscheidenden Beweise meiner Auf-
fassung sehe ich in solchen Exemplaren, die verschiedene Aber-
rationscharaktere kombiniert (symmetrisch) oder einseitig
(asymmetrisch) aufweisen (Texttaf. II, Fig. 7—13). Diese zeigen
3, Heit
. 16.
18.
er V
160°: Endre Dudich:
einerseits die Wertlosigkeit der Formen, anderseits bestätigen sie
meine Auffassung, daß die Fortsätze und die überzähligen Fleckchen
eng zusammengehörende Zeichnungselemente sind. — Durch diese
Formen ist der Übergang von der Nominatform zu einer Form ver-
mittelt, bei der eine Längsverbindung zwischen der Transversalis II
und dem Anteapikalfleck, also die apikale Hälfte der Longitudinalis,
vorhanden ist. Das Zustandekommen solcher Formen geht aus
den Texttaf. II, Fig. 10—12, 14—17 so klar hervor, daß eine Be-
schreibung mir überflüssig erscheint. Die Texttaf. II, Fig. 18, stellt
die f. Gelineki Zoufal dar, die als später beschriebenes und weniger
ausgeprägtes Vorstadium der f. at. Reitteri Csiki (Texttaf. I, Fig. 1)
aufzufassen ist.
Durch Weiterführung der Prolongation der f. ‚drolongata ent-
steht eine juxtasuturale Verbindung zwischen der Transversalis II
und dem Anteapikalfleck: f. at. confluens Csiki (Texttaf. I, Fig. 3)
und ihre Synonyme: f. serrata Brancsik (Texttaf. I, Fig. 4). —
Die f. at. Reitteri Csiki und f. at. confluens Csiki sind als Formen
aufrechtzuhalten, weıl bei ihnen ein atavistischer Charakter, die
durch Konnexion entstandene apikale Hälfte der Longitudinalis,
gut ausgeprägt ist.
Die durch Konnexion dr Transversalis II und des Post-
humeralfleckes entstandene basale Hälfte der Longitudinalis finden
wir bei der f. at. connexa Reitter (Texttaf. I, Fig. 5), die allerdings
einen geringfügigen progressiven Charakter, zwei Postscutellar-
fleckchen hat. Mit dieser ist die f. latemaculata Th. Pic synonym,
welche eine besser ausgeprägte Rückschlagsform ist, indem die
Längsverbindung breiter ist und keine Postskutellarfleckchen an-
wesend sind. Leider wurde sie später beschrieben, und das Vor-
handensein der Postskutellarfleckchen bietet uns keinen genügenden
Grund, die f. at. connexa aus der Gruppe der atavistischen Formen
auszumerzen.
Eine Form, bei der die ganze Longitudinalis vorhanden wäre,
die also die Eimerschen f. striata entsprechend die regressive
Variationsrichtung abschlösse, ist vorläufig nicht bekannt. Die
Annäherungsformen fasse ich als formae eonnexae zusammen, und
zwar f. antieeconnexae, wenn die basale, f. postieeeonnexae, wenn
die apikale Hälfte der Longitudinalis ausgebildet ist. Diese Be-
nennungen sind keine systematischen Namen, sondern
ich will. damit nur ‘die. Tendenz des Varnuerens zum
Ausdruck bringen.
Die Gruppe der alayisfischen Formen umfaßt also die alsanıa
Glieder:
I. Der Formenkreis der Eimerschen f. maculata. Formen
ohne Transversalen, mit drei wohlentwickelten Flecken auf den
beiden Flügeldecken: f. at. a. (interrupta Rtt. autorum).
Il. Der Formenkreis der Eimerschen f. striata. Formen mit
Transversalis II und mit partiell ausgebildeter Longitudinalis
(f. connexae).
Rosalia alpina L. und ihre Formen 161
1. f. posticeconnexae:
f. at. Reitteri Csiki 1900, f. at. confluens Csiki 1900,
Gelinekt Zoufal 1906: seyrata Brancsik 1914.
9. f. anticeconnexae:
f. at. connexa Reitter 1900,
latemaculata Th. Pic 1908.
Die folgenden Formen sind als Synonyme zu der Nominatform
zu ziehen: f. Jineata Laczö 1915, f. Picı Csiki 1900, f. Fleischer:
Laczö 1915, f. hamata Brancsik 1910, f. prolongata Reitter 1900,
f. multimaculata Th. Pic. 1900, f. quadripunctata Reitter 1901.
B. Progressive Formen.
Der erste progressive Schritt findet durch Bildung mehrerer
Transversalen statt, so daß die Formen sich mehr als die Nominat-
form der Eimerschen f. tigris nähern. Die Anteapikal- oder die Post-
humeralflecken breiten sich in Ouerrichtung bis zu der Naht aus,
so daß die beiderseitigen Ouerbinden sich an der Naht berühren,
scheinbar zusammenfließen (commissio). — Die Transversalis I ist
bei der f. progr. bifaseiata Reitter (Texttaf. IV, Fig. 14) aufzu-
finden. Die Anlagen einer Transversalis II erblicke ich in den Post-
skutellarflecken der f. geminata Reitter (Texttaf. IV, Fig. 16—18),
die sonst als geringfügige progressive Abänderung mit der Nominat-
form synonym ist. Die Transversalis III ist vollständig, aber nicht
vollkommen bei der f. progr. Csikii Laczö (Texttaf. V, Fig. 1) ver-
wirklicht, die deshalb aufrechtzuerhalten ist. — Eine Form mit
vollkommen ausgebildeten drei Transversalen, also die typische
Eimersche f. tigris ist bisher nicht bekannt geworden. Die An-
näherungsformen fasse ich als formae eommissae zusammen, und
zwar f. posticecommissa (Transversalis I und II ausgebildet), £. medio-
commissa (Transversalis II ausgebildet, Nominatform) und f. antice-
commissa (Transversalis Il und III ausgebildet). — Die letzte Form
Eimers ist die durch Dilatation und Zusammenfließen der Zeich-
nungselemente entstehende f. concolor. Diese sekundär nigrotische
Horw (ch DL. Schulze, D. BE. 7. 1918, p. 174) ist durch. eine An:
näherungsform (f. dilatata) vertreten: f. progr. Croissandeaui M. Pic
und ihre Synonyme f. Kautzi Ganglbauer (Texttaf. V, Fig. 2). —
Eine weitere progressive Tendenz äußert sich in dem Verkleinern
und völligem Verschwinden (reductio) der schwarzen Zeichnungs-
elemente. Das Endresultat wäre eine einfarbig helle f. redueta, die
aber nur durch Annäherungsformen (f, ferereduetae) vertreten ist.
Hierher gehören die folgenden Formen:
Wenn die Reduktion alle Zeichnungselemente nahezu gleich-
zeitig trifft, so entstehen unvollkommene Formen, wie die f. seX-
'maeulata Leoni (Texttaf. V, Fig. 16, Anteapikalfleck klein, Mittel-
binde auf je einen kleeblattartigen Fleck reduziert, Posthumeral-
fleck normal) und die f. V-notata Th. Pic (Texttaf. V, Fig. 17, Ante-
apikalfleck klein, Mittelbinde auf eine gemeinsame V-artige Zeich-
Archiv er ee 11 3, Heft
162 " Endre Dudich:
nung an der Naht reduziert, Posthumeralfleck klein). Beide
Formen als unvollendete Übergänge sind mit der
Nominatform synonym. — Zu endgültigerem Resultat führt
die Tendenz, wenn die Reduktion, der postero-anterioren Richtung
entsprechend, sich zuerst an dem Anteapikalfleck vollendet und
sich nachher an der Transversalis II fortsetzt.
Der Reduktionsvorgang des Anteapikalfleckes war an meinem
Material sehr gut zu verfolgen. Eine ununterbrochene Reihe der
Übergänge führt von der Nominatform gegen die f. progr. obliterata
Th. Pic, der der Anteapikalfleck gänzlich fehlt.
. Wie die Abbildungen der Nominatform zeigen, ist die Form
und die Flächenausdehnung des Anteapikalfleckes an und für sich
schon äußerst variabel. Er ist fast immer mehr oder ‘weniger ein-
geschnürt. Das Verkleinern führt zuerst zu der f. pausa Brancsik
(Texttaf. V, Fig. 3—4), dann wird die Einschnürung tiefer (Texttaf.
V, Fig. 5—6) und zergliedert den Fleck in ein inneres, kleines und
ein äußeres, größeres Fleckchen: f. Branesiki Laczö (Texttaf. V,
Fig. 7—10). Das innere Fleckchen verschwindet rechtsseitig
(Texttaf. V, Fig. 9), linksseitig (Texttaf. V, Fig. 8, 10) oder beider-
seitig und das übrigbleibende wird ganz winzig: f. parvonotata
Reitter (Texttaf. V, Fig. 11—12).. Endlich reduziert sich dieses
Fleckchen zuerst einzelseitig, rechts (Texttaf. V, Fig. 13) oder links,
so daß dann durch beiderseitige Reduktion die f. progr. obliterata
- Th. Pic (Texttaf. V, Fig. 14-15) entsteht. — Die f. progr.
obliterata Th. Pic, als vollendete Form, ist aufrechtzu-
erhalten, dagegen die f. dausa Brancsik, Brancsiki.
Laczö und f. Harvonotata Reitter sind als Übergänge
zu der Nominatform zu ziehen. Die letztere wurde schon
von M. Pic (Bull. Soc. Ent. France 1900, p. 231) eingezogen. —
Mit der f. progr. obliterala ist die f. Kyselyi Zoufal synonym.
Diese ‚hat ein überzähliges Fleckchen hinter der Mittelbinde, also
einen schwachen, regressiven Charakter und entstand - offenbar
durch Reduktion des Anteapikalfleckes aus der f. guadripunctata
Reitter. — Die am weitesten vorgeschrittene Reduktionsform ist
die f. progr. puadrimaeulata Ragusa (Texttaf. V, Fig. 18), bei der
der Anteapikalfleck fehlt, die Transversalis II und der Posthumeral-
fleck stark reduziert sind und sogar der Pronötalfleck fehlt. Sie ist
die bisher bekannte hellste Form, die die progressive Variations-
richtung abschließt.
Ich bemerke noch, daß die Reduktion des Pronotalfleckes keine
sprungweise auftretende, keine halmatogenetische Erscheinung
ist, sondern Übergänge vorliegen. In meinem Material fand ich
Exemplare, besonders der f. $arvonotata Reitter angehörend, bei
denen dieser Fleck hinten in der Mittellinie eingekerbt ist. Diese
Einkerbung kann über die Mitte des Fleckes vorschreiten. Eine
weitere Phase dieses Vorganges stellt die f. bidunctata Laczö (1921,
nomen in litt.) dar, indem hier der Fleck schon gespaltet ist. Zum
Schluß verschwindet er gänzlich.
Rosalia alpina L. und ihre Formen 163
Die Gruppe der progressiven Formen umfaßt also die folgenden
Formen:
I. Formenkreis der Eimerschen f. tigris. Formen mit zwei
Transversalen (f. commissae).
1. f. posticecommissa: f. progr. bifasciata Reitter 1900.
2. f. anticecommissa: f. progr. Csikit Laczö 1915.
Mit der Nominatform synonym: f. geminata Reitter 1900.
II. Formenkreis der Eimerschen f. concolor. Formen mit
stark ausgeprägtem, sekundären Nigrismus (f. dilatatae).
f. progr. Croissandeaui M. Pic 1891,
Kautzi Ganglbauer 1899.
III. Formenkreis der f. reducta. Formen mit mehr oder
weniger reduzierter schwarzer Zeichnung (f. ferereductae).
f. progr. obliterata Th. Pic 1900,
Kyselyi Zoufal 1906.
f. progr. quadrimaculata Ragusa 1905.
Mit der Nominatform synonym: f. sexmaculata Leoni 1906,
1. V-notata Th. Pic 1908, f. fausa Brancsik 1910, f. Brancsiki Laczö
1910, f. Darvonotata Reitter 1900.
C. Heterepistatische Formen.
Eine ganz besondere Stellung nimmt die £. transsylvanıca Csiki
ein (Texttaf. I, Fig. 6). Bei dieser Form finden wir einen stark
regressiven Charakter (Vorhandensein der basalen Hälfte der
Longitudinalis) mit einem ebenso starken progressiven Merkmal
(Fehlen des Anteapikalfleckes) vereinigt. Im Sinne Eimers fasse
ich sie’als eine heterepistatische Form auf: f. heterep. trans-
sylvaniea Csiki 1900.
Zusammenfassung.
Nach meinen Untersuchungen umfaßt die Art Rosalia alpinaL.
die folgenden Formen: >
1. Die Nominatform, zu der 7 schwach-regressive und 6
schwach-progressive Formen (Übergänge) als Synonyme gezogen
wurden.
2. Skulpturabänderungen: f. Reichei Auriv. und f. ınterrupta
AReitker.
3. Zeichnungsabänderungen: er
a) Atavistische Formen: f. at. a., f. at. Reitteri Csiki,
f. at. confluens Csiki, f. at. connexa Reitter.
b) Progressive Formen: f. progr. bifasciata Reitter, f. progr.
. Csikii Laczö, f. progr. Croissandeaw M. Pic, f. progr. obliterata
Th. Pic, f. progr. quadrimaculata Ragusa.
c) Heterepistatische Formen: f. heterep. transsylvanıca
Csiki.
Ich hoffe, daß die Zahl der Zeichnungsabänderungen in der
Zukunft noch mehr reduzierbar wird, und zwar auf sechs: f. striata,
maculata, tigris, concolor, reducta und heterepistatica.
11* 3. Heft
164 ; Endre Dudich:
Dieser Fall wird eintreten, wenn die f. striata, tigris, concolor
und reducta nicht nur durch Annäherungsformen (f. connexae,
commissae, dilatatae, ferereductae) verwirklicht, sondern
in ihren typischen Formen entdeckt werden.
Es wäre sehr interessant, die Zeichnungsverhältnisse der
übrigen Rosalia-Arten vergleichend zu studieren, wozu kein ge-
nügendes Material mir — leider — zur Verfügung steht. Aus dem
Material des Ungarischen National-Museums, sowie aus den Be-
schreibungen und Abbildungen der übrigen Aıten schließe ich, daß
eine Homoeogenesis betreffs der Zeichnung innerhalb der Gat-
tung zu konstatieren sein wird. Ganz besonders lehrreich sind die
Formen der R. Lameeri Brongn. und R. Batesi Harold, die mit
einigen Formen der R. alpina L. vollkommen homoeogenetisch er-
scheinen. — Es läßt sich vielleicht die zum ersten Male von Esche-
rich (D. E. Z. 1892, p. 128) festgestellte Regel auch hier bestätigen,
welche lautet: „Diejenigen Arten, die die Übergänge zwischen zwei
der obengenannten Hauptzeichnungsformen bilden, sind in bezug
auf die Zeichnung sehr unbeständig, während im Gegensatz die-
jenigen Arten, die eines der 4 Stadien in reiner Form darstellen,
in bezug auf die Zeichnung sehr konstant sind.‘‘ Wie wir gesehen
haben, stellt die Nominatform der R. alpina L. das tigris- Stadium
nicht in reiner Form dar, und sie ist auch — der Regel von Escherich
entsprechend — sehr unbeständig. — Es wird sich vielleicht er-
geben, daß eine Epistasis oder eine Heterepistasis auch in der
Artevolution eine Rolle spielte und die drei Untergattungen
(Rosalva s. str., Eurybatus Thoms., Eurybatodes A. Semen.) unter-
einander nicht in gleicher Entwicklungshöhe stehen. — Die feineren
Detaillen der Zeichnungsevolution und die eventuelle Farben-
folge wären auch noch genauer festzustellen, was ebenfalls erst an
einem reichlichen Material möglich ist.
Alles in allem interessante Fragen und dankbare Themas für
einen. Cerambycidenspezialist, der in der Speziessystematik der
Gattung Ordnung schaffen will.
Literatur.
Branesik, Species et varietates novae Coleopterorum exoticorum ac palae-
areticorum. Trenes. Term.-tud. Egylet Evk. 1908—1910, p. 176—190.
— Coleoptera nova. A Trenesenvärm. Muz. Egyl. Ertes. 1914, p. 58— 69.
Csiki, A havası ezinezerröl. Rovartani Lapok, 7. 1900, p. 100-102.
Ganglbauer, Eine bemerkenswerte Aberration der Rosalia alpina L. Ann.
Naturh. Hofmus. Wien 14. 1899, p. 62.
Laeczö, A havasi eincer uj vältozata. Rovart. Lapok 17. 1910, p. 12. —
Uj bogär-fajvältozatok. Rovart. Lapok 22. 1915, p. 125—126.
Leoni, Specie et varietä nuove o poco cognite di Coleotteri italiani. Riv.
Col. Ital. 4. 1906, p. 108—110,
M. Pie, Mat. pour servir a ’etude des Longicornes I. 1891, p. 22. — Recti-
fications et synopsis sur le genre Rosalia L. L’Eehange Rev. Linn. 16.
1900, p. 58— 60. — Notes synonymiques. Bull. Soc. Ent. France 1900,
p- 230— 231. — Sur Rosalia alpina L. et ses varietes ou aberrations.
Mat. Longic. VII. 1908, p. 18—22.
eV
Th.
Rosalia alpina L. und ihre Formen 165
Pie, Über Rosalia alpina L. und deren Varietäten. Entomol. Nach-
richten 26. 1900, p. 11—12. — 'Deux nouvelles varietes de Rosalia
alpina L. LW’Echange Rev. Linn. 24. 1908, p. 33.
Ragusa, La Rosalia Alpina L. di Sicilia e le sue varietäa. Il Naturalista Sici-
liano 18. 1905, p. 7—8.
Reitter, Coleopterologische Notizen, LXIX. W.E.Z. 19. 1900, p. 130—132.
— Vierzehnter Beitrag zur Coleopteren-Fauna von Europa und den
angrenzenden Ländern. W. E. Z. 20. 1901, p. 200—202.
— Coleopterologische Notizen. W. E. Z. 20. 1901, p. 57—59.
Sehaufuss, Calwers Käferbuch, 6. Aufl. II, p. 856— 857.
Zoufal, Zwei neue Färbungsvarietäten von Rosalia alpina L. W. E. 7. 25
1906, p. 264.
Kataloge: Catal. Coleopter. Euröpae etc. 1906, p. (Spalte) 516. — Chr. Auri-
Fig.
villius: Cerambyeidae: Cerambycinae Junk-Schenkling: Coleopter.
Catalogus, Pars 39, 1912, p. 327 — 329.
Figurenerklärung.
Texttafel Il.
.1. £. at. Reitteri Csiki. (Velebit.) Nach der Type. — Fig. 2. Übergang
zur f. at. connexa Reitter. (Carniolia.) Coll. Mus. Nat. Hung. —
Fig. 3. £. at. confluens Csiki. Nach Csiki. — Fig. 4. £. serrata Branesik.
Nach Branesik. — Fig. 5. f. at. connexa Reitter (Carniolia). Nach der
Type. Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 6. £. heterep. transsylvanıca Csiki.
Nach Csiki. — Fig. 7. f. lineata Laczö. Nach Laczö. — Fig. 8—9.
f. Fleischeri Laczö. Nach Laezö. — Fig. 10. f. hamata Brancsik. Nach
Branesik. — Fig. 11. £. Pici Csiki. Nach der Type (Hung.). Coll. Mus.
Nat. Hung. — Fig. 12. Ohne Fundort. Coll. Streda. — Fig. 13—15.
Exemplare der R. syriaca M. Pie mit aberranter Zeichnung (Jerusalem).
Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 16. Gombäs (Hung. sept.-oce.). Coll.
Guranyi. — Fig. 17. Gombäs (Hung. sept.-oce.). Coll. Guränyi. —
Fig. 18. Herkulesfürdö. Coll. Streda.
Texttafel II.
1. £. multimaculata T. Pic. Nach Csiki. — Fig. 2. Dieselbe (Krain).
Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 3. Dieselbe (ohne Fundort). Coll. Mus.
Nat. Hung. — Fig. 4. f. quadripunctata Reitter (Hung. centr.). Nach
der Type. Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 5. Dieselbe (Gombäs). Coll.
Guranyi. — Fig. 6. Dieselbe (Gombäs). Coll. Guränyi. — Fig. 7—17.
Übergänge zur f. at. Reitteri Csiki (Gombäs). Coll. Guränyi. — Fig. 18.
f. Gelineki Zoufal (Gombäs). Coll. Guränyi.
Texttafel III.
1. f. prolongata Reitter (Transsylv.). Nach der Type. Coll. Mus. Nat.
Hung. — Fig. 2. Dieselbe (Bukowina). Nach der Cotype. Coll. Mus.
Nat. Hung. — Fig. 3. Dieselbe (Gombäs). Coll. Guränyi. — Fig. 4.
Dieselbe (Börzsönyer-Gebirge). Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 5. f. at a.
(Gombäs). Coll. Guränyi. — Fig. 6. Dieselbe (ohne Fundort). Coll.
Mus. Nat. Hung. — Fig. 7. Dieselbe (Bosnien). Coll. Mus. Nat. Hung. —
Fig. 8. Dieselbe (Gombäs). Coll. Guränyi. — Fig. 9. Dieselbe (Mehadia).
Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 10. Dieselbe (Herkulesfürdö). Coll.
Streda. — Fig. 11. Dieselbe (Herkulesfürd6). Coll. Streda. — Fig. 12.
f, at. interrupta Reitter (Sic... Nach der Holotype. Coll. Mus. Nat.
Hung. — Fig. 13—18. Nominatform. — Fig. 13. (Ludbreg. Cro.).
Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 14. (Ohne Fundort.) Coll. Mus. Nat.
Hung. — Fig. 15. (Herkulesfürdö.) Coll. Streda. — Fig. 16—13.
(Gombäs). Coll. Guränyi.
Texttafel IV.
. 1-13. Nominatform. — Fig. 1—7. (Gombas.) Coll. Guränyi. — Fig. 8.
(Börzsönyer-Gebirge.) Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 9. (Hung.) Coll.
Mus. Nat. Hung. — Fig. 10. (Vöröstorony, Transsylv.) Coll. Mus. Nat.
Hung. — Fig. 11. (Ungvölgy, Hung. sept.-or.) Coll. Cerva. — Fig. 12.
SSElekt
166
Endre Dudich: Boa alpina L. und ihre Formen
(Pees, Pann.) Coll. Gebhardt. — Fig. 13. (P6es, Pann.) Coll. Gebhardt.
— Fig. 14. £. progr. bifasciata Reitter (ohne Fundort). Nach der Type.
* Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 15. Übergang zur f. at. -Reitteri Csiki
(Bukowina). In der Reitterschen Sammlung zu f. progr. bifasciata
gesteckt. Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 16. f. geminata Reitter (Nyit-
raer Komitat, Hung., sept.-oce.). Nach der Type. Coll. Mus. Nat.
Hung. — Fig. 17—18. Dieselbe (Gombäs). Coll. Guränyi.
Texttafel V.
.1. £. progr. Osikii Laczö. Nach Laczö. — Fig. 2. f. Kautzi Ganglbauer.
Nach Ganglbauer, schematisiert. — Fig. 3. f. pausa Brancsik (Gombaäs).
Coll. Guränyi. — Fig. 4. Dieselbe (Herkulesfürdö). Coll. Streda. —
Fig. 5. (Börzsönyer-Gebirge). Coll. Mus. Nat. Hung. — Fig. 6. (Gombaäs).
Coll. Guränyi. — Fig. 7. f. Brancsiki Laczö (ohne Fundort). Coll. Mus.
Nat. Hung. — Fig. 8-10. Dieselbe (Gombäs). Coll. Guränyi. —
Fig. 11. f. parvonotata Reitter (Bukowina). Nach der Type. Coll. Mus.
Nat. Hung. — Fig. 12. Dieselbe (Gombaäs). Coll. Guränyi. — Fig. 13.
(Gombäs.) Coll. Guränyi. — Fig. 14—15. f. progr. obliterata Th. Pic
(Gombäs.) Coll. Guranyi. — Fig. 16. f. sexmaculata Leoni. Nach der
Beschreibung konstruiert. — Fig. 17. f. V-notata Th. Pic. Nach der
Beschreibung konstruiert. — Fig. 18. f. progr. quadrimaculata Ragusa.
Nach der Beschreibung konstruiert.
e
DS
KEN
zZ
Ama 26
Heft :
12.
Inhalt der Jahresberichte.
Mammalia.
Avos,
Reptilia und Amphibia,
Pisces.
Insecta. Allgemeines.
Coleoptera. |
Hymenopterä,
Lepidoptera. |
Diptera und Siphonaptera,.
Rhynchota.
Orthoptera— Apterygogenea.
Myriopoda.
Arachnida,
Prototracheata,
Crustacea:: Malacostraca, Entomostraca, Gigantoßtraca,
Tunicata, ErIsuogontm
Mollusca. Anhang: Solenogastres, Polyplacophora.
Brachiopoda,
Bryozoa,
Vermies,
Echinodermata.
Coelenterata.
Spongiae,
Protozoa.
‚Archiv für Naturgeschichte
F
BAER
Hieolaisehe u. Terlags-Bnekhandlung R. Strieken
Berlin W 57, Potsdamer Str. 0. Re
Drigial-Arellen zonlogischen Imalıs
: a Separala
Entomologischer J ahresbericht
Jahrgang:
1838 19818
Entomologische Zeitschrift
dahrgang:
1838 — 1916
Der Jahresbericht sowohl: wie die Zeitschrift enthalten ‚Arbeiten von
Erichson, Schaum, Gerstaecker, F. Brauer, Bertkau, von Martens, Fowler,
Hilgendorf. Kolbe, Stadelmann, Verhoeff, Wandolleck, R,. Lucas, von Seidlitz,.
Kublgatz, Schouteden, Rühe, Strand, Ramme, La Baume, Hennings, ren
. Btobbe, Stendell, Tel Die.
Krells Buchdruekerei, Berlin Ss.
INIINNNINNUN
3 2044 093 329 ıll