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FOR THE. PEOPLE
FOR EDVCATION
FOR. SCIENCE
LIBRARY
OF
THE AMERICAN MUSEUM
OF
NATURAL HISTORY
ARCHIV
NATURGESCHICHTE
GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON |
W.F. ERICHSON, F.H. TROSCHEL,
EB. VON MARTENS, F. HILGENDORF,
W. WELTNER UND E STRAND
en
NEUNUNDACHTZIGSTER JAHRGANG
1923
Abteilung A
9. Heft
HERAUSGEGEBEN
VON
EMBRIK STRAND
NICOLAISCHE
VERLAGS-BUCHHANDLUNG R-STRICKER
Berlin
Inhaltsverzeiehnis.
Seite
R. Schander und R. Meyer. Die Kae der Feldmäuse. (Mit
ESTSEHHSNTER).. U ea 5
Alfred Becker. Das postembryonale Wachstum dis deutschen Schäfer-
hundschädels. (Mit 18 Dextfiguren) . . ... . . 2 on. n.. 33
NLA ee >
. Zur Bekämpfung der Feldmäuse.
Von -
. Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer.
Aus dem Institut für Pflanzenkrankheiten der Landw.
Versuchs- und Forschungsanstalten in Landsberg a. W.
(Mit vier Textfiguren.)
Die Abteilung für Pflanzenkrankheiten des Kaiser-Wilhelms-
Institutes für Landwirtschaft in Bromberg übernahm im Jahre 1915
von dem Sonderausschuß für Pflanzenschutz der D. L. G. die Aufgabe,
Versuche über die Bekämpfung der Feldmäuse durchzuführen und
die bisher im Gebrauch befindlichen Methoden und Mittel einer ein-
gehenden Prüfung zu unterziehen. Die angestellten Versuche gliederten
sich in Laboratoriums- und in Feldversuche. Leider konnten diese den
gewünschten schnellen Fortgang nicht nehmen, einmal -weil die
Witterungsverhältnisse im Winter 1914/15 ein fast vollkommenes
Verschwinden der Mäuse in der Ostmark bewirkten, und weiterhin
weil der Abteilung durch den Krieg die Arbeitskräfte genommen
wurden, die für die Durchführung der Versuche notwendig waren.
An den Versuchen in Bromberg beteiligte sich besonders der Zoologe
Dr. Burkhardt, jetzt Assistent an der landwirtschaftlichen Hoch-
schule in Berlin. Auch nach Beendigung des Krieges konnten die
Versuche infolge der politischen Verwicklungen mit Polen nicht wieder
aufgenommen werden. Im Januar 1920 wurde das Kaiser-Wilhelm-
Institut durch die Polen besetzt. Das frühere Kaiser-Wilhelms-Institut
wurde im Herbst 1920 in seinem alten Bestande in Landsberg a. W.
wieder neu eröffnet. Erst im Scmmer 1921 war es uns möglich, die
in Bromberg begonnene Arbeit wieder aufzunehmen.
Bei der Bearbeitung hielten wir es für notwendig, einmal eine
möglichst zusammenhängende Darstellung der außerordentlich zahl-
reichen Literatur über Feldmöuse zu geben, die soweit es uns tunlich
erschien, bei den einzelnen Versuchen mit verarbeitet worden ist.
‚Pflanzenkrankheiten und tierische Schädlinge, die dem Menschen
. die Ergebnisse seines Fleißes streitig machen, gibt es seit den Anföngen
der menschlichen Kultur. ‘Wohl zu den ältesten und verbreitetsten
Schädlingen 'gehören die Feldmäuse. Sehon aus dem grauen Altertum
liegen uns Berichte über das Auftreten von Feldmausplagen vor.
Vielleicht dürfte es interessant sein, hierüber auch einige Chroniken
aus dem Mittelalter zu hören: - N =
Archiv für Nafurgeschichte.
1923. A. 9. 1 9. Heft
2 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Aus Sachsener’s „Keyser Chronick“ (gedruckt 1615):: 1233.
Bey Frisingen kam ein solcher hauffen Meuse gelauffen, die alle
Früchte abnageten und die Leute aus den Häusern jagten.
‘Aus der Baseler Chronick des Chıistian Wustisen (gedruckt
1765): 1277. Es fressen auch die Feldmäus die Frucht ab, dass kaum
der dritte Teil zu Nutz kamen. |
Aus W. Hagecii Böhmische Chronick \gedruckt 1718): 1380.
In Böhmen aber sind so viel Mäus gewesen, daß sie im Felde das aus-
gesäete Getraide dermaßen gefressen, daß man nachmals nichts zu
schneiden hatte; sie hatten auch an vielen Orten das Gras abgefressen.
Man meynete, sie wären etwa vom Gewitter hergekommen.
Aus der Augspurgischer Chronicken Ander Teil (gedruckt 1595):
1506. Diss Jahr waren nicht allein in der ‘Stadt, sondern auch auff
dem Feldt der Mäuss so viel als bey Manne gedenken soll ges: hehen seyn,
Aus Theatri Europaei, historische Beschreibung aller vornembsten
und denkwürdigsten Geschichten: 1670. Im Frieß- und Gröninger
Land that sich im Mertzen eine unzählbare Menge Erd-Möuse hervor,
so großen Schaden verursachten. — 1676. In Os5-Frießland wie auch
in dem 'Oldenburgischen ließen sich ungewöhnlich große Mäuse von
allerley Farben und zwar unzöhlig viel sehen, welche die Kornfrüchte
‚auf den Äckern gar verzehrten und die Ähren von den Halmen ab-
bissen und in ihre Löcher schleppten und zwar in solcher Menge, daß,
wenn man die Erde umgrübe, bey halben Hüten voll selbige berauss
nehmen kunte. — 1691. Im Januario funden sich umb.Rom und auf
dem Felde daherum eine unglaubliche Zahl Feld-Mäuse, welche die
Saat in dem Felde gäntzlich verzehreten, wesshalb der Pabst ver-
ordnete, gegen gewisse Belohnung selbige auszurotten und wurden
auch in einer Wochen 10000 gefangen. — 1700. Im Monat Sept.
hat sich bey Cölln und in den Jülischen Dörfern eine unbeschreibliche
Menge Mäuse befunden. So sind auch zu Dordrecht im Okt. die Feld-
Mäuse von ungemeiner Größe täglich etliche tausend mit einander
von Papendrecht über die Warne nach besagter Stadt geschwommen,
von denen jedoch .die meisten davon so matt gewesen, daß die die
Kinder mit der Hand gefangen.
Aus dem Geschichtsspiegel: Remarquable curiosa, so sich im
Eichsfeld und anderen benachbarten Ländern, sonderlich aber in der
Churfürstliche Mayntzische Hauptstadt des Eichfelds Heiligenstadt
zugetragen: 1753. Ist ein solcher Sommer gewesen, der extra schöne,
wie wohl wenige Winterfrüchte gegeben, zugleich unglaublich viele
Mäuse auf Ackern und Wiesen zum Vorschein gebracht, daß das Korr
alles zu Grunde gerichtet worden.
Aber auch in der neueren Zeit treten Feldmöuse immer wieder
periodisch in so großen Mengen auf, daß sie zu einer Plage werden,
die sich z. T. über kleine Landstrecken, z. T. aber auch über größere
Ländergebiete erstreckt. So’ haben wir. Feldmausplagen zu ver-
zeichnen in den Jahren 1856, 1861, 1872/73, in neuster Zeit aus den
Jahren 1902, 1907, 1911, 1914. Über die Ursachen dieser Epidemien
sind wir noch wenig unterrichtet. Unstreitig spielt die Veıteilung
..Zur:Bekämpfung, der Feldmäuse. - 3
von: Wasser-, Wald und Kulturland ‚hierbei eine .g:oße Rolle: ' Den
wesentlichsten Anteili an der Entstehung von Feldmausplagen dürften
aber die Witterungsverhältnisse ‚haben. Die Feldmäuse finden ihre
günstigste Entwicklung,.in. mäßig trockenen und genügend ‚warmen
Sommern und schneereichen, aber trockenen, ‚glatteisfreien Wintern.
Zeichenerklärung.
+ keine Mäuse
O geringes Auftreten von Mäusene = :,—
© mittelmäß., „ non Hr
© stark m Tee p.
Des) Auftreten der Feläinkuse in der Provinz Posen im Herbst. 1913
Bei ihrer außerordentlich starken ‚Fruchtbarkeit vermehren. sie. sich
so außerordentlich schnell, daß, wenn in 2—3 Jahren derartig günstige
Verhältnisse herrschen, sie so überhand nehmen, daß man'von einer
Plage sprechen kann.. Weniger günstig sind, für ihre Vermehrung
regenreiche Sommer . und Winter mit wechselnden Verhältnissen,
besonders auch stärkere ‚Nachtfröste; verderblich -wirken auf: ‚sie
1* 9. Heit
4 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
dauernde Feuchtigkeit und vor allen Dingen Glatteis im Frühjahr.
Während im letzteren Falle ihre Bauten vereisen und die Mäuse an
Luft- und Nahrungsmangel zugrunde gehen müssen, treten wohl bei
andauerndem nassen Wetter Krankheiten unter ihnen auf, von denen
der Mäusetyphus, den bekanntlich Löffler kultivierte und als wirksames
Bekämpfungsmittel in die Praxis einführte, eine besondere Rolle spielt,
Durch den Ausbau des Pflanzenschutzes nun in den letzten Jahr-
zehnten sind wir in die Lage versetzt, uns an Hand statistischer Karten
ein Bild von dem jährlichen Auftreten der Feldmäuse in Deutschland
zu machen.
Von Bedeutung hierfür sind die Arbeiten von Hiltner über
die Verbreitung der Feldmäuse in Bayern und die von ihm heraus-
gegebenen Karten. Er kam dabei auf Grund der Zusammenstellung
der von den einzelnen Kreisen angeforderten Bekämpfungsmittel
und der hiernach angefertigten Karten zu dem überraschenden Ergebnis,
daß in dem zeitlichen Auftreten der Feldmäuse in der Pfalz und dem
rechtsrheinischen Bayern eine gewisse Gesetzmäßigkeit bestände,
ohne jedoch den Grund hierfür angeben zu können. Ebenso stellte
auch das Institut für Pflanzenkrankheiten in Bromberg an Hand
von an die Vertrauensmänner gerichteten Fragekarten halbjährige
Karten über das Auftreten der Feldmäuse in der Provinz Posen und
Westpreußen her, die ein deutliches Bild der Mäuseplage ergeben.
Auf Grund der Berichte der Hauptstellen für Pflanzenschutz
gibt auch die Biologische Reichsanstalt in ihren Mitteilungen (22)
jährlich eine Karte über das Auftreten der Feldmöuse in Deutschland
heraus, sodaß unter Zugrundelegung der übrigen auf die Vermehrung
der Feldmöuse wirkenden Verhältnisse an Hand aller dieser Karten
ein Schluß auf den Stand der Mäuseplage im nächsten Jahre gezogen
werden kann. Erschöpfend sind aber die bisherigen Darstellungen
noch keineswegs, sodaß es durchaus wünschenswert erscheint, auch
nach dieser Richtung die Arbeiten fortzusetzen. Von einem durch-
schlagenden Erfolge in der Bekämpfung der Feldmöuse wird man erst
dann sprechen können, wenn es gelingt, das Entstehen stärkerer
und ausgebreiteter Epidemien zu verhindern. Bis jetzt kann man nur
von Teilerfolgen sprechen, die auf die Initiative einzelner Landwirte
zurückgeführt werden können. Der durch die Mäuse verursachte Schaden
ist aber für die Versorgung unseres Volkes mit Nahrungsmitteln so
ausschlaggebend, daß es in der Zukunft nicht mehr angängig ist, die
Bekämpfung der Mäuse nur der Privasinitiative zu überlassen. Der
einzelne ist machtlos, seine Arbeiten sind insbesondere für die Ent-
stehung von Epidemien belanglos, nur ein gemeinsames Vorgehen
aller kann Aussicht auf Erfolg versprechen.
Naturgemäß erfanden die Menschen frühzeitig Methoden und
Mittel um die ihrer Ernährung so schädlichen Mäuse zu vertilgen,
1. Töten hinter dem Pilug.
_ Die ältesten und einfachsten Bekömpfungsmittel sind wohl die
mechanischen. Hierzu gehört einmal das Töten der Mäuse hinter
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 5
dem Pflug. Besonders während des Krieges kam dies Verfahren
wieder in Aufnahme, da Giftstoffe schwer oder überhaupt nicht mehr
erhältlich waren (123). Ausführlich besprichtt Schander diese
Methode und kommt zu dem Schluß, daß überall dort, wo genügend
viele und nicht zu teure Arbeitskräfte ‘Kinder) zur Verfügung stehen,
das Fangen und Sammeln der Mäuse hinter dem Pfluge nicht ver-
säumt werden dürfte. Weiteres siehe: 250, 273, 304.
%. Walzen der Kleeschläge.
Für Kleeschläge im besonderen empfiehlt Hiltner (97, 104)
das Walzen mit schweren Straßenwalzen. Dies Verfahren wurde
zuerst in Hannover angewandt (97), wo man die Kleefelder mit 350 Ztr.
schweren Straßenwalzen überfuhr und überraschend gute Resultate
erzielte. Einmal werden dadurch die Mäuse zerdrückt, dann aber
auch wird der in seinen Wurzeln durch die Mäusegänge gelockerte
Klee wieder gefestigt und so gegen das Auswintern geschützt. —
Dies Verfahren wird von Korff (123) allgemein für mit Mäusen befallene
Flächen empfohlen und auch Baunacke (19) tritt dafür ein, de
dadurch Zeit und Geld gespart wird. Es ist im allgemeinen aber nur
bei stärkeren Epidemien und unter besonders günstigen Verhältnissen
anwendbar.
3. Auftreiben von Vieh,
Chmielewski (39) hält auch das Weiden der Pferde bis in den
Herbst auf Kleefeldern für zweckmäßig, und ebenso wird das Ab-
weiden des Stoppelklees (304) und der Auftrieb von Vieh auf die
befallenen Flächen (123) angeraten.
4. Anlage von Fanglöchern und Fanggräben.
Die Anlage von Fanglöchern und Fanggräben ist weit verbreitet.
Schäff (227) hält das Anlegen von Fanglöchern für wenig empfehlens-
wert, besser schon das von Fanggräben um Getreidediemen. Zoltheiß
(274) empfiehlt für Bekämpfung der Wühlmäuse Fanglöcher von 50 cm
Breite und 40cm Tiefe, mit Petersilienkraut und Sellerieknollen
als Lockmittel; Schuster (237) berichtet von gutem Erfolg mit
Bohrlöchern anläßlich einer Mäuseplage in Rheinhessen. Panzer
(181) schlägt vor, zum Schutz der Getreidetriften und Schober steil-
wändige tiefe Gräben anzulegen, in denen in gewissen Abständen
Wassergefäße eingegraben sind. Für Schober empfehlen Raebinger
(196) und Rörig (217 und 220) Fanggräben, Klunzinger (117)
rät zur Anlage von Fanglöchern, Hiltner (104) zu Fanggräben mit
fußtiefen Löchern, Aumüller (13) zu Töpfen und Eimern, die in den
Boden eingelassen werden, Schander(230)hält ebenfalls dasAnlegen von
Fanggräben mittels schmaler, sogenannter Pissodes- bez. Drain-Spaten
mit eingegrabenen Fanggefäßen für zweckmäßig, weist aber auf die be-
trächtliche Arbeit hin, die das Absammeln der Mäuse erfordert; ab-
gesehen davon, daß die Gräben auf Ackerstücken, auch in der Nähe
von Mieten, für den Fahrverkehr recht störend sind und für die Zug-
9. Heft
6 Prof. Dr. R. Schander und Dr. Röleyer:
tiere sehr gefährlich werden können. Splendore (245) bemerkt
ferner, daß bei großen Mäuseplagen infolge ‚der Ausdehnüng des
Gebietes Gräben unwirksam bleiben. - Rörig (219), Eckstein ‘(53)
und andere (141, 302, 303) empfehlen wiederum-Fanggräben, während
Korff (123) für das Fangen der Mäuse in Erdlöchern ist.
Eifge Anwendung der Fallen, RR:
Den Übergang zu Mäusefallen bildet wohl ein h Wangetaß En 1904
‚von. einem anonymen Verfasser empfohlen. wird. (289) und, ‚folgende
‘ l;;
Form aufweist. Dieses Gefäß soll in den Boden ‚gegräben
werden, sodaß’ die Make, hineinfallen: ‚aber infolge: der nach innen
umgeschlagenen Wandungnicht wieder hinauskönnen.---Einen weiteren
Fortschritt bedeutet wohl die Zürner’sche :Wühlmausfalle, ‘die aber
auch für Feldmäuse empfohlen wird .(277).: Sie besteht im wesentlichen
aus einem 'hohen, schmalen Kasten, :der an:der. oberen :Schmalseite
mit 2 spielenden, "sich: selbsttätig schließenden ‘Wippen verschlossen ist.
Über diesen Wippen wird die Falle mit “einem an der Schmalseite
offenen Kastendeekel verschlossen, an dessen Unterseite der Köder
befestigt wird.: Die ganze Falle wird so tief in den Boden. eingefaßt,
daß die Wippenboden eben liegen und dann mit Streu; Zweigen usw.
überdeckt.(277): Reichenbach und andere.(5l, 217, 304) empfehlen
die Falle besonders für Wühlmäuse, wollen sie‘ > aber auch. 2 Feld-
mäuse angewandt wissen. Vor Nauen
6. Die Hohenheimer Röhrenfalle.
Für die Feldmäusebekämpfung kommt wohl im großen nur die
Röhrenfalle in Betracht, die von Schäff (227), 'Pflanzenschutzstation
Wien (141), Gaul (60), Schander (230), Wolff (273) und anderen
(302) empfohlen wird. In der Wiener Landwirtsch. Zeitung 1920 (310)
wird eine Verbesserung. zu dieser Falle angeraten‘ indem &n' Stelle
des Fadens ein an der Springfeder angebrachter, beweglicher Draht
gesetzt werden soll. Nach Kutin 1120) Io bewährt sich diese
Falle auf Feldern nicht.
3. Zangenfalle.
"Für die‘ Bekämpfung der Wühlmäuse werden nich Zangenkiilen,
"sogenannte Maulwurfsfallen angeräten (232, 257), die. in zur Feld-
mäusebekämpfüng' kaum in Beträcht kommen:
Andere Verfasser sprechen sich allgemein für die Anwenduag
‚ von Fallen zur Feldmäusebekämpfung aus (117, 269, 295) und loben
die damit erzielten Erfolge. Mäcias (165—167) bringt die Abbildungen
‘von 21 Fallen zu Rätten- und Mäusebekömpfung. Splendore (245)
erkennt wohl die Wirksamkeit der Fallen an, glaubt aber, daß bei
. größerer Ausdehnung der Plage sich kein Erfolg erzielen läßt. Rae-
biger (196) hält die Anwendung von Fallen für zu teuer und unrationell
und Baumeier (17) für zu umständlich. Beide lehnen Salze un.
Anwendung ab.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. . 7
8. Anlage von. Stirohhaufen.
i Panz er (18) empfiehlt zur Feldmäusebekämpfung die Anlage
kleiner Strohhaufen in der Nähe der Triften, da die Mäuse sich dorthin
zurückziehen. Bei Beginn des Winters sollen diese Haufen angezündet
und der Boden darunter umgegraben werden.
Wasser.
Zu den mechanischen Mitteln in weiterem Sinne kann man auch
‚das Wasser rechnen. Der Gedanke, Wasser, das ja in der Natur bei
der Vermehrung und Verminderung der Feldmäuse mit die größte
Rolle spielt, zur Bekämpfung heranzuziehen, lag nahe und in der Tat
gibt es eine Anzahl Berichte hierüber. So meldet Schuster (237)
aus Rheinhessen von den Anwendungen von Wasser mit gutem Erfolge.
Dort setzte man anläßlich einer Mäuseplage die Baue. unter. Wasser
und schlug die. hervorkommenden Mäuse tot. ‚Del Guercio (73)
dagegen verwirft das Verfahren, die Feldmäuse durch Überschwemmen
der Felder zu vernichten, weil einmal das Verfahren mehrmals wiederholt
werden muß, dann aber auch die vor dem Wasser flüchtenden Mäuse
am. Rande der Felder erschlagen werden müssen, was ungeheure
Arbeit verursacht.. Auch Stephani. (250): ‚empfiehlt, neben anderen
Bekämpfungsmitteln das Ausgießen der Mäuselöcher mit Wasser. . Über
die Anwendung von in der. Erde eingegrabenen mit Wasser gefüllten
Gefäßen vergleiche man bei den. mechanischen Bekämpfungsmitteln.
An diese mechanischen Mittel würden sich. dann die Methoden
anschließen, zur Bekämpfung giftige Gase und Giftstoffe zu verwenden.
| „Laboratoriumsversuche.
In neuerer Zeit besonders ist die Zahl dieser Mittel außerordentlich
‚angewachsen, und es war deshalb wohl gegeben, sie wiederum einer ein-
‚gehenden, vergleichenden Prüfung zu unterziehen, zumal unter den
angeblich wirksamen Mitteln sehr viele sind, die man als unwirksam
bezeichnen muß, und die als wirksam erkannten Mittel häufig versagen.
Sollten die Mittel wiederum einer durchgehenden Prüfung unterzogen
werden, so war es erforderlich, in möglichst exakten Laboratoriumsver-
versuchen die einzelnen Mittel miteinander zu vergleichen. Die Er-
fordernisse des. Krieges, welche die Verwendung von ‚vergiftetem
‚Getreide usw. unmöglich machten, ‘legten es nahe, auch Mittel zu
prüfen, die aus Stoffen hergestellt wurden, welche für die menschliche
Ernährung nicht oder weniger dringend benötigt wurden.
1. Die einzelnen Mäusearten.
Zu der Durchführung der Versuche wurden in der Hauptsache
Feld-, Wald- und Hausmöuse und nur im Ausnahmefällen weiße Mäuse
verwendet. Die erforderlichen Mäuse mußten wir 1915, da in Posen
und Westpreußen die Mäuse selten geworden waren, teilweise von
weither besorgen. Diese Einsendungen ergaben einiges Material über
die. Verbreitung der einzelnen Mäusearten, über die wir ja bisher
leider so wenig wissen. Bis in den Herbst hinein erhielten wir nur
9. Heft
8 Prof. Dr. R.'Schander und Dr. R. Meyer:
Feldmäuse (Arvicola arvalıs Pall.), und zwar vornehmlich aus Baden,
Mecklenburg. Im September erhielten wir aus der Stadt Bromberg
Waldmäuse (Mus silvaticus L.), und zwar waren diese meist in-der
Stadtin Küchen gefangen worden. Später vermehrten sich die Sendungen
von Waldmäusen, und zwar erhielten wir fast nur Waldmäuse aus
Bärwalde in Pommern und aus dem Kreise Saalfeld in Ostpreußen.
Vereinzelt waren Waldmäuse in Sendungen aus Mecklenburg, wesentlich
seltener.waren Brandmöuse (Mus agrarius Pall.). Auch diese erhielten
wir aus Bärwalde in Pommern und vereinzelt auch aus Mecklenburg
und Ostpreußen. Zwergmäuse (Mus minutus Pall.) wurden im Ganzen
drei eingesandt, und zwar zwei aus Mecklenburg am 1. Januar und
eine aus Ostpreußen am 2. Februar. — Die Größe der Mäuse war
natürlich sehr verschieden. Auffallend war nur, daß wir-auch während
des Winters viel junge Waldmäuse erhielten. Am 29. Januar wurde
uns ein hochtragendes Waldmausweibchen eingesandt, das am 31. Ja-
nuar vier Junge warf. Am 7. Februar erhielten wir einige frisch ge-
worfene, aber tote Junge. Ein anderes, hochtragendes Waldmaus-
weibchen derselben Sendung wurde isoliert und warf am 8. Februar
fünf Junge, die sich vollkommen normal entwickelten. Daraus kann
man schließen, daß die Waldmaus sich auch während des Winters
fortpflanzt und es erscheint zweifelhaft, ob die in der Literatur vor-
handene Mitteilung, daß die Waldmaus nur 2>—3 mal im Jahre jungt,
richtigist. Nach den uns zugegangenen Sendungen zu urteilen, scheint
eine öftere Vermehrung vorzukommen. — Bemerkt sei weiterhin, daß
wir auch vielfach Riesenmäuse erhielten. Eine solche große Waldmaus
mit gelbem Halsband wurde präpariert und ergab eine Schädellänge
von 30mm (bisher‘ wurden 27 und 28mm als größte Schädellänge
angegeben).
2. Art der Mäuseversendung.
Eine Schwierigkeit war insofern zu überwinden, als die Mäuse
vielfach in totem Zustande ankamen. Da wir besonders aus der ersten
'Zeit Mäuse bis aus der Rheinpfalz erhielten, waren die Sendungen
ziemlich lange. unterwegs. Einzelne Sendungen waren in ganz un-
vorschriftsmäßiger Weise verpackt. Man hatte die Mäuse einfach
in größerer Menge in Kisten ohne irgend welche Lüftung, eingepackt
und zur Bahn gebracht. In anderen Fällen waren die Kisten zu Schwach
und wurden unterwegs zerdrückt. In der ersten Zeit wurde vor-
geschrieben, nicht zuviel Mäuse in eine Kiste zu packen. und etwas
Streu oder Häcksel beizugeben. Diese Versendung erwies sich aber
als durchaus ungeeignet. Offenbar werden die Mäuse dabei zu sehr
geworfen. Bei späteren Sendungen bewährte es sich sehr, die ganze
Kiste mit Stroh auszufüllen. Derartige Sendungen kamen fast immer
ohne Beschädigung und Todesfall hier an. Als Futter während der-Reise
bewährten sich geschnittene Rüben besser als Getreide. . Während
wir in der ersten Zeit empfahlen, mit Wasser getränkte Wattebäusche
zur Tränkung beizugeben, haben wir später davon.abgesehen, weil
eine Tränkung selbst bei mehrtägigem Transport nicht notwendig
war, wenn Rüben zur Verfügung standen.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 9
"3. Die Erhaltung und Pflege der Mäuse, |
‘ ‚Auch die Haltung der Mäuse machte in der ersten Zeit große
Schwierigkeiten. In früheren Versuchen hatten wir stets mit Vorteil
die Mäuse in Kisten oder anderen Gefäßen, die mit Torfssreu angefüllt
waren, gehalten. Es ist uns auch dabei mehrfach gelungen, Feldmäuse
zum Werfen zu bringen. Jetzt, wo es sich darum handelte, eine größere
Menge von Mäusen in einem Gefäß zu halten, erwies sich dies Verfahren
als ungeeignet, da die Mäuse zu wenig Unterschlupf fanden und sich
gegenseitig auffrassen. Eine Unterlage von Erde unter dem. Torf
besserte zwar den Gesundheitszustand, ließ aber Verluste nicht ver-
meiden. Auch hier sind wir endlich zu einer Strohpackung gekommen.
Die Gefäße erhalten eine Schicht Erde, darüber etwas Torfstreu und
darüber werden sie mit Stroh gefüllt. Die Mäuse finden auf diese Weise
guten Unterschlupf, die kleinen können sich vor den größeren flüchten.
Das Stroh selbst gibt ihnen Beschäftigung, es wird fleißig zernagt
und muß öfter erneuert werden.
Die Fütterung erfolgte in der Hauptsache mit Hafer und Gerste,
sowie geschnittene Rüben. Besonders bei der Körnerfütterung darf
eine regelmäßige Tränkung nieht versäumt werden. Auffallender weise
ist gerade das Wasserbedürfnis der Feldmäuse ein außerordentlich
großes und es muß rätselhaft erscheinen, woher die Mäuse im Freien
das nötige Wasser erhalten, zumal sie sich doch auch in taufreien
Sommern häufig stark vermehren. Etwas geringer ist das Wasser-
bedürfnis der Brandmäuse, am geringsten bei Waldmäusen.
4. Die Versuchsanstellung.
Die eigentlichen Fütterungsversuche wurden stetsin den bekannten
etwa zwei Liter fassenden Mäuse;läsern vorgenommen. Anfänglich
setzten wir die Mäuse direkt ins Glas, um das Fressen genügend kon-
trollieren und die zurückbleibenden Mengen des Giftes gut aufnehmen
zu können. Es zeigtesich aber bald, daß dieses Verfahren ungeeignet war.
Ganz abgesehen davon, daß die Futterreste durch den Urin verun-
reinigt wurden, starben die Mäuse selbst ohne Gift im Glase von
einem Tag zum anderen. Eine ganze Reihe von Versuchen, bei denen
auf diese Weise auch Kontrollmäuse eingegangen waren, mußte deshalb
von uns ausgeschaltet werden und für das Endresultat unberücksichtigt
bleiben. Es dürfte dieses Eingehen wohl seinen Grund darin haben,
daß die Mäuse am eigenen Urin zu Grunde gehen. Später ließen wir
die Mäuse nur solange im Glase, bis sie die ihnen gereichte Nahrung
gefressen hatten und setzten sie dann einzeln oder in Gruppen nach
etwa 3—4 Stunden in größere Gefäße in Torfmull. Auch dieses Ver-
fahren erwies sich als ungeeignet, da die großen Tiere die kleinen
anfraßen. In allen späteren Versuchen erhielt das Mäuseglas 1 cm
hoch weißen Sand. Das Futter wurde in kleinen Blechstöndern bei-
gegeben und in kleinen Glasgefößen Wasser zum Trinken hinein-
gesetzt. Jedes Glas wurde nun mit einer Maus besetzt, die solange
in demselben blieb, bis der Versuch beendet war. Von da an hatten
wir keine Todesfälle mehr festzustellen. Bei den Versuchen mit Kultur-
9.’ Hett
10 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
gläsern is‘; es wohl möglich, die Wirkung der. einzelnen Giite festzuy-
stellen, es war aber nicht möglich, Untersuchungen darüber anzustellen,
welche Nahrungen am liebsten angenommen werden und welche
präpatierten ‚oder. vergifteten Nahrungen nicht genommen werden,
wenn andere Futter zur Verfügung stehen. Gerade diese Frage spielt
in der Praxis eine große Rolle, wenigstens bei Bekämpfungsversuchen
während .der Sommermonate, ‚weil dann den Mäusen ja reichliche
Nahrung zur Verfügung steht, und sie an die dargereichten Gifte
nur dann herangehen, wenn sie Not leiden, oder wenn die vergifteten
Nahrungsmittel ihnen infolge ihres Geschmackes oder des beigemengten
höders besonders zusagen. Um derartige Versuche anzustellen, kon-
struierten wır uns den aus beigefügter Aobildung ersichtlichen Apparät.
Derselbe besteht aus einem einfachen Holzkasten, der vorn mit einer
757”,
Kasten für Fütterungsversuche
herausnehmbaren: Glasplatte vursehen ist. Hinter :der ‘Glasplatte,
etwa '3cm über dem Boden 'befindet‘sich eine aus Glas hergestellte,
in. mehrere Abteilungen zerfallende Futterkrippe: Hinter dieser Futter-
krippe befindet \ich ein Laufbrettehen, und der Boden des Kastens
ist mit Torfmull aufgefüllt. Die Decke des Kastens enthält einen Deckel
zum 'FRinsetzen und Heräusnehmen -der Mäuse. 'Seitwärts befindet
sich eine kleine Klappe, um die Futterkrippe einzusetzen und heraus-
“zunehmen. ' Die Mäuse befinden sich in diesem ‘'Gefäß sehr wohl und
gedeihen ausgezeichnet. Da der: Futterkasten: vorn eine Glaswand
besitzt, gestattet eı eine daue.nde Beobachtung und Kontiolle der
Mäuse.‘ Es war uns mit diesem Futterkasten insbesondere möglich,
das Annehmen der einzelnen gebotenen Nahrungen und der gegebenen
Köder gut zu beobachten.
- Zur Bekämpfuug der Feldnäuse, 1
Dal RED FUNERmIL NEL, |
EEE „1. Bariumsalze.
Gr: Bekknpfung von Mäusen werden vielfach Präparate mit
Bastkpsälsen. "insbesondere mit Bariumkarbohat verwandt, die in
‘Form’ von ‚Pillen, "Brot Oder Mehl den Mäusen vorgelegt werden. In
‚der Kriegszeit nun verbot es sich, zu diesem Zwecke Getreidemehle
zu verwenden, da diese der menschlichen Nahrung restlos zugeführt
werden sollten.‘ Dagegen standen, wenigstens in den ersten Jahren
noch andere Mehle, wie z. B. Maismehl zur Verfügung. Wie bei den
anderen Giftstoffen, so wurde auch hier zunächst versucht, festzu-
stellen, welche Mehle besonders gern gefressen werden und welche
Zubereitung am geeignetsten ist. Als auch keine Futtermehle mehr
zur Verfügung standen, wurden Versuche mit Sägespänen, Heidemehl,
Trestermehl und Kaffeegrund auch ‚mit verschiedenen Zusätzen
ausgeführt.
Ferner war auch die Wasserfrage von Wichtigkeit. Bariumsalze
wirken ja auf die Magen- und Darmschleimhaut zunächst reizend
und ätzend, däs letzte ıst besonders beim Bariumkarbonat der Fall.
Da diese Erscheinungen gerade bei leicht löslichen Bariumsalzen
auftreten, kam man wohl zu. der Annahme, daß diese Salze bei der
Mäusebekämpfun:, nur dann voll wirken, wenn gleichzeitig'genügende
Mengen 'Wasser den Mäusen zur Verfügung stehen. Die Versuche
wurden also dıhin angestellt, Bariumsalze den Mäusen mit und ohne
Wasser darzureichen, dann aber auch festzustellen, ob wasserhaltig.-
Pflanzansubstanzen wie z.B. Mohrrüben als Wasserersatz dienen
können. Zunächst wurden Versuche angestellt, welche mehlhaltigen
Stoffe sich für die Verarbeitung mit Bariumsalzen, also als Gifttrager,
am besten eignen würden.
Literatur. Auf diesem Gebiete liegen bisher nur wenig Berichte
vor. Wohl wurden während der Kriegszeit allerhänd Ersatzstoffe
angewandt, um das fehlende Getreide, Bıot und Mehl zu e. setzen;
vergleicherde Versuche jedoch fehlen vollständie. Nur die Biologische
Reichsanstalt besaßte sich eingehender mit dieser Frage der Köde:-
st9.ie, wieausihrem Tatigkeitsbericht vom Jahre 1919 zu ersehen ist (22).
Nach diesen Versuchen zur Mäusebekämpfung sollen haupt-
‚sächlieh solche Stoffe in Anwendung kommen, die zur Ernährung
für, Menschen und Tiere so gut‘ wie, garnicht in Betracht kommen,
‚wie Rohmelasse, Fischmehl, Rapskuchenmehl und Leinkuchenmehl.
Diese Mittel einzeln führten jedoch zu keinem Erfolge, da sie nich‘
angenommen wuıden. . Dagegen bewährte sich eine Mischung von
150 Teilen Rapskuchenmehl, 50 Teilen Fischmehl und 100 Teilen Wasser.
Dieser Köder wurde trotz Vorhandenseins von Weizenkörnern 1estlos
verzehrt. Auch Zusatz von ‚geriebenen frischen Mohrrüben und Futter-
mehl wurden zu: Kuchen zusammengepreßt und getrocknet. — Ersatz
; des Futtermehles durch. Holzsögemehl hatte keinen Erfolg, ebenso
. war Zusatz von Anis-, Kümmel-, Fenchel- und Thymianöl zwecklos.
Darnach eignet sich Rohmelasse nur zur Herstellung von Phosphor-
9. Heft
12 Prof. Dr: R. Sehander und Dr. R. Meyer:
sirup, während Fischmehl, Lein- und Rapskuchenmehl als Mehlersatz
dienen können.
bottom ehe
Uns kam es vor allem darauf an, einmal festzustellen, welche von
den Mehlsorten von den Mäusen am liebsten gefressen wird, hierzu
wurden nachstehende Versuche angestellt: |
Fütterungsversuche mit Mehlkuchen: Hafer-, Gersten-, Be
Mair- und Weizenmehl wurden mit etwas Wasser zu einem festen
Teige angerührt und hiervon kleine Plätzchen von etwa 0,12 gr. geformt.
Eine Feldmaus erhielt im Fütterungskasten je 10 Plätzchen Mehlkuchen
von Gerste, Hafer, Roggen, Mais, Weizen vorgesetzt.
Nach 5 Stunden waren Gerste Roggen Hafer, Weizen zerschrottet,
durcheinandergescharrv und aufgefressen. Nur die Maisplätzchen
waren fast unberührt. Die Versuchsordnung wurde künftig geändert,
da aus der Futterbank des Futterkastens viel herausgescharrt und
zertreten wurde.
Versuche am 19. Februar 1917.
Eine Feldmaus erhielt je 10 Plätzchen Mehl von Gerste, Bee
Hafer, Weizen und Mais und zwar jede Sorte in einem besonderen
flachen Glasgefäß. — Nach 1 Stunde hatte die Maus davon verzehrt:
Mais 0, Hafer 0, Gerste 0, Roggen 3!/,, Weizen 1. Sodann wurden
10 Roggenplätzchen dazugegeben. Nach 2!/, Stunden waren verzehrt:
Mais 0, Hafer 0, Gerste 0, Roggen 81/,, Weizen 3. Nach 5 Stunden
im ganzen gefressen: Mais Y/,, Hafer o, Gerste 0, Roggen 11 ganze
3 halbe, Weizen 3.
Diese Versuche zeigen deutlich, daß Roggen- und Weizenmehl
den anderen Mehlsorten vorgezogen wird, wenigstens soweit es Feld-
mäuse anbetrifft. Anders dagegen verhielten sich Brand- und Wald-
mäuse,
2 Brandmäuse erhielten zusammen je 10 ae von
Mais, Gerste, Hafer, Roggen, Weizen.
Beginn Zahl der verzehrten Plätzchen 10 Maisspl. Zahl der verzehrten Plätzchen
Dat. - d.Ver- nach zwei Stunden nachge- am nächsten Morgen
suchs Mais Gerste Hafer Rogg. Weiz. geben Mais Gerste Hafer ‚Rogg. Weiz.
19.2.17 3); 10 0 0 0 0 amAtend 0 10 1, 0
nachm ;
1 Brandmaus erhielt je 10 Mehlplätzchen von Mais,
Roggen, Hafer, Gerste, Weizen.
nach drei Stunden ’ nach sechs Stunden
20.2.17:.,, 94,84% 0 0 m) 1; um 51/, 10 0 0 0 11),
vorm.
am 21.2. morgens
10 10 0 10 10
1 Waldmaus erhielt je 10 Mehlplätzohen von Mais,
Hafer, Gerste, Roggen, Weizen.
- nach zwei Stunden nach vier Stunden
21.2.1772 °107, .-19 175 0 1 3 = 10 a
"TIEVORNL N: R i Pe
‘Zur. Bekämpfung der Feldmäuse. 13
' Durch diese im. Ergebnis gleichen Versuche ergab sich das über-
raschende Resultat, daß von den Brand- und Waldmäusen im Geger-
satz zu den Feldmäusen Maismehl und dann Weizenmehl den anderen
Mehlarten vorgezogen wurde.
Ferner war erforderlich festzustellen, kB: Mehlplätzchen in ge-
röstetem Zustande besser angenommen würden. Dazu wurde folgender
Versuch N
Fütterungsversuch mit getrockneten und gerösteten
Mehlplätzchen.
22. 11.17 ltr, Uhr 1 Brandmaus erhielt je 10 getrockneie und
vorm. - 10 geröstete Maisplötzchen in einem Gefäß ge-
mischt vorgesetzt. Nach 20 Minuten waren die
10 getrockneten Maisplätzchen sämtlich verzehrt.
Von den gerösteten Maisplätzchen waren nur 2
ganz leicht angeschnitten und aus dem Gefäß in
den Sand geworfen.
- Deiselbe Versuch wie oben noch ea
111/,Uhr Nach 20 Minuten sind die 10 betroäkmöten
Maisplätzchen restlos verzehrt, die IO gerösteten
völlig unberührt.
Danach scheinen geröstete Mehiplätzehen Ben Mäusen weniger
zuzusagen.
Während der Kriegszeit war es, wie schon eingangs orwähnt|
erforderlich, an Stelle der sonst üblichen Mehle Ersatzstoffe. heran-
zuziehen und hierzu wurden in erster Linie Rübenschnitzel, Mohrrüben-
schnitzel, Melasse und schließlich Sägespäne gewählt. Diese Stoffe
wurden beim den ersten Versuchen vergleichsweise nebeneinander
gefüttert:
. 3. Brandmäuse erhielten je etwas. Maismehl, Rübenschnitzel,
Melasse, Melasse mit Sägespänen. |
Den 4. Juni 1917.
Maismehl Rübenschnitzel ULadacks Mel. m. Sägespäne
Kasten 1. alles 1 Spur = 1 Spur -
Kasten II. alles 1 Spur — 1 Spur
Kasten III. alles :18pur Seo — ven 1 Spur’
3 Brandmäuse erhielten je etwas gequetschten Mais, Rübenschnitzel,
Mohrrübenschnitzel, Melasse, Melasse mit Sägespänen.
Mais Rübenschn. Mohrrüb. Melasse .Mel. u. Ber
Kasten I. alles in slles —
Kasten II. alles alles alles a, Y,
Kasten III, alles Us 2/2 a gi
9. Heft
14 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
3 Brandmäüse erhielten je etwas gequetschten Mais, Mohrrüben-
schnitzel, vorgequollene Rübenschnitzel, Melasse, Melasse miö Söge-
spänen.
gequ.Mais Mohrrübenschn. vorgequ. Rübenschn. Mel. Mel.u. Sägespäne
Kasten. alles alles FÜR alfa;
„ 11 alles alles-..4, un Med =
„ III. alles alles _ AN RE —
3 Brandmäuse erhielten je etwas gequetschten Mais, Mohrrüben-
schnitzel, vorgequollene Rübenschnitzel, -Melasse, Melasse. mit, ‚Bäge-
spänen. n
PA gequ. ‚Mais Mohrrübenschn. vorgequ. Rübenschn. Mel. Mel. u. .Sägespäne
Kasten]. alles alles alles en
„ .I.. .alles alles alles „er a, I
„ HL alles 2), 2/5: en 2
Das Resultat dißsch) Versuche war. insoweit sehr bei
als Rübenschnitzel, besonders in vorgesquollenem Zustande, dann aucn
Mohrrübenschnitzel: von den Mäusen gut .angenommen wurden und
somit. als vollweıtige Ersatzmittel gelten konnten... Ungünsüg; war
das Resultat mit Sägespänen, die auch in, Verbindung .mit Melasse.
von den Mäusen so gut wie garnicht gefressen wurden. Ebenso wurde
Melasse ohne Mischung mit anderen mehlhaltigen ‚Stoffen verschmäht.
Des weiteren beschäftigte uns die Frage, inwieweit Kaffeegrund-.
und Trestermehl als Ersatzstoffe für Mehle in Frage kommen könnten..
-— Da ja Bohnenkaffee während des Krieges nicht vorhanden und an
seine Stelle die verschiedenen Getreidearten, gebrannt und zu Ersatz-
kaffee verarbeitet wurden, sö lag es nahe, dies. Rückstände des Ersatz-
kaffees zu Fütterungsversuchen mit heranzuziehen. Zunächst wurde
einmal gebranntes Getreide den Mäusen vorgesetzt.
‘Eine Maus erhielt zunächst 10 Körner schwach gebrannten Roggen,
der aber nach 5 Stunden noch nicht angerührt war.
Es wurden nun 3 Mäusen vorgesetzt:: getrocknete Rübenschnitzel,
je 10 Körner ungebrannter Weizen, stark gebrannter Weizen, unge-
brannter Roggen, schwach gebrannter Roggen.
Hiervon waren nach 17 Stunden gefressen: Rübenschnitzel =
stark gebr. Weizen 5 K, das übrige vollständig.
Die Versuche 'mit gebranntem Getreide wurden nun fortgesetzt.
3 Mäuse erhielten je 10 Körner von ungebr. Roggen, schwach
gebr. Roggen, stark gebr. Roggen, schwach gebr. Weizen, stark gehn.
Weizen. |
Gefressen ungebr. . schw.gebr. stark gebr. schw gebr. ae a
nach Stunden Ro:.g gg em Weize 2
Yııs 10 B) Ara Fe
ER, 10 en | ı PETER 9 re Er 10: A A
2 10 19:--+4:£,,7 Da: F10 5,
SU, 10 10. 19. = 10 104 2%
Die Mäuse gingen also zuerst an das ungebrannte, ichs an das
schwach gebrannte und schließlich an das stark gebrannte Getreide,
: ‘Zar Bekämpfüng der Feldmäuse. ao 15
“Des weiteren wurde nun Kaffeegrund verfüttert:
Eine Brandmaus erhielt Kaffeegrund auf 4 verschiedene Art
gereicht.
; Erhalten: gefressen:
18. I. 1918 ° 1g Kaffeegrund trocken ae.
1 Kaffeegrund angefeuchtet Ze
1 g Kaffeegrund mit Zucker trocken alles
1 g Kaffeegrund mit Zucker’ angefeuchtet alles
Dann stand auch’ weiterhin Trestermehl während der Kriegszeit
zur Verfügung und wurde zu Fütterungsversuchen mit herangezogen.
Eine Brandmaus‘ erbielt Trestermehl auf 4 verschiedene Aıt
Nee
Erhalten: Mr gefressen:
> hr 18 Trestermehl trocken a EHRE
u Trestermehl ängefeuchtet Bi
...‚Trestermehl mit Zucker, trocken alles
‘ Trestermehl mit’ Zucker, angefeuchtet alles
Als weitere Stoffe zur Streckung“der mehlhaltigen Substanzen
wurden Talcum, Schlemmkreide und Bölus mit herangezogen und
in ‚Verbindung mit Kaffeegrund und Trestermehl den Mäusen gereicht.
Eine Brandmaus erhielt ein Gemisch von Kaffeegrund und
Trösteriheht mit 3 verschiedenen Zusätzen: 1 ‚mit Talcum, 2. mit
Schlemmkreide, ‚3. mit Bolus.
erhalten: | gefressen:
19.1.1918 Kaffeegrund u. Tresteimehl. mit. Talcum, an-.. 1;
. gefeuchtet
Kaffeegrund u. Trestermehl m. Schlemmkreide, 2s
angefeuchtet,
Kaffeegrund u. Trestermehl mit Bolus, an- nichts
gefeuchvet:
Kaffeegrund und Trestermehl mit Talcum,
trocken nichts. .
Kaffeegrund u. Trestermehl m. 'Schlemmkreide,
trocken nichts .
Kaffeegrund u. Trestermehl ı m. Bar trocken nichts
Die Maus fraß nur sehr ungern von den vorgesetzten Sachen.
Bemerkung:. Das Gemisch bestand aus 50 Teilen Kaffeegrund
und Trestermehl, 50 Teilen Taleum, Schlemmkreide oder Bolus und
10 Teilen Zucker.
Aus diesem und einem gleichen Versuche mit demselben Fehr
zeigt sich, daß Kaffeegrund und Trestermehl ohne Zusätze nur schlecht
angenommen werden. Von Zusatzmitteln bewährten sich am besten
Zucker, nur mäßig Taleum und Schlemmkreide, 'diese auch nur in
angefeuchtetem Zustande. Trocken wurden diese Mittel von den
Mäusen nicht angerührt. _Trestermehl und Kaffeegıund konnten
aber in der Kriegszeit als Zusatz bei der Herstellung von Mäusegift-
mitteln verwendet werden. — Ähnlich dem Trestermehl verhielt sich
9. Heft
16 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
das als Futtermittel während der Kriegszeit in den Handel gebrachte
Mehl aus Heide (Calluna vulgaris), wenn es sehr fein vermahlen ‘war.
Das im Handel befindliche Präparat war aber zu grob. Da die Her-
stellung von Feinmehl zu große Kosten verursachte, mußte von der
Verwendung von Heidemehl Abstand genommen werden.
A. Anwendung von Bariumkarbonat,
Literatur.
Bariumbrot, Bariumpillen, Bariummehl.
' Nachdem schon im Jahre 1861 Prof. Neßler in Karlsruhe das
Barıumkarbonat empfohlen ‘hatte, ging die Agrikulturbotanische
Anstalt München daran, 1903 mit diesem Mittel Versuche anzustellen,
da behauptet worden war, daß durch Mäuse;yphus. Erkrankungen
beim Menschen vorgekommen sein sollten. Die ersten Feldversuche
scheiterten daran, daß die Mäuse das aus Mehl, Bariumkarbonat,
Zucker und Wasser hergestellte Brot nicht annahmen, da genügend
andere Nahrungsmittel vorhanden waren. Bei einem zweiten Versuch
wurde deshalb Milch an Stelle von Wasser verwandt und etwas Anisöl
hinzugesetzt. Hiermit wurden gute Erfolge erzielt, da die Mäuse
das ‘Mittel sofort annehmen. Das Rezept für die Herstellung wurde
dann auch 1904 (286) von der Anstalt bereits bekannt gegeben. Zu
gleicher Zeit veröffentlichte auch Hotter (107) seine Anweisung
für die Herstellung von Barytpillen, bestehend aus Bariumkarbonat,
Maismehl, Weizenmehl und Wasser. Gordon (66) vom Hyg.-bakt.
Institut Danzig stellte nun mit aus München 'bezogenem Bariumbrot _
auf dem Gute Grabowo Bekämpfungsversuche an, die einen glänzenden
Erfolg zeitigten. Inzwischen war man auch in Sachsen dazu über-
gegangen, bariumhaltiges Brot auf Veranlassung der Versuchsstation
Dresden herzustellen. Da das Jahr 1907 eine große Mäuseplage auch
in Bayern brachte, entschloß man sich, an der Agr. bot. Anstalt, da
Riesenmengen von Bariumbrot verlangt wurden und man schließlich
Bedenken hatte, ob die Brotstückchen nicht doch einmal zu Ver-
wechselungen Anlaß geben könnten, zur Herstellung von Präparaten
in Pillenform (76). Um zu vermeiden, daß diese Pillen von anderen
Tieren gefressen würden, empfahl 1908 die Agr. bot. Anstalt München,
die Anwendung von Legeröhren zum Auslegen der Pillen in die Mäuse-
löcher (3). Auch Krasser (133) und Fulmek (59) berichteten für
Österreich von guten Erfolgen, die mit Hotter’schen Barytpillen
allerdings hauptsächlich gegen Wühlmäuse erzielt wurden. Inzwischen
waren aber immer wieder Stimmen laut, die überhaupt vor der An-
wendung von Giftmitteln warnten (141, 196), oder zum Ausdruck
brachten, daß bei einer großen Plage Giftmittel versagten .153)
Inzwischen hatte man sich in München wieder der Herstellung. von.
Bariumbrot zugewandt, da die Herstellung von Pillen große Trocken- ..
einrichtungen und maschinelle Einrichtungen erforderte, für deren...
Aufstellung es. der Anstalt an Raum fehlte. Bei der großen Feldmäuse- ;,
plage 1910 in Bayern \96) und 1911 (104) wurde deshalb wieder Brot,...-
I
Zur Bekämpfung: der Feldmäuse, 17
nicht Pillen, als Bekämpfungsmittel empfohlen. Auch bei den 1912
von Korff und Maier bei Rosenheim angestellten Versuchen wurde
Bariumbrot angewandt und gute Erfolge erzielt. Schließlich wurden
nun auch Versuche von ‘der Anstalt unternommen, bariumkarbonat-
haltige teigige Massen nach.der Strohhalmmethode auszulegen; während
von Rörig (220) und Baumeier (17) immer wieder vor der An-
wendung von Giftstoffen gewarnt wurde, wurde von Wahl (264),
Steglich (247), Stranak (252) und Hiltner (96) Bariumbrot und
Pillen empfohlen. — Schander (230) wies allerdings auf nur be-
dingte Erfolge mit Bariumbrot hin, die sehr von dem exakten Arbeiten
beim Auslegen abhängig seien. — Inzwischen mußte durch die Dauer
des Krieges die Herstellung von Bariumbrot aufgegeben werden,
sodaß nur noch Bariummehl nach der Strohhalmmethode verwandt
werden konnte, das nun von Hiltner (101), Korff (123) und der
Hauptstelle Bromberg (87) empfohlen wurde. Jetzt wird ba.ium-
haltiges Brot mit einem Gehalt von 25%, BaCO, wieder an den Haupt-
stellen f. Pflanzenschutz, so auch hier in Landsberg a. W. hergestellt.
B. Bespritzen der Getreidesaaten mit Bariumsalzen.
Über das Bespritzen der mit Mäusen besetzten Klee -und Luzern-
brachen, Getr:ide- und anderen Saaten berichtet Schander (273).
Da Bedenken vorlagen, daß größere Tiere wie Hasen und Kaninchen
ebenfalls zu Grunde gehen könnten, wurden Laboratoriumsfütterungs-
versuche durchgeführt, mit dem Erfolge, daß die Tiere große Mengen
Bariumchlorid aufnehmen, ohne Schaden zu leiden.
El Versuche mit Bariumkarbonat.
Bei den: ersten Versuchen wurden Maisplätzehen mit Barium-
karbonas ohne jeden Zusatz verwendet, wie sie allgemein zur Mäuse-
vertilgung üblich sind. R Be
10 Waldmäuse erhielten je 3 Maisplätzchen (16,6%, BaCO,haltig)
von einem durchschnittlichen Gewicht von 0,14 gr.
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Im Durchschnitt 1,8. 12,5 12,5
Bemerkung: Die Maus vom Durchschnittsgewicht 12,5 g hatte also
0,0415g BaCO, gefressen, um in durchschnittlich 12,5 Stunden einzugehen.
Das macht auf 1kg Lebendgewicht der Maus 3.32 & Ba00,.
Archiv für Naturgeschichte
1923. A.9. 2 9. Heft
18 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
5 Brand- und 5 Waldmäuse erhielten je 2 20% Barium-
karbonat-haltige Maisplätzchen von einem durchschnittlichen Fe
von je 0,14 gr.
Brandmäuse
3% TI. 10 HP 13 20
” vorm. 2 » 2 — . — 2 17 20
„ „ d „ 2 “ ar 2 12 5
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Waldmäuse
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ER) „ ) ER) 2 ET Fer 1 16 13
” „ 8 „ 2 Zu 7 7% Us 18 20
” BE) 9 ” 2 Tr Mn. 2 16 16
en ei Re a a
Im Durchschnitt 14 152 14
Die Maus vom Durchschnittsgewicht 15,2 gr hatte also 0,0392 gr
Ba CO, gefressen, um in durchschnittlich 14 Stunden einzugehen.
Das macht auf 1 kg Lebendgewicht der Maus 2,58 g Ba CO,.
Einfluß des Wassers.
Um festzustellen, wieweit die Darreichung von Trinkwasser
einen Einfluß auf die Giftwirkung ausübt, wurde bei den nächsten
3 Versuchen einem Teil der Mäuse Wasser gereicht.
10 Brandmäuse erhielten je 3 20% Ba COghaltige Maisplätzchen.
No. 1,5 erhielten Trinkwasser, No. 6—10 blieben ohne Trinkwasser.
Gewicht der Plätzchen 0,14 g im Durchschnitt.
I e29 „ Sg
= Fra en ER e Sr Bemerkung
5 za as zZ: $E =
& oo 88 HESS © “5
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er RB, Bi 1 18 20 fund: Magen weißlich-leder-
4 ES un 1 18 6 artig, im Innern unverdauter
& Sr F 1 21 1 Maismehlbrei. Die Därme
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FE Pr SEE DER 1/n.: 200 nd sianderen Organen keine augen-
5 8- 8 55 20 19 scheinliche Veränderung.
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10 °3 a 1 19 7
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 19
6 Wald- und 4 Feldmäuse erhielten je 2 =20% Ba COyhaltige
Maisplätzchen. Analog dem vorhergehenden Versuch erhielten 1—5
Trinkwasser. Gewicht der Plätzchen 0,14g im Durchschnitt.
bo „88 2 55
= SE 223 53 8 FE Bemerkungen
BE Ans 5%
1, 11.2 17.72. mie 4° 19. ,,,6 >" Waldmanus
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Ba TE BE: 20 u
> 8 2 „ 2 17 25 &£)
+ 92 i% la Feldmaus
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Derselbe Versuch wie 3 und 4. 8 Wald- und 2 Feldmäuse,
= urtE v.888® 48
EB 55 a aga888 23558 83 Bemerkung
E a BE ve See: |
A. Be a SS STAR So 30
9, OL 11 Uhr 120% 3. mit; — 2 12 41, Waldmaus
5 vorm. 2.3 3 sa 1!/, 15 40 :.
„ » 5) „ 3 TE 2 13 21 ER)
ER) » 4 „ 3 SOUL EHE 2 13 yp »
Mi Rx Bl 3 »- 11/, 14 2/,-15 Feldmäuse-
in r 6:5; 3 ohne— 218.220 Waldmäuse
„ » 7 » B) Sur; 11), 14 20 »
„ » 8 ER) 3 Sat) 2 al up ER)
ER) „ 9 » 3 Rh TEE 11); 12 25
5; el Aslıc 2/, 10 1!/, Feldmäuse
Der dritte Versuch stimmt in seinem ersten Teile (mit Trinkwasser)
mit dem ersten, in seinem zweiten Teile (ohne Wasser) mit dem zweiten
Versuche überein. Diese Versuchsergebnisse zeigen, daß die Beigabe
von Wasser keinen Einfluß auf die Wirkung des Giftes ausübt, was
wohl auf die geringe Löslichkeit des Ba CO, zurückzuführen ist. Ebenso
decken sich Teil II der ersten und Teil I des zweiten Versuches, die
sich jedoch mit den anderen nicht in Verbindung bringen lassen.
Der Grund hierfür ist nicht ersichtlich.
Wesentlich war auch festzustellen, ob die Beigabe eines anderen
Futters die Wirkung des Bariumkarbonats verzögere. Hierzu wurden
die beiden nächsten Versuche angesetzt.
10 Brandmäuse erhielten je zwei 13,3% barıumkarbonathaltige
Maisplätzchen. No. 1—5 bekamen keinen Körnerzusatz. No. 6—10
erhielten je 3 unvergiftete Roggenkörner. Alle Mäuse erhielten Trink-
wasser.
(SV)
2 9. Heft
20 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer
je S 583 I E82 aa
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A Be & SZ STAHEnS Sao. 38
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Bemerkungen. Die Mäuse fraßen zuerst die Körner, gingen
dann aber auch mit großem Appetit an die Maisplätzchen heran.
No. 7 mußte ausgeschaltet werden. 6 Mäuse waren in 11/,—5 Stunden
tot, 3 erst am folgenden Tage.
2 Feld- und8 Waldmäuse erhielten je zwei 13,30/, Ba CO;haltige
Maisplätzchen. No. 1—5 keine Körner, No. 6-—10 je % Roggenkörner.
Alle Mäuse erhielten Trinkwasser.
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— 10 1672 er 12/19 °7 Feldmaus
B emerkungen. 2 Mäuse ich en den Versuch, 4 gingen
nach 4+—8 Stunden, 3am folgendenMorgen und eine erst nach 2 3 Tagen ein.
Bei diesen beiden Versuchen war in den 4 Fällen ungefähr die
‘gleiche Menge, nämlich 11/, Plätzchen gefressen worden. Das Durch-
schnittsgewicht war bei Versuch I, 1 etwa 11,5g, gegenüber den
anderen Versuchsteilen, wo es 14g betrug. Entsprechend trat auch
der Tod durchschnittlich 6—7 Stunden früher eın. Teil IL, 1 läßt
sich also gut mit Teil II, 1, 2 in Einklang bringen. Es ergibt sich
hieraus das Resultat, daß die Beigabe von Körnerfutter keinen Einfluß
auf die Giftwirkung ausübt, was für die Mäusebekämpfung auf dem
Felde von großer Bedeutung ist, da hier doch meistens anderes Futter
auch gleichzeitig neben dem Giftmittel von den Mäusen aufgenommen
wird. Ferner mußte festgestellt werden, welche Menge Bariumkarbonat
schon genügt, um eine Maus sicher abzutöten. Hierzu dienten die
nächsten Versuche, bei denen die Zahl der gereichten Plätzchen ge
steigert wurde.
. Zur Bekämpfung der Feldmänse. | 2ı
Von 12 Brandmäusen erhielten 3 je 2 10%, Ba CO,-haltige
Maisplätzchen, Mäuse je 3 Plätzchen, 3 Mäuse je 4 Plätzchen u. 3 Mäuse
je 5 Plätzchen.
bi Sas Sg 332 53 33
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= a3 9 4 on 3 14 24
iM = 10 5 h; 3, 20 20
ir is # 5 r 2 19 72
12 5 3 18 3
» >] ”
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß etwa 0,28 g Maiskuchen
der oben gereichten genügen, um schontötlich zu wirken. Das entspricht
einer Dosis letalis von 20 mg Ba in Form von Ba CO, auf 14 g durch-
schnittliches Lebendgewicht der Maus, also 1,4186 g Ba als Ba CO,
auf 1000 & Körpergewicht bei der Maus.
Ferner wurde die Giftmenge in den Plätzchen gesteigert, um
festzustellen, ob durch gesteigerte Giftmengen eine schnellereWirkung
erzielt werden könnte.
Von 8 Waldmäusen erhielten No. 1—4 je 2 20% bariumkarbonat-
haltige Maisplätzchen, No.5—8 je 2 30% barıumkarbonathaltige
Plätzchen. |
» » E--
E = 3 S S .. . Bemerkungen
S S I BI EN
A = 7? ER: 5 8
ZT. 1,20 ,1%,% 11:..18 Verzehrtt durchschnittlich
11/; Pl. Durchschnittsgewicht
F 3
read) Aa ia der Maus 11,5g. Durchschn.
1 Tod nach 8 Stunden.
3
4 3
3 at 15 10 Verzehrt durchschnittlich
6 3 2 11), Pl. Durchschnittsgewicht
7 I a 5 a d. Maus 14g. Durchschn. Tod
8 ale; 2 nach 10 Stunden.
Von 6 Waldmäusen erhielten 3 je 2,25% Ba CO,-haltige
Maisplätzchen und 3 je 2,30% Ba COghaltige Maisplätzchen.
9. Heft
22 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
4 5 HE,
=] sa 3 Base Bemerkungen
SR:
A ZN. 855 30
17.11.1 2 25% .— 2. 16 19. _Verzehrt durchschn. 1, BI.
il), Uhr2 2 » —2 8 68 Durchschnittsgew. d. Maus 128.
vom. 32 ,„ —NY, 12 5 Durchschnittl. Tod nach 31 Stdn
»„ :4 2 30% —1 14 19 'Verzehrt' dürchsehn. 1!/,’PL
er 5 2 »„ —1 15 44 Durchschnittsgew. der Maus 14g.
» 62 ,„.—2 12 67 Durchschnittl. Tod nach 43 Stdn.
Die Steigerung des Körpergewichtes scheint bei der Giftwirkung
die größte Rolle mit zu spielen. Denn trotz der Steigerung der Gift-
menge trat sowohl bei Versuch I wie II der Tod erst später ein; die Tat-
sache läßt sich auch bei vielen der anderen Versuche beobachten, wotrotz
erhöhter Giftgaben erst der Tod z. T. viel später herbeigeführt wurde.
Des weiteren wurden neben den Plätzchen mit gesteigertem Gift-
gehalt noch unvergiftete Körner gegeben.
Von 6 Brandmäusen erhielten No. 1—3 je 2 30% Ba COyhaltige
Maisplätzchen und je 6 unvergiftete Weizenkörner. No. 4—6 erhielten
je 2 35%, Ba CO, haltige Plätzchen u. gleichfalls je 6 unvergiftete
Weizenkörner.
8 male) Eu, x SE
= EE Su = DS SM S 23 4 Bemerkung
be} ei 7} "8 fan} Dr z E aa
= 38 sed © ER=aS > #335
A ap zSs # EBESAo 82%
19. II. 4 Uhr1 2 30% 6 1 22.3 2 Die , Mäuse ‚fraßen
u nach- 2 2 » 6 149,17 2 6 Körner und Plätzchen
„ mittag3 2 „6 139,16 6 6 gleichzeitig,ohne schein-
Al „ 4 2 35% 6 11/2016 6 bar das eine oder das
H TI. „6 12, 19 17 6 andere vorzuziehen.
3 Be REIT .19 17,0%
Nun wurden den Mäusen Bariumplätzchen mit und ohne Zucker-
zusatz gereicht, ohne daß jedoch eins oder das andere vorgezogen
wurde, wie nachfolgender Versuch zeigt.
Von 6 Brandmäusen erhielten No. 1-3 je 2 Ba COghaltige
Maisplätzchen (30%) ohne jeden Zusatz, wie bisher. No. 4—6 erhielten
je 2 Ba CO,haltige Maisplätzchen mit einem Zuckerzusatz von 10%.
Sm na S End m. = „= ss
5 =£ re
= ee ee
A App Ai N® > = N an o& Sn S®
20. IT. 111, Ubrsi. 2.0 aa ze
* vorm. 2 2 5 2 15 I. —
„> ER) 3 2 ER) en 1!/a 19 3
= 5 4 10%, Zucker- „, — 1 20 23 ==
zusatz
D » 5 ” ” ar? 1 17 5 TR
” ” 6 „ ” = 1 15 B) TERN,
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 23
Um festzustellen, wie weit das anfangs erwähnte Heidemehl
mit Bariumkarbonat von den Mäusen gefressen würde, wurden nach-
folgender Versuch angestellt.
Eine Feldmaus erhielt ein Gemisch von Heidemehl, Zuckerresten
und Bariumxarbonat (2g Heidemehl, 2g Zuckerreste, Ig Ba CO,
und außerdem 25 Roggenkörner).
Datum erhalten gefressen tot nach Stunden
19. XII. Y,11 Uhr vorm. lg lg 121/,
25 Körner 25 Körner
Das Heidemehl wurde neben den Körnern von den Mäusen gut
aufgenommen. Von seiner weiteren Verarbeitung zu Barytkuchen
wurde aber Abstand genommen, da es infolge seiner groben Be-
schaffenheit keine gute Backfähigkeit hatte, die Herstellung feinerer
Heidemehle aber zu große Kosten verursachte, die in keinem Ver-
hältnis zu seiner Verwendungsmöglichkeit standen.
Zum Schlusse blieb nun noch die Frage zu prüfen, ob feucht
gereichtes Bariumbrot vielleicht eine schnellere Wirkung zeitige.
Bei den eingangs angestellten Versuchen mit gleichzeitig gereichtem
Trinkwasser waren wir zu einem negativen Resultat gekommen.
Bei diesen beiden Versuchen wurde einmal mit Wasser, dann mit
Milch angefeuchtetes Brot gereicht.
4 Waldmäuse erhielten je etwa 0,5g in Wasser vorgeweichtes
Bariumkarbonatbrot (20%).
Datum No. Gewicht tot nach Stunden
23. IV. 11!/, Uhr vorm. 1 15 28
” 2 1% 40
RL 3 13 36
er 4 17 24
2 Waldmäuse erhielten je 0,5 gin Milch gereichtes Bariumkarbonat-
brot (20%).
Datum No. Gewicht tot nach Stunden Bemerkung
19. IV. 12 Uhr mittags 1 12 29 Fıaß etwa 0,29.
ya 2 14 15
Eine schnellere Wirkung gegenüber trockenen Mitteln konnte
nicht festgestellt werden; jedoch wird sich das Anfeuchten des Brotes
mit Milch empfehlen, da diese eine ganz vorzügliche Witterung für
die Mäuse darstellt.
Versuche mit anderen Bariumsalzen.
Zur Verarbeitung zu Mäusegiften war bisher nur Bariumkarbonat
verwandt worden, während über die anderen Bariumverbindungen
so gut wie nichts bekannt war.
Beim ersten Versuch wurden die 4 Bariumsalze: Ba SO,, Ba CO,,
Ba CL, und Ba (OH), vergleichsweise nebeneinander geprobt:
9.H ft
24 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Versuch mit Ba SO, Ba CO,, Ba CL, und Ba (OH),.
12 Brandmöuse erhielten je 13,9% bariumhaltige Maisplätzchen
und zwar No.1—3 als Ba 00, (20%), No.4—6 als Ba SO, (24%),
No. 7—9 als Ba CI, (21%), No. 10—12 als Ba (OH), (17%).
Datum No. Mittel jezehrte Gewicht tot nachStunden
26. III. 11!/, Uhr vorm. 1 BaCQ, 11, 20 14
2 24 12), 14 24
3 25 12), 17 14
4 BaS0, 2 15 48
5 v — — überlebt
6 T 2 15 60
7 BaCl, — — überlebt
8 % Is 15 32
5) — überlebt
10 Ba ( OH), 1, 17%: 3
11 2 19), 17 12
12 % 2 17 23
Beim nächsten Versuch wurde den Mäusen außerdem noch Wasser
vorgesetzt:
8 Hausmäuse in Gläser gesetzt erhielten je2 1,5 g schwere 13 ‚9%,
bariumhaltige Maisplätzchen und zwar No. 1 und 2 Ba CO, (20%),
3. und 4 Ba SO, (24%), 5 und 6 Ba CL, (21%) und 7 und 8 Ba (OH),
(17%). Alle Mäuse erhielten Trinkwasser.
Datum No. Mittel verzehrt Gewicht totnach Stunden Bemerkung
4.111.19 1 :BasCO, 1 Spur 138 +
8Uhrvorm. 2 v; h llg 5
3 BaS0O, alles Ig überlebt Der Kot von
4 1,5g llg a Maus No.3 sah
5 Ba CL, 1 Spur 5g 20 zumTeilweiß aus.
6 Ä bg 20
7 Ba ( OH), 5; 10 8 Be:
8 a 1 0 2 7 überlebt
Beim dritten Versuche wurden einmal je 2 Mäusen ein Mittel,
2 Mäusen alle 4 Mittel vorgesetzt:
Von 10 Hausmäusen erhielten 8 je 2, 1,5 g schwere, 13,9%, barıum-
haltige Maisplätzchen und zwar No. 1 und 2 Ba CO, (20%), 3 und 4
Ba SO, (24%), 5 und 6 BaCL, (21%), # und 8 Ba (OH), (17%).
2 Mäuse erhielten je2 Plätzchen Ba C'O,, 2 Plötzchen Ba SO,, 2 Plätzchen
Ba CL, und 2 Plötzsehen Ba (OR),.
Datum No. Mittel verzehrt Gew. 7 nach
Stunden
2.18.19 0 Ba C0, 1,3 g 9 g überlebt
3 Uhr 2 35 1 Spur 6 8 16
nachm. 3 Ba SO, alles 132g überlebt
| 5 Aut E>) E2) 11 g ER)
5 Ba CL, 12 g Hlnse 38.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 25
No, Mittel verzehrt Gew. T nach Std.
6 BaCL, 0,78 11 g überlebt
7 Ba (OH), 1 Spur 14.8 18
8 0,75 8 5 8 20
9 BaC0O, BaS0O, 0,7g Ba(OH), 13 g 8
BaCLe, Ba(OH),
10 Br 0,48 BaC0, 6 g 15
0,5 Ba (OH),
Bemerkungen. Maus 3 und #schiedenreichlich weiß aussehenden
Kot aus. — Maus 9 fraß nur wenig Ba (OH),, alles andere ließ sie
unberührt. — Maus 10 beknabberte zuerst Ba (OH),, zog dann beide
Plätzchen Ba CO, von der Futterbank in den Kasten hinein und fraß
davon auch ein wenig.
Alle 3 Versuche zeigen, daß Ba SO, nur eine geringe Giftwirkung
hat, außerdem von den Mäusen nur ungern angenommen wird.
Ähnlich verhält es sich mit Ba CL,. Bessere Wirkung haite Ba (OH),,
das zusammen mit Ba CO, den anderen Stoffen bei weitem vorgezogen
wurde.
Um die Wirkung des Ba SO, noch einmal genau zu prüfen, wurde
das Mittel den Mäusen allein nur in Verbindung mit En Lak
Körnern vorgesetzt:
9 Waldmäuse erhielten je 3 bariumsulfuricumhaltige Mais-
plätzchen (16,6%). No. 1—5 erhielten sonst keine Nahrung, No. 6—9
je 5 unvergiftete Weizenkörner.
Datum No. Körner Gew. verz. Körn. fnachStunden Bemerkungen
Plätz.
13.11.17 1 — 14.,3 — 4 Tagen 16,6% Ba SO,
11,Uhr, '2 — 11 2 — 20 Stunden =9,8 Ba
vorm. 3 — 12 3 — 2 Tagen
4 — 12 3 — 3 Tagen
5 — 10 3 — 20 Stunden
6 5 9 3! ja 2 Tagen
7 Aa 3 „ 31 Stunden
8 5.340 3 „ .3 Tagen
9 ®». 115 3 „ # Tagen
Die Mäuse No. 6—9 fraßen erst den Maiskuchen und später erst
die Weizenkörner. Nach 7 Stunden waren sie noch vollkommen gesund,
Am 14. März um 2 Uhr erhielten die noch lebenden Mäuse un-
vergiftete Weizenkörner.
Dieser Versuch zeigte wiederum die schwache Wirkung des
Ba SO,, weshalb das Mittel bei den nächsten Versuchen ausgeschaltet
und nur Ba CO,, Ba CL, und Ba (OH), verwendet wurde.
6 Hausmäuse in Gläser gesetzt erhielten je zwei 1,5g schwere
13,9%, bariumhaltige Maisplätzchen und zwär No.1 und 2 Ba 00,
(20%), 3 und 4 Ba CL, (25%), 5 und 6 Ba (OH), (32%). Alle Tiere
erhielten Trinkwasser.
9. Hefl
26 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Datum No. Mittel verzehrt Gew. fnachStdn. Bemerkungen
10.227, 19..1#. Ba 00,-- ”T Spur: 12/8 4 20% Ba 00,
Bsllhr; 2 R 1 kl. Spur 11 g überlebt =13,92 Ba
vorm. 3 DBaCL, nichts 13 8 m 25%, Ba CL,
4 er YELBpurs#8'g + — 16,5 Ba
5 Ba(OH), nichts Ile „320, Ba (OH),
6 g 10 g = —=18,56 Ba
Auch hier zeigie sich wieder die schwache Wirkung des Ba CL,,
so daß es für weitere Versuche ausgeschaltet wurde. Nun war nur
noch einmal Ba (OH), zu prüfen.
4 Brandmäuse erhielten je 2 12% Ba (OH),haltige Maisplätzchen
(12%, Ba (OH), = 6,96%, Ba = 10,0%, Ba C0,).
Datum No. Gew. verzehrt +nach Stdn. Bemerkungen
vi FERN JRR + Ba (OH), wurde ebenso
3l/, Uhr 2 —_— überlebt wie BaCL, von den
nachm. 3 RER. 12 Mäusen schlecht ange-
4 er F 12 nommen.
Nach diesen angestellten Versuchen steht wohl fest, daß von
den geprüften Bariumsalzen Ba CO, die größte Giftwirkung zeigt
und von den Mäusen auch am besten angenommen wird. Es dürfte
sich daher empfehlen, bei der Herstelllung bariumhaltiger Giftmittel
nur Barıumkarbonat zu verwenden.
Phosphor.
Der Phosphor gehört mit zu den wirksamsten Mäusebekämpfungs-
mitteln. Zu diesem Zwecke wird er in Form von Latwerge, Pillen
oder Melasse unter Zugabe bestimmter Köderstoffe den Mäusen ge-
geben, ist aber auch als Salz in Verbindung mit Zink zum Vergiften
verwandt worden.
Literatur. 1
Anwendung von Phosphorbrei, -pillen und -melasse.
Über die Anwendung des Phosphors als Brei oder Pillen liegt
eine reiche Literatur vor. Schäff (227) hält Phosphorbrei, an Stroh-
halmen ausgelegt, für ein erfolgreiches Mittel, das sich besser als
Phosphorpillen bewährt; ebenso spricht sich ein anonymer Verfasser
(278) in diesem Sinne aus. Kornauth (129) und Raebiger (196),
197) dagegen sind sehr gegen die Anwendung von Phosphor und
Giftstoffen überhaupt. Klunzinger (117) empfiehlt Phosphor sowohl
als Brei wie in Pillenform, Hiltner (79) äußert sein Bedenken, da
nach Mitteilung von Prof. Steglich infolge der Selbstentzündlichkeis
des Phosphors Stoppelbrände entstanden seien. Hiltner und Korf
(104) warnten vor Anwendung von Phosphorpräparaten, da auch
die natürlichen Feinde mit vergiftet werden. Chmielewski (39),
Ribbeck (209) und Kurandt (138) rühmen Phosphorpillen, Gaul
(60) Phosphorlatwerge, Poudret (191) Phosphormelasse, während
die Biologische Anstalt (21) die gute Wirkung des Phosphers wohl
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 237
anerkennt, jedoch gasförmigen Mitteln wegen geringerer Gefahr
den Vorzug gibt. Auch Herr (90) empfiehl‘ vor allem Phospho1latwerge
nach der Strohhalmmethode ausgelegt; die Landwirtschaftskammer
Pommern (63) dagegen will Phosphorlatwerge nur für kleinere Herde
verwandt wissen. Baumeier (17) warnt eindringlich vor Ver-
wendung von Phosphorpräparaten, die noch gefährlicher als Strychnin
sind. Auch für die Bekämpfung der Wühlmäuse eignet sich nach
Oberstein (178) Phosphorbrei, das in ausgehöhlten Sellerie-, Möhren-
und Petersilienwurzeln ausgelegt wird. Raebiger (202) wiederum
berichtet, daß auf einem Gut durch Phosphorpräparate etwa 40 Hasen
eingegangen seien, und warnt deshalb ausdrücklich vor Anwendung
von Phosphor; auch Röhrig (220) röt von chemischen Giften ab,
wöhrend Steglich (247) wiederum sich für Fhosphorlatwerge, Wahl
(264) für Phosphorpillen und Pasten, Stranak 252) für Phosphor-
pillen und Phosphorschmiere ausspricht. Für dıe Kriegszeit empiiehlt
die Hauptstelle für Pflanzenschutz (87) an Stelle von Phosphorlatwerge,
die nicht erhältlich, Phosphormelasse, die ebenso wie jene an Stroh-
halmen ausgelegt wird. Weiterhin wird zu Phosphorlatwerge (302)
und Phosphorbrei (304) von ınonymen Verfassern geraten, während
die Pflanzenschutzstelle Wien (141) auf die Giftigkeit der Pillen hinweist.
Auch die Landwirtschaftskammer Gotha (350) rät zum Auslegen von
Phosphor nach der Strohhalmenmethode, ebenso auch Sachtleben
(225), doch macht dieser auf sein unangenehmes Versagen bei feuchtem
Wetter aufmerksam.
Vielfach werden auch Verbindungen von Phosphor und Zink
empfohlen und sind besonders im Auslande mit Erfolg verwandt
worden.
Sorät Bolle (25) zu Pillen aus Maismehl, denen 1% Zinkphosphür
zugefügt ist, Passerini (182) zum Auslegen von mit Zinkphosphid
getränkten Maiskörnern unter Dachziegeln, nach deren Ausnahme
die Mäuse in 4—5 Stunden verendeten. Wahl (264) ist für Verwendung
von Mais, der mit Zinkphosphür vergiftet ist, (10 g Zinkphosphür
auf 1 kgMais), während Splendore (245) anläßlich Mäusebekämpfungs-
versuchen in der Provinz Foggia von Giften allein das Zinkphosphid
als wirksam gefunden hat.
Laboratoriumsversuche mit Ersatzfutterstoffen,
Sowohl zur Herstellung der Phosphorlatwerge als auch der Phorphor-
pillen wird Mehl benötigt. Da dieses während des Krieges in keiner
Form zur Verfügung stand, wurde versucht, mit Materialien, die nicht
zu Ernährungszwecken verwendet wurden, Ersatzpräparate herzu-
stellen. Von diesen hatte sich Heidemehl schon anläßlich der Her-
stellung von Bariumpräparaten als untauglich erwiesen; für die An-
fertigung von Phosphorlatwerge oder Pillen eignete es sich einmal
nicht wegen seiner groben Beschaffenheit, in der es nur beschafft
werden konnte, und daß ferner die Herstellung von feinen Mehlen
dieser Art unverhältnismäßig teuer kam. Erschwerend war noch,
9. Heft
28 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
daß diese Mehle wegen ihres Mangels an Klebefähigkeit und Quell-
barkeit nur schwer zu verarbeiten waren und sich ein einheitliches
brauchbares Präparat nicht herstellen ließ.
An weiteren Ersatzstoffen waren Melasse und Zuckerreste vor-
handen. Da zu erwarten war, daß diese beiden Stoffe wegen ihres
süßen Geschmackes von den Mäusen angenommen werden würden,
wurden hiermit weitere Fütterungsversuche angestellt.
Von 2 Feldmäusen erhielt No. 1 Melasse, No.2 Zuckerreste auf
einem Strohhalm gereicht.
Da die Mäuse die gebotenen Futterstoffe nicht anrührten, wurde
den nächsten Versuchen noch Mehl zugesetzt.
Eine Feldmaus erhielt Melasse mit Mehl und Zuckerreste mit Mehl
jedes auf einem besonderen Strohhalm gereicht.
Diese 2 Versuche fielen negativ aus, da die Mäuse die gereichten
Stoffe nicht anrührten. Es wurden deshalb verschiedene Öle zugesetzt,
die infolgeihres starken Geruches vielleicht die Mäuse anlocken könnten.
Gleichzeitig wurden auch Körner als Nahrung geboten:
Zwei Brandmäuse, jede in einen Kasten gesetzt, erhielten Melasse
und Mehl unter Zusatz von 0,2prozentigem Anisöl, Melasse mit Mehl
unter Zusatz von 0,2prozentigem Fenchelöl, Melasse mit Mehl unter
Zusatz von 0,2prozentigem Amylacetat, Zuckerreste mit Mehl unter
Zusatz von 0,2prozentigem Anisöl, Zuckerreste mit Mehl unter Zusatz
von '0,2prozentigem Fenchelöl, Zuckerreste mit Mehl unter Zusatz
von 0,2porzentigem Amylacetat und zehn unvergiftete Roggen-
körner.
Auch diese Versuche ergaben ein gleiches Bild wie vorher. Die
Mäuse nahmen nur die Körner an, während sie die übrigen Futterstoffe
trotz des Zusatzes der verschiedenen Öle unberührt ließen. Ebenso,
wie bei den früheren Versuchen, zeigte sich auch hier, daß diese
Geruchsstoffe auf die Mäuse in keiner Weise anlockend wirken, zur
Herstellung von Ködern also nicht in Frage kommen.
An Stelle von Mehl wurde nun beim nächsten Versuche Wrukenbrei
verwandt, der in Verbindung mit Melasse und Zuckerresten den Mäusen
gegeben wurde.
Eine Brandmaus erhielt Wrukenbrei mit Melasse, ferner Wrukenbrei
mit Zuckerresten gemischt.
Auch hier wurde die Melasse nur zum Teil gefressen. Da nach den
bisherigen Erfahrungen Melasse immer verhältnismäßig gut gefressen
wurde, war anzunehmen, daß die Abneigung der Mäuse sich mit gegen
den Stoff, auf dem die Melasse gereicht wurde, richtete. Es wurden
deshalb Melasse und Zuckerreste in Verbindung mit Körnern, die
von den Mäusen ja gerne gefressen werden, gereicht. Eine Brandmaus,
in einen Kasten gesetzt, erhielt 5 Roggenkörner mit Melasse überzogen,
5 Roggenkörner mit Zuckerresten überzogen und 5 reine Roggen-
Örner.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 29
Datum erhalten gefressen Bemerkung
12.XI1.17 5 Roggenkörner mit Melasse 5 Die Maus {raß
überzogen zuersö die 1einen
5 Roggenkörner mit Zucker- Roggenkörner und
resven übelzogen 5 dann die anderen.
5 reine Roggenkörner 5
Der Versuch wurde mit einer Gabe von 10 Körnern wiederholt.
5 erhalten x E R E R E
= SASANS &
13. X11. 17 10 Roggenkörner :mit Me- 12 Uhr 1 3Uhr 1 13.X. 10
81/, Uhr lasse überzogen mittags 1 Nm. 1 8Uhr 10
vorm. 10 Roggenkörner mit Vm.
Zuckerresvenüberzogen er er: - 10
10 reine Roggenkörner ” SE N Io
Nach den obigen Versuchen ist die Annahme von Melasse und
Zuckerresten sehr davon abhängig, welche Stoffe miö verfüttert werden.
Melasse und Zuckerreste allein oder mit Ölen als Lockmittel wurden
nicht genommen, dagegen wurden sie in Verbindung mit Wruckenbrei
und noch besser mit Körnern gut gefressen. Da aus diesen Versuchen
nicht zu erkennen war, ob Melasse und Zuckerreste sich als Ersatz-
stoffe eignen würden, wurden noch weitere Versuche in Verbindung
mit }hosphor, die weiter unten im Anschluß an die Versuche mit
Phosphorlatwerge behandelt werden sollen, angesetzt, für den sie
ja hauptsächlich als Beigabe gedacht waren.
Phosphorlatwerge.
Herstellung.
Bei der Herstellung der Phosphorlatwerge richveten wir uns nach
dem Rezep: in der Pharmaz. Centralhalle 1917, 8. 24, 25:
In einer genügend großen Reibschale verreibt man 7,5 Teile
gepulverven Stangenschwefel mit einer 50—60 ® erwärmten Mischung
von 200 Teilen Honig oder braunem Syrup sowie 130 Teilen Glycerin
und gibs dann 30 Teile Phosphor hinzu, der auf dem Boden der Reib-
schale mit dem Schwefel zu einer ölartigen Flüssigkeit zusammen-
schmilzt. Wenn alle festen Teile veıschwunden ind, setzt man nach
und nach 250 Teile Roggenmehl hinzu (soviel als nötig).
Die erhaltene Phosphorpaste stellt eine dieke Emulsion des flüssigen
Tetraphosphormoncsulfids dar, die den Vorzug besitzt, daß der Phosphor
sehr fein verteilt und nicht körnig ist.
Damit diese Phosphorlatwerge auch von den Mäusen angenommen
wird, ist noch die Zugabe bestimmter Köderstoffe, die ein Geheimnis der
Hersteller sind, erforderlich. Infolgedessen ist auch die Wirksamkeit
der im Handel kefindlichen Präparate sehr verschieden. Sehr gute
Erfolge konnten wir mit Phosphorlatwerge aus der Kronenapotheke
in Chemnitz erzielen, die von.den Mäusen sehı gern genommen wurde.
9. Heft
30 Prof Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Versuche mit gesteigertem Giftgehalt.
Vor allem interessierse nun auch die Frage, ob durch Steigerung
des Giftgehaltes eine größere Wirksamkeit gezielt werden könnte.
Zu den Versuchen wurde deshalb Phosphorlatwerge mit einem Gift-
gehal5 von 1—5% verwandt.
Versuch mi, Iprozentigeı Phosphorlatwerge.
8 Brandmäuse erhielten je 1 prozentige Phosphorlat ‚werge. No. 14
erhielten je 0,4 g, No. 5—8 je 0,28.
=! DZ
Datum 3 3 tot nach Stunden Bemerkung
a
u er Kb
31.1II.17 1 0,4g18g tot nach 5 Stunden No. 3 hatte die
111/, Uhr 2 0,43 Moe Phosphorlatwerge im
Dorn DEE een a Sand verscharrt und
4100er, RE, scheinbar kaum davon
HIO2E IE erh gefressen. Die Lat-
5 10,210022 gli) 1, RO werge wurde nach Mög-
BAR TIngiar 097 DR lichkeis5 vom Sande be-
THEIR E -KOBAMLLIDT SHE freit und auf dem
8 0,2g18g 12 Futterständer derMaus
vorgelegt. Am darauf folgenden Tage war das Tier tot.
Versuch mit 2prozentiger Phosphorlatwerge.
Von 6 Waldmäusen erhielten No.1—3 0,45 Phosphorlatwerge
(2%) und 4-6 0,68.
Datum No. erhalten Gewieht tot nach Stundeh
19.11.17 1 0,4g 18g tot 21. III. mittags nach 2 Tagen
4 Uhr 2 04g 17g tot 20. III. morgens nach 16 Stunden
nachm. 3 0,4g 1ö5g tot 20. III. morgens nach 16 Stunden
4 0,6g 19g tot 20. III. morgens nach 16 Stunden
5 0,g 18g tot 20. III. morgens nach 16 Stunden
6 0,68 17g tot nach 19 Stunden
Bemerkungen. Die Mäuse berührten zuerst garnicht die
Phosphorlatwerge, erst als der Hunger sie dazu trieb, fraßen sie davon.
Versuch mit 3prozentiger Phosphorlat werge.
6 Mäuse (3 Feld- und 3 Waldmäuse) erhielten je 0,2 g 3proz.
Phosphorlatwerdge.
17.IV.17 1 Feldmaus 14 tot nach 18 Stunden
111/, Uhr 2 3» 12 »0». 6 Btunden
vorm. 3 y 14 see
4 Waldmaus 12 BERN INTE
5 FE) 14 „ ER) 30 »
6 „ 12 ” ” 18 ”
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 31
Versuch mit 4prozentiger Phosphorlat werge.
Von 5 Brandmäusen erhielten 3 0,1g Phosphorlatwerge (auf
Pergamentpapier) und 2 0,2g Phosphorlatwerge.
Datum E B: 5 E
Fun Br
16.IH.17. 1 1,1g ja 19 tot 17. III. morgens, nach 24 Stdn.
31), Uhr 2 0,1g „ 21 tot 17. III. mittags, nach 24 „,
vorm. 320,L0 927° 716. tou,17. HL morgens, mac .10. ,
4 02g , 19 tot 18. III. morgens, nach 16 „,
5 02g ,„ 14 tot 17.III. morgens, nach 16 „,
Versuch mit 4prozentiger Phosphorlatwerge.
Datum No. Gew. Bemerkungen
23.IV.17 1 13 tot nach 7 Stunden 2 Waldmäuse erhielten je
11/,Uhr 2 15 tot nach18 Stunden 0,3g 4°), Phosphorlatwerg.
Versuch mit 5prozentiger Phosphorlatwerge.
Datum No. Gew. Bemerkungen
3,IV.17 1 17 tot nach 18Stunden 6 Brandmäuse erhielten
RE 29,127 2, RAN A je 0,4—0,6 g5prozentige
a 1 BRACH Ss Phosphorlitwerge
AO
8 BAR „AL Ban,
6 15 » „ 20 „
Aus diesen Füiterungsversuchen mit Phosphorlauwerge unter
Steigerung des Giftgehaltes ergaben sich folgende Resultate:
Die Steigerung des Phosphorgehaltes hat nur einen geringen
Einfluß auf schnellere Wirksamkeit. Diese ist so gering, daß z.B.
bei einer Steigerung der Giftmenge um das 3fache der Tod nur wenige
Stunden früher eintrat. Von wesentlicher Bedeutung jedoch scheint
der Ernährungszustand der Maus zu sein, wenn man das Körper-
gewicht zu Grunde legt. Hier ergibt sich, daß schon ein Mehrgewicht
von ein paar Gramm die Giftwirkung um Stunden herabmindert.
Vor allem war auch die Frage von Wichtigkeit, wie die Mäuse
sich verhalten, wenn ihnen neben der Phosphorlatwerge auch noch
Korn zur Verfügung steht, eine Möglichkeit, die bei feldmößiger
Mäusebekampfung doch meistens gegeben ist. Zu diesem Zwecke
wurden die nachfolgenden Versuche angestellt.
3 Brandmäuse wurden in einem Kasten mit Glaswand (zwecks
Beobachtung) gebracht und erhielten auf einem Futterbrett gleich-
zeitig 2%, und 4 %Phosphorlatwerge, der als Köder Anisöl beigegeben
war, und unvergiftete Roggen- und Weizenkörner vorgesetzt. Die
Mäuse ftraßen ausschließlich Körner und berührten die Phosphor-
latwerge garnicht. Jedoch kamen sie beim Herumspringen ver-
schiedentlich mit Pfoten und Schwanz in den Phosphor und ver-
9. Heft
32 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
schleppten ihn in den Käfig. Man konnte demnach nich: genügend
und genau feststellen, ob die Tiere gar keinen Phosphor genossen.
Eine Maus ging nach 12 Stunden ein, eine nach 35 Stunden. Um eine
bessere Kontrolle zu gewinnen, wurden beim nächsten Versuch die
Futternäpfe geändert. Glasröhren von lem Durchmesser und 1Y/,
bis 2cm Länge wurden auf dem Futterbrett stehend aufgeleimt und
das Futter da hinein getan.
3 Waldmäuse erhielten in je eines von diesen Näpfchen 15Weizen-
körner, 15 Gerstenkörner, 15 Roggenkörner, (2%) Phosphorlatwerge mit
Anis, (4%) Phosphorlatwerge mit Anis.
Die Tiere holten sich die Körner auf den Futterräpfehen und
ließen Phosphor unberührt. Sie wurden dauernd beobachtet und
wenn dieses nicht geschehen konnte, wurden alle Futternäpfe entfernt.
Nach 2 Stunden waren sämtliche Körner restlos verzehrt, die Futter-
näpfe wurden entfernt und die Tiere erhielten nun noch ausschließlich
Körner, wurden aber noch weiter beobachtet. Nach 2 Tagen waren
die Mäuse noch vollkommen munter.
3 Brandmäuse erhielten in gleicher Weise wie oben Futter.
Die Futternäpfe wurden verklebt. Nach ®/, Stunden war die Hülle
von Gerste, dann von Hafer entfernt, das Korn wurde restlos gefressen.
Hierauf riß eine Maus die Hülle vom Phosphorbrei, roch daran, fraß
aber nichts, wie auch die anderen Tiere, obwohl sie dauernd nach
Futter suchten. Alle Mäuse blieben gesund. h
3 Brandmäuse wurden zusammen in einen Kasten gesetzt
und erhielten neben ausreichender unvergifteter Körnernahrung
Phosphorbrei, auf Strohhalmen gestrichen, vorgesetzt. Die Mäuse
fraßen zunächst nur die Körner. Beim Umherspringen kamen sie
verschiedentlich an den Phosphorbrei und beschmutzten sich daran.
Am folgenden Morgen waren alle 3 Mäuse tot.
Aus diesen Versuchen ergab sich das Resultat, daß Körnerfutter
der Phosphorlatwerge doch bei weitem vorgezogen wird. Der Phosphor-
brei hat,e jedoch in sofern gute Wirkung, als die Mäuse sich daran
ihr Fell besehmutzt hatten und diese Stellen dann beim Reinigen
und Putzen ableckten.
Ferner ist dieser Versuch ein erneuter Beweis dafür, daß Mäuse-
bekämpfung mit derartigen Mitteln zu jener Zeit, wo den Mäusen
noch genügend Futter auf dem Felde zur Verfügung steht, sehr schwierig
und vielleicht überhaupt zwecklos ist, da die Mäuse dann immer
an das Ausfallkorn gehen und die Giftstoffe nur schwer annehmen
"werden.
Fütterungsversuche mit Phosphorlatwerge und Zucker.
Da die Fütterungsve suche mit Zuckerresten und Melasse allein
kein endgültiges Resultat ergeben hatten, wurden sie in Verbindung
mit Phosphor fortgesetzt, ebenso wurden nochmal Anis und Fenchel
in ihrer Wirkung als Köder zum Versuch herangezogen. da
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 33
Versuch mit 3prozentiger Phosphorlatwerge mit Zuckerzusatz.
4 Waldmäuse erhielten je etwa 0,2 g 3% Phosphorlatwerge.
Datum No. Gew. Bemerkungen
16.1V.17 1 14 tot nach 4 Stdn. Die Mäuse hatten in keinem
WSEhr FL UU: 2,02, A Falle die Latwerge restlos ver-
vorm. ee: rn, FNEOn zehrt, stellenweise nur eine
Ur KB Bi, Spur genommen.
Versuch mit 4% Phosphorlatwerge mit Zuckerzusatz.
6 Waldmäuse erhielten je etwa 0,2 g 4prozentige Phosphorlatwerge.
Datum No. Gew.
AN SI TA 14 am 2. Tage krank, am 3. Tage tot
10 Uhr 2 12. am 2. Tage krank
vom: 3 13. tot nach 3 Tagen
4 11 tot nach 35 Stunden
5 10 tot nach 29 Tagen
6 10 tot nach 14 Tagen.
Versuch mit Phosphorlatwerge, Zucker und An’s.
2 Brandmäuse zusammen in einen Kasten gesetzt, erhielten
einen 1, 2 und 4prozentigen Phosphorbrei vorgesetzt. Als Köder
wurden Zucker und Anis angewandt in folgender Weise:
Datum Köder Bemerkung
napf No.
phor °%%
Phhos-
2.V RT Zucker Die Mäuse wurden, solange sie das Futter
Anis hatten, beobachtet. Phosphorbrei mit Zucker
Zucker fraßen sie gern, den mit Anisöl ließen sie
Anis scheinbar unberührt. Nach 1 Stunde kamen
Anis beidein einen anderen sauberen Käfig und er-
hielten Körner. Die Tiere warenin 4—5 St.tot.
sw 89 „u Futter-
pbvrm+-
Versuch mit Phosphorlatwerge, Zucker, Anis und Fenchel.
1 Waldmaus erhielt gesondert vorgesetzt:
4prozentige Phosphorlaöwerge mit Anisöl
4 A „ Fenchelöl
”» > „ Zucker
Die Maus schnupperte im Kasten umher, berührte aber keine der
Phosphorlaöwergen. Um 6 Uhr wurden die Futternäpfe entfernt,
am folgenden Morgen wieder der Maus vorgesetzt. Nach etwa !/, Stunde
erst naschte sie von der Latwerge mit Zucker.
Bei diesen Versuchen mit Anisöl und Fenchelöl wurden, wie bei
den ersten Fütterungsversuchen, nur negative Resultate erzielt.
Diese Köderstoffe wirken in keiner Weise anlockend auf die Mäuse,
so daß ihre Verwendung vollkommen zwecklos ist.
Phosphormelassee Die Fütterungsversuche mit Melasse
hatten im allgemeinen kein günstiges Resultat gebracht. Sie wurden
Archiv - Ban rresseehte,
5)
> 9. Heft
34 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
deshalb in Form von Phosphormelasse von uns fortgesetzt, die wir
nach folgendem Rezept herstellten:
1 kg Melasse wird erhitzt bis etwa 50—60°, sodann werden 10 g
gelber Phosphor ın Stangen hinzugefügt und mit dem Erhitzen der
Masse fortgefahren, bis aller Phosphor geschmolzen ist. Man gibt
sodann die Phosphormelasse in weithalsige Flaschen, verschließt gut
und läßt eine Stunde schütteln. Vor dem Gebrauch ist die Phosphor-
melasse gut umzuschütteln.
Diese Phosphormelasse wurde zu den folgenden Versuchen verwandt.
Eine Feldmaus erhielt am 3. 1.17 12'/, Uhr nachm. 1 g 2% Phos-
phormelasse. Nachdem sie ', hiervon gefressen hatte, starb sie nach
19 Stunden.
Schließlich war noch zu untersuchen, auf welche Weise die Ver-
giftung der Mäuse mit Phosphorlatwerge zustande kommt.
Vielfach ist nämlich die Meinung verbreitet, daß die Mäuse
nicht die Phosphorlatwerge von den Strohhalmen abfressen, sondern
daß sie beim Passieren der Löcher sich an den mit Phosphorlatwerge
bestrichenen Strohhalmen ihr Fell beschmutzen, im Nest nun ihr
Fell putzen und durch das Ablecken der Phosphorlatwerge ihren Tod
finden. Es wurde deshalb folgender Versuch angestellt:
Von 10 Waldmäusen erhielten 7 verschiedene Tupfen Phosphor-
jatwerge, 1 Phosphorpille, 2 Dextrin.
No. erhalten Tupfen Gewicht nach Std.
1.1 Tupfen auf, dem Bücken“ . .". „na, 13 20
2 1 Tupfen am Ohr und linke Seite ...... 12 6
3 Starke Beschmutzung an linker Seite und Tupfen
am Glas 1 cm über Sand, dieser sofort gefressen 14 1-2
4. 1.groBer Tupfen. auf Sand... +... IE. a
5. 3. grobe: Tuplenram Glas. N A er 9 1—2
6 1 großer Tupfen Phosphor am Glas, sofort abge. 8 5
2... Linke Pfote: heschmutz#‘. 3: 1.0: 1. Se: 16 20
8 Starke Beschmutzung mit Dextrin auf Rücken 14 sofort
9 Starke Beschmutzung mit Dextrin auf Bauch . 14 abgeleckt
10 1 Phosphorpille in: Glas. . 3.2. ren: 17 5
Hierbei zeigte sich, daß diese Ansicht irrig ist. Die Mäuse gingen
ebenso gut an die Tupfen von Phosphorlatwerge auf dem Sand oder
am Glase. Eine Maus sogar fraß von dem Tupfen auf dem Sand, ehe
sie noch ihr Fell gereinigt hatte. Die Versuche wurden nun weiter
geführt, indem Phosphormelasse auf Strohhalmen an der Decke des
Kastens befestigt den Mäusen gereicht wurde:
Eine Feldmaus, in einen Kasten gesetzt, erhielt 2prozentige
Phosphromelasse, die auf Strohhalmen gereicht wurde. Diese waren
im Deckel des Kastens befestigt. Die Maus war nach ungefähr 19
Stunden tot.
Eine Feldmaus, in einen Kasten gesetzt, erhielt 1prozentige
Phosphormelasse, die auf Strohhalmen gereicht wurde. Diese waren
im Deckel des Kastens befestigt. Die Maus war nach 20 Stunden tot.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 35
Daraus geht hervor, daß es durchaus nicht vom Zufall abhängig
ist, ob die Mäuse sich an Phosphorlatwergen vergiften oder nicht.
Durch die Anbringung der Melasse am Deckel wurde der Zufall aus-
geschaltet. Vielmehr sind diese Versuche ein Beweis dafür, daß die
Mäuse diese Phosphorpräparate aufsuchen, also scheinbar durch den
Geruch des Phosphors angelockt werden. Damit aber dürfte die
Brauchbarkeit von Phosphorpräparaten für die Praxis eıwiesen sein.
Phosphorpillen.
Mit ER immer mehr steigenden Verwendung von Phosphor-
präparaten tauchte der Gedanke auf, diese in einer handlicheren Form,
nämlich in Form von Pillen, anzufertigen, da hierdurch das Auslegen
wesentlich vereinfacht würde. Wir stellten nun solche Phosphor-
pillen nach dem Rezept von Dieterich her, die wir dann zu unseren
weiteren Versuchen verwandten:
Phosphor 50 g übergießt man mit Wasser 500 g und rührt, wenn
der Phosphor geschmolzen ist, von Roggenmehl 2500 g so viel unter,
daß ein dünner Brei entsteht. Man rührt bis zur vollständigen Ver-
teilung des Phosphors, fügt noch heißes Wasser 500,9 und soviel
Mehl hinzu, bis ein Teig entstanden ist. Dieser wird dann in einer
Teigknetmaschine zu einem sehr steifen Teig verarbeitet. Diesen
preßt man durch eine sogenannte Lakritzenpresse in Stränge und
formt diese auf der Pillenmaschine zu Pillen, die an der Luft ge-
trocknet werden.
Versuche mit 0,5prozentigen Phosphorpillen.
4 Feldmäuse erhielten je 5 0,öprozentige Phosphorpillen.
Datum No. Gew. verzehrt f nach Std. Bemerkung
6.8:17 .. 1= 20..:5-#5 44 No.1-—4 erhielten noch 5 weitere
9,Uhr,; 2#.10 ss 44 Phosphorpillen hinzu, dasienach den
vorm. 3. 10 hE 44 ersten 5 vollständig munter waren.
RER, F +
4 Brandmäuse erhielten je 5 0,5% Phosphorpillen.
Datum No. Gew. verzehrt f nach Std. Bemerkung
208.17. 17142 4 5 No.3 erhielt, da sie nach den
2.20 5 18 ersten 5 Pillen völlig munter war,
3 17 5+5 41 weitere 5 Phosphorpillen.
A ur 18
Bei einer Durchschnittsberechnung der 2. Versuche genügten also
»Y/, Pillen, um die Mäuse in 30 Stunden abzutöten.
Außer den von uns angefertigten Präparaten zogen wir noch
einigeim Handel befindliche zu Versuchen heran, um deren Wirksamkeit
festzustellen.
„Materit‘, bezogen von G. Matthes, Leipzig 8. Es sind Phosphor-
pillen, die gegen Wühlmäuse, Erdratten, Feldmäuse, Hamster usw.
in den Fahrten, Gängen ode: in die Erdlöcher ausgestreut werden.
3* 9. Heft
36 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
No. Menge verzehrt Gewicht tot
10 Mäuse. 1 10 Pillen 6 13 nach 1 Tage
2 ”> 2 16 » 2 >
B) ” 10 19 „ 1 „
4 »; 5 12 ”) 1 >
5 >’ 5 16 PR] Ya ”
6 > 5 16 > 1 ”
7 » 6 19 ”) 1 „
8 ® 3 13 Bel
9 „ 4 15 „ 1, ”
10 > 5 14 ” 1 »
Um festzustellen, inwieweit Getreide diesen stark nach Phosphor
riechenden Pillen vorgezogen wird, wurden gleichzeitig Pillen und
Getreide gereicht.
No. Gereicht: Gefressen: Gew. nach1Tg.
Körn. Pill. Körn. Pill. lebend:
Weizen
6Mäuse. 1 U 6.19 1:18 0
2:20 6 20 B., 2 0
3,20 6 20 Re 0
7 u - Ibanez. >, 0 16 — Tan demselben Tage
520 6 20 #31: 718 0
6 20 6 19 4::0::18 0
Die 5 überlebenden Mäuse wurden weit«rgefüttert, und zwar
wurden nachdem das Getreide verzehrt, weitere Körner gereicht.
Die Pillen wurden in der Folgezeit nicht mehr angerührt. Ergebnis:
1:20 1705 ERET 0 7 nach 4 Tagen
RT Er 0 Bi:
3.20 3. — -—- 7 0 ee A
4 20 2 20 — 18 0 DE
a 0 A
Danach ist die Brauchbarkeit der ‚„Materit-Pillen‘“ sehr beschränkt.
Die Mäuse zogen das Getreide vor, starben aber nach der Aufnahme
von nur wenigen Pillen nach verhältnismäßig langer Krankheit,
während welcher sie keine Nahrung mehr aufnahmen.
Zum nächsten Versuche wurden 0,3% Phosphorpillen von Wasmuth
herangezogen:
3 Brandmäuse erhielten je 10 0,3-prozentige Phosphorpillen.
Datum No. Gew. verzehrt fnach Bemorkung
Stunden
BR IELTT7ES 20 rt 136 No.2 war am 23. August noch
6 Uhr SABESEE 1> Baal Li 179 sehr munter.
nachm. 3 15 10 137
Bei diesen Pillen trat die Wirksamkeit nur sehr langsam ein,
da selbst die verhältnismäßig hohe Zahl der gefressenen Pillen den
Tod erst nach ungefähr 6 Tagen herbeiführen konnte.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 37
Bei dem Kauf solcher fertigen Präparate, deren Wirksamkeit
zum Teil sehr beschränkt ist, muß daher eine gewisse Vorsicht walten.
Es wird sich empfehlen, Bekämpfungsmittel dieser Art nur von Stellen
zu kaufen, wo ihre Herstellung unter staatlicher Kontrolle steht und
für die Brauchbarkeit auf diese Weise Gewähr geleistet ist.
Was die Herstellung von Pillen anbetrifft, so ist davon nach und
nach wieder Abstand genommen worden, da die Herstellung von Pillen
im Großen besondere Trockenanlagen erfordert, deren Anschaffung
die Herstellung wesentlich verteuern würde. Von Phosphorpräparaten
haben sich daher in erster Linie nur Phosphorlatwerge, dann auch
Phosphormelasse Eingang in die Praxis verschaffen können.
Arsen,
Literatur.
Über die Anwendung des Arsens sowohl zur Vergiftung won
Getreide wie zum Bespritzen der Felder liegen verschiedene Mitteilurägen
vor. Weiß (270) lobt sehr die Anwendung von Arsenweizen, Wa’hlen-
berg (268) empfiehlt Arsenbrühe zum Bespritzen des Kless, Del
Guercio (73) 4—6%, Lösung von Kaliumarsenat, später 3/5 Kalium-
arsenit, das besser wie Arzenik und Kaliumarsenat wirken soll. In
den landw. Mitteil. für Steiermark (85) wird angeraten, Arserik gänzlich
zu verbieten, während Carrer (36) für 1%, Kaliumzrsenit zum
Bespritzen der Felder eintritt. Kornauth (129) ist wiederum sehr
gegen die Anwendung von Arsenik, Fulmek (59) empfiehlt es auch
nur bedingt, Kölmel-Mühlhausen (119) betrachtet Arsenik auch
nur als Notbehelf während der Saatzeit.
Laske (151), der aus früherer Zeit die Anwendung von Arsenik
zur Feldmäusebekämpfung nicht kennt, hält Arsenik für en Mittel,
das die Pflanzen zu sehr schädigt und vertritt auch den Standpunkt,
daß bei Anwendung dieses Mittels Futterstoffe verwandt werden
müssen, die dadurch der menschlichen Nahrung entzogen werden,
sodaß von einer Anwendung des Arseniks besser abzusehen ist.
Poudret (191) rät wegen der Giftgefahr von Arsenikmitteln ab,
Stranak (252) lobt wiederum die gute Wirkung die mit Arsenschmiere
nach der Strohhalmmethode erzielt wurde.
Über die Verwendung von Natriumarsenat auf Rübensamen und
Arsenik in Verbindung mit gequetschtem Hafer liegen zwei Berichte
vor. Guerrapain und Demelon (75) erzielten mıt Natriumarsenat
ungenügende Erfolge. Hoc (105) verwirft ganz dessen Anwendung,
ebenso die von Arsenik auf zerhackten Rüben. Dagegen ließen sich
gute Erfolge mit einer Mischung von 12 kg Arsenik, 12 kg Mehl, 5kg
Melasse und 100 kg Getreide erzielen.
In Bromberg wurden Versuche mit 10%, Arsenpillen angestellt,
die folgendes Ergebnis zeitigten.
9. Heft
38 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Versuch mit 10% Arsenpillen von Wasmuth.
3 Brandmäuse erhielten am 17. August 1917 je 5 10% Arsenpillen
Beginn 6 Uhr nachm.
Versuchsmaus Gewicht der Maus verzehrt 7 nach Stunden
1 20 1), 140
2 22 1 72
3 25 31), 36
Die Arsenpillen wurden von den Mäusen sehr ungern genommen.
Da weitere Versuche mit Arsen nicht vorlagen, wurden diese in
Landsberg wieder aufgenommen. Einmal handelte es sich darum,
festzustellen, ob sich ähnlich den Arsenpillen nicht Kuchen herstellen
ließen, wie sie bisher bei Barıum allgemein üblich waren, dann aber
auch zu versuchen, ob sich Getreide nicht ebenso wie mit Strychnin
auch mit Arsen vergiften lasse. Zu den Arsenkuchen wurde folgendes
Rezept verwandt:
500 g Mehl, 50 g Arsenik, 20 g Sirup, 10 g und etwas Wasser
wurden zu einem Teig geformt, auf einem Blech flach ausgerollt
und i, Stunde im Ofen gebacken.
Der Kuchen hatte also einen Gehalt von etwa 10%, Arsen. Mit
diesem Kuchen wurden die folgenden Versuche angestellt:
4 Feldmäuse erhielten je ein Igem großes Stück.
Datum No. Gew. erhalt. Be nach
tunden
9.11.22 1:15 Igem Yo 1° Kontrollmaus gesund. Der
BELLZn Yo 22, Kuchen wurde gerne ge-
3.20 „ eine Spur öl), fressen.
4 16 u er 10
2 Feldmäuse erhielten die gleiche Menge
EIL 24 33T gem... | Kontrollmaus gesund.
2 14 , einespur 11/, D.Kuchen wurde gern gefr.
Die Mäuse starben unter den typischen Erscheinungen der Arsen-
vergiftung, nämlich lähmungsartiger Schwäche der gesamten Körper-
muskulatur, Schwanken, Herzschwäche.
Es handelte sich nun darum festzustellen, welche kleinsten Dosen
hinreichen, um eine Mäuseabtötung sicher herbeizuführen.
30g Mehl, 0,5g Arsenik etwas Syrup und Wasser wurden zu
einem festen Teig angerührt und hieraus Plätzchen geformt. Die
Plätzchen hatten einen Arsengehalt von 1,5% und enthielten bei
einem Gewicht von 0,35 g5 mg Arsenik. 3 Hausmäuse erhielten hier-
von 2 Plätzchen.
Datum No. Gew. erhalten gefressen jnachStd. Bemerkung
9.3.22 1 128g 2Pl. etwa 50mg 3 Kontrollmaus
2 lig 2Pl. etwa 50mg 3 gesund
3 138g 2Pl. etwa 4ömg 427;
Beim nächsten Versuche wurden 0,5% Arsenplätzchen verwandt.
die nach dem gleiehen Rezept hergestellt waren. Gewicht der Plätzchen
0,35 g, enthaltend 0,00175 g Arsenik.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse, 39
Datum No. Gew. Gegebene Menge Gefress. Menge nach Std:
13.11.22 1 13 2Plätzch.3035g8 0,ög 26!/,
2 10, # 0,14 30
Bemerkungen: Kontrollmaus gesund. Die Mäuse kränkelten
lange, erholten sich etwas, starben aber dann bei erneutem Fressen.
In 0,15 gder gefressenen Plätzchen sind 0,00058 g Arsenik enthalten.
Auf 12g Durchschnittslebendgewicht der Maus kamen 0,00058 g
Arsenik, auf 1kg Lebendgewicht 0,48 g.
Der Arsengehalt der Plätzchen wurde nun um die Hälfte verringert,
und Plätzchen von 0,35 g mit 0,000875 g Arsenik hergestellt.
Datum No. Gew. Gegebene Menge Gefressen jnach Std.
13.11.22. 1 131/, 2 Plätzch. 8 0,35 g 0,14 g 32
2 1077, er 0,13 g 35
Kontrollmaus gesund. Mäuse verhielten sich wie oben.
0,149 der gefressenen Plätzchen enthalten 0,00035 g Arsenik.
Auf 1 kg Lebendgewicht der Maus kommen demnach 0,3 g Arsenik.
Beim letzten Versuche wurden 0,1%, Plätzchen von 0,4g mit
einem Arsenikgehalt von 0,0004 g einer Haus- und einer Feldmaus
gereicht.
Datum No. Gew. Gegebene Menge Gefressen nach Bemerkung
15.3.22 1 13 2Pätzch.&0,35g. 0,18g 3Tagen Kontroll-
agree 3: es 0,25 2 Tagen maus
BeunEa 2 0,20 g überlebend gesund
Damit ist die niedrigste Grenze der Arsengabe erreicht. Die
Arsenplätzchen müssen also etwa 0,25—0,4%, sein, wenn ihre Wirksam-
keit sicher sein soll.
Um festzustellen, ob nicht auch Getreide ähnlich wie Strychnin-
getreide mit Arsenik sich herstellen lasse, wurde Weizen scharf ge-
trocknet und mit 1. gesättigter, kalter Arseniklösung, 2. mit gesättigter
Schweinfurtergrünlösung eingequollen und dann wiederum zurück-
getrocknet.
2 Feldmäuse erhielten je 10 Körner Arsenikweizen, 2 Feldmäuse
je 10 Körner Schweinfurtergrünweizen. Nach 24 Stunden hatten die
Mäuse noch nichts angerührt.
Scheinbar hatten die Körner durch die Arsenlösungen einen solchen
Geschmack bekommen, daß sie den Mäusen nicht genehm waren.
Es wurden deshalb diese Versuche abgebrochen und Uraniagrün
wiederum in Form von Plätzchen den Mäusen vorgesetzt, weil zu hoffen
war, daß der Gehalt von Arsen in Verbindung mit Kupfer zu einem
Erfolge führen würde.
Herstellung der Plätzchen: 3g Uraniagrün, 1,5 g Gersten-
mehl, 1,5g Zucker und etwas Wasser.
9. Hek
40 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
3 Brandmäuse erhielten je 2 50%, Uraniagrünplätzchen.
Datum No, verzehrt Gew. T nach Std.
4. VI. 17 $ 1 18 19
1 Uhr 2 1 -25 60
nachm. 3 1 Spur x.19 19
Sektionsbild: No.1 wurde seziert. Herz, Lunge, Milz normal,
Magen stark aufgebläht, mit Wasser und mit der grünlichen Masse
der Uraniagrünplätzchen gefüllt.
Dieser Versuch zeigt ebenfalls die gute Wirkung des Arsens.
Immerhin dürfte für die praktische Verwendung Uraniagrün unrentabel
und an seiner Stelle besser Arsenik anzuwenden sein. Inwieweit bei
diesen Versuchen auch Kupfer eine Rolle mitgespielt hat, war nicht
zu erkennen. Es wurden deshalb im Weiteren Versuche. auch mit
Kupfersalzen angestelit.
Kupiersalze.
Literatur.
Über.die Verwendung von Kupfersalzen liegt uns nur ein Bericht
von Del. Guercio (72) vor. Danach erwies sich Kupferacetat als
vollkommen unbrauchbar für Mäusebekämpfung.
Versuche.
In der Praxis besteht häufig die Ansicht, daß bereits mit Kupfer-
salzen gegen Brandbefall imprägniertes Getreide zur Vergiftung der
Mäuse ausreicht bezw. daß diese Körner gegen Mäusefraß gesichert
seien. Diese Beobachtung veranlaßte uns, ebenfalls Versuche nach
dieser Richtung anzustellen. In der Praxis wird das Getreide entweder
mit 0,1% und 1% Kupferlösungen oder mit 2%, Kupferkalkbrühe
gegen Steinbrand behandelt. Das Getreide wurde für die Versuche
in derselben Weise hergestellt, wie zur Bekämpfung des Steinbrandes.
Die Versuchsegerbnisse sind die folgenden:
Versuch mit 2% Kupferkalk-Roggen.
CHEN Anzahl der Eng
5 ız pro Tier Gefressene 28 ih
Z SE 2 gereichten Körner E= = -
dene Körner ou 8
Cs vergiftet vergiftet u
1'210 7.1 10:29 10 17 O0 } verzehrteinsges. 45 Körner O
2 . 10 10 0 r , ne
3 er 10 14 O * 5 16)
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9 ) 10 12 E PR) „ 10 PR) T
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Alter des Getreides: 1 Tag. z
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z ds aA dan
2.10 1 25 2%,
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10 ',
vergiftet
Zur Bekämpfung der Feldmäuse.
Körner
vergiftet
Gefiean
Alter des Getreides: 10 Ta
Gewicht
18
der Mäuse
© oJlebend 0
oo0
Ö
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4
1
verzehrte insges. 70 Körner
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70
45
25
25
45
45
45
25
25
+
Es sind mithin bei dieser Giftstärke eine größere Anzahl von
Körnern nötig, um einen höheren Prozentsatz der Mäuse zu töten.
Versuch mit 5%
4.10 1 105%
SO 1m wm
1
Das 5% Kupferka
9)
be)
10
2
7
0
1
10
0
0
2
10
19
15
15
17
14
12
16
12
15
K
11
OOOOO0OO
Ö
ii
Alter des Getreides: 1 Tag.
lk-Getreide wurde sehr schlecht angenommen.
.
upferkalk-Roggen.
O verz.in3Tg. 10 Körner
2
30
0
r
13
1
0
2
20
f
7
T
T
T
7
t
T
T
ni
Erst bei großem Hunger nahmen einige Mäuse den Roggen in geringen
Mengen an. Bei anderen war der Widerwillen so stark, daß sie mehrere
Tage hungerten und dann eingingen.
Bei folgenden Versuch wurden mit den vergifteten Körnern
gleichzeitig reine Körner,- und zwar der sonst weniger geschätzte
Weizen, gereicht, um festzustellen, ob letzterer den Kupferkalk-Körnern
vorgezogen wird.
Versuch mit 5% Kupferkalk-Roggen bei gleichzeitiger
Verabreichung unvergifteter Weizenkörner.
Alter des Getreides: 18 Tage
No. Anzahl
d. Mäuse
5 6
®) Die zuerstin den
Versuch gebrachte
Maus No,4 war offen-
sichtlich krank und
wurde später durch
eine andere ersetzt;
daher nichts gefress.
Maus
No.
1
2
3
4
b)
6
Anzahl der pro Tier
gereichten Körner ;
vergiftet rein, Weiz. verg. rein, Weiz.
10 5%
10
10
10
10
10
10
Gefressene
Körner insgesamt
1 10 9 Körner T
0 10 10 Bears
2 10 8 37:0
0 0*) 8 Sm 3,
0 4 4 ») T
0 10 10 a),
9. Heft
verzehrte
42 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Der vorstehende Versuch 5 zeigt, daß der Kupferkalkroggen 5%
sehr ungern angenommen wird, selbst sonst weniger geschätzten
Getreidearten gegenüber.
Kupfer ist also als Mäusegift ungeeignet, da er in schwachen
Giftgraden erst nach dem Genusse größerer Mengen von Körnern
wirksam ist, während er in stärkerer Dosis von den Mäusen verschmäht
wird.
Quecksilbersalze.
Literatur.
Über die Verwendung von Quecksilbersalzen berichtet allein
Del Guercio (72), der mit Ätzsublimat nur mäßige Wirkung erzielen
konnte.
Versuche.
Für uns nun war es von Interesse, ob vielleicht die beiden Ver-
bindungen, die als Uspulum und Fusariol gegen pilzliche Schädlinge
die größte Bedeutung haben, nicht auch zur Mäusebekämpfung sich
verwenden ließen.
2 Hausmäuse erhielten je 10 Getreidekörner, die mit lprozentiger
Uspulunlösung (1g Uspulun, 100g Wasser) kalt gebeizt waren.
Datum No. Gew. verzehrt, 'r nach Std.
24. III. 1919 1 10 g 10 Köıner 40
9 Uhr vorm. 2 12 g 1B4,.,, überlebt
Bemerkung: Kontrollmaus gesund.
Versuch mit Uspulumgetreide 1%, abgetötet und gebeizt.
Herstellung: 100g Getreide und 1g Uspulum in 100 g Wasser
aufgelöst und solange gekocht, bis das Getreide die Flüssigkeit ganz
aufgesogen hat.
2 Hausmäuse erhielten je 10 Körner hiervon.
Datum No. Gew. verzehrt
25.111. 1919 1 12 g 10 Körner überlebt
9 Uhr vorm. 2 10 g 10: 7, p$
2 Hausmäuse erhielten je 10 Körner Roggen, die mit 5prozentiger
Uspulunlösung kalt gebeizt waren. (5g Uspulun, 100 g Wasser).
Datum No. Gew. verzehrt Bemerkungen
2.IV.1919 1 9g 10 Körner überlebt Maus2starbnach 3 Ton.
$ Uhr vorm. 2 9g 10 ,„ E Kontrollmaus gesund.
3 Brandmäuse erhielten je 10 Körner lOprozentigen Uspulun-
roggen.
Datum No. Gew. verzehrt 7 nach Std,
15. VI. 1917 1 18 10 überlebt
2 16 10 66
3 17 10 überlebt
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 43.
3 Brandmäuse erhielten je 10 Körner 20 prozentigen Uspulun-
roggen.
Datum No. Gewicht verzehrt 7 nach Stunden
18. V1..1917 1 13 10 68
12!/, Uhr nachm. 2 12 10 92
3 14 10 ++
An diese'Versuche mit Uspulun schließen sich solche mit Fusariol an.
2 Hausmäuse erhielten je 10 Getreidekörner, die mit lprozentiger
Fusariollösung (1 g Fusariol, 100 g Wasser) kalt gebeizt waren.
Datum No. Gewicht verzehrt 7 nach Stdn. Bemerkung
24 TEE 1919 - 1 10 8 4 Körner 7 Kontrollmaus
9 Uhr vorm. 2 9%. 10, überlebt überlebt.
Maus 1 machte sofort nach dem Genuß der Körner einen sehr
kranken Eindruck.
Versuch mit Fusariol- Getreide 1% abgetötet und gebeizt.
Herstellung: 100g Getreide und 1g Fusariol in 150 g Wasser
aufgelöst und solange gekocht, bis das Getreide die Flüssigkeit ganz
aufgesogen hat.
2 Hausmäuse erhielten je 10 Fusariol-Getreidekörner.
Datum No. Gewicht verzehrt 7 nach Stdn.
24.11.1919 1 149g 10 Körner überlebt
12 Uhr vorm. 2 13g 10, =
2 Brandmäuse erhielten 10 Iprozentige Fusariol-Roggenkörner
(kalt gebeizt).
Datum No. verzehrt Gewicht + nach Stdn.
22. V. 1917 1 10 14 14
11t/, Uhr vorm. 2 10 17 überlebt
No. 1 wurde ganz zusammengekrümmt am folgenden Morgen tot
aufgefunden. Der Schwanz war blutig zerbissen. Sektionsbefund:
Herz, Lunge, Milz normal, Magen, Dünn- und Dickdarm stark an-
gefüllt, teilweise blutig- schleimig.
3 Brandmäuse erhielten ] je 10 Körner 5prozentigen Fusariolroggen
(kalt gebeizt).
Datum No. Gew. verzehrt TfnachStd. - Bemerkung
31. VII. 1917 1 Era. 3.10 92 _ Kontrollmaus gesund
10 Uhr vorm. 2 14 10 92
3 13 10 72
3 Brandmäuse erhielten je 10 Körner 10 prozentigen Fusariol-
Roggen (kalt gebeizt).
14. VI. 1917 1 15 10 72 Kontrollmaus gesund
4!/, Uhr nachm. 2 14 10 66
3 160, 9 40
3 Brandmäuse erhielten je 10 es en Fusariol-
roggen (kalt gebeizt).
9. Heit |
+
4 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Datum No. Gew. verzehrt TnachStd. Bemerkung
18. VI. 1917 1 18 7 68 Kontrollmaus gesund
121/, Uhr nachm. 2 14 9 49
3 15 1) 68
Anschließend daran wurde noch ein Versuch mit 50 prozentigen
Fusarialplätzchen angesetzt.
Herstellung: 50 g Gerstenmehl wurden mit 50g Fusariol
unter Wasserzusatz zu einem Teig vermengt und als kleine Plätzchen
den Mäusen gereicht.
3 Brandmäuse erhielten je 2 5Oprozentige Fusariolplätzchen.
Datum No. Gewicht verzehrt + nach Stdn.
1. 28:1.4917 1 14 1 Spur
1 Uhr nachm. 2 15 4,Plätzchen 24
3 20 1 Spur 67
Diese Versuche zeigen, daß eine Beizung in einer Höhe, wie sie
für die Abtötung pilzlicher Schädlinge in Frage kommt, auf die Mäuse
keine Giftwirkung ausübt. Erst eine etwa 10—15fache Menge wäre
erforderlich, um auf die Mäuse tötlich zu wirken. Hierdurch wurde
aber einmal das Getreide totgebeizt, so daß es als Saatgut gleichzeitig
nicht verwendet werden konnte, andererseits wurde bei einer reinen
Verwendung des Beizmittels zur Mäusebekämpfung bei einer 10—-15
fachen Steigerung der sonst gebräuchlichen Mengen die Kosten des
an und für sich schon teuren Beizmittels bei normalem Gebrauche
ins Vielfache gesteigert, so daß es sich wohl empfehlen dürfte, andere
preiswertere Mittel zur Mäusebekämpfung anzuwenden. Ein gleich-
zeitiger Gebrauch dieser Beizmittel zur Abtötung pilzlicher Sporen
und von Feldmäusen aber ist wegen der geringen Giftwirkung der
Mittel auf diese nicht möglich.
Strychnin.
Strychnin ist wohl das am weitesten verbreitete und wirksamste
Bekämpfungsmittel für Mäuse. Deshalb liegen hierüber auch die
meisten Erfahrungen und eingehende Versuche vor, die über Wirksam-
keit und Zusammensetzung dieses Giftes angestellt wurden. Besonders
eingehend waren die Versuche von Tretina, und im Anschluß an diese
sollte festgestellt werden:
1. das zum Vergiften geeignetste Korn,
2. die Art, das Korn zu vergiften. Hierbei sollte vor allen Dingen
festgestellt werden, ob das Gift wirklich in das Korn eindringt oder
an der Oberfläche haften bleibt. In letzterem Falle liegt die Gefahr
vor, daß es vom Regen abgewaschen wird oder von den Mäusen, die
häufig das Korn schälen, nicht mit aufgenommen wird.
3. Die erforderliche Giftstärke.
4. Die Haltbarkeit des Giftes bei längerem Lagern des Gift-
getreides und dessen Widerstandsfähigkeit gegen Verwitterung.
5. Ob brucinfreies Strychnin zum Vergiften geeigneter ist.
6. Die Brauchbarkeit von Ersatzstoffen für Hafer in Verbindung
mit Strychnin.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse, 45
Bei der Lösung der Frage, welche Gifte sich zur Bekämpfung
der Mäuse am besten eignen und welche Mengen der Gifte notwendig
sind, um in der Praxis eine ausreichende Wirkung auszuüben, mußte
es insbesondere darauf ankommen festzustellen, welche Mengen des
betr. Giftes notwendig sind, um eine bestimmte Gewichtseinheit
lebender Mäuse sicher abzutöten. Die meisten Gifte werden mit
einem Köder bezw. einem Futter gemischt. Die Tiere nehmen um so
größere Mengen auf, je lieber sie das Futtermittel annehmen und je
geringeren Einfluß die Gifte auf die Witterung und den Geschmack
der betreffenden Futtermittel ausüben.
Es war also einmal darauf Bedacht zu nehmen, solche Futtermittel]
zu wählen, die von Mäusen gern gefressen werden, andererseits solche,
die, um eine sichere Versuchsanstellung zu gewährleisten, sich mit
dem Gift leicht mischen ließen.
Von diesem Gesichtspunkt ausgehend glaubten wir, für die ersten
Versuche Mehl zu verwenden. Das feine Mehl läßt sich mit dem Gift
leicht mischen und zu bestimmten Brocken formen. In zweiter Linie
kamen Körner in Frage, die ja bekanntlich von den Mäusen sehr gern
genommen werden und auch in der Praxis zur Herstellung von Mäuse-
giften meist Verwendung finden. Die Verteilung des Giftes auf die
Körner ist aber naturgemäß eine ungleiche. Trotzdem sahen wir
von der Verwendung von Mehlbrocken ab, weil diese leicht zerfallen,
während der Fütterung viel verloren geht und bei der Reichung von
Giftüberschüssen eine genaue Feststellung des verbleibenden Restes
schwer möglich ist. Wir glaubien, die Ungenauigkeit, die bei der Ver-
wendung von Körnern nicht zu vermeiden ist, mit in den Kauf nehmen
zu müssen, weil durch Anwendung von vergifteten Körnern die ganze
Versuchsanstellung einfacher und bequemer wurde und schließlich
für die praktische Anwendung ja nur Körner in Frage kommen können.
T.
Versuche über die. zum Vergiften am besten. geeignete
Getreideart.
Zunächst war es notwendig, nochmals festzustellen, welche
Getreideart besonders gern gefressen wird und sich zur Aufnahme
von Mäusegift am besten eignet. Bekanntlich sind zur Vergiftung
der Feldmäuse im Handel Weizen und Hafer, während andere Getreide-
arten eine nur untergeordnete Rolle spielen.
Da cffenbar eine gewisse Vorliebe der einen oder anderen Getreide-
art gegenüber anzunehmen ist, wurden zu Beginn unserer Versuche
Ermittelungen darüber angestellt, ob die althergebrachte Verwendung
von Weizen und Hafer zum Vergiften begründet ist und ob nicht
günstigere Resultate durch die Verabreichung anderen Getreides
erzielt werden können.
— — Verfüttert-wurden.bei unseren Versuchen außer Weizen und Hafer,
Roggen, Gerste. und Mais. Letzterer mußte als Giftgetreide aber
9. Heft
46 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
ausscheiden, da die Mäuse ihn nur ungern aufnahmen. Meist wurden
die Maiskörner nur oberflächlich angeschnitten oder auch gänzlich
verschmäht, wenn ihnen anderes Getreide zur Verfügung stand.
a) 1 Waldmaus erhiel: je 10 Körner Roggen, Weizen, Gerste. Hafer, Mais.
Zahl der verzehrten Körner Zahl der verzehrten Körner
Datum nach 6 Stunden am folgenden Morgen
Roggen Weizen Gerste Hafer Mais Roggen Weizen Gerste Hafer Mais
21. V. 1917: . 2072107 1 2a 10...10.. '10......10.., 78
21. V.1917 10 0 4.10 10....10:-:.10. _10:. 10
21. V. 1917.10. '.10. 10. 10.510 19: 719° 10: - ‚10, 10
Im Mittel 5,5 6,3 64 6,8 28 88 85 68 91 86
23V. 1912 008 1 2.7100 8 7.40... 8
4.V.1917 0 0 2 1 0 ‘2 0 2 1 0
5..V. 19170184 8 10: 09 0 10° 20.410: 20
19-:V:.1917- 205 1 6; 9:70 10, A
IE. 19T. 1,25. 0 4 0 10: :-940.,...40..,.10,..J10
19. 5: 1917 4 8 5 2 4,208 0 10... 0
0
2
b) 1 Brandmaus erhielt je 10 Körner Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Mais.
3.W.1917 2.1 RTV Bros
7. V. 1917 4 8 10° 10 0 10 10 10 10 10
22: 7.191719 297105710: 27210770 1907,00 1 TOR
22. V. 1917 8 8 6 7 0 4710710 10:78
22:9. 1917. 10710710 710 10% 19° 2:10:10 4
nach 5 Stunden
9
0
98. V.1917-2:.8: m. 10 aaO 10. on
nach 6 Stunden
93.7.1917 !:10° :0° .W 10 uno 10 107 oe
nach $ Stunden
23. 7.1917... --10% -10:- 10 ...0° . 18.200 10.0210, 00
nach 6 Stunden
94. W191: 9% 4.108 2.7. 10-820. 100 or an oe
54. Y. 1917:... 8.10: 10.0107 Br 10 De
94. Y. 1917. 16...10:=: 10... 1 2 @ 0 10 So
Im Mittel 8,09 9.3 9,09 96 52 10 97 0 10 76
c) 1 Feldmaus erhielt je 10 Körner Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Mais.
8. Y: 1917 ..-:0.°°.0..0,..00° 0108,10 10010200510
9.V.1917°..0%...0:,.. Area a
2O-V..1917.. 3:0 Dr see 22.1.1007 28
FLY: 1917507 SON Dre
I a ee Ne PB
5. oz. 1 Bo SUITE Een 27 u a0
16.1017 0.0.0 Dean a a u
18. 1917.°.0° 0 a ee
v7 DT. oa
18, V,.1917. 10: ie . 700 om. 70
Im Mittel. 16 22 18 56 67 41-38 5 :93 98
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 47
Nachstehende Fütterungsversuche ergaben, daß Wald- und
Brandmäuse Mais nieht gern fraßen, alle anderen: Getreidearten gleich
gern nahmen. Feldmäuse dagegen fraßen am liebsten Mais.
Von den übrigen vier Getreidearten (Hafer, Gerste, Weizen,
Roggen) schnitt der Roggen stets am günstigsten ab, 10 Mäuse, deren
jede je 30 Körner der genannten Getreidearten: erhielt, verzehiten
vom Mittag bis zum Morgen des folgenden Tages durchschnittlich
insgesamt:
Hafer Gerste Roggen Weizen
84 (23) 106 (91) 197 (67) 36 (143) Körner,
wobei die in Klammern beigefügten Zahlen die Anzahl der nur an-
geschnittenen Körner bedeuten. Darnach ist die Vorliebe für Roggen
am größten. Die Körner werden zum größten Teil völlig verzehıt,
was für die Wirksamkeit des später zu verwendenden Giftkornes
von hoher Bedeutungist. Amschlechtesten wurde Weizen aufgenommen,
völlig verzehıt nur in geringer Anzahl, sondern meist nur angeschnitten.
Beim Hafer ist noch zu berücksichtigen, daß manche Tiere überhaupt
kein Korn annahmen, sondern lediglich von den drei übrigen Getreide-
arten fraßen.
Besser als diese beiden meist verwendeten Getreide (Weizen,
Hafer) wurde Gerste genommen, wird aber von Roggen noch bedeutend
übertroffen. Alle unsere Versuche, die zu verschiedenen Zeiten an-
gestellt wurden, entschieden stets in unzweideutiger Weise zu Gunsten
des Roggens, sodaß er allein bei unseren weiteren Versuchen zur
Herstellung des Strychningetreides verwendet wurde.
10 Mäuse, deren jede je 30 Körner Hafer, Gerste, Roggen, Weizen
erhielt, fraßen:
No. Hafer Gerste Roggen Weizen
1 _- 18 (5) 15 (14) (2)
6 (4) 7 (12) 17 (13) 2 (16)
3 9 (12) 4 (15) 7 (18) 5 (19)
4 28 2 (9) 14 (2) 16 (14)
5 26. \12,°7°20(7) RU 2 (8)
6 2 (5) 11:10) 23 (6) 4 (15)
7 — 22 (4) 30 2 (14)
8 2 9 (15) 30 2 (24)
9 2 13 (7) 28 (2) (26)
10 9 10 (8) 5 (2) 3 (7)
Summe 84 (23) 106 (91) 197 (57) 36 (143) Körner
Die Zahlen in Klammern bedeuten die angeschnittenen Körner.
Nachdem nun die günstige Futterart für Mäuse festgestellt war,
handelte es sich darum festzustellen, ob und wieweit das Gift in das
zu vergiftende Getreide eindringt, oder ob es nur an der Oberfläche
haften bleibe, da dann die Gefahr besteht, daß es vom Regen ab-
gewaschen, oder von den Mäusen, die häufig das Korn schälen, nicht
mit aufgenommen wird. Unsere Versuche bezogen sich zunächst
9. Heft
48 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
also darauf, zu beobachten, in welcher Zeit gequollenes Getreide
die Strychninlösung aufnimmt. Zu diesem Zwecke wurden nach-
folgende Versuche angestellt:
Roggen, Hafer, Gerste, Weizen blieben zwecks Quellung 4 Stunden
a) in Wasser, b) in 2% Kalilauge, c) in 1% Kalilauge, d) in 1%
Natronlauge und wurden dann in derNähe derHeizung wieder getrocknet.
Darauf blieb das Getreide solange in 0,8prozentiger Strychrinlösung
bis die ganze Flüssigkeit von dem Korn aufgesaugt war.
Roggen in Wasser, vorgequoll. brauchte z. Aufsaug. d. Str.-Lös.X
Roggen in Wasser vorgequoll. brauchte z. Aufsaug. d. Str.-Lös. 50Std.
„ ER) 17 Kalilauge, »» 22 2 >>) 3 54 >)
ER) 3 (Er) ER) ER) ER) Ne) ER) 72 E2)
„ „ 1% Natronl. ” E2) ” „ ER) ER) 72 ”
Hafer „ Wasser „ ” ” „ EB) „ 72 „
„ ER) a „ »» ” BE) „ 72 „
» „ 0'499 ” DE) ” „ ” ” 72 „
„ ” 1% Natron]. „» ” EE) 9° „ „ 72 >
Gerste E2) Wasser i 7) „ ” ER) ”) ER) 12 „
„ „ 1% Kalilauge,, ’ „ 2) ER) „ 72 „
„ „ 2% „ „ ER) „ » „ ER) 72 „
„ » 2%, Natronl. „ „. „ „ ER) 27 JE
"Beim nächsten Versuche wurden Weizen und Mais zwecks Quellung
&) in Wasser, b) in lprozentiger Kalilauge, c) in 2prozentiger Kalı-
lauge, d) in 2prozentiger Natronlauge 4 Stunden lang gelassen und
dann in der Nähe der Heizung getrocknet. Das trockene Getreide
blieb dann solange in 0,8prozentiger Strychninlösung bis alle Flüssigkeit
aufgesaugt war.
Weizen in Wasser vorgequoll. brauchte z. Aufsaug. d. Str.-Lös.72 Std.
>16) >) 1% Kalilauge,, be} », > „, „. 72 >
„’ », 20% >>] >} „) >) > „ „, 72 „
33 „ 2% Natronlauge nr i & “ 12
Mais blieb 8 Tage in den Stychninlösung und hatte nach dieser
Zeit die Lösung noch nicht restlos aufgesaugt. Das Getreide, das in
Kali und Natrolnauge vorgequollen war, entfärbte die mit Fuchsin
gefärbte Strychninlösung.
Roggen und Gerste (geschält) blieben zwecks Quellung 4 Stunden
in Wasser und 2 Stunden a) in 2prozentiger Kalilauge, b) in 1proz.
Natronlauge, c) in lprozentiger Kalilauge. Das nun getrocknete
Getreide kam in Strychninlösung solange bis die Lösung von dem
. Getreide aufgesaugt war.
Roggen in Wasser vorgequ. brauchte z. Aufsaug. d. Str.-Lös. 72Std.
„> > 2% Kalilaug. ir) >>} er) er) PB] > 7 :;
2 RR 5 54
[0} „ uhr) „ », bp) > > PP]
ER) PR) 1%, Natronl. PR) FE) „ ER) „ „ 48 PR)
Gerste ‚, Wasser At Rn # n in „ 84 „,
„ » 2%, Kalilaug. „ „ » .s PR) PR) 48 ER)
10
o DE) „
„ „ 1% Natron]. „ „ „ „ „ „ „
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 49
Des Weiteren war von Wichtigkeit fostzustellen, wie weit überhaupt
die Giftlösung in das Korn eindringt.
2. Feststellung des Eindringens von Strychnin in Getreide.
Zur Verwendung kam geschältes und ungeschältes Getreide,
das kalt und heiß behandelt wurde.
a) Herstellung des gekochten Getreides.
100 g jeder Getreidesorte wurden mit 150cem H,O und 0,8g
bruncinfreiem Strychninnitrat solange gekocht, bis die Flüssigkeit
aufgesogen war. Dann wurde das Getreide zum Trocknen auf Papier
ausgebreitet.
b) Herstellung des vorgequollenen Getreides.
100 g jeder Getreidesorte wurden mit 150 ccm H,O übergossen,
24 Stunden stehen gelassen, zum Trocknen ausgebreitet. Dann kam das
Getreide in eine 0,8%, bruncinfreie Strychninlösung, blieb abermals
24 Stunden stehen und wurde wieder zum Trocknen ausgebreitet.
Es kamen folgende Sorten zur Untersuchung:
I. Roggen.
Geschälter Roggen, gekocht
i 5 vorgequollen in HyO
Ungeschälter Roggen, gekocht
n „ vorgequollen in H,O
N ie % in 1% Kalilauge
5 5 2" in 1%, Natronlauge.
II. Gerste.
Geschälte Gerste, gekocht
nr x vorgequollen in H,O
Ungeschälte Gerste, gekocht
3 ” vorgequollen in H30.
III. Hafer.
Geschälter Hafer, gekocht
2% „ vorgequollen in H,O
Ungeschälter Hafer, gekocht
IV. Weizen.
Ungeschälter Weizen, vorgequollen in H,O
b Fr gekocht.
V. Mais.
Ungeschälter Mais, gekocht
vorgequollen in H3O.
” )
Um festzustellen, wie weit Strychnin in das Getreide eingedrungen
ist, wurden von 15 Körnern jeder Sorte Schnitte gemacht und mit
Vanadinschwefelsäure versetzt (Ammoniumvanadat 0,1, reine conc.
Schwefelsäure 20,0). Bei Vorhandensein von Strychnin tritt eine
violette Färbung ein. Das Mikroskopieren muß sehr schnell von sich
gehen, da die violette Reaktion gleich eintritt und sehr bald wieder
Archiv filr Natnrgeschiehte 4 9. Heft
50 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
verschwinde.. Dierote Reaktion, die sichtbar ist, rührt von der Färbung
des Eiweißes durch die Schwefelsäure her. Zur besseren Verständigung
des unten gesagten diene der Querschnitt durch ein Weizenkorn.
Querschnitt durch ein Weizenkorn (Titicum vulgare).
Zeichenerklärung: p Fruchthülle; t Samenhaut; in den an diese
anschließenden Endospermzellen: al Aleuron-, am Stärkekörner,
n Zellkern. Vergr. 240x
I. Roggen.
Geschälter Roggen, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
Fruchthülle Samenhaut Aleuronendosperm. Stärkeendosperm. Keimling
1.Dr. 2.Dr. 3. Dr.
= 4 2 Erret.,... 3
Geschälter Roggen, vorgequollen. Strychnin vorgedrungen bis:
— RR = SR ine | 2
Ungeschälter Roggen, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
— HK; 4 K. 10R. — . — 1 R:
Ungeschälter Roggen, vorgequollen in H,O. Strychnin vorge-
drungen bis:
— 3 Per 3 2 .— _—
Ungeschälter Roggen vorgequollen in 1% Kalilauge. Strychnin
vorgedrungen bis:
_- 9 Zruaerünfal 1
Ungeschälter Roggen, vorgequollen in 1%, Natronlauge. Strychnin
vorgedrungen bis: |
2 — 9 isch Ir
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 1.
Fruchthülle Samenhaut Aleuronendosperm. Stärkeendos perm, Keimling
.1.Dr. 2. Dr. 3,Dr.,
II. Gerste.
Geschälte Gerste, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
TB — 2 BET 5 1
Geschälte Gerste, vorgequollen. Strychnin vorgedrungen bis:
4
Ungeschält aaa gekocht. Strychnin Vorgedrän den dr
Ungeschälte Gerste, NSEBESUe}IeN. Srschnin ea bis:
III. Hafer.
ee Be gekocht. re ee bis: ®
Geschälter Hafer vorgequollen (H,O). Strychnin vorgedrungen bis:
ch 1 1 ei
Ungeschälter Hafer, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
5 5 3 2
Ungeschälter Hafer, vorgequollen (H,O). Strychnin vorgedr. bis:
6 4 3 2
IV. Weizen.
Ungeschälter Weizen, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
2 4 I 0 — 2
Ungeschälter Weizen, vorgequollen (H,O). Strychnin vorgedr bis:
1 1 2 I 2 —
V. Mais.
Ungeschälter Mais, gekocht. Strychnin vorgedrungen bis:
2 5 3 3 2 — +
Ungeschälter Mais, vorgequollen. Strychnin vorgedrungen bis:
1 6 3 + 1 — _
Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß ein Quellen des Getreides
durchaus genügt, ein Kochen also nicht erforderlich ist und daß beim
Quellen das Gift auch genügend vief in das Korn eindringt.
Vergleicht man z. B. bei einer Gegenüberstellung des gekochten
und gequollenen Kornes das Eindringen des Giftes bis zu ®/, des Stärke-
endosperms, so stehen sich gegenüber:
Gekocht: 17:83—=2,1 im Mittel Gequollen: 25:10 =2,50 im Mittel
Es zeigt sich also, daß beim gequollenen Getreide im Durchschnitt
das Gift noch in höherem Prozentsatze tiefer eingedrungen war, was
wahrscheinlich auf die längere Einwirkung zurückzuführen ist.
In der Praxis wird die Herstellung des Strychningetreides ver-
schieden gehandhabt.
4% 9, Heft
592 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Literatur.
Die Herstellung des Strychninweizens beschreibt Hiltner (78)
ausführlich. 30g Strychnin, 2 Röhrchen Saccharin, etwas. Anilin-
Fuchsin und 3—3Y/,1 kochendes Wasser werden gut verrühit und auf
15 Pfund Weizen geschüttet, gut vermischt und 24 Stunden stehen
gelassen. Der Weizen ist dann gebrauchsfertig.
Rabate (194) verwendet Brechnuspulver, das zunächst mit
Wasser ausgelaugt wırd. Besitzt dieses Kalk, so muß es zuvor mit
Weinsteinsäure leicht angesäueıt werden. Als Träger wird durch
Heißwasser entkeimtes Getreide, das leicht gequetscht wird, verwandt.
Die kochende Brechnuslösung wird über die gequetschten Samen
gegossen und 2 Tage mit ihnen in Berührung gelassen. Es können
auch ganze Samen durch 2—2l/,stündiges Kochen in der Brechnus-
lösung vergiftet werden. Auf jeden Fall müssen die Samen vor der
Verwendung auf einer sauberen Unterlage etwas zurück getrocknet
werden.
Da die Mäuse das Korn zu schälen pflegen, so wird dadurch die
Wirkung des Giftes sehr beeinträchtigt, da dieses zum großen Teil
an die Schale hängen bleibt. Hiltner (77) rät daher zu verlangen,
daß die Färbung gleichzeitig mit der Vergiftung vorgenommen werden
soll, um eine Kontrolle zu haben, wie weit das Gift in das Korn ein-
gedrungen ist. Außerdem wird angeraten, nur geschältes Getreide
zur Vergiftung zu verwenden (93, 141, 221), da dadurch ein gleich-
mäßiges Eindringen des Giftes gewährleistet ist. Schander (230)
empfiehlt deshalb auch, dünnschaligen Weizen zu nehmen, der von
den Mäusen gut aufgenommen wird.
Nach den von uns angestellten Versuchen und daraus gewonnenen
Erfahrungen verfuhren wir bei der Herstellung des Strychningetreides
folgendermaßen:
Die zum Vergiften bestimmte Roggenmenge wurde durch Einlegen
in Wasser zum Aufquellen gebracht, was nach Verlauf von etwa
12 Stunden hinreichend geschah. Darauf wurde das überschüssige
Wasser abgegossen und das Getreide an der Luft oder auch ım Brut-
schrank bei mäßiger Temperatur getrocknet, bis es das alte Gewicht,
das es vor dem Aufquellen hatte, wieder annahm. Es folgte nun die
Durchtränkung mit der Strychninlösung. |
Auf 1 kg Roggen kommen bei der Herstellung einer 0,1 prozentigen
Giftstärke 1 g brucinfreies Strychninnitrat, gelöst in 800 cem heißen
Wassers, ferner eine geringe Menge Fuchsin zur Denaturierung des
Getreides.
Mit dieser Lösung wird die Roggenmenge übergossen und solange in
einem muldenförmigen Gefäß durchgeschaufelt, bis alle Flüssigkeit
aufgesaugt und eine gleichmäßige Rotfärbung der Körner eingetreten ist.
Hierauf wird der Roggen flach ausgebreitet und an der Luft getrocknet.
Die von uns gewählte, oben angegebene Methode der Herstellung
befriedigt nun vollkommen. Querschnitte durch das Korn ergeben
eine gute Durchtränkung desselben. Dabei findet sich die Haupt-
menge des zur Anwendung kommenden Giftes in der Nähe der Furche
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 53
und besonders in den Spitzen des Kornes. Letzterer Umstand verdient
besondere Beachtung insofern, als nach zahlreichen Beobachtungen
viele Mäuse die Gewohnheit zeigen, zuerst die beiden Spitzen des
Kornes und damit einen wesentlichen Teil der Giftmenge aufzunehmen.
Nach dem Entspitzen des Kornes erfolgt dann meist das Verzehren
des übrigen Kornes, mitunter waren auch erst mehrere Körner hinter-
einander entspitzt und darauf verzehrt.
So geht z.B. schon nach dem Genuß einiger weniger Körner
eines schwachgradigen Giftgetreides eine Anzahl Mäuse zu Grunde,
während andere eine dauernde ausschließliche Fütterung mit Gift-
getreide derselben Konzentration vertragen, ohne "irgendwelchen
Schaden zu nehmen.
Neben dieesr individuell verschiedenen Widerstandsfähigkeit der
Mäuse spielt für die Wirksamkeit des Strychnins der jeweilige Sättigungs-
zustand der Tiere eine bedeutende Rolle.
Von zwei Reihen von Versuchstieren war die Reihe I am Nach-
mittag vor dem Versuchstage gefüttert und dann in einen absolut
futterfreien Käfig gesetzt worden. Die Folge davon war, daß die Tiere
am folgenden Morgen bei dem ihnen eigenen raschen Stoffwechsel
bereits lebhaften Hunger zeigten. Reihe II erhielt noch an demselben
Morgen vor dem Versuch Futter vorgesetzt, konnte also als normal
gesättigt gelten. Bei dem nun angesetzten Versuch wurde jeder Maus
die gleiche Anzahl von Körnern einer Giftstärke gereicht, die nach
unseren Untersuchungen im günstigtsen Falle bis zu 25% der normal
gesättigten Mäuse tötet. Es starben von den hungrigen Mäusen nahezu
70%, während von den gesättigten nur 15%, dem Gift erlagen. Zahl-
reiche Versuche, die wir nach dieser Richtung hin anstellten, ließen
stets aufs neue zutage treten, daß eine wesentliche Erhöhung
der Wirksamkeit des Giftes eintritt, sobald es in hungrigem
Zustande von den Mäusen aufgenommen wird.
Versuch über dieWirkung des Strychnins bei verschiedenem
Sättigungszustand.
18 Mäuse in 5 Reihen zu je 3 Stück. — Alter des Getreides 10 Tage.
Anzahl der pro Größe
Reihe Maus Tier gereichten Gefressene bezw.
No. No. Körner Körner Gewieht lebend tot
vergiftet rein vergiftet rein der Maus
L.,1-5 1.3.01, — 3 — — RN |
II 46 302 — 3 —_— 37 hungrig
IE 17937 3:.0,8. 1, — 1-3. — — Li. 2
IV 10-12 301 — 3 — — 3
V 13-15. 302. — 3 — — 3 gesättigt
VI 16-18 303 — 3 _ —_ E
Versuch mit 0,4% Strychningetreide bei Verabreichung ver-
schiedener Körnermengen und bei hungrigem Zustand.
1 >= , 0,4 2 1/2 NT 2 8 Mäuse in 4 Reihen
mat Aa Zr De er
I 5—6 6 0,4 RN 2—6 — 14. 19 9 wenn
IV 178 8 0,4 aa 31/8 Er 17. 93 2 yon ungrig g
9,Heft
54 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Eine weitere Frage ergibt sich aus dem Vorstehenden ohne weiteres
— die Frage, ob die Wirksamkeit des Giftes beeinflußt bezw. aufgehoben
wird, wenn mit den Giftkörnern gleichzeitig reine, unvergiftete Körner
mit aufgenommen werden.
Zu diesem Zwecke wurden den Mäusen neben Strychningetreide ver-
schiedenen Giftgehaltes auch gleichzeitig unvergiftete Körner gereicht.
Versuch mit 0,2% Strychningetreide und gleichzeitig
gereichtem unvergifteten Getreide.
Anzahl der pro
Reihe Maus Maus gereicht. Gefressene Gewicht
No. No. örner Körner der lebend tot Bemerkungen
vergiftet rein vergiftet rein Mäuse
1:.72-10%5 0,2 5 5 5 klein 9 1 aıter a. Getreid.2 Tg.
Versuch mit 0,2% Strychningetreide und gleichzeitig
gereichtem unvergifteten Getreide.
LT. ..1—8..:.,8..0,2 5 5 3) — 8 Alter des Ge-
I 9-16 302 7 301 bahn dos Ki, Areidemsd rn
I 14 201 — 2 _ — Bud
I 5-83 401 — 4 en h:4n8
II 9-12 601 — Bi a 1;
IV 13-16 202 — 2 ae u 2:2
V1—0 402 — 4 — 2 2
VI 21—24 602 — 6 —_—.— 2,02
Versuch mit 0,5% Strychningetreide und bei gleichzeitiger
Verabreichung von unvergifteten Körern.
20 Mäuse in 2 Reihen zu je 10 Stück.
| 1 305 — 3 — .,.14 f nach 4 Stdn.
2 305. — 2%, . — 26 T nach 21/, Stdn.
3:,8.0,D°0. 8 — 15 T nach 2 Stdn.
4 305 - 2, —- 4 T nach 50 Stdn.
5 305 — 3 13 T nach 4 Stdn.
6 OB ll T nach 1 Stde.
1. 30,0 00 8 — T nach 8 Stdn.
8..3,.0,5 ,— 12 T nach 15 Stdn.
a 0 1 2 = 14 T nach 1!/, Stdn.
10 7082 8 Na T nach 45 Stdn.
7711, Dane ee ' T nach 50 Stdn.
12’ fa Dawn 3. 7 nach 4!/, Stdn.
15.3 War Dal T nach 10 Stdn.
14 502.973 RE Te)
19.1308 23 3 15 T nach 4 Stdn.
16. 3 Dar ade Br: 10 T nach 1 Stdn.
ER IE ne AH 3 Hi T nach 8 Stdn.
18 3 OWaTE 3 14 T nach 1 Stdn.
1% ‚lb, 5,05 3 20 T nach 1 Stdn.
mM: 30D: 3 las Zee ? nach 2 Stdn.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 55
Die Versuche ergaben in der Tat einen Unterschied, der allerdings
für die praktische Vertilgung der Feldmäuse von unwesentlicher
Bedeutung ist. Es zeigte sich nämlich, daß bei der Verabreichung
hochprozentiger Körner (0,4% und höher) eine Beeinflussung der
Wirksamkeit kaum zu merken war, dagegen wurde bei schwach-
prozentigen Giftkörnern (0,1—0,2--0,3%) die W:rkung derartig
verändert, daß der Tod bei den Mäusen, die gleichzeitig unvergiftetes
Futter aufgenommen hatten, durchschnittlich später eintrat, als bei
denen, die nur Giftkörner gefressen hatten. So starben beispielsweise
Mäuse, die reines und vergiftetes Getreide verzehrt hatten, erst nach
21/,—7 Stunden, während die der Parallelreihe nach dem Genuß der
gleichen Anzahl vergifteter Körner derselben Giftstärke bereits nach
Verlauf von Y/,—1l Stunde zugrunde gingen. Unwirksam wurde das
Gift in keinem Falle, es verlängerte sich lediglich der Krankheits-
zustand der Tiere.
Der Tod der Mäuse erfolgt ziemlich momentan unter krampfhaften
Zuckungen, die sich mitunter in kurzen Pausen wiederholen können,
bevor der Tod eintritt. Die Körperstellung ist bei allen an Stychnin
vergifteten Mäusen die gleiche. Die Hinterbeine werden in krampfhafter
Starre nach hinten gerichtet, während zugleich bei den weitaus
meisten Tieren ein Tropfen Urin aus der Harnröhre bezw. der Scheide
austritt.
3. Die Wirksamkeit des Strychningetreides.
Literatur. Die gute Wirkung des Strychningetreides wird
allgemein anerkannt (96, 125, 68, 205, 129, 244, 39, 88, 144, 138, 21,
30, 264, 307). Nur Laurer (153) steht auf dem Standpunkt, daß bei
einer großen Mäuseplage außer Mäusetyphus alle Mittel versagen.
Ferner konnte Kutin (140) in Scheunen wohl gute, auf dem Felde
aber nur mäßige Erfolge erzielen. Auch Sachtleben (225) erkennt
nur bedingt die guten Erfolge des Strychninhafers an.
Da nun von vielen Seiten geklagt wird, daß auch Haustiere und
nützliche Tiere mit eingehen (104, 196, 237, 220, 16, 17, 197), so wird
vielfach vor Anwendung von Giften überhaupt abgeraten. Dieser
Übelstand läßt sich jedoch vermeiden, wenn man das Giftgetreide
entweder in Drainröhren auslegt (262) oder mittels sogenannter Lege-
röhren, wie sie von Hiltner empfohlen werden. (100) Am besten
empfiehlt sich wohl die kombinierte Methode, zugleich Giftgetreide
und Mäusetyphus auszulegen, wie sie vonKorff (124. 125) ange-
raten wird.
Versuche über die Wirkung der Feuchtigkeit auf Strychnin-
getreide hat Rörig angestellt (221), mit dem Ergebnis, daß die Feuchtig-
keit nichts schadet. Für die Kriegszeit wurden an Stelle des Getreides
Wrucken empfohlen (303), die auch in Bromberg zu diesem Zwecke
verwandt wurden.
9. Heft
56 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Versuch über die Wirksamkeit der verschiedenen
Giftstärken.
Ein für die Praxis brauchbares Strychningetreide muß von den
Mäusen nicht nur gern genommen werden, wie es bei dem Roggen
nach unseren Fütterungsversuchen der Fall ist, sondern muß auch
einen derartig hohen Giftgehalt pro Korn besitzen, daß schon wenige
Körner ausreichen, um den sicheren Tod der Maus herbeizuführen.
Von einem Gift, das in größeren Mengen genossen werden muß,
um voll wirksam zu werden, ist praktisch kein nennenswerter Erfolg
zu erwharten. Denn abgesehen davon, daß ein Mehr eines gering-
prozentigen Giftes im allgemeinen keine große Wirkung besitzt, müssen
wir mit der biologischen Tatsache rechnen, daß die Maus wohl selten
eine größere Anzahl der in ihren Bau gegebenen Giftkörner aufnehmen
wird.
Unsere im Handel erhältlichen sogenannten ‚„Mäusegetreide‘“
erhalten nach der Angabe der Hersteller bis zu 0,5% Strychnin. Eine
Reihe dieser käuflichen Präparate sind, veranlaßt durch die vielfach
gemachten schlechten Erfahrungen mit Strychningetreide, in neuerer
Zeit von Erlenmeyer und Marx einer chemischen Untersuchung
unterzogen worden, mit dem Ergebnis, daß die verschiedenen Präparate
tatsächlich nahe zu den angegebenen Prozentsatz Gifö enthalten.
Trotzdem haben sie so häufig in der Anwendung versagt, so daß eine
große Anzahl von Praktikern eine ablehnende Stellung der Mäuse-
bekämpfung mittels Strychningetreides gegenüber einnahmen.
Mit Rücksicht hierauf sind von Tretina in allerneuester Zeit die
verschiedenen Giftstärken auf ihre praktische Verwendbarkeit hin
geprüft worden. Tretina verwandte zur Herstellung des Giftgetreides
geschälten Hafer, durchtränkt mit dem auch sonst gebräuchlichen
(brucinfreien) Stychninnitrat.
Unsere Versuche, bei denen aus den oben genannten Gründen
und auf Grund unserer Fütterungsversuche Roggen und ferner als
Gift das brucinfreie Strychninnitrat verwandt wurden, haben nun
im allgemeinen die Tretina’schen Ergebnisse bestätigt und den Beweis
geliefert, daß die in den käuflichen Präparaten enthaltenen Strychnin-
mengen zu gering sind, um als Bekämpfungsmittel bei einer Feldmäuse-
kalamität in Frage zu kommen.
Am Schlusse unserer Untersuchungen werden wir über Versuche
berichten, die wir mit käuflichem Strychningetreide, dessen Giftstärke
wir kennen, angestellt haben.
Im folgenden seien die Beobachtungen mitgeteilt, die sich nur durch
Verabreichung in verschiedener Stärke von uns hergestellter Gift-
körner ergaben und die sich auf die nachfolgenden Versuche stützen,
Zur Bekämpfung der Feldmäuse, 57
Geha mit 0,2% Strychningetreide.
8 Mäuse in 2 Reihen zu je 4 Stück. — Älter des Getreides: 1 Tag.
Reihe Maus Anzahl der pro Tier Gefressene Größe bezw. lebend tot
+
No. No. gereichten Körner Körner Gewicht 0)
vergiftet rein vergiftet rein der Maus
I 1 25 0.2 = 25 — mittel o
2 25 0,2 — 25 — mittel 0
3 25 0,2 — 18 — mittel T
4 25 0,2 — 25 — mittel 0
5) 25 0,2 25 4.19).12(259 klein 0
6 25 0,2 25 16(9) 25 mittel 0
1 25 0,2 25 (15) (22) klein 7
8 25 0,2 25 (19) (24) klein-mittel T
Versuch mit Stryehningetreide von 0,10,3%/, Giftstärke.
18 Mäuse in 6 Reihen zu je a — Alter des Getreides: 9 Tage.
BB 3. Ti 30
SE ER A N EEE : 8 Bo
II 7-9 BUND ER. en an BD 20 17
1010-12. ..5660.2 33. — ,P3- HU. 3+
RR N ra ne RK RR ES er BEN 30
VaRl6r218.. 60 ter 3+
Versuch mit 0,1 und 0,2% Strychningetreide bei Ver-
abreichung verschiedener Körnermengen.
16 Mäuse in 8 Reihen zu je 2Stück. — Alter des Getreides 25 Tage.
Maus Anzahlderpro Gefress. . Größe leb. ne
0.
No. Tier gereichten Körner bezw. 0
Körner Gew.
' vergiftet rein verg. rein d.Maus
1.0.1 2..2.01.2 2,0. ..8 13.20
I 3-4 401 — 4 — 12,14 1olf Maul2gTf
II 5-6 601 — 6 - 15, 19 20
IV: 7287801 — 8 = 12,12 20
v9 -0”202 — 0-2 ' 8 16 20 Die 16 g- Maus
VI n-12 402 — 4 — 11,13 20 rührte nichts an
VII 13—14 602 — 6 — 11,19 1olf Maus19gf
VIII 15-16 802 — 8 — 11,14 20
Versuch mit 0,3 und 0,4% Strychningetreide bei Ver-
abreichung verschiedener Körnermengen.
16 Mäusein 8 Reihen zu je 2 Stück. — Alter des Getreides 34 und 43 Tage.
I 12 203 — 2 -— 1,1520
I 3—4 403 — 0-4 -— 14 22 20 Die 14 g-Maus
Il 5-6 603 — 6 — 12,31 20 fraß nichts
IV 753 803 — 8 — 12,15 20
V 9-10 204 — 2 — 912 20
VI 1-12 404 — 3-4 -— 9,23 20
VII 13—14 604 — 1-2 — 13, 18 lo 17 Maus l13gverzehrte
VI 15-16 804 — 34 — 10, 14 27 2 Körner f
9 Heft
58 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Versuch mit 0,4 und 0,6% Strychningetreide bei Ver-
abreichung verschiedener Körnermengen.
I B 5 „% 8 „© ES ©
3 Anordnung 28238 S25 Ta E ;<
SS in m BRete Mas SASE5 a5 Sa 2”
<‘ Reihen je No. Bo ET TE
1 Se Br | 1—4 104 0-1 8-19 30 1f 1Maus fraß nichts
II 5-8 2 0,4 0—2 12-—18 30 ie 1 Maus fraß nichts
II 9-12 10,6 4-1 11-—23 30 I} 1Maus schnitt das
IV 13-16 2 0,6 0--11/,10-—27 Fr
Versuch mit 0,4% Strychningetreide.
Alter des Getreides: 7 Tage.
T erst n. d.Genuß v.
8 18 I 5 Fr 2: 3 2 2 ! 31 Körnern 0.49,
3 1004 10 16 C% BB N.
Li: OA: 3 2e 12 Körnern 0.0"
5 10 0,4 3 12 o tn. weit.2Körn, 0,4
6 1004 9 17 0
Te re 3: ee.
| 8: :: 10. 04,4 10 144 60 53 Körnern 04
Versuch mit 0,5% Strychningetreide.
Alter des Getreides 2 Tage.
10:5 1100 1 1970,85 ae U T nach 35 Stdn.
2 1005- 5, 24». 15 T nach 2 Stdn.
3... 1009 39% 23 T nach 1!/, Stdn.
4°" 10.09.72 15 f nach 10 Stdn. ,
5 10 0,5 2* 11 T nach 15 Stdn.
6... :10,0,8: 79, 29,7 12 T nach 30 Stdn.
17.271008 Free f nach 40 Stdn.
8. 10708: 2, as f nach 2 Stdn.
9: 190 T nach 1 Stdn.
10... m 10r0;52.,2], Aal T nach 1 Stdn.
* bedeutet angeschn. Korn.
Versuch mit 0,6% Strychningetreide.
Alter des Oäzpiien 15 Tage.
107. 1.4.10: ko, 1730086
2 3.06
3 306
4 30,6
5 30,6
6 306
7 306
8 306
9 306
10 30,6
Ir
5
1*
1*
I%
ic
3
3
1 F2#
1*
15
17
14
10
12
11
2
12
13.°:0
14
nach 3 Stdn.
nach 2!/, Stdn.
nach 6 Stdn.
nach 3 Stdn.
nach 6 Stunden
nach 3 Stdn.
nach 4 Stdn.
nach 8 Stdn.
Maus fraß ein Korn ganz und
schnitt zwei an; munter.
T nach 4 Stdn.
ee
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 59
Versuch mit 0,80%, Strychningetreide.
Alter des Getreides 14, Tage.
S = SO, =
sa a898 SLop snasr, 3
aaa Ad 55
N BET 3 0,8 3 13 5 nach 21/, Stdn.
2 3 0,8 0 12089 Maus fraß nichts;
5 DEU oe 16 T nach 11/, Stdn.
ker Da 1 3 BES 7 ER Ba T nach 30 Stdn.
5 308 3 20 T nach 7!/, Sthn.
6 30,07% 11 T nach 2 Stdn.
Te FON 17 T nach 8 Stdn.
8 3 0,3. I* 20 T nach 2 Stdn.
Versuch mit 0,8% Strychningetreide.
Alter des Getreides 9 Tage.
1051 BAI0S TEE 3:0,8:441# 13 T nach 10 Stdn.
2 308 2 14 T nach 8 Stdn.
3 EN, role 15 T nach 7 Stdn.
4 308 3 15 T nach 8 Stdn.
5 3-0,84071 12 T nach 15 Stdn.
6 30,8 43cH. 13 T nach 8 Stdn.
7 3:0 T nach 80 Stdn.
8 3.08 Er T nach 10 Stdn.
HILF 16 T nach 2Y/, Stdn.
107 1.30, 10 T nach 1!/, Stdn.
* bedeutet angeschnittenes Korn.
Die Mäuse erhielten am Vormittag je 1 Kern, am Nachmittage, als
sich bei einigen bereits Hunger bemerkbar machte, je weitere
2 Körner. Daraus erklärt sich das rasche Eintreten des Todes bei
einer Anzahl der Tiere.
Zusammenfassung der Ergebnisse,
Bei Verabreichung 0,1-—0,2prozentiger Roggenkörner geht nur
ein kleiner Teil der Mäuse zu Grunde, nach zahlreichen Versuchen im
günstigsten Falle 25—30% der Tiere. Meist sind es die kleinen Mäuse
oder Schwächlinge, für die diese Giftstärke ausreichend ist, um zum
Tode zu führen. Der Zahl nach genügen 3—4 Körner durchschnittlich,
wenn gelegentlich auch schon eine geringere Anzahl, etwa 2 Stück,
hinreichend ist. Eine Erhöhung der Sterbeziffer läßt sich durch
dütterung einer größeren Menge Körner nicht erreichen. Es nehmen
Fie meisten Tiere eine Zahl v. 40 Körnern auf, ohnedaßsich Beschwerden
einstellen. Selbst eine dauernde, ausschließliche Fütterung mit Körnern
9. Heft
60 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
von 0,1—0,2% Giftstärke wird von einer großen Anzahl gut
vertragen.
Auch eine 0,3prozentige Giftstärke vermag einen höheren Prozent-
satz der Mäuse kaum zu töten. Die strychninempfindlichen Tiere
sterben durchschnittlich nach dem Genuß von 3 Körnern. Wurde
dauernd vergiftetes Korn dieses Gehaltes gereicht, so starben die Tiere
zu einem großen Teil. Aber selbst bei dauernder Fütterung blieb
noch eine kleinere Menge am Leben. Wir haben das Eingehen bei
dauernder Giftfütterung wohl so zu verstehen, daß allmählich eine
Schwächung des Organismus stattfindet und dami5 eineEmpfänglichkeit,
die bei einer großen Anzahl von Mäusen schon ohne weiteres besteht,
geschaffen wird, die beseitigt wird, wenn nach der Giftfütterung
wieder eine Aufnahme reinen Futters erfolgt, aber bei ausschließlicher
Giftnahrung zum Tode führt.
Bei 0,4prozentiger Giftstärke — die annähernd bei den meisten
unserer im Handel befindlichen Präparate erreicht wird — liegen die
Verhältnisse günstiger. Der Genuß eines Kornes ist nur ganz vereinzelt
bei einigen Tieren imstande, den Tod herbeizuführen, dagegen geht
gut die Hälfte, etwa 50—60%, nach Aufnahme von 2-—3 Körnern
zugrunde. Die übrigen können selbst 10 —15 Körner schadlos aufnehmen.
Wurde die Fütterung mit vergiftetem Korn aber fortgesetzt, so erlagen
auch die übrigen mehr oder weniger schnell dem Gift. Eine ganze
Anzahl starb erst nach der Aufnahme von 25-30 Körnern, einzelne
Tiere gingen erst ein, nachdem sie nach und nach 40—50 Körner
verzehrt hatten. Von vier Mäusen, denen im ganzen 40 Körner gegeben
wurden, starb-eine bald nach dem Genuß von nur wenigen Körnern.
Die drei übrigen verzehrten in der Folgezeit zusammen über 150 Körner,
bis einevonihnen durch den Todabging. Dem Genuß weiterer 40 Körner
erlagen dann auch die beiden letzten Mäuse. Praktisch brauchhatie
Ergebnisse lassen sich mithin durch Verfütterung 0,4prozentigen
Giftroggens nicht erzielen, denn die Aufnahme von einer so großen
Anzahl von Giftkörnern draußen bleibt unmöglich.
Ein wahrnehmbares Abnehmen der Feldmäuse nach Auslegung
von Strychningetreide wird sich draußen erst deutlich bemerkbar
machen, wenn das Giftgetreide 0,5—0,6% Strychninnitrat enthält.
Nach unseren Versuchen erlagen nach dem Genuß dieser Giftstärke
85—90%, aller Mäuse, während der Rest selbst nach dem Genuß
von 6—10 Körnern widerstandsfähig genug ist, um mit dem Leben
davon zu kommen. Die übrigen zeigten schon nach der Aufnahme
von 1—2 Körnern sichtliche Erkrankung, die zum Tode führte. Mitunter
war bei einer großen Anzahl nur das Entspitzen oder Anschneiden
eines Kornes nötig, um die betreffende Maus zu töten. Die aus dem
Versuch lebend hervorgehenden, widerstandsfähigen Mäuse ver‘rugen
bis zu 12—15 Körner gut, starben aber. bald, wenn ihnen weitere
Körner derselben Stärke vorgesetzt wurden. Eine dauernde, aus-
schließliche Fütterung mit 0,5—0,6% Strychninroggen wurde richt
vertragen,
Zur Bekämpfung der Feldmänse. 61
Der Tod sämtlicher Mäuse, der praktisch anzustreben ist, trat
erst bei Verabfolgung einer Giftstärke von 0,8% ein. Eine größere
Anzahl als 5 Körner aufzunehmen, gelang den Mäusen nicht, da sich
nach dem Genuß weniger Körner beıeits derartige Beschwerden ein-
stellten, die eine weitere Nahrungsaufnahme unmöglich machten.
Weitaus der größte Teil der Tiere nahm nur 1-2 Körner auf oder
schnitt sie zum Teil nur an und verendete. Der Krankheitszustand
wirkt bei diesem hochgradigen Gift im allgemeinen länger, als bei
schwachem Giftgehalt, dem nach vorstehendem ein gewisser Prozent-
satz von Mäusen unterliegt. Offenbar stellen sich die Beschwerden
bei Aufnahme schwachprozentigen Giftes nicht sogleich ein, sodaß
erst eine größere Anzahl von Körnern mit Appetit verzehrt werden
kann, befallen dann aber das Tier plötzlich und führen rasch zum Tode,
sofern es sich um strychninempfindliche Individuen handeit. Sobald
dagegen nur eine geringe Menge Kornsubstanz hochprozentiger Gift-
körner verzehrt ist, verfölli die Maus in einen Krankheitszustand,
der relativ langsam, aber mit Sicherheit zum Tode führt.
Bei diesen Versuchen war noch die Frage zu klären, ob gekochtes
oder ungekochtes Geireide von den Mäusen lieber angenommen wird.
Zu diesem Zwecke dienten die folgenden Versuche:
Versuch mit Strychnin-Roggen 0,5% gekocht.
10 Mäuse (5 Brand- und 5 Waldmäuse) erhielten je 10 Körner
Stychninroggen 0,5%. Herstellung 26. II. 17.
250 mg brucinfreien Strychninnitrats und eine kleine Menge
Fuchsin wurden in etwa 100 ccm heißen Wassers gelöst, darauf 50 g
Roggen in dieser Lösung gekocht, bis nach etwa einer Stunde der
größte Teil der Flüssigkeit und durch tüchtiges Durcheinandeischaufeln
auch der Rest aufgesogen war.
Beginn Zahl der Gewicht
des Maus gereichten verzehrten d.
Datum Versuches No. Art Körner Mäuse T nach
27.11.17 10%/,Uhr 1 DBrandmaus 10 3* 11 5 Stdn.
vorm. 2 ” 10 %,2* 18 10 Stdn.
3 a 105 Uns +46,
4 4 10:3), 2*. 15.10: Stdn.
5 e 10 34, 17 15 Stdn.
6 Waldmaus 10 akut; ‚de
7 % 10 %,1* 13 1), Stdn.
8 E 10 2, 4* 16 20 Stdn.
9 .. 10, 15 , Std.
10 3 10 2%, 2* 14 4, Std.
9. Heft
62 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Versuch mit gekochtem und ungekochtem Strychnin-
roggen 0,5 %.
5 Brandmäuse und 5 Waldmäuse erhielten je 5 Körner gekocht
0,5% und 5 Körner ungekocht 0,5%, um festzustellen, ob eines
von beiden bevorzugt wird.
Zahl der gereichten een
Datum No. Art Körner 0.00), Körner Gewicht
gekocht ungekocht Kekscht Fangokocht
6, 111.17 15
12 Uhr 19
vorm. 19
28
26
16
15
16
16
10 17
Es ergibt sich, daß beide Sorten (gekocht und ungekocht) fasi
gleich gern aufgenommen werden und auch dieselbe Wirkung erzielen.
Brandmaus
1
2
3
4
5
6
7
8
I
UIUISITITOIITOITOLDON
UI II ITITOLDO
spbr-ovwyunmD-
sp$pouwvwm-nmwMPR> wo
be pp pH
Verwitterung ven Giftgetreide.
Um fesizustellen, wielange sich auf dem Felde ausgelegtes Gift-
getreide hält, wurden Verwitterungsversuche damit angestellt. Das
Getreide wurde in Zinkgefäßen und in Drainröhren unter der Erde
vergraben und zu verschiedenen Zeiten Proben . entnommen,
mit denen Versuche gemacht wurden.
Am 2. Dezember 1916 waren folgende Minsegiftgehrerd in Zink-
gefäßen in die Erde gegraben: 1. Mäusegiftschrot nach Schmalfuß
(v. d. Drogerie Walter bezogen). 2. Strychnin-Roggen (eigene Her-
stellung) 0,8% 3. Roggenrein. 4. Roggen mit Fuchsin gefärbt, aber
ohne Gift, vorher aufgequollen, dann im Ofen bei 100°. abgetötet.
5. Giftweizen (von Heydemann bezogen) 9,2 %.
Am 7. Mai 1917 wurden die Zinkgefäße aus der Erde genommen:
1. Das ne war teilweise ee vollständig mit Sand
durchimscht. 2. Strychninroggen 0,8% (eigene Herstellung) teilweise
entfärbs, gekink 3. Roggen rein, gekeimt. 4. Roggen gefärb;,
ohne Gift: gekeimt, nicht entfärbt. 5. Giftweizen 0,2% (Heyde-
mann), teilweise verschimmelt, einzelne Körner entfärbt.
Mit dem Giftgetreide, das von Dezember bis Mai der Witterung
ausgesetzt war, wurde folgender Versuch angesetzt:
Versuch mit verwittertem Getreide.
Von 6 Brandmäusen erhielten je 10 Körner: No. 1—2 Mäuse-
giftschrot nach Schmalfuß (Drogerie Walter), No. 3—4 0,8prozent.
Strychninroggen (eigene Herstellung), No. 5—6 0,2prozentigen Gift-
weizen (Heydemann). 1 Kontrollmaus: unvergifteten Hafer.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 63
No. verzehrt Art des Getreides j nach Stunden
1 10 Körner Möusegiftschrot überlebt
2 10 Ei) 29 ”
B2 3 Sproz. Strychninroggen Y
4 10 22 » „
bı 108% 0,2prozentig. Giftweizen ,,
le 1 Bes ., 3 Stunden
Verwitterungsversuch mit Strychnin- Getreide.
Den 8. Maı 1917.
Abgetötetes Getreide (mit 0,8% Strychnin vergiftet und mit
Fuchsin gefärbt) wurde in Zinkgefäße getan, mit Papier bedeckt
und mit Sand beschüttet in die Erde auf freiem Felde eingegraben.
Die Gefäße waren numerieit und enthielten je50 g 1. Mais, 2. Roggen,
3. Gerste, 4. Weizen, 5. Hafer.
Gleichzeitig wurden mit denselben Getreidearten Drainröhren
mit je 10 g Körner gefüllt: 1. Mais, 2. Roggen, 3. Gerste, 4. Weizen,
5. Hafer.
Die Drainröhren wurden auf dem Felde ausgelegt und lose mit
Erde beworfen.
Den 24. Mai 1917.
Von dem Strychnin-Getreide, das am 8. Mai in Zinkgefäßen
auf dem Felde vergraben war, wurde eine Probe entnommen. Der
Fütterungsversuch ergab, daß das Getreide noch seine volle Wirksamkeit
hatte.
2 Brandmäuse erhielten je 10 Körner Strychninroggen, der
14 Tage in Zinkgefäßen auf dem Felde in der Erde vergraben war.
No. Gewicht verzehrt f nach Stunden
1 14 g 5 1/, Std.
2 15 g 5 1 Std.
Den 9. Juni 1917. Ä
Von dem Strychnin-Getreide, das am 8. Mai in Zinkgefäßen
auf dem Felde vergraben war, wurde von allen Getreidesorten eine
Probe entnommen. Das Getreide war mit Schimmel bedeckt. Der
Fütterungsversuch ergab, daß nur noch Gerste, Roggen und Mais
die volle Wirksamkeit behalten hatte. Hafer und Weizen konnte
von den Mäusen vertragen werden.
Von 5 Brandmäusen erhielt No.1 10 Körner Strychnin-Weizen,
No. 2 10 Körner Strychnin-Hafer, No. 3 10 Körner Strychnin-Gerste,
No. 4 10 Körner Strychnin-Roggen und No. 5 10 Körner Strychnin-Mais.
No. Gewicht verzehrt + nach Stunden
1 19 2 überlebt
2 17 10 2
3 22 3 U, Stunde
4 20 1 U, Std.
5 19 U, Std.
Y
No.l und 2 ißerlähtem den Versuch.
9. Heft
64 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Verwitterung des Strychningetreides in Zinkgefäßen.
Den 22. Juni 1917.
Von dem Strychninroggen, der am 8. Mai in Zinkgefäßen auf
dem Felde vergraben war, wurde eine Probe entnommen. Die Körner
waren verschimmelt und blieben, so verfüttert unw.rksam (siehe
Versuch 1). Bei einem 2. Versuch wurde der schimmelige Belag vorher
entfernt. Das Gift hatte seine volle Wirksamkeit.
3 Brandmäuse erhielten jeöKörner verwitterten Strychninroggen.
No. Gewicht verzehrt 7 nach Stunden
1 16 5 26
2 17 nichts überlebt
3 20
3 Brandmäuse erhielten je 5 Körner verwitterten Strychnin-
Roggen (Schimmel entfernt).
1
18 2 2
2 21 2 2
3 20 nichts überlebt
Verwitterung des Strychningetreides in Drainröhren.
Den 22. Juni 1917.
Von demStrychninweizen, der am 8. Mai1917 inDrainröhren auf dem
Felde vergraben wurde, wurde eine Probe entnommen. Der Fütterungs-
versuch ergab, daß der Weizen noch seine volle Wirksamkeit hatte.
3 Brandmäuse erhielten je 5 Körner verwitterten Strychninweizen.
1 17 3 2),
2 22 4 5
3 19 4 5
Verwitterung des Strychningetreides.
Den 10. Juli 1917.
Von den am 8. Mai 1917 in Zinkgefäßen auf dem Felde vergrabenen
Getreide wurde von jeder Sorte eine Probe entnommen und verfüttert.
Gerste, Weizen, Hafer, Mais hatten an Giftgehalt eingebüßt. Die
Tiere gingen erst nach durchschnittlich 27 Stunden ein. Roggen war
ganz aufgeweicht, die damit gefütterte Maus fraß nur 4 Körner und
ging nicht ein.
Von 5 Brandmäusen erhielt No. 1 10 Körner verwitterten Strychnin-
roggen, No. 2 10 Körner verwitterte Strychnin-Gerste, No. 3 10 Körner
verwitterten Strychnin-Weizen, No. 4 10 Körner verwitterten Strychnin-
Hafeı, No.5 10 Körner verwitterten Strychnin-Mais.
No. Gewicht verzehrt 7 nach Stunden
1 18 4 —
2 20 10 21 Stdn.
3 14 10 40. Std.
4 21 8 27 Stdn.
5 16 3l/, 21 Stdn.
Ne. 1 überlebte den Versuch.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 65
Versuch mit verwittertem Strychnin-Getreide.
Den 27. August 1917.
Von dem am 8. Mai 1917 auf dem Felde vergrabenen Getreide
wurde am 16. August von jeder Sorte eine Probe entnommen und am
27. August verfüttert. Von allen Getreidearten hatte nur Mais noch
Giftgehalt. Die damit gefütterte Maus ging nach 19 Stunden ein.
Von 5 Brandmäusen erhielt No. 1 10 Körner verwitterten Strychnin-
Roggen, No. 2 10 Körner verwitterte Strychnin-Gerste, No. 3 10 Körner
verwitterten Strychnin-Weizen, No. 4 10 Körner verwitterten Strychnin-
Hafer, No.5 10 Körner verwitterten Strychnin-Mais. Sämtliche
Sorten waren am 16. August vom Felde hereingeholt und mußten,
da sie durch den Regen aufgeweicht waren, erst getrocknet werden.
Maus No. 1—4 überlebten den Versuch, No. 5 starb nach 19 Stdn.
Den 21. September 1917.
Von den am 8. Mai 1917 in Zinkgefäßen auf dem Felde vergrabenen
Getreide wurde am 21. September vom Mais eine Probe entnommen
und verfüttert. Die damit gefütterte Maus überlebte den Versuch.
Der Mais hatte seinen Giftgehalt verloren.
Damis ist erwiesen, daß genügend vergiftetes Strychningetreide
seine volle Wirksamkeit etwa 6 Wochen behält. Erst durch das Ein-
treten der Schimmelbildung wird seine Kraft wesentlich beeinflußt,
und vor allem wird es von den Mäusen dann auch nicht mehr angenommen
werden. Sobald es einmal vollkommen durch den Regen aufgeweicht
ist, läßt seine Wirkung sehr schnell nach; das Getreide ist dann in
kurzer Zeit unbrauchbar.
Von Wichtigkeit war auch die Frage des Brucingehaltes von
Strychningetreide.
Nach den Untersuchungen von Tretina ist das brucinfreie
Strychninnitrat zur Herstellung von Mäusegiften geeigneter als das
brueinhalöige, da das Brucin nicht so heftig wirkt und
schlechter schmeckt!
Bei ausschließlicher Fütterung mit Strychninhafer gingen nach
Tretina ein, bei
5—6,°/00 Strychninnitrat (brucinhaltig) 19%
Latin r
:00 » 30,1 %
I 9,00 ” ” 39,4 % ß
10—15 oo r N 100%, doch nicht
gern aufgenommen
Drei a erhielten bei Tretina:
2 An: 6/0 8—15 0/90 brucinhalt. Strychnin-
nitrat außerdem reine unvergiftete Körner. Ergebnis:
I: wurde ohne weiteres genommen, keine Beschwerden.
II: x etwa 10 %, die schwächeren Tiere
II: x nur 5%, da die Giftkörner nicht gefressen wurden.
hiv für Naturgeschichte,
sn wege ar 5 9. Heft
66 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Nach Tretina wurde 6°/,, brucinhaltiges Strychninnitratgetreide
höchts ungern, 8%,, brucinfreies aber, als ob es unvergiftes sei, auf-
genommen.
Diese Frage des Brucingehalses erschien uns doch so wichtig,
noch weitere Versuche daraufhin anzustellen, inwieweit überhaupt
brucinhaltiges Getreide zur Verwendung gelangen kann.
Versuch mit 0,5% brucinhaltigem Strychningetreide bei
gleichzeitiger Verabreichung unvergifteter Körner.
Alter des Getreides 3 Tage.
AR Gefressene „2 © 88 E o
a5 2 Anzahl der Korner 35 3 + aPEo +
S- 3 goreiehten Körner Fa ® 8 o5H F -
sa vergiftet rein giftet rein 55 = 33 a
10.1’ Ba 0 Die überleber- 30 0
Feld- 2 10 0,5 10 8.10 0 den Mäuse 30 0
mause 3 10 0,5 10 1, Schälreste 10 0 erhielten 30 0
4: 100,5: 1‘10:;:1:101. 410 0 weiter aus- 30 0
5 7,10:0,5.17. 104117101110 T schließlich m
6: 10 0,5..10:7.105 540 0 Giftkörner 10 T
7:10:98. 10.1110 7410 0 0,5% 18 7
8:.19.:0,5 '-10 - 37.710 T — {1m
9.10 0,5, AB 0 30 0
10.10 05.10. 10.10 0 30 0
Versuch mit 0,8% brucinhaltigem Strychningetieide.
Alter des Getreides: 5 Tage.
Anzahl Anzahl der Gewicht tot
der Maus gereichten gefressenen der
Mäuse No. Körner Mäuse
vergiftet vergiftet
10 13,208 5 19 T nach 5 Stdn.
Brand- 2 100,8 6 20 T nach 5 Stdn.
anae 31), 18 f nach 5 Stdn.
4 100,3 41), 24 t nach 10 Stdn.
b 10.058 6 19 T nach 20 Stdn.
6 100,8 4 14 f nach 10 Stdn.
7 100,8 4 15 f nach 10 Stdn.
8 100,8 3 16 T nach 20 Stdn.
9: 5 18 f nach 20 Stdn.
10 10 0,8 4 11 f nach 20 Stdn.
Versuch mit 0,5% brucinhaltigem Strychningetreide.
7 1 1005 41, 8 T nach !/, Stdn.
Wad- 2 1005 I8 12 + nach 10 Stdn.
a Dr 3 14 T nach 20 Stdn.
4 1005 10 20 0 T erst nach insgesamt
65 Körnern
5 1005 2 18 T nach 15 Stdn.
6 1005 10 l4 o nach insges. 14 Körn.
7.1005 1, 8 j nach 20 Stdn.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 67
Versuch mit 1,2% brucinhaltigem Strychningetreide.
Anzahl Anzahl der Gewicht tot
der Maus gereichten gefressenen der
Mäuse No. Körner Mäuse
vergiftet vergiftet
10 1.204 122 a Wi T nach 1, Std.
Feld-- 2 1012 1 17 T nach !/, Std.
mäse 3 101,2 318 T nach 1 Std.
2° 10:1,2 7 17 T nach 1 Std.
5.710 1,2 7 17 T nach !/, Std.
9*.110. 12 4, 14 T nach !/, Std.
#10..[,2 4 15 T nach !/, Std.
8. =10 1,2 4 14 T nach Y, Std.
3:10.12 41, 10 T nach Yy, Std.
19.-.10.1,2 1 17 T nach 1 Std.
Aus diesen Versuchen ergab sich folgendes Bild:
Von 10 Feldmäusen, denen 0,5 prozentiger brucinhaltiger Strychnin-
roggen gereicht wurde, starben nur 2 Tiere nach dem Genuß von je
10 Körnern. Wurde den überlebenden Mäusen weiterhin ausschließlich
Strychninroggen gegeben, so erlagen noch zwei weitere Mäuse. dem
Gift nach der Aufnahme von weiteren 10—18 Körnern. Die übrigen
6 Tiere waren noch munter, nachdem sie hintereinander 40 Strychnin-
körner 0,5% verzehrt hatten. Von 7 Waldmäusen, die vergleichs-
weise zu Versuchen herangezogen wurden, fraß eine Maus sogar 65 Körner
0,5prozentigen brucinhaltigen Strychninroggen bis der Tod erfolgte.
Eine Fütterung mit 0,8prozentigem brucinhaltigem Strychnin-
roggen brachte noch keine wesentlich besseren Erfolge, während der-
selbe Giftgrad brucinfreien Strychninnitrats nach unseren obigen
Versuchen bereits den Tod aller Mäuse zur Folge hatte. Von 10 Mäusen
eines Versuches, denen je 10 0,8prozentige, brucinhaltige Strychnin-
körner verabfolgt wurden, gingen nur 3 Tiere nach dem Genuß von
7—10 Körnern zugrunde, während die übrigen, ausschließlich mit
Giftroggen derselben Stärke gefüttert, erst nach der Aufnahme von
5—40 weiteren Körnern starben. 3 Feldmäuse eines anderen Versuches
bedurften sogar einer noch weit größeren Körnermenge — bis zu
74 Körnern — um einzugehen.
Ein Giftgetreide von noch größerem Strychningehalt, das sömtliche
Mäuse töten könnte, anzuwenden, scheitert an dem Widerwillen,
mit dem die Mäuse höher prozentiges, brucinhaltiges Strychningetreide
aufnahmen bezw. an dem anscheinend schlechten Geschmack, der dem
brucinhaltigen Strychninnitrat eigen ist.
Wurden den Versuchstieren beispielsweise 0,8prozentige brucin-
haltige Strychninkörner und gleichzeitig in gleicher Menge reine,
unvergiftete Körner gereicht, so wurden die letzteren bevorzugt.
Erst wenn der Hunger sie nötigte, wurden auch die vergifteten Körner
gefressen.
y* 9. Heft
68 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Ein voller Erfolg läßt sich also mit brucinhaltigem Strychnin-
roggen nicht erzielen, solange anderes Futter zur Verfügung steht,
wie es in der Praxis meist der Fall ist.
Da während des Krieges die verschiedenen Getreidearten ja für
derartige Zwecke nicht zur Verfügung standen, wurden wie bei
den anderen Bekämpfungsmitteln so auch hier Ersatzstoffe heran-
gezogen, in diesem Falle Wrucken- und Mohrrübenschnitzel. Die
Herstellung geschah nach folgendem Rezept:
100 g Wrucken, 0,4%, Str yehninnitrat, 0,02%, Fuchsin, 2 g Zucker,
0,5 g Mikrobin.
Die Wrucken werden in 1—lY/gcm große Würfel geschnitten
und in der Lösung solange gekocht, bis dieselbe aufgesogen ist. Nach
der Behandlung sorgföltiges Trocknen.
Mit diesen Schnitzeln wurden nun die folgenden Versuche angestellt:
Versuch mit 0,1% strychninhaltigen Wruckenschnitzeln.
6 Feldmäuse erhielten je 10,1% strychninhaltiges Wruckenschnitzel
und je 5 unvergiftete Weizenkörner.
Verzehrte
Datum No. Wrucken Körner Gewicht 7 nach Stdn.
2,314 17 4 Us 3) 12 &/,
8%/, Uhr 24 H 5 12 3
vorm. 3 Ya 5 12 8
4 Ua D 12 5a
5 Ug 5 14 Til
6 = ) 11 8
Kontrollmaus gesund.
Es konnte beobachtet werden, daß die Mäuse, die zuerst nur
an den Wruckenschnitzeln genagt hatten, vollständig munter waren,
erst nachdem sie mindestens \/z. gefressen hatten, machen sie einen
kranken Eindruck und gingen ein.
Versuch mit strychninhaltigen Wruckenschnitzeln
verschiedenen Prozentgehaltes.
8 Feldmäuse erhielten je 3 strychninhaltige Wruckenschnitzel,
und zwar No.1 0,lprozentige gekocht, No.2 0,lprozentige kalt
behandelt, No.3 0,2prozentige gekocht, No.4 0,2prozentige kalt
behandelt, No.5 0,4prozentige gekocht, No.6 O,4prozentige kalt
behandelt, No.7 0,8prozentige gekocht, No.8 0,8prozentige kalt
behandelt. Außerdem erhielt jede Maus 3 unvergiftete Weizenkörner.
Verzehrte j nach
Datum No. Gewicht Wrucken Körner Stdn. Bemerkung
2a,8%1.17..3 18 3 3 16 0,1%, gekocht
122/, Uhr _ 2 10 — 3 16 0,1%, kalt behandelt
pachm. 3 11 2 3 16 0,2% gekocht
4 16 = 3 16 0,2%, kalt behandelt
5 11 3 3 16 0,4%, gekocht
6 21 3 3 16 0,4%, kalt behandelt
7 12 1 3 16 0,8% gekocht
8 18 = 3 16 0,8%, kalt behandelt
Kontrollmaus gesund.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 69
Um auch, wie beim Strychningetreide, die Brauchbarkeit der
Schnitzel für feldmäßige Bekämpfung zu prüfen, insbesondere auf
ihre Widerstandsfähigkeit gegen Verwitterung hin, wurde diese auf
dem Felde den Witterungseinflüssen ausgesetzt.
Versuch mit verwitterten Wruckenschnitzeln.
Eine Feldmaus erhielt 5 0,4%, strychninhaltige Wruckenschnitzel
die am 20. November auf dem Felde ausgelegt worden waren.
Datum erhalten gefressen Gewicht 7 nach Stunden
171.18 b 2 14 17
Anschließend hieran wurde noch ein Versuch mit Mohrrüben-
schnitzeln angesetzt.
b)
Versuch mit strychninhaltigen Mohrrübenschnitzeln.
Von 4 Feldmäusen erhielt No.1 ein O,lprozentiges, No.2 ein
0,2%, strychninhaltiges, No.3 ein 0,4% strychninhaltiges und No. 4
ein 0,8%, strychninhaltiges Mohrrübenschnitzel. Außerdem erhielt
jede Maus 5 unvergiftete Weizenkörner.
Datum No. Gewicht °/, Schnitzel Mohrrüben Körmer 7 nach Stdn.
SB Da ra | 12 BIS Ufg B) B)
12!/, Uhr. .;2 17 0.205 Es 5 3
nachm. 3 15 0,4% 1 5 3
4 11 0,8%, etwas genagt 5 51/g
Alle diese Versuche zeigen, daß diese Ersatzstoffe mit gutem
Erfolge an Stelle von Getreide verwandt werden können, zumal auch
ihre Verarbeitung leicht ist und sie in genügender Menge auch während
des Krieges zur Verfügung standen. Deshalb wurde während der
Kriegszeit auch mit vorzüglicher Wirkung mit diesen Stoffen gearbeitet
und selbst heute, wo die Frage der Ersatzstoffe nicht mehr dieselbe
Bedeutung hat, dürfte sich ihre Verwendung aus Kostenersparnis
noch empfehlen.
Zusammenfassung der Ergebnisse.
Zur Herstellung eines Mäusegiftgetreides eignet sich am besten
der Roggen. Die im Handel meist verwendeten Weizen und Hafer
werden weniger gern gefressen. — Um eine gute Durchtränkung der
Körner zu erzielen, ist es zweckmäßig, die Körner vorher im Wasser
aufzuquellen und dann wieder zu trocknen. — Das brucinhaltige
Strychninnitrat eignet sich nicht zum Vergiften des Getreides, da es
von schwächerer Wirkung ist und schlechter schmeckt, als das brucin-
freie Strychninnitrat, das bei voller Wirksamkeit auch in hoch-
prozentiger Anwendung gut aufgenommen wird. — Die im Handel
erhältlichen Strychningetreide mit einer Giftstärke von 0,2—0,4%
besitzen einen zu geringen Strychningehalt, um sämtliche Mäuse zu
töten. Um ein Verenden aller Mäuse bezw. eine ernstliche Bekämpfung
der Feldmäuse herbeizuführen, muß das Strychningetreide
0,5-—0,6% brucinfreies Stryehninnitrat enthalten. —
9. Heft
70 Prof. Dr. R.Schander und Dr, R. Meyer:
Die gleichzeitige Aufnahme unvergifteten Futtersist für dieWirksamkeit
ohne Bedeutung, dagegen spielt der Sättigungszustand der Mäuse
insofern eine wichtige Rolle, als hungrige Tiere bereits einem schwächeren
als 0,6prozentigen Strychningetreide erliegen.
Cyanverbindungen.
Nach den Untersuchungen von Stritt ‚Über die Giftwirkungen
der als Düngemittel verwandten Cyanverbindungen und ihre Zer-
setzungsprodukte“t) lag der Gedanke nahe, die beiden giftigsten
Spaltungsprodukte des Calciumceyanamids, nämlich Cyanamid (ONNH,3)
und Dicyandiamid (C,N4H,) auf ihre Verwendbarkeit zur Mäuse-
bekömpfung hin zu untersuchen, zumal über die Giftigkeit und die
Wirkung des Oyanamids bereits eine Anzahl Untersuchungen vorlagen.
Cyanamid: Nach Coester 2) war dietötliche Dosis für 1000 g Körper-
gewicht der Maus 0,3329 g Cyanamid, und diese Dosis wurde dem ersten
Versuche zu Grunde gelegt. Besonders geeignet erschien das Cyanamid
wegen seiner leichten Löslichkeit und fast vollständigen Geruchlosigkeit.
Zum Übertragen des Giftes wurde ungeschälter Hafer verwandt, der
zuerst gequollen, dann auf dasselbe Gewicht zurückgetrocknet und
mit dem in Wasser gelösten Cyanamid getränkt wurde. Von den
Versuchsmäusen, die den Hafer sämtlich fraßen, starb eine nach
32 Stunden, zwei andere kränkelten anfänglich, erholten sich aber
wieder nach 24 Stunden.
1. Versuch vom 24. II. 21.
s BI GE N
= ar len BEDNIE ou
& der Mäuse ® 3 gs Fe) er =
1 Kontr.-Maus 17,9 16 16 — — — lebend
1 Maus I 17,9 16 16 6,0mg 3,6mg 0,75% tot nach 32 Stdn.
2 MasII 15 16 16 5,0mg 5,0mg 1,0% frißt schlecht,
kränkelt anfangs,
erholt. sich nach
24 Stunden
3 Maus II 17 16 16 5,7mg 7,5mg 1,5% frißt gut, kränkelt
anfangs, erholt sich
nach 24 Stdn.
Da anzunehmen war, daß bei der Angewohrheit der Mäuse, das
Getreide zu schälen, ein großer Teil des Giftes mit der Schale verloren
gegangen und deshalb nicht zur Wirkung gekommen war, wurde
beim nächsten Versuche Weizen als Träger des Giftes verwandt.
1) Zeitschrift f. Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd.62, p. 169—198.
2) Coester, E., Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Cyanamids,
Med. Inaug.-Diss. Kiel 1896.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 71
2. Versuch vom 25. II. 21.
Kontr.-Maus 122,9 10 10° — e — Jebend
RE B23010 10° — — lebend
4 Vers.-Maus 13,0 10 10 4,3mg ömg 1,0% frißt gut, anfangs
kränklich, nach
48 Stdn. gesund
5 M; 13,5 10 10 4,ömg ömg 1,0% frißt gut, dasselbe
wie No. 4
6 Pr ‚13,8 10 10 4,6mg 7,ömg 1,5 % frißt gut, anfangs
kränklichh nach
2Tgn.eingegangen
> 14,0 10 10 4,6mg 7,5mg 1,5% wie No. 4
13,9 10 10 4,6mg 10,0mg 2,0 %, wie No. 4
Y 15,6 10 10 5,2mg 10,0mg 2,0 %, wie No. 6; nach
2 Tgn.eingegangen
Gleichzeitig wurde, von der tötlichen Dosis ausgehend, eine
Steigerung des Giftgehaltes bis zur doppelten Dosis vorgenommen.
Zweı von den Mäusen, welche die tötliche Dosis erhalten hatten,
kränkelten anfänglich wie bei dem vorhergehenden Versuche, erholten
sich aber nach 48 Stunden wieder; zwei Mäuse, welche 1!/, der tötlichen
Dosis erhielten, kränkelten anfangs, sodann erholte sich eine nach
48 Stunden, die andere ging nach 2 Tagen ein. Ein gleiches Ergebnis
ergab sich bei der doppelten Dosis. |
Beim dritten Versuche wurde geschälter Hafer zum Übertragen
des Giftes verwandt.
3. Versuch vom. 5. IV. 21.
Kontr.-Maus 12,5 8 8 — — lebend
10 Vers.-Maus 105 8 8 3,ö5mg ömg 2% frißt gut, anfangs
kränklich, nach
DI
3 Tagen tot
11 “ En En Re Mas Pro Ri | 5 2% wie No. 10, tot
DT %0 nach 12 Stdn.
12 e 95 8 8 3,lm; öm 2% wie No. 11, tot
nach 12 Stdn.
Hier wurden die besten Ergebnisse erzielt. Zwei der Versuchstiere
gingen nach 12 Stunden ein, die dritte nach 3 Tagen, nachdem sie
zuvor gekränkelt hatte.
Aus den angestellten Versuchen läßt sich der Schluß ziehen,
daß Cyanamid nicht immer sicher wirkt. Wahrscheinlich beruht
das auf der Eigenschaft des Cyanamids, beim Erhitzen oder längeren
Stehen sich leicht zu Dieyandiamid zu polimerisieren, wodurch die
Giftigkeit stark herabgemindert wird, da das Dieyandiamid nur etwa
den zehnten Teil der Giftigkeit des Oyanamids besitzt. Deshalb hatten
wahrscheinlich auch Hafer und Weizen, die von den ersten Versuchen
übrig geblieben waren, ihre Wirkung nach einigen Wochen stark
verloren.
Für weitere Versuche wurde deshalb das Dieyandiamid gewählt,
das wohl weniger giftig, aber bei weitem beständiger ist. Dem Dieyan-
9. Hefi
72 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
diamid haftet wiederum der Fehler an, schlecht wasserlöslich zu sein.
Es wurde deshalb beim ersten Versuche Mehl mit Dieyandiamid
gemischt und in Form von Pillen den Versuchsmäusen vorgesetzt.
Versuch 1.
Datum Art der Maus Gewicht Pillen Bemerkung
15. VIII. 21 Kontrollmaus 18,5 —- gesund
2 Uhr nachm. VersuchsmausI 12,5 2 Pillen gefressen; tot in 16 Std.
2 II 14,0 2 nichts gefressen, gesund.
N III 185 2 Pillen zernagt, gesund.
Jede Pille enthielt 0,02g Dieyandiamid. Die Mäuse nahmen
jedoch die Pillen schlecht an; eine Maus rührte sie nicht an, eine andere
nagte nur daran, die dritte, welche 2 Pillen gefressen hatte, ging in
16 Stunden ein.
Beim zweiten Versuche wurde das Gift nur mit dem Roggenmeh
gemischt.
Versuch 2.
Giftmehl erhaltene
Datum Art der Maus Gewicht gefressen lose Giftmenge Bemerkung
5.IX.21 Kontrollmaus 13g — — gesund
11 Uhr VersuchsmausI 17g eine Spur 0, 15 Bde 3,
5 1'212, 0. ‚l5g 0,058 »
vorm. = III 18g nichts 0,15g 0,l5g
Aber auch hier zeigte sich wieder eine große Abneigung der Mais
das Giftmehl einzunehmen, die wohl weniger dem Gifte als dem Mehl
zuzuschreiben ist, da Dieyandiamid so gut wie geruchlos ist. Bei den
Fütterungsversuchen konnte nämlich beobachtet werden, daß die
Mäuse mit Vorliebe an harten Stoffen, wie Getreide, Barytbrot usw.
nagen, daß sie dagegen vielfach das pulverige Mehl nur ungern nehmen
und sich aus diesem dann auch nur die Mehlklumpen heraussuchen,
um sie nach ihrer Art beim Nagen zwischen den Vorderpfoten zu halten.
Ganz ähnlich war das Verhalten gegenüber mit Wasser angerührtem
Mehl. Bei diesem Versuche wurde außerdem die Giftmenge einmal
um das 1!/,fache, dann um das 2fache gesteigert.
Versuch 3.
I) = os
> a8 &0
= WE NEN: Be
Datum Art der Maus z SE & ER: Bemerkungen
> >= & 5
6. IX. 21 Kontrollmaus 7g — — — gesund
10 Uhr Versuchsmausl 16,5 g 0,2 g etwas 0,05g anf.kränkelnd, Ver-
such überstanden
vorm. n II 155g 02g a 0,08 g wie vorher
F III 21g 028 ne 0,11 g sehr schwer krank;
Versuch überstand.
Die Mäuse fraßen wohl einen Teil und kränkelten auch anfangs,
die Giftmenge reichte jedoch nicht aus, um den Tod herbeizuführen.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 73
Dieyandiamid ist also nach den angestellten Versuchen für Mäuse-
bekämpfung gänzlich ungeeignet, einmal wegen geringer Löslichkeit,
so daß es nur als Pulver verwandt werden kann, dann aber auch wegen
seiner schwachen Giftwirkung, die offenbar damit zusammenhängt,
daß das Dieyandiamid nur langsam im Darm gespalten wird und so
immer nur eine relativ geringe Menge des Cyanamids im Körper kreist.
Beide Mittel für sich angewendet sind also zur praktischen Mäuse-
bekämpfung wenig geeignet. Nach Hesse!) scheint aber das Cyanamid
geeignet zu sein, die Wirkung einer Reihe von Stoffen zu fördern,
und es wird die Aufgabe weiterer Versuche sein, festzustellen, ob
vielleicht in Verbindung mit einem anderen Giftmittel eine gesteigerte
Wirkung erziehlt werden kann.
Mäusetyphus.
Literatur: Anfangs des Jahres 1892 starben plötzlich im hygie-
nischen Institut in Greifswald eine große Zahl der weißen Mäuse,
die dort zu Versuchszwecken gehalten wurden. Um die Todesursache
festzustellen, wurde eine Anzahl der Tiere seziert, und hierbei fand
Prof. Loeffler, daß alle inneren Organe der Mäuse mehr oder weniger
von Bazillenherden durchsetzt waren. Er übertrug diese Bazillen
nun einmal auf Haus- und Feldmäuse, dann aber auch auf Ratten,
Katzen, Kaninchen, Schweine und Geflügel, und es ergab sich, daß die
Bazillen wohl für Haus- und Feldmäuse virulent waren, auf andere
Tiere jedoch keinen schädlichen Einfluß ausübten (155). Diesen Bazillus,
der in der Folge eineso bedeutende Rolle spielen sollte, nannteLoeffler:
Bazillus typhi murium. Schon einige Monate nach der Entdeckung
bot sich eine äußerst günstige Gelegenheit, den Bazillusin Feldversuchen
großen Stiles zu erproben. In Thessalien war eine große Mäuseplage
(hervorgerufen durch Arvicola Günther) ausgebrochen, und auf Ver-
anlassung der griechischen Regierung reiste Loeffler dorthin, um die
Bekämpfung an Ort und Stelle zuleiten. Der Erfolg war durchschlagend,
wie aus dem Dankestelegramm der griechischen Regierung an
Loeffler hervorgeht (156).
Zu gleicher Zeit hatte Laser einen ähnlichen Bazillus an Feld-
mäusen entdeckt (148), dem er eine noch größere Wirksamkeit als dem
Loefflerschen zuschrieb, indem er behauptete, daß er durch seinen
Bazillus im Gegensatze zu dem Loefflerschen, bei dem starke Tiere
am Leben blieben, auch diese schon nach 2 Tagen starben (149). Diese
Behauptung wurde jedoch von Loeffler widerlegt, der nachwies,
daß die Wirkung in 6—10 Tagen eintritt (157).
1895 schied Mereschkowsky auch aus Zieselmäusen einen
Bazillus aus, der sich ebenfalls zur Vertilgung von Feld- und Haus-
mäusen eignete (170). Feldversuche mit diesen beiden Bazillen zeitigten
gute Erfolge (171).
Verschiedenheit der Bazillen. Vergleichende Kulturversuche
(69) mit diesen Bazillen lehrten, daß es sich um spezifisch selbständige
1) Hesse, E. Über die Cyanamidwirkung. Zeitschr. exp. Med. XXV, 1921.
9. Heft
74 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Bazillen handelte, die sich gegenüber den üblichen Untersuchungs-
methoden ganz verschieden verhalten. Doch hält Wiener (271)
eine weitere Differenzierung der zur Coligruppe gehörenden Bazillen
für ziemlich wertlos, da die üblichen Unterscheidungsmerkmale er-
heblich variieren.
Virulenz.der Bazillen. Mereschkowsky (169) stellte durch
Untersuchungen fest, daß die Tiere immun werden, wenn die Kulturen
älter als 7 Monate sind. Wiener (271) zeigte, wie aus an und für sich
avirulenten Bakterien durch geeignete Kultur hohe Virulenz erlangt
und umgekehrt bei Übertragung von Tier zu Tier die Kulturen derart
abgeschwächt werden, daß die Bazillen nicht mehr infektionär wirken,
sondern wieder zu Saprophyten werden. Camek (35) gibt die Dauer
der Virulenz für 2 Monate an; durch Aufbewahren der Bazillen im
Dünger wird diese jedoch erhöht.
Schädlichkeit und Unschädlichkeit für Menschen und
Vieh. Bald nach Entdeckung und Anwendung des Mäusetyphus
wurden Stimmen laut, die vor der Anwendung der Bazillen warnten,
da auch Erkrankungen an Menschen und Vieh vorgekommen sein
sollten. So berichtet Fleischanderl (56) von 6 Fällen von Durchfall
usw., und auch Raebiger mahnt zu großer Vorsicht (198). Dem
gegenüber stehen aber viele Versuche und Erfahrungen, welche beweisen,
daß der Mäusetyphus für Menschen und Vieh vollkommen un-
schädlich ist. Vergleiche 124, 46, 177, 187, 93, 45 und andere.
Wenn solche Krankheitserscheinungen vorkommen, so besteht
die Wahrscheinlichkeit, daß es sich hierbei um Verunreinigung durch
menschenpathogene Stämme von Bazillen der Paratyphus B-Enteri-
tidis-Gruppe handelt, da der Mäusetyphuserreger weder im Kultur-
verfahren noch durch Agglutination von dieser Gruppe zu trennen ist.
Besonders groß ist die Gefahr bei den sogenannten Rattentyphus-
bakterien, die auch häufig zur Mäusebekämpfung verwandt werden,
und die zum größten Teil aus Paratyphus B-Stämmen gezüchtet
wordensind. (Lehmann-Neumann, Med. Atl. Bd. X, 2, 8. 357—370).
Kosten des Verfahrens. Bezüglich des Kostenpunktes stellt
sich das Mäusetyphusverfahren bei weitem am billigsten, wie aus
zahlreichen Berechnungen hervorgeht, zumal in der heutigen Zeit,
wo die Preise für Strychnin, Phosphor, Baryum und Schwefelkohlen-
stoff erheblich gestiegen sind.
Vorschriften über Anwendung. Zahllos sind die Vorschriften,
die bisher über Anwendung des Mäusetyphus herausgegeben sind,
die aber im wesentlichen alle dasselbe enthalten (303, 2, 4, 24, 85,
208, 256, 263 usw.). Während man nun früher die Bazillen auf Agar
oder in Bouillon züchtete (94), und hierin Brotstückehen eintauchte,
ging man nach und nach dazu über, anstelle des Brotes Hafer (2, 113,
153, 124, 249) oder gequetschtes Getreide (49) zu verwenden. Ferner
züchtet man neuerdings die Bazillen in Magermilch (109, 110, 131,
187, 254) und diese Methode in Verbindung mit Hafer (118) hat sehr
gute Erfolge aufzuweisen.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 75
Während des Krieges, wo die Futterstoffe knapp wurden, mußte
man zu Ersatzstoffen greifen, die hauptsächlich aus Verbindungen
von Mohrrüben und Hafer- oder Weizenschrot bestanden. (201, 219)
Raebiger empfiehlt, diese Mischung zu 5-—6cem hohen, runden,
durchlochten, walzenförmigen Kuchen zu pressen und an der Luft
zu trocknen. Neuerdings verwendet man auch an Stelle von Brot
und Getreide Kartoffelbrei, der an Strohhalmen ausgelegt wird (122,
124, 143, 300).
Stift ‘will nach der Methode von Uxel 20 cm lange Birkenruten
in einen mit Bazillen versehenen Stärkekleister tauchen und diese
so gebrauchsfertig in ganzen Bündeln in Pappröhren verschicken (251).
Der Zusatz von Kochsalz zu Bouillonkulturen hat sich nach
Appel (6) als überflüssig erwiesen; andere Beimischungen sind direkt
schädlich. Dagegen will Simpfendörfer (242) nach Zusatz von Süß-
stoff bessere Erfolge erzeilt haben.
Impfen lebender Mäuse.
Als besondere Methode zur Verbreitung des Mäusetyphus empfiehlt
Cueini (42) das Impfen lebender Mäuse mit Typhuserregern. Diese
werden dann ausgesetzt und verbreiten die Seuche dadurch weiter,
daß die verendeten Mäuse von den anderen angefressen werden. Die
Abteilung für Pflanzenkrankheiten in Bromberg hat dieses Verfahren
in Feldversuchen erprobt und ganz vorzügliche Erfolge damit erzielt
(272).
Berichte über Erfolge.
&) Loefflerscher Bazillus: Nach den bisher vorliegenden
Berichten, die immerhin einen Zeitraum von 30 Jahren umfassen,
muß man die Erfolge mit Mäusetyphus als günstig ansprechen. Man
vergleiche: 304, 17, 96, 197, 220, 217, 244, 196, 307, 15, 24, 32, 33,
45, 63, 126, 127, 137, 139, 117, 177 und viele andere. Demgegenüber
stehen vereinzelte Berichte, die von zweifelhaftem Erfelge sprechen:
5, 10, 60, 119, 153, 234, 269. Einzelne Verfasser haben jedoch hierin
selber die Fehlerquelle erkannt. So berichtet Appel (5), daß die Mäuse
in einer Mühle den Köder mit Mäusetyphus nicht annahmen, während
er sonst gute Erfolge erzielte. Wahrscheinlich zogen die Mäuse in der
Mühle die anderen Futterstoffe vor. Ebenso erzielte Gaul (60) im
Herbst schlechte, im Frühjahr gute Erfolge, weil eben im Herbst den
Mäusen noch anderes Futte‘ genügend zur Verfügung stand.
Von ganz ungünstigen Resultaten berichtet Hoc (105), gibt aber
gleich die Gründe an, die zu einem Versagen geführt haben. Ebenso
führt Kornauth (128) das gänzliche Versagen aui nicht genügend
exakte Ausführung zurück. Schuster (237) geht auf die Gründe
nicht weiter ein, die zu einem Mißerfolge führten.
b) Bacillus Danysz. Ebenso günstig lauten die Erfolge
mit dem Bazillus Danysz, der hauptsächlich in Frankreich verwandt
wird: 31, 37, 70, 147, 185, 191, 226 usw. Er ist sowohl auf Bro: (70)
wie auf Hafer mit (185) und ohne Kochsalz 147) in Anwendung ge-
kommen. Del Guercio (72) bezeichnet seine Feldversuche als
9. Heft
76 Prof. Dr. R.Schander und Dr.R. Meyer:
unsicher, weil auf der Versuchswiese weder tote noch lebende Mäuse
vorgefunden werden konnten. Ebenso sieht Guerrapain (75) den
mangelhaften Erfolgin der ungenügenden Beobachtung der Vorschriften.
Morouchon (173) gibt keine Gründe für den Mißerfolg an.
Mäusetyphus in Verbindung mit Giftstoffen
Die Anwendung von Typhus und gleichzeitig einem Giftmittel
wird besonders von der Agrik. Bot. Anstalt München empfohlen und
scheint besonders auch bei Feldversuchen immer die besien Erfolge
gezeitigt zu haben. So raten Hiltner und Korff (104) zu diesem
Verfahren, Korff zu Typhus und Baryumbrot, (123), oder Giftmehl
(122), Korff und Maier zu Typhus und Strychninhafer (125), und
auch Schander (230) hält dieses Verfahren für durchaus zweck-
mäßig.
Laboratoriumsversuche.
Die Versuche erstreckten sich sowohl auf Stämme eigener Zucht
als auch auf solche von anderen Instituten. Zur Verfügung standen
von eigener Zucht Stamm Bromberg und Landsberg, von fremden
Zuchten Stamm Schreiber, Ratin, Musculin und Marke ‚| Güstrow.
Die eigenen Kulturen wurden entweder mit Kartoffelbrei oder Quetsch-
hafer gegeben, bei fremden Kulturen wurde genau nach der Gebrauchs-
anweisung verfahren.
Stamm Bromberg.
Versuch 1.
Eine Typhusaufschwemmung in dem Brei einer großen Kartoffel
vermengt.
Eine Waldmaus erhielt ?/, des Kartoffelbreies.
Gefressen ®/, des erhaltenen Breis. Tot nach 3 Tagen.
Sektionsbefund: Von den Verdauungsorganen wies der Darm
einen schleimig flüssigen Inhalt auf, der mit Gasblasen durchsetzt
war. Die Leber und die Milz waren stark geschwollen, die Milz war
dunkelbraun gefärbt. Die Nieren waren ebenfalls geschwollen. Ab-
striche aus den Organen auf Drigalski-Agar wiesen zahlreiche blaue
Kolonien auf. -
Die Kontrollmaus erhielt die gleiche Menge Kartoffelbrei.
Versuch 2.
Eine Typhusaufschwemmung ab Maus 1 mit dem Brei von 1Y/,
mittelgroßen Karöoffeln vermenst.
Eine Waldmaus erhielt 1 Löffel des Kartoffelbreies.
Gefressen knapp !/, des Breies. Tot nach 4 Tagen.
Sektionsbefund: Starke Schwellung von Leber, Milz und Nieren.
Herz, Lunge, Niere, Milz werden an weitere Mäuse verfüttert.
Versuch verfütterte Organe gefressen gestorben nach Tagen
3 I. Lunge 2 Schälchen 4
4 1I. Leber 2 FR 3
5 III. Niere 1 2 2
6 IV. Milz 3 4
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 77
Stamm Landsberg.
Große Maus 20 am 28. VI. eingeliefert. Tot am 3. VII.
Seksionsbefund: Herz, Lunge: 0.B. — Darm: entzündet, Kot
schleimig-flüssig, Gasblasen. — Leber: mittlere Schwellung; dunkel
verförhbt. — Milz: starke Schwellung, dunkelbraun. — Kniefalten-
drüsen leicht entzündet.
Mikroskopischer Befund: Herz, Darm, Leber, Milz: Kurzstäbchen.
— Kongorotplatten: Herz: rote Kolonien. — Darm: rote und blaue
Kolonien. — Leber: rote und blaue Kolonien. — Milz: rote Kolonien.
Sämtlich Kurzstäbchen.
Kulturverfahren: Beginn 5. VII. Ende 25. VII.
1. Beweglichkeit: + (12h Agar). — 2. Agar: weißlich-gelb. —
3. Bouillon: Trübung; am 25. VII. Indolbildung. — 4. Milch: keine
Gerinnung, am 20. VII. Aufhellung. — 5. Neutralrotagar: Gasbildung,
leichte Entfärbung, Fluorescenz. — 6. Kongorotagar: zart, rot. —
7. Lackmus-Nutrose-Milchzucker: keine Veränderung. — 8. Lackmus-
Nutrose-Dextrose: Rötung, Trübung.
Nach kulturellem Verhalten zur Paratyphus B-Gruppe, Stamm I.
Landsberg.
Maus 24. 20. VII. 1cem Kultur, Stamm I auf Quetsch-Hafer
+ 5 cem 0,75%, Na Cl.-Lösung. Tot 26. VII. Sektion 4h p. m.
Sektionsbefund: Herz, Lunge: 0.B. — Darm: entzündet, Kot
schleimig-flüssig, Gas. — Leber: geschwollen, dunkel, gelbliche Herde.
— Milz: stark geschwollen, dunkelbraun. — Kniefaltendrüsen: ent-
zündet.
Präparate und Abstriche: Herz, Leber, Darm, Milz: sämtlich
Kurzstäbehen. — Kongorot: nur rote Kolonien.
Stamm Ratin.
Maus 5. 2.VI 0,5 cem Kultur + 40 cem 0,75% NaCl.
auf Quetsch-Hafer. — Kultur: Ratin G. m. b. H. Berlin.
6. VI. -+ Sektion: 3h p. m.
Sektionsbefund: Herz, Lunge: 0.B. — Magen: leicht gebläht.
— Leber: braun geschwollen. — Milz: braun geschwollen. — Darm:
stark entzündet, verschleimt, Kot flüssig-schleimig mit Gasblasen.
— Kniedrüsen; entzündet, geschwollen.
Mikroskopischer Befund: Herz, Darm, Leber, Milz: Kokken-
Kurzstäbchen (nahezu Kokkenform). — Abstriche in Bouillon: Kokken-
Kurzstäbehen. — Kongorotpapier: nur rote Kolonien. (Stamm
Ratin).
Feldmaus 14. 20. VI. 0,3cem Stamm Ratin + 20 ccm 0,75%
Na Cl. auf Quetschhafer + 29. VI. Sektion 30 hp. m.
Sekitonsbefund: Herz, Lunge 0.B. — Magen: 0.B. — Milz:
starke Schwellung, dunkelbraun. — Leber: leichte Schwellung, z. T.
Blutleere, sonst dunkel verfärbt. — Darm: entzündet, Kot mit Gas
durchsetzt. — Kniefaltendrüsen: leicht entzündet.
Präparate und Abstriche aus Herz, Darm, Leber, Milz. — Prä-
parate und Abstriche sämtlich Kokken-Kurzstäbchen. — Kongo-
rotagar: nur rote Kolonien.
9. Huft
78 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Stamm Schreiber.
Wald-Maus 1, am 26. V.21. 1 Teil Kultur +9 Teile 0,75%
Na Cl. auf : Quetschhafer. k
Kulturabstammung: Abimpfung von einer roten Kolonie auf
Kongorot-Agarplatte, gegossen mit: Mäusetyphus Dr. Schreiber,
Landsberg. +31. V. Sektion: 3h p. m.
Sektionsbefund: Herz, Lunge 0.B. — Magen: schlaff, leer. —
Darm: entzündet, Kotmassen mit Gasblasen durchsetzt. — Leber:
mäßige Schwellung, gelbliche Bakterienherde. — Milz: starke Schwellung
dunkelbraun verfärbt.
Mikroskopischer Befund: Darm: Stäbchen und Kokken. —
Niere: — — Milz: überwiegend Kurzstäbchen, vereinzelt Kokken.
— Leber: sehr viele Kurzstäbchen, vereinzelt Kokken. — Herzblut:
Kurzstäbchen.
Abstriche: Darm, Milz, Herzblut, Leber: Kurzstäbchen (Darm
und Leber vereinzelt Kokken-Abimpfung auf Kongorotagar: Herz
und Milz nur rote Kolonien, Kurzstäbchen.
Maus 10., am 6 VI. 21, 0,3cem Kultur (Züchtung Mansl.)
+ 2,7 com 0,75% Na Cl. + 11. VI. 10 Sektion 2h p. m. auf Quetsch.
hafer.
Sektionsbefund: Herz, Lunge o.B. — Darm: stark entzündet,
Kot schleimig flüssig mit Gas durchsetzt. -— Kniefaltendrüsen: mäßige
Enszündung. -— Magen: leicht gebläht. — Milz: starke Schwellung,
dunkelbraun. -— Leber: geschwollen, gelbliche Bakterienherde.
Mikroskopischer Befund: Darm, Herz, Leber, Milz sämtlich nur
Kurzstäbchen.
Abstriche nach 24 Stunden: Darm, Herz, Leber, Milz sämtlich
Kurzstäbchen (fast Kokkenform).
Überimpfungen auf Kongorotagar: nur rote Kolonien.
Weiterzüchtung: Stamm Schreiber.
Große Maus 15, am 20. VI., 0,3cem St. Schreiber + 2,7 ccm
0,75% NaCl. auf Quetschhafer. To: 28. VI. Sektion ? p. m.
Sektionsbefund: Herz, Lunge 0.B. — Magen: leicht gebläht.
— Darm: entzündet, Kot schleimig gelb, Gasblasen. — Leber: mittlere
Schwellung, dunkel verfärbt, gelbliche Herde — Milz: starke
Schwellung. — Kniefaltendrüsen: entzündet, geschwollen.
Mikroskopischer Befund: Darm: kurz, vereinzelt Langstäbehen.
— Herz, Milz, Leber: nur Kurzstäbchen (fast Kokkenform).
Abstriche nach 24 Stunden: sömtlich nur Kurzstäbchen.
Überimpfungen auf Kongorotagar: nur rote Kolonien.
Mäusetyphuskultur „Marke M“ aus der Chemischen Fabrik
Güstrow, Güstrow i. Meckl. Nach der beigefügten Gebrauchs-
anweisung wird die Kultur in Kaıtoffel- eventuell auch Kohlrübenbrei
verabfolgt. Auf 2 Pfd. Kartoffelmus werden 100 g der Kultur gegeben.
„Die Wirkung der Kultur tritt in manchen Fällen erst nach
8—10 Tagen ein.“
Verwendet wurde bei unserem Versuch Kartoffelbrei, und zwar
erhielten 6 Feldmäuse !/, Pfd. Kartoffelbrei und etwa den achten
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 719
Teil der 100 g-Flasche der Kultur. Der Versuch begann am 13.1. 17.
Am 14.1. war der größte Teil der gereichten Menge verzehrt, am
Anzahl
Beginn der Mäuse
Wirkung
13. 1.17 6
15.1. 1Maus f
17.1. 1 Maus f
Befund
Milz wenig geschwollen.
Milz stark geschwollen,
Stück d. Milz in Bouillon,
18.1. 1Maus f Milz stark geschwollen,
Maus als Präparat auf-
gestellt.
18.1. abds.l Maus 7 Milz stark geschwollen, da-
von Stück in Bouillon.
19.I. 2Mäuse f Milz stark geschwollen.
Die Wirkung der Kultur trat mithin 2—6 Tage nach der Auf-
nahme ein.
Fig. 4.
Die Abbildung zeigt die an Typhus verendete Feldmaus mit stark
geschwollener Milz neben einer gesunden Maus mit normaler Milz.
Um festzustellen, ob Brandmäuse gegen Mäusetyphus immun
sind, wie behauptet wird, erhielten 10 Brandmäuse und zum Vergleich
auch 10 Waldmäuse Mäuset yphuskultur „Güstrow“ in Kaıtoffelbrei,
der bis zum folgenden Tage verzehıt war.
9. Heft
80 Prof.Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
21.11.17. 10 Brand- 28. 10. sämt]l. munter
2.3. a a
21.11.17 10 Wald- 28.Il. 4Mäuse ldavon ganz aufgefressen,
mäuse die andern 3 stark ge- -
schwollene Milz, wovon
1Stücke in Bouillon. Die
übrigen 6 Mäuse am Leben
i doch 2 sichtlich krank.
1. III. 3Mäusef Beiallen dreien Milz stark
geschwollen, Stückein |
Bouillon.
2.1II. 2 Mäuse F Milz bei beiden geschwollen,
Stücke in Bouillon.
3. III. 1Mausf Milz geschwollen, Stückin }
Bouillon.
Die Brandmäuse sind also immun gegen Mäusetyphus, während
Waldmäuse ebenso wie Feldmäuse dafür empfänglich sind. Bei MiB-
erfolgen mit Mäusetyphus wird es daher nötig sein, festzustellen,
in wieweit vielleicht Brandmäuse als Schädlinge mit beteiligt sind.
Im übrigen haben die Laborstoriumsversuche mit Typhus durchaus
befriedigende Resultate gezeitigt. Für die Wirksamkeit des Mäuse-
typhus sind in erster Linie aber die Feldversuche maßgebend, die
im zweiten Teile der Arbeit behandelt werden sollen.
Gasförmige Mittel.
Vielfach werden zur Mäusebekämpfung auch gasförmige Mittel
angewendet, die durch erstickende und giftige Wirkung die Mäuse
abtöten sollen. Es handelt sich in erster Linie hierbei um Schwefel-
dioxyd, das durch Verbrennung von Schwefel erzeugt wırd. Um eine
starke Rauchentwicklung und dadurch eine Erhöhung der erstickenden
Wirkung zu erzielen, werden Stoffe wie Häcksel, Torfmull usw. mit-
verbrannt. Die Stoffe werden entweder lose in bestimmter Mischung,
oder als feste Patronen in Räucherapparaten zum Verbrennen gebracht.
Als weiteres gasförmiges Mittel kommt Kohlendioxyd und Schwefel-
wasserstoff in Frage, die in Form von Schwefelwasserstoffpatronen
in den Handel kommen und schließlich Schwefelkohlenstoff. — Andere
Stoffe wie Acetylengas ‚oder Tabakrauch haben sich bisher nicht
einführen können. — Von diesen Bekämpfungsmitteln spielt die An-
wendung von Räucherapparsten zur Entwicklung von Schweldioxyd
. die größte Rolle.
Räucherapparate.
Über kein Bekämpfungsmittel sind die Ansichten wohl so geteilt,
wie gerade über die Räucherapparate, und das ist leicht erklärlich.
Hier kommt es einmal auf die Anwendung des richtigen Apparates,
dann auf zweckmäßige Zusammensetzung des Brennmaterials und
schließlich auf gewissenhaftes Arbeiten an. Da diese drei Grund-
bedingungen nicht immer zusammentreffen, so lassen sich die zahl-
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 81
reichen Mißerfolge, die doch von vielen Seiten berichtet werden,
verstehen.
Literatur. Aber auch andere Gründe werden geltend gemacht.
Schäff (227) hält das Ausräuchern für zu kostspielig, Klunzinger
(117) nicht für besonders empfehlenswert, da die Mäuse dann in die
Nachbarfelder einwandern. Ebenso vertritt Hilt (96, 100) die
Ansicht, daß sich Räucherapparate für die Bekämpfung im Großen
nicht eignen. Haug (86) dagegen setzt sich für die Räucherapparate
ein und bringt auch eine vergleichsweise Kostenaufstellung, die jedoch
zu Gunsten der Räucherverfahren gefärbt ist. Weitere Versuche
von Korff (121) und Korff und Maier (125) ergeben ebenfalls
ungünstige Resultate, und in ebendiesem Sinn sprechen sich auch
Lang (144) und Hoc (105) aus. Über gute Erfolge kann wiederum
Kurandt (138) berichten, ebenso die Biologische Anstalt Dahlem (21),
die zu dem Resultate kommt, daß die gasförmigen Mittel wegen der
Ungefährlichkeit den Giften bei weitem vorzuziehen sind. Auch
Stephani (250) hält die Räucherverfahren für am zuverlässigsten,
Hiltner (99, 100) dagegen hält die Räucherapparate für unbrauchbar,
und auch von Arnim-Crieven (9) konnte keinen durchgreifenden
Erfolg erzielen, da die Dämpfe nicht genügend in die Gänge ein-
drangen. Ebenso lehnt Korff (124) die Räucherapparate ab als zu
teuer und für große Flächen ungeeignet. Schander (230), der eine
ausführliche Zusammenstellung der bekannten Apparate bringt, und
diese in zahlreichen Feldversuchen ausprobiert hat, kommt zu einem
im allgemeinen befriedigenden Resultat.
Einzelne Apparate.
1. Der Cisarräucherapparat der deutschen Gas-
und Industriegesellschaft Augsburg.
Der Apparat besteht aus einem Behälter zur Aufnahme für gas-
erzeugenden Stoff, dessen Deckel einen senkrecht stehenden Blasebalg
trägt (Gewicht 4kg). Die Füllung wird als fertige Patrone mit-
geliefert, welche nur durch Streichholz anzuzünden ist. — Die von
Korff und Maier (121, 125) hiermis angestellten Versuche hatten
keine günstigen Ergebnisse, da einerseits die Patrone schwer zu ent-
zünden, andererseits die Räucherabgabe zu schwach war.
2. Der Räucherapparat Oxyd, Wiedemänn-Augsburg.
Der Apparat besteht aus einem birnförmigen, mit einer seitlichen
. Klapptür versehenen Räucherentwickelungsofen, in welchem ?/, Pfd.
Holzkohle zum Glühen gebracht und darauf Schwefelstückchen im
Gewicht von 50-70 g aufgestreut werden. Der zum Auftreiben der
Schwefelgase aus dem Mündungsrohr dienende Blasebalg ist auf
einem besonderen Gestell in wagerechter Lage über dem Gaserzeuger
angebracht. — Da der Apparat 7 kg wiegt, dürfte er für den praktischen
Gebrauch zu schwer sein (125).
Archiv ftir Naturgesehichte, 6 9. Teft
1923. A. 9. 27
82 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
3. Räucherapparat Rudolf Stanke, Reichenbach i. 8.
Der Stanke’sche Apparat ist handlich, da er nur 2kg wiegt,
schnell in Brand zu setzen und an dem senkrechten, leicht beweglichen,
seitlich mi’tels Kniestückes am Rohr angebrachten Blasebalge, der
gleichzeitig als Handgriff dient, sehr einfach zu handhaben ist. Nach-
teilig ist der Verschluß mittels Einsteckkapsel, weil diese sehr bald
heiß wird und dann, wenn ein Nachfüllen nötig wird,.sich mit der
bloßen Hand nicht mehr öffnen läßt (125).
4. Räucherapparat „Probat“ Holder-Metzingen (Württ.).
Dieser Apparat besteht aus einer nur lOcm breiten und 90 cm
langen Röhre Nach unten endet diese sich in eine Spitze, vor welcher
ein Rost liegt. Die obere Öffnung ist mittels eines sehr einfachen
Verschlusses durch einen sehr wirksamen Blasebalg verschlossen.
Der Apparat wiegs 2'/;,kg. Seine Bedienung ist leicht und einfach.
— Dieser Apparat, der besonders in Bromberg (87) mit gutem Erfolg
ausgeprobt worden ist, hat sich nach Schander (230) und Wolff
(273) bisher am besten bewährt. Gegenüber dem Gühne’schen Apparat
weist er wesentliche Verteile auf. Der Holder’sche Räucherapaasrat
stellt eine wesenvliche Verbesserung urd Vereinfachung von Schwefel-
räucherapparaten dar, wie sie wahrscheinlich schon seit langem in der
Praxis zur Mäusebekämpfung verwendet wurden. So fand Schander
als er 1906 nach Bromberg kam in Kujavien einen Apparat vor, der
nach Aussage des Herrn Major Hinsch in Lachmirowitz schon seit
Jahrzehnten mit Erfolgim Gebrauch sei. Er wurde von einem Klempner-
meister in Hohensalza hergestellt und bestand aus einem 20 cm weitem
un.en zugespitzten Rohr aus Eisenklech, welches vor der unteren
Öffnung mit einem Rost versehen war. Das Rohr wurde mit einem
Deckel verschlossen, in welchem eine Düse zur Einführung eines be-
sonderen Blasebalges eingelassen wa.. Die Anwendung des Apparates
geschah in derselben Weise wie. beim Holder’schen. Nur war der
Hohensalzaer Apparat unhandlich, benötigte zur Bedienung 2 Mann,
und war verhältnismäßig teuer.
5. und 6. Räucherapparat „Mord“ von Richard Krahmer
Chemnitz und von Chemnitius und Hensel.
Die Apparate von Krıhmer und Chemnitius sind in deı
Ausführung gleich. Sie sind am kleinsten, leicht (2,2 kg) und gut in
Brand zu setzen. "Durch den verhältnismäßig großen senkrecht auf
dem Deckel angebrachten Blasebalg läßt sich eine ausgiebige Rauch-
entwickelung erzeugen und auch die Nachfüllung des bereits heiß
gewordenen Behäl.ers is, nach einfachem Abklappen des Deckels
leicht zu bewerkstelligen (125).
7. Räucherapparat Gühne-Döbeln.
In diesem Apparat ist der Rost nicht wie bei den alten Räucher-
apparaten ganz un,en am Boden, sondern in der Mitte ang.ordnet.
Infolge dieser Anordnung wird der Apparat in zwei Teile geteilt, wovon
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 83
der obere der Brennıaum und der untere der Ascheraum ist. — Die
zum Ausräuchern der Schädlinge nötige Luft wird vom Blasebalg
— im Gegensatz zu den alten Räucherapparaten — von unten herauf
dem Feuer zugeführt. Dadurch wird dem natürlichen Besireben des
Feuers, „aufwäsös zu brennen“, voll und ganz Rechnung getragen
und auch ein gutes Brennen garantiert. — Durch das im Brennraum
angeordnete Rührrohr ist man imstande, die auf dem Roste sich
sammelnde Asche durch den Rost durchzuführen. — Man kann auch
zu jeder Zeit neues Räuchermaterial von oben nachschütten, sodaß
ein ununterbrochener Betrieb stattfinden kann. — Das Feuer brennt
auch während einer Arbeitspause allein weiter, wenn beide Verschlüsse
des Apparates geöffnet sind. — In der Feuerzone ist der Apparat im
Innern durch ein Brandblech mit Asbesteinlage und außen durch einen
Schutzmantel geschützt, sodaß sich niemand mehr verbrennen kann.
Das Brandblech kann ausgewechselt und durch ein neues ersetzt
werden. — Während von Arnim-Criewen (9) mit diesem Apparat
nur ungenügend Erfolge erzielen konnte, sprechen sich die Biologische
Anstalt (21) und Steglich (247) lobend darüber aus. — Schander
(230) hält diesen Apparat für wenig geeignet, weil er wesentlich teurer
und auch schwer ist. Ferner sind an ihm die Reparaturen wesentlich
kostspieliger, da der Apparat viel komplizierter gebaut ist. Schließlich
ist auch die Handhabung bei diesem Apparat recht unbequem.
8. und 9. Räucherapparate „Vampyr‘ (290) und „Vietor‘ (236).
Über diese beiden Apparate liegen nur kurze Notizen vor. In der
Praxis scheinen sie sich nicht weiter eingeführt zu haben.
10. Gas-Mäusevertilger „Mortus““.
Chem. Laboratorium ‚„Badenia“, Karlsruhe ı. B.
Der Apparat besteht aus 2 eylindrischen Röhren, eine hiervon
ist eine Luftpumpe, die andere, der Verbrennungszylinder, enthält
den Verbrennungsstoff, der das Gas erzeugt. Mit der Luftpumpe
wird das erzeugte Gas in die Gänge eingepreßt. Das Verbrennungs-
material wird als Patrone fertig geliefert. — Abschließende Urteile
liegen über den Apparat noch nicht vor.
Das Räuchern mit Schweielwasserstoffpatronen,
Die zweite Bekämpfungsmethode ist die Anwendung von Schwefel-
wasserstoffpatronen. Fin sehr lobender Artikel über die Cito-Mors-
Patronen der Firma Hinsberg, Nackenheim findet sich 1914 in der
Zeitschrift für Obst- und Gartenbau (48). 1915 empfiehlt F. (Fulmek)
(55) ebensolche Patronen der Gesellschaft ,‚‚Forhin“, Budapest.
Schander dagegen (230) hat mit Cito-Mors-Patronen nur absolut
negative Resultate erzielen können. Auch Stranak (252) ist für
Räucherpa:ronen und schreibt ihnen besseren Erfolg als den Räucher-
apparaten zu. Kaven (112) endlich tritt ebenfalls für das Cito-Mors-
Verfahren ein. — Das Verfahren beruht auf der Verbrennung des
Luftsauerstoffes, der Bildung von Kohlenoxyd, Kohlendioxyd und
6* 9. Heft
84 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Stickoxyd und der Abgabe von Schwefelwasserstoff aus der erkalteten
Asche durch Aufnahme von Wasser aus der Luft und dem Erdreich.
— Die fertigen Patronen sind in die Mäuselöcher zu stecken und an-
zuzünden. — Selbst wenn sich das Verfahren im einzelnen bewähren
sollte, dürfte es für größere Mäuseplagen zu teuer und umständlich
sein. So berechnet Schander im Jahre 1915 bei einer Annahme
von 200 Bauen auf den Morgen, einer mittleren Zahl, den Preis für
200 Patronen auf 8,— Mk., wenn nur der günstigste Fallangenommenist.
Schwefielkohlensteff.
Literatur: Die Bedeutung des Schwefelkohlenstoffes als Be-
köämpfungsmittel für Pflanzenschädlinge ist schon lange bekannt.
Seine Aufnahme als Feldmäusebekämpfungsmittel wurde wesentlich
durch die Arbeiten von Appel und Rörig (21, 220, 8, 218) und durch
die Flugblätter der Biologischen Anstalt gefördert, in denen der
Schwefelkohlenstoff als eines der wirksamsten Mittel empfohlen
wurde. Auch die Arbeiten von Hiltner und Korff (98, 124) trugen
wesentlich dazu bei, den Schwefelkohlenstoff als eines der Haupt-
bekämpfungsmittel mit an die Spitze zu stellen. Besonders wertvoll
waren die vergleichenden Feldversuche von Korff und Maier (125)
und von Exc. v. Arnim-Crieven (9), die die Überlegenheit des
Schwefelkohlenstoffes gegenüber den anderen Räucherverfahren und
auch Giftmitteln deutlich erkennen ließen. Überall hat sich der,
Schwefelkohlenstoff als eines der sichersten Mittel erwiesen und wird
bis auf wenige Ausnahmen, wo auch von Mißerfolgen berichtet wird
(9, 230), allseitig empfohlen.
Anwendung des Schwefelkohlenstoffes für Mieten.
Um die Feldmäuse aus Mieten fernzuhalten, empfiehlt Eisniger
(54) folgende Methode: Durch eine auf der Spitze der Miete eingesetzte
und leicht selbst anzufertigende Einfüllvorrichtung ist alle 10—12 Tage
Schwefelkohlenstoff nachzugießen. Die Vorrichtung besteht aus
durchlochten Wagenfettbüchsen mit angesetztem Blechrohr. — Um
die Mäuse auf dem Felde zu bekämpfen, genügt das Eingießen von
ungefähr 5eem Schwefelkohlenstoff in die Löcher und nachheriges
Verschließen der Löcher mit Erde. Zum Einfüllen benutzt man am
besten Kannen, die hierfür gebaut sind und sich gut bewährt haben.
1. Die Altmannsche Kanne (Paul Altmann-Berlin NW 6, Luisen-
straße 47), die nur den einen Fehler hat, daß man an das Ventil nicht
herankann und infolgedessen leicht Undichtigkeiten entstehen. —
2. Den Schädlingsvertilger (Fabrik explosionssicherer Gefäße —
Salzkotten i. W.), der nach den Angaben von Hiltner und Korff gebaut
ist (98).
Durch die zahlreichen Feldversuche hat sich gezeigt, daß eine
Menge von 5cem für jedes Loch vollauf genug ist.
Als zweite Art der Anwendung kommt das Eingießen des Schwefel-
kohlenstoffes in die Löchır und nachheriges Anzünden in Betracht.
Dies Verfahren und das ähnliche, das im Einblasen von Schwefel-
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 85
kohlenstoffdämpfen in die Baue und Anzünden dieser besteht (11)
und das für Wühlmäuse empfohlen wird, dürfte sich eher für größere
Nager, wie Kaninchen eignen. — Wenn von-Zeit zu Zeit immer wieder
darauf hingewiesen wird, daß der Schwefelkohlenstcff zu feuergefährlich
sei, so zeigt schon obige Anwendung, daß dies nicht der Fall ist. Man
vergleiche auch die Angaben Reh’s über die Anwendung des Schwefel-
kohlenstoffes, der berichtet, daß in Brasilien diese Methode allgemein
üblich ist. Außerdem erscheint durch die Anwendung der Schwefel-
kohlenstoffkannen eine Explosionsgefahr gänzlich ausgeschlossen. —
Daß bei diesem so einfachen Mittel in der Anwendung auch Fehler
gemacht werden, beweisen vereinzelte Klagen von Landwirten über
Mißerfolge mit Schwefelkohlenstoff. Vielfach werden alte Baue mit
Schwefelkohlenstoff beschiekt und neue übersehen. Es wird sich daher
empfehlen, vorher alle Löcher zuzutreten und dann nur die wieder
geöffneten zu beschicken. Ferner ist natürlich darauf zu achten. daß
sich das Rohr der Kannen nicht mit Erde verstopft, da die Wirkung
dann natürlich hinfällig wird. wie es Schander (230) anläßlich praktisch
durchgeführter Versuche feststellen konnte. — In welchen Fällen
empfiehlt sich die Anwendung von Schwefelkohlensteff? — Die
Anwendung des Schwefelkohlenstoffes wird nur dann angebrach;
sein, wenn die Mäuseplage noch nicht allzu groß ist. Falls die Möuse
schon überhand genommen haben. dürfte sich das Verfahren zu teuer
stellen. Am besten eignet es sich für eine regelmäßige Bekämpfung
jeden Herbst und jedes Frühjahr, wo nur wenige Baue vorhanden sind
und man die vorhandenen leicht zutreten kann. Die besten Resultate
wird man wohl erzielen, wenn man dann noch einmal die Felder abgeht
und etwa noch vorhandene wieder geöffnete Löcher mit Schwefel-
kohlenstoff beschickt, also mit einer zweimaligen Anwendung dieses
Mittels. Dann dürfte es wohl möglich sein, jede auch nur entstehende
Mäuseplage im Keime zu ersticken.
Sonstige Räuchermitiel.
Außer den bereits angegebenen Räuchermitteln ist bisher nur
Tabakrauch und Acetylengas zur Mäusebekämpfung verwandt worden.
— Tabakrauch kann nach Del Guereio (72) auch verwandt werden,
wirkt aber nicht so plötzlich wie die andern gasförmigen Mittel; wahr-
scheinlich kommt hier nur eine erstickende Wirkung ohne jede Gift-
wirkung in Frage. — Acetylengas ist nach Del Guercio als Be-
kämpfungsmittel brauchbar, nach Rörig (221) jedoch zur Mäuse-
vertilgung nicht geeignet.
Verschiedenes.
Literatur.
Außer den vereits besprochenen Giftmitteln sind noch eine ganze
Anzahl verschiedener Stoffe auf ihre Wirksamkeit und Verwendbarkeit
zur Mäusebekämpfung hin untersucht worden. — So wurde z.B.
mit Tabakextrakt getränktes Getreide ohne Erfolg (93) verwandt’
Empfohlen wurde von Lüders ferner (162) ein Mittel, hergestellt
9. Heft
86 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
aus gekochten Schafbeinen, Zucker, Fenchelsamen und Meerzwiebel.
Im Forstbetrieb angestellte Versuche mit Raupenleim (205) gegen
Mäuseschaden ergaben ungünstige Resultate, da die Pflanzen durch
dies Mittel angegriffen wurden. Auch Beizen des Getreides mit Terpentil-
öl (114) kann leicht zu Schäden führen, da durch Terpentinöl die
Keimfähigkeit des Getreides verzögert und bei zu starker Beizung
Keimunfähigkeit herbeigeführt wird. Ferner wurden Seidelbast,
Colehium und Meerzwiebel (287) angeraten; besser als diese bewährte
sich jedoch Brechnus (287). Auch Karbolineumkalkanstrich (209)
gegen Wühlmäuse hat nach Ribbek wenig Erfolg gehabt. Über das
von d. Firma Bayer-Leverkusen(81) empfohlene 3°/, Methyl-Xanthin
liegen keine Erfahrungen vor. Auch die Anwendung von Wachholder
(212) als Abwehrmittel dürfte keine nennenswerte Erfolge haben.
Die Versuche mit Sokialkuchen sind noch nicht abgeschlossen. Bisher
wurden von zwei Seiten (18, 311) auf dem Felde negative Resultate
gemeldet.
Versuche.
Für uns war doch die Frage zu lösen, inwieweit Gips für Mäuse-
bekämpfung verwendbar ist.
In der Praxisist vielfach die Ansicht verbreitet, daß Gips, besonders
auch gegen Ratten, ein vorzügliches Bekämpfungsmittel sei. Wenn
man den Tieren Futtermittel mit Gips gemischt darreiche, so würde
der Gips im Magen durch die Feuchtigkeit gebunden und fest. Wir
stellten deshalb 2 Versuchsreihen an, einmal in Mischung mit: Gersten-
mehl, dann mit Maismehl. Es wurden aus Gips und einem dieser
Mehle unter Zusatz von etwas Wasser ‚kleine Plätzchen geformt, die
den Mäusen vorgesetzt wurden.
4 Feldmäuse erhielten je 2 5Oprozentige gipshaltige Gersten-
Mehlplät zchen:
Datum No. verzehrt °%, Gewicht 7 nach Stunden
21. V. 1917 1 2 50 17 überlebt
10 Uhr vorm. 2 2 50 15 18
3 u PRRIEE 5, TER überlebt
4 1 50 15 überlebt
3 Brandmäuse erhielten je 2 60prozentige gipshaltige Gerste-
Mehlplötzchen:
Datum Ne. verzehrt Bemerkung
BEN. 1917. 4 2 Alle Tiere überlebten den Versuch.
5 Uhr nachm. 2 2
3 2
-3 Brandmäuse erhielten je 2 80prozentige Gipsmehlplätzchen.
Datum No. verzehrt Bemerkung
22.'V. 1917 | 2 am 23. früh munter
121 2 Uhr 2 2 » 23: 029% ER
nachm. 3 2 PR) 29099 PR)
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 87
Bei den nächsten Versuchen wurden Maismehlplätzchen an Stelle
von Gerstenmehlplätzehen verwandt und den Mäusen Trinkwasser
dazu gereicht.
Herstellung: 8g Maismehl, 2 g Gips, 0,5 g Zucker mit etwas
Wasser zu einem dicken Brei gut verrührt, Plätzchen geschnitten
und getrocknet.
4 Hausmäuse in Gläsern erhielten je 1,1 g schweres, 20%, Gips-
maisplätzchen, dazu Trinkwasser.
Datum No. erhalten verzehrt Gewicht + nach Stdn.
#brlll.1919: 1 Gips 20% alles 8 überlebt
8 Uhr vorm. 2 % 3 er
3 „ ” 12 bi)
4 b ” 13 DE
4 Hausmäuse in Gläsern erhielten je 1,1 g schweres, 40%, Gips-
maisplätzchen, dazu Trinkwasser.
Datum No. erhalten Gewicht verzehrt f nach Stdn.
t2 117. 1919777 Gips 4% 1 alles 27
10 Uhr vorm. 2 $ 7 + 40
3 # 8 2 6 Tagen
4 »» 11 ä 40
Nach 24 Stunden. machten alle Mäuse einen kranken Eindruck.
4 Hausmäuse erhielten je 1,1g schweres, 50%, Gipsmaismehl-
plötzchen, dazu Trinkwasser.
Datum No. erhalten Gewicht verzehrt f nach Stdn.
14. I1141919,, ,.,:61p8:50%, 8 alles überlebt
10 Uhr vorm. 2 A 7 Re ”
3 PR] 12 > >
4 ”) 13 „ 9
Das im vorletzten Versuche erhaliene Resultat dürfte kaum auf
die Wirkung des Giftes zurückzuführen sein, da sowohl vorher wie
nachher sämtliche Versuche ein entgegengesetztes Bild ergeben.
Wahrscheinlich liegt hier eine andere Todesursache vor, die leider
s. Z. durch Sektion nicht festgestellt worden ist. Nach den Versuchen
ist Gips zur Mäusebekämpfung nicht geeignes. Alle dahinzielenden
Berichte über günstige Wirkung dürften wohl auffalsche Beobachtung
bezüglich der Todesursache beruhen.
Übersicht über die zur Abtötung von Mäusen
erforderlichen Giftmengen.
Nach unsern Versuchen die sicher wirkende Dosis in niedrigster
Gabe für Mäuse berechnet auf 1000 g Lebendgewicht bei einer
Gabe per os:
9. Heft
88 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
erforderliche
erforderliche Prozentgehalt
Mittel iu Form von Menge d.herzustellen- Bemerkungen
den Giftmittel
Barium Bariumkarbonatbrot 0,58 15% Ist mitMilch anzu-
feuchten.
Phosphor Phosphorlatwerge 0,18 1% Es kann auch Phos-
phormelasse ver-
wandt werden.
Arsen Arsenikbrot 0,17g 0,25% Wegen seiner Ge-
fährlichkeit f£. all-
gemeine Bekäm-
pfung auszu-
schließen.
Strychnin Strychningetreide 018g 05% Gift muß genügend
tief ins Korn ge-
drungen sein.
Praktische Bekämpfung.
Da in diesem Jahre (1922) in allen Teilen ’unseres Pflanzenschutz-
bezirkes nur ein ganz schwaches Auftretender Feldmäuse zu verzeichnen
ist, dürfte es sich empfehlen, die bisher angestellten Feldversuche mit-
zubehandeln, da noch nicht abzusehen ist, inwieweit in diesem Jahre
praktische Versuche werden durchgeführt werden können, die bisher
gewonnenen Erfahrungen jedoch möglichst schnell der Landwirtschaft
nutzbar gemacht werden sollen. — Hierfür stehen uns einmal die
Erfahrungen zur Seite, die in zahlreichen Feldversuchen in Bromberg
gewonnen und zum Teil in den Bromberger Berichten über Pflanzen-
schutz niedergelegt sind, dann ein im Herbst 1921 auf dem Rittergut
Boosen bei Frankfurt a. O. angelegter Versuch und schließlich die
Berichte unserer Pflanzenschutztechniker bezw. der Pflanzenschutz-
stellen, bei denen sie untergebracht sind und mit deren Unterstützung
sie arbeiten. — Um einen vergleichenden Überblick über die Wirk-
samkeit der am häufigsten angewandten Bekämpfungsmethoden
zu erhalten, wurden von der Hauptstelle für Pflanzenschutz im Herbst
1913 noch einmal nachstehende Mittel durch umfangreichere Versuche
in der Praxis geprüft: Mäusetyphusbazillen, Bariumkarbonatbrot,
Schwefelkohlenstoff, Phosphorlatwerge und Versuche mit dem
Räucherapparat Probat. Typhuskulturen: An diesen Versuchen
beteiligen sich insgesamt 165 Versuchsansteller, von denen 66 ein-
gehender berichteten. Die erforderlichen Typhuskultuien wurden
für Posen von der Molkerei-Versuchsstation in Wreschen, für West-
preußen von dem bakteriologischen Institut der Landwirtschafts-
kammer für Westpreußen in Danzig geliefert. Zum Auslegen der
Kulturen wurden Brotwürfel verwandt, die sowohl auf dem Felde
als auch in den Speicherräumen gut aufgenommen wurden. In Prozenten
ausgedrückt war die Aufnahme in 92%, der Meldungen gut, in 4%
mangelhaft, in :% nur teilweise. Die meisten Versuchsansteller
meldeten, daß sie durchaus brauchbare Resultate erzielt hätten, und
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 89
nur ein kleiner Bruchteil klagte über einen mangelhaften oder voll-
kommen negativen Erfolg, so daß 76% gute, 1%, mangelhafte und
6%, negative Resultate gegenüberstehen. Unbedingt ist dabei ein großer
Teil der Mißerfolge auf Nichtbeachtung der gegebenen Vorschriften
zurückzuführen. Aurch heben einige Versuchsansteller in ihren
Berichten hervor, daß es während des Auslegens der Brocken andauernd
geregnet habe, so daß bei richtiger Handhabung ein noch größerer
Prozentsatz guter Resultate sich hätte ermöglichen lassen. Selbst-
verständlich haften dem Verfahren auch verschiedene Mängel an.
Einmal ist besonders bei größeren Epidemien die Wirkung nach
2—3 Wochen ein großer Nachteil, dann aber macht sich auch die Ab-
hängigkeit von der Witterung beim Auslegen unangenehm fühlbar.
Dem gegenüber stehen mannigfache Vorteile. Das Tiyphusverfahren
kann überall angewandt werden, da eine Gefahr für Menschen und
Vieh. bei einiger Sauberkeit ausgeschlossen erscheint, während Gift-
präparate in der Nähe von Grenzen oder in Scheunen immer eine
Gefahr bedeuten. Dann haben Bakterienpräparate gegenüber Giften
auch einen größeren Wirkungskreis, da eine Weiter-Infektion gesunder
Tiere durch die erkrankten eintritt. Alle diese Gründe machen den
Mäusetyphus zu einem nicht zu missenden Bestandteil in der Feld-
mäusebekämpfung, besonders bei größeren Epidemien.
Bariumkarbonatbrot: An diesen Versuchen beteiligten sich
134 Versuchsansteller, von denen nur 53 Berichte einsandten. Die
Aufnahme der ausgelegten Giftbrocken war mangelhaft und nur
in 33% gut zu nennen, während in 21% der Fälle die Aufnahme
verweigert wurde. Die Erfolgsberechnung in Prozenten ergab zu
51% gute Erfolge, während 37% mangelhaften und 12%, negativen
zeitigten. Wahrscheinlich war auch hier nicht entsrpechend den
Vorschriften gearbeitet worden, nach denen das Giftbrot mit Milch
leicht befeuchtet und dann in die Mäuselöcher gebracht, aber nicht
um diese herumgestreut werden soll. In Speicherräumen legt man
die Giftbrocken am vorteilhaftesten in Drainıöhren, wodurch ihre
Aufnahme durch Hunde oder Katzen vermieden werden kann, sodaß
jede Vergiftungsmöglichkeit ausgeschlossen erscheint.
Phosphorlatwerge: Sehr gute Erfolge wurden mit Phosphor-
latwerge erzielt, an deren Versuch sich 72 Versuchsansteller beteiligten.
Die erzielten Erfolge waren günstig, da 76%, der Meldungen über gute,
12%, über schlechte und 12%, über keine Resultate berichteten. Die
Nachteile bestehen einmal in der großen Giftigkeit des Mittels, die
es nicht für alle Fälle brauchbar erscheinen läßt und dann in der etwas
umständlichen Handhabung des Auslegens.
Räucherapparate: Zu diesen Versuchen wurde der Räucher-
apparat der Firma Holder-Metzingen verwandt, der sich nach
unseren Erfahrungen bisher am besten bewährt hatte. Von 23 Versuchs-
anstellern meldeten nur 6 über ihre praktischen Erfolge mit diesem
Apparat. Die Anwendung des Räucherns hat hauptsächlich dort
Zweck und vor allen Dingen den gewünschten Erfolg, wo es sich um
eine im Entstehen begriffene Mäuseplage handelt. Bei schon vor-
9. Heft
9 Prof. Dr. R. Schander und Dr, R. Meyer:
handenen größeren Epidemien und auf sehr leichtem Boden wird
das Verfahren naturgemäß an Wert verlieren.
Hier in unserem neuen Wirkungskreis hat sich der Räucher-
apparat „Probat“ ebenfalls gut eingeführt und ist von den Landwirten,
denen wir den Apparat praktisch vorführten, weiter empfohlen worden,
sodaß im Jahre 1921 hierdurch allein durch unsere Vermittlung
50 Apparate bezogen wurden und einzelne Landwirte diesen Apparat
als einzig wirksam gegen Feldmäuse bezeichneten. Wenn von manchen
Autoren dem entgegengehalten wird, daß die Mäuse in den Bauen
nicht alle verenden, so liegt das daran, daß der Räuchermischung
zu wenig Schwefel zugesetzt wurde, so daß die Mäuse wohl durch den
Qualm betäubt, aber nicht abgetötet wurden.
Schwefelkohlenstoff: Für diese Versuche konnten nur 2 Praktiker
gewonnen werden, da scheinbar eine große Abneigung gegen dieses
Mittel wegen seiner Feuergefährlichkeit bestand, deren Ansichten
über die Brauchbarkeit sehr auseinandergingen. Nach vielen anderen
Versuchen aber, die auch von anderen Instituten ausgeführt worden
sind, ist der Schwefelkohlenstoff ein durchaus brauchbares Mittel
auch für größere Epidemien, zumal unter Verwendung der Schwefel-
kohlenstoffkannen, die einmal die Gefahr ausschließen, dann aber
auch eine genaue Dosierung der Menge der Flüssigkeit für jedes Mäuse-
loch ermöglichen. |
Feldmäusebekämpfung in Boossen am 3. und 4. November 1921.
Auf einzelnen Gütern der Provinz war es im Herbst 1921 wieder
zu einem starken Auftreten der Feldmäuse gekommen, so auch auf
dem Rittergut Boosen bei Frankfurt a. 0. — Besonders heimgesucht
war hier ein zweijähriger, etwa 90 Morgen großer Luzerneschlag, der
von der Gutsverwaltung zu Mäusebekämpfungsversuchen zur Ver-
fügung gestellt wurde. Auch die angrenzenden Roggenschläge zeigten
Mäusebefall, doch hielt dieser sich in mäßigen Grenzen. Nur die
Wegränder und Grenzraine zeigten eine größere Anzahl von Mäuse-
löchern. — Besonders gewünscht wurde von der Gutsverwaltung
die Bekämpfung auf diesem Luzerneschlag. Der Boden des Schlages
war sandiger Lehm, mit einzelnen Stellen Sandes. Das Gelände war
eiwas wellig. Der Schlag stieg zur Mitte etwas an, nach den Seiten
war der Abfall wechselnd. Dadurch war der Boden an einzelnen
Stellen etwas feuchter, was sich auch im Pflanzenwuchs bemerkbar
machte. —Im allgemeinen hielten sich die Mäuse mehr an den tieferen
Stellen, also an den Rändern des Schlages. Hier war der Befall so stark,
daß der Boden wie ein Sieb durchlöchert war. Auf ein qm kamen
ungefähr 80-100 Möuselöcher. Vielfach gingen die Löcher in einander
über, es waren ganze Gänge entstanden und beim Überschreiten
dieses Teiles des Ackers brach man fortwährend bis über die Knöchel
ein. An den höher gelegenen Stellen hatten sich mehr einzelne Herde
gebildet von Y/,—1!/,qm Größe. Die Entfernung der Herde von
einander schwankte zwischen 2 und 10m. — Zu den Bekämpfungs-
versuchen waren von der Hauptstelle für Pflanzenschutz folgende
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 91
Mittel nach Boossen gesandt worden: Giftgetreide, Bariumbrot,
Giftmehl, Phosphorlatwerge und Mäusetyphus. — Mit den Vor-
bereitungen zur Mäusebekämpfung wurde am 3. November früh
begonnen. Zunächst wurden die Mäusetyphuskulturen, die als Ver-
mehrungskulturen mitgegeben waren, angesetzt, um am nächsten
Tage mit den Auslegen des Typhus beginnen zu können. — Zu diesem
Zwecke wurden 20 Liter Magermilch mit 20 Liter Wasser aufgekocht
und beim Abkühlen 1Y/, Pfund Kochsalz zugesetzt. Die Reaktion
wurde mit Lakmuspapier geprüft und Soda bis Lakmusneutralpunkt
zugesetzt. Nach dem Abkühlen wurden der verdünnten Magermilch
40 Röhrchen Kulturen zugegeben und die Nährlösung mit den Kulturen
in einem mäßig warmen Raum gut zugedeckt bis zum nächsten Tage
'weggestellt. — Zum Auslegen der Mittel hatte sich der Lehrer mit
8 Knaben zur Verfügung gestellt. Zunächst wurde von diesen Lang-
stroh in handlange Halme zerschnitten, um zum Auslegen von Giftmehl
und Phosphorlatwerge zu dienen. Sodann wurden die Giftmittel,
Wasser, ein leerer Bottich und das zerschnittene Söroh nach der dem
Luzerneschlag zunächst liegenden Feldscheune gefahren. Dann
wurde mit dem. Auslegen von Giftweizen. den das Gut zuvor zum
Giften und Färben an die Hauptstelle für Pflanzenschutz gesandt
hatte, begonnen. Hierzu wurde ein Streifen von 20 m Bteite auf dem
Luzerneschlag parallel einem Grenzwege abgesteckt. Der Giftweizen
wurde in Zigarrenkisten verteilt, und jeder Knabe erhielt davon eine
Portion. Außerdem beteiligte sich der Lehrer und der zweite Inspektor
am Auslegen. — Das Auslegen wurde sehr durch die Witterung
erschwert. Es waren etwa 3 Grad Kälte, dazu ein scharfer Nordostwind.
Das Auslegen wurde so gehandhabt, daß die Kinder in einem Abstande
von 2 m aufgestellt wurden und dann gleichmäßig auf einen gegebenen
Richtungspunkt vorgegangen wurde. lm ganzen wurde ein Streifen
von 250 X 20 m = 2 Morgen mit Giftweizen belegt und beim Auslegen
sehr sorgfältig vorgegangen, indem nur in die Löcher hinein ausgelegt
wurde. Dann wurde mit dem Auslegen von Barytbrot begonnen.
Wie beim Strychninweizen, so wurde auch hier ein entsprechend
breites Stück abgesteckt. Da der Boden verhältnismäßig feucht war,
wurde von einem Anfeuchten des Barytbrotes abgesehen, da anzu-
nehmen war, daß das Brot selber genügend Feuchtigkeit anziehen
würde. Inzwischen hatte sich das Wetter immer weiter verschlechtert;
ein starker Sturm jagte über die freie Fläche, so daß schließlich mit
dem Auslegen aufgehört werden mußte. Immerhin wurde doch ein
Streifen von 250 x 20 qm = 2 Morgen wie vorher belegt. Dann mußten
die Arbeiten gegen Mittag infolge des Wetters abgebrochen werden.
— Da der Inspektor darüber klagte, daß in der Feldscheune so viele
Ratten wären, wurde hier von dem Barytbrot um und in der Scheune
ausgelegt. Damit wurden die Arbeiten am Vormittag beendet. —
Am Nachmittag wurde an das Auslegen der weiteren Mittel gegangen.
Da die Kinder infolge des Wetters nicht gekommen waren, wurden
vom Gute aus Arbeitsmädchen für diese Arbeit bestimmt. Zunächst
wurde Giftmehl in dem Trog mit Wasser zu einem ziemlich dicken
9. Hett
92 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Brei verrührt. Dann wurde der Brei wieder auf die Zigarrenkisten
verteilt. Die Mädchen erhielten in eine Hand die Kiste mit dem Brei
und unter den Arm ein Bündel der geschnittenen Strohhalme. Im
übrigen wurde in gleicher Weise wie bei den vorigen Versuchen vor-
gegangen. Das Giftmehl legte sich sehr gut aus, nur wurden anfangs
immer zu viel Strohhalme genommen, so daß zu viel Stroh verbraucht
wurde. Von einem weiteren Schneiden von Stroh wurde deshalb
Abstand genommen und Kurzstroh verwandt, indem der einzelne
Halm je nach Länge 1—2mal zusammengeknickt wurde. Dies Ver-
fahren eignete sich besser, da dann die Mädchen nur einzelne Halme
verwandten. Es wurden ungefähr 2 Morgen ausgelegt. Dann mußten
die Arbeiten infolge ungünstiger Witterung abgebrochen werden.
— Am 4. November morgens hatte sich der Wind gelegt, auch war:
es wärmer geworden. Es wurde nun mit dem Auslegen der Phosphor-
latwerge begonnen. Dazu wurden die Büchsen geöffnet und die Lat-
werge umgerührt. Jedes Mädchen erhielt eine Büchse nebst einer
Handvoll Stroh. Die Aufstellung geschah in gleicher Weise wie bei den
vorigen Versuchen. Da die Phosphorlatwerge sehr stark roch, wurde
sie von den Leuten nur ungern gehandhabt.. Inzwischen hatte es zu
schneien begonnen, so daß nach Belegen von etwa 2 Morgen von den
Mäuselöchern nichts mehr zu sehen war und mit dem Auslegen auf-
gehört werden mußte. In der Mittagszeit hatte die Sonne den Schnee
wieder weggeschmolzen und es war schönes warmes Wetter geworden.
Sieben von den Schulkindern hatten sich auch wieder eingestellt,
so daß zusammen mit den Mädchen eine größere Menge Hilfskräfte
zur Verfügung standen. Zunächst wurde auf dem Hofe Kleie aus-
gesiebt und zusammen mit gequetschtem Hafer mit der Typhusflüssigkeit
getränkt. Dies geschah folgendermaßen: Ein Stalleimer wurde zur
Hälfte mit Hafer und Kleie gefüllt und dann unter stetigem Um-
rühren soviel Typhusflüssigkeit zugesetzt, daß die Kleie gerade an-
gefeuchtet war. Dann wurde das Gemisch in Säcke geschüttet. Aus
diesen lief dann die überflüssige Feuchtigkeit ab. Die Säcke wurden
dann aufs Feld geschafft und die Kulturen hier in gleicher Weise
wie vorher mittels Zigarrenkisten ausgelest. Da die Kleie schön
krümelig war, ging das Auslegen sehr leicht von statten. Zunächst
wurde ein sehr stark befallener Teil des Feldes belegt und dann zu den
höher gelegenen Stellen, wo die Mäusenester nur vereinzelt waren,
übergangen. Auf diese Weise wurden 46000 qm =16,4 Morgen mit
Typhus belegt. Nach Verbrauch der Kleie wurde dann mit den Ver-
suchen aufgehört, da sich das Wetter inzwischen wieder erheblich
verschlechtert hatte, indem starker Nordost mit Schneetreiben einsetzte.
Damit wurden die Versuche in Boossen beendet.
Resultat des Bekämpfungsversuchs.
Das Giftgetreide, Baryumbrot und Giftmehl hatte eine schnelle
und durchgreifende Wirkung. Bereits am 4. November mittags fanden
wir auf den belegten Streifen etwa 30 5ote Mäuse, die zum Teil mit
dem Kopf in den Löchern steckten. Die Giftwirkung war so schnell
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 953
gewesen, daß die Tiere nicht mehr ihre Baue erreichen konnten, in
denen sie sich doch sonst im Todeskampfe verkriechen. — Daß auch
das in der Scheune ausgelegte Barytbrot gute Wirkung gehabt hat,
beweist ein Brief des Inspektors von Boossen vom 17. November 1921:
NEN en teile ich Ihnen mit, daß auf den mit Gift belegten Stellen
noch weiter tote Mäuse gefunden habe. ...... “ In der Feldscheune
wo wir das Gift gelagert hatten, habe ich ebenfalls tote und kranke
Ratten vorgefunden. Tote Mäuse waren ebenfalls schon am 4. Nov.
mittags von uns in der Scheune gefunden worden.‘ — Auf telephonische
Anfrage Mitte Dezember hin, wie der T'yyphus gewirkt habe, teilte
uns der Inspektor mit, daß die Wirkungals gut, sogar sehr gut, bezeichnet
werden könne.
Aus diesen Versuchen und den Berichten der Pflanzenschutz-
techniker geht hervor, daß die Mittel wenn sie zur richtigen Jahreszeit
und den örvlichen Verhältnissen angepaßt verwendet werden, auch
gute Erfolge zeitigen. Eine durchgreifende Wirkung kann aber nur
dann erzielö werden, wenn einmal die Feldmäuseregelmäßigim Frühjahr
und Herbst an den Stellen, wo sie sich ständig halten, also Weg- und
Grabenrändern und allen Oıten, die vom Pfluge nicht berührt werden,
bekömpft werden, so daß eine Mäuseplage erst gar nicht aufkommen
kann. Hand in Hand damit muß ein Schutz der Tiere gehen, die als
Feinde der Mäuse anzusprechen sind und so als natürliche Bundes-
genossen der Landwirte die Vermehrung der Feldmäuse in engen
Grenzen halten. Ist es aber einmal zu einer Mäuseplage gekommen,
so wird nur gemeinsame Bekämpfung, Dörfer- oder Gemeindeweise,
zu einem Erfolge führen können, da bei Bekämpfungsversuchen
einzelner die Mäuse immer wieder von den Nachbarn, die sich daran
nicht beteiligt haben, überwandern werden, so daß nach kurzer Zeit
der alte Zustand geschaffen und Zeit und Geld vergeudet worden ist.
Literatur.
Abgeschlossen mit dem 1. März 1922.
. 1. Agrikulturbotanische Anstalt, München, Flugblatt No.4.
Anleitung zur Verwendung der Löffler’schen Mäusetyphusbazillen.
— Das Flugblatt enthält 1. eine Beschreibung des Bazillus und seine
Wirksamkeit, 2. eine Anweisung für seinen Gebrauch. Besonderen
Wert legt der Verfasser auf gleichzeitige Bekämpfung auf allen von
Mäusen heimgesuchten Feldern der ganzen Flur. — Die Wirkung
des Mäusetyphus tritt erst nach 8—14 Tagen ein. Falls nach 14 Tagen
noch Mäuse vorhanden sein sollten, soll bariumkarbonathaltiger Kuchen
ausgelegt werden. Als Anhang gibt Verf. Verhaltungsmaßregeln zur
Verhütung von Gesundheitsschädigungen durch Beschäftigung mit
Mäusetyphusbazillen.
2. Agrikulturbotanische Anstalt, München. Anweisung
zur Verwendung der flüssigen Mäusekulturen. Brakt. Bl. Pfl.-Pil.
1908, 8.33. — Die Anstalt gibt eine Anweisung zur Verwendung von
Mäusetxyphus mit ungeschältem Hafer.
9. Heft
94 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
3. Agrikulturbotanische Anstalt, München. Anweisung
für die Verwendung der Barytpillen zur Bekämpfung der Feldmäuse.
Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1908, 5. 47. — Die Anstalt empfiehlt Anwendung
von Legröhren zum Auslegen der Barytpillen, um Schädigungen an
Hausöieren zu vermeiden.
Aldinger. Die Bekömpfung der Feldmäuse. W. L. B. 93. Jahrg.
1903, S. 1114, 1115. — Bericht über die bei Anwendung des Löffler’schen
Mäusebazillus gesammelten Erfahrungen. Frische Kulturen, Auf-
bewahrung an sonnenfreiem, kühlen Ort, Beachtung der Vorschrift
bei Herstellung der Bazillenbrühe, altbackenes, nicht saures Brot,
Auslegen der Würfel bei trocknem Wetter gegen Abend auf die Kessel
der Mäuse im Drainagerohr mit leichter Strohbedeckung. (Hollrung 6).
5. Appel, 0. Ein Beitrag zur Anwendung des Löffler’schen
Mäusebazillus. Zentr. f. Bakt. 1, 1899 Bd. 25, 8. 373. — Gute Erfolge
in Gärtnereien, schlechte in einer Mühle, da die Mäuse das Brot nicht
fraßen.
6. Appel, ©. Vorbeugungsmaßregeln gegen das Überhand-
nehmen der Mäuse. Ill. Landw. Zt. XX, 1900, No. 25, 8.665. —
Nach Appel Löffler’scher Mäusebazillus pathogen für Haus- und
Feldmäuse, unschädlich für Brandmäuse, Ratten, Ziesel, Haustiere.
Das Licht schadet den Kulturen nicht viel; Röhrchen, die 3 Wochen
am Fenster gestanden hatten, töteten ebenso schnell wie im Dunkeln
aufbewahrtee Anwendung von Kochsalzzusatz übeıflüssig, andere
Beifügungen schädlich. Kulturen kurz vor Anwendung beziehen und
bis zum Gebrauch geschlossen halten. :
Derselbe. Wie schützen wir unsere Mistbeete und Frühjahrs-
kulturen gegen Mäusefraß. Gaitenflora Jahrg. 49, 1900, S. 189—192.
8. Appel, Meritz und Hiltner., Über die Verwendbarkeit des
Schwefelkohlenstoffes zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen.
Nat. Ztschr. Land- u. Forstwirtschaft, Jahrg. 1, 1903, 8. 209-219.
— Eine zusammenfassende Darstellung über die Verwendung des
Schwefelkohlenstoffes gegen Kaninchen, Hamster, Ziesel, Mäuse,
Ratten nach den Flugblättern von König, Appel, Jacobi.
9. v, Arnim-Criewen. Die Brauchbarkeit von Schwefelkohlenstoff
und Schwefeldioxyd für die Vertilgung der Feldmäuse. Mitt. d. D.
L. G. 1914, 8. 633—636. — Verfasser hält den Mäusetyphus für un-
entbehrlich, trotzdem er die wechselnden Erfolge damit nicht verkennt,
ebenso auch die Mäusegifte. Mit Schwefelkohlenstoff wurden aus-
gezeichnete Erfolge erzielt, während Versuche mit dem Räucher-
verfahren zu negativem Resultate fühıten, weil augenscheinlich die
Dämpfe nicht genügend tief in die Baue eindrangen.
10. Arnstadt. Zur Bekämpfung der Mäuseplag. D. L. Pr.
Jahrg. 31, 1904, $. 630. Verfasser hält die Mäusebekämpfung mit dem
Löffler’schen Mäusetyphus für noch nicht ganz reif, da sowohl er in
zwei Fällen, als auch Nachbarn wiederholt unbefriedigte Erfolge
erzielt haben.
11. A. St. Wühlmäuse in Spargelbeeten. Prakt. Ratgeber in
Obst- und Gartenbau, 1913, 8.135. -— Verfasser beschreibt die Ver-
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 95
tilgung der Wühlmaus durch Einblasen von Schwelfekohlenstoff in
die Gänge mit darauffolgender Explosion durch Anzünden als brauch-
bares Mittel. Auch Speckstreifen, mit Strychnin vergiftet, werden
von den Wühlmäusen angenemmen.
12. Auer, A. Zur Wühlmausbekämpfung. Il!. Flora 1915, 8. 41
—43. — Verfasser empfiehlt die Verwendung von Fallen.
13. Aumüller. Die Feldmäusebekämpfung. Amtsbl. Landw.
K. Wiesbaden No. 93, 1911, p.2. — Aumüller will die Feldmäuse
in Töpfen, Eimern usw. fangen, die in den Boden eingegraben werden.
14. Bab6ös, V. und Busila, V. Sur une &pid&mie produite par
le bacille „typhi murium“. — Comptes rendus de la Societ& Biologique
de Paris, Bd. 69 1910 8. 583. — Übergang der Baz. auf den Menschen
ist durch Verfasser festgestellt worden.
15. Bahr, L. Über die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen
benutzten Bakterien. Zentr. Bakt. I, 1905, Bd. 39, 8. 263. — Bahr
bespricht zuerst den Loeffler’schen Bacillus, der für Feldmäuse guten
Erfolg hat, dann den Laser’schen, der ebenso wie der Loeffler’sche
wirkt, dann den Mereshkowski’schen für Zieselmäuse, schließlich den
Ratin Bacillus der 1903 von Cand. polit. G. Neumann in Aalborg
aufgefunden wurde. Er bewährt sich gut gegen Feldmäuse (Versuche
an 33 Mäusen die ın 6—12 Tagen starben). Sicher tötende Dosis
1:50. 1:100 tötet unsicher.
. 16. Baumeier, H. Bekämpfung der Feldmäuse. D. L. Pr. 1914,
No. 41, 8.313. — Verfasser gibt dem Bakterienverfahren den Vorzug
und warnt vor der Anwendung von Giften, de auch Menschen, Haus-
tiere und Wild gefährdeö werden. Nur das Schwefelkohlenstoffverfahren
dürfte Geltung behalten. Die Anwendung von Fallen ist auf großen
Ackerflächen, besonders, wenn die Feldmäuse in großer Zahl auftreten,
zu teuer und umständlich. Bezüglich des Kostenpunktes stellt sich
ebenfalls das Bakterienverfahren am billigsten.
17. Baumaier, H. Zur Warnung vor dem Gebrauch von Gift-
präparaten bei der Ratten- und Mäusebekämpfung. Land. Wochenschr.
Prov. Sachsen 1915, S. 336. — Verfasser warnt eindringlich vor Gebrauch
von Giftpräparaten und fühıt zahlreiche Fälle auf, wo durch Phosphor-
präparate Haustiere eingegangen sind. Ebenso ist auch der Wild-
bestand stark gefährdet. Phosphor isö noch gefährlicher als Strychnin.
Verfasser empifehlt Mäusetyphusbacillen.
18. Baumeier, H. Versuche mit Sokialkuchen zur Ratten- und
Mäusebekämpfung. Mitt. Landwk. Sachsen-Gotha 1920, No.T, 8.55
—56. — Verfasser hat nur negative Resultate erzielen können.
19. Baunacke, W. Wühlmausbekämpfung. Mitt. D. L. G.
1919, No. 43, 8. 5ol. — Verfasser zählt die verschiedenen Möusearien
auf. Er empfiehlt ein vorheriges Walzen der befallenen Felder vor
Anwendung der Bekämpfungsmitsel, damit Zeit und Geld gespart
wird und verweist schließlich auf die Flugblätter des K uiser-Wilhelm-
Institutes, Bromberg.
20. Behrens, Mäusebekämpfung durch Phosphor. Hann. Land-
u. Forsi-Ztg. 1915, p. 304305.
9. Heft
96 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
21. Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft,
Dahlem. Bericht über die vom Kais. Gesundheitsamt und der Kais.
biol. Anstalt für Land- und Forstwirtschaft ausgeführten ver-
gleichenden Versuche zur Bekämpfung der Feldmäuse. Mitt. D. L. G.
1914, 8. 427—431, 449 —452, 462-—465. Ref. in Fühl. L. Ztg. 1915,
Heft 9/10, 8.242 unter: Gegen die Feldmausplage. Versuche mit
Mäusetyphusbazillen lieferten überfriedigende Ergebnisse. Es konnte
auf den Äckern keine verheerende Mäuseseuche hervorgerufen werden.
— Gifte hatten guten Erfolg. Gasförmige Gifte (Schwefelkohlenstoff
und schweflige Säure) sind für die Anwendung im landwirtschaftlichen
Betriebe am besten geeignet und festen Giften (Strychningetreide
und Phosphorlatwerge) entschieden vorzuziehen, da sie ohne Gefährdung
von Menschen und Vieh verwandt werden können. Außerdem erlischt
die Wirkung der gasförmigen Mittel bald, während die festen Gifte
noch wochenlang ıhre Giftigkeit behalten und Haustiere und Wild
dadurch noch lange bedrohen. Ferner beanspruchen die gasförmigen
Gifte diegeringsten Kosten. Schwefelkohlensotff w.rd mittels besonderer
Kannen in die Baue gegossen, schweflige Säure wird durch Verbrennen
eines Gemisches von Schwefel, Sägespänen und Kohlestücken in be-
sonderen Räucherapparaten erzeugt und in die Mäuselöcher geblasen.
22. Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirt-
schaft, Mitteilung der, Heft 18, Berlin 1920. Bericht über die Tätigkeit
ER. im Jahre 1919 p. 74-—82. — Der erste Abschnitt behandelt
den Stand der Mäuseplage in Deutschland im Jahre 1919, der zweite
Versuche mit Ersatzstoffen zur Bereitung von Lockspeisen für Ratten
und Mäuse. Als Lockmittel sollten hauptsächlich solche Stoffe in
Anwendung kommen, die zur Ernährung für Menschen und Tiere
so gut wie garnicht in Betracht kommen, wie: Rohmelasse, Fischmehl,
Rapskuchenmehl und Leimkuchenmehl. Die Mittel einzeln führten
zu keinem Erfolge, dagegen bewährte sich eine Mischung von 150 Teilen
Rapskuchenmehl, 50 Teilen Fischmehl und 100 Teilen Wasser. Dieser
Köder wurde trotz Vorhandenseins von Weizenkörnern restlos verzehıt.
— Auch Zusatz von geriebenen frischen Mohrrüben bewähıte sich;
gleiche Teile Mohrrüben und Futtermehl wurden zu Kuchen zusammen-
gepreßt und getrocknet. — Ersatz des Futtermehles durch Holz-
sägemehl hatte keinen Erfolg, sbenso war Zusatz von Anis-, Fenchel-,
Kümmel- und Thymianöl zwecklos. Danach eignet sich Rohmelasse
nur zur Herstellung von Phosphorsirup, Fischmehl sowie Lein- und
Rapskuchenmehl zur Herstellung von Lockspeisen für Ratten und
Mäuse. — Der 3. Abschnitt behandelt Prüfung von Bekämpfungs-
mitteln. Sokialkuchen erwies sich bei Käfigversuchen brauchbar.
Feldversuche stehen noch aus.
23. Boas, J. Forsög med den Loefflerske Bacil. Tidskr. for
Skovvaesen, Bd. IV.
24. Böttcher, 0. Vertilgung der Feldmäuse durch den Löffler’schen
Mäusebazillus. Il. Land. Ztg. 1903, Bd.23, 8.218. — Verfasser
empfiehlt die Anwendung des Mäusetyphus und erinnert daran, be-
sonders auf Kleefelder, Brachen, Grasränder und Wiesen als den
Zur Bekämpfung der Peldınäuse, 97
Ausgangspunkt der Mäuseplagen zu achten und gibt zum Schlusse
Vorschriften über Anwendung des Bazillus.
Bolle, 3. Bericht über dıe Tätigkeit der landw. chem. Versuchs-
station Görz 1912. Zeitschr. landw. Vers. Österreich, Bd. 16, 1913,
S. 28. — Verfasser empfiehlt Pillen aus Maismehl, das 1% Zinkphosphor
zugesetzt ist.
26. Bongardt. Zur Mäuseplage in diesem Herbst. Ill. Landw.
Ztg. 34, 1914, 690.
27. Boyer. The war against fieldmice in France. Sei. Amer.
Jhrg. 109, 1913, 5. 114—118, 5 Abb. — Beschreibung der gegenüber
Arvicola agrestis und Mus sylvaticus in Frankreich angewandten
Vertilgungsmittel.
28. Brooks. Notes on the habits of mice, moles and shrews.
Bull. No. 113 Versuchsstation f. Westvirginia 1908, 8. 89. — Brooks
führt die Feldmausarten, die in Westvirginia heimisch sind, auf.
Über Microtus pinetorum und pennsylvanıcus werden ausführliche
biologische Angaben gemacht, gestützt auf Lantz „An economic
Study of Field Mice.‘“
29. Broz, €. Feldmäuseplage und ihre Bekämpfung. Wien.
Landw. Zig. 1911, 8. 1005—1007. — Eine Zusammenstellung der
gegen Feldmäuse zur Verfügung stehenden Bekämpfungsmittel.
30. Brünning, 3. Fr. Aus dem Nachlasse von Fr. J. Brünning.
Jahrb. Ver. Nat. Unterweser 1898, S. 12—17. Mäuseschaden.
31. Brugiöre,.P. L. Feldmäusebekämpfung mit Danysz-Kulturen
in der Gironde. La vie agricole et rurale. 3. Jhrg., No. 26, S. 724.
— Verfasser berichtet von der Feldmäusebekömpfung mittels Danysz-
Kulturen. Als Lockspeise wurde gequetschter Hafer verwandt. Die
Kosten beliefen sich auf 500 Mk. bei 93 ha Weinberg und 67 ha Wiesen.
Der Erfolg war glänzend. Nach 10 Tagen wurden Nester aufgegraben
und bis zu 11 tote Mäuse darin gefunden.
32. Brunner, F. Zur Frage der praktischen Verwendbarkeit
der Mäusetyphusbazillen, insbesondere des Löffler’schen Bazillus
typhi murium. Zentr. f. Bakt. I, 1898, Bd. 23, S. 68. — Nur zusammen-
hängende Bekämpfungsversuche im Großen haben Wert. Sicheres
Mitiel bei richtiger Anwendung.
33. Bugge. Bekämpfung der Feldmäuse. Iandw. Wochenbl.
{. Schlesw. Holstein 1911 8. 835—838. — Empfiehlö die Anwendung
des Löffler’schen Mäusetyphusbazillus.
34, Bussen. Verkannte Freunde des Landwirts. 2. Schl. 1904, .
S. 872-874, — Hinweis auf die Nü‘zlichkeit von Fledeimaus, Eulen,
Spitzmaus, Maulwurf und Wiesel.
35. Camek, J. Über die Virulenz pathogener Keime im Dünger.
zentr. f. Bakt. I, 1919, Bd. 82, S. 472. — Virulenz 2 Monate lang.
Duich Aufbewahrung im Dünger erhöht.
36. Carrer, 6. Un nuovo metodo di lotta e.ntro le arvicole.
Vicenza (G, Galla) 1965. — Carrer empfiehlt das Bespritzen der auf
dem mis Mäusen durchsetzten Felde stehenden Klee- cder
Luzernepflanzen mit 1% Lösung von Kaliumarsenik. ° Weder
Archiv ftir Naturgeschichte 7 9. Heft
1923. A. 9. ae
98 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
Pflanzen noch Tiere oder Menschen werden duch dies Verfahren
gefährdet.
37. Cassez, E. Resultats des premiers traitements contre les
campagnul- dans la Haute-Marne. — Jcurn. d’agr. pratique 1904,
IJhrg. 68, Bd.2, 5.481. Sehr gute Erfolge mit dem Virus Danysz.
38. Cavazza, D. Ta lotia contıo le arvicole nel Bolognese. Jhg. 7
der Annali, Jhg. der Reggnaglı 1899/1900.
39. Chmielewski, Z. Feldmöuse im Jahre 1910/11. Lwow 1911.
— De: im Jahre 1911 in Galizien durch Feldmäuse im Wintergetreide
verursach.e Schaden belief sich auf 25 Millionen Kronen, die Schäden
im Klee beliefen sich auf 23 Millionen, in Kartoff.ln, Streh usw. auf
2 Millionen Kronen. Schmilzt der Schnee bei gefrorenem Boden, so
dringt dasWasser in die Löcher und tötet die Mäuse, bei nicht gefrorenem
Boden schadelt es den Mäusen nichts. Strychninhafer und Phosphor-
pillen wirkten sehr gut, Strychninweizen wegen schlechter Herstellung
wenig. Empfohlen wird, die Pferde bis in den Herbst auf Kleefeldern
zu weiden. Erforderlich Kontrolle der Giftmittel, Entschädigung für
schlecht erzeugte und schlecht wirkende Mittel, Gründung einer
Landesfabrik für derartige Präparate.
40. Clarke, A. Fumigation with bisulphide of carbon. v„ourn.
of the New Zealand Departm. of Aar. 1912, Bd. 4. — Günstige Erfolge
mit Schwefelkohlenstoft.
4]. Criddle, A. [Für die Landwirtschaft schädliche Nagetiere. ]
Canada Agr. Gaz. of Canada 2, 1915, 8. 110—114.
42. Cugini, A. und Manicardi, E. Le inierioni ipodermiche di
Bacillus typh. murium nelle eulture del Danysz o del Löffler come
merzo di lotta contro le arvicole. Le Stationi esperimentali agrarie
italiane, 1904, Jhg. 37, S.4—1.3 — Verfasser bringen die Seuchen-
erreger nicht in den Magen, sondern in die Blutbahnen einer kleinen
Anzahl lebender Mäuse und sehen diese dann wieder in Freiheit.
Dadurch wird das rasche Erscheinen der Seuche gefördert. Die Weiter-
verbreitung der Seuche erfolgt durch Anfressen der verendeten Mäuse.
Die Kosten dieses Verfahrens sind bei weitem am billigsten gegenüber
Bazillen-Brotwürfelverfahren und Arsenvergiftung.
43. Cugini, A. und Manicardi, E. Per la invasione delle arvicole
nel Basso Modenese. Modena (Bassi e Debri) 1904, 8. 29.
44. Czadek. Briests Mäusetabletten, Wiener landw. Ztg., No. 62,
1905.
45. Danckelmann. Versuche zur Vertilgung von Mäusen. Mitt.
D. L. G. 1898, Heft 8, S. 107. — Versuche zur Vertilgung von Mäusen
mit dem Löffler’schen Bazillus ergaben folgende Ergebnisse: 1. Durch-
schlagende Erfolge in Ställen und Scheunen bei Vernichtung von
Arv. arvalis, glareolus, agrestis, Mus silwaticus, musculus. 2. Gleiche
Erfolge auf Feldern bei gleichzeitig und einheitlich durchgeführter
Bekämpfung. 3. Anwendung wegen völliger Unschädlichkeit für
Haustiere in Fruchtspeichern, Ställen und Scheunen geboten. Auf
Feldern Anwendung von Strychninhafer, Phosphorbrei und anderen
Giften vorzuziehen. |
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 99
46. Danysz, J. Some reflections regarding the free use of bacterio-
logical cultures for the destruction ofrats and mice. Brist. Med. Journ.
1909, Jan., p.209. — Unschädlichkeit des Mäusebazillus für den
Menschen.
47. Decoppet. Quelques observations sur les degäts causes aux
eultures forestieres par le campagnol agreste et Je campagnolroussatre.
Journ. for. Suisse, Jahrg. 56, S. 202—205.
48. D. K. Bekämpfung der Wühlmaus und anderer Höhlen-
bewohner mit Schwefelwasserstoffpatronen. Zeitschr. Obst- u. Garten-
bau, Dresden 1914, S. 136, 137. — Verfasser lobt die Cito-Mors Pa-
tronen der Firma Hinsberg in Nackenheim.
49. Donon, D. Essai de destruction des campagnols dans le
Loiret. — Journ. agr. pratique 1913, Jhg. 77, 2. Sem., 8. 662-663.
— Gute Erfolge mit von Christmas zubereitetem Virus gegen Feld-
mäuse in Verbindung mit gequetschtem Getreide.
50. E. Über die Vertilgung von Ratten und Mäusen. — D. L.
Pr. 1905, 8.667. Mus decumanus, M. musculus, Arvicola agrestis,
A. arvalıs, A. glareolus gingen bei der Verfütterung mit „Ratin“
schnell zu Grunde. M. agrarius ist immun, M. sylvaticus sehr wenig
empfindlich gegen das Mittel. 1 Tag alte Milchkälber starben nach
dem Genuß von ‚„Ratin“ nach 3—5 Tagen unter Durchfalls- und
Mattigkeitserscheinungen. .
5l. E. €. Wie sind die sogenannten Wühl-, Scharr- oder Moll-
mäuse zu fangen oder zu vertreiben? W.L. B. 94 Jhg. 1904, S. 811,
812. — Empfehlung der Zürnerschen Falle, die gut verdeckt aufgestellt
werden muß.
52. Eckstein, K. Zur genaueren Kenntnis der Arvicoliden. Nat.
Ztschr. Land- u. Forstwirtsch. 2. Jhg., 1904, 8. 831—88. — Verfasser
berichtet über das Vorkommen der verschiedenen Mäusearten und
ihre Unterscheidung auf Grund der Schädel- und Zahnbildung.
53. Eckstein, K. Ungewöhnlich starke Vermehrung der Feld-
mäuse und Abwehr derselben. Ill. Landw. Ztg. 1917, S. 535. — Bei dem
Mangel an Mehl, Brot, Hafer usw. während der Kriegszeit empfiehlt
Verfasser, wiederum auf die Mäusejagd zu gehen; man gieße Wasser
in die Löcher, die Mäuse kommen heraus und können erschlagen
werden. Eingemietete Feldfrüchte werden am besten durch Fang-
gräben geschützt.
54. Eisniger. Wie schütze ich meine Runkelrübenmieten gegen
Mäusefraß? Amtsbl. Landw. Kammer Wiesbaden 1910, 8. 331. —
Durch eine auf der Spitze der Miete eingesetzte und leicht selbst
anzufertigende Einfüllvorrichtung ist alle 10—12 Tage Schwefel-
kohlenstoff nachzugießen. Die Verrichtung besteht aus durchlochten
Wagenfettbüchsen mit angesetztem Blechrohr.
55. F. Bekämpfung der Mäuseplage. Landw. Ztschr. f. Ober-
Österreich 1915, $. 11, 12. — Empfiehlt Mäusepatronen (Schwefel-
wasserstoffpatronen) der Firma ‚Forhin“, Fabriksaktiengesellschaft
in Budapest, VI., Vaci ut 9.
7 9. Heft
100 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
56. Fleischhanderl, Fr. Mitteilungen über einige Krankheits-
fälle, hervorgerufen durch Mäusetyphusbazillen. Münch. med. Wochen-
schrift 1909, 8.392. — Durch Mäusetyphus waren sechs Fälle von
Erkrankung hervorgerufen (Leibschmerzen, Erbrechen, Durchfall,
Fieber, Schwindel). Verfasser mahnt zur Vorsicht bei Handhabung
der Bazillen. |
57. Flöricke, K. Mäuseplagen. Kosmos 1918, 116—121, 4 Abb.
58. Fuchs, 6. Nagerschaden in den Karawanken im Jahre 1905.
Nat. Zeitschr. Land- u. Forstwirtschaft, Jhg. 4, S. 204—214.
59. Fulmek, L. Zur Wühlmausbekämpfung. Wiener Landw.
Ztg. 1910, S. 304.. — Verfasser bespricht die durch die Wühlmaus
und Feldmaus angerichteten Schäden. Der Gebrauch der Fallen
wird an Hand von Abbildungen eingehend erörtert. Er geht dann
auf die Giftmittel ein: Strychningetreide, Phosphor, Arsenik, Baryum-
Karbonat, erwähnt kurz die Mäusetyphusbazillen und kommt
schließlich auf den Schwefelkohlenstoff. Zum Schluß empfiehlt er
Drahtnetze, die bis zur halben Höhe in den Boden eingelassen werden.
60. Gaul. Mäuseplage. D. L. Pr. 1911, No. 33, 8. 394. — Ver-
fasser berichtet, daß die Anwendung von Mäusetyphus im zeitigen
Frühjahr gute, im Herbst dagegen ungenügende Erfolge gehabt hat.
Sehr gute Resultate wurden mit Phosphorlatwerge erzielt, die nach
der Strohhalmmethode ausgelegt wurde. Hinweis zum Schluß auf
Hohenheimer Falle.
61. Gentil, M. Destruction des petits rongeurs des champs.
Journ. d’agr. pratique, 69. Jhg. 1905, Bd.1, 8.42. -— Vorschlag
zum Erlaß eines Gesetzes, durch das der Kreisvorsteher berechtigt
wird, Mittel'zur Mäusevernichtung vorzuschreiben und zu gegebener
Zeit aus den Besitzern Kolonnen zur Bekämpfung zu bilden. Die
Kosten soll die gesamte Gemeinde tragen, die Provinzialverwaltungen
aber auch Beiträge in festgesetzter Höhe zusteuern.
62. Geschwind. Samenbeize zum Schutze des. Schwarzkiefer-
samens gegen Verzehren durch Mäuse. Östeır. Forst- u. Jagdzeitung
36, 1918, 40.
63. Gesundheitsamt der Landwirtschaftskammer für
die Provinz Pommern. Über die Bekämpfung der Mäuse. Land.
Wochenschr. f. Pommern 1914, S. 387, 388. — Empfohlen: Anwendung
des Löffler’schen Bazillus im Winter zur Bekämpfung im Großen.
Verwendung von Phosphorlatwerge zur Bekämpfung im Kleinen.
Anführung der Vorsichtsmaßregeln, um. Vergiftungen zu vermeiden,
und verschiedene Gegengifte bei Phosphorvergiftung. h
64. Gillin, P., Une invasion de Campagnols dans le puy-de-Dome.
Ann. Stat. limnol.. Besse 1, 1910, 8. 318—333. -
65. Gisevius. Die Mäusevertilgung unter Mitwirkung der Kreise
und Gemeinden. Ill. landw. Ztg. 1911, 8. 363. — Trotz einer ganzen
Reihe gut wirkender Mäusebekämpfungsmittel treten doch immer
wieder Mäuseplagen auf, weil die Bekämpfung nicht einheitlich durch-
geführt wird. Deshalb sind Verordnungen wie in Hessen eıfordenlich,
die für eine einheitliche Bekämpfung der Mäuse Sorge tragen.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 101
66. Gordan, P. Über Mäusevertilgungsversuche mit dem Löffler-
schen Mäusetyphusbazillus und mit barıumkarbonathaltigem Brot.
Pr. B. Pf. 2. Jahrg. 1904, S. 61—66. — Verfasser hat auf einem Gute
Graboro bei B:omberg Feldmäuse mit Mäusetyphus und barium-
karbonathaltigem Kuchen bekämpft, und vollen Erfolg gehabt. Zur
Anwendung kamen Magermilchkulturen und Bariumbrot aus München.
Er berechnet die Kosten für 140 Morgen wie folgt: Magermilchkultur
39,80 Mk., Agarkultur 98,— Mk., Barytbrot 20,— Mk. Er gibt jedoch
dem Löffler’schen Bazillus den Vorzug, weil durch Selbstinfektion
die Krankheit weiter verbreitet werden kann.
67. Gordan, P. Über die Beeinflussung der Virulenz der Mäuse-
typhuskulturen bei Zusatz von Traubenzucker. — C. P. Abt. II
21. Jhg. 1908 8.380—81. Durch Zusatz von 2%, Traubenzucker
zu neutraler Mäusetyphusbouillon wurde die Virulenz dieser Bazillen
nicht beeinflußt.
68. Grimm, M. Vertilgung der Feldmäuse. Wien. landw. Ztg.
1899, 8. 721. — Verfasser empfiehlt die Verwendung von Sacharin-
Strychninhafer.
69. Derselbe. Selbständigkeit der Bazillus Danysch. Seripta
bot. Horti Univ. Imp. Petropolitanae, 1898, Heft 15, 8. 47-55. —
Verfasser untersuchte der Bazillus Danysch auf seine Selbständigkeit
hin. Die einschlägigen vergleichenden Kulturversuche mit dem
B. Danysch, B. typhi murium Löffl., B, murieida Laser und B.
Mereshkowsky lehıten, daß ersterer ein spezifischer selbständiger
Bazillus ist, welcher stark an B. typhi murium erinnert, eine aus-
gesprochene Bewegungsfähigkeit besitzt, in Anifarbstoffen sich leicht
färbt, nach Gram’s Methode sich entfärbt und Geißeln an der Peripherie
des ganzen Pazillenkörpers besitzen kann. Sporen konnten nicht
nachgewiesen werden. Die unterscheidenden Merkmale werden
tabellarisch angeführt. Mit ihrer Hilfe stellt Grimm nachfolgende
Bestimmungstafeln auf:
I. Nach Gram’scher Methode wird gefärbt Bacillus muricida Laser
Il. Nach Gram’scher Methode nicht gefärbt
1. Auf Gelatineplatten ovale Kolonien B. Danysch
2. Auf Gelatineplatten kreisrunde Kolonien
3) Die auf der Oberfläche einer Fleischbrühekultur gebildete
Rahmhaut zerfällt beim Rütteln in Stücke
B. Mereshkowsky
b) Die Kahmhaut fällt beim Rütteln zu Boden ohne zu
zerreißen B. typhi murium
(Ref. in Zentr. f. Bakt.). |
‚70. Guerand de Laharpe, S. Le N des champs. Ex-
periences de destruction au moyen du Virus Danysz. Journ. d’agr.
pratique, 68. Jhg. 1904, Bd.1, $.278—280. — Die französischen
Departements Charente, Charente inferieure, Deux-Levres, Marne,
Haute Marne, Jura, Eure et Loir habe sehr stark unter der Mäuse-
plage zu leiden gehabt. Bis zu 20000 Mäuse auf den Hektar. Gegen-
9. Heft
102 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
mittel: Bazillus Danysch (Kochsalzauflösung und getrocknete Brot-
würfel). Die Art der Ausführung wird sehr eingehend beschrieben.
72. Del Guereio, G. Feldmausbekämpfung. N. R. 1. Reihe, 1900,
S. 109—123. Verfasser stellt Versuche an betreff der Wirksamkeit und
relativen Billigkeit mit Schwefelkohlenstoff, Virus Danysch und einigen
arsenhaltigen Giften. — Eine 3prozentige Kaliumarseniklösung tötete
die Feldmäuse innerhalb 5 Stunden, Arsenik wirkte langsamer aber
immer noch rascher als Kaliumarsenat und Ätzsublimat unter gleichen
Verhältnissen. Kupferacetat erwies sich als vollkommen unbrauchbar.
Schweflige Säure und Schwefelkohlenstoff sind sehr brauchbare
Mittel, auch Tabaksrauch und Acetylengas zählen hierzu, nur wirken
sie nicht so plötzlich wie jene. Feldversuche mit Bacillus Danysch
blieben unsicher, weil auf der Versuchswiese weder tote noch lebende
Mäuse nach 10 Tagen festgestellt werden konnten. Verfasser berechnet
die Kosten auf 3—3!/, Lire bei Vergiftung, auf 22—23 Lire, bei An-
wendung der Bazillen, auf 150 Lire bei Anwendung von Schwefel-
kohlenstoff auf den Hektar.
73. Derselbe. Sulle recenti apparizioni dei topi campagnoli
nelle provincie di Ravenna, Modena, Ferrara e Bologna, ei sul mezzi
adoperati per combatterli. Bull. du Min. de l’Agrie. 2. Jahrg., Bd. 4
1903, 8. 1513—1517. — Verfasser verwirft das Verfahren, die Feld-
mäuse durch Überschwemmen der Felder zu vernichten, weil es mehrere
Male wiederholt werden muß, und die vor dem Wasser flüchtenden
Mäuse am Rande der Felder erschlagen werden müssen. Er empfiehlt
die Vergiftung mittels einer 4—-6%, Lösung von Kaliumarsenat auf
italienischem Raygras. P
74. Derselbe. Nuovo esperienza ed indicacioni nuove, con un
cenno sui risultati degli ultimi tentativi fatti coi virus nella distruzione
delle arvicole. — Boll. Uff. d. Min. d’Agric. Ind. e Comm. Bd. 5,
Jahrg. 5, 1906, S. 3695-39.
75. Guerrapain et Demelon. Enquäte sur !’invasion des campagnols
dans l’Aisne de 1909 & 1912. Bull. mensuel de l’Off. des Renseig. agr.
du Min. del’Agrie. 11. Jahrg. 1912, S. 897—902. — Die im französischen
Departement Aisne von Aug. 1909 bis Februar 1912 bestehende starke
Mäuseplage gab Veranlassung zu einer Anzahl Untersuchungen mit
Bekämpfungsmitteln. Virus Danysch lieferte ungleiche Ergebnisse
(schlechtes Material, ungenügende Beobachtung der Vorschriften);
Natriumarsenat (auf Rübenknäuel und zerhackten Rüben) gleich-
mäßigere, aber ungenügende Ergebnisse; zerquetschter Hafer mit
Arsenik vergiftet (unter Zusatz von Mehl und Melasse) ergab gute
Erfolge. — Vor der Anendung des Schwefelkohlenstoffes sind die
Felder zu walzen, um die Löcher zu schließen und am folgenden Tage
die wieder geöffneten Löcher zu beschieken. Dies Verfahren ist zu
wiederholen, bis voller Erfolg erzielt ist.
76. H. Feldmäuseplage. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1907, 5.142. —
Verfasser spricht über die verschiedenen Methoden der‘ Mäuse-
bekämpfung in den einzelnen’ Provinzen und erwähnt zum Schluß,
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 103
daß die Anstalt (München) statt Baryumkarbonatbrot jetzt ein Präparat
in Pillenform ausgibt.
77. Derselbe. Anwendung von mit Strychnin vergiftetem Getreide
Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1908, S. 11. — Verfasser berichtet über Strychnin-
getreide und rät, zu verlangen, daß die Färbung gleichzeitig mit der
Vergiftung vorgenommen werden soll, damit man eine Kontrolle hat,
in wie weıt das Gift in das Getreide eingedrungen sei.
78. Derselbe. Anwendung von Giftweizen. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl.
1911, 8. 138. — Der zum Vergiften verwandte Weizen muß möglichst
trocken sein, damit er viel aufnehmen kann. 30 g Strychnin,
2 Röhrchen Sacharin, etwas Anilin Fuchsin und 3—3!/, Ltr. kochendes
Wasser werden gut verrührt und auf 15 Pfd. Weizen geschüttet, gut
vermischt und 24 Stunden stehen gelassen. Der Weizen ist dann
gebrauchsfertig. |
79. Derselbe. Vorsicht bei Mäusevergiftung. Pr. Bl. Pfl.-Pfl.
1911, 8.137. — Nach Mitteilung von Prof Steglich (Sächs. Landw.
Ztg. 1911, No. 36) sind durch Phosphor, der sich bei der starken Hitze
selbst entzündet hatte, Stoppelbrände verursacht worden. Es können
so bedenkliche Brände entstehen.
80. Derselbe. Feldmäusebekämpfung mit Phosphorzink. Pr.
Bl. Pfl.-Pfl. 1916, 8. 84. — Gute Erfolge mit Zinkphosphor wurden
in Österreich nach dem Bericht der K. K. landw. chem. Versuchs-
station Görz im Jahre 1904 bei der Feldmausbekämpfung erzielt.
81. Derselbe 3 Methylxanthin zur Ratten-, Mäuse- und
Wühlmäusebekämpfung. Pr. Bl. Pfl.-Pfl. 1918, 8. 142. — Verfasser
berichtet über 3 Methylxanthin der Firma Bayer, Leverkusen, das
auf Ratten, Maus- und Wühlmäuse tötlich wirken soll, für den Menschen
und größere Tiere aber unschädlich ist. Anwendung durch Aufquellen
von Körnern in 30% Lösung des Mittels oder Vermischung mit Mehl,
aus dem unter Zusatz von Fett kleine Kuchen gebacken werden.
82. Hammer, H. Löffler’scher Mäusetyphusbazillus und seine
Anwendung zur Tilgung der Mäuseplage. Verhandl. Naturf. Ver.
Brunn., Bd. 35, 1896. 8. 45—47. — Vortrag über Mäusetyphus und
seine Anwendung.
83. Harting, 3. Field Mice. Rep. Frans. Ealing nat. Sc. mier.
Soc. 1898, 21, 8. 34—49.
84. Haßler, Der Kauz als Mäusejäger auf dem Schuttboden.
D. L. Pr. XXXVIIL, 1911, S. 610. — Verfasser berichtet, daß ein Kauz,
der sich auf seinem Schuttboden angefunden hatte, diesen vollkommen
mäusefrei hielt.
85. H.B. Die Bekämpfung der Feldmausplage. Landw. Mittl.
f. Steiermark 1903, 8. 250. — Die Anwendung des Löffler’schen Mäuse-
typhusbazillus wird eingehend beschrieben. Gifte, wie Arsenik und
Strychnin, zur Mäusevertilgung sollten behördlich verboten werden.
86. Haug. Wie bekämpft man Mäuse, Hamster und Kaninchen.
Hess. landw. Ztg. 1910, No. 38, S. 88. — Haug tritt für das Räucher-
verfahren ein, macht aber irreführende Angaben über die vergleichs-
9. Heft
104 Prof. Dr. R.Schander und Dr, R. Meyer:
weise Kosten der einzelnen Bekämpfungsmittel zu Gunsten des
Räucherverfahrens. (Durch Korff und Lang nachgewiesen.)
87. Hauptstele für Pflanzenschutz, Bromberg. Zur
Bekämpfung der Feldmäuse. Anw. No.5, 1917. — Eingehende Be-
arbeitung aller Mäusebekämpfungsmittel. Hauptstelle für Pflanzen-
schutz, Landsberg a. W. Zur Bekämpfung der Feldmäuse. Anw.
No. 5, 1920. — Dässelbe Flugblatt wie vorher in neuer Bearbeitung.
88. Heller, R. Zur Mäuseplage. Wien. landw. Ztg. 61, 1911,
S.146. Ref. Zentr. f. Bakt. Bd. 33, S. 243. — In Nordwestböhmen
traten 1911 im Frühjahr Feldmäuse riesig stark auf. Von den Straßen-
gräben und Rändern der Straßen aus gehen erfahrungsgemäß zu dieser
Jahreszeit die Mäusezüge aus. Wenn die Plage schon da ist, so ist
es wohl ganz unmöglich, der Mäuse Herr zu werden. Verfasser
empfiehlt folgendes: Jeder Straßeneinräumer hat Sacharin-Strychnin-
hafer vorrätig zu haben und zwar zu den billigsten Preisen. Diese
haben sich zu kümmern um die Erzielung eines solchen Preises. Jeder
Landwirt ist verpflichtet, alle Gräben, Felder, Raine mit diesem
Mäusegift zu versehen, doch nicht erst dann, wenn die Mäuse zur Plag
geworden sind.
89. Herold. Die Vertilgung der Feldmaus. Nachtr. z. Flgbl. 14,
Abt. Pflanzenkr. Kais.-Wilh,-Inst. Bromber.. — Empfiehlt die
Benutzung von Räucherapparaten, besonders den vonHolder, Metzingen.
90. Herr. Die Bekämpfung der Feldmäuseplage. Hann. land-
u. forstw. Ztg. 1914 s. 926-—928. — In Zeiten geringen Auftretens
sollen die Mäuse schon bekämpft und ihre natürlichen Feinde geschont
werden. Empfohlen wird Phosphorlatwerge:!/, Pfd. Phosphor, 4—5 Ltr.
Wasser, 2 Pfd. Zucker und 4 Pfd. Roggenmehl. — Strohhalmmethode.
— Strychningetreide, in 1!/,zöll. Drainröhren ausgelegt, welche zu
viert in2 Reihen zu Seiten eines dünnen, in die Erde gesteckten Pfahles
ausgelegt und mit einer auf dem Pfahl zu steckenden Strohpuppe
völlig überdeckt werden, wodurch andere Tiere von dem Gift geschützt
werden.
91. Hesse. Forstschaden durch Mäusefraß. Jahresh. Ver. vater].
Naturk. Württemberg 1908 Jhg. 64, S. 86.
92. Hiltner, L. Zur Frage der Mäusevertilgung. W. L. B. 1902,
Jhg. 92, 8. 18071088. — Beschäftigt sich mit den Möglichkeiten,
welche Anlaß zu einem Versagen des Mäusetyphusbazillus geben können.
93. Hiltner, L. Bericht über die von der Agrikulturbotanischen
Anstalt durchgeführten Versuche zur Bekämpfung der Feldmäuse.
‚Pr. Bl. Pfl.-Pfl. 1903, Jhg. 1, S. 97-102. — Verfasser bespticht Be-
kämpfung von Feldmausplagen in Bayern. Angewendet wurden
Löfflersche Bazillen in Milchkultur. Strychninhafer nahmen die Mäuse
erst, nachdem sie ihn geschält haben, so das er unwirksam wird. Auch
mit Tabakextrakt getränktes Getreide wurde angewendet, jedoch
ohne Erfolg. Da behauptet"wurde, daß einzelne Personen durch
Bazillen erkrankt sein sollten, wurde zur Anwendung von Barium-
karbonat geschritten mit gutem Erfolge auch gegen Ratten. Durch
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 105
ärztliche Untersuchungen wurde jedoch festgestellt, daß die Erkran-
krankungen nicht auf Mäusetyphus zurückzuführen waren.
94. Hiltner, L. Über das Auftreten der Feldmäuse und deren
Bekämpfung. Pr. Bl. Pfl.-Pfl. 1907, 8.50. — Verfasser spricht über
Bekämpfung der Feldmäuseplage Frühjahr 1903 in Bayern. Zur
Anwendung kamen Löfflersche Bazillen und Baryumkarbonat. —
Die Bazillen wurden außer in Agarkulturen auch in Bouillon abgegeben,
was sich sehr gut bewährt hat. — Zum Schluß weist er nochmals darauf
hin, daß rechtzeitig an de Bekämpfung gedacht werden soll.
95. Hiltner, L. Über den Stand der Feldmäuseplage in Bayern
Mitte April bis Mitte November 1907. Pr. B. Pfl.-Pfl. 1908, 8. 18. —
Verfasser veröffentlicht 2 Kaıten über das Auftreten der Feldmäuse
in Bayern im Frühjahr und Hersbt 1907. Demnach hat eine große
Verbreitung von Westen nach Osten stattgefunden. Merkwürdig war,
daß die Mäuse in den einzelnen Bezirken nicht gleichmäßig stark
auftraten.
96. Hiltner, L. Über die gegenwärtige Mäuseplage in Bayern.
Pr. Bl. Pfl.-Pfl. 1910, S. 114. — Verfasser berichtet über die Mäuseplage
in Bayern 1910 und über das Fortschreiten von Westen nach Osten.
— Er wendet sich gegen die Räucherverfahren, die er im großen nicht
für anwendbar hält. An Hand statistischen Materials wırd mitgeteilt,
daß sowohl der Loeffler’sche Mäusetyphusbazillus, als auch Gift-
getreide und Baryumbrot recht gut wirken. Bessere und billigere
Mittel stehen vor der Hand nicht zur Verfügung.
97. Hiltner. Verwendung von Walzen. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1911,
S.69. — Als Schutz gegen die Mäuseplage hat man in Hannover
mit gutem Erfolge die Kleefelder mit 350 Ztr. schweren Straßenwalzen
gewalzt und überraschend gute Erfolge damit gezeitigt, da die Mäuse
alle erstickt waren. Dieses Mittel empfiehlt sich auch deshalb besonders,
weil der durch Mäusegänge in seinen Wurzeln gelockerte Klee wieder
gefestigt und so gegen das Auswintern geschützt wird.
98. Hiltner. Über einen neuen Apparat zur Verteilung des
Schwefelkohlenstoffes. Prakt. Bl. Pf}J.-Pfl. 1912, Jhg. 10, S. 66. —
Eine Beschreibung des Schädlingsvertilgers, hergestellt von der Firma
„Fabrik explosionssicherer Gefäße, Salzkotten ı. W.“
99. Hiltner. Über die Verbreitung und die Bekämpfung der
Feldmäuse in Bayern in den Jahren 1902-1913. Landw. Jahrb.
f. Bayern 1914, No.5. — Eine zusammenfassende Darstellung mit
4 Abb. und 20 Karten, in der die verschiedenen Bekämpfungsverfahren
eingehend behandelt werden.
100. Hiltner. Zur Frage der Feldmäusebekämpfung. Prakt.
Bl. Pfl.-Pfl. 1915, S. 6--10. — Die in Bayern zur Bekämpfung der
Feldmäuse angewandten Mittel werden abgehandelt und die günstige
Wirkung des Schwefelkohlenstoffes wegen des Preises jedoch nur als
vorbeugendes Mittel anerkannt. Das Schwefelräucherverfahren wird
als unzuverlässig bezeichnet, Mäusetyphus und direkte Giftmittel
sind vorzuziehen. Mäusetyphus wirkt im Winter und zeitigen Frühjahr,
9. Heft
106 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
Giftmittel können bei Anwendung von Legeröhren ohne Gefahr
angewandt werden. Beide Verfahren zusammen bewähren sich am besten.
101. Hiltner. Über das bevorstehende Auftreten einer neuen
Feldmausplage im rechtsrheinischen Bayern. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl.
1915, 5. 124. — Verfasser empfiehlt während des Krieges ein Giftmehl,
das nach der sogenannten Strohhalmmethode verwandt wird. Ebenso
können auch Mäusebazillen verwandt werden.
102. Hiltner. Über eine neue, auffallende Tatsache bezügl. der
Gesetzmäßigkeit beim Fortschreiten der Feldmäuseplage in Süd-
deutschland. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1916, S. 137. — Verfasser spricht
über die auffallende Tatsache, daß sich die Zwischenzeit zwischen
dem Auftreten der Feldmäuse in der Pfalz und in den westlichen
Gebieten des rechtsrheinischen Bayerns ganz regelmäßig bei jeder
Plage um !/, Jahr vermindert.
103. Hiltner u. Korff. Über den Stand der Mäuseplage in Bayern.
Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1911, S.121. — Fortschreiten der Mäuseplage in
Bayern von Westen nach Osten.
104. Dieselben. Bekämpfung der Feldmausplage. Flugbl.
No. 11. Der Agr.-bot. Anstalt München. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1911,
S. 128—133. — Verfasser empfiehlt 1. vor allem die Anwendung von
Schwefelkohlenstoff, bespricht dann 2. das Ausräuchern mit giftigen
Gasen (schwefliger Säure), über das ein abschließendes Urteil nicht
vorliegt, — 3. die Errichtung ständiger Futterplätze mit ausgelegtem
Gift und das Ziehen von Fanggräben mit fußtiefen Fanglöchern. Bei
größeren Mäuseplagen ist ein gemeinsames Vorgehen erforderlich;
als Mittel kommen in Betracht: 1. Strychningetreide, Phosphorpillen,
Phosphorbrei, Bariumkarbonat. Verfasser empfiehlt dieses sehr,
da es schnell und in kleinen Mengen wirkt, warnt vor dem Gebrauch
der anderen Mittel, da auch die natürlichen Feinde mitvergiftet werden.
2. Mäusetyphusbazillen. Er lobt den guten Erfolg, besonders in
Verbindung mit einem Giftmittel; zum Schluß behandelt er noch
das Überfahren der Kleeschläge mit schweren Straßenwalzen, das
die Mäuse durch Erdrücken tötet, dem Klee aber nicht schadet, sondern
ihm einen Schutz gegen das Auswintern verleiht, da die Gänge und
Baue geschlossen und die Kleewurzeln gefestigt werden.
105. Hoc, P. Consideration sur la pratique et le valeur des
procedes de destruction des campagnoles. Prog. agr. vit. 1912. Jhg. 33,
S.439. — Verfasser berichtet über Mißerfolge mit Typhusbazillen
. und gibt als Grund an: Regenwetter, Einwirkung von Licht auf den
Virus, unsaubere Handhabung, Veränderlichkeit der Typhusbazillen.
Erfolge mit Giftmitteln waren größer. Natriumarsenat in Verbindung
mit Rübensamen und Arsenik auf zerhackten Rüben sind zu verwerfen.
Am besten eignet sich gequetschtes Getreide, Mischung: 12 kg Arsenik,
12 kg Mehl, 5 kg Melasse, 100 kg Getreide. Einpressen von schwefliger
Säure erwies sich als unbrauchbar, Schwefelkohlenstoff bewährt sich
gut, ist aber am teuersten. Empfohlen wird schließlich: 1. Anwendung
des Mäusebazillus in kontrollierten Kulturen. 2. Vergiftung mit
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 107
Arsenikgetreide sofern nach 9 Tagen nicht genügender Erfolg vorhanden
ist. 3. Vierzehn Tage später: Schwefelkohlenstoff.
106. Hoffmann. Über die Mäuseplage und Vorschläge zu deren
Bekämpfung. Bericht über 17. Vers. d. Forstv. f. d. Großh. Hessen
zu Jugendheim am 15./17. September 1910. Waldmistelbach 1912,
S. 73—74. — Der Forstmann soll mit dem Landmann zusammengehen,
also ein allgemeines Vorgehen gegen die Mäuse. Anstellung von Ver-
giftern (Auslegen der Typhusbazillenbrocken) ist zu empfehlen.
107. Hotter, EE Die Bekämpfung der Wühl- und Feldmaus.
Landw. Mitt. f. d. Steiermark 1904 No. 16. — Barytpillen aus 25 g
kohlensaurem Baryt, 100g Maismehl, 50 g Weizenmehl und 70—80 g
Wasser werden empfohlen. Hiervon lassen sich 600 Pillen bereiten,
die mit der darin enthaltenen Dosis unschädlich sind.
108. H.W. Zur Mäusevertilgung. D. L. Pr. 1918, S. 613.
109. Johne. Zur Anwendung des Löffler’schen Mäusetyphus-
bazillus im Winter und bei naßkalter Witterung. D. L. Pr. XXX,
1903, S. 840. — Verfasser empfiehlt den Mäusetyphus bei Schnee
nur in der Nähe sogenannter Familienbaue auszulegen, die Brotstücke
gut einzudecken und an Stelle der Kochsalzlösung Magermilch an-
zuwenden.
110. Johne. Zur Anwendung des Löffler’schen Mäusetyphus-
bazillus im Kampfe gegen die Feldmäuse. D. L. Pr. 31. Jahrg. 1904,
8.211. — Beste Anwendung im Frühjahr. Auflösung der Kalten
in Magermilch, die ’/, Stunde lang vorher gekocht worden ist, besser
als Aufschwemmung in Kochsalzflüssiekeit.
111. Karrig. Die Mäusefeinde unter den deutschen Vögeln.
Ill. L. Ztg. 1914, No. 44. — Verfesser spriekt über die Nützlichkeit
vieler Raubtögel bei der Mäusebekämpfung. Obenan ss_ht der Mäuse-
bussard, feıner der Wespen- und Rauhfußbussard. Von Falken komm‘
de: Mäuse- oder Tuımfalke in Betracht. Die Hauptfeinde der Mäuse
sind die Eulen. Er empfiehlt die Vermehrung gesicherter Nist-
gelegenheiten für diese Vögel, da auch sie in ihrer Art zum Schutze
des heimatlichen Bodens beitragen.
112. Kaven, 6. Bekämpfung der Wühlmaus und anderer Höhlen-
bewohner mit Schwefelwasserstoffpatronen. Ill. Schl. Monatsschr.
f. d. Obst-, Gemüse- und Gartenbau 1918, Heft 11, 8. 86-87. —
Die Bekämpfung von Wühl- und Feldmäusen, sowie Kaninchen mit
Schwefelwasserstoffpatronen wird besprochen (Cito-Mors- Verfahren)
und zwar beruht die Wirkung dieses Verfahrens auf der Verbrennung
des Luftsauerstoffes, der Bildung von Kohlendioxyd, Kohlenoxyd
und Stiekoxyd und der Abgabe von Schwefelwasserstoff aus der er-
kalteten Asche, durch Aufnahme von Wasser aus der Luft und dem
umgebenden Erdreich.
113. Killer, J. Zur Bekämpfung der Mäuseplage. Landw. Ztschr.
f. Elsaß-Lothr. 1913, S. 230. — Da die Anwendung chemischer Gifte
zur Mäusevertilgung nur beschränkten Wert hat, empfiehlt sich als
am wirksamsten und billigsten das Mäusetyphusverfahren, dessen
9. Heft
108 Prof. Dr. R. Schander und Dr, R. Meyer:
Kulturen auf den Feldern mittels Brotstückchen oder ungeschältem
Hafer auszulegen sind.
114. Kinzel. Terpentinöl zu Saatgetreide gegen Mäusefraß.
Ill. Landw. Ztg. 1903 Jahrg. 23, S. 755. -— Nach Angabe des Verfassers
liegen Erfahrungen über das Beizen des Saatgetreides mit Terpentinöl
nicht vor. Nach den Angaben eines Landwirtes kommt 1 Ltr. auf
10 Ztr. Getreide. Nach Versuchen in der Agrikult. bot. Anstalt Mürchen
schädigt ein Mehrmaß von Terpentinöl des Getreides dadurch, daß
die Körner bis zu 20% keimunföhig gemacht werden, und die erzielten
Keime ersichtlich krank sind. Schon bei obiger Mischung wird die
Keimkraft des Getreides verzögert.
115. Kirchner, E. Die Bedeutung des Wiesels für den Landwiıt.
Il. landw. Ztg. 1917, 8.40. — Verfasser spricht über den Wert des
großen und kleinen Wiesels als Mäusevertilger und empfiehlt Schonung
der Tiere.
116. Kirchner, 0. Die Bekämpfung der Feldmäuse. 8. Flugbl.
d. K. W. Anstalt f. Pflanzenschutz, Hohenheim. — Verfasser bespricht
Anwendung von Mäusetyphus und Schwefelkohlenstoff.
117. Klunzinger, €. Über unsere Ratten und Mäuse, deren
Schaden und Bekämpfung. Jahresh. Ver. vat. Naturk. Württemberg
1908, Jahrg. 64, S. 31—38. — Verfasser verbreitet sich über die ver-
schiedenen Mäusearten, vor allem über ihre Biologie und kommt
dann auf die Bekämpfungsmittel. Für Feldmäuse empfiehlt er 1. Schutz
der natürlichen Feinde. 2. Fangen mittels Fallen, 3. Fanglöcher,
4. Räuchermittel (nicht besonders empfehlenswert, da die Mäuse
in Nachbarfelder einwandern), 5. Gifte, wie Phosphor in Pillen oder
als Brei. Andere Mittel sind unzuverlässig. 6. Mäusetyphus, der sich
am besten bewährt. Zum Schluß geht er auf die Bekämpfungsmittel
für Ratten ein, |
118. Knauer. Erfolgreiche Anwendung des Löffler’schen Mäuse-
typhusbazillus. Z. d. Landw. K. f. d. Prov. Schlesien 1910, $, 148.
— Bericht über einen gründlichen Erfolg des Infektionsverfahrens
gegen Mäuse im Kleefeld (Mitte Oktober). Die Bakterien wurden
in Magermilch an gut getrockneten Hafer gebracht. Die Bekämpfung
stellte sich billiger, als wenn Strychninhafer verwendet worden wäre.
119. Kölmel-Mühlhausen. Die Mäuseplage und ihre Bekämpfung
im Kreise Mühlhausen während des Jahres 1912. Landw. Ztschr.
f. Elsaß-Lothr. 1913, $S. 110—112. — 58 Gemeinden waren mehr oder
weniger stark heimgesucht. Bei der Bekämpfung hat sich Arsenik
. als Notbehelf während der Saatzeit bewährt. Mäusetyphus ergab
in 54%, der Fälle günstige, in 42% ungünstige Resultate. Da trotz
der Bekämpfung aber auch im nächsten Jahre möglicherweise mit einer
Feldmausplage zu rechnen ist, so soll eine möglichst frühzeitige, ein-
heitliche und planmäßige Bekämpfung unter sachkundiger Leitung
erfolgen.
120. Korff. Neue Methode zur Bekämpfung der Feldmäuse.
Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1906, $. 34. -— Verfasser berichtet über Versuche,
die von G. Carrer in Oberitalien angestellt wurden. Es wurden
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 109
0,5—3%, Lösungen von arseniksaurem Kalı verwandt, mit dem der
Klee bespritzt wurde. Anfänglich begannen die Pflanzen zu welken,
erholten sich dann aber bald wieder und zeigten neue Tiiebe. Der
Erfolg gegen Mäuse war ausgezeichnet; auf Haustiere hatte das Gift
keine Wirkung.
121. Derselbe.e Das Cisar-Räucherungsveifahren zur Ver-
tilgung der Feldmäuse. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1912, 10. Jahrg. 8. 79.
— Das Räucherverfahren wird als nicht duichgreifend abgelehnt.
122. Derselbe. Die zur Zeit für die Bekämpfung der Mäuse-
plage in Betracht kommenden Mittel. Flugbl. der K. Bayr. Agsik.
bot. Anstalt München. — Für die Kriegszeit kommen als Bekämpfungs-
mittel Giftweizen, Giftmehl und Mäusetyphus in Betracht. Das
Giftmehl wird mit Wasser zu Brei vermengt, Mäusetyphus wird mittels
Kartoffelbrei oder mehlhaltigen Stoffen nach der Strohhalmmethode
ausgelegt. Ist eine schnelle Vernichtung erforderlich, so kommen
beide Verfahren am besten in Anwendung.
123. Korff. Über das diesjährige starke Auftreten und die Be-
kämpfung der Feldmäuse. Nat. Z. f. Land- u. Forstwirtschaft 1918,
8.381. — Verfasser bespricht das starke Auftreten der Feldmäuse
‘ in Bayern im Jahre 1918 und empfiehlt, da Giftstoffe nicht mehr
erhältlich sind, das Erschlagen der Mäuse hinter dem Pflug, das Fangen
in Fallen oder Erdlöchern, das Überiahren der befallenen Flächen
mit schweren Walzen und das Auftreiben von Vieh. Von Giftmittel
kommt nur noch Baryummehl in Betracht, das am besten nach der
Strohhalmmethode ausgelegt wird. Schließlich kommen noch Mävse-
typhusbazillen in Frage. Am besten bewähr5 sich zugleiche An-
wendung von Baryummehl und Mäusetyphus.
124. Derselbe. Die für die Bekämpfung der Feldmäuse in Betrachs
kommenden Mittel. Flugbl. 15 d. Bayer. Landesanst. Pfl.-Pfl. München,
1919. — Vor allem kommt der Mäusetyphus in Betracht, der sowohl
mittels Kartoffelbrei nach der. Strohhalmmethode als auch mittels
Hafer ausgelegt werden kann. Wesentlich beim Typhus sind die
geringen Kosten und die Unschädlichkeit für andere Tiere. Giftgetreide
ist wohl wieder erhältlich, aber noch sehr teuer. Am besten ist die
Anwendung beider Mittel zugleich. Däs Schwefelkohlenstoffverfahren
und das Ausräuchern der Mäusebaue ist für größere Flächen weniger
geeignet. Außerdem ist der Preis für Schwefelkohlenstoff augen-
blicklich zu hoch. Die günstigste Zeit zur Bekämpfung ist das zeitige
Frühjahr.
125. Korff u. Maier. Vergleichende Versuche über die Wirkung
verschiedener Mittel und Methoden zur Bekämpfung der Feldmaus-
plage. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1912, 10. Jahrg., S. 137. — Verfasser be-
handeln eingehende Versuche mit Räucherappıraten, Strychnin-
getreide, Baryumbrot, Schwefelkohlenstoff und Mäusetyphus. Die
Räucherapparate haben sehr ungünstige Ergebnisse gehabt. Gut
waren Strychningetreide und Baryumbrot; die besten Erfolge wurden
mit Schwefelkohlenstoff und Mäusetyphus zusammen mit Strychnin-
hafer erzielt.
9. Heft
110 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
126. Kornauth, K. Bekämpfung von Mäuseplagen durch den
Löffler’schen Mäusebazillus. Zentr. f. d. ges. Forstwesen, Wien 1893.
— In Wien Versuche mit gutem Erfolge angestellt.
127. Kornauth, K. Bekämpfung der Mäuseplage mittels des
Bazillus typhi murium. Österr. -Ung.Zt. f. Zuckerind. u. Landvw.
XXII, 1894; S. 193. — In Wien Versuche mit gutem Erfolge angestellt.
Praktische Versuche in Österreich ergaben 83,3%, Erfolg, 8,3%
wahrscheinlichen Erfolg, 8,3% negativen Erfolg. Anwendung im
Frühjahr am empfehlenswertesten.
128. Kornauth, K. Weitere Erfahrungen über die Bekämpfung
der Feld-, Wühl- und Hausmäuse mittels des Löffler’schen Mäuse-
typhusbazillus. Zt. f. d. landw. Versuchswesen Österreich 1900 Heft 2,
5.10, 68,2% der abgegebenen Kulturen zeitigten keinen Erfolg.
Schuld daran wahrscheinlich die nicht genügend exakte Ausführung.
129. Derselbe. Die Feldmäuseplage. Wien. land. Ztg. No. 100
1906 Jhg.56. — Verfasser bespricht eingehend die verschiedenen
Mittel, ist für Schwefelkohlenstoff und Mäusetyphus, dagegen sehr
gegen Arsenik und Phosphor. Die Resultate mit Strychningetreide
sind befriedigend.
130. Kostka, I. Mäuseschaden in Waldkulturen. Österr. Forst-
u. Jahrzeitung. 20. Jahrg. 1902, 5.228, 229,
131. Kolthoffi, P. Betrachtungen zur Mäuseplage im Jahre 1919.
Landw. Ztg.f. Westf. Lippe 1920, Heft 9. -— Starke Mäuseplage 1919,
Weizen 80%, Hafer 75%, Ernteverminderung. Anwendung von Ratin
in Magermilch. Guter Erfolg bei richtiger Anwendung. Vorbeugende
Maßnahmen erforderlich, ehe Ernte vernichtet ist.
132. Kozai, Th. Über die Bekämpfung durch den Mereshkowsky-
schen Mäusetyphusbazillus. B. C. A. Bd. 4, 8. 299—322.
133. Krasser, J. Tätigkeitsbericht der landw.-chem. Ver. und
Lebensmittel-Untersuchungsanstalt d. Landes Vorarlberg in Bregenz,
1909. Ztschr. f. d. Landw. Vers. Österreich 1910 Jhg. 13. — Großen
Schaden verursachte die Wühlmaus; sie wurde erfolgreich durch
die Hotter’schen Barytpastillen bekämpft.
134. Kraus. Kleebau und Mäusefraß. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1903,
S.31. — Behandelt den Anbau von Kleefeldern, die durch Mäuse
zerstört sind.
135. Krause, Fr. Einige Ergebnisse über die vorjährigen Mäuse-
bekämpfungsversuche. Sächs. landw. Zeitschr. 1914 No. 44, 604—606.
136. Derselbe. Die Ausbreitung der Feldmäuse von Herbst
.. 1914 bis zum Herbst 1915 in der Prov. Posen und Westpreußen. Landw.
Centralblatt Posen 1915, No. 50, 905-—907.
137. Kuhnert. Mäuseplage im Winter 1907--1908 am Kgl.
Institut zu Proskau. Proskauer Obstbau-Zeitung 1908, Jhg. 13,
S. 74. — Die Feldmaus richtete sehr großen Schaden an, von dem
nur Weinreben, Birn- und Kirschbaum verschont blieben. Nach
Anwendung von Löfflers Mäusebazillus war ein Abnehmen der Tiere
zu beobachten.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 111
138. Kurandt, Fr. Über die Bekämpfung der Feldmäuse. Amtsbl.
d. Landwirtschaftsk. f. d. Regb. Wiesbaden, 1913, No. 44, 8.329. —
Kurzer Bericht über die vom kaiserlichen Gesundheitsamte in Berlin
und der kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft
in Dahlem zur Mäusebekämpfung angestellten Versuche. — Zur
Anwendung kamen Giftweizen, Phosphorlatwerge, Schwefelkohlenstoff,
Schwefeldämpfe und Löffler’scher Mäusetyphusbazillus. Die Eıfolge
waren gut, betreff des Mäusetyphusbazillus stehen die Resultate
noch aus.
139. Kurth, H. 1. Bericht über die Tätigkeit des bakt. Instituts
Bremen von seiner Gründung 1893 bis Ende 1897. Bremen 1898.
— Bekämpfung der Mäuseplage durch den Bazillus des Mäusetyphus.
Zentr. f. Bakt. I, 1898, Bd. 24, S, 929. — Auf dem Werder wurden an-
läßlich einer Mäuseplage Bekämpfungsversuche mit Mäusetyphus
gemacht. Die Seuche nahm indessen nicht den gewünschten Verlauf,
da nämlich die toten Mäuse von den anderen nicht gefressen wurden.
Vielmehr wurden die kranken, aus den Löchern hervorkommenden
Mäuse von den Krähen fortgeschleppt. Eine Abnahme der Mäuse
war immerhin nicht zu verkennen.
140. Kutin, Adolf. Srovnavacı pokusy s nekterymi prostredky
& pristroji, slouzicimi ku hubeni hrabosa. (Vergleichende Versuche
mit einigen Mitteln und Apparaten über die Vernichtung der Feld-
mäuse). „Kodym“ Olmütz 1916. 8.-A. 3 8. — Die Versuche in der
Station für Pflanzenkrankheiten zu Tabor in Böhmen 1915 ergaben:
Hohenheimer Fallen bewährten sich nicht auf den Feldern. Strychnin-
hafer tötete in einer Scheune, wo es viele Feldmäuse gab, die Tiere
sehr rasch; im Freilande bewährte sich dieser Hafer nicht. Etwas
besser erwies sich der Phosphoiteig; Schwefeldioxyd bewähite sich
bedeutend besser als Schwetelkohlenstoff.
141. K. K. landw. bakteriolog. Pflanzenschutzstation
Wien. Flugblatt. Die Bekämpfung der Feldmäuse. — Das Flugblatt
enthält eine Zusammenstellung aller bisher genannten Mittel. Ab-
schnitt lenthält Angaben über Vermehrung der Teldmäuse. Abschnitt II
Bekämpfungsmaßnahmen. a) Allgemeines über Anwendung der
Bekämpfungsmittel und vorsichtige Handhabung. 1. Mäusetyphus-
bazillen a) Auslegen mit Brot, b) Auslegen mit Hafer. 2. Strychnin-
getreide. Es soll nur geschälter Hafer verwendet werden. 3. Schwefel-
kohlenstoff (hoher Preis). 4. Räucherapparate. Sehr zweifelhafter
Erfolg. 5. Mäusepillen und Giftlatwerge (Barytpastillen und Phosphor-
pillen). Verfasser betont die Giftigkeit. 6. Phosphorzink-Mais.
Besonders in Italien empfohlen. Große Giftigkeit. 7. Mechanische
Bekämpfungsmittel Röhrenfallen (Hohenheimer), Fanggräben.
142. Kgl. Landw. Versuchsstation Dresden. Anweisung
zur Mäusevertilgung mit Mäusetyphusbazillen. Sächs. Landw. Ztschr.
1917, 8. 623.
143. Dieselbe. Möusevertilgung. Sächs. Landw. Ztschr. 1918,
No. 12, 8. 126—127. — Kartoffelmus kann als Köder zur Auslegung
9. Heft
112 Prof. Dr. R. Schauder und Dr. R. Meyer:
der Möusetyphusbazillen mittels Strohhalmen, Möhren in gleicher
Weise wie Brot angewandt werden.
144. Lang, W. Zur Bekämpfung der Felämäuse. Mitt. d. Kgl.
Württembg. Anstalt f. Pflanzenschutz i. Hohenheim. Prakt. Bl.
Pfl.-Pfl. 1912, Jahrg. 16, S. 85. -— Verfasser hat vergleichende Veısuche
mit Räucherapparaten und Strychningetreide gemacht und kommt
zu einem vernichtenden Urteil über die Räucherverfahren.
145. Langhammer. Charakteristik der Nager. Mitt. nat. Ges.
Isis, Meißen 1905/06, S, 3739.
146. Lantz, D. An economic study of field mice (Microtus).
Bull. No. 31 Biolog. Survey Ackerbau Minist. Ver. Staaten. — Be-
handelt die Lebensgewohnheiten amerikanischer Feldmäuse und
bringt eine Aufzählung früherer Mäuseplagen. Systematisches.
147. Lapparent, M. Compte rendu des experiences faiöes par
le Ministere de l’Agrieulture et de l’Institut Pasteur pour la destruction
des campagnols. Bull. Min. Agrie. 3. Jahrg. 1904, 8. 407-414. —
Lapparent hat umfangreiche Versuche mit dem Bacillus Danysz
angestellt, deren Ergebnisse er in folgenden Sätzen zusammenfaßt:
1. Der Virus wird am besten in Flüssigkeit gezüchtet und aufbewahrt.
Er behält seine Virulenz in einer ‘solchen mindestens 10 Tage.
2. Gequetschter Hafer kann als ein gutes Ersatzmittel für die Brıt-
würfel dienen. 3. Die B>zillenköder sind nachmittags und, wenn
die Sonne scheint, noch später auszulegen. 4. Menschen, Haustiere,
Vögel, sind keinerlei Benachteiligung durch den Virus ausgesetzt.
148. Laser, H. Ein neuer, für Versuchstiere pathogener Bazillus
aus der Gruppe der Frettchen-Schweineseuche. Zentr. f. Bakt. 1,
1892, Bd. 11, S. 184. — Ähnlicher Bazillus wie der Löffler’sche wurde
an Feldmäusen gefunden.
149. Laser, H. Fütterungsversuche mit dem Bazillus der Mäuse-
seuche Laser. Zentr. f. Bakt. I, 1893, Bd. 13, S. 643. — Laser behauptet
in Übereinstimmung mit Professor Lüpke-Stuttgart (Neues Tage-
blatt 1892) das starke Tiere immun sind gegen Loefflers Bazillen,
dagegen durch seine schon nach 2 Tagen sterben.
150. Derselbe, Über die praktische Verwendbarkeit des Bazillus
der Mäuseseuche Laser. Zentr. f. Bakt. I, 1894, Bd. 15, 8.33. —
Feldversuche mit gutem Erfolge angestellt.
151. Laske, €. Sind Arsenikzubereitungen für die Vertilgung
der Feldmäuse geeignet? D. L. Pr. 47, 1920, 8.115. — Verfasser
kennt eine frühere Anwendung von Arsenik zur Feldmäusebekämpfung
. nicht. Er hält Arsenik für ein, die Pflanzen schädigendes Mittel
"und warnt die Landwirte vor Anwendung, zumal auch für dies Mittel
Futterstoffe verwandt werden müssen, die der menschlichen Nahrung
dadurch entzogen werden.
152. Laurent, P. Destruction des campagnols au moyen de
l’avoine sarcharino-strychnisee. Cooperation agricole 1901, No. 7.
153. Laurer, &. Erfahrungen über die Bekämpfung der Feld-
mäuse. Hann. Land- u. Forstw.-Ztg. 1910, S. 902. — Verfasser spricht
über eine Bekämpfung der Mäuseplage im Bezirk der Kgl. landwirt-
Zur Bekämpfung der Peldmäuse. 113
schaftlichen Winterschule Neustadt a. A. Verwandt wurden Mäuse-
typhusbazillen auf Brot, Baryumkarbonatbrot und Strychninhafer.
In kleinen Fällen konnte ein seuchenartiges Hinsterben der Mäuse
durch Mäusetyphus beobachtet werden. Da die Mäuse sich weiter
vermehrten, wurde im Herbst nochmals an die Verwendung von
Mäusetyphus geschritten und zwar auf Hafer. Diesmal wirkte die
Bekämpfung gut. Bemerkenswert war das verschieden starke Auf-
treten auf den verschiedenen Böden. Auf Sandboden nur wenig,
Gipskeuperboden mehr, Muschelkalk noch mehr, Lößboden die meisten
Mäuse. Verfasser stellt dann folgende Leitsätze für die Mäusebekämpfung
auf: 1. Mäusetyphus am empfehlenswertesten wegen Unschädlichkeit
und Giftfreiheit. Als Bazillenträger ist Hafer zu verwenden. 2a. Ge-
meinsame Durchführung der Bekämpfung. 2b. Belegen nicht nur
der Felder, sondern auch der Feldraine, Wege- und Straßen, Eisenbahn-
böschungen mit dem Vertilgungsmittel. 2c. Nach etwa 2 Wochen
Nachlegen in frischgeworfene Löcher. Alle anderen Mittel versagen
bei einer starken Mäuseplage.
154. Letzring, M. Zur Feldmäuseplage und deren Bekämpfung.
Hann. Z. u. Förster-Zig. 1911, S.1 u. 56. — Ausführliche Erläuterung
der Herstellung des Giitgetreides.
155. Loeifler, F, Über Epidemien unter den im hyg. Institut
zu Greifswald gehaltenen Mäusen und über die Bekämpfung der
Feldmausplage. Zentr. f. Bakt. I, 1892, Bd. 11, 8.129. — Der
Loeffler’sche Bazillus wurde bei weißen Mäusen im hygienischen
Institut‘ Greifswald gefunden, als eine Anzahl von Versuchsmäusen
starben. Es stellte sich heraus, daß alle inneren Organe mehr oder
weniger angegriffen waren. Loeffler nannte den Bazillus typhi murium.,
Es wurden nun Feldmäuse mit diesen Bazillen geimpft. Anfänglich
waren sie lebhaft, dann saßen sie zusammengekauert mit gesträubten
Haaren da. Der Bazillus wurde auf Kartoffelkulturen und auf Brot-
stücken in Bouillon gezüchtet. Katzen erwiesen sich als unempfindlich
für den Bazillus. Das Frühjahr ist die geeignetste Zeit zur An-
- wendung des Mäusetyphusbazillus.
156. Derselbe. Die Feldmausplage in Thessalien und ihre
erfolgreiche Bekämpfung mittels des Bae. typhi murium. Zentr. f.
Bakt. I, 1892, Bd. 12, S. 1. — Glänzende Erfolge in Thessalien gegen
Arvieola Güntheri.
157. Derselbe. Zur praktischen Verwendbarkeit des Mäuse-
typhusbazillus. Zentr. f. Bakt. I, 1893, Bd. 13, 8. 647. — In diesem
Aufsatz widerlegt Loeffler die Behauptung von Laser und Lüpke,
wonach kräftige Individuen am Leben bleiben. Wirkung des Mäuse-
typhusbazillus in 6—10 Tagen an Feldmäusen.
158. Derselbe. Zur Mäusebekämpfuns. Mitt. D. L. G. 1910,
S. 18. — Loeffler empfiehlt vor allem seinen Mäusetyphusbazillus.
159. Derselbe. Zur Bekämpfung der Mäuseplage mit dem
Loefflerschen Mäusetyphusbazillus. Mitt. D. L. G. 1921, p. 183. —
Zusammenstellung der Entdeckung der Loeffler’schen Mäusetyphus,
seine Wirkung und Anwendung. Es wird nur der Loeffler’sche Ba-
Archiv für Naturgeschichte,
1923, A. 9, 8 9. Heft
114 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
zillus Tymus, hergestellt im Bakt. Institut in Halle, empfohlen und
vor Anwendung anderer Präparate gewarnt.
160. Derselbe. Wie oben. Landw. Wochenschr. f. d. Prov.
Sachsen 22, 1920, 447 u. 448.
Lötzner, P. Über die Stellung des Mäusetyphusbazillus im System
Typhus-Coli. — Bern 1907, 33 8.
162. Lüders, EE Ein Mäusevertilgungsmittel mit Witterung.
D. L. Pr. 1903, 30. Jahrg. S. 663. — In einem Kessel mit 30 Ltr.
Wasser werden 4kg feingehackte Schafbeine gekocht, darauf 4 kg
Zucker sowie 125g Fenchelsamen zugesetzt und eine Stunde lang
gekocht. Nach Abkühlung der Masse werden 10 kg gepreßte Meer-
zwiebeln (Secilla maritima) beigefügt, und alles gut durchgerühit.
Dann werden 5—10 mm große Brotstücke damit getiänkt und über
das Feld verstreut.
163. Lunkewitsch, M. Beitrag zur Biologie des Bacillus typhi
murium (Loeffler) und seine Virulenz gegen die Feld- und Hausmäuse.
Zentr. f. Bakt. I, 1894, Bd.15, p. 1845. — Gute Erfolge mit dem
Bazillus. Für Feldmäuse pathogen.
164. L. V. R. Über Mäuse-, Hamster- und Rattenvertilgung der
Versuchsstation zu Bonn. D. L. Pr. 28. Jahrg. 1901, 8. 297. — Em-
pfehlung des Mäusetyphus, sowie des Piktolin. .
165. Macias, €. Invasion de ratas Maiceras en Cienega de Zacapu,
Michoacan. — Circulare der Com. de Parasit. Agr. Mexico 1905, 8. 23.
— DBehandelt die verschiedenen Verfahren zur Mäuseveitilgung:
Danyschbazillen, Strychninköder, Fallen u. a.
166. Macias, €. La destruccion de las ratas y los ratones del
campo. Sex. de fom. Com. de Parasit. Agr. Mexico 1906, Circ. No. 41,
25 Seiten. — Wie voriges.
168. Meisner, Verschiedene Bekämpfungsarten gegen starkes
Auftreten der Feldmäuse. Pommernblatt, Landw. Wochensch. 17,
1914, 309.
169. Mereshkowsky, S. Zur Frage über die Virulenz des Löffler’sche
Mäusetyphusbazillus. Zentr. f. Bakt. I, 1894, Bd. 16, 8. 612. Nach
den Angaben von M. macht der Löffler’sche Bazillus die Tiere immun,
wenn er älter als 7 Monate ist.
170. Mereshkowsky, S. Ein aus Zieselmäusen ausgeschiedener
und zur Vertilgung von Feld- resp. Hausmäusen geeigneter Bazillus.
Zentr. f. Bakt. I, 1895, Bd. 17 8. 742. — Gegen Feldmäuse mit gutem
Erfolge angewandt.
171. Derselbe. Feldversuche, angestellt zur Vertilgurg der
‘ Mäuse mittels des aus Zieselmäusen ausgeschiedenen Bazillus. Zentr.
f. Bakt. I, 1896, S. 85, u. 176, Bd. 20.
172. Mokrschetzki, $. Gift für Mäuse. Bl. 1. Jhg. 1902, 5. 19, 20
(Russisch).
173. Moreuchon, A. Les campagnols dans les charentes. Prog.
agr. vit. 1904, Bd. 42, Jahrg. 21. — Der Virus Danysch hat den ge-
wünschten Erfolg nicht gezeitigt, deshalb wird Mehlköder mit Zusatz
von Strychnin empfohlen.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse, 115
174. Müller, H. Schwere Beschädigungen von Getreidefeldern
durch die Zwergmaus. Landw. Wochenschr. f. d. Prov. Sachsen
1919, 360.
175. Müller, J, Bekämpfung der Feldmäuse. Deutsch. Obst-
bauztg. 1919, 15 u. 16.
176. Mundt. Bekämpfung der Feldmäuse. Prakt. Ratgeber
ım Obst- und Gartenbau 35, 1920. Enthält nichts neues.
177. Näf, A. Die Feldmäuse und deren Bekämpfung durch den
Löfflerschen’ Mäusetyphusbazillus.. Winterthur 1900. — Auf Ver-
anlassung des Verfassers wurde im Kanton Argau 1899 eine Feldmäuse-
plage mıt Löffler’schen Mäusetyphus bekämpft und mit äußerst
günstigem Erfolge durchgeführt, ohne daß sich Schädigungen an
anderen Tieren oder an Menschen gezeigt hätten. Es folgt noch eine
Beschreibung der angewandten Methode.
178. Oberstein. Bekämpfung der Wühlmaus. Zeitschr. d. Ldwk.
d. Prov. Schlesien, 1915, S. 528, 529. — Empfiehlt Schutz von Wiesel,
Eulen, Bussarden, Auslegen von mit Phosphorbrei vergifteten Sellerie-
Mohrrüben- und Petersilienwurzeln, Baryumkarbonat, Ratin, Aus-
räuchern mit Schwefelkohlenstoff, Zürner’sche Mausefalle und Abschuß.
179. Oberstein. Organisierte Feldmausbekämpfung. Ztschr.
d. Ldwk. d. Prov. Schlesien 1920, 8.439. — Verfasser empfiehlt all-
jährliche Bekämpfung im Frühling und Anwendung von Schwefel-
kohlenstoff, Kilo 7—8Mk. Firma Oscar Mohr, Breslau, Kupfer-
schmiedestr. 25.
18C. Palmirski. Tepienie mysry zaıaskien 5yfusu mysiego.
Dodat. do „Gaz. Koln.‘“ 1895.
181. Panzer, H. Schutz den Getreidetriften vor Mäusen. Wien.
landw. Ztg., Jahrg. 61, 8.747. — Man schützt die Getreidetriften
und Schober am besten durch tiefe Gräben mit steilen Wänden mit
eingegrabenen Wassergefäßen, in denen die Mäuse ertrinken. Oder
man legt kleine Strohhaufen.in der Nähe der Triften an, da die Mäuse
sich dorthin zurückziehen. Bei Beginn des Winters werden diese
Haufen angezündet und der Boden darunter eingegraben.
182. Passerini, N, u. Marchi, €. La lotta contro le arvicole nelle
colmate di Betolle in val di Chiana. Atti K. Acc. Georgof. Bd. 10,
1913, 8. 363—367. — Bewährt hat sich das Auslegen von mit Zink-
phosphor getränkten Maiskörnern unter Dachholzziegeln. Nach
4—5 Stunden, nach Aufnahme des Köders, verendeten die Mäuse.
183. Peglion, V. Contro le arvicole. — Ferrara (G. Bresciani).
1904, 8.20.
184. Perrier de la Bathie. Les campagnols ou rats des champs.
Revue de Viticulture, Jahrg. 11, 1904, Bd. 21, S. 189—192. — Behandelt
denselben Gegenstand wie die Abhandlung von Lapparent.
185. Derselbe. Traitements contre les mulots au Virus Danysz
faits en Charente Infsrieure. Revue de Vitieulture Jhg. 12, Bd. 23,
1905, 8.4448, 212-—216, 238—240, 720—721. — Der Verfasser
berichtet von gutem Erfolge des Bazillus Danysz gegen Arvicola
agrestis. Verwandt wird gequetschter Hafer und Zusatz von Kochsalz
g* 9, Heft
116 Prof. Dr. R.Schander und Dr. R. Meyer:
zur Lösung. Ausstreueen bei gedämpftem Lichte, Fernhalten von Eisen,
Kupfer oder Zink von der Bazillenflüssigkeit erforderlich. Für Luzerne
und Wiesen 20—30 kg Bazillenhafer pro Hektar, für Getreide*elder
4—10 kg für unbestandene Felder 2—3 kg ausreichend. Besonders
in der Zeit von November bis April zu empfehlen.
186. Pfreimbiner, J. Zur Vorbeuge der Mäuseplage. W.L. B.
1903, Jhg. 93, S. 401—403. — Enthält nur die langatmige Berechnung
der jährlichen Nachkommenschaft eines Mäusepaares, sonst nichts
neues.
187. Derselbe. Erfahrungen über das Löffler’s.he Infektions-
verfahren zur Bekämpfung der Mäuseplage in einer neuen Art der
Anwendung. Fühl, Landw.-Ztg. Bd. 53, 1904, Heft 17, S. 619623,
662—667. — Verfasser sieht in der Verwendung eines festen Nähr-
substraktes für Bakterienkulturen die Hauptursache für teilweise
Mißerfolge mit Löffler’schen Bazillen. Er verwendet deshalb und mit
gutem Erfolge Magermilch, wobei auch die Unkosten geringer sind.
Da auch die Menge der Bazillen in den mit Magermilch getränkten
Brotwürfeln eine größere iso, sc ist ein Auswaschen durch Niederschläge,
Lichteinwirkung usw. weniger bedenklich. Krankheiten ernsterer
Natur können beim Menschen durch Mäusetyphus nicht hervorgerufen
werden, so daß keine Bedenken für die Anwendung in der Praxis
bestehen.
188. Derselbe. Welche Momente sichern die Wirksamkeit der
Löffler’schen Infektionsverfahrens zur Bekämpfung der Mäuseplage?
Zeitschr. d. Landwek. £. Prov. Schlesien, 11. Jhg. Heft 45, 1907, 8. 1411,
1415.
189. Poppe, 8. A. Über die Mäuseplage in dem Gebies zwischen
Ems und Elbe und ihre Verhinderung. Abhandl. d. Vereins Navuck.
Unterweser-Bremerhaven 1902 5.67. — Mäuseplage zwischen Ems
und Elbe und ihre Verhinderung. D. L. ir. 1902. — Es wird auf die
Verwendung des Löffler’schen Möusetyphusbazillus besonders Wert
gelegt und zur Verminderung von Mäuseplagen der staatlich geleitete
Überwachungsdienst unter Zuziehung von Gemeindekommissionen
empfohlen.
190. Poppe, S. A. Vertilgung der Feldmäuse, eine landwirtschaft-
liche Notwendigkeit. Märk. Landw. I, 1920, Heft 9, S. 5155. — Enthält
allgemeine Angaben über Feldmäuseplage und behandelt 1. Chem.
Mittel: Phosphor, Strychnin, 2. Bakterien. (Hinweis auft Bakt. Inst.
Berlin).
191. Poudret, F. Les campagnols et leur destruction. La terre
Vaudoise. 193, 8. 121—123. — Verfasser rät von Arsenikmitteln
wegen der hohen Giftgefahren ab, empfiehlt dagegen Baryumkarbonat-
köder und Danysz-Virus. Ferner wird auf die ausgezeichneten Erfolge.
hingewiesen, die man in Deutschland durch löffelweises Einbringen
einer Mischung von Melasse und Phosphor (200:1) in die Mauslöcher
erziehlt hat. Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffes bezeichnet er
als gut, seine Handhabung als zu schwierig.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 117
192. Prioton, €. La destruction des campagnols dans la Charente.
Progr. agr. vit. 1904, 21. Jhg. Bd. 41, $. 366-371. — Bringt nichts
wesentlich Neues.
193. Pröscholdt. Mäusebekämpfung. Pommernbl. Landw.
Wochenschr. 19, 1916, 677. Bekämpfung der Feldmöuse. Pommernbl.
Landw. Wochenschr. 20, 1917, 567.
194. Rabate, E. Destruction des campagnols. Journ. Agr. prat.
1913, Jhg. 77, Sem. 2, 5. 821—823. — Verfasser verwendet Brechnus-
pulver, das zunächst mit Wasser ausgelaugt wird. Besitzt dieses
Kalk, muß es zuvor mit Weinsteinsäure leicht angesaueıt werden.
Als Träger wird durch Heißwasser entkeimtes Getreide, das leicht
gequetscht ist, verwandt. Die kochende Brechnuslösung wird über die
gequetschten Samen gegossen und zwei Tage mit ihnen in Berührung
gelassen. Es können auch ganze Samen durch 2—2}/,stündiges Kochen
in der Brechnuslösung vergiftet werden. Auf jeden Fall-müssen die
Samen vor der Verwendung auf einer sauberen Unterlage etwas zurück-
getrocknet werden.
195. Räbiger, H. Jahresbericht d. Bakt. Inst. Landesk. Sachsen.
Ber]. Tierärzt]. Wochenschr. 1903, No. 41. — Gute Erfolge mit Löffler-
schem Mäusetyphusbazillus. |
196. Derselbee Maßnahmen zur Bekämpfung der Ratten-,
. Mäuse- und Schneckenplage. Jahrb.. D. L. G. 1907, Bd. 22, S. 104. —
Verfasser bespricht die starke Vermehrung der Feldmäuse, ihre natür-
lichen Feinde und empfiehlt Mäusetyphus und Schwefelkohlenstoff
zur Bekämpfung. Von Anwendung von. Giftstoffen rät er dringend
ab (Schädlichkeit für Haustiere). Bei Schobern bewähren sich auch
Fanggräben oder das Aussetzen von Wieseln. Von Fallen verspricht
er sich geringen Erfolg, da viel zu teuer und unrationell.
197. Derselbe. Zur Mäusebekämpfung. Mitt. D. L. G. 1908,
8.375. — Verfasser empfiehlt Mäusetyphusbakterien und warnt
dringend vor chemischen Giften wie Phosphor und Strychnin, da
‘die Haustiere ebenfalls vergiftet werden.
198. Derselbe. Krankheitsfälle, hervorgerufen durch Mäuse-
typhusbazillen. Münch. med. Wochenschr. S. 2272. — Räbiger mahnt
zur Vorsicht und Beachtung von Vorsichtsmaßregeln.
199. Derselbe. Zur Bekämpfung der Feldmäuse. — Landw.
Ver. Pr. Sachsen 1911. — Verfasser empfiehlt gegenüber den chemischen
Mitteln die Verwendung von Mäusetyphusbazillen. Seiner Ansicht
nach bewährt sich höchstens noch der Schwefelkohlenstoff.
200. Derselbe. Die Vertilgung von Wühlmäusen. Beiblatt 11
z. landw. Ztschr. Landw. Ges. Wien Jhg. 1914, S. 21. — Ratinbazillen
werden empfohlen, auszulegen mit: Schwarzwurzel, Spargelstücke,
Backpflaumen und Feigen, Mohrrüben, Kohlrabi, Kartoffelbrei,
Fleisch, altbackene Semmeln, Reis mit etwas Vanillezusatz.
201. Derselbe. Zur Feldmausbekämpfung. Landw. Wochenbl.
Prov. Sachsen, 1914, $. 360, 361. — Rezept für Mäusekuchen, bestehend
aus gleichen Teilen geriebener und oberflächlich abgetrockneter Mohr-
rüben, Haferschrot und Weizenschrot gemischt; diese Mischung wird zu
9. Heft
118 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
5—6 cm hohen, runden, durchlochten, walzenförmigen Kuchen gepreßt
und an der Luft getrocknet.
202. Derselbe. Ein weiterer Beitrag zur Schädlichkeit von
Phosphorpräparaten bei der Mäusebekämpfung. Landw. Wochenschr.
Prov. Sachsen 1915, 8. 205. — Auf einem Gute sind durch Phosphor-
präparate etwa 40 Hasen eingegangen. Verfasser warnt vor Anwendung
von chemischen Giften und weist erneut auf die Mäusetyphusbazillen hin.
203. Derselbee Nochmals zur Feldmausbekämpfung. L.
Wochenschr. Prov. Sachsen 1917, S. 478. — Empfiehlt vor allem den
Mäusetyphus aus dem bakt. Institut Halle und bespricht die vor-
kommenden Fehler bei der Anwendung.
204. Derselbe. Ratten- und Mäusebekämpfung durch Bakterien-
kulturen. Mitt. Landw. K. Sachsen-Gctha 10, 1920, No. 3, 8. 23—24.
— Verfasser warnt vor Schwindelmitteln und empfiehls nur unter
amtlicher Kontrolle hergestellte Bakterienpräparate.
205. Regenstein. Zur Mäusevertilgung. Zeitschr. Forst- und
Jagdwesen 1900, Jhg. 32, S. 703—707. — Im Forstbetriebe angestellte
Versuche mit Ernuschs Raupenleim gegen Mäuseschaden ergaben
Beschädigungen der Pflanzen. Mit Strychnin wurden gute Erfolge
erzielt.
206. Reh, L. Über die Anwendung von Schwefelkohlenstoff.
Naturw. Ztschr. f. Land- u. Forstwirtschaft 1903, Jhg.1, 8.319. —
Reh verneint die Feuergefährlichkeit des Schwefelkohlenstoffes an
Hand von Beispielen über die Verwendung in Brasilien. Er berichtet,
daß dort der Schwefelkohlenstoff einfach in die Löcher gegossen und
angezündet wird.
207. Reichelt, €. Gegen die Wühlmau:. R. ©. G. 1903, Jbg. 15,
S. 20. — Verfasser empfiehlt, kleine in Arsenik-Mehl gewälzte Speck-
würfel in die Löcher zu bringen.
208. Reimers. Über Mäusevertilgung durch Bakterien. L. W. 8.
1903, Jhg. 5, 8.355, 356. — Anleitung für den zweckmäßigen Ge-
brauch des Mäusetyphusbazillus. Bericht über ein giftfreies, Akerlon
genanntes Mittel, das im Freien von den Mäusen nicht angenommen
wurde und deshalb ohne Erfolg blieb.
209. Ribbek. Mäuseplage. D. Obstb. Ztg. 1912, 5. 528. — Es
haben wenig gewirkt: Ratin, Karbolineumkalkanstrich der Stämme.
Sehr gut wirkte: Phosphcılatwerge auf Strohhalmen.
201. Riehm, E. Getreidekrankheiten und Getreideschädlinge.
. Eine Zusammenstellung der wichtigeren, im Jahre 1911 veröffentlichten
Arbeiten. Zentr. f. Bakt. II, Bd. 34, S. 466. — Eine Zusammenstellung
der Arbeiten dieses Jahres.
211. Derselbe. Getreidekrankheiten und Getreideschädlinge.
Eine Zusammenstellung der wiebtigeren im Jahre 1912 veröffentlichien
Arbeiten. Zentr. f. Bakt. II, Bd.41, 8.102. — Wie voriges.
212. Derselbe. Getreidekrankheiten und Getreideschädlinge.
Eine Zusammenstellung der wich5igeren im Jahre 1913 veröffentlichten
Arbeiten. Zentr. f. Bakt. 1915 II, Bd. 43, 8.209. — Wie voriges.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 119
213. Derselbe. Getreidekrankheiten und Getreideschädlinge.
Eine Zusammenstellung der wichtigeren, im Jahre 1914 veröffentlichten
Arbeiten. Zentr. f. Bakt. 1916, II, Bd. 47, S. 401. -— Wie voriges.
214. Ritzema-Bos. Tierische Schädlinge und Nützlinge. Berlin
1891. — Bringt die ausführlichen Angaben Crampes über Feldmäuse-
vermehrung, p. 3>—5. $Systematisches und Bekämpfung, p. 93—101.
215. Rörig, @&. Welche Kosten verursacht dem Landwirt die
Beseitigung einer Mäuseplage? D. L. Pr. 1904, Jhg. 31, 8.227. —
Auf einem Gute beliefen sich die Kosten für Mäusebekämpfung bei
2000 Mauselöchern im Getreide und Anwendung von Schwefel-
kohlenstoff auf rund 400 Mk., bei 10000 Mauselöchern im Klee und
Anwendung von Löffler’schem Mäusetyphus auf 460 Mk. Verfasser
empfiehlt eine ständige Bekämpfung der Mäuseplage.
21b. Derselbe. Verschiedene Methoden zur Bekämpfung der
schädlichen Nagetiere. Ernährung d. Pfl. 1907, S. 70.
217. Derselbe. Die Bekämpfung der Mäuse und Ratten.
Veröffentl. Landw. Prov. Westfalen 1907, H.4 p. 37. — Verfasser
behandelt die verschiedenen Arten der Mäuse, geht dann zu den Be-
kämpfungsmethoden übeı und empfiehlt Mäusetyphus und Schwe'el-
kohlenstoff. Dieses Mittel empfiehlt sich besonders, wenn es sich
darum handelt, dem Auspruch einer Plage vorzubeugen. Von Gift-
stoffen ist unter allen Umständen abzuraten. Bei Schobern schützt
man sich am besten gegen Mäuseeinwanderung durch Fanggröben.
Für Wühlmäuse eignet sicb am besten die Zürner’sche Falle Für
Ratten ist Meerzwiebel oder Daysz- und Rasin-Bazillus am empfehlens-
wertesten. — Auch die natürlichen Mäusefeinde, wie Vögel, Igel und
Wiesel können mit Erfolg herangezogen werden.
218. Derselbe. Schwefelkohlenstoff gegen Mäuse. Mitt. D.L. G.
1913, No.47, $.645. -— Am besten hat sich Schwefelkohlenstoff
bewährt, der mittels einer Schwefelkohlenstoffkanne, die durch ein-
faches Drücken auf einen Hebel immer die gleiche Menge Schwefel-
kohlenstoff austreten läßt, in die einzelnen Gänge gegossen wird.
219. Derselbe. Die Bekämpfung der Feldmäuse in Kriegs-
zeiten. Ill. Landw. Ztg. 1917, S.215. — Verfasser spricht über die
Ersatzstoffe, die an Stelle von Weißbrot und Hafer als Köder in
Betracht kommen. 1. 300g Mohrrüben, 300g Zuckerrüben, 200 g
Haferschrot; 2. 200 g Zuckerrüben, 67 g Haferschrot; 3. 300g Mohr-
rüben, 100g Zuckerrüben, 125g Haferschrot; 4. 300g Mohrrüben,
100g Haferschrot; 5. 300g Mohrıüben, 100g Weizenschrot, und
empfiehlt rechtzeitiges Vorgehen gegen die Mäuseplage bei der starken
Vermehrung dieser Tiere. — Gut sind auch die Anlagen von Fang-
gräben, ferner auch die Haltung von Wieseln oder Schleiereulen.
Wichtige Mäusevertilger sind ferner Mäusebussard, Rauhfußbussard,
Turmfalke, Waldkauz, Schleiereule, Sumpfohreule, Waldohreule. —
Immerbin können diese Tiere einer großen Mäuseplage keinen Einhalt
tun, anders im Frühjahr und Herbst, wo es nur gilt, wenige Mäuse
auf den Feldern zu vertilgen.
9. Heft
120 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
220. Rörig und Appel. Die Bekämpfung der Feldmäuse. Flugbl.
K. B. A. Dahlem No. 13, 1901, 4. Aufl. 1915 von Rörig allein. Landw.
Wochenschr. Prov. Sachsen 1902. — Behandelt ausführlich Schwefel-
kohlenstoff, Schwefelräucherverfahren. Mäusetyphus, ferner Fang-
gräben, Wiesel, Schleiereule. Vor Verwendung chemischer Gifte wird
gewarnt.
ro Rörig, Erlemeyer und Marx. Untersuchungen zur Frage
der Bekämpfung der Feldmäuse K. B. A. Dahlem. Ber. Tit. 1912,
Mitt. K. B. A. Heft 14, 1913, S. 26. — Calciumkarbid bezw. Acetylen
zur Mäusebekämpfung nicht geeignet. Bei Fütterungsversuchen mit
Strychningetreide wird von den Mäusen, bevor sie es verzehren, ge-
schält, gleichgültig, ob es schon geschält ist oder nicht. Da das
Strychnin die Fruchtschale fast garnicht durchdringt, muß es vor dem
Vergiften geschält werden. Bei gleichzeitiger Verabreichung von
gesunden Körnern ist die Giftwirkung selbst stark gifthaltigen Getreides
sehr gering. Feuchtes Aufbewahren von Strychningetreide beeinflußt
den Strychningehalt nicht.
222. Rörig und Knoche. Beitrage zur Biologie der Feldmäuse.
Arbeiten K. B. A. Dahlem 1916, Bd. 9, Heft 3. — Eine eingehende
Abhandlung über die Biologie der Feldmäuse.
223. Rossikow, K. Über die Feldmausplage und die natürlichen
Ursachen ihres plötzlichen Verschwindens im Distrikt Ouman, Prov.
Kiew, Rußland im Jahre 1915. Landw. Ztg. (Russ.) No. 31—33, 35,
S. 860-862, 909-911, 957—958, Petersburg 1916. — Verfasser
berichtet über eine große Feldmausplage im Distrikt Ouman, die jedoch
durch einen nassen, regnerischen Winter vollkommen beseitigt wurde,
ohne daß bei den Mäusen irgendwo der Bazillus typhi murium fest-
gestellt werden konnte.
224. Rozeray, A. Destruction des campagnols. Journ. Agr.
prat. 1913, 77. Jhg., 1. Sem. 8. 566567. — Verfasser verlangt, daß
die Vernichtung der Feldmäuse zur Zwangspflicht gemacht wird und
bringt die Bildung ländlicher Vereinigungen zur Mäuseveitilgung in
Vorschlag. Hauptsächlich müssen die Ausgangspunkte ausfindig
gemacht und ein regelmäßiger Überwachungsdienst eingerichtet
werden.
225. Sachtleben, H. Das Auftreten der Feldmäuse in Deutschland
im Frühjahr und Herbst 1919 und im Frühjahr 1920. Mitt. d. Biol.
Reichsanst. Land- und Forstwirtschaft. D. L. Pr. 1921, Jhg. 48,
No.2, 8.11. — Verfasser bringt eine Zusammenstellung des Auf-
sretens der Feldmäuse in Deutschland nebst der zur Anwendung
' gebrachten Bekämpfungsmittel. — Phosphor wurde mit gutem Erfolge
angewandt, doch wurde sein Versagen bei feuchtem Wetter unangenehm
empfunden. Strychninhafer und Giftmehl zeitigten zeitweise recht
guten Erfolg. Mäusetyphus bewährte sich allerseits gut, besonders
hierbei Hafer in Milchkulturen. Auch auf den Nutzen der natürlichen
Feinde, wie Mäusebussard und Wiesel wird besonders hingewiesen.
226. Sagebien, Bomot, Rozerary usw. Experience de destruction
des campagnols au moyen du virus contagieux de l’institut Pasteur.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 121
Progr. agr, vit. 1905, Bd. 43, Jhg. 22. — Mäusevertilgungsversuche
im Großen mit dem Bazillus Danysch führten innerhalb von 20 Tagen
zur Vernichtung von 95% der Mäuse.
.. 227. Schäff, E. Die Feldmaus und ihre Vertilgung. Hann. Land- u.
forstwirtsch. Ztg. 1902, S. 237—239. -— Verfasser bespricht die bisher
zur Mäusebekämpfung angewandten Mittel. Er hält die Anlage von
Fanglöchern für wenig empfehlensweıt, besser schon die Anlage von
Gräben um Getreidediemen. Für am besten hält er die sogenannte
Hohenheimer Falle, die am billigsten arbeitet. Das Ausräuchern ist
zu kostspielig. Giftstoffe gefährden zu sehr die Haus- und nützlichen
Tiere. Am besten bewährs sich noch der Phosphorbrei an Strohhalmen,
der den Phosphorpillen bei weitem vorzuziehen ist. Zum Schluß
geht er auf den Mäusetyphusbazillus ein und vertritt die Ansicht,
daß bei richtiger Anwendung der Erfolg sicher ist.
228. Schander, R. Bericht über das Auftreten von Krankheiten
und tierischen Schädlingen an Kulturpflanzen in den Provinzen Posen
und Westpreußen für das Jahr 1907. Mitt. Kais. Wilh. Institut,
1908, Bd. 1, Heft 1. — Mitteilungen über die von der Feldmaus bevor-
zugten Bodenaıten, sowie über die Einwirkung der Witterung auf den
Nager, mit Kartenskizzen.
229. Schander und Krause. Bericht über Pflanzenschutz der
Abteilung für Pflanzenkrankheiten des Kaiser-Wilhelm-Instituts für
Landwirtschaft in Bromberg. Die Vegetationsperiode 1913/14. Berlin
1916. Seite 91—102 enthält ausführliche Berichte über das Auftreten
der Feldmäuse 1913—1914 an Hand von Kaıten sowie die Ergebnisse
von Bekämpfungsversuchen mit Typhus, Baryumkarbonatbrot,
Schwefelkohlenstoff, Phosphorlatwerge und Räucherapparaten. An-
hang: Aufruf zur Bekämpfurg der Feldmäuse mit Angabe der Vor-
züge, Nachteile und Kosten der einzelnen Mittel.
230. Dieselben. Zur Mäusefrage Fühl. Landw. Ztg. 1915,
H. 7/8, S. 215—232. — Ausführliche Abhandlung über die verschiedenen
Mäusebekämpfungsverfahren.
231. Schmidt, W. Günstige Erfahrungen in Vertilgung der Mäuse
und Hamster durch Phosphor-Latwerge. D. L. Pr. 1903, Jahrg. 30,
S. 632. — Verfasser empfiehlt sowohl zur Mäuse- als auch Hamster-
vertilgung Phosphorlatwerge, mit. der er äußerst günstige Erfahrungen
gemacht hat.
232. Schmidt, W. Wie man am sichersten Wühlmäuse fängt.
Prakt. Ratg. Obst- und Gartenbau 1913, No. 11, 8. 106. — Verfasser
rät zu Maulwurfsfallen (Zangenfallen), in dem Ausschnitte des zum
Stellen der Falle dienenden Plättchens ist der Köder (Sellerie, Schwarz-
wurzel usw. anzubringen).
233. Schmidt. Zum Kampf mit den Feldmäusen. Bad. Landw.
Wochenbl. 1918, 332 u. 333.
234. Schmoldt, K. Zur Feldmäusevertilgung. D. L. Pr. 1899,
Jahrg. 26, S.395. Der Verfasser tritt angesichts der unsicheren
Wirkungen des Mäusebazillus für die Bekömpfung der Mäuse mit
Strychninhafer ein. Ein von. ihm verfolgtes besonderes Verfahren
9, Heft
122 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
besteht darin, daß er in das Feld eine feste Pappe und auf diese eine
Hand voll vergifteter Körner legt. Um den Zutritt von Vögeln zu
verhüten, überdeckt er die Körner mit angeflockten Strohwischen.
235. Schubert. Landwirte, bekämpft die Feldmäuse. Tirol.
landw. Blätter, 98, 1919, 293—297.
236. Schulz. Zur Bekämpfung der Wühlmäuse. D. Obstb. Ztg.
1911, 5.529. — Genau erläutert und abgebildet wird der Räucher-
apparat von Hinsberg „Vietor“. Er sowohl als auch das Räucher-
pulver „Topomor“ haben sich bewährt.
237. Schuster, L. Die Mäuse- und Hamsterplage in Rheinhessen
im Sommer 1902, Zool. Garten 1903, Jhg. 44, 8. 227—230. — Ver-
fasser berichset über ein Massenauftreten von Feldmäusen im Juni
trotz nassen Wetters. In der Hauptsache wurde von den Bauern
Strychninhafer angewandt, wobei natürlich auch nützliche Tiere mit
zu Grunde gingen. Mäusebazillus hatte keinen Eıfolg.. Dagegen
bewährte es sich, die Mäusekauten unter Wasser zu setzen und die
hervorkommenden Mäuse totzuschlagen. Ebenso hatte das Fangen
in Bohrlö:hern Erfolg. An Mäusen wurden 363 Tausend Stü>k auf den
Pürgermeistereien abgeliefert.
238. Schwartz, M. Das Auftreten der Feldmäuse in Deutschland
1917 und 1918. Mit. D. L. G. 1918, S. 418 und — die Ausbreitung
der Feldmäuse in Deutschland im Sommer und Herbst 1918. Mitt.
D. L. G. 1918, 8. 711. — Verfasser spri;ht über die Anwendung des
Mäusetyphus überall mit günstigem Erfolg, wo ex richtig angewandt
wurde. Ein Teil der Mäuse wurde auch durch ungünstige Wiiterung
vernichtet. Verfasser mahnt zu einem zeitigen Eingreifen und gemein-
samen Vorgehen. Im zweiten Teil bespricht er das Auftreten der Mäuse
im Herbsö; es ist überall ein Rückgang zu verzeichnen. Er bittet um
Unterstützung der Fflanzenstellen durch Einsendung von Material und
Mit5eilunger über Beobachtungen.
239. Seelhorst, €. v. Die Bekömpfung des Mäuseschadens. Hann.
Land- u. forstw. Zt;. 70, 1917, 28—30.
240. Sempolowski. Zur Vertilgung der Mäuse. Z. f. Pfl. 1895,
8.333. — Verfasser hat TLaboratoriumsversuche mit Löffler’schem
Mäusetyphus an den verschiedenen Mäusearten gemacht und empfiehlt
auf Grund dieser Versuche die Anwendung des Bazillus.
241. Derselbe. Proby z tyfusem mysim. Gaz. Roln. 1896, p. 26.
242. Simpendörfer. Unsere Möuseplage 1918. Württemb. Wochen-
schrift f. Lar.dw. 1920, No. 18. — Verfasser berichtet von einem un-
geheuren Auftreten 1918. Die eıste Bekämpfung mit Bazilien war
ohne Erfolg. Nach Zusıtz von Süßstoff wurde guter Erfolg bei einer
nochmaligen Bekämpfung vrzielt.
243. Spiegler. Die Feldmöuseplage.. W. L. Ztg. 1898, No. 8.
244. Spickermann, A. Über die diesjährige Mäuseplage. Landw.-
Ztg. £. Westf. u. Lippe 1910, 8. 306 und fg. — Der Winter 1909/10
war in Westfalen sehr mild, die Mäuseplage sehr stark, so daß bis 50%
der Roggenähren vernichtet wurden. Verfasser empfiehlt daher
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 123
wärmstens Strychninhafer der Firma Wasmuth & Co. in Hamburg
und Mäusetyphusbazillen.
245. Spiendore. Zur Bekämpfung der Feldmäuse in Italien.
RBend. d. sed. .d. Real Accademia d. Sincei, Classe di Se. fis. mat. e
nat. 1916, Bd.25, 2. Halbj. S.46-—49. — Verfasser berichtet über
Mäusebekämpfungsversuche in der Provinz Foggia. Gräben und
Fallen waren zwar wirksam, hatten aber bei der Ausdehnung des
Gebietes und bei der Anzahl der Tiere keinen Erfolg. Als wirksam
von den Giften erwies sich nur das Zinkphosphid, dazu Anmerkung:
(I) Siehe: Bulletin des Renseignements: agricoles, Januar 1911, Ref.
N. 362; Juni 1911, Ref. N. 2016; Oktober 1912, Ref. N. 1488; No-
vember 1912, Ref. N. 1567.
246. Staub, H. Eine tötliche Infektion mit Mäusetyphus (Schweiz.
med. Wochenschr. 1920 No. 6). — Berichtet von dem nach dem Genuß
von Mäusevirus erfolgten Tod eines 62jährigen Fuhrmannes unter
typhusartigen Erscheinungen.
247. Steglich. Gemeinsame Veranstaltungen gegen die Mäuse-
plage, ein Gebot der Kriegsnot. Sächs. Landw. Ztschr. 1915, 8. 35-—37.
— Gemeinsames Vorgehen besonders im Winter wird empfohlen,
dazu Verwendung folgender Mittel: Phosphorlatwerge, Barytkuchen,
das Schwefelräucherverfahren mit einem Apparat von Max Gühne
in Döbeln. Räuchermasse: zwei Teile troceknen Sägespäne, ein Teil
gepulveiter Schwefel, beides mit einem Teil erbsen- bis haselnuß-
großen Braunkohlenstücken gut vermischt und mit glühenden Holz-
kohlen angeheizt und das Schwefelkohlenstoffverfahren (56cm
pro Mäuseloch). Ein bis zwei Tage vor Beginn der Vertilgungsarbeiten
ist es vorteilhaft, die Mauselöcher zuzutreten.
248. Derselbe. Die Bekämpfung der Mäuseplage. Sächs.
landw. Zeitschr. 65, 1917, 525.
249. Steib, Ch. Vertilgung der Feldmäuse in der Gemarkung
Weier a.L. in den Jahren 1911 und 1912. Landw. Ztschr. f. Elsaß-
Lothr. 1913, No. 15, S. 333—325. -— Verfasser berichtet über die Kosten
der Feldmäusebekämpfung, bei der in erster Linie mit Mäusetyphus
' getränkter Hafer dann auch Giftbrot zur Verwendung kamen. Besonders
günstige Erfolge wurden 1912 erzielt.
250. Stephani. Zur Bekämpfung der Feldmäuse Landw. Bl.
f. Siebenbürgen. Ref. in: Mitt. D. L. G. 1914, 8. 652. — Verfasser
empfiehlt neben dem Erschlagen hinter dem Pfluge und dem Aus-
gießen der Löcher mit Wasser die Räucherverfahren als am zuver-
lässigsten. Giftgetreide, Phosphorpräparate, Mäusetyphus wirken nur,
wenn sie von den Mäusen gefunden werden, sind teilweise auch für
Mensch und Haustier gefährlich und in ihrer Wirksamkeit von vielen
äußeren Umständen abhängig. Zu empfehlen ist daher nur das Schwefel-
kohlenstoffverfahren. Auf Kleefeldern und Wiesen müssen die Löcher
durch kräftiges Eggen geschlossen werden, damit zu erkennen ist,
welche Baue bewohnt sind. Außerdem ist das gründliche Eggen vor
Winter Kleeschlägen und Wiesen außerordentlich dienlich.
9. Heft
124 Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
251. Stift, A.“ Über im Jahre 1914 veröffentlichte, bemerkens-
werte Arbeiten und Mitteilungen auf dem Gebiete der tierischen und
pflanzlichen Feinde der Zuckerrübe. Ref. in: Zentr. f. Bakt. II, Bd. 47,
1916, 5. 629. — Verfasser berichtet über die Methode von Uzel, den
Mäusetyphus den Feldmäusen in folgender einfachen und billigen
Weise beizubringen: Dünne 20cm lange Birkenruten werden in
mit Bazillen versorgten Stärkekleister getaucht und so gebrauchs-
fertig in ganzen Bündeln in Pappröhren verschickt. Diese sind dann
nur in die Mauselöcher zu stecken, und würden die Seuche unter den
Mäusen hervorrufen, da die Mäuse entweder den Kleister von den
Ruten weglecken oder sich beschmutzen und durch Belecken reinigen
würden.
252. Stranak. Verlgeichende Mäusebekämpfungsversuche in
Österreich. Wien. landw. Ztg. 1916, 8.26. — Ausführlicher Bericht
über die verschiedensten Bekämpfungsmittel.
253. Swoboda. Versuche zur Vertilgung der Mäuse auf Wiesen
und Getreidefeldern. W. Ldw. Ztg. 1899, 49. Jhg. 8.4243. —
Bekämpfungsversuche in Tirol mit dem Löffler’schen Bazillus hatten
im allgemeinen gute Erfolge. Schwierigekiten machte das Zutreten
der Mauselöcher vor dem Auslegen des Typhus außerdem das Beschaffen
hinreichender Arbeitskräfte. Die günstigste Zeitist das zeitige Frühjahr,
weil dann die ausgehungerten Tiere den Köder willig annehmen und
auch für Krankheiten am empfänglichsten sind.
254. Teichert. Die mechanischen, chemischen und bakteriellen
Kampfmittel gegen Ratten und Mäuse. II. Teil: Die Bekämpfung
der Mäuse. Fühl. landw. Ztg. 1905, Heft 16. — Versuche im bakt.
Laboratorium der Versuchsstetion Wreschen mit Magermilch ergaben
aufs neue die Brauchbaiıkeit der Mäusetyphusbazillen gegen Feld-
und Hausmöuse. Es folgen dann Angaben über zweckmäßiges Aus-
legen der infizierten Brotwürfel.
255. Testard, L. Destruction des campagnols par asphyxie
& P’aide du sulfure carbonne. La belg. hort. et agr. 1911, S. 190. —
Es wird empfohlen, auf alle Böschungen, als die Winterquartiere der
Feldmäuse, besonders zu achten.
256. Th. K. Vertilgung de: Feldmäuse durch Mäusetyphus-
bazillen. W. L. B. 1902, Jhg. 92, S. 994. — Gebrauchsanweisung.
257. Thörner. Auf Wühlmausjagd. Praks. Ratg. Obst- und
Gartenbau 1914, S. 180. — Empfohlen wird das Fangen der Wühl-
maus in eisernen Zangenfallen, nachdem Verfasser mit chemischen
"Mitteln wie Petroleum, Karbolineum, Schwefeldäömpfe, Azetylen,
Phosphorlatwerge Mißerfolge zu verzeichnen hatte.
258. Tiemann. Zur Mäusebekämpfung. Landw. C. Bl. Proy.
Pexen, 1917, 8. 73.
259. Derselbe. Die Arwendung von Raöin und Mäusetyphus-
kulturen. Landw. ©. Bl. Prov. Posen, 1917, S. 635, Heft 38. — Em-
pfiehlt den Mäusetyphus und bringt genaue Anweisung über Ver-
wendung und Vorsichtsmaßregeln.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 125
260. Tretina, H. Die Bekämpfung der Feldmäuse mit Strychnin-
hafer. D. L. Pr. 1915, 8. 85... — Verfasser hat umfangreiche Versuche
mit Strychninhafer angestellt und herausgefunden, daß brucinfreies
Strychninnitrat am besten von den Mäusen aufgenommen wid in
Verbindung mit geschältem Hafer. Herstellungsaıt: 50 kg Rollhafer,
401 Wasser erhitzt und darin 500 g brucinfreies Strychninnitras und
eine kleine Menge Fuchsin aufgelöst. Die Körner müssen bei trockenem
Wetter ausgelegt weıden, da sie bei FeuchtigFeitsaufnahme giftärmer
werden und an Wirkungskraft einbüßen.
261. Velich, A. Beitrag zur Frage der Vertilgung der Feld-
mäue. Zeitschr. f. Zuckerind. Böhmens, 1903, Jhg. 27, S. 340.
262. Wagner. Bekämpfung der Feldmäuse D. L. Pr. 1911,
Jhg. 38, 8.771. Verfasser empfiehlt die Methode, Strychninweizen
in Drainröhren auszulegen, um zu vermeiden, daß Wild und kleine
Vögel getötet werden.
263. Wahl, B.e Winke für die Organisation und Durchführung
der Feldmäusebekämpfung mit Hilfe des Mäusetyphusbazillus,
Landesamtsbl. Österr. a. d. Enns 1912, 1913, No.24, 8.24. —
Die gesammelten Erfahrungen bei der Feldmäusebekämpfung in
N.-Östrreich 1912 ergaben folgendes: Die Bazillus-Kulturen dürfen
nicht verunreinigt werden. Das verwendete Brot muß trocken sein,
das Wasser rein. Verfasser bespricht dann bis ins Einzelne die An-
wendung des Mäusetyphusbazillus und weist auf gemeinsames Vor-
gehen hin. Das zeitige Frühjahr hält Verfasser für die günstige Arbeits-
zeit.
264. Wahl, B.e Bekämpfung der Feldmäuse mit chemischen
Mitteln. Österr. Handelsgöitner 1915, No. 2, S. 3. — Neben Bakterien-
präparaten werden empfohlen: Strychningetreide, Schwefelkohlenstoff,
Phosphorpillen und Pasten, Baryumkarbonatpillen, Mais mi; Phospor-
zink vergiftet. (10 & Ehosphorzink auf I kg Mais).
265. Derselbe. Die Bekämpfung der Wühlmäuse mis Bakterien.
Mitt. Pflanzenschutzstelle Wien 1916. — Da Mäusetyphus nicht immer
Erfolg gebracht hat, ist anzunehmen, daß der Köder den Mäusen
nicht zusagt. Es muß daher durch versuchsweises Auslegen ven Köder
festgestellt werden, welcher den Mäusen zusagt. Es folgen dann
Verhaltungsmaßregeln beim Gebrauch von Baz:llenkulturen.
266. Derselbe. Zur Mäusevertilgung mit Strychningetreide.
Nachr. D. L. G. Österreich 1918, Heft 36a. Mitt. d. landw. Pflanzen-
station Wien. Bericht über Versuche mit verschiedenen Strychnin-
pröparaven.
267. Derselbe. Mittel und Wege der Feldmäuesvertilgung.
Salzb. landw. Blätter 1919, 60.
268. Wahlenberg, Pachaly v. Mäusetyphus oder giftbespritzte
Saat. Z. Schl. 1903, S. 1590 —1592. — Verfasser zieht es vor, den Klee,
Roggen usw. durch Bespritzen mit Arsenbrühe zu vergiften, da ihm
der Typhusbazillus kein befriedigendes Ergebnis lieferte.
259. Wasmuth. Zur Vertilgung der Feldmäuse Ill. L. Ztz.
1917, 8. 544. — Verfasser gibt aus seiner Praxis an, daß er mit Mäuse-
9, Heft
126 Prof. Dr. R. Sehander und Dr. R. Meyer:
fallen sehr gute Resultate erzielt hat, ebenso durch das Aufstellen
von 21/,—3m hohen Sıitzstangen für Raubvögel. Mäusebazillen
wurden im Felde mit wechselndem Erfolge verwandt.
270. Weiß, J. Die Vertilgung der Feldmäuse. Prakö. Bl. Pfl.-
Pfl. 1900, 3. Jhg. 8.25, 26. — Kurze vergleichende Schätzung der
Brauchbarkeit der Phosphorpillen, des Strychninweizens, Mäuse-
typhusbazillus undArsenweizens. Diesen erklärt Weiß für sehr brauchbar.
271. Wiener, E. Die Mäuse- und Rattenplage. Zeitschr. landw.
Vers. Österreich 1902, Jhg. 5, S. 1009—1035. — Verfasser behandelt
die zur Bekämpfung der Ratten- und Mäuseplage dienenden Bazillen
und zeigt, daß die Bemühungen nach weiterer Differenzierung der zur
Coligruppe gehörenden Bazillen ziemlich wertlos ist, da dıe üblichen
Unterscheidungsmerkmale erheblich variieren. Ferner legt er dar,
wie an und für sich avirulante Bakterien durch geeignete Kulöur hohe
Viculanz erlangen und umgekehrt bei Übertragung von Tier zu Tier
derartig abgeschwächt. werden, daß sie nicht mehr infizierend wirken,
sondern wieder zu Saprophyten weıden.
272. Wolff, M. Zur Frage der Möusebekämpfung vermitsels
des Löftler’schen Mäusetyphusbazillus. Amtsbl. Landwk. Regierungs
bezirk Wiesbaden 1910, S. 9. — Es erwies sich als vorteilhafter, lebende
Mäuse direkt zu impfen als infizierte Brotwürfel auszulegen. Auf
einer Fläche von 27 Morgen wurden 150 geimpfte lebende Mäuse
ausgesetzt. Nach 8 Tagen waren alle Mäuse vernichtet.
273. Derselbe.e Land- und forstwirtschaftliche Nagetiere.
Flglb. 13, 1911 d. Abt. If. Pflanzenkrankh., Kaiser-Wilh.-Inst. Land-
wirtsch. Bromberg, Teil II, 1. Die Schlafmäuse und möuseartigen
Nager. — Flglb. 14, 1917, IL. Aufl. desselben Institutes, Teil II, 2. Die
mausartigen Muriden. -— Eingehende Behandlung aller Mäuseaiten
und ihre Bekämpfung. |
274. Zoltheiß, M. Vertilgung der Wühlmause M. D. G. 1903,
S. 67. — Empfiehlt Anlage von Fanglöchern von 50cm Breite und
40 cm Tiefe, in die Petersilienkraut und Sellerieknollen gegeben werden.
275. Zupnik, L. Über die prakt. Verwendbarkeit des Löffler’schen
Bazillus typhi murium. (Tepieni mysry za pomoca bakteryi choro-
botworezych. Lemberg 1895). — Zupnik bringt eire Zusammen-
stellung der Mäuseliteratur. Er hält den Löffler’schen Bazillus für das
beste Bekämpfungsmittel, da Feldversuche gute Resultate ergepen
haben.
276. Derselbe. Über die zweckmäßige Bekämpfung der Feld-
mäuseplage. : Österr. landw. Wochenbl. 24. Jhg. 1898, S. 91.
277. Zürner, E. Falle für Feld- und Waldmäuse. Naturw. Ztschr.
f. Land- und Forstw. 1903. Jhg. I, 8. 315. — Die Falle besteht aus
einem hohen, schmalen Kasten mit den Dimensionen 40:50:30 cm,
der an der oberen Schmalseite mit zwei spielenden, sich selbsttötig
schließenden Wippen verschlossen ist. Über diesen Wippen wird die
Falle mit einem an den Schmalsei5en offenen Kastendeckel verschlossen,
an dessen Unterseite der Köder (gelbe Rüben, mit Anisöl, verwitteıtes
Gebäck) befestigt wird. Die ganze Falle wird so tief in den Boden
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 127
eingesetzt, daß die Wippen bodeneben liegen und dann mit Streu,
Zweigen usw. überdeckt. Sie wirkt selbsttätig beliebig lange und wird
am besten alle 8—10 Tage entleert.
278. Anonym. Die Bekämpfung der Feldmäuse D. L. Pr.
1903, 30. Jhg., 8. 715. — Strychninweizen und Phosphorpillen wurden
mit geringem Erfolge, Phosphoiteig mit gutem Erfolge und ebenso
Fallen verwandt. Besonders bewähıt es sich, die Mittel in Drainröhren
auszulegen, wobei der Löffler’sche Mäusetyphus die besten Erfolge
zeitigte.
279. Anonym. Die Bekämpfung der Feldmäuse. 8. L. Ztg.
1903, 51. Jhg., 8.227, 228. — Günstiger Bericht über Löffler’schen
Mäusetyphus.
280. Anonym. Zur Bekämpfung der Feldmäuse D. L. Pı.
1903, 8. 141. — Die Anwendung des Löffler’schen Mäusetyphus wird
angelegentlichst empfohlen.
281. Anonym. Zur Bekämpfung der Feldmäuse. Ill. Landw.
Ztg. 1903, Jhg. 23, 8.205. — Löffler’scher Mäusetyphus empfohlen
(nebst Angaben über Anwendung), zur Vorbeuge der Mäuseplage.
D. L. Pr. 1903, Jhg. 30, 8.199. Wie voriges.
282. Anonym. Die zwangsweise Vertilgung der Feldmäuse
auf Grund bestehender Polizeiverordnungen. L. W. S. 1903, Jhg. 5,
8. 371, 372. — Hinweis auf bestehende Polizeiverordnungen in Sachsen,
durch welche zwangsweise Bekämpfung der Mäuse angeordnet werden
kann.
283. Die Zürnersche Falle für Wühl-, Wald- und Feldmäuse.
D. L. Pr. 1905, Jhg. 32, 8. 146.
284. Anonym. Zürner’sche Rattenfalle für Feld- und Wald-
mäuse. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1903, Jhg. 1, S. 96. — Siehe Zürner.
285. Anonym. Aufsreten der Feldmause. Prakt. Bl. Pfl.-Pfl.
1904, 5 123 — Enthält Hinweis auf Mäusetyphus und Baryum-
karbonat zur Bekämpfung der bevorstehenden Mäuseplage
286 Anonym. Herstellung von Baryumhaltigen Mäusebrot.
Prakt. Bl. Pfl.-Pfl. 1904, Jhg.2, 8.112. — Enthält die Anweisung
' für die. Herstellung des Mäusebrotes.
287. Anonym. Bekämpfung der Feldmäuse (campagnols).
Schweiz. Z. Obst, Weinbau 1905, Jhg. 14, 8. 138—142. — Auf-
zählung der verschiedenen Bekämpfungsmittel: 1. Fallen (Töpfe
mit Wasser, 2. Schwefelkohlenstoff, 3. chemische Gifte (Phosphor,
Arsenik), 4. Organische Gifte (Seidelbast, Colchium, Meerzwiebel,
Brechnus; diese bewährt sich sehr gut. Auf 10 kg Gewreide kommen
1kg Brechnus, 10 Ltr. Wasser und 10g Weinsieinsäure). 5. Virus
Danysz.
288. Anonym. Contro le arvicole. Atti de Congresso tenuto
in Argenta il 20. Dezember 1903. Ferrara (G. Bresciani). 1904, 66 8.
289. Anonym. Falle für Feldmäuse „Blitz“. Wien. landw.
Ztg. 1904, Jhg. 54. — Ein [I _|-förmiges Tongefäß, welches in
die Erde eingegraben wird. |
9, Neft
128 . Prof. Dr. R. Schander und Dr. R. Meyer:
290. Anonym. Räucherapparat „Vampyr‘“ gegen Feldmäuse,
Kaninchen usw. D.L.Pr. 1904, Jhg. 31, 8. 761, 762. — Eine sich
oben zu einem kegelförmigen Raume erweiternde Röhre mit auf-
sitzendem Blasebalg. Der konische Raum wird mit einem beim Ver-
brennen räuchernden Stoffe gefüllt, dessen Rauch durch den Blase-
balg in die Gänge der Nager gedrückt wird.
291. Anonym. Zur Vertilgung der Feldmäuse. Sächs. L. Ztschr.
1905, 8. 1064.
292. Anonym. Der Löffler’sche Mäusetyphusbazillus als Mittel
zur Vertilgung der Haus- und Feldmäuse. Sächs. Landw. Zöschr.
1906, Ihe. 54, 8. 1285—1287.
293. Anonym. La destruction des Mulots et campagnols. —
Cult. frangais. Lyon, 1911, Jhg. 5, S. 7. — Enthält nichts Neues.
294. Anonym. Disposition administrative pour la lutte contre
les campagnols en France. Journ. Agr. prat. Paris, Jhg. 1912. —
Die französische Regierung hat 25 Tausend Franken für Mäuse-
bekämpfung in den östlichen Provinzen zur Verfügung gestellt. Die
Landwirte erhalten für je 1ha eine Flasche Mäusevirus und 10 kg
Getreidekorn.
295. Anonym. Zur Bekämpfung der Mäuseplage. Pfalz, Wein-
und Obstbauzeitung 1913, No. 4, 5. 26-—29. — Verfasser gibt in der
Einleitung eine Zusammenstellung der Mäusefeinde und bespricht
dann die verschiedenen Möusebekämpfungsmittel wie Fallen, Gift,
Mäusetyphus, Räucherapparate, Schwefelkohlenstoff.
296. Anonym. Über Feldmäusebekämpfung. D. L. Pr. 1914,
41. Jhe., No. 26.
297. Anonym. Kredit für das französische Landwirtschafts-
ministerium zur Bekämpfung der Feldmäuse. Journ. of Rep. Lr.
1914, Jhg. 46, No. 10, 8. 314. Das Landwirtschaftsministerium erhält
einen außerordentlichen Kredit von 759000 Fr. zur Bekämpfung
der Feldmäuse.
298. Anonym. Kredit für das französische Landwirtschafts-
ministerium zur Bekämpfung der Feldmäuse. Journ. of Rep. Fr.
1914, Jhg. 46, No. 116, S. 3854. — Gewährung eines außerordentlichen
Kredites von 500000 Fr.
299. Anonym. Gegen die Feldmausplage. Landw. Wochenschr.
Prov. Sachsen 1915, S. 44. — Verfasser spricht darüber, daß die an
der Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft angestellten
Versucbe mit Mäusetyphusbazillen in Südharz, Wiesbaden, Neumark
keinen Erfolg gehabt haben. Dagegen hat sich Schwefelkohlenstoff
‚am besten bewährt und ist den anderen Giften vorzuziehen.
300. Anonym. Auslegung von Mäusetyphuskulturen mit
Kartoffelbrei. D. L. Pr. 1915, No. 96, $. 814. — Empfiehlt die An-
wendung von Kartoffelbrei an Stelle von Brot oder gequetschtem Hafer
und verweist im übrigen auf Flugblatt der Agrikultur-bot. Anstalt
München.
301. Anonym. Die Feldmäusebekämpfung während des Krieges.
D. L. Pr. 1916,.N0o,9.
Zur Bekämpfung der Feldmäuse. 129
302. Anonym. Die Bekämpfung des Mäuseschadens. Ill. Landvw.
Ztg. 1917, 3.27. — Verfasser bringt eine Zusammenstellung d. wiehtigsten
Mittel zur Mäusebekömpfung: 1. Hohenheimer Falle, 2. Mäusetyphus
(Kosten), 3. Ausräuchern, 4. Gifte, a) Sacharin-Strychninhafer und
Weizen, b) Bariumkarbonatbrot, c) Phosphorlatwerge, 5. Fanggräben.
303. Anonym. Die Bekämpfung der Feldmäuse. Ref. i. Mitt.
D.L. G. 1918, Heft 52, 5. 715. — Verfasser gibs ausführliche Vorschriften
für Anwendung des Mäusetyphusbazillus, empfiehlt auch Anlegen
von Fanggräben und Löchern, schließlich auch Strychninwruken,
Phosphorsyrup und Phosphormelasse und zum Schluß Schwefel-
kohlenstoff.
304. Anonym. Maßnahmen zur Bekämpfung der Mäuseplage.
Zeitschr. Landw. K. Prov. Schles. 1918, No. 41, 8. 703-704. —
Empfohlen wird Phosphorbrei, Löffler’scher Mäusetyphusbazillus,
Schwefelkohlenstoff, Holzfallen, Sammeln hinter dem Pfluge, angeraten
wird Abweiden des Stoppelklees sowie Schonung der natürlichen
Mäusefeinde.
305. Anonym. Auftreten der Feldmäuse. Mitt. Landw. K:
Sachsen-Gotha 1920, Heft 11/12, S. 88und H. 14, S. 114. — Heft 11/12.
Starkes Auftreten von Feldmöusen. Hinweis auf Pflanzenschutz-
station Gotha. — Heft 14: Empfohlen wird Mäusetyphus und Phosphor,
dieser nach der Strohhalmmethcode auszulegen.
306. Anonym. Feststellungen über das Auftreten von Feld-
mäusen im preußischen Staatsgebiet. D. L. Pr. 1920, 47. Jhg., No. 21,
und Ill. Landw. Ztg. 1920, 40. Jhg. No. 27128. — Zusammenstellung
der Stärke der Mäuseplage in den verschiedenen Provinzen.
307. Anonym. Klagen über das Auftreten von Mäusen. Landw.
Zeivschr. d. Rheinprov. 1920, Jhg. 21, S.401. — Es kommen wieder
von allen Seiten Klagen über das Auftreten von Mäusen. Empfohlen
wird daher für alle Mäuse Schwefelkohlenstoff, vergiftetes Getreide,
Typhuskulturen, für Wühlmäuse außerdem Abschießen, Giftköder,
Drahtschutzgeflechte an Obstbäumen.
308. Anonym. Bekämpfung der Feldmäuse. Mitt. Garten-,
Obst-, Weinbau (Berlin) 1920, No. 6, 8. 100—102.
309. Anonym. Feldmäuseplage in Salzburg. Wien. landw.
Z:g. 1920, 8.431. — Starkes Auftreten von Feldmäusen. Gefordert
werden besondere Vorschriften über Anzeigepflicht und Zwangs-
bekämpfung.
310. Anonym. Verbesserte Feldmausfalle Reform. Wien.
landw. Ztg. 7920, G. 74/75, 8.445, Abb. — Eine Verbesserung der
Hohenheimer Falle. Anstelle des Fadens ein an der Springfeder an-
gebrachter beweglicher Draht. Stück 10 Kr.
311. Anonym. Versuche mit Sokialkuchen zur Ratten- und
Mäusebekämpfung. Landw. Wochenschr. Prov. Sachsen, Jhg. 22,
1920, 8.6. — Negative Erfolge.
312. Anonym. Wacholder als Mäuseschutz. Mitt. Landw. K.
Sachsen-Gotha 1920, Heft 29, 8. 144. — Es wird empfohlen, Schober
iv fıt ‚schicht
ERS ee 2 9 9. Heft
130
Prof. Dr. R. Schander en Dr. R. Meyer.
60 cm hoch und den Erdboden darum in Breite von 30 cm mit Wacholder
zu bedecken.
dadurch ferngehalten.
313. Anonym. Zur Feldmausbekämpfung. (Aus dem Bakter.
Die Mäuse stechen sich an den Nadeln und werden
Institut). Landw. Wochenschr. f. d. Prov. Sachsen 22, 1920, 438.
Inhaltsübersicht.
Seite Seite
A. Allgemeines über Feldmäuse. AN RUPEEH Eee
1. Auftreten und Verbreitung . . 1| 5. Quecksilber . . . ......42
2. Mechanische Bekämpfungsmittel 4| 6. Strychnin . . 222.202. 44
3. Zueht und Pflege der Mäuse im a) Futterversuche m. Giftträgern 45
Taboraterum v2 un. 000% b) Festellung des Eindringens
4. Versuchsanstellung . . . ..9 von Strychnin in Getreide . 49
B. Die verschiedenen Bekämpfungs- OR üsterungsversuche m
mitten, Strychnin-Getreide. . . 55
1 Ben ORTE? Dave get Cyanverbindungen . . » ...70
a) Ersatzstoffe als Gittträger . 12 8. Mäusetyphus ESTER RER 73
b) Bariumkarbonat . . . . .16 2. Gasförmige Mittel ..,, er ER
c) Andere Bariumsalze . . . 23 a) Räucherapparate . . . . 80
2; PhosphatiniasuN. + AUTE 47 b) Schwefelwasserstoffpatronen . 83
a) Ersatzstoffe als Giftträger . 27 ©) Schwefelkohlenstoff RN (u =
b) Phosphorlatwerge 29 10. Verschiedene andere Mittel. . 85
ec) Phosphorpillen . . . . .35|C. Praktische Bekämpfung . .88
3. Arsen). lila Sr D.. Kiteraturübersicht -... „125.28
Das postembryonale Wachstum des deutschen
Schäferhundschädels.
Von
Alfred Becker.
(Mit 18 Textfiguren.)
1. Einleitung.
Über das Wachstum des Hundeschädels und seiner einzelnen
Knochen und die damit verbundenen Formveränderungen, wie die-
selben auf Grund der Bildungsgesetze vor sich gehen, ist von Hilz-
heimer und Studer in ihren Werken und Abhandlungen in ausführ-
licher Weise berichtet worder. Martin schreibt über dıs Wachstum
des Schädels der Säuger folgendes: „Die Formverschiedenheiten des
ganzen Schädels und seiner einzelnen Bestandteile erklären sich aus
der Anpassung an biologische und engere physiologische Verhältnisse.
Umänderungen in einer Gegend bezw. an einem Knochen haben
auch Formverschiebungen in der Nachbarschaft zum Folge. Außer
der Entwisklung des Gehirns und der Sinnesorgane ist namentlich die
Ausbildung des Gepisses, dann aber auch diejenige der Hörner und der
Nackenmuskuletur von Einfluß auf die Gestaltung des Kopfskelettes
der Säuger. Während beim Embryo und auch noch beim ganz jungen
Tier der Gehirnschädel an Größe den Nasenkieferschädel überwiegt,
findet später eine Massenverschiebung zugunsten des letzteren ssatt.
Nur bei der Katze und den kleinen Hunden bleibt der Gehirnschädel
im Verhältnis noch groß. Bei größeren Hunden, beim Schweine,
besonders aber bei den Pflanzenfressern nehmen die Kieferknochen
als Lager für die mächtigen Zähne bedeutenden Umfang an. Mit ihnen
verlängert sich die Nase.‘ — Es soll meine Aufgabe sein, festzustellen,
wie diese Vorgänge am Schädel des deutschen Schäferhundes im
Verlaufe der Entwicklung vor sich gehen. — Wöhrend Schmitt
das postembryonale Wachstum des Schädels einiger Haushundrassen
in drei Altersstufen -— ausgetragen, sechs Monate alt und ausgewachsen
— seiner Arbeit zu Grunde gelegt hat, sollen meine Unsersuchungen
über das postembryonale Wachstum des Schädels einer dem Wild-
hunde sehr ähnlichen Rasse, und zwar des deutschen Schäferhundes —
in 30 verschiedenen Altersstufen — Aufschluß geben. — Die Schäfer-
hunde werden zuerst aus der Bronzezeit erwähnt, man bezeichnet
sie daher als „Bronzehunde“. Jeitteles hat sie in den vorgeschicht-
lichen Ablagerungen der Stadt Olmütz entdeekt und sie zu Ehren
seiner Mutter Canis famiharis matris optimae genannt. Die heutigen
Schäferhunde sind wenig veränderte Nachkommen davon. Da der
9* 9,Illeft
132 Alfred Becker:
Ursitz der Bronzekultur im Osten zu suchen is5, so sind die Schäfer-
hunde nach historischer Auffassung eine Begleiterscheinung dieser in
Europ. eingedrungenen Kultur. Jeitteles führt daher den deutschen
Schäferhund auf den indischen Wolf (Canis pallipes) zurück, dessen
Verbreitungsgebiet sich über Indien bis zum Himalaya erstreckt.
In den prähistorischen Ablagerungen aus der Bronzezeit sind Reste
der Schäferhunde noch in weiter Verbreitung vorgefunden worden,
so in Bayern, am Genfer See, Starnberger See, in der Pfalz und im
Östseegebiet. Studer leitet den Canis famil. mair. opt. von einem
Hunde ab, der aus einer altsteinzeitlichen Ablagerung Nordwest-
rußlands stammöe und welchen Söuder Canis putiatıni nannte. Hilz-
heimer kommt nach seinen Untersuchungen und nach Studers
Ansicht zu dem Entschluß, daß der Canis jam. matr. opt. von einem
kleinen Wolfe abstammt, welcher Südschweden und die gegenüber-
liegenden Küstenländer bewohnt hat. Es soll hier nicht untersucht
werden, welche Ansicht die richtige ist, nur möchte ich erwähnen,
daß bei allen Autoren, welche sich mit der Abstammung der deutschen
Schäferhunde befaßt haben, kein Zweifel darüber besteht, daß der
deutsche Schäferhund der Nachkomme eines wolfartigen Wildhundes
ist. — Nach Brehms Tierleben gehört der deussche Schäferhund zur
Gruppe VI: „Schäferhunde‘“. Seine besonderen Eigenschaften, welche
Mut, Verständigkeit und große Wachsamkeit verraten, machen ihn
frühzeitig geeignes zum Hüten von Herden und haben ihm weiver ein
großes Feld zur Betätigung eingetragen.
Material.
Die Schädel der deutschen Schäferhunde, welche ich meinen Unter-
suchungen zu Grunde gelegt habe, sind von mir auf der Hauptsammel-
stelle der Fleischvernichtungsanstalt der Stadt Berlin gesammelt
worden und befinden sich im Märkischen Museum zu Berlin. Das
Material besteht aus 42 Schädeln. Das Alter variiert zwischen einigen
Stunden und etwa 12 Jahren. Von 30 Schädeln sind Maße genommen
worden; die übrigen, welche sich wegen Knochenbrüchen, Verletzungen
und Abweichungen in der Schädelform zur Abnahme der Maße nicht
eigneten, sind bei meinen weiteren Untersuchungen mit verwertet
worden. Bei den Schädeln, von welchen mir das Alter des betreffenden
Hundes nicht bekannt geworden ist, habe ich mich bemüht, dasselbe
nach Ellenberger und Baum, Kroon, Müller (Dresden) und
Boenisch festzustellen. — Ich komme später auf die Altersbestimmung
der Hunde nach den Zähnen zurück. — Dann is5 auch auf das Ge-
schlecht des Hundes, auf Größe, Form und Bau des Schädels bei der
Altersbestimmung Rücksicht genommen worden. Daß geschlechtliche
Unterschiede auch am Schädel vorhanden sein müssen, lehrt jeder
Gang durch eine Ausstellung, wo man bei einiger Übung schon allein
em Kopf den männlichen resp. weiblichen Hund erkennen kann.
(Zitiert nach Hilzheimer.) Einmal ist der Schädel des weiblichen
Hundes kürzer als der des männlichen, dann soll der Schädel des
weiblichen Hundes auch über der Stirn breiter sein, als der des männ-
Das postembryonale Waehstum des deutschen Schäferhundschädels. 133
lichen Hundes. (Zitiert nach Hilzheimer und Studer.) Auch habe
ich beim Bestimmen des Alters dem präparierten und nicht präparierten
Schädel meine besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Der in
der Entwicklung begriffene Zahn wird am nicht präparierten Schädel
von der harten, lederartigen Gaumenhaut bedeckt und es vergeht
eine längere Zeit, bis dieselbe von dem Zahne durchbohrt und der
Zahn sichtbar wird. Andererseits tritt am präparierten Schädel der
Zahn nach Entfernung der harten Gaumenhaut bereits in Erscheinung.
Man würde demnach versucht sein, den Hund auf Grund der sichtbaren
bleibenden Zähne am pröparierten Schädel bedeutend älter zu schätzen
als derselbe in Wirklichkeit ist.
Technik.
Bei der Vornahme der Messunger habe ich einen Meßkanon
für Hunde vermißt. Verschiedene Autoren geben garnicht oder nur zum
Teil an, wie sie ihre Messungen vorgenommen haben. Brinkmann
gibt in seinem Buche genauen Aufschluß, wie er die Maße genommen
hat. Daß es aber mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, einen
Meßkanon für Hunde aufzussellen, ist mir selbst bei meinen Messungen
klar geworden. Merkmale am jugendlichen Schädel sind im Alter ver-
schwunden, und wiederum Merkmale am Schädel älterer Hunde
fehlen den jugendlichen. Auch durch das verschiedene Wachstum
der Schädelknochen und das dadurch bedingte Verschieben der einzelnen
Meßpunkte, kann das für einen jugendlichen Schädel festgelegte Maß
für den alten Schädel unbrauchbar werden. Manche Autoren haben
daher durch Anlage von Hilfslirien Punkte festgelegt, um ein Maß
zu erhalten, welches sich für junge und alte Hunde eignet. Wie ver-
schieden einzelne Maße genommen werden, darüber ein Beispiel. Die
meisten Autoren messen die Hirnschädellänge vom dorsalen Rand
des Foram. magn. bis zur Sutura frontonasalis, und die Gesichts-
schädellänge von letzterem Punkte bis zum oralen Rand des J; Alveols.
Andere Autoren messen die Hirnschädellänge von Protuberantia
oceipit. ex5ern. bis zur Sutura fronto-nasalis, und die Gesichtsschädel-
länge von letzterem Punkte bis zur Incisura nasalis oss. nasal. Solche
verschieden genommenen Maße lassen sich niemals miteinander ver-
gleichen. Ich habe folgende Maße genommen:
Schädel und Oberkiefer. 1. Totallänge. Vom Mittelpunkte
der Protuberantia oceipit. extern. bis an den oralen Rand des J, Alveols.
— 2. Basilarlänge. Vom ventralen Rande des Foram. magn. bis an
den oralen Rand des J, Alveols. — 3. Basikranialachse. Vom ventralen
Rand des Foram. magn. bis zur Basi-Präsphenoidsutur. — 4. Bası-
facialachse. Von der Basi-Präsphenoidsutur bis an den oralen Rand
des J,Alveols. — 5. Länge des Basioccipitale. — 6. Länge des
Os sphenoidal. post. — 7. Länge des Os sphenoidal. ant. — 8. Ab-
stand des aboralen Randes des Palatin. vom ventralen Rande des
Foram. magn. — 9. Gaumenlänge. Vom aboralen Rand des Palatin.
bis an den oralen Rand des J,Alveols. — 10. Größte Breite des
Gaumens: Am äußeren Alveolarrande gemessen. — 11. Hirnschädel-
9. Heft
134 Alfred Becker:
e
länge: Vom dorsalen Rand des Foram. magn. bis zur Sutura fronto-
nasalis. — 12. Gesichtsschädellänge: Von der Sutura fronto-nasalis
bis an den oralen Rand des J, Alveols. — 13. Größte Breite des
Schädels: Zwischen den Sutur. squamos. gemessen. — 14. Breite
über den Gehöröffnungen. — 15. Schläfenenge: Aboral d. Proc.
zygomat. os. front. gemessen. — 16. Jochbogenbreite. — 17. Stirn-
breite: Im jugendlichen Alter an der breitesten Stelle zwischen den
Orbitae, später, zwischen den Proc. zygomat. os. front. (Postorbital-
fortsätze der Zoologen) gemessen. — 18. Geringste Breite zwischen
den Orbitae: Am Orbitalrande oral d. Proc. zygomat. os. front. ge-
messen. -— 19. Breite zwischen den Foram. infraorbital. —
20. Schädelhöhe: Von der Basi-Präsphenoidsutur bis zum Kreuzungs-
punkte der Sutura eoronalis mit der Sutura sagittalis. — 21. Gesichts-
höhe: Vom Gaumen senkrecht zur Sutura fronto-nasalis gemessen.
Mit dem Vorrücken des Gaumens verschiebt sich der Meßpunkt am
Gaumen immer mehr dem aboralen Ende des Gaumens zu. —
22 Höhe des Os oceipitale: Vom dorsalen Rande des Foram. magn'
bis zur Protuberant oceipit. extern. — 23. Breite des Os oceipitale.
-— 24. Höhe des Foramen magnum. — 25. Breite des Foramen
magnum. — 26. Länge des Os interparietale. — 27. Länge der Ossa
parietalia: Längs der Sutura resp.Crista sagittalis gemessen. —
28. Länge der Ossa frontis: Längs der Sutura frontal gemessen. —
29. Lönge der Ossa nasalia: Längs der Sutura nasalis gemessen. —
30. Breite der Ossa nasalia. — 31. Abstand deı Ossa nasalia vom
oralen Rand des J, Alveols. — 32. Schnauzenlänge: Vom oralen
Rande d. Orbita bis zum oralen Rande des J, Alveols. — 33. Schnauzen-
breite: Zwischen den äußeren Alveolarrändern hinter den Eckzähnen
gemessen. — 34. Länge der Backzahnreihe. Kronenmaß. — 35.Länge
der Molaren. Kronenmaß. — 36. Länge des Reißzahnes. Kronenmaß.
-— 37. Breite des Reißzahnes. Ohne inneren Vorsprung. — 38. Länge
der Molaren + Reißzahn. Kronenmaß. — 39. Länge der Prämolaren.
Unterkiefer. 40. Totallänge: Von der aborelen Spitze des
Proc. angularis nis an den oralen Rand des J, Alveols. — 41. Höhe
des aufsteigenden Astes: Vom ventralen Rand des Proc. angular.
bis zum dorsalen Rand des Proc. coronoid. — 42. Abstand des ven-
tralen Randes des Proc. angular. vom dorsalen Rande des Proc. con-
dyloid. — 43 Breite des Proc condyloid. — 44. Breite des auf-
steigenden Astes: Oberhalb des Proc. condyl. gemessen. — 45. Breite
des aufsteigenden Astes inkl. Proc. condyloid. — 46. Höhe des
. Kiefers: Aboral von M, gemessen. — 47. Höhe des Kiefers: Oral
des Foram. mentale gemessen. — 48. Länge der Backzahnreihe:
Kronenmaß. — 49. Länge von M, + M,. Kronenmaß. — 50. Länge
des Reißzahnes. — 51. Breite des Reißzahnes: Ohne inneren Vor-
sprung. — 53. Länge von M;+3-+ Reißzahn. Kronenmaß. —-
53. Länge der Prämolaren. — 54. Maximale Dicke des Kiefers.
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 135
II. A. Das Wachstum des Schäferhundschädels, morphologisch
geschildert.
Im Verlaufe des Wachstums und der Eniwicklung des Schädels
und seiner einzelnen Knochen lassen sich vier Abschnitte unterscheiden:
l. Die Zeit von der Geburt bis zum Beginn des Zahnwechsels, einem
Alter bis etwa vier Monaten entsprechend. Ich bezeichne diesen Zeit-
raum als „Jugendstadium“. — 2. Die Zeit während des Zahnwechsels
bis zum vollständig entwickelten Gebisse, entsprechend einem Alter
von etwa vier Monaten bis etwa neun Monaten. Diesen Zeitraum
nenne ich „Entwicklungsstadium“. — 3. Die Zeit nach dem Zahn-
wechsel. entsprechend einem Alter von etwa neun Monaten bis etwa
fünf Jahren. — 4. Das Alter. Übeı fünf Jahre alt.
l. Jugendstadium.
Ehe wir uns der Beschreibung der einzelnen Schädel zuwenden,
schicken wir die besonderen Merkmale, welche dıe Schädel in diesem
Stadium kennzeichnen, voraus. — Der knöcherne Hirnschädel besitzt
die kugelliche Blasenform des von ihm eingeschlossenen Gehirns;
derselbe überragt ganz bedeutend den Gesichtsschädel, Im Laufe deı
Entwicklung nimmt der Schädel an Länge zu, und zwar der Gesichts-
schödel in bedeutend stärkerem Maße als der Gehirnschädel. Da nun
der junge Hund mit seinem Gebiß wenig zu leisten hat, fehlen auch
am Schädel für die Kaumuskeln besondere Anheftungsstellen. Der
Schädel bleibt während dieses Stadiums glatt und ohne jede Erhaben-
heiten, sodaß wir allein hieraus den Schödel des jungen Schöferhundes,
ohne die Zähne zu berücksichtigen, erkennen können.
Fig. 3.
Der Schädel des deutschen Schäferhundes zeigt schon bei deı
Geburt eine etwas gestreckte Form. Der Hirnschädel überragt bei
weitem den Gesichtsschäd.l. Die Hirnkapsel isc seivlich zusammen-
gedrückt und bildet ein flach kuppelig gewölbtes Dach, welches nach
den lateralen Flächen steil abfällt. Die aborale Fläche geht allmählich
abfallend in das schräg von oro-dorsal nach avoro-ventral gestellte
9. Heft
136 Alfred Becker:
Planum nuchale übeı, dagegen wird durch die plötzliche Senkung
der aboralen Fläche eine deusliche Einknickung ausgeprägt, sodaß
die Profillinie der Dorsalfläche des Schädels stark eingebogen erscheint.
(Fig. 3.) Der Querdurchmesser des Schödeldaches ist im Bereiche der
Ossa parietalia etwas größer als in dem der Ossa frontis. Der aborale
Rand der Scheitel- und Schläfenbeine ist bereiss stark aufgeworfen,
sodaß das Planum parietale von dem Planum nuchale scharf getrennt
ist. Derselbe verläuft zuerst lateral, dann oral und endet an der Pars
mastoid. in dem bereits stark hervorspringenden Processus mastoid.
Auf beiden lateralen Flächen des Schädels machen sich die Lineae
temporales in einem nach oben gekrümmten Bogen bemerkbar. Die
Nähte der das Schädeldach bildenden Knochen sind geschlossen.
Os oceipicale ist noch in seine vier Teile getrennt. Die Squama oceipit.
bildet eine dreieckige Knochentafel, deren Spitze ventral gerichtet ist
und auf welcher sich am dorsalen Ende die Protuberantia occipit. als
kleiner, stumpfer Höcker bemerkbar macht. Von letzterem ziehen
sich nach beiden Seiten und nach der ventralen Spitze feine, spitz
auslaufende, kleine Kämme hin. Der Processus interparietal., welcher
ohne sichibare Naht mit der Squama oceipit. verwachsen ist, schiebt
sich als flacher, keilförmiger und oral stumpf abgerundeter Knochen-
fortsatz zwischen die Scheitelbeine ein, ohne daß derselbe seine Um-
gebung durch Stärke überragt. Squama oeeipit. ist von den Partes
laterales und letztere von der Squama temporal. durch einen 2—4 mm
breiten knorpeligen Saum getrennt. Ebenso ist der länglich viereckige,
etwas gewölkte Processus basilaris durch eine knerpelige Wand vom
Cavum tympani, von den Partes lateral. os. occipit. und von dem
Os sphenoid.pos5. geschieden. In der Mitte des Processus basilar.
zieht sich vom oralen Ende aboralwärts ein feiner Kamm hin. welcher
sich ungefähr in der Mitte des Knochens verflächt. Die Processus
condyloid. sind deutlich entwickelt. Zwischen dieselben schie»t sich
halbkreisförmig der Processus basilar. ein und hilft somit den ventralen
Rand des Foramen magnum bilden. — Os spheneid. post. is5 von
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 137
seiner Umgebung durch einen Knorpelsaum getrennt. Os sphenoid. ant.
und Vomer sird vom Gaumengewölbe vollständig bedeckt. Dasrundlich-
ovale Cavum tympanı wird durch einen knöchernen Ring dargestellt,
während das Lumen durch eine feine, bindegewebige Scheibe ver-
schlossen ist, durch welche die Gehörknöchelchen sichthar sind. Die
Sutura spheno-cceipit. liegt etwas oral der Mitte zwischen den beiden
Cava tympani. Die Längenachse der letzteren näheıt sich der Quer-
ach:e des Schädel... Der Processus jugularis ist von dem Cav. tympan.
durch einen breiten Knorpelsaum getrennt und liegö medial am aboralen
Rende desselben. Die aboralen Ränder der Ossa pterygoid. und die
oralen Ränder der Cava tympani liegen in einer geraden Linie. Die
Processus postglenoid. stoßen mit dem medialen Ende ar: die Mitte der
oro-lateralen Ränder der Cava tympani, während der übrige Teil
durch einen Knorpelsaum von letzteren geschieden ist. — Die Stirn-
beine besitzen durch den plötzlichen Abfall des Schädeldaches eine
starke Einknickung und sind beiderseits beulenarsig bervorgewölbt.
Deı Orbitalrand ist scharf ausgeprägt und geht ohne irgend eine Eı-
hebung in die Sutura coronalis über, welche in ihrem weiteren Verlauf
quer über den Schädel läuft. Die Augenhöhlen besitzen ihren größten
Durchmesser von oro-dorsal nach aboro-ventral. — Die Processus
frontal. der Nasenbeine springen stark empor und liegen dem oralen
Rande der Stinnbeine auf, so daß letzteıe hier stark eingedrückt sind.
Die Nasenbeine sind schwach gewölbt. ‘Die Sutura nasalıs ist breit
und tief eingezogen. Die lateralen Ränder lauten parallel. Durch eine
Furche, welche quer über den Gesichtsschädel oral von dem Foram.
infraorbit. verläuft und in die Fossa maxillaris endet, werden die Nasen-
beine ungefähr in der Mitte ihres Längendurchmessers eingeschnürt.
Die Processus frontal. der Oberkieferbeine sind gleichfalls dem oralen
Rande der Stirnbeine aufgelagert, sodaß auch hier letztere stark
eingebogen sind. Die aboralen Spitzen der Processus frontal. der Nasen-
und Oberkieferbeine liegen in einer geraden Linie. Die Nasen-, Ober-
kiefer- und Siirnbeine sind durch feine Bindegewebsscheiben von
einander getrennt. Ganz besonders in die Augen springend ist die tief
hinabsteigende Backzahnpartie der Oberkieferbeine und der weit übeı
die Gaumenfläche hervorragende Alveolarrand. Letzterer bildet
daher eine in der Fovea maxillar. rechtwinkelig gebrochene Linie.
Der laterale Teil des Alveolarrandes ist stark eingewickelt und über-
ragt den medialen bei weitem. Der Nasenteil des Oberkieferbeines
trägt jederseits stark aufgetriebene, quer zur Gesichtsfläche verlaufende
Wülste, die Canin-Alveolen. An der Verbindungsstelle der Stirn-,
Oberkiefer-, Tränen- und Jochbeine befindet sich eine löngliche Binde-
gewebsplatte. Die Processus palatin. deı Oberkieferbeine stellen
schwach konkav gebogere Platten dar. Die medialen Ränder liegen
übereinander, und zwar liegt der aborale größere Teil dem gegen-
überliegenden Rande auf, während dies bei dem oralen kleineren
Teile umgekehrt der Fall ist. Auf der Gaumenfläche verlaufen zwei
ziemlich starke Knochenleisten, welche, an dem lingualen Incisiv-
alveolarrande entspringend, parallel neben den Backzahnalveolar-
9, Heft
138 Alired Becker:
rändern verlaufen und ungefähr in der Mitte des Gaumens plötzlich
rechtwinkelig abfallen, um in sine länglich flache Mulde überzugehen,
welche aboral allmählich verschwindet. Die Alveolen für die Milch-
backzähne sind groß angelegt. Das Lumen ist durch eire feine Binde-
gewebsscheibe verschlossen, durch welche die Spitze des Zabnes als
weißer Punk5 sichöbar ist. Der aborale Rand des Milchreißzahnalveols
schließt mit dem apor.len Rand des Processus alveolar. der Oberkiefer-
peine ab (Fig. 1). — Die Pai5es horizontal. oss. palatin. »ilden eine
unregelmäßig kıeisförmige Platte, welche mi5 ihıen Röndern der Um-
gebung aufliegt. Die Sutura palasina irt geschlossen und stark «inge-
zogen. Mit seinem aboralen Rande ragt das Palatin. bogenförmig
und weit in den Choanenraum hinein. Letzöerer ist breiter wie lang.
Die Mundhöhlenfläche der Zwischenkieferbeine ist suark ausgehöhlt.
Die Körper laufen oral und ventral in einem spitzen Bogen dergestalt
zusammen, daß die Spitze weit nach vorn überhängt. Die Nasenöffnung
ist breiter als hoch. Der orale Rand der Zwischenkieferbeine überragt
nur sehr wenig den oralen Rand der Nasenbeine. Die oralen Ränder
der Proc. palatin. der Oberkieferbeine sind den Proc. palatin. der
Zwischenkieferbeine aufgelagert. — Der Arcus zygomaticus verläuft
der Längsachse des Schädels parallel. Der Processus orbitalis ist bereits
deutlich ausgebildet und neigt sich medialwärts. — Die Basis cranii
externa und das Planum palatinum liegen in verschiedenen Ebenen.
Letzteres liegt mehr ventral als erstere und ist gerade gerichtet. Basis
ceranil ist schwach dorsal gewölbt. — Der Unterkiefer zeigt eine ge-
drungene Gestalt. Die beiden horizontalen Äste stoßen in einem etwas
zugespitzten Bogen in dem Corpus mandibulae zusammen. Letz5erer
ist aboral des Incisivalveolarrandes etwas eingeschnürt, dorso-ventral
zusammengedrückt und verhältnismäßig breit. Die dorsale und venirale
Fläche ist schwach gewölbt. Der ventrale Rand des horizontalen Astes
ist stark gewulstet. Letzterer isöstark gewölbt und kurz vor dem aboralen
Ende stark eingeschnürt, um in den in eine stumpfe Spitze endenden
Proc. angularis überzugehen. Proc. condyloid. und angular. liegen
dicht zusammen. Durch eine ganz kurze flache Aushöhlung werden
dieselben von einander getrennt. Der Alveolarrand ist schwach konkav,
der laterale Rand überragt bei weitem .den medialen. Der Alveolar-
raum zieht sich bis in die Mitte der lingualen Fläche des Ramus ascendens
hin. Die Alveolarränder stehen weiter auseinander als die ventralen
Ränder. Die lateralen und medialen Flächen der horizontelen Aste
sind stark gewölbt. Die maximale Dicke des Kiefers liest im Bereiche
des Milchreißzahnalveols.
Der Gesichtsschädel des etwa vier Wochen alten Schäfer-
hundes hat an Länge zugenommen, doch überrast der kugelige Gehirn-
schädel noch bedeutend den Gesichtsschädel. — Die breiten Knorpel-
scheiben zwischen den vier Teilen des Occipitale und seiner Umgebung
sind schmäler geworden. Die betreffenden Knochen sind nur noch
durch einen feinen Knorpelsaum von einander getrennt. Die aboralen
Rönder der Scheitel- und Schläfenbeine verlaufen in einem schwachen
Bogen zuerst ventral und dann medial. Die Protuberantia oceipit.
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 139
hat sich zu einem kleinen Wulste ausgebildet und gehoben, so daß
das Planum nuchale jetzt senkrecht gestellt ist. Der ventrale Rand der
Squama hat sich stark verbreitert und ist aboral ausgezogen. Von der
Protuberantia läuft eine kammartige Linie zum Foram. magn., welche
in der Mitte durch eine glatte halbkugelige Hervorragung unterbrochen
ist. Durch letztere und durch den aboral ausgezogenen ventralen Rand
der Squamıa ist eine flache Grube entstanden. Die Condyli haben an
Form und Schärfe zugenommen und sich ventral genähert, so daß der
Proc. basilar. mit seinem aboralen dreieckigen Ende nur noch mit
der Spitze an das Foram. magn. heranreicht. Der Proc. basilar. ist
bedeutend breiter und länger geworden und hat sich den Bullae osseae
genähert. Nahe den verdickten und ventral aufgebogenen Seitenröndern
desselben, in der Gegend der Pars tympanic. der Schläfenbeine ist
jederseits ein Muskelhöcker entstanden, so daß die Mitte der Außen-
fläche des Proc. basilar. eingeschnürt erscheint. Die Bullae sind voll-
ständig verknöchert und besitzen eine glatte, kugelige und länglich
ovale Form. Durch einein der Längsachse verlaufende schwache Furche
werden dieselben in eine aboıo-mediale höhere und in eine oro-laterale
niedrigere Hälfte geteilt. Die aboralen Ränder sind von den Proc.
jugular. gekrönt. Die lateralen Flächen haben sich mit den Partes
mastoid. der Schläfenbeine vereinigt, welche in der Verknöcherung
fortgeschritten sind. Die Längsachse der Bullae hat sich der Längs-
achse des Schädels genähert. Die Sutura spheno-oceipit. und die
oralen Ränder der Bullae liegen in einer geraden Linie. Die Processus
pestglenoid. sind von den Bullae durch eine tiefe Aushöhlung getrennt.
Die medialen Spitzen der ersteren stoßen an die oralen Rönder der
Bullae. Die Ossa pterygoid. sind von den Bwllae weit abgerückt. —
Os sphenoid. ant. ist als schmaler Stift zur Hälfte sichtbar geworden.
Die Nähte der Basis cranii sind noch weit. Der Choanengang ist so
lang wie breit. — Im Bereiche der Schläfenbeine ist der Schädel breiter
Y, Heft
140 Alfred Becker:
geworden. Die Gegend, in der die Stirn- und Nasenbeine zusammen-
stoßen, hat sich etwas gehoben, so daß der Hirnschädel in einem
schwach ventral gewölbten Bogen in den Gesichtsschädel übergeht.
(Fig. 4.) Die Process. frontal. der Nasenbeine sind spitz ausgewachsen,
eingeengt und medial etwas eingesunken. Die lateralen Ränder der
Nasenbeine divergieren nach der Nasenöffnung zu. Die oralen Ränder
haben sich etwas gehoben. Die Processus frontal. oss. maxillar. sind
in die Stirnbeine hineingewachsen und überragen die Nasenbeine
um 4mm. Der Nasen- und Backzahrteil der Oberkieferbeine ist noch
scharf ausgeprögt. Die Zwischenkieferbeine haben sich oral halb-
kreisförmig verlängert und überragen weit die Nasenbeine, so daß
die Nasenöffnung an Umfang zugenommen hat. Die Naht zwischen
den Körpern der Zwischenkieferbeine ist geschlossen und auf der Nasen-
fläche stark eingezogen. Dadurch, daß sich die Gegend, wo Nasen-
und Stirnbeine zusammenstoßen, gehoben hat, ist auch der Längen-
durchmesser der Orbitae in Mitleidenschaft gezogen worden. Derselbe
verlöuft jetzt von oro-veniral nach aboro-dorsal. Die Verknöcherung
in der Gegend des vorderen Augenrandes hat weitere Fortschritte
gemacht. — Das Gaumengewölbe ist noch sehr breit. Das bei der
Geburt des Hundes weit in den Choanenraum hineinragende Palatin.
hat sich oral zurückgezogen und ıagt nur noch wenig in denselben
hinein. An den aboralen Enden der Proc. alveolar. der Oberkiefer-
beine haben sich sehr dünnwandige Knochenfortsätze entwickelt,
welche weit in die Orbitae hineinragen (Tuber maxillare). Der Joch-
bogen hat sich bedeutend aufgerichtet. Durch die Breitenzunahme
des Schädels zwischen den Schläfenbeinen sind auch die Proc. zygomat.
oss.temp. nach außen gedrängt worden. Der weitere Verlauf des
Jochbogens ist daher medial gerichtet. In der Gegend der Proc. orbital.
oss. zygomat. haben die medialen Flächen der letzteren eine seichte
Ausbuchtung erfahren. — Der Unterkiefer hat eine schlankere Form
angenommen. Die jetzt in einem spitzen Winkel zusammenstoßenden
horizontalen Äste sind höher geworden; die lateralen und medialen
Flächen fallen ziemlich steil ab; der ventrale Rand ist noch stark ge-
wölbt. Der Alveolarrand geht in einem ganz schwach ventral gewölbten
Bogen in den oralen Rand des Ramus ascend. über. Der Proc. angular.
ist spitzer geworden und hat sich weiter von dem Condylus entfernt.
Die Mundhöhlenfläche des Körpers ist schwach ausgehöhlt, während
die Lippenfläche stark gewölbt ist.
Der noch vollständig glatte Gehirnschädel des etwa sechs
. Wochen alten Hundes hat sich gestreckt und die Form einer Birne
angenommen. Das Längenwachstum des Gesichtsschädels ist weıter
fortgeschritten. — Die Nähte des Oceipitale sind geschlossen. Auf-
fallend an diesem Schädel ist das dorsal spitz zulaufende Foram. magn.
Die aboralen Ränder der Scheitel- und Schläfenbeine haben sich zu
kleinen Leisten entwickelt; dieselben verlaufen jetzt in einer geraden
Linie lateral und ventral, um dann in einem kurzen Bogen in dem
Proc. mastoid. zu enden. Die Protuberantia oceipit. hat sich weiter
vergrößert und überragt aboral das Planum nuchale. Basi-occipitale
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 141
und Os sphenoid. post. haben an Breite zugenommen, Os sphenoid. ant.
ist weiter sichtbar geworden. Die Nähte zwischen diesen Knochen
sind noch weit. Der Choanengang ist länger wie breit. Die Wölbung
der Basis cranii hat zugenommen, — Die Gegend, in der die Stirn-
und Nasenbeine zusammenstoßen, hat sich weiter gehoben, so daß
der Hirnschädel fast in einer geraden Linie in den Gesichtsschädel
übergeht (Fig.5). Der Orbitalrand hat an Schärfe zugenommen.
Die Proc. frontaı. der Nasenbeine haben sich weiter in die Stirnbeine
hineingeschoben, so daß die aboralen Spitzen mit denen der Proc.
frontal. der Oberkieferbeine in einer geraden Linie liegen. Die jetzt
zackigen Suturae coronales laufen in einem schwach aboral gewölbten
Bogen auf der Mitte des Schädeldaches zusammen. Das Gaumen-
gewölbe ist schwach ausgehöhlt. Die Nähte desselben sind enger ge-
worden; der aborale Rand ragt noch in einem schwach aboral gewölbten
Bogen in den Choanenraum hinein. — Der Unterkiefer hat sıch weiter
gestreckt. Der ventrale Rand geht in einem stark gewölbten Bogen
in den Lippenteil über. Der Proc. angular. hat sich weiter vom Con-
dylus entfernt.
Der Gesichtsschädel des etwa zwei Monate alten Hundes
hat weiter an Länge zugenommen, so daß der Schädel eine schlankere
Form angenommen hat. Die Gegend der Sutura naso-frontalis hat
sich weiter gehoben. Die Profillinie des Schädels geht in einem ganz
schwach dorsal gewölbten Bogen vom Schädeldache in die Nasenbeine
über; dieselbe erreicht in der Mitte der Nasenbeine die tiefste Stelle,
um gegen die Nasenöffnung etwas anzusteigen (Fig. 6). Die Sutura
frontalis ist in ihrem oralen Teil stark eingezogen, so daß die Proc.
nasal. der Stirnbeine gewölbt sind. Am dorsalen Orbitalrande hat
sich am aboralen Ende ein ganz kleiner stumpfer Höcker entwickelt,
aboral des letzteren ist eine kleine ganz flache Furche in Erscheinung
getreten, die Anlage der späteren Schläfenenge. Die Backzahn- und
9. Heft
142 Alfred Becker:
Nasenteile der Oberkieferbeine haben sich mehr ausgeglichen. Die
lateralen Flächen der letzteren fallen in einem flach gewölbten Bogen
nach den Alveolarräöndern ab. Die Mundhöhlenfläche der Zwischen-
kieferbeine isö noch schwach gewölbt; die dorsale Fläche hat sich mehr
abgeflacht, so daß die Sutura nicht mehr so tief eingezogen eıscheint.
Die medialen Flächen der Proc. nasal. oss. intermaxillar. sind an ihrem
veniralen Ende stark ausgehöhlt, so daß die Nasenöffnung ventral
breiter geworden ist. Das Gaumengewölbe ist schmäler geworden
und hıt die Form »iner Lyra angenommen, der aborale Rand schließt
in einer geraden Linie ab. Die Nähte sind geschlossen.
Fig.-6.
Der Schädel des etwa drei Monate alten Hundes hat
weiter an Länge zugenommen, der Gesichtsschädel mehr als der Gehirn-
schädel, jedoch überragt letzterer ersteren noch bedeutend, Die Basis
interparietal. beginnt sich zu heben. Einmal hat sich der Proe. inter-
parietal. weiter auf das Schädeldach zwischen die Scheitelbeine ge-
schoben und tritt jetzt als flacher Wulst über dieselben hervor, dann
hat die Protuberantia oceipi5. an Größe zugenommen und beginnt gegen
das Planum nuchale überzuhängen. Die aboralen Ränder der Scheitel-
und Schläfenbeine sind schärfer ausgeprägt und mit rauhen Stellen
bedeckt. Durch das Emporwachsen der Basis interparietal. und durch
die Zunahme der Schädelbreite zwischen den Schläfenbeinen verlaufen
diese Ränder jetzt in einem schwach ausgehöhlten Bogen der P.rs
mastoid. zu. Die Nähte des Sphenoidale sind noch breit, ebenso ist
die Verbindung des letzteren mit der Umgebung nich eine lockere.
Die Basis cranii exierna hıt weiter an Wölbung zugenommen. Die
hochste Stelle liegt in der Gegend der Sphenoidsutur, am sich von doıt
cral allmöhlich wieder zu senken. Die Sutura palatin. ist zu einem
schwachen Kamme emporgewachsen, welcher sich aboral als kleiner
Fortsatz in den Choanenraum hineinschiebt, dadurch den akoralen
Rand des Gaumengewölbes in zwei halbkreisfömige Ausschnitte
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 143
teilend. Der Gehirnschädel geht in einem dorsal gewölbten Bogen in
den Gesichtsschädel über (Fig. 7), bedingt durch das weitere Ansteigen
der Gegend, in welcher die Stirn- und Nasenbeine zusammenstoßen.
Der Jochbogen hat sich weiter stark aufgerichtet. Der Proc. orbital.
os. zygomat. ist größer und breiter geworden und hat sich mehr dem
Schädel zugewendet. Die dorsalen Ränder des Jochbogens stehen
jetzt mehr medial als die ventralen.
Fig.7.
2. Entwicklungsstadium.
Betrachten wir zunächst die besonderen Merkmale, welche die
Schädel dieser Gruppe kennzeichnen. — Der Gesichtsschädel nimmt
in diesem Zeitraum weiter in stärkerem Maße an Länge zu als der
Gehirnschädel; am Ende des Entwicklungsstadiums überragt der
letzsere nur noch wenig den Gesichtsschödel. Diese Form bleibt nun
gewahrt. Da die Kiefer je.zt mehr Arbeit zu leisten haben, bedarf
der Schädel auch einer kräftigeren Muskulatur. Die Kaumuskein,
welche sich am Unterkiefer am aufsteigenden Aste, am venvralen
Rande und am Proc. angular., am Schädel an den lateralen Flächen
anheften, modellieren durch Zug und Druck den Gehirnschädel. Da
die glatte Oberfläche desselben für die mächtigen Muskeln keine ge-
nügenden Anheftungsstellen bietet, entstehen auf dem Schädel Kömme
und Leisten. Da ferner durch die Längenzunahme der Kiefer und durch
die Entwicklung der mächtigen Zähne der Schädel viel zu schwer würde,
nehmen die Sinus frontales bedeutend an Größe zu.
Mit dem Beginn des Zahnwechsels machen sich auf dem
Schädeldache des drei bis vier Monate alten Hundes zwei
breite Linien bemerkbar, welche, am dorsalen Orbitalrande entspringend,
in einem ganz schwach medial gewölbten Bogen aboral verlaufen,
um sich auf den lateralen Flächen der Scheitelbeine allmählich zu
verlieren (Fig. 10). Der Proc. zygomatic. der Stirnbeine hat an Größe
9. Heft
144 Alfred Becker:
und Breite zugenommen, dementsprechend tritt die Schläfenenge
jetzt als kleine flache Mulde deutlich hervor. — Deı Proc. zygomatic.
der Stirnbeine ist am Schädel des 4—5 Monate alten Hundes zu einem
dreieckigen spitzen Höcker ausgewachsen, Seine Spitze has sich ge-
senkt. Die Schläfenenge hat an Tiefe zugenommen. Die beiden über
das Schädeldach verlaufenden Linien haben sich zu schwachen, ganz
flach über die Schädeloberfläche hervorıagenden Erhabenheiten ent-
Fig. 10.
wickelt. Am Proc. zygomatie. os. front. entspringend, nähern sie sich
aboral und verlieren sich zu beiden Seiten des Proc. interparietal.
(Fig. 11). Die Stirnbeine haben sich zwischen den Proc. zygomatic.
gehoben und gewölbt. Die Sutura frontalisist eingesunken. Der äußerst
dünnwandige Fortsatz am aboralen Ende des Proc. alvevlaı. der Ober-
kieferbeine hat sich bedeutend zurückgebildet, die Spitze etwas medial
gerichtet. Durch die dünnen Wandungen sieht man zwei ovale dunkel
gefärbte Platten hindurchschimmern, die Anlage der Molaren. Die
Basis cranii externa hat sich gestreckt.
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 145
'Anlangend den Schädel des fünf bis sechs Monate alten
Hundes, so hat sich die Protuberantia oceipit. zu einem breiten und
stumpfen Fortsatz entwickelt. Der Proc. interparietal. ist zu einem
kleinen, seitlich zusammengedrückten Ramme emporgewachsen. Von
der Protuberantia oceipit. ist ein scharfer Kamm ventralwörts ent-
standen, welchen zu beiden Seiten rauhe Gruben einschließen. Die
beiden über das Schädeldach verlaufenden Erhabenheiten haben an
Stärke zugenommen und sich aboral und medi .] genähert, um sich
ungefähr in der Gegend der oralen Spitze des Proc. interparietal. zu
verlieren (Fig. 12). Zwischen diesen Erhabenheiten liegt eine flache,
Fig. 12.
aboral allmählich verschwindende Aushöhlung. Die Wölbung der
Stirnbeine hat Foıtschritte gemacht. Der Gehirnschädel geht jetzt
in einer geraden Linie in den Gesichtsschädel über (Fig. 8). — Die
Spitze des Proc. zygomatic. os. front. am Schädel des sechs bis sieben
iv fir Naturreschicht
EM 102, Ad, 2) 10 9 Heft
146 Alfred Becker:
Monate alten Hundes hat sich ventralwärts gestellt. Der orale Rand
ist etwas aufgerichtet, wodurch dicht hinter diesem Rande eine flache
Furche entstandenist. Die Schläfenenge ist tiefer geworder. Die beiden
Lineae semieireular. sind zu kleinen Leisten emporgewachsen und gehen
in einem schwach medial gewölbten Bogen in den Proc. interpanietal.
über (Fig. 13). Die Aushöhlung im Verlaufe der Sutura frontalis ist
Fig.13.
schmaler und tiefer geworden und läuft in einen spitzen Winkel aus.
— Der Proc. interparietal. ist am Schädel des etwa acht bis neun
Monate alten Hundes weiter emporgewachsen Die aboralen Ränder
der Scheitelbeine haben sich zu ziemlich hohen Leisten ausgebildet.
Durch die Größenzunahme dieser beiden Knochenteile sind auf den
aboralen Flächen der Scheitelbeine flache Gruben entstanden (Fossae
transvers. post.). Der Proc. zygomaltic. oss. front. ist weiter in der
Entwicklung fortgeschritten, seine Spitze hat sich weiter geserkt,
der orale Rand weiter aufgeiichtes, die dahinter verlaufende Fuiche
weiter vertieft. Die Lineae semicircular. verlaufen in einem schwach
medial gewölbten Bogen, am Proc. zygomat. os. front. entspringend,
aboral, um sich in der Gegend der Sutura coronalis in einem spitzen
Winkel zu vereinigen und in die Crista sagittalis überzugehen. Dem-
entsprechend hat die Aushöhlung im Verlaufe der Sutura frontalis
an Ausdehnung abgenommen. Die Basis cranii externa hat sich weiter
gestrecxt. Der Unterkiefer hat im Verlaufe des Wachstums eine
schlankere Form angenommen.
3. Das bleipende Stadium.
Mit dem Abschluß des Zahnwechsels und dem voilstöndigen
Emporwachsen der bleibenden Zähne haben die Veränderungen am
Schädel im allgemeinen ihr Ende erreicht. In den vorhergegangenen
Kapiteln ist beschrieben worden, in welcher Weise sich der Schädel
in den einzelnen Altersstufen verändert, so daß wir uns jetzt dem
fertig geformten Schädel zuwenden könren. — Der Schädel des
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 147
deutschen Schäferhundes hat eine lang gestreckte Form. Der schlanke,
dorsal relativ schmale Gehirnschädel überragt etwas an Lönge den
Gesichtsschädel. In der Frofillinie, erscheint als höchster Punk; der
Stirnteil zwischen den Proc. zygomat. os. front., von welchem sie
nach dem Hinterhaupte und den Nasenbeinen gleichmäßig abfällt.
Der Gehirnschädel geht in einer geraden Linie in den Gesichtsschädel
über (Fig. 9). Die Scheitelbeine sind schön gewölbt. Der Proc. inter-
Fig.9.
parietal. isö zu einem seitlich zusammengedrückten starken Kamme
emporgewachsen. Die Crista sagittalis ist mäßig stark entwickelt.
Die mehr oder weniger breite Stirn ist hoch, die Stirngrube wenig
ausgeprägt, sodaß die Stirnbeine etwas gewölbt erscheinen. Die starken
Proc. zygomat. os. front. sind ventral gesenkt, die Spitze ist etwas
aboral gerichtes, der orale Rand scharf aufgerichtes, sodaß sich hinter
demselben eine flache Furche hinzieht. Die Lineae semicirculares
verlaufen in einem schwach medial gewölbten Bogen, am aboıalen
Rande der Proc. zygomatic. os. front. entspringend, aboral über die
10* 9. Heft
148 Alfred Becker:
Stirnbeine, um sich in der Gegend der Sutura coronalis zu verbinden
und in die Crista sagittalis überzugehen (Fig. 14). Die Schläfenenge
ist stark ausgeprägt. Die Jochbogen stehen wenig vom Schädel ab.
Im aboralen Drittel sind sie am weitesten nach außen gebogen, um sich
von dort oral dem Schädel zu nähern und sich mit den Oberkiefer-
beinen zu verbinden. Das Planum nuchale iss hoch, scharf dreieckig
und steil gestellt, die Lineae nuchales scharf ausgeprägs.. Das quer-
ovale Foram. magn. ist karpfenmaulartig aboral ausgezogen. Der
schmale Gesichtsschädel hat eine keilförmige vorn abgerundete Gestali.
Vor dem Foram. infraorbitale ist er etwas eingeschnürt, der Canin-
Alveol schwach angedeutet. Der Nasenrücken ist schmal. Die lateralen
Flächen der Oberkieferbeine fallen in einem ganz flach gewölbten
Bogen schräg nach den Alveolarrändern ab. Die Nasen- und Oberkiefer-
peine ragen gleich weit in dıe Stirabeine hinein. Der Gaumen ist flach
und schmal, seine größte Breite besitzt er zwischen den beiden M,
und P,. Der Choanengang ist eng und tief. Die Basis eranii externa
und das Planum p ıJatinum verlaufen parallel (Fig. 2). — Der Unterkiefeı ,
Fig. 2.
ist von schlanker Gestalt. Die horizontalen Äste zeigen nur geringe
Divergenz. Der ı roc. angular. ist durch einen hohen, halbkreisförmigen
Ausschnitt von dem troc. condyl. getrennt. Der Alveolairand geht
fast rechtwinkelig in den oralen Rand des aufsteigenden Astes über.
— Die Nähte des Gehirnschädels sind geschlossen, bis auf diejenigen
der Basis cranıi externa. Sutura sphenoid. ist ncch breit. Am Ge-
sichtsschädel sind die Nähte der Zwischenkieferbeine und des Gaumens
geschlossen, die übrigen sind noch deutlich abg« grenzt; die Sutura
nasalis iss breit.
4. Das Alter.
Wenn auch die Schädelform nach dem Zahnwechsel gewahrt
bleibt, so machen sich doch im Alter Anzeichen bemerkbar, welche
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 149
wir teilweise als senile Erscheinungen ansprechen können, auf Grund
dessen wir sofort das hohe Alter eines Hundes erkennen können. Vor
allem sind die Konturen der einzelnen Knochen bedeutend stärker
ausgeprägt, dann nehmen auch Knochenfortsätze, Kämme, Knochen-
leisten und Ränder an Schärfe und Ausprägung in starkem Maße zu.
Die Nähte verwachsen und werden unsichtbar, nur scheint eine Ver-
schmelzung der Sutura nasalis und der Symphyse des Unterkiefers
niemals einzutreten. Als ein Zeichen des Alters können wir auch das
weitere Hineinwachsen der Nasenbeine in die Stirnbeine ansprechen.
B. Das prozentuale Verhältnis der einzelnen Schädelabsehnitie und
Schädelknochen zueinander.
Während im ersven Abschnitt das Wachstum des Schädels und
seiner einzelnenKnochen und die dadurch bedingten Forms eräönderungen
in den einzelnen Altersstufen nach den anatomischen Befunden ge- _
schildert wurde, soll jetzt an der Hand der Tabellen das Wachstum
zahlenmäßig erläutert werden. — Trotzdem die Rassenmerkmale
am Schädel der Schäferhunde durch Jahrhunderte hindurch fast un-
verändert geblieben sind, ist die Schädelbildung dennoch starken
Schwankungen unterworfen. Ein großer und kräftiger Hund muß
naturgemäß einen größeren und kräftigeren Schädel besitzen als ein
kleiner und leichter gebauter. Erhebliche Schwankungen können
wir betreffs der Lönge des Schädels feststellen, dementsprechend wird
auch die Breite beeinflußt. Derartige Abweichungen wirken auch auf
das Außere, wovon wir uns auf jeder Schäferhundausstellung über-
zeugen können. Wir dürfen daher in der Bildung der anatomischen
Merkmale keine Konstanz erwarten, — die Natur kennt keine Zahlen
— sondern müssen von vornherein auf eine entsprechende Variation
der einzelnen Maße gefaßt sein. Ein allmähliches Ansteigen der Maße
in fortlaufender Reihenfolge ist daher mit dem Fortschreiten des
Wachstums nicht immer festzustellen. Während sich diese Unregel-
mäßigkeiten bis zum Beginn des Zahnwechsels wenig bemerkbar
machen, treten dieselben nach dieser Zeit mehr hervor, da dann die
individuellen Unterschiede ‚törker in Erscheinung treten. — Be-
trachten wir das Wachstum des Schädels und seiner einzelnen Knochen
im Jugendstadium auf Grund der Tabelle T.
Die Gesichtsschädellänge (Maß I, 12) wächst um das 3,3-fache,
die Gehirnschädellänge (Maß I, 11) um das 2,0-fache. Beide Maße
verhalten sich wie
289° 7,52 1471,271,371,3 702372
Es geht daraus hervor, dab der Gehirnschädel bei der Geburt beinahe
doppelt so lang ist, als der Gesichtsschädel. Mit dem Fortschreiten
des Wachstums nimmt letzterer so bedeutend an Länge zu, daß am
Ende des Jugendstadiums der Gehirnschädel den Gesichtsschädel nur
noch wenig überragt. In Reduktionszahlen ausgedrückt, d.h. die
Maße auf die gleich 100 gesetzte Basilarlänge bezogen, steigt die Ge-
sichtsschädellänge von 42,3 %, auf 56,2 %, während die Gehirnschödel-
9. Neft
150 Alfred Becker:
länge von 80,8% auf 65,4% fällt. — Die Frontalia (Maß I, 28)
wachsen um das 2,1-fache, die Nasalia (Maß I, 29) um das 3,4-fache.
Ziehen wir beide Maße in Vergleich, so verhalten sich Frontalia zu
Nasalia wie
1:30,6:20;6::097 09209208 2150: 1,0,
d. h. die Frontalia sind bei der Geburt fıst doppelt so lang als die
Nasalıa. Erster: bleiben im Wachstum zurück, letztere nehmen der-
maßen an Länge zu, daß am Schlusse des Jugendstsdiums beide
Knochen gleich lang sind. Die Reduktionszahlen ergeben, daß die
Frontalia von 42,3% auf 36,2% abnehmen, die Nasalia von 26,8%
auf 36,9 %, ansteigen.
Die Cranialachse (Maß I, 3) wächst um das 2,0fache, die Facial-
achse (Maß I, 4) um das 2,8fache. Beide Achsen verhalten sich wie
1:1,8:2,1:2,1:2,5.:2,2 2723 :24272:5.
Ergebnis: Der vordere Teil des Planum ventrale nimmt in stär-
keremMaße gegenüber dem hinteren anLänge zu. Nach den Reduktions-
zahlen fällt die Cranialachse von 36,5 %, auf 28,5%, die Facialachse
steigt von 65,4% auf 72,3%. — Der Abstand des Gaumens vom
Foram. magn. (Maß I, 8) vergrößert sich um das 2,8fache, die Gaumen-
länge (Maß I, 9) wächst um das 2,3fache. Ein Vergleich dieser
heiden Maße
1:41.62 1,5.: 1,4 : 1.37 1.4 SE 52
führt zu dem Ergeonis, daß der Zwischenraum vom Gaumen bis
Foram. magn. in steigendem Maße zunimmt, d.h. daß der aborale
Rand des Gaumens weiter oral vorrückt und somit ein Vorschieben
des Planum palatinum stattfindet. In Reduktionszahlen ausgedrückt,
nimmt das erste Maß von 38,5% auf 42,3%, zu, die Gaumenlänge
von 61,5%, auf 57,7% ak. — Dasselbe Resultat erhalten wiı, wenn
wir den Abstand des Gaumens vom Foram. magn. (Maß I, 8) mit der
Basilarlänge (Maß TI, 2) vergleichen. Beide Maße verhalten sich wie
1:2,6:2,5:2,4:2,3:2,4:24:2,3:2,4.
Die Schnauzenlänge (Maß I, 32) nimmt um das 3,0fache, die
Basilarlänge (Maß I, 2) um das 2,5fache an Länge zu. Beide Maße
verhalten sich wie
1.:24:52.3.:922,2312221 21220328:
Es geht daraus hervor, daß die Seitenflächen des Gesichtsschädels
in gleichem Maße an dem stärkeren Wachstum der vorderen Schädel-
hälfte teilnehmen. Während bei der Geburt die Basilarlänge fast
2!/,mal so lang ist, als die Schnauzenlänge, ist erstere am Ende des
Jugendstadiums nur noch doppelt so lang als letztere. Nach den
Reduktionszahlen steigt die Schnauzenlänge von 42,3%, auf 50,8%.
Wie das allmähliche Vorrücken des Planum palatinum stattfindet,
zeigt uns ein vom oralen Rande der Orbita auf das Planum ventrale
gefälltes Lot. (Die Milchbackzähne sind von aboral nach oral gezählt
worden.) Dasselbe fällt
am Schädel No.2 auf den oralen Rand von Pd. ,,
am Schädel No. 3 in die Mitte von Pd. ,,
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 15]
= a Se } zwischen Pd., und Pd. „,
am Schädel No. 6 auf den oralen Rand von Pd. „,
am Schädel No.7 ın die Mitte von Pd.,,
am Schädel No. 8 auf den aboralen Rand von Pd...
Aus den angeführten Maßen und Vergleichen der Schödelteile
und Knochen zu einander, finden die anatomischen Veränderungen,
wie dieselben geschildert wurden, ihre zahlenmäßige Bestätigung.
Wir sehen eine bedeutende Längenzunahme zu Gunsten des Gesichts-
schädels gegenüber dem Gehirnschädel, dementsprechend ist das
Wachstum der einzelnen Knochen des ersteren ein störkeres als das
der Knochen des Gehirnschädels. Ferner nimmt die Basis eranii ex‘.
gegenüber dem Planum palatinum an Länge zu, wodurch letzteres
weiter oral vorrückt. Die Folgen dieser Vorgänge sind: das Vor-
rücken der Suiura sphenoid-oceipit., das Abrücken der Flügelveine
von den Bullae, die Anderung der Längsachse der Bullae, das Sichtbar-
werden des Os sphenoid. ant. und Vomer, das Länger- und Schmaler-
werden des Choanenganges und zuletzt die geänderte Stellung des
Planum nuchale. — Bei der Beschreibung der einzelnen Schädel
wurde erwähnt, in welcher Weise sich die Einknickung des Schödels
in der Gegend der Sutura naso-frontalis allmählich ausgleicht. Hier
der zahlenmäßige Beweis. Nach den absoluten Maßen wächst die
Gesichtshöhe (Maß I, 21) um das 2,9fache, die Schädelhöhe (Maß 1, 20)
um das 2,0fache. Beide Höhen verhalten sich wie
TENSLD II ELSE ENP23 TER}
Ergebnis: Bei der Geburt ist der Hirnschädel fast doppelt so hoch
als der Gesichisschädel, am Ende des Jugendstadiums überragt er
nur noch wenig den letzteren. Nach den Reduktionszahlen steigt
die Gesichtshöhe von 25,0% auf 28,5%, während die Schädelhöhe
von 44,2%, auf 35,4%, abnimmt. — Um das Breitenwachstum des
Schädels mit dem Löngenwachstum zu veranschaulichen, stellen wir
zunächst die Hirnschädelbreite (Maß I, 13) in Vergleich zur Basilar-
länge (Maß I, 2). Erstere nimmt um das 1,5fache, letziere um das
2,5fache zu. Beide Maße verhalten sich wie
17,°17473.922.0:20: 2,0:21:2,9:254
Der Vergleich lehrt, daß mit der Längenzunahme des Schädels die
relative Hirnschädeloreite bedeutend abnimmt. Nach den Reduktions-
zahlen geht die Hirnschädelbreite von 73,1% auf 42,3%, herunter. —
Die Stirn nimmt um das 1,4fache an Breite zu (Maß I, 17). Dieselbe
im Vergleich zur Basilaılänge
7 22,1.22,172,932,8:2,872,973.543,5
ergibt, daß auch hier eine starke Abnahme der Stirnbreite im Verhältnis
zur Längenzunahme des Schädels stattfindet. Nach den Reduktions-
zahlen nimmt die Stirnbreite von 48,0%, auf 28,5%, ab. — Die geringste
Breite zwischen den Orbitae nimmt um das 1,7fache zu (Maß I, 18).
Der Vergleich dieser Breite zur Basilarlänge
1:3,3:43:5,0:4,4:4,1:4,6:4,8:4,8
liefert das Ergebnis, daß die Orbitabreite gleichfalls im Verhältnis
9, Het!
152 Alfred Becker:
zum Längenwachstum eine Abnahme erleidet. Die Basilarlänge
— 100 gesetzt, ergibt, daß die Orbitabreite von 30,8% auf 20,8%,
heruntergeht.
Dasselbe Ergebnis erhalten wir, wenn wir die Jochbogenbreite
“Maß I, 16), welche um das 2,0fache zunimmt, mit der Basilarlänge
vergleichen. Beide Maße verhalten sich wie
1: 14556: 15.519258 21.6:: 1.724.%
In Reduktionszahlen ausgedrückt, fällt die Jochbogenbreite von
71,2% auf 57,7%. — Die Breive des Gesichtsschädels zwischen den
Foram. infraorbital. (Maß I, 19) wächst um das 1,7fache. Dieselbe
verhält sich zur Basilarlänge wie 1:2,7:4,1:4,0:3,5:3,8:3,8:41.
Es geht daraus hervor, daß mit der Längenzunahme des Schädels
obige Breite im allgemeinen eine relauive Abnahme eıleidet. Die
Reduktionszahlen fallen von 36,5% auf 24,6%. — Stellen wir die
Breite (Maß I, 10) mit der Lönge des Gaumens (Maß I, 9) in Vergleich,
— erstere nimmt um das 1,9fache, letztere um das 2,4fache zu — so
verhalten sich beide Maße wie
1:12:4,2:1,2: 12 722,41
Daraus folgt, daß bei der Geburt der Gaumen fast so lang wie breit
und am Ende des Jugendstadiums fast 11/,mal so lang wie breit ist.
Nach den Reduktionszahlen fällt die Gaumenbreite von 53,9% auf
41,5%, und die Gaumenlänge von 61,5% auf 57,7%. Es bleibt das
relative Breitenwachstum um 12,4%, das relative Löngenwachstum
um 3,8%, gegenüber dem Wachstum der Basilarlänge zurück. —
Durch Vergleich der Schnauzenbreite (Maß I, 33) mit der Schnauzen-
länge (Maß I, 32), erstere wächst um das 2,0fache, letztere um das
3,0fache, erhalten wir das Verhältnis
1:1,8:2,5:24:2,5:24:24728:2,8.
Es folgt daraus, daß bei der Geburt die Schnauzenlänge fast
doppelt so lang und am Ende des Jugendstadiums beinahe dreimal
so lang ist, als die Schnauzenbreite. Dementsprechend ergeben die
Reduktionszahlen, — die Breite fällt von 23,1% auf 18,5%, die Länge
steigt von 42,3%, auf 50,8%, — daß mit der Löngenzunahme der
Schnauze die Schnauzenbreite relativ abnimmt. — Aus den genannten
Vergleichen stellen wir fest, daß der Breitendurchmesser des Schädels
im Verhältnis zum Längenwachstum abnimmt. Mit der Streckung
des Schädels findet eine Reduzierung der Breite statt. Der Schädel
wird also länger und schmäler. — Anlangend das Planum nuchale,
so verhält sich die Höhe zur Breite des Oceipitale (Maß I, 22 und 23)
— erstere wächst um das 2,3fache, letztere um das 2,lfache — wie:
1:92,7:2,7.23,3:.2,6.272,4 225 :24.272,4.
Ergebnis: Mit der Höhenzunahme des Hinterhauptsdreieckes findet
eine Abnahme der relativen Breite statt. Nach den Reduktionszahlen
geht die Höhe von 19,2%, auf 17,7% und die Breite von 51,9%, auf
43,1% herunter. Beide Maße halten mit der Löngenzunahme des
Schödels nicht gleichen Schrict, sondern bleiben im Verhältnis zuı
Basilarlänge im Wachstum zurück, und zwar die Höhe um 1,5%,
die Breite um 8,8%. — Wenden wir uns jetzt dem zahlenmäßigen
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 153
Wachstum des Schödels und seiner einzelnen Knochen der Gruppe 2
— Enöwicklungsstadium — auf Grund der Tabelle Il zu. — Die
Gesichtsschädellänge (Maß II, 12) nimmt um das 1,4f che, die Hirn-
schädellönge (Maß II, 11) um das 1,1fache an Länge zu. Das Verhältnis
beider Maße gestaltet sıch wie
DIESE, 1:1 PRBIDEIER.
Es geht daraus hervor, daß auch in diesem Stadium ein stärkeres
Wachstum des Gesichtsschädels gegenüber dem Gehirnschädel s5att-
findet. Nach den Reduköionszahlen steigt die Gesichtsschädellänge
‘ von 54,2% auf 56,5%, die Hirnschädellänge fällt von 68,7%, aut
60,6%. — Die Front .lia (Maß II, 28) wachsen um das 1,1fache, die
Nasalıa (Maß II, 29) um das 1,3fache. Erstere verhalten sich zu letzteren,
MEEREIDESKEISEIELO TEL.
Ergebnis: Die Stirnbeine bleiben weiter im Wachstum hinter
den Nasenbeinen zurück. Nach den Reduktionszahlen fallen die
Stiernbeiıne von 38,9% auf 33,5%, die Nasenbeine steigen von 36,6%,
auf 37,7%. -— Die Längenzunahme der Cranialachse (Maß II, 3)
beträgt das 1,2fache, der Facialachse (Maß Il, 4) das 1,3fache. Beide‘
Achsen verhalten sich wie 1:2,6:2,5:2,8:2,5:2,5:2,7:2,8:2,8,
d.h. der vordere Teil des Planum ventrale nımmt weiter gegenüber
dem hinteren an Länge zu. Die Reduktionszahlen zeigen, daß die
Cranialachse von 28,2%, auf 26, 5% fällt, die Faci \lachse von 72,5%,
auf 74,1%, ansteigt. — Der Abstand des Gaumens vom Foram. magn.
(Maß II, 8) vergrößert sich um das 1,2fache, die Gaumenlänge (Maß
II, 9) wächst um das 1,3fache. Ein Vergleich dieser beiden Maße
| IB 1,2 2190 1,0. 10504
führ, zu dem Ergebnis, daß der Zwischenraum vom Gaumen bis zum
Foram. magn. im Entwickelungsstadium im Wachstum zurückbleib:,
dagegen der Gaumen in steigendem Maße an Länge zunimmt. Die
Rıchtigkeiö zeigen ferner die Redukvionszahlen, nach welchen das erste
Maß von 43,5%, auf 41,83%, abnimmv, wöhrend die Gaumenlänge von
56,5%, auf 58,2%, ansteigt. — Beim Vergleich des Abstandes des
Gaumens vom Foram. magn. (Maß II, 8) mit der Basilarlänge (Maß
II, 2) erhalten wir dasselbe Resultat. Beide Maße verhalten sich wie
1:2,3 :2,3:2,4:2,3:2,3:2,3:2,4:2,4.
Der Zwischenraum vom Gaumen bis zum Foram. magn. bleibt gegen-
über der Basilarlänge im Wachstum zurück. — Die Schnauzenlänge
(Maß II, 32) nimmt um das 1,4fache, die Basilarlänge (Maß I, 2)
um das 1,3fache an Länge zu. Ersteres Maß verhält sich zu letzterem wie
1.:2:0:2,022,0 :2,0:2,0.:2.05:9313.
Es geht daraus hervor, daß die Seitenflöchen des Gesichtsschädels
weiter an dem stärkeren Wachstum der vorderen Schädelhälfte beteiligt
sind. Nach den Reduktionszahlen steigt die Schnauzenlänge von
49,6%, auf 51,8%, an. — Das vom oralen Rand der Orbita auf das
Planum ventrale gefällte Lot, fällt bei den ersten Schädeln im Ent-
wickelunesstadium etwas aboral von Pd.,. bei den letzten Schädeln
zwischen Pd., resp. P, und M,. Ein Vorrücken des Planum palatinum
9 Heft
154 Alfred Becker:
findet daher nich; mehr statt. Die Veränderungen des Schädels an
dieser Stelle haben ihren Abschluß gefunden.
Aus den oben genannten Maßen und Vergleichen können wir eine
weitere Längenzunahme des Gesichtsschädels gegenüber dem Hirn-
schädel feststellen.
Die Gesichtshöhe (Maß II, 21) nimmt um das 1,1fache, die Schädel-
höhe (Maß DL, 20) ebenfalls um das 1,1fache an Höhe zu. Beide Höhen
verhalten sich wie
1:12:12 2,2 71920 12::1,2.:12,
Ergebnis: Beide Höhen wachsen gleichmäßig weiter. Die besvehende
Form bleibt gewahrt. Die Reduktionszahlen geben uns ferner darüber
Aufschluß, daß mit dem Längerwerden des Schädels derselbe relativ
niedriger wird. Die Gesichtshöhe fällt von 30,5% auf 25,9%, die
Schädelhöhe von 37,4% auf 31,2%. — Um das Breitenwachsium
des Schädels mit dem Längenwachstum zu vergleichen. stellen wir
zunächst die Hirnschädelbreite (Maß II, 13) der Basilarlänge gegen-
über (Maß II, 2). Erstere nimmt um das 1,1fache, letztere um das
1,3fache zu. Beide Maße verhalten sich wie
1:2,4:2,5:2,8:2,7:24:2,9:2,8:2,9
d.h. mit der Längenzunahme des Schädels findet weiterhin eine
Abnahme der relativen Schädelbreite statt. Nach den Reduktions-
zahlen geht die Schädelbreite von 42,0% auf 34,1% herunter. —
Die Stirn nimmt um das 1,2fache an Breite zu (Maß II, 17). Dieselbe
im Vergleich zur Basilarlänge
1:15; ::3:8.: 5628.42 3.95240:3.6:: 3,3
ergibt, daß die relative Stirnbreite weiterhin eine Abnahme erleidet.
Die Reduktionszahlen fallen von 32,8%, auf 30,0%. Wenn bei der
Beschreibung der einzelnen Schädel der Gruppe II das al!mähl’che
Emporwachsen der Proc. zygomat. os. front. geschildert wurde, so
ist die Längenzunahme des Schädels in diesem Stadium doch noch
eine so bedeutende, daß die Größenzunahme der Proc. im Verzleich
zur Basilarlänge noch nicht in Erscheinung tritt. Vielmehr dürfte
das stärkere Hervortreten der Proc. auf das Entssehen der Schläfen-
enge zurückzuführen sein, wie der folgende Vergleich lehrt. — Die
absoluten Maße der Schläfenenge (Maß II, 15) nehmen von 42 mm auf
33mm ab. Dieselben verhalten sich zur Basilarlänge wie
1:3,1:3,8:4,3:4,1:3,7:4,5:44:4,5.
Es geht daraus herver, daß die Schläfenenge i in diesem Stadium sehr
bedeutend an Tiefe zunimmt. Die Reduktionszahlen fallen von 32 9%
auf 22,4%. — Die Orbitabreite wächst um das 1,2fache (Maß II, 18).
Der Vergleich dieser Breite zur Basilarlönge
1:4,4:5,0:5,2:5,0:5,0:5,2:5,3:4,9
liefert das Ergebnis, daß dieselbe weiterhin im Verhältnis zur Längen-
zunahme des Schädels eine Abnahme erleidet. Nach den Reduktions-
zahlen nimmt dieselbe von 22,9%, auf 20,6% ab. — Gleichfalls findet
eine Abnahme der relativen Jochbogenbreite (Maß II, 16), welche
um das 1,2fache wächst, mit dem Längenwachstum des Schödels statt.
NER A DE 1,7 SOLL, TEL SEIT ES
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 155
Nach den Reduktionszahlen geht dieselbe von 58,8%, auf 55,9%,
herunter. — Die Breite des Gesichtsschädels zwischen den Foram.
infraoıbital. (Maß II, 19) wächst um das 1,2fache. Diesalbe verhält
sich zur Basilarlänge wie
1:4,0:3,8:4,5:42:41:40:4,4:45.
Daraus folgt, daß weiterhin das Gesicht zwischen den Foram. infıa-
orbital. relativ schmäler wird. Nach den Reduktionszahlen geht
die Breite von 25,9%, auf 22,4%, herunter. — Stellen wir die Breite
(Maß II, 10) mit der Länge des Gaumens (Maß II, 9) in Vergleich,
— erstere wächst um das 1,lfache, letztere um das 1,3fache — so
verhalten sich beide Maße wie
EDS RASES STB Er, 1,67.
Ergebnis: Mit der Längenzunahme des Gaumens nimmt die relative
Breite weiterhin ab. Nach den Reduktionszahlen fällt die Gaumen-
breite von 41,2% auf 35,3%, während die Gaumenlänge von 56,5%,
auf 58,2%, ansteigt.
Der Vergleich der Schnauzenbreite (Maß II, 33) mit der Schnauzen-
länge (Maß II, 32) — erstere wächst um das 1,2fache, letztere um das
1,4fache — ergibt folgendes Ergebnis:
11:26: 2,.0:.2,932,8.:2,722912,8383:0.
Es folgt daraus, daß im Entwickelungsstadium die r.lative Schnauzen-
breite gegenüber der Schnauzenlänge abnimm.. Nach den Reduktions-
zahlen fällt die Breite von 19,1% auf 17,1%, die Länge steigt von
49,6%, auf 51,8%,
Aus den angeführten Zahlen und Vergleichen ersehen wir, daß
im weiteren Verlaufe des Wachstums mit der Längenzunihme des
Schädels eine Abnahme der ielativen Breite stattfindet. Gleich-
zeitig macht durch die jetzt in Erscheinung !retenden Prce. zygomat.
os. front., sowie durch die starke Einschnürurg des Schädels an den
Stirnbeinen (Schläfenenge) die Formierung des Schädels weitere
Fortschritte. — Anlangend das Hinterhauptsdreieck, so wächst die
Höhe um das 1,lfache, die Breite um das 1,lfache (Maß Il, 22
und 23). Höhe zur Breite verhält sich wie
1:24 :2,4:2,4:2,2:2,4:2,4:2,3: 283,
d.h. miö der Höhenzunabme des Oceipitale findet weiter eine Abnahme
der relativen Breite statt. Beide Maße bleiben im Verhältnis zur
Längenzunahme des Schäd:1sim Wachstum zurück, wie die Reduktions-
zahlen ergeben. Die Höhe geht von 18,3% aut 15,9%, und die Breite
von 43,5%, auf 38,2%, herunter.
Legen wir in folgendem das Wachstum der Schädel und seiner
einzelnen Knochen der Gruppe 3 (bleibendes Stadium) nach der Tabelle
III unseren Betrachtungen zu Grunde.
Nach den absoluten Zahlen wächst die Ges’chtsschädellänge
(Maß III, 12) um das 1,2fache, die Hirnschädellönge (Maß III, 11)
um das 1,l1fache. Beide Längen verhalten sich wie
Dark LEERE.
Wir erkennen daraus, daß das Verhältnis des Gesichtsschädels zum
Hirnschädel dasselbe bleibt. Nach den Reduktionsszahlen findet
9. Heft
156 Alfred Becker:
eine geringe Verschiebung zu Gunsten des Gesichtsschädels statt,
da dieselbe von 56,4%, auf 57,2% ansteigt, während die Hirnschädel-
länge von 62,3% auf 61,1% abnimmt. — Die Frontalia (Maß III, 28)
wachsen um das 1,1fache, die Nasalia (Maß III, 29) um das 1,2fache.
Beide Längen verhalten sich wie
Klee LE. 12:
Ergebnis: Auch in diesem S:.adium findet ein stärkeres Wachstum
der Nasenbeine gegenüber den Stirnkeinen statt. Die Reduktions-
zahlen ergeben, daß die Frontalia von 34,6%, auf 32,2%, abnehmen,
und die Nasenbeine von 36,5% auf 37,2%, ansteigen. — Die Cranial-
achse (Maß III, 3) verhält sich zur Facialachse (Maß III, 4) — erstere
wächst um das 1,1fache, letztere um das 1,2fache — wie
1:2,6:2,8: 2,6: 2,6: 2,6.:2,6:2,6::2,7.
Ergebnis: Der vordere Teil des Planum ventıale nimmt weiter in
geringem Maße gegenüber dem hinteren an Länge zu. Nach den
Reduktionszahlen fällt die Cranialachse von 28,2%, auf 27,2% und
steigt die Facialachse von 72,4%, auf 73,3%. — Der Anstand des
Gaumens vom Foram. magn. (Maß III, 8) vergrößert sich um das
l,1fache, die Gaumenlänge (Maß III, 9) wächst um das 1,2fache.
Der Vergleich beider Maße
| 1:12:12: 53:13: 5318513 :1,3
führt zu dem Ergebnis, daß der Abstand des Gaumens vom Foram.
magn. weiter im Wachstum zurückbleibt, und der Gaumen an Länge
zuniınmt. In Reduxtionszahlen ausgedrückt, nimmö das ersue Maß
von 44,9% auf 44,4%, ab, das letzte von 55,1%, auf 55,6% zu. —
Das Zurückbleiben des Abstandes des Gaumens vom Foram. magn.
(Maß III, 8) im Wachs5um liefert uns ebenf.JIs ein Vergleich dieses
Maßes mit der Basilarlänge (Maß III, 2). Beide Maße verbalsen sich
wie 1:2,2:22:2,3:2,3:2,3:2,3: 2,3: 2,3. = Die. ,Schnauzen-
länge (Maß III, 32) wächst um das 1,2fache, die Basil ırlänge (Maß
III, 2) um das 1,2fache. Aus dem Vergleich beider Maße
1:2,0:2,0:2,0:1,8:2,0 ::2,0 : 2,0 :2,0
geht hervor, daß das Verhältnis beider Längen zueinander dasselbe
bleibs. Nach den Reduktionszahlen steigt die Schnauzenlänge von
49,4%, auf 50,0% an. Die Seitenflächen des Gesichtsschädels sind
in etwas störkerem Maße am Wachstum des Schadels beieiligt.
Aus den oben angeführten Maßen und Vergleichen können wir
feststellen, daß weiserhin eine Löngenzunahme der vorderen Schädel-
hälfte gegenüber der hinteren söattfindet.
Die Gesichtshöhe (Maß III, 21) wächst um das 1,l1fache, die
'Schädelhöhe ebenfılls um das 1,1fache (Maß III, 20). Beide Höhen
verhalten sich wie 1:1,2:1,2:1,2:1,2:1,2:1,2:1,2:122.
Ergebnis: Beide Höhen wachsen gleichmäßig weiter. Eine Form-.
veräönderung des Schädels, was die Höhe des Gesichts und des Schädels
anbetrifft, findet nicht mehr statt. Die Reduktionszahlen ergeben,
daß der Schädel im Verhältnis zur Längenzunahme weiterhin niedriger
wird. Die Gesichtshöhe fällt von 28,2%, auf 27,2%, die Schödelhöhe
von 33,3% auf 32,2%. Stellen wir, um das Breiten- mit dem
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 157
Längenwachstum zu vergleichen, zunächst die Schädelbreite (Maß
1II, 13) der Basilarlönge (Maß III, 2) gegenüber. Erstere wächst
um das 1,1fache, letztere um das 1,2fache. Beide Maße verhalten
sich wie
9:2022393:2,9:2,9:3,32933.12,853,0
d.h. es findet fernerhin eine Abnahme der relativen Gehirnschädelbreite
mit der Längenzunahme des Schädels statt. Nach den Reduktions-
zahlen geht die Schädelbreite von 36,5%, auf 33,3% herunter. —
Die Breite der Stirn (Maß III, 17) nimmt um das 1,3fache zu. Dieselbe
im Vergleich zur Basılarlänge
12319. 258,.4731.22,9:3,6:2,9: 2,7: 32
ergibt, daß die Proc. zygomat. os. front. in diesem Stadium stark
an Länge zunehmen u. jetzt erst ihre bleibende Gestalt angenommen
haben. Die Reduktionszahlen steigen von 26,9%, auf 31,3%. —
Weiterhin nimmt die Einschnürung des Schädels aboral der Proc.
zygomat. os. front. in bedeutendem Maße zu. Das Wachstum der
Schläfenenge beträgt das 1,1fache. Dieselbe verhält sich zur Basilar-
länge wie 1:4,2:4,3:4,4:4,3:48:4,7:3,9:4,6. — Die Reduktions-
zahlen fallen von 23,7%, auf21,7%, (Maß IIL, 15). Die Breite zwischen
den Orbitae (Maß III, 18) wächst um das 1,2fache. Der Vergleich
dieser Breite zur Basilarlänge
252 251:47:4175 17:4 3741: 89
liefert das Ergebnis, daß mit der starken Zunahme der Stirnbreite
die Orbitabreite ebenfalls eine geringe Zunahme eıleides. Nach den
Reduktionszahlen staig, dieselbe von 19,2% auf 20,6%. — Die Joch-
bogenbreite (Maß III, 16) wächst um das 1,3fache. Dieselbe verhält
sich zur Basilarlänge wie
MISREIFER 32T 1:.1,: HEART LEBE E68
Es geht daraus hervor, daß in diesem Stadium eine Zunahme der
Jochbogenbreite stattfindet. Die Reduktionszahlen steigen von
57,0% auf 62,2%. — Die Breite zwischen den Foram. infraorbital.
(Maß III, 19) wächst um das 1,2fache. Der Vergleich dieser Breite
zur Basilarlänge
1:4,3:4,7:4,4:43:4,8:4,2:4,3:49:43
ergibs, daß beide Maße im Wachstum gleichmäßig » fortschreiten.
Die Reduktionszahlen sind fast gleich, 23,1% zu 23,3%. Ein Veıgleich
der Breite (Maß III, 10) mit der Länge des Gaumens (Maß III, 9)
— erstere wächs: um das 1,1lfache, letztere um das 1,2fache —- liefert
folgendes Ergebnis:
27.2519.221,6 1,6 21.6°56.252357%5.
Daraus folgt, daß mit der Längenzunahme des Gaumens fernerhin
die relative Breite abnimmt. Nach den Reduktionszahlen geht die
Gaumenbreise von 38,5%, auf 37,8% zurück, während die Gaumen-
länge von 55,1%, auf 55,6% ansteigt. — Die Schnauzenbreive (Maß
III, 33) verhält sich zur Schnauzenlänge (Maß III, 32) — erstere
nimmt um das l,lfache an Breite, lesztere um das 1,2fache an Länge
zu — we
1:30:30 3/3: 3.6.:3273822.073,2.
9. Heft
158 | Alfred Becker:
Es geht daraus hervor, daß eine relative Abnahme der Schnauzen-
breite mit der Längenzunabme der Schnauze weiter stattfindet. Die
Schnauzenbreite fällt nach den Reduktionszablen von 16,7%, auf
15,6%, die Schnauzenlänge steigt von 49,4%, auf 50,0% an.
Aus den genannten Zahlen und Vergleichen können wir fest-
stellen, daß auch in diesem Stadium der Schädel länger und schmäler
wird. Die jetzs auch zahlenmäßig stark hervortıetenden Proc. zygomatic.
oss. front. und die weitere starke Einschnürung der Stirnbeine haben
zur definitiven Formierung des Schädels beigetragen.
Anlangend das Planum nuchale, so nimmt das Occipitale um das
l,lfache an Höhe und um das 1,1fache an Breite zu (Maß III, 22
u. 23). Höhe zur Breite verhält sich wie
1:2,3:2,4:2,3:2,2:2,2:24:2,3:2,2.
Ergebnis: Eine Abnahme der relativen Breite findet fernerhin
mit der Höhenzunahme stat;. Nach den Reduktionszahlen geht
die Höhe von 18,0% auf 17,8%, und die Breite von 41,0% auf 38,3%
herunter. Beide Maße bleiben im Verhältnis zur Längenzunahme
des Schädels weiter im Wachstum zurück.
Wir kommen jetzt zur Tabelle IV, aus welcher wir die zahlen-
mößigen Veränderungen, welche der Schödel und seine einzelnen
Knochen im Alver erleiden, ersehen können. — Die Länge des Gesichts-
schädels (Maß IV, 12) nimmt um das 1,2fache, die des Hirnschädels
(Maß IV, 11) um das 1,1fache zu. Beide Längen verhalten sich wie
edel:
Es geht daraus hervor, daß das Verhältnis beider Längen zueinander
dasselbe bleibt. Nach den Reduktionszahlen steigt die Ge:ichts-
schödellänge von 55,1% aut 56,4%, an, die Hirpschödellänge geb‘
von 62,9%, auf 59,4%, herunter. Es findet daher auch noch ım Alter
eine geringe Verschiebung zu Gunsten des Gesichtsschädels s3att.
— Nach den absoluten Zahlen beirögt das Wachstum der Frontalia
(Maß IV, 28) das 1,1fache, dasjenige deı Nasalia (Maß IV, 29) das
1,2fache. Ersiere verhalten sich zu letzteren wie
1 :1,2: 13:1 2211 23:
Ergebnis: Auch im Alter findet eine weitere Zunahme der Nasenbeine
gegenüber den Stirnbeinen stat5. Nach den Reduktionszahlen fallen
die Frontalia von 32,0%, auf 29,7%, wähıend die Nasalıa von 37,1%
auf 38,1%, ansöeigen. — Die Cranialachse (Maß IV, 3) wächst um das
l1,1fache, die Facialachse (Maß IV, 4) um das 1,2fache. Beide Achsen
verhalten sich wie
1.:2,7:2,7.:2,1.20: 22:28
‘d.h. der vordere Teil des Planum ven;rale nimmt auch im Alter in
geringem Maße gegenüber dem hinteren an Lönge zu. Die Cranial-
achse fällt nach den Reduktionszahlen von 27,0%, auf 26,2%, die
Facialachse steigt von 73,6%, :uf 74,3%. — Der Zwischenraum vom
Gaumen bis zum Foram. magn. (Maß IV, 8) nimmt um das 1,1fache
an Ausdehnung zu, die Gzumenlänge (Maß IV, 9) wächst um das
1,2fache. Der Vergleich beider Maße
1:12:122I8213:2135493
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 159
ergipt, daß die Länge des Gaumens weiterkin in geringem Maße zu-
nimmt, während der Zwischenraum vom Gaumen bis zum Foram.
magn. im Wachstum zurückbleibt. Nach den Reduktionszehlen
fällö das letzie Maß von 44,9%, auf 44, 1%, die Gaumenlänge steigt
von 55,1%, auf 55,9%. — Dasselbe Resultat erhalten wir, wann wir
den Apstand des Grumens vom Foram. magn. (Maß IV, & mit der
Basilarlänge (Maß IV, 2) vergleichen. Beide Maße verhalten sich aie
1:2,2:2,2:2,3:2,3:2,3:2,2:2,3. — Die Schnauzenlänge {Maß IV,
32) wächst um das 1,1fache, die Basilarlänge (Maß IV, 2) um das
l,1fache. Beide Längen verhalten sich wie
902120 2,0 2,0
Wir sehen, daß das Verhältnis beider Längen zueinander gewahıt
bleibt. Nach den Reduktionszahlen steigt die Schnauzenlänge von
51,7% auf 52,5%. Es folgt daraus, daß die Seitenflächen des Ges:chts-
schädels in etwas größerem Maße am Wachstum gegenüber der Basilar-
länge beteiligt sind.
Wir ersehen aus den oben genannten Maßen und Vergleichen,
daß auch im Alter eine geringe Zunahme an Lönge der vorderen Schädel-
hälfte gegenüber der hinteren stattfindet.
Das Gesicht (Maß IV, 21) nimmt um das 1,1fache, der Schädel
(Maß IV, 20) um das 1,1fache an Höhe zu. Der Vergleich beider Höhen
NE: 1,2: 1,22
ergibt, daß dieselben gleichmäßig weiterwachsen. Der Übergang des
Hırnschädels in den Gesichtsschädel bleibt im Alter derselbe. Nach
den Reduküionszahlen geht die Gesichtshöhe von 27,5% auf 26, 2%,
und die Schädelhöhe von 32,6% auf 32,2% herunter. Wir stellen
ein geringes Niedrigerwerden des Schädels im Verhältnis zur Längen-
zunahme fest. -— Was das Breiten- zum Längenwachstum des Schädels
anbetrifft, vergleichen w.r zunächst die Hirnschädelbreite (Maß IV, 13)
mit der Basilarlänge (Maß IV, 2). Ersteres Maß nimmt um das 1,0fache
an Breite, letzteres um das 1,lfache an Länge zu. Beide Maße verhalten
Biehrwie 1.:3,1228: 33:2,9:3,1: 3,5.
Ergebnis: Auch im Alter findet eine Abnahme der Schädelbreite
im Verhältnis zur Längenzunahme des Schädels statt. Nach den
Reduktionszahlen geht die Schädelbreite von 32,6% auf 287%
herunter. — Die Stirn nimmt um das 1,2fache an Breite zu (Maß IV, 17).
Der Vergleich dieser Breite zur Basılarlänge
1 +9,2:3;0::2,93 0629331
. ergibt, daß im Alter eine geringe Zunahme der Stirnbreite erfolgt.
Nach den Reduktionszahlen steigt dieselbe von 30,9% auf 32,2%.
— Nach den absoluten Zahlen wächst die Schläfenenge (Maß IV, 15)
um lmm. Dieselbe verhäl: sich zur Basilarlänge wie
1:45:42:4,6:4,6:49:4,9.
Es folgt daraus, daß die Einschnürung des Schädels auch im Alter
weiter fortschreitet. Nach den Reduktionszahlen fallt die Schläfenenge
von 22,5%, auf 20,3%. — Die Breite zwischen den Orbitae (Maß IV, 18)
wächst um das 1,2fache. Das Verhältnis zur Basilarlänge
1:4,5:4,7:4,0:44:45:44
8. Heit
160 Alfred Becker:
ergibt, daß eine geringe Zunahme der Orbitabreite im Alter stattfindet.
Die Reduktionszahlen steigen von 22,5%, auf 22,8%. — Die Joch-
bogenbreite (Maß IV, 16) wächst um das 1,l1fache. Dieselbe verhält
sich zur Basilarlänge wie
121,62 EDEN N 1,8:
Wir sehen daraus, daß im Alter eine relative Abnahme der Jochbogen-
breite erfolgt. Die Reduktionszahlen fallen von 61,2% auf 56,9%.
— Zwischen den Foram. infraorbital. nimmt der Schädel um das
1,2fache an Breite zu (Maß IV, 19). Dieselbe verhält sich zur Basilar-
länge wie 1:4,8:4,4:44:4,6:4,7:4,8.
Ergebnis: Es findet eine geringe Zunahme dieser Breite im Alter
statt. Nach den Reduktionszahlen steigt dieselbe von 20,8%, auf
21,3%. — Ssellen wir die Breite (Maß IV, 10) mit der Lönge des Gaumens
(Maß IV, 9) in Vergleich — erstere nimmt um das 1,1fache, letztere
um das 1,2fache zu — so verhalten sich beide Maße wie
1: 1,5; 1,4 :1.6:: 1466: 1,6.
Es geht daraus hervor daß ım Alter mit der Längenzunahme des
Gaumens die Breite relativ abnimmt. Nach den Reduktionszahlen
fällt die Breite von 36,0%, auf 35,6% die Länge steigt von 55,1%
auf 55,9%. — Durch Vergleich der Schnauzenbreite (Maß IV, 33)
mit der Schnauzenlänge (Maß IV, 32), — erstere wächst um das
l1,1fache,letziere um das 1,2fache — erhalten wir das Verhältnis
1:3,3:2,9: 3,3 :3,0:3,57 3,4.
Ergebnis: Mit der Zunahme der Schnauzenlänge findet auch im
Alter eine geringe relative Abnahme der Schnauzenbreite stats. Nach
den Reduktionszahlen geht die Breite von 15,7% auf 15,3% heıunter,
die Länge steigt von 51,7%, auf 52,5%.
Aus den genannten Zahlen und Vergleichen können wir den
Schiuß ziehen, daß das Wachstum des Schädels auch im Alter nicht
zum Stillstand kommt, jedoch bewegen sich die Veränderungen nur
in einem geringen Grade.
Was das Hinterhauptsdreieck anbetrifft, so nimmt dasselbe
um das l,1fache an Höhe und um das 1,1fache an Breite zu (Maß IV,
22 u. 23). Der Vergleich beider Maße 1:2,2:2,3:2,2:2,2:2,1:2,2
führt zu dem Ergebnis, daß eine Veränderung der Höhe zur Breite
im Alter nicht stattfindet. Nach den Reduktionszahlen fällt die Höhe
von 17,9% auf 17,8%, die Breite von 39,2% auf 38,6%.
Anlangend den Unterkiefer, so hat derselbe fast gleichmäßig mit
dem Oberkiefer an Länge zugenommen. Das Verhältnis der Total-
länge zur Basilarlänge zeigt nur geringe Abweichungen, wie aus den
Tabellen zu ersehen ist. Auch die einzelnen Abschnitte des Unter-
kiefers, von welchen Maße genommen wurden, sind in gleichem Maße
an der Längen- und Breitenzunahme beteiligt, mit Ausnahme der
maximalen Dicke des Kiefers (Maß 54), welche im Verhältnis zur
Basilarlänge im Wachstum zurückbleibt. Nach den Reduktionszahlen
geht dieselbe von 9,6%, (Schädel No. 1) auf 5,9% (Schädel No. 30)
herab. Das Schlankerwerden der Kieferäste findet hierdurch seine
zahlenmäßige Erklärung. Ferner hat im Verlaufe des Wachstums
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 161
eine Streckung des Unterkiefers stattgefunden. Wie dieselbe allmählich
vor sich geht, wurde bei den einzelnen Schödeln besprochen. Eine
durch den Alveolarrand von Id. , resp. I, und durch den Alveolarrand
von Pd, resp. M, gezogene und aboral verlängerte Linie gibt uns weiter
Aufschluß, in welchem Maße die Streckung des Kiefers zunimmt.
Diese Linie verläuft im Jugendstadium ventral des Proc. angularis,
im Entwickelungsstadium durchschneidet dieselbe mehr oder weniger
den Proc. angular., während am fertig formierten Schädel diese Linie
dorsal des Proc. angularis verläuft. |
€. Durchbruch und Stellung der Zähne,
Der deutsche Schäferbund is: bei der Geburt zahnlos. Durchbruch,
Wachstum und Stellung der Milchzähne, von welchen 6 Schneide-,
2 Haken, und 6 Backzähne sowohl im Ober- wie im Unterkiefe: vor-
handen sind, geben wegen ihrer Regelmäßigßeit keine Veranlassung
zu einer Besprechung.
Wenden wir uns den bleibenden Zähnen des Oberkiefers zu,
- so erfolgt der Durchbruch derselben nach meinen Beobachtungen in
folgender Reihenfolge. Letztere wird von den einzelnen Autoren
verschieden angegeben. 1.P, 2.M, 3.1, 4 M,„ 5.1], 6.P,
7.1, 8P,, 9. Canin, 10. F,!). — P,. kommt in einer lönglichen,
der Längenachse des Schädels parallel gerichteten Spalte mit seiner
Spitze zum Vorschein. M, durchbricht zuerst mit seinen beiden lateralen
Höckern die harte Gaumenhaut. I, tritt mit seinem dorso-ventral
gerichteten Lappen am Zahnrande in Erscheinung. Es folgt M,. Lateral
von ], erscheint I,, dem Verlaufe des Alveolarrandes entsprechend.
P, wird mit seiner Spitze zwischen den 3 Wurzeln des Pd, sichtbar
und drückt denselben aus dem Kiefer gerade in die Höhe. I, tritt
lateral von I, mit etwas gebogener Spitze hervor. F, schiebt sich mit
seiner Spitze zwischen die beiden Wurzeln des Pd, und drückt denselben
etwas lateral und aboral hoch. Mit stumpfer Spitze bricht Canin.
oral des Milchhakenzahnes durch. P, erscheint unter dem mit drei
Wurzeln ausgesöatteten Pd, mit seiner Spiöze und schiebt denselben
ganz schräg lateral und aboral aus dem Kiefer heraus, sodaß derselbe
auf die orale und mit der größeren Hälfte auf die laterale Fläche von
F, zu liegen kommt. Die Spitze von Pd, liegt senkrecht über dem
oralen Rande des P,. — Aus den geschilderten Vorgängen können
wir die Stellung der bleibenden Zähne im Kiefer beim Durchbruch
zum größten Teile erkennen. Wo dies nicht beschrieben wurde, erfolgt
Besprechung. — Die Schneidezähne brechen aboral der Milchschneide-
zähne durch, sodaß die Lappen derselben häufig aboral neben den
Milchzähnen vorhanden sind, und siehen in einem flachen Bogen,
analog dem Alveolarıande. Die Wurzeln konvergieren aboral. Die
Querachse von M, ist der Querachse des Schädels parallel gestellt.
1) Die Milchbackzähne und Prämolare sind von aboral nach oral, die
Molaren von oral nach aboral gezählt worden.
Archiv A 11 9. Heft
162 Alfred Beten:
Die Querachse von M,- habe ich häufiger beim Durchbruch etwas
abweichend von der Querachse des Schädels gefunden, und zwar
etwas schräg aboro-medial nach oro-Jateral. Ich komme später auf
letzteres zurück. Beim zahnfertigen Schädel verläuft die Querachse
von M, parallel der Querachse des Schädels. Der orale Rand von M,
liegt mehr oder weniger senkrecht unter der tiefsten Stelle, wo der
Ramus maxillar. os jugal. mit dem Proc. jugalis os maxillar. verbunden
ist. Die aborale Fläche von M, schließt mehr oder weniger mit dem
aboralen Rande des Gaumens ab. Die Längenachse von P, und P,
verläuft derjenigen des Schädels parallel. Die Längenachse von P,
ist etwas der Querachse des Schödels zugerichtet (aboro-lateral nach
oro-medial), während die Längenachse von P, sich stark der Quer-
achse des Schädels nähert (aboro-lateral nach oro-medial). — Der
Durchbruch der bleibenden Zähne im Unterkiefer erfolgt in folgender
Reihenfolge: 1. P, 2. M, 3. I, &T, 5. M. 6.1, 7 Gr
8. M.,, 9. P,, 10. P,, 11. P.,. — Die Schneidezähne brechen in hori-
zontaler Richtung, aboral der Milchschneidezähne, aus dem Kiefer
hervor, um sich im weiteren Verlaufe des Wachstums mit den Lappen
etwas aufzurichten. Die Wurzeln konvergieren aboral, diejenigen
der I,sind den Wurzeln von I, und I, aufgelagert. Canin. tritt mit einer
stumpfen Spitze lingual des Milchhakens aus dem Kiefer heraus,
Diese vom Oberkiefer abweichende Durchbruchsstelle gibt uns Auf-
schluß, weshalb wir häufig den Milchhakenzahn im Oberkıefer aboral
und im Unterkiefer labial des Canın. vorfinden... Wenn Boenisch
betreffs der Canın. berichtet: ‚Bemerkenswert ist noch, daß im Unter-
kiefer die bleibenden Haken in gleicher Höhe medial emporwachsen,
während im Oberkiefer der bleibende Haken vor den Milchhaken
zu stehen kommt“, so zeigen meine Untersuchungen, warum dies
so sein muß. Hierdurch erhält auch die von v.Stephanitz geäußerte
Befürchtung, daß das häufige Stehenpleiben der Milchhaken und das
Durchbrechen der Canin in unregelmäßiger Stellung neben den Milch-
haken auf ein verzögertes Zahnen und Wechseln der Zahne zurück-
zuführen sei, durch meine Feststellungen ein harmloses Aussehen.
Die bleibenden Haken brechen, wie oben erwähnt, oral resp. lingual
der Milchhaken durch und können demnach letztere nicht aus dem
Kiefer herausdrücken. Die Milchhaken müssen daher kürzere oder
längere Zeit neben den bleibenden Haken stehen bleiben. Unter
meinem Material befinden sich mehrere Schädel, bei welchen die
Milchhaken neben den Canin. vorhanden sind; am Schädel No. 31
ist der Milchhaken neben dem bleibenden Haken gleich hoch empor-
- gewachsen. Die Milchhaken bestehen aber nach dem Durchbruch
der Canin. aus so dünnwandigen und ganz lose im Kiefer sitzenden
Gebilden, daß durch das Stehenbleiben derselben Wachstum und
Stellung der mächtigen Canin. kaum beeinflußt werden kann. P,, P,
und P, drücken die betr. Milchbackzähne senkrecht empor, wir finden
daher die Längenachse der bleibenden Zähne parallel derjenigen
des Kieferastes&erichtet.*—*" "Vergleichen wir den’ Dürchbruch der
bleibenden Zähne im Oberkiefer* uiid’ Unterkiefer ufiteinander! "so
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels, 163
treten die Incisivi, Molaren und Canini des Unterkiefers früher als
diejenigen des Oberkiefers in Erscheinung, während die Praemolaren
des Oberkiefers früher als diejenigen des Unterkiefers durchbrechen.
— Die Stellung der bleibenden Backzähne beim ausgewachsenen Hunde
ist im Oberkiefer vom Verlaufe des Zahnbogens abhängig, welcher
beim Schäferhunde in einem ganz schwach labial gewölbten Bogen
verläuft und seine größte Breite in der Gegend zwischen den beiden
M, und P, besitzt. z bleibt etwas schräg gestellt. Im Unterkiefer
stehen die Backzähne analog dem Alveolarrande in einer fast geraden
Linie. Der aborale Rand von 5; steht mehr oder weniger lateral von.
Reißzahn und Molaren lassen zwischen sich keine Zwischenräume
erkennen, ebenso stehen die Prämolaren dich; zusammen. Mit dem
Fortschreiten des Wachstums rücken die Prämolaren auseinander
und lassen mehr oder weniger breite Lücken zwischen sich. — Lück-
zähne. — Tabelle A gibt uns Aufschluß, in welchem Maße dies geschieht.
Tabelle Al. behandelt die Schädel der Schäferhunde in einem Alter
von 8 Monaten bis zu 5 Jahren, A2 diejenigen von 5—12 Jahren.
Im Oberkiefer befindet sich der größte Raum zwischen Carin. und ]1,,
nicht ganz so weis stehen P, und Canin. auseinander, während P,
und P, am engsten zusammenstehen. Im Unterkiefer ist der größte
Raum zwischen P, und Canin., deı geringste zwischen M, und P,.
Im Gegensatz zum Oberkiefer ist der Raum zwischen Canin. und 1,
sehr klein, entsprechend der verschiedenen Stellung des Canin. im
Ober- und Unterkiefer. — Vergleichen wir das Auseinanderrücken
der Zähne in den Tabellen A 1 und A 2 zu einander, so bleibt im Ober-
kiefer der Zwischenraum von P, und P, im Durchschnitt derselbe,
während P, von P, am stärksten, I, am wenigsten vom Canin. abrückt.
Im Unterkiefer bleibt die Stellung von P, und P, im Durchschnitt
ebenfalls dieselbe. Die größte Zunahme findet hier zwischen P, und
Canin., die geringtse zwischen M, und P, statt. — Die Schneidezähne
des Oberkiefers überragen diejenigen des Unterkiefers um ein weniges;
dieselben greifen scherenmößig übereinander. Im vorgerückten Aloer,
nach Abnutzung der Lappen decken sich die Schneidezähne mehr
oder weniger genau. — Für die Altersbestimmung der Hunde während
des Zahnwechsels ist der Durchbruch der bleibenden Zähne maßgebend.
Vergleichen wir die Reihenfolge des Durchbruchs der Zähne beim
deutschen Schäferhunde, wie dieselbe oben geschildert wurde, mit den
Angaben verschiedener Autoren (siehe tabellarische Zusammen-
stellung). — Im Gegensatz zu den Angaben einzelner Autoren habe
ich beim deutschen Schäferhunde als ersten bleibenden Zahn stets P,
vorgefunden, in ganz kurzem Abstande erfolgt der Durchbruch von M..
Nach der Tabelle brechen diese Zähne von 4-5 Monaten durch,
meine Untersuchungen und Beobachtungen haben ergeben, dab
diese Zähne beim deutschen Schäferhunde früher in Erscheinung
treten. - Der Durchbruch der I. ist, wie die Tabelle zeigt, starken
11* 9, Heft
—
{er}
>
Durehschnitt
Alfred Becker:
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1990585
+
Doon®
“Hama
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BsBeie
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Tabelle &
20. al Bah 23. 24.
8 Monate bis 5 Jahre.
19.
1. Alter:
Oberkiefer.
17% 18.
16.
31.
Nr. des Schädels
=Iteltel'cke) no000
Arno mh
Wloooaso nOoWwooo
Se EIER te} SnHaom
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Sowas OroHorr-
slenoon MO ODO
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165
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels.
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9. Heft
166 Alfred Becker:
Schwankungen unterworfen. Beim Schäferhunde brechen dieselben
stets nach P, und M, durch. Innerhalb des Zeitraumes, in welchem
der Durchbruch der Schneidezähne erfolgt, treten M, und P, in Er-
scheinung. Als letzte bleibenden Zähne treien P, und P, im Oberkiefer
hervor. In diese Zeit fällt auch der Durchbruch des nn Im Unter-
kiefer bricht Canin. früher durch als im Oberkiefer; in der oben an-
gegebenen Reihenfolge, wie der Durchbruch der Zähne beim Schäfer-
hunde erfolgt, steht = e Can an 7. Stelle. Als letzte
bleibende Zähne brechen im Unterkiefer P,, P, und P, durch. M, habe
ich beim Schäferhunde stets vollständig entwickelt vorgefunden,
während Pd,, Pd, und Pd, zum Teil noch im Kiefer vorhanden, P,,
P, und P, zum Teil erst im Durchbruch begriffen waren. Die Angaben
der Autoren, daß M, im Alter von 6—7 Monaten durchbricht und
somit als letzter kleibender Zahn zum Durchbruch komm;, treffen
beim Schäferhunde nicht zu. — Aus meinen Untersuchungen geht
hervor, daß beim Schäferhunde als erster bleibender Zahn P, durch-
bricht, und als letzte bleibende Zähne P, im Oberkiefer und P, im Unter-
kiefer zum Durchbruch kommen.
Daß Aufzucht, Wartung und gute Ernährung den Durchbruch
der bleibenden Zähne sehr beeinflussen können, und dadurch die
Altersbestimmung sehr zweifelhaft, ja fast unmöglich wird, bedarf
wohl weiter keiner Erörterung. Aus meinem Material möchie ich
einige diesbezügliche Beispiele anführen.
Am Schädel No. 34 sind die Milchschneidezähne zur Hälfte empor-
gewachsen, P, sind 3mm hoch, M, mit den Spitzen durchgebrochen.
Alter nach den Schneidezähnen etwa 1 Monat, Alter nach den Back-
zähnen etwa 4—5 Monate, Differenz etwa 3—4 Monate. — Am Schädel
No.35 sind die Milchschneidezähne zur Hälfte emporgewachsen.
P, ‘und M, sind 3mm hoch. Alter nach den Schneidezähnen etwa
1 Monat, Alter nach den Backzähnen etwa 4—5 Monate, Differenz
etwa 3—4 Monate. — Am Schädel No. 36 sind die Milch-Schneidezähne
emporgewachsen, P, und = sind 3mm hoch, en ist mit den lateralen
an 9., und
1
Spitzen durchgebrochen. Alter fnach !den Schneidezähnen etwa
1—2 Monate, Alter nach den Backzähnen etwa 4-5 Monate,
Differenz etwa 2—3 Monate. — Am Schädel No. 37 rücken die Milch-
schneidezähne auseinander, P, und M, sind durchgebrochen. Alter
‚nach den Schneidezähnen etwa 2—3 Monate, Alter nach den Back-
zähnen etwa 4—5 Monate, Differenz etwa 1-2 Monate.
Für die Altersbestimmung der Hunde nach dem Zahnwechsel
wird die Abnutzung der Lappen an den Schneidezähnen zu Grunde
gelegt. Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß man für diese
Art der Altersbestimmung die Veränderungen der Schneidezähne
am Pferdegebiß auf das Hundegebiß übertragen hat. Siellen wir nun
die anatomischen und physiologischen Merkmale beider Tiergattungen
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 167
in dieser Beziehung fest. Die Schneidezähne des Ober- und Unter-
kiefers decken sich beim Pferde genau. Das Futter des Pferdes ist bei
uns ziemlich gleichmäßig, bestehend aus Körnerfutter, Heu und Häcksel.
Durch die kauende und mahlende Bewegung der Kiefer seitlich gegen-
einander werden die Reibflächen der Schneidezähne konstant und
gleichmäßig abgeschliffen. Wir können daher bei uns nach der Ab-
nutzung der Schneidezähne das Alter des Pferdes ziemlich genau
feststellen. — Ganz anders verhält es sich beim Hunde. Bei einigen
Hunderassen decken sich die Schneidezähne mehr oder weniger genau,
bei anderen greifen sie scherenmäßig übereinander, wiederum bei
anderen überragen die Schneidezähne des Unterkiefers diejenigen
des Oberkiefers. Eine gleichmäßige Abnutzung der Schneidezähne
kann daher bei den verschiedenen Hunderassen nicht stattfinden.
Dann spielt die Natur der Nahrung und ihre Mannigfaltigkeit bei der
Abnutzung der Zähne eine große Rolle. Bei einem Schoßhunde, der
stets eine sehr weiche Nahrung erhält, wird auch die Abnutzung der
Schneidezähne eine sehr geringe sein. Dagegen muß der Gebrauchs-
zweck und die Verwendung des Hundes, vieles Apportieren, besonders
von harten Gegenständen, die Lebensweise und Angewohnheiten des
Hundes einen starken Einfluß auf die Schneidezähne ausüben. Dazu
kommt noch, daß die Härte der Zähne eine ungleiche ist, nach Bönisch
besitzen die größeren Rassen ein verhältnismäßig weicheres Gebiß
als die kleineren. Da die quergestellte Gelenkgrube des Schläfen-
beines und der walzenförmige Gelenkfortsatz des Unterkiefers nur eine
einfache gynzlymische Bewegung gestattet, kann ein Kauen und
Zermahlen der Nahrung beim Hunde nicht stattfinden, sondern nur
ein Zerschneiden und oberflächliches Zerkauen derselben. Von einem
gleichmäßigen Abschleifen der Schneidezähne kann daher beim Hunde
nicht gesprochen werden, und ist die Altersbestimmung nach diesen
Grundsätzen nur von geringem Wert. Kroon schreibt, daß sich doch
im allgemeinen aus der Abnutzung der Schneidezähne brauchbare
Anhaltspunkte zur Altersbestimmung ergeben, fügt jedoch hinzu:
„Die gleiche Lebensweise bei den Tieren vorausgesetzt.‘ Da man
aber bei verschiedenen Hunden niemals die gleiche Lebensweise voraus-
setzen kann, so fallen auch die brauchbaren Anhaltspunkte zur Alters-
bestimmung aus der Abnutzung der Schneidezähne in sich zusammen.
Bei den meisten Hunden, von welchen mir das Alter von den Besitzern
mitgeteilt wurde, stand das angegebene Alter mit dem Alter, welches
nach der Abnutzung der Schneidezähne festgestellt wurde, in einem
starken Mißverhältns. Nach der Abnutzung der Schneidezähne
zu urteilen, mußten die betreffenden Hunde ganz bedeutend älter sein.
Auf meine in dieser Hinsicht den Besitzern gegenüber yeäußerten
Zweifel über die Richtigkeit ihrer Angaben, wurde mir erwidert, daß
sie die betreffenden Hunde selbst groß gezogen hätten.
Die Altersbestimmung der Hunde nach stattgefundenem Zahn-
wechsel ist unsicher.
Die Zähne zeigen in Bezug auf Anzahl und Stellung häufiger
Abweichungen vom normalen Gebiß, wie Hilzheimer an etwa
9. Heft
168 Alfred Becker:
900 Schädeln festgestellt hat. Ich habe mein Material in dieser Hinsicht
gleichfalls einer Durchsicht unterwoıfen. — Beim Fehlen von Zähnen
ist es immer schwer zu sagen, ob dieselben nicht zur Entwickelung
gekommen oder ob dieselben ausgefallen und die Alveolen resorbiert
worden sind. Nur mit Sicherheit läßt sich das Fehlen eines Zahnes
feststellen, wo der Milchzahn bei sonst vollständig entwickeltem Gebiß
stehen geblieben ist. Aus dem häufigen Stehenbleiben von Milch-
zähnen können wir schließen, daß die bleibenden Zähne nicht zur
Entwickelung gekommen sind. Am Schädel No. 31 sind die beiden
Pd, des Unterkiefers stehen geblieben. Dieselben befinden sich neben
dem vollständig entwickelten kleibenden Gebiß. Am Schädel No. 19
ist Pd, deslinken Unterkieferastes neben dem bleibenden Gebiß erhalten.
Am Schädel No. 27 fehlt P, des rechten Unterkieferastes. Nach dem
Befunde des Alveoles ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der bleibende
Zahn nicht angelegt iss. — Eine Vermehrung der Zähne habe ich beim
Schäferhunde nur bei den Prämolaren festgestellt. Nach Ellenberger
und Baum reihen sich die überzähligen Prämolaren immer an die
Enden der Zahnreihe an, stellen also einen P, dar. Nehring und
Hensel haben sich deutlich ausgedrückt, daß es sich nach ihrer
Ansicht um einen Zahn handelt, der vor dem ncrmalen vordersten
Prämolaren entstanden ist (zitiert nach Hilzheimer). Daß dies nicht
immer zutrifft, hat Hilzheimer an einem Wolfsschädel erläutert.
Ich kann heute aus meinem Material ein neues Beispiel anführen.
Da der überzählige Zahn in der Entwickelung begriffen ist, dürfte
dieser Fall jeden Zweifel über die Stellung des betreffenden Zahnes
ausschließen. Am Schädel No. 42 sind beide P, im Oberkiefer bis zu
einer Höhe von 4mm emporgewachsen. Die Abstände zwischen P,
und Milchhaken betragen 2 mm, diejenigen zwischen P, und Pd,
4 mm. Zwischen P, und Pd, im linken Zahnbogen ist dicht aboral
von P, ein Zahn durchgebıochen, welcher eine Höhe von 2 mm besitzt.
(Figur 15). P,ist durch den überzäbligen Zahn etwas aus seiner Ssellung
Überzähliger Jahn
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 169
gedrückt, sodaß er etwas quer gestellt und die Spitze aboral gerichtei
ist. Es geht aus dem Befunde unzweifelhaft hervor, daß der über-
zählige Zahn, da er zwischen P, und Pd, durchgebrochen ist, nicht
als P, bezeichnet werden kann und nicht vor dem normalen vordersten
Prämolaren entstanden ist. — Nach der Form der überzähligen Prä-
molaren, welche gewöhnlich in der Richtung der Zahnreihe stehen,
können wir auf die Ursache, welche zu ihrer Entwicklung geführt hat,
schließen. Sehr häufig sind P, und der überzählige Zahn beim zahn-
fertigen Hunde gleich groß, und es ist schwer festzustellen, welches
der überzählige Zahn ist. Die Entstehung dieses Zahnes dürfte auf
einen neuen Reiz auf die Zahnleiste zurückzuführen sein. Schädel
No. 18 zeigt uns einen solchen Fall. In der rechten Oberkieferhälfte
befindet sich ein überzöhliger Prämolar. Deiselbe und P, sind von
derselben Gestalt und fast gleich groß, jedoch sind beide quergestellt,
und zwar sind die gewölbten Flöchen der Zähne oral und die aus-
gehöhlten Flächen aboral gerichtet. Wie die Querstellung zustande
kommt, dafür kann ich nur eine Vermutung aussprechen. Der zuerst
durchgebrochene Zahn wird durch den folgenden aus seiner Lage
gedrängt, und dadurch die Querstellung hervorgerufen. Am Schädel
No. 42 hat, wie oben erwähnt, P, die Neigung zu dieser Stellung an-
genommen. Auf eine doppelte Anlage von Schmelzkeimen las;en P,
und ein überzähliger Zahn am Schädel No. 16 schließen. Die beiden
Prämolaren machen den Eindruck, als wenn P, in vertikaler Richtung
geteilt se. Die beiden einander gegenüberstehenden Ränder der
betreffenden Zähne fallen senkrecht ab, die oralen und aboralen Ränder
sind gewölbt. Die Spitzen sind etwas ausgezogen. Am Schädel No. 21
dürfte die Anlage des überzähligen Zahnes auf Absprossung zurück-
zuführen sein: Der Alveolarrand des linken Unterkieferestos ist zwischen
P, und Canin. lateral stark ausgehöhlt. In diese Aushöhlung ragt
ein kleiner, spitz zulaufender, oral gerichteter Zahn hinein: Am Schädel
No. 29 befindet sich an Stelle des zweilappigen P, im Oberkiefer links
ein Kegelzahn. Nach den Regeln der Paläontologie ist der Regelzahn
die älteste Form der Zähne. Obiger Zahn ist also auf dieser Form
stehen geblieben. — Welchen Einfluß Zahnkrankheiten auf das
Gebiß ausüben können, zeigt Schädel No. 32. Die Wurzel des =
rechts ist kariös. Der Prozeß hat auf die Oberkiefer-Nasenbeine und
Stirnkeine übergegriffen und diese Knochen z. T. zerstört. Um die
Schmerzen bei der Aufnahme der Nahrung zu mildern, hat der Hund
1
— rechts
Canın
den betreffenden Zahnbogen entlastet. Dadurch ist der
nin
R Ca 2
medial des rechts getreten und hat letzteren in seiner ganzen
Meezı.
— 1st lateral
Canın
Br links steht aboral des Carl
Canın 1!
Länge fast bis zur Hälfte ausgehöhlt. Die Spitze des
stark abgeschliffen. Der links,
9. Heft
170 Alfred Becker:
der orale resp. aborale Rand der betreffenden Canin. ist stark ab-
; I ;
genutzt. = sind ausgefallen 7 und — sind weit aus dem Kiefer
I e |
herausgewachsen. sa berühren mit der Spitze die oralen Ränder
der Canin. Die Lappen zeigen ganz geringe Abnutzung. Die I, und
IT, überragen sehr stark diejenigen des Unterkiefers. Die aboralen
Flächen der SE sowie die oralen Flächen der- gleichfalls sehı langen
- sind stark abgeschliffen. Durch die lange Krankheitsdauer ist
der Unterkiefer etwas im Wachstum zurückgeblieben, der Lippenteil
ist sehr stark gewölbt. — Eine ganz besondere Abnormität besitzen
die rechten . und = des Sshädels No. 23. Die beiden Zähne stellen
konische, aus länglichen Zahnblättehen zusammengesetzte Gebilde dar,
sodaß sie das Aussehen einer Knospe erhalten. Aus der Spitze des
TI, entsprechenden Gebildes ist ein kleiner, dünner, lanzettförmiger
und oral gerichteter Zahn hervorgewachsen. — Ellenberger und
Baum berichten in ihrem Werke: „Der 1.—4. Backzahn des Ober-
und der 2.—4. Backzahn des Unterkiefers werden gewechselt, die
übrigen nicht.“ Die Stellung deı bleibenden Zähne beim zabnfertigen
Hunde ist im
Obeıkiefer: Unterkiefer:
1, Backzahn A Prnn. ieh. Ba
2. “ es. P;
3: i Pasta: P5
4. N Pilsdessikesli: P,
5; r Mt. tai rascher M,
6. ci Make aha Ms
7
3 ” Sr ab. My
An Stelle von Pd,, „und „sind P,, , und , getreten; P,,M,, „und,
haben keine Vorgänger. Es wird somit sowohl im Ober- als auch im
Unterkiefer der 2.4. Backzahn gewechselt.
‘ Im folgenden Abschritt sollen das Wachstum und die Form-
veränderungen einiger Schädelteile und Knochen, welche im Verlaufe
der Entwickelung eine besondere Umformung e.leiden, besprochen
werden. Außerdem sollen einige Angaben von Autorer in den Bereich
meiner Betrachtungen gezogen und versucht werden, dieselben durch
"Maße zu erläutern.
D. Das Entstehen der Schläfenenge.
Bei der Bildung der Deckknochen des Schädels wächss die Knochen-
masse durch periostale Knochenbildung unter Apposition durch die
Tätigkeit der periostalen Osteoblasten. Das Randwachstum geschieht
in den Nähten gleichfalls durch Apposition. An den krorpelig vor-
gebildeten Knochen ist ein mehr oder weniger breiter Knorpelsaum
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels, 171
zwischen die Berührungsränder eingefügt, zwischen die Deekknochen
nur Bindegewebe. Nach Vollendung de: Wachstums hört die Bildung
von neuem Knochengewebe an den Nähten auf, doch werden sie selbst
im vorgerückteren Alter zum Teil durch Knochengewebe ausgenüllt;
damit gehen die Knochengrenzen verloren. Das allmähliche Ver-
schwinden dieser Zwischengewebe und das Verwachsen der einzelnen
Kncchen untereinander ist anfang: bei der Beschreibung der einzelnen
Schödel geschildert worder. Neben dem Löngen- und Breitenwachstum
der Knochen geht im Entwicklungsstädium, wie gezeigt, die Modellierung
des Schädels durch Zug und Druck der Muskeln einher. Wenn auch
durch diese Vorgänge der Schädel seine definitive Gesvalt erhält,
so findet in der Pars parieto-temporalis de: S.irnbeine eine derartige
Umfermung statt, welche man auf diese Vorgänge allein nicht zurück-
führen kınn. Während wir bei der übergroßen Mehrzahl der Schödel-
knochen Fo’m und Gestalt beim auscewachsenen Schöd:]l wieder-
erkennen, wie sie bei der Geburt angelegt waren, ändern die Stinnbeine
vollständig ibıe Form. Mit dem Fortschreiten der Entwickelung
entsteht an den lateralen Flächen des Schädels in der Pars parieto-
temporalis os. front. je eine kleine Fuiche, welehe immer tiefer werdend,
den Schädel stark einschnürt (Schiäfenenge). Gleichzeitig nehmen
die Stirnbeine zanz bedeutend durch das starke Emporwachsen der
Proc. zygomat. os. front. an Breiie zu. Die Erklärung des Zustande-
kommens dieser Umformung ist im ersten Augenblicke schwierig.
Nach Pohle findet bei der Fischotter in der In.ertemporalregion
starke Resorption neben Apposition statt. Durch erstere werden
aus aer Gebirnk»psel rechvis und links zwei Stücke „„hereusgemeißelt‘“,
wodurch die Schläfenenge entsöeht. Auf welche Art und Weise ist
nan diese Umformung am Schädel des Hurdes zu erklären. Gehen
wir vom jugendlisben Schädel aus. Derselbe wächst zunächst durch
Apposition an der Oberfläche und in den Nähten, wie die glatte und
glänzende Oberfläche beweist. Am Schädel des etwa 6 Wochen alten
Hundes machen sich auf der dorsalen Fläche der Stirnbeine, dicht
hinter den aboro-dorsalen Orbitaecken, in dem Winkel, welcher von
dem laveralen Orbiiatande und der Sutura coronalis gebildet wird,
zwei ovale, etwa haselnußgınße Stellen bemerkbar, welche sieh durch
ihre dunklere Färbung von den gelblich-weißen Schädelknochen
stark abheben. Da diese Stellen ebenfalls noch eine glavt: und glänzende
Oberfläche besiözen, ist uns zunächst diese Faıbenänderung n’cht
erklärlich. Erst der Schädel des etwa 8 Wochen alten Hundes gibi
uns darüber näheren Aufschluß. In diesem Alter ist in der Mitte der
genannten dunkler gefärbten Stellen das glatte glänzende Aussehen
der Oberfläche, etwa im Umfange einer Linse, verschwunden und
der Knochen hat hier ein rauhes und schwammiges Aussehen an-
genommen. Ein Zeichen, daß hier Osteoklasten an der Arbeit sind
und den Knochen zur Resorption bringen. Am Schödel des etwa
10 Wochen alten Hundes ist dieselbe deutlicher erkennbar, die beiden
dunkler gefärbten Stellen sind jetzt ir ihrer ganzen Ausdehnung
rauh und schwammig. Am Schädel des 3—4 Monate alten Hundes
9, Nett
1% Alfred Becker:
hat die Resorption weiter an Ausdehnung zugenommen und die lateralen
Flächen der Stirnbeine ergriffen. Zugleich hat die Schläfenenge an
Tiefe zugenommen. Am Schädel des 4—5 Monate alten Hundes sind
die schwammigen Stellen an den dorsalen Flächen der Stirnbeine
verschwunden und nur noch an den Seitenflächen zu finden. Die jetzt
stärker in Erscheinung tretenden Lineae semicirculares bilden die
Grenze zwischen den dorsalen Flächen der Stirnbeine und den genannten
rauhen Stellen. Im ferneren Verlaufe des Wachstums sind die Osteo-
klasten weiter an der Arbeit, wie wir in der forsschreitenden Aushöhlung
der Schläfe feststellen können. Erst am Schädel des vollständig zahn-
feröigen und ausgewachsenen Hundes is; das schwammige Aussehen
des Knochens in der Schläfenenge verschwunden. Der Schädel hat
an den betreffenden Stellen wieder ein glattes und glänzendes Aus-
sehen, ein Zeichen, daß die Vorgänge an der Oberfläche ihren Abschluß
gefunden haben. Nun nimmt aber fernerhin die Schläfenenge an Breite
ab, es muß daher weiter an der Innenfläche Resorption, wenn auch
in geringerem Umfange, stattfinden. — Daß mit diesen Resorptions-
vorgängen starke Apposition an den übrigen Teilen der Stirnbeine
verbunden ist, dürf5e aus dem gerade in den zuletzt genannten Alters-
abschnitten, starken Emporwachsen des Proc. zygomatic. os. front.
zu folgern sein. Zugleich dürften die Musculi temporales ein günstiges
Angniffsfeld auf die durch starke Resorption geschwächten Knochen
vorfinden, um die Modellierung des Schädels um so leichter zu
vollenden.
E. Das Wachstum des Planum palatinum.
In dem Abschnitt, welcher den Durchbruch und dıe Stellung der
Zähne behandeli, wurde erwähnt, daß im Öberkiefer die Backzähne
nach dem Durchbruch dicht zusammenstehen. Mit dem Fortschreiten
des Wachstums rücken die Prämolaren auseinander, während in der
Stellung der Molaren und P, keine Veränderung eintritt. Es dürfte
von Interesse sein, auf Grund dieser Vorgänge das Wachstum des
Planum palatinum einer Prüfung zu unterziehen. Zu diesem Zweck
wurde der Gaumen in drei Abschnitte geteilt (Tabelle B). Gaumen-
lönge I bezeichnec den aboralen Teil des Gaumens, welcher von einer
Linie begrenzt wird, die die aboralen Ränder von M, miteinander
verbindet, bis zu einer Linie, welche durch dıe oralen Ränder des
Reißzahnes gezogen ist. Diese Länge iss deshalb gewählt worden,
weil die von diesem Maße eingeschlossenen Zähne P,, M, und M,,
während der Lebensdauer des Hundes dicht zusammen stehen bleiben.
Mit Gaumenlänge II is5 der mittlere Teil des Gaumens gekennzeichnet,
welcher von letztgenannter Linie bis zu einer Linie reicht, welche die
oralen Ränder von P, miteinander verbindet. Da P, zueist von den
bleibenden Zähnen durchbricht, so konnte dieses Maß auch von den-
jenigen Schädeln, wo Pd, und Pd, noch nicht gewechselt waren, ge-
nommen werden. Gaumenlänge III umfaßt den oralen Teil des
Gaumens von letzterer Linie bis zum I, Alveol. — Wenden wir uns
der Gaumenlänge I zu. Bei der Beschreibung des Durchbruchs der
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Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 173
9, Heft
174 Alfred Becker:
Zähne wurde festgesiellt, an welchem Punkte des Kiefers M, durchbricht,
und daß wir denselben in jeder Altersstufe des Hundes immer an der-
selben Stelle vorfinden. Es schließen die aboralen Ränder von M,
mit geringem Unterschiede immer mit dem aboralen Rande des Planum
palatinum ab. Daher fällt die durch die aboralen Ränder von M,
gezogene Linie mehr oder weniger mit dem aboralen Rande des Gaumens
zusammen. Wir erkennen daraus, deß Lageveränderungen des aboralen
Randes in horizontaler Richöung nach dem Durchbruch von M, nicht
mehr stattfinden. Auch das vom oralen Rande der Orbita auf das
Planum ventrale gefällte Lot, welches nach dem Durchbruch von P,,
M, und M, immer, wie oben erwähnt, zwischen P, und M, fällt, gibt
uns Aufschluß, daß nach dem Durchbruch dieser Zähne eine Ver-
schiebung dieses Teiles des Kiefers weder oral noch aboral stattfindet.
Wie gestalte5 sich nuan das weisere Wachstum des Gaumens? Betrachten
wir die Maße der Gaumenlänge I, so können wir feststellen, daß das
beireffende Maß am Schädel des jüngsten Hundes meines Materials,
bei dem £,, M, und M, gerade zur Entwickelung gelangt sind, mib den
betreffenden Maßen am Schädel der ältesten Hunde fast genau über-
einstimmt. Wir ersehen daraus, daß nach dem Durchbruch von P,,
M, und M, der von diesen Zähnen eingeschlossenen Teil des Gaumens
(Gaumenlänge I) am ferneren Wachstum des Planum palatinum’
nich5 mehr beteiligt ist. — Anlangend die Gaumenlänge Il, so lehıt
uns die Tabelle, daß dieselbe mit dem Fortschreiten des Wachstums
in steigendem Maße an Länge zunimmt. Dieselbe wächst um das
1,4fache. Gaumenlänge I = 100 gesetzs ergibt, daß dieser Teil des
. Gaumens von 83,3%, auf 110,8% ansteigt. Ein allmähliches Länger-
werden des oralen Teiles des Gaumens bestätigen uns weiter die Maße
der Gaumenlänge III, deren Wachstum um das 1,3fache zunimmt.
Gaumenlönge I = 100 geseözt, eıgib:, daß dieser Teil des Gaumens
von 77,8% auf 100,0% ansteigt. Ein Vergleich der Gaumenlänge I
und II führt zu dem Ergebnis, daß der mittlere Teil des Gaumens
(Gaumenlänge II) am stärksten am Wachstum beveiligt ist. Diese
Angaben bestätigt uns die Tabelle A, welche uns Aufschluß über das
Auseinanderrücken der Backzähne gab. Nach dieser Tabelle rücken
die Prämolaren (Gaumenlänge II) im Duichschnitt um 1,7 mm aus-
einander, während die Zwischenräume zwischen den Zähnen, welche
in dem oralen Teil des Gaumens (Gaumenlänge III) stehen, sich nur
um 0,8 mm durebschnittlich vergrößern. — Nach der Tabelle B sind
die Maße der Gaumenlänge II bei der übergroßen Mehrzahl der Schädel
größer als diejenigen de. Gaumenlänge III. Bei einigen Schädeln
'sind die Maße gleich lang, bei einzelnen überragt das Maß der Gaumen-
länge III dasjenige der Gaumenlänge II. Die Eıklärung dieser Er-
scheinungen gibt uns wiederum Tabelle A. Wir können feststellen,
daß bei den ersteren Schädeln die Zwis;henräume zwischen den Prä-
molaren ganz gering sind, und daß bei den letzteren Schädeln keine
Zwischenräume vorhanden sind, sondern die Zähne kulissenar.ig
nebeneinander und schräg gestellö sind. Letztere Vorgänge sind auf
Domestikationserscheinungen zurückzuführen. Der betreffende Teil
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 175
de; Gaumens ist in der Entwickelung zurückgeblieben, die Zöhne
sind im Wachstum fortgeschritten, folglich sind die Zähne in ihrer
ursprünglichen Stellung, welche sie beim Durchbruch einnahmen,
siehen geolieben. Wir sehen daraus, daß beim vorzeitigen Abschluß
der Entwickelung (Frühreife) die Verkürzung des Gaumens im mittleren
Teile desselben (Gaumenlänge Il) zu suchen ist.
Stellen wir unsere Untersuchungen über das Wachstum des
Planum palatinum, wie folgt, zusammen:
1. Nach dem Durchbruch von M, tritt eine Veränderung in der
Stellung des aboralen Randes des Gaumens nichs mehr ein. — 2. Nach
dem Durchbruch ven P,, M, und M, hört das Wachstum des von diesen
Zähnen eingeschlcssenen Teiles des Gaamens (Gaumenlänge I) auf. —
3. Die weitere Längenzunahme des Planum palavinum geschieh;
im mistleren und oralen Teile des Gaumens (Gaumenlänge II und 11I).
— 4. Die Löngenzunahme des Gaumens finde: nach dem Durchoruch
von x,), M, und M, nur noch o1alwärts statt. — 5. Domestikations-
erscheinungen treten im mittleren leile des Flanum palatinum (Gaumen-
länge II) zu Tage.
F, Das Wachstum des Ober- und Unterkiefers.
Vergleichen wir die Kiefer der Schäferhunde in den verschiedenen
Lebensaltern untereinander, so sind dieselben im Verlaufe der Ent-
wickelung zahlreichen Veränderungen unterworfen. — Betrachten
wir zunächst das Wachstum des Oberkiefers. Beim ausgetragenen
Schäferhunde schließt der aborale Rand des Pd,-Alveols mit dem
aboralen Rande des Oberkiefers ab (Fig. 1). Die Zahnleiste findet
aboral keine Knochenmassen vor und wächst aboral und etwas dorsal
zu einem äußerst dünnwandigen Knochenfortsatz aus, welcher die
Anlagen für die Molaren beherbergt. Dieselben stellen, nach Entfernung
des sie bedeckenden Knochengewebes, dünn ovale Schärbehen dar,
welche bereits von 4 (M,) resp. 3 (M,) kleinen Höckern gekrönt werden.
Die Molaren kommen daher in der Gegend zur Entwickelung, welche
als Tuber maxillare bezeichnet wird. Im weiteren Verlaufe des Wachs-
tums wendet sich die aborale Spitze dieses Knochenfortsatzes medial.
Entsprechend dem Verlaufe dieses Fortsatzes bildet die Querachse
von M,, da er in dem aboralen Ende desselben eingelagert ist, mit der
Längenachse des Schädels einen spitzen Winkel. Im ferneren Verlaufe
der Entwickelung rückt der Fortsatz allmählich oral weiter vor und
ist mit dem Durchbruch von M, verschwunden. M, muß daher, als der
in dem Knochenfortsatz am weitesten aboral und medial gelegene
Zahn, um an seine Durchbruchsstelle zu gelangen, einen Bogen be-
“ schreiben, welcher von aboro-medial nach oro-lateral verläuft. M,
legt von einer aboral des Gaumens befindlichen Stelle einen Weg
nach einem Punkte zurück, welcher sich lateral des Gaumens befindet.
Da ich die Querachse von M, gleich nach dem Durchbruch häufiger
etwas schräg zur Querachse des Schädels gestellt gefunden habe,
und zwar von aboro-medial nach oro:lateral, — die Querachse von
M, und die Längenachse des Schädels bilden einen stumpfen Winkel —,
9. Heft
176 Alfred Becker:
so muß dielaterale Fläche dieses Knochenfortsatzes anfangs in stärkerem
Maße am Wachstum beteiligt sein als die mediale. Dieses Wachstum
zahlenmäßig zu erläutern, ist mir nicht möglich, da Meßpunkte nicht
auffindbar sind. Die Querachse von M, macht von der Anlage bis zum
Durchburch desZahnes eineDrehung ven etwa 90°, um sich am Schlusse
der Entwickelung parallel zur Querachse des Schädels zu stellen.
Die Querachse von M, und die Längenachse des Schädels bilden
einen rechten Winkel. Da ferner die aborale Spitze des betreffenden
Knochenfortsatzes etwas dorsal gerichtet ist, finden wir die Kaufläche
von M, bei dem Durchbruch schräg aboral gestellt. Erst mit dem
vollständigen Abschluß der Entwickelung ist die Kaufläche ventral
gerichtet. Als Ursache dieses Vorganges ist das allmähliche Vorrücken
des Gaumens zu betrachten. — Wenden wir uns dem Wachstum des
Unterkiefers zu. Der Alveol für M, ist bei der Geburt des Hundes
auf dem Alveolarrande dicht oral des vertikalen Astes angelegt,
während sich die Alveolen von M, und M, hintereinander an der
lingualen Fläche des Ramus ascendens befinden. Im Verlaufe der
Entwicklung treten dieselben allmählich auf die Oberkante des
horizontalen Astes des Unterkiefers. Wie die Fıeilegung der Alveolen
von M, und M, vor sich geht, zeigt uns die Veränderung des Bogens,
welchen der dorsale Rand des Unterkiefers mit dem oralen Rande
des Ramus ascendens bildet. Bei der Geburt ist derselbe ganz schwach
ventralwäıts gewölbt, im weiteren Verlaufe der Entwickelung nimmt
derselbe bedeutend an Tiefe zu, beim ausgewachsenen Hunde geht
der dorsale Rand in einem fast rechten Winkel in den oralen Rand
des aufsteigenden Astes über. Aus der beim neugeborenen Hunde
porösen und schwammigen Beschaffenheit des Knochenabschnittes,
wo der dorsale Rand mit dem Ramus ascendens zusammenstößt,
geht hervor, daß an dieser Stelle Resorption stattfindet. Die Stellen
des Außenrandes des Kiefers, die resorbiert werden, damit die Zähne
oben auf den Alveolarrand kommen, ist gewissermaßen schon bei der
Geburt prädestiniert. Eine dunklere Linie, oberhalb deren der Knochen
ein etwas anderes Aussehen zeigt als unterhalb, grenzt den zu resor-
bierenden Teil gegen den bleibenden ab; und zwar ist dieser Teil hinten
am Ramus ascendens etwa 2 mm breit, keilt nach vorn spitz aus und
ist bis zum Alveol des 1. Milchbackzahnes zu verfolgen. Wenn dieser
Abschnitt resorbiert ist, ist der vorher höhere labiale und der linguale
Alveolarrand gleich hoch, sodaß dann die Zähne oben auf dem Kiefer
stehen. Erst nach der vollständigen Entwickelung der Milchzähne
besitzt der betreffende Knochenabschnitt ein glattes, glänzendes und
‚einheitliches Aussehen. Ein Zeichen, daß Abbau nicht mehr stattfindet.
Gleichzeitig nimmt der aborale Teil des Unterkiefers am ventralen
Rande bedeutend an Wachstum zu. Der Proc. angularis, welcher
bei der Geburt des Hundes dem Condylus dicht benachbart ist, rückt
allmählich ventralwärts von demselben ab. Weiter nimmt die starke
Woölbung des ventralen Randes mehr und mehr ap, um beim aus-
gewachsenen Hunde nur noch unbedeutend zu sein. — Mit Beginn
des Durchbruches der bleibenden Backzähne treten an den betreffenden
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 177
Stellen des Alveolarrandes auffallende Erscheinungen zu Tage. Be-
trachten wir zunächst den Unterkiefer eines Hundes vor dem Zahn-
wechsel (Figur 16). Der Alveolarrand verläuft — von der Seite gesehen
Fig. 16.
— in einer fast geraden horizontalen Linie. M, ragt mit seiner Spitze
etwas aus dem Kiefer heraus. P, ist vollständig entwickelt, seine
Spitze liegt mit denjenigen der Milchbackzähne fast in gleicher Höhe.
Zwischen dem Kronen- und Alveolarrand von P, ist ein schmaler
Zwischenraum, sodaß die Wurzel des Zahnes ein wenig sichtbar ist. —
Am Unterkiefer eines im Zahnwechsel etwas fortgeschrittenen Hundes
hat im Bereiche von P,, , „ M, und Canin. z. T. starke Resorption
des Alveolarrandes stattgefunden, welcher daher — von der Seite
betrachtet — ein zerklüftetes und unebenes Aussehen besitzt (Figur 17).
Fig. 17.
Wie die Resorption des Alveolarrandes allmählich vor sich geht,
zeigen uns die Veränderungen desselben in den verschiedenen Alters-
stufen während des Zahnwechsels. An der lingualen Fläche des Unter-
kiefers entstehen bei Beginn desselben neben den Milchbackzähnen
kleine Löcher. Dieselben nehmen allmählich an Umfang zu, schneiden
den Alveolarrand lingual an den betreffenden Durchbruchstellen tief
aus und legen die Spitzen der Prämolaren frei. Auch die laterale
Archiv für Naturgeschichte 3
1923. A.9. 12 9. Heit
178 Alfred Becker:
Fläche des Unterkiefers ist am dorsalen Rande teilweise fensterartig
durchlöchert und der Kronenrand der Prämolaren wird durch diese
Fenster sichtbar. Letztere werden immer größer, und der dorsale
Rand verfällt allmählich vollständig der Resorp:ion. Duich den oral
und aboral von P, stattgefundenen Abbau überıragt der Alveolarrand
von P, bedeutend den übrigen Teil des Alveolarrandes. P, steht wie
auf einem Sockel. Der Zwischenraum zwischen dem Kronen- und
Alveolarrande von P, is5 derselbe geblieben. Eine Abbau des Alveolar-
randes im Bereiche von P, hat nicht stattgefunden. — Beim aus-
gewachsenen Hunde verläuft der Alveolarrand wieder in einer fast
horizontalen Linie (Figur 18). Der Alveolarrand von P, befindet sich
Fig. 18.
in gleicher Höhe mit dem übrigen Alveolarrande. Der Raum zwischen
dem Kronen- und Alveolarrande vor. P, hat sich nicht verändert. —
Nach der Ansicht von Aichel wird der Alveolarrand des Kiefers
resorbiert und fast der ganze Zahn dadurch freigelegt. Dem Wurzel-
wachstum wird nur ein geringer Wert beigemessen. — Aus unseren
Untersuchungen geht hervor, daß das Wurzelwachstum die einzige
Kraft ist, welche den Zahn hebt. Zwar findet, wie Aichel festgestellt
hat und wie wir oben schilderten, während des Durchbruches der
Zähne Resorption am Alveolarrande statt. Diese Resorption hat aber
nicht den Zweck, den Zahn freizulegen, sondern nur Platz zu schaffen,
damit er herausgehoben werden kann. Der Alveolarrand ist vor dem
Zahndurchbruch sehr schmal und bietet für den Zahn keinen Raum.
Druck bedingt Resorption. Der aus dem Kiefer herausdrängende
Zahn bringt mit seiner für den bisherigen Alveolarrand zu breiten
Krone den Alveolarrand zur Resorption. Ist der Zahn herausgehoben,
findet wieder Anbau am Alveolarrande statt, sodaß derselbe wieder
dieselbe Höhe hat wie vorher. Den Beweis liefert uns der Durchbruch
von P,. Beim Durchbruch desselben entstekt infolge Abbau eine Aus-
buchtung des Alveolarrandes aboral von P,. Da die Entfernung des
Kronenrandes von P, vom Alveolarrande immer dieselbe bleibt,
wie oben nachgewiesen, kann am Alveolarrande von P, keine Resorption
Das postembryonale Wachstum des deutsehen Schäferhundschädels. 179
stattfinden; denn eine solche müßte die Wurzel von Py freilegen und
P, schließlich zum Ausfall bringen. Würde nach Aichel das Freiwerden
des definitiven Zahnes vorwiegend durch Abbau des Alveolarrandes
‚erfolgen, so mübte der Alveolarrand von P,, da hier keine Resorption
stattfindet, beim zahnfertigen Hunde den übrigen Alveolarrand stark
überragen. Dementsprechend müßte auch der Kronenrand von P,
bedeutend höher liegen, als die Kronenränder der übrigen bleibenden
Zähne. Da beim definitiven Gebiß der Alveolarrand, wie oben erwähnt,
wieder eine einzige gerade Linie darstellt, so muß der beim Durchbruch
von P, bemerkte Ausschnitt des Alveolarrandes wieder durch Apposition
am Alveolarrand ausgefüllt sein. — Daß ferner die Zahnkronen lediglich
durch Wurzelwachstum über das ursprüngliche Niveau des Alveolar-
randes hinausgehoben werden, kann leicht an der gegenseitigen Be-
ziehung von P, zu P, nachgewiesen werden. Wir haben oben gesehen,
daß P, immer seine Höhenlage beibehält, seine Spitze kann daher
als fester Punkt angesehen werden. Beim Durchbruch von P, liegt
die Spitze dieses Zahnes erheblich tiefer als das Cingulum der Krone
von P,. Ist aber P, vollständig entwickelt, so liegt seine Spitze sogar
etwas höher, wie die von P,. Die Zahnkrone von P, muß also an der
von P, vorbei über diese hinaus gehoben worden sein, und das, was
sie gehoben hat, kann nur die Wurzel gewesen sein. — Ebenso wie
am Vorderende der Prämolarreihe können wir dieselben Veränderungen
am Hinterende nachweisen. Der definitive Reißzahn erscheint hinter
dem Milchreißzah ;, während dieser noch in Funktion ist. Beim
Durchbruch des definitiven Reißzahnes liegt seine Spitze erheblich
unter dem Cingulum der Krone des Milchreißzahnes. In den meisten
Fällen bleibt beim Hunde der Milchreißzahn stehen, bis der definitive
Reißzahn entwickelt ist. Daß der Milchreißzahn in dieser Zeit seine
Stellung ändert, sich etwa in seiner Gesamtheit senkt, wird niemand
behaupten können. Wir können aber im Laufe der Entwickelung
beobachten, wie die Spitze des definitiven Reißzahns allmählich ım
Verhältnis zur Sp.tze des Milchreißzahnes höher kommt und schließlich
diese überragt. Es muß also die Krone des definiven Reißzahnes
gehoben sein, und was sie gehoben haben kann, ist lediglich das Wurzel-
w.«chstum des definitiven Reißzahnes. — In beiden Fällen läßt sich
sogar das Ausmaß des Wurzelwachstums zahlenmäßig feststellen.
Beim Durchbruch von P, liegt seine Spitze 5mm unter der des P,,
beim vollentwickelten Zahn liegt sie 2 mm über der des P,: Das Wurzel-
wachstum von P, beträgt also 7 mm. Die Spitze des definitiven Reiß-
zahne, liegt bei seinem Durchbruch 8 mm unter der des Milchreißzahnes,
etwa beim Ausfall des letzteren liegt sie vomm über der Spitze des
Milchreißzahnes. Das Wurzelwachstum des definitiven Reißzahnes
beträgt also bis dahin 14 mm. Damit hat es aber beim definitiven
Reißzahn noch nicht sein Ende erreicht, da der Zahn dann noch nicht
seine volle Höhe erreicht hat. — Auch läßt sich beim definitiven Reiß-
zahn sehr gut die Resorption und der folgende Wiederaufbau des
Alveolarrandes beobachten. Beim Durchbruch nimmt der linguale
und labiale Alveolarrand im Bereiche des M, an Stärke ab und erhält
12* 9 Heft
180 Alfred Becker:
ein zerrissenes und unebenes Aussehen. Mit dem weiteren Hervor-
treten des Reißzahnes tritt der Alveolarrand immer weiter zurück
und es entsteht ein außerordentlicher tiefer Ausschniti, (Figur 17)
der im Laufe der Entwickelung wieder aufgefüllt ist, (Figur 18), da
ja der Alveolarrand bis zu P, eine Horizontale bildet, also hier dieselben
Gründe maßgebend sind wie für P,. Es läßt sich aber bei dem definitiven
Reißzahn feststellen, daß die Apposition, der Wiederaufbau des Ober-
randes des Zahnfaches, mit dem Weiter-nach-oben-wachsen des Zahnes
Schritt hält. — Die hier amAlveolarrande des Unterkiefers beschriebenen
Vorgänge lassen sich in gleicher Weise am Alveolarrande des Ober-
kiefers feststellen.
Aus unseren Untersuchungen geht hervor, daß der Zahn durch
Wurzelwachstum allein aus dem Kiefer herausgehoben wird. Während
des Durchbruches des Zahnes findet am Alveolarrande zuerst Resorption
und nachher Apposition stait.
Während beim Menschen, Affen und Elefanten nach Aichel
der Kiefer in der Weise wachsen soll, daß er vorne resorbiert wird
und sich hinten durch Apposition verlängert, findet nach meinen
Beobachtungen beim Schäferhunde eine Kieferverlängerung nach
vorne statt. Gehen wir vom jugendlichen Schädel aus. Bei der Geburt
i.t das Planum nuchale schräg von oro-doısal nach akcro-ventral
gestellöo, um sich später senkrecht zu stellen. Die Stellung finden
wir immer wieder, tcobz mancheılei Verönderungen, die sich auf der
Hinserhaupisfläche abspielen. Wir können daher diese Stellung als
fe:tstehend annehmen. Zu gleicher Zeit ist ein Vorrücken und eire
Verlängerung der Basis cranii externa vonstatten gegangen, die einzelnen
Veränderungen sind früher beschrieben worden. Auch das zahlen-
mäßige Wachstum des Zwischenraumes vom Gaumen bis zum Foram.
magn, gibt uns Aufschluß, daß derselbeim Jugendstadium in steigendem
Maße an Länge zunimmt, während nach dieser Zeit das Wachstum
des Gaumens überwiegt. Gleichzeitig ist der Gaumen nach vorne
gerückt, wie früher festgestellt wurde. Der Durchbruch von M, findet
immer an derselben Stelle des Zahnbogens statt, wie oben nachgewiesen;
ebenso fällt das vom oralen Orbitarande auf das Planum ventrale
gefällte Lot immer nach dem Durchbruch von P, und M, zwischen
diese Zähne. Wir können daher die Stellung von M, und die durch das
Lot festgesetzte Linie ebenfalls als feststehend betrachten. Nun rimmt
der Kiefer in der weiteren Entwicklung an Länge zu. Da also bei der
Kieferverlängerung gleichzeitig, wie oben erwähnt, ein Vorrücken
_ festgestellt werden kann, und da ferner bei den oben genannten Punkten,
welche feststehen, keine Veränderung eintritt, so folgt daraus, daß
beim Schäferhunde nicht, wie die Aichel’sche Theorie es annimmt,
der Kiefer nach hinten wächst, sondern er muß nach vorne wachsen. —
Verlängern wir das vom oralen Orbitarande auf das Planum venirale
gefällte Lot weiter auf den Unterkiefer, so fällt dasselbe
am Schädel No.2 auf den oralen Rand von Pd,,
am Schädel No. 3, 4, 5 mehr oder weniger in die Mitte von Pd,,
am Schädel No. 6 auf den aboralen Rand von Pd,,
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels, 181
am Schädel No. 7 etwa 2 mm aboral von Pd,,
am Schädel No. 8 etwa 3mm aboral von Pd..
Am zahnferSigen Schädel föllt das Lot in die Mitte von M,. Da bei den
Schädeln einiger Schäferhunde, die im Zahnwechsel begriffen sind,
Pd, und M, vorhanden sind, konnte die Entfernung des oralen Randes
von Pd, von der Mitte des M, gemessen werden. Das Maß ergibt,
daß das Lot um 20, resp. 22, resp. 24 mm aboral verschoben worden ist.
Mi5 anderen Worten, der orale Rand von Pd, ist mit der Verlängerung
des Kiefers um 20, resp. 22, resp. 24mm oral vorgerückt.
Mit dem Vorrücken des Gaumens geht gleichfalls ein Vor-
rücken des Unterkiefers Hand in Hand, was ja zu erwarten war,
da wöhrend des ganzen Wachstums immer die entsprechenden
Zähne ineinander greifen.
Eine weitere Hilfslinie gibt uns über das Wachstum des Unter-
kiefers Aufschluß. Teilen wir den Unterkiefer in zwei gleiche Teile,
so fällt die Halbierungslinie
am Schädel No.2 in die Mitte von Pd,,
am Schädel No. 3, 4, 5 etwas aboral deı Mitte von Pd,,
am Schädel No.6, 7 auf den aboralen Rand von Pd,.
am Schädel No. 9 etwa 2 mm aboral von Pd,,
am Schädel No. 10 etwa 3 mm aboral von Pd,
und am zahnfertigen Schädel in die Mitte von M,. An den Schädeln,
bei denen Pd, und M, vorhanden sind und daher die Enifernung
gemessen werden konnte, ist die Halbierungslinie bis zu 13 mm aboral
gerückt. Die Mitte von Pd, ist also im Verlaufe des Kieferwachstums
bis zu 13mm oral vorgeschoben werden. — Es geht daraus hervor,
daß der orale Teil des Unterkiefers im Verlaufe der Entwickelung
stöiker am Wachstum beteiligt ist, als der aborale Teil.
IH. Die Schädel weiblicher und männlicher Schäferhunde.
Nach den Angaben von Studer soll der Schädel des weiblichen
Hundes über der Süirn breiter sein als der des männlichen Hundes.
Hilzheimer schreibt: „Zudem scheinen an der Bieite über den
Postorbitalfortsätzen die Geschlechtsunterschiede schärfer ausgeprägt
zu sein, indem die Hündin hier breiter ist als der Hund. Esist überhaupt
noch ein bedauerlicher Mangel bei allen Untersuchungen über Hunde,
daß wir männliche und weibliche Schädel noch nicht genügend trennen
können. Daß geschlechtliche Unterschiede auch am Schädel vorhanden
sein müssen, lehrt jeder Gang durch irgend eine Hundeausstellung,
wo man bei einiger Übung schon allein am Kopf das Geschlecht des
Hundes erkennen kann.“ — Es soll im folgenden versucht werden, ob
es möglich ist, auf Grund einiger Schädelmaße, welche die Stirn be-
grenzen, das Geschlecht des Hundes zu erkennen. Ich habe zu diesem
Zweck aus meinem Material 11 Schädel von weiblichen Schäferhunden,
13 Schädeln, welche von männlichen Schäferhunden stammen, gegen-
übergestellt. Die in der Tabelle Ü angegebenen Zahlen sind die auf
9. Heft
182 Alfred Becker:
Tabelle C.
Weibliche Hunde
Geringste Breite Jochbogen-
Stimbreite zw.d.Orbitae Schläfenenge breite
37,7 24,9 32,1 65,9
34,5 24,1 27,2 65,9
33,9 22,9 25,9 63,6
33,0 22,7 24,3 62,2
32,8 22,5 23,5 61,2
31,1 21,2 23,2 60,4
30,9 20,6 22,5 58,8
29,6 20,4 22,3 58,8
29,3 1 21,8 57,9
28,7 19,5 21,7 56,1
24,8 19,1 21,€ 54,9
Männliche Hunde
34,7 24,3 26,0 59,2
34,4 23,3 23,7 59,0
34,0 22,8 23,9 58,9
32,2 22,4 23,1 58,2
32,2 21,5 22,6 57,0
30,1 21,2 22,6 56,9
‚30,0 20,6 22,4 55,9
28,0 13 AU 55,7
27,9 19,2 21,1 55,3
27,8 19,0 20,3 54,9
26,9 19,0 20,3 53,7
26,8 18,9 19,7 51,6
26,3 17,8 19,2 48,1
Durchschnitt
30,7 21,2 23,0 57,5
die Basilarlänge = 100 reduzierten Maße, welche 1. die Stirnbreite
(Breite zwischen den Proc. zygomatic. os. front.) (Maß 17), 2. die Breite
zwischen den Orbitae (Maß 18), 3. die Schläfenenge (Maß 15) und
4. die Jochbeinbreite (Maß 16) betreffen. — Betrachten wir zunächst
die Stirnbreite, so beträgt das Durchschnittsmaß dieser Breite
‚sämtlicher 24 Schädel = 30,7%. Die Tabellelehrt, daß von den Schädeln
der weiblichen Hunde 7 über dieser Zahl und 4 unter dieser Zahl
stehen. während von den Schädeln der mönnlichen Hunde nur 5 über
und 8 unter dieser Durchschnittszahl stehen. Aus der Gegenüber-
stellung ersehen wir, daß die größeren Maße an den Schädeln der weib-
lichen Hunde zu finden sind. Die Hündin ist also im Durchschnitt
zwischen den Proc. zygomat. os. front. breiter als der Hund. — Stellen
wir die Orbitabreite der Schädel beider Geschlechter gegenüber,
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 183
— das Durchschnittsmaß beträgt hier 21,2% — so stehen von den
Schädeln weiblichen Geschlechts 6 über und 5 unter dieser Zahl, von
den Schädeln männlichen Geschlechts 6 über und 7 unter dieser
Durchschnittszahl. Die Zahlen ergeben, daß die Orbitabreite bei
beiden Geschlechtern fast dieselbe ist und daß Geschlechtsunterschiede
hier nicht zu erkennen sind. — Anlangend die Schläfenenge, so beträgt
das Durchschnittsmaß 23,0%. Von den Schädeln der weiblichen
Hunde finden wir 6 über und 5 unter dieser Zahl stehend, von den
Schädeln der männlichen Hunde 4 über und 9 unter dieser Zahl. Wir
stellen fest, daß die männlichen Hunde eine bedeutend tiefere Schläfen-
enge besitzen als die weiblichen. Die Hündin ist an dieser Stelle ebenfalls
breiter als der Hund. — Vergleichen wir die Jochbogenbreite der Schädel
der weiblichen und männlichen Hunde, so beträgt das Durchschnitts-
maß dieser Breite 57,5%. Von den Schädeln der weiblichen Hunde
stehen 9 über und nur 2 unter dieser Zahl, während von den Schädeln
der männlichen Hunde nur 4 über, dagegen 9 unter dieser Zahl stehen.
Es geht daraus hervor, daß die Schädel weiblicher Hunde zwischen
den Jochbogen bedeutend breiter sind als die der männlichen Hunde.
— Aus der Tabelle und den oben angeführten Vergleichen stellen wir
folgendes fest: Der Schädel der Hündin ist zwischen den Proc. zygomat.
os. front., in der Schläfenenge und zwischen den Jochbogen im Durch-
schnitt breiter als der des Hundes. — Die Frage nun, ob es möglich ist,
auf Grund der obigen Schädelmaße, welche die Stirn begrenzen, das
Geschlecht des Hundes zu erkenren, möchte ich verneinen, da die
individuellen Unterschiede zu sehr ineinander greifen. — Ein Ein-
bliek in hippologische Zeitschriften lehrt uns ferner, daß auch bei:
Pferden geschlechtliche Unterschiede am Schädel vorhanden sein müssen.
— Ich schließe die Tiere, welche durch die besondere Gestaltung
der Hörner (Rind, Schaf) und die damit verbundene Schädelveränderung,
sowie die Tiere, welche durch die besondere Gestaltung der Zähne
(Hauer) das Geschlecht sofort erkennen lassen, von meinen Be-
trachtungen aus. — Wie häufig lesen wir in diesen Zeitschriften und
Fachblättern, daß bei der Beurteilung einer Stute der sonst vorzügliche
Eindruck durch einen hengstmäßigen Kopf verunstaltet wird. Aber:
auch das Umgekehrte ist der Fall. Ein Hengst gibt häufiger durch
einen stutenmäßigen Kopf Anlaß zu Tadel.
Es ist fraglich, ob sich beim Pferde die geschlechtlichen Unter-
schiede am Schädel zahlenmäßig erklären lassen.
IV. Der überzüchtete Schäferhundschädel,
Gewisse Züchter sind bestrebt, dem deutschen Schäferhunde
einen überstreckten, fein ausgezogenen Schädel anzuzüchten. v. Ste-
phanitz berichtet darüber folgendes: „Sahen wir, daß der trocken
herausgearbeitete und darum auch edel wirkende Langkopf mit
gestrecktem, kräftigen Fangteil dem Gebrauchshunde nützlich ist,
so muß doch, wieder der Gebrauchsfähigkeit wegen, jede zu weit
gehende Verfeinerung des Schädels und Verlängerung seines Gesichts-
9, Heft
184 Alfred Becker:
teiles vermieden werden; Wortverbindungen mit „über“ bedeuten
immer üble. Dem überzüchteten Kopf mit überstrecktem Fang
fehlt die Kraft; der lange Hebelarm an der Kieferzange nützt nichts
mehr, er schadet, weil er zu schwach geworden ist, um ernsthaft
gebraucht werden zu können. Hunde mit solchen Köpfen und Fängen
können häßliche Reißwunden machen, greifen und halten können sie
nicht mehr, sind also gebrauchsunfähig.“ — Es sei mir gestattet,
die Angaben von v. Stephanitz auf Grund der anatomischen Merk-
male zweier Schäferhundschädel einer genaueıen Unte:suchung zu
unterwerfen. — Beim Sammeln des Materials fielen mir seiner Zeit
zwei Schäferhunde auf, welche sich durch einen überstreckten, fein
ausgezogenen Schädel auszeichneten. Auch jetzt sind diese beiden
Schädel zwischen den übrigen durch ihre lange und schmale Gestalt
sofort zu erkennen, und man zlaubt unwillkürlich, Schädel von Wind-
hunden vor sich zu haben. Ich habe daher, um einen Vergleich zu ziehen,
die hauptsächlichsten Längen- und Breitenmaße dieser beiden Schäfer-
hundschädel denjenigen eines im Märkischen Museum zu Berlin be-
findlichen, russischen Windhundschädels gegenübergestellt (Tabelle D).
— Lassen wir das Hauptmerkmal, welches den Schäferhund- vom
Windhundschädel unterscheidet, nämlich das Verhältnis des Gehirn-
schädels zum Gesichtsschädel außer Betracht, so geht aus der Tabelle
hervor, daß zwischen den Reduktionszahlen der Maße der beiden
Schäferhundschädel und zwischen denjenigen des Windhundschädels
keine großen Maßunterschiede vorhanden sind. Die Breite des Schädels
der beiden betrefffenden Schäferhunde ist mit der Längenzunahme
stark reduziert; Form und Gestalt des Schädels nähert sich stark
dem Schädel des Windhundes. — Es verbleibt die Frage, die Gebrauchs-
unfähigkeit der betreffenden Schäferhunde auf Grund der anatomischen
Veränderungen und der Maße zu beantworten. — In dieser Beziehung
ist die Jochbogenbreite von größter Bedeutung. Dieselbe ist ım
Verhältnis zur Länge des Schädels sehr gering. Der Jochbogen ist
stark dem Schädel genähert und verläuft fast parallel zur Längen-
achse des Schädels. Der Raum zwischen dem Jochbogen und dem
Schädel ist daher sehr eng und bietet wenig Platz für die durch diesen
Zwischenraum hindurchgehenden Muskeln; und zwar sind es gerade
die Muskeln, welche den Unterkiefer anziehen, besonders die mächtigen
Musculi temporales. Letztere werden in diesen engen Raum ein-
gezwängt und können sich nicht in einem solchen Maße entwickeln,
wie sie der deutsche Schäferhund zu seinem Gebrauche benötigt.
Ein so gebauter Schäferhund wird immer mit schwachen Muskeln
ausgestattet sein, folglich fehlt ihm auch die Kraft, den Unterkiefer
fest und längere Zeit anzuziehen. Ein Schäferhund mit einem solchen
Schädel ist wohl imstande, Reißwunden zu machen, dazu genügt
die gering entwickelte Muskulatur, jedoch einen Gegenstand zu fassen
und längere Zeit festzuhalten, dazu fehlt ihm die Kıaft, weil die
mächtigen Muskeln fehlen. — Weiter berichtet v. Stephanitz:
„‚Überhunde aber sind weder bei den Schafen, noch zu anderem Dienst
tauglich, weil sie zu dämlich sind.“ Wie aus der Tabelle ersichtlich,
28.
30.
31.
or pWD m
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels.
Tabelle D
Schädel und Oberkiefer
Schäferhund Schäferhund
No. 21
„TotellangeSse ni. 212
. Basilarlange 22 sem... 190 : 100
Basieranialachse . ....... 53 :27,9
. Basıfacialachsers el sa enehiede 138 : 72,6
Länge des basi-oceipital.. . . . . 32: 16,8
Länge des os sphenoid. post. . . Dl,:.El:1
. Länge des os sphenoid. ant. . . . 23, 12,1
Abstand des palatin-foram. magn. 83: 43,7
Gantienlange „Nr u che ale. an 107 : 56,3
SGaumenrbreiter iR. serie. ncntd 66 : 34,7
. Gehimschädellänge .... ... . 114 : 60,0
. Gesichtsschädellänge. . . .. . . 101 : 53,2
. Größte Breite des Schädels . . . 58 :'30,5
. Breite über den Gehöröffnungen 62 : 32,6
PiSchläafenenge . „..,: ra lasmin, 8 40 : 21,1
: Jochbogenbreite. ... - „10 ..1.» 98: 51,6
OSTEN brEIDe" regen Beige Ey Murkehags 51: 26,8
. Geringste Breite zw. d. Orbitae . 36:19,0
. Breite zw. d. foram. infraorb. . . 40 :21,1
SEhEINahe, ca ie 58 : 30,5
Secichtshollers. » oma ze cn. 04: 48 : 25,3
. Höhe des os oceipital.. .. .. . 31: 16,3
. Breite des os occipital. . .... . 68 : 35,8
. Länge des os interparietal.. . . . 58: 30,5
der oss. parietal. .... .
. Länge der oss. frontalia... .. . 64 : 33,7
. Länge der oss. nasalia. .... . 65 : 34,2
. Breite der oss. nasalia. .... . 17:9,0
Schnauzenlange . 0... . . . . 95 : 50,0
"Schnauzenbreiter 2 =. sw üssene 30: 15,8
Unterkiefer
Worllaneon. ee nach 155 : 81,6
Höhe des aufsteigenden Astes . . 65 : 34,2
No.
32
236
208 : 100
56
153:
34:
22:
19
91
117
60
123:
117
56:
60:
40:
100:
58
44:
42:
58;
50:
32;
68:
65:
62:
34:
lie
110:
28:
160:
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112
28:
176:
65:
ist der Gehirnschädel des Schäferhundes No. 32 schmaler als
jenige des Windhundes (siehe Breite des Schädels, Breite über den
Gehöröffnungen, Breite des Oceipitale). In dem ungeräumigen Schädel
ist also wenig Platz für das Gehirn vorhanden. Da nun der russische
Windhund als wenig intelligenter Hund bekannt ist, erübrigt es sich
wohl, aus den betreffenden Maßen noch weitere Schlüsse in dieser
Beziehung zu ziehen.
Auf Grund der besonderen anatomischen Schädelmerkmale und
Schädelmaße dieser Übeıhunde im Vergleich zu den Windhunden,
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der-
9. Heft
186 ' Alfred Becker:
möchte ich mich dem von v. Stephanitz gefällten Urteil voll und
ganz anschließen, daß derartig gebaute Schäferhunde niemals Ge-
brauchshunde abgeben.
V. Schlußbeti achtungen.
Meine Untersuchungen haben zu dem Ergebnis geführt, daß beim
postembryonalen Wachstum des Schäferhundschädels die einzelnen
Teile desselben mehr oder weniger am Wachstum beteiligt sind. Dadurch,
daß einige Knochen in stäörkerem Maße an Lönge zunehmen, andere
im Wachstum zurückbleiben, hat der Schäferhundschädel seine
definitive, stark von der Gestalt des neugeborenen Hunde: abweichende
Form erhalten. — Der Gehirnschädel des deutschen Schäferhundes
ist ın den ersten Lebenswochen auffallend groß, der Gesichtsschädel
dagegen sehr klein. Eine Schädelform, wie wir sie bei allen jugendlichen
Säugetieren finden, und die sich durch die Anpassung an das Saugen
erklärt, im Gegensatz zu den Vögeln und Reptilien. Mit dem Fort-
schreiten der Entwickelung nimmt der Gesichtsschädel ganz bedeutend
an Länge zu, auch der Gehirnschädel streckt sich, und die Blasenform
geht in eine Birnenferm über, jedoch überragt der Gehirnschädel
beim ausgewachsenen Schäferhunde den Gesichtsschädel meist noch
um ein geringes. Da der junge Hund in den ersten Lebensmonaten
seine gering entwickelten Kiefer wenig gebraucht, benötigt er auch
keiner starken Muskulıtur. Für letztere genügt zur Anheftung die
glatte Schädeloberfläche. Erst mit der bedeutenden Längenzunahme
der Kiefer und mit dem Durchbruch der bleibenden Zähne entstehen
am Schödel Leisten und Kämme zur Anheftung der mächtigen Muskeln.
-— Die Formveränderung des Schödels in der Gegend der Sutura
naso-frontalis möchte ich noch besonders hervorheben. Während
wir beim ganz jungen Schäferhunde in dieser Gegend eine starke
Einknickung des Schädels in der Profilansicht vorfinden, nimmt
dieselbe weiterhin immeı mehr an Tiefe ab. Die betreffende Gegend
hebt sich im Verlaufe der Entwickelung immer mehr und am Ende
des Jugendstadiums geht der Gehirnschödel sogar in einem konkaven
Bogen in den Gesichtsschädel über. Mit der starken Wölbung der
Stirnbeine und der Größenzunahme deı Sinus frontalis geht die kon-
kave Profillinie beim ausgewachsenen Schäferhunde in die definitive
gerade Profillinie über. Die Formveraänderungen der Stirnbeine und
das dadurch bedingte Entstehen der Schläfenenge sind in einem!'
besonderen Abschnitte behandelt worden. Abgesehen von einigen
geringfügigen Veränderungen ist die Gesamtform des deutschen
Schäferhundschädels dem des Wildhundes sehr ähnlich. — Ellen-
berger und Baum haben für die Einknickung (Einsenkung, Stirn-
absatz) der Ossa maxillaria und frontalia vor den Orbitalebenen die
Bezeichnung ‚Glabella“ gewählt, welche auch Schäme über-
nommen hat. Unter Glabella (Stirnglatze) bezeichnet man am Menschen-
schädel eine flache Ve:tiefung zwischen den Tubera frontalia und den
Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels 187
Arcus supereiliares. Dieselbe befindet sich also oberhalb der Augen-
höhlen. Ich kann aus obiger Gegenüberstellung der Übertragung des
Wortes ‚Glabella“ auf den Hundeschädel nicht beipflichten. —
Aus der Lepensweise des Hundes erklärt sich die hohe Entwickelungs-
stufe der Sinnesorgane sowie der Bau und die Stellung der Zähne.
Welchen Veränderungen Schädel durch eine veränderte Lebensweise
unterworfen sind, hat Wolfgramm an Schädeln von Wölfen, die in der
Gefangenschaft geboren sind, gezeigt. Auf Domestikationserscheinungen
am Schädel der Schäferhunde ist von mir ebenfalls hingewiesen worden.
Derartige Veränderungen wie am Wolfsschädel dürften jedoch am
Schädel von Schäferhunden zu den Seltenheiten gehören. Denn es
ist doch ein Unterschied, ob ein Tier in einem engen Raume binter
eisernen Stäben groß geworden ist, oder ob ein Tier in seiner Be-
wegungsfreiheit eingeschränkt ist. In einer Großstadt hat der Schäfer-
hund häufig doch nicht die Bewegungsfreiheit, welche er zur vollständigen
Entwickelung nötig hat, und es kommt dadurch häufiger das Wachstum
frühzeitig zum Abschluß. Schäme berichtet über die Domestikations-
erscheinungen folgendes: ‚Wenn der Hundeschädel durch die
Domestikation so veränderungstähig geworden ist, so sollte man
annehmen, daß auch bei anderen domestizierenden Raubtieren — hier
speziell bei Felıs domestica -— ähnliche Variationen auftreten. Das
ist bei der Katze aber nicht der Fall; deren Schädel ıst vielmehr sehr
konstant in seiner Form.“ Es ist dagegen zu bemerken, daß bei der
Hauskatze ebenfalls eine Verkürzung des Gesichtsschädels gegen-
über der Wildkatze festzustellen ist. Freilich machen sich Domesti-
k ‚tionserscheinungen an einem kurzen Schädel viel weniger bemerkbar
als an einem langgestreckten Schädel.
Die wichtigsten Punkte meiner Untersuchungen fasse ich dahin
zusammen:
- 1. Das Wachstum des Gesichtsschädels ist beim deutschen
Schäferhunde bedeutend stärker als das des Gehirnschädels. —
2. Als erster bleibender Zahn bricht beim deutschen Schäferhunde
P, durch, während als letzte nleibende Zähne P, im Oberkiefer und
P, im Unterkiefer zum Durchbruch kommen. — 3. Der bleibende
Hakenzahn bricht im Öberkiefer oral des Milchhakens, im Unter-
kiefer lingua] des Milchhakens durch. —4. Die Abnutzung der Schneide-
zähne ist beim Hunde sehr ungleichmäßig. Die Altersbestimmung
nach vollendetem Zahnwechsel daher unsicher. Ein Sachverständiger
dürfte vor Gericht selten in der Lage sein, das Alter eines Hundes
nach der Abnutzung der Schneidezähne richtig zu bestimmen. —
5. Nach dem Durchbruch von P,, M, und M, hört das Wachstum
des von diesen Zähnen eingeschlossenen Teiles des Gaumens auf. —
6. Der Kiefer wächst beim deutschen Schöferhunde oralwärts. —
7. Der bleibende Zahn wird durch Wurzelwachstum allein aus dem
Kiefer herausgehoben. Während des Durchbruchs des Zahnes findet
am Alveolarrande zuerst Resorption und nachher Apposition statt.
9. lle$t
188 Alfred Becker:
Zum Schlusse möge es mir gestattet sein, Herrn Dr. M. Hilz- -
heimer für das rege Interesse, welches er meiner Arbeit entgegen-
gebracht hat, und für seine liebenswürdige Unterstützung bei meinen
Untersuchungen, die ich unter seiner Leitung vorgenommen habe,
meinen besten Dank auszusprechen.
VL Literatur.
1. Ellenberger und Baum. Anatomie des Hundes, 1901. —
2. Dieselben. Veıgleichende Anatomie der Haustiere, 15. Aufl.,
1921. — 3. Martin. Anatomie der Haustiere, I. Bd., 1902. — 4. Hilz-
heimer. Die Haustiere in Abstammung und Entwicklung, 1919. —
5. Derselbe. Geschichte unserer Haustiere. — 6. Derselbe. Bei-
träge zur Kenntnis der nordafrikanischen Schakale usw. In: Zoologica,
Band XX, Heft 53, 1908. — 7. Derselbe. Ein Hundeskelett und
andere Haustierfunde aus dem 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. aus
Paulinenaue (Mark). . In: Zeitschrift für Morphologie und Anthro-
pologie, Band XV, Heft 2, 1912. — 8. Derselbe. Variationen des
Canidengebisses mit besonderer Berücksichtigung des Haushundes.
In: Zeitschrift für Morphologie u. Anthropologie, Band IX. —
9. Studer. Die prähistorischen Hunde in ihrer Beziehung zu den
gegenwärtig lebenden Rassen. In: Abhandlungen der schweiz. pa-
läontol. Gesellschaft, Vol. XXVIII, 1901. — 10. Derselbe. Über
den deutschen Schäferhund und einige kynologische Fragen. In:
Mitteilungen der naturh. Gesellschaft, Bern 1903. -— 11. Brehm’s
Tierleben 1914. Abschnitt über Hunde. — 12. Schäme. Eine Studie
zur Morphologie des Haushundschädels. Inaugural-Dissertation,
Zürich. — 13. Pötting. Untersuchungen über die Entstehung und
historische Entwickelung der Bulldogge und des Mopses. Inaugural-
Dissertation, Bern. — 14. Brinkmann. Canidenstudien. Vidensk.
Medd. fra Dansk naturh. Foren., Band 72, 1920. — 15. Wolfigramm.
Die Einwirkung der Gefangenschaft auf die Gestaltung des Woltfs-
schädels. In: Zoolog. Jahrb. Abt. für Systematik usw. der Tiere,
Band VII, 1894. — 16. Schmitt. Über das postembryonale Wachstum
des Schädels verschiedener Hunderassen. In: Archiv für Natur-
geschichte, 1903. — 17. Aichel. Kausale Studie zum ontogenet. und
phylogenet. Geschehen am Kiefer. In: Abhandlungen der Preuß.
Akademie der Wissenschaften, 1918. — 18. Pohle. Die Unterfamilie -
der Lutrinae. (Eine syst.-tiergeogr. Studie an dem Material der
. Berliner Museen.) In: Archiv für Naturgeschichte, 1918, A9. —
19. Boenisch. Beitrag zur Altersbestimmung des Hundes nach den
Schneidezähnen. Inaugural-Dissertation, Berlin 1913. — 20. Kroon.
Lehrbuch der Altersbestimmung bei den Haustieren. Utrecht 1916.
Deutsch von Jakob, Hannover 1916. — 21. Fröhner. Gerichtliche
Tierheilhunde. Berlin 1921. — 22. v. Stephanitz. Der deutsche
Schäferhund in Wort und Bild, 1921.
Das postembryonale, Wachstum des deutschen Schäferhundschädels. 189
Erklärung der Abbildungen.
Figur 1. Planum ventrale eines neugeborenen Schäferhundes (1:1). —
Figur 2. Planum ventrale eines ausgewachsenen Schäferhundes (0,32: 1). —
Figur 3. Profillinie des Schädels eines neugeborenen Schäferhundes (0,72: 1).
— Figur 4. Profillinie des Schädels eines etwa 4 Wochen alten Schäferhundes
(0,55 : 1). — Figur 5. Profillinie des Schädels eines etwa 6 Wochen alten Schäfer-
hundes (0,56 : 1). — Figur 6. Profillinie des Schädels eines etwa 2 Monate alten
Schäferhundes (0,52: 1). — Figur %. Profillinie des Schädels eines etwa 3 Monate
alten Schäferhundes (0,44 : 1). — Figur 8. Profillinie des Schädels eines Schäfer-
hundes während des Zahnwechsels (0,38 : 1). — Figur 9. Profillinie des Schädels
eines ausgewachsenen Schäferhundes (0,33 : 1). — Figur 10—13. Veränderungen
des Schädeldaches während des Zahnwechsels (0,36 ..0,35.0,34.0,33:1). —
Figur 14. Schädeldach eines ausgewachsenen Schäferhundes (0,29 : 1). — Figur 15.
Schädel eines Schäferhundes mit überzähligem Zahn (0,5 : 1). — Figur 16. Unter-
kiefer eines Schäferhundes bei Beginn des Zahnwechsels (0,5:1). — Figur 17.
Unterkiefer eines im Zahnwechsel weiter fortgeschrittenen Schäferhundes (0,5 : 1).
— Figur 18. Unterkiefer eines ausgewachsenen Schäferhundes (0,5: 1).
0, Heft
Alfred Becker
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Das postembryonale Wachstum des deutschen Schäferhundschädels.
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NATURGESCHICHTE
GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON
WERLERICHSON „RC H: TROSCHEHE;,
FZVON MARTENS, FOHILGENDORF,;
W. WELTNER UND E. STRAND
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NEUNUNDACHTZIGSTER JAHRGANG
1923
Abteilung A
10. Heft
HERAUSGEGEBEN
VON
EMBRIK STRAND
NICOLAISCHE
VERLAGS-BUCHHANDLUNGR STRICKER
Berlin
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Gerhardi: Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinaen (mit 19 Ab-
bildungen im Text und 3 Tafeln)...» 2... een. 1
Weitere sexualbiologische Untersuchung
an Spinnen.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Breslau.)
Mit 19 Abbildungen im Text und 3 Tafeln
von
Prof. Ulrich Gerhardt, Breslau.
A, Einleitung.
In dieser Zeitschrift habe ıch ım vorigen Jahre versucht, aus den
mir bekannt gewordenen Befunden ein zusammenhängendes Bild der
Kopulationsvorgänge und vom Bau der männlichen Taster bei den
Spinnen zu geben. Auf eine große Zahl offen bleibender Lücken habe
ich selbst hingewiesen, und ich habe den Sommer dieses Jahres dazu
benutzt, nach Möglichkeit diese Lücken durch neue biologische Be-
obachtungen auszufüllen. Außerdem habe ich mich bemüht, die von
mir gewonnenen Anschauungen über die Formzusammenhänge der männ-
lichen Taster durch das Studium möglichst vieler Präparate, besonders
auch exotischer Formen, zu kontrollieren.
Dabei hat sich eine ganze Anzahl von neuen Gesichtspunkten
und Tatsachen ergeben, die es wohl rechtfertigt, wenn ich nunmehr auch
diese neuen Untersuchungen und Beobachtungen der Oeffentlichkeit
übergebe.
Bei meiner Arbeit bin ich von vielen Seiten in liebenswürdigster
Weise unterstützt worden. Herr Geheimrat Doflein hat mir mit
größtem Entgegenkommen Material und Instrumente des Zoologischen
Instituts in Breslau zur Verfügung gestellt. Herr Professor Dahl
und Herr Dr. Strand haben mir durch Bestimmung von Arten und
durch Angaben über Literaturstellen, Fundorte usw. ın uneigennützigster
Weise geholfen. Herrn Professor Dahlund Herm Kollegen Hesse
verdanke ich außerdem wertvolles Berliner Material. Herr Kollege
Drenski in Sofia hat mir konserviertes und lebendes Material bul-
garıscher Spinnen gesandt, Herr Professor Hoyle in Cardiff
konserviertes Material von Oonops pulcher. In Breslau sind mır
von Studierenden im Institut Fräulen Käthe Berger sowie die
Herren Schlott und Rolle bei meinen Exkursionen nach Kräften
behilflich gewesen. Auch diesmal hat mir Herr Oberpräparator
L. Pohl durch Anfertigung von Photographien wertvolle Dienste
geleistet. Allen Genannten spreche ich an dieser Stelle meinen wärmsten
Archiv für Naturgeschichte. 1
1923. A. 10, 10. Heft
2 Ulrich Gerhardt:
Dank aus, ebenso wie der hohen philosophischen Fakultät der
Universität Breslau, dıe mir durch Zuwendung des Hirt- Stipendiums
die Anfertigung von Zeichnungen ermöglichte, deren Ausführung Herr
Paul Rose mit größtem Eifer und Verständnis übernommen hat,
Neben Untersuchungen an neuem Material habe ich nach Kräften
versucht, da, wo ın den bisherigen Beobachtungen noch Lücken klafften,
sie durch nachträgliche Studien auszufüllen, insbesondere unter An-
wendung des binokularen Mikroskops, das oft eine Ent-
scheidung über die Funktion der einzelnen Tasterteile ermöglicht, die
sich unter Anwendung schwächerer Vergrößerungsmittel nicht er-
reichen läßt.
Dem Vorgang der Aufnahme des Samensin die Taster
der Männchen habe ich auch diesmal wieder die größte Auf-
merksamkeit zugewandt. Doch zeigte sich wiederum, daß diese Pro-
zedur weit schwerer zu sehen ist als dıe Begattung. Während sich die
Zahl der beobachteten Kopulationen von 27 auf 47 Arten gegenüber
meinen letzte Arbeit erhöht hat, ıst die Zahl der beobachteten Sperma-
aufnahmen von 7 auf 14 Arten gestiegen. In dieser Beziehung stehen
noch wichtige Befunde aus, besonders an Thomisiden, Epeiriden und
Dysderiden.
Im Großen und Ganzen hoffe ıch sagen zu können, daß über das
Sexualleben der wichtigsten einheimischen Spinnenfamilien nunmehr
ein gewisser Ueberblick gegeben werden kann, obwohl ich mir natürlich
bewußt bin, wie weit wir noch von einer Vollständigkeit in dieser Hin-
sicht entfernt sind. Ganz ım Argen liegen noch unsere Kenntnisse von
der Sexualbiologie ausländischer, besonders außereuropäischer Spinnen,
soweit es sich nicht um amerikanische Spinnen aus den Vereinigten
Staaten handelt. Auf diese Lücken kann hier nur hingewiesen werden,
von deutscher Seite werden sie in absehbarer Zeit nicht ausgefüllt
werden können.
B. Material.
Auch in diesem Jahre habe ich das Material, das ich an lebenden
Spinnen brauchte, in Schlesien (Breslau und Umgegend, Gegend
von Deutsch- Lissa, Zobtengebirge) und bei Gamburg an der
Tauber gesammelt. Lebendes Material einer bulgarischen Pholcide
(Hoplopholeus sp), das mır Herr Kollege Drenski liebenswürdiger-
weise hierher gesandt hatte, hat leider den Transport bis auf ein Männ.
chen nicht überlebt. Von dem: Programm, das ıch mir für den Sommer
1921 aufgestellt hatte, habe ich die große Mehrzahl der Punkte er-
füllen können. Nicht gelungen ist mir die Beobachtung der Begattung
bei einigen Formen, von denen ich zu spät geeignetes Material bekam,
wie Misumena calycina L (vatia Cl.) und Micrommata virescens Cl.
Nicht zugänglich waren mir Seytodes thoracica Ltr. und Uloborus
walckenaeri Ltr., die ich gerne ın den Kreis meiner Untersuchungen
gezogen hätte. !)
ı) Für Uloborus inzwischen nachgeholt. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 3
In diesem Jahre (1921) wurde mit den Beobachtungen sehr früh
(März) begonnen, und es zeigte sich, daß gerade die aus dem Winter-
schlaf erwachten geschlechtsreifen Tiere von Pachygnatha clercki und
Erigone longipalpis sich mit Leichtigkeit zur Kopulation bringen ließen.
Sodann wurden während des ganzen Sommers nach Möglichkeit un-
reife Exemplare verschiedener Spinnenarten gesammelt, die in der
Gefangenschaft zur Reife gezogen wurden.. Wo das nicht möglich war,
verwandte ich reife Exemplare und bin auch hier oft zum Ziele ge-
kommen. Im ganzen verteilten sich die Beobachtungen über die Sommer-
monate so, daß Maı bis August die ergiebigste Zeit darstellten. Mein
Material erstreckt sich auf 13 Familien und umfaßt 20 Arten, bei
denen ich die Kopulation zum ersten Male beobachtet habe. Bei 5
Arten (Linyphia montana und triangularis, Labulla thoracica,
Phyllonethis lineata. und Pholcus opilionoides) bringe ich Ergänzungen
zu meinen früheren Beobachtungen. Die neu beobachteten Arten sind
folgende:
I. Attidae: 1. Marpissa muscosa C. L. K. (November)
I. Lycosidae: 2.Lycosa amentata Cl. (Aprıl)
III. Pisauridae: 3. Pisaura mirabilis Cl. (Mai)
IV. Clubionidae:4. Olubiona germanica Thor. (Juni, Juli)
V. Thomisidae: 5. Tibellus oblongus Walck.
6. Philodromus aureolus Cl. (‚Juni )
7. Artanes fuscomarginatus de Geer
VI. Amaurobiidae :8. AmaurobiusferoxC.L.K. (März bis Juni)
VII. Uloboridae: 9. Hyptiotes parodoxusC. L. K.(Juli, August)
VII. Epeiridae: 10. Cyelosa conica Pall. \ Ma;
11. Miranda cucurbitina C. L. K. J (Mai)
IX. Linyphiidae: 12. Leptyphantes nebulosus Sund. (Juli,
Okt., Nov.)
X. Micryphantidae: 13. Erigone longipalpis Sund. (März)
XI. Theridiidae: 14. Theridium tepidariorum C. L.K. (März
u. ff. M.)
15. Zheridium formosum Cl. (Mai)
16. in varians Hahn. (Juni)
17. Steatoda bipunctata L. (Julı)
XIN. Tetragnathidae: 18. Pachygnatha clercki Sund. (März)
XI. Dysderidae: 19. Harpactes hombergi Scop. (August)
20. Dysdera cambridgei Thor. (August, Sept. )
Die Spermaaufnahme der Männchen in die Taster sah
ich auch diesmal nie unmittelbar nach der letzten Häutung, sondern
immer nach erfolgter Kopulation bei:
I. Dictynidae: 1. Dietyna arundinacea 1.
v& „ viridissima Walck.
I. Micryphantidae: 3. Erigone longipalpis Sund.
III. Linyphiidae: 4. Labulla thoracica Wd.-Reuss.
5. Leptyphantes nebulosus Sund.
2” 10. Heft
4 Ulrich Gerhardt:
IV. Theridiidae: 6. Theridium tepidariorum C. L. K.
V. Tetragnathidae: 7. Tetragnatha extensa L.
An morphologischem Material stand mir die Ausbeute der
Expeditionen von Salmın, Volz, Klaatsch und Neisser
aus dem malayısch-australischen Faunengebiet, die sich im Breslauer
zoologischen Institut findet, zur Verfügung, ferner von Radde am
Kaspischen Meer gesammeltes Material, sowie europäische, aus-
ländische wıe deutsche Objekte. Herrn Kollegen Drenski in Sofia
verdanke ich Material von Pholeiden und von Scytodes, Herrn Pro-
fessor Hoyle, Cardiff, von Oonops. Im übrigen habe ich von
allen neu untersuchten Objekten Tasterpräparate angefertigt. Von fast
allen für mich wichtigen Familien'habe ich Material bekommen, so daß
ich hoffe, einen Ueberblick über die Hauptformen der männlichen
Spinnentaster geben zu können. Nach Möglichkeit habe ich immer
ın Kalilauge behandelte Objekte mit solchen verglichen, die direkt aus
dem Alkohol in Balsam übergeführt worden waren, außerdem die
frıschen oder doch ım Ruhezustand konservierten Taster unter dem
Präpariermikroskop studiert.
Bei diesen Untersuchungen hat sich im wesentlichen meine An-
schauung über die Hauptrichtlinien, nach denen die Entwickelung der
männlichen Taster vor sich ging, "bestätigt, im einzelnen wird aber noch
allerlei nachzutragen sein, insbesondere über die einfach gebauten Taster
haplogyner Spinnen. Diese morphologischen Schilderungen und Be-
trachtungen werden ım zweiten Teil dieser Arbeit besprochen, während
hier zunächst die neuen biologischen Ergebnisse dargelegt werden
sollen.
C. Literatur.
Bevor ıch zu dieser Schilderung übergehe, habe ich noch kurz
einiges aus der Literatur über die Kopulation der Spinnen nach-
zutragen: erst nach Drucklegung meiner ersten Arbeit ist mir das
große und schöne Werk von Mc Cook, American Spiders and their
spinningwork (48) und Emertons Natural History of Spiders zu-
gänglich geworden, und ich habe aus ihnen Kenntnis nehmen können
von Schilderungen und Abbildungen der Begattung amerikanischer
Spinnen. Von diesen Figuren gebe ich die wieder, ’die die Begattung
von Agelena naevia, Xysticus trivittata und Argiope cophinaria dar-
stellen, ferner eine Abbildung Mc Cooks der Kopulation von
Linyphia marginata. (Fig. 1 bis 4.)
Ferner konnte ich aus dem Mc Cookschen Werk Einsicht er-
halten in eine Angabe de Geers (31) über die Kopulation von
Epiblemum scenicum, die sich in der mir zugänglichen Ausgabe dieses
Autors in der hiesigen Institutsbibliothek nicht findet, und die ich daher
in der Literaturübersicht meiner vorigen Arbeit nicht anführen konnte.
Die charakteristische Stellung des Männchens (s. Gerhardt,l.c. S.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 5
131) und die Insertion der Palper wırd darin kurz geschildert: diese
Schilderung ist wegen ihres Alters bemerkenswert.
Ferner gibt Mc Cook ein ausführliches Referat über die mir
gleichfalls bisher nicht zugängliche Arbeit von Campbell (20)
a) b)
Textfig. 1. Kopulation von Agelena naevia Walck. von oben gesehen.
a) linker, b) rechter Taster des Männchens inseriert. Nach Emerton.
Textfig. 3. Kopulation von
Argiope aurantia Luc. Das
kleine Männchen umklam-
mert von der Bauchseite
her den Hinterleib des in
der Netzmitte senkrecht
Textfig.2. Kopulation von Xysticus frivittata Keys. sitzenden Weibchens. Nach
Nach Emerton. Emerton.
über die Begattung von Tegenaria guyoni, die nach dieser Schilderung
mit der von T. domestica ın allen Punkten übereinstimmt (Gerhardt,
l. c. S. 180). Die Paarung war nıe durch Samenaufnahme des Männ-
chens unterbrochen, wie dies auch sonst bei Ageleniden nicht beobachtet
worden ist.
10. Heft
6 Ulrich Gerhardt:
Die kurze Schilderung Emertons der Begattung von
Xystieus trivittata Keys. zeigt, daß der gleiche Modus innegehalten wird,
wenigstens was die Stellung anbelangt, wie bei den von Mont-
gomery beschriebenen Xysticusarten (s. Textfig. 2)
Auf allgemeinere Betrachtungen Mc Cooks wird am Ende des
biologischen Teiles einzugehen sein.
Bei Sımon (61) finde ich eine kurze Angabe über die Kopulation
von Misumena calycina L. (vatia C].), die ich ın Kürze nachtragen
möchte: ‚Chez les especes, oü le mäle est plus petit que la femelle (chez
Misumena vatia p. e.) au moment de l’accouplement, celle-ci se
tient immobile tandıs que le petit mäle est dans une grande agıtatıon,
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Textfig. 4. Kopulation von Linyphia marginata nach Emerton.
tournant vivement autour de sa compagne grimpant sur von volumineux
abdomen et cherchant l'instant de se glisser en dessous, par un mouvement
brusque, pour attendre l’epigyne.“ Bei Cyelosa conica sah Simon,
daß das Männchen vom Weibchen post copulam gefressen wurde; eine
kurze Schilderung der Kopulation von Tetragnatha bringt nichts Neues.
Embrik Strand (65) reproduziert eine schöne Zeichnung,
.die Dönitz von der Begattung der japanischen Linyphia yunohamensis
Bös. et Strand angefertigt hat. Sie zeigt die gleiche Kopulationsweise,
der auch unsere einheimischen Linyphuden folgen. (Fig. 5.)
In Meisenheimers (49) neu erschienenem großen Werke über
Geschlechtund Geschlechter im Tierreiche findet sich
ein ziemlich ausführlicher Passus über die Spinnenkopulation, der auf
den älteren Angaben von Menge, van Hasselt etc. basiert ıst.
der sich aber auch ganz besonders auf eine neue Abhandlung von
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. rg
Osterloh (55) über unseren Gegenstand |stützt, die in der Zeitschrift
für wissenschaftliche Zoologie, soweit ich sehe, noch nicht erschienen
ist. Da mir diese Arbeit noch nicht zur Hand ıst, kann ich auf ihren
Inhalt biologischer Natur noch nicht eingehen. Einige morpho-
logische Fragen, die sich an die mir bisher allein bekannten Abbildungen
Osterlohs anschließen, werden im zweiten Teil dieser Arbeit zu
besprechen sein.!) Endlich ist mir kurz vor Abschluß dieser Arbeit
noch eine russisch geschriebene Abhandlung von Spassky (66) zu-
gegangen, in der Schilderungen der Kopulation von Agelena labyy-
rinthica, Tarentula narbonnensis und Argiope bruennichi gegeben wurden.
von den beiden erstgenannten Arten außerdem noch photographische
Aufnahmen.
Das Simonsche Riesenwerk „Histoire naturelle des
Araıgnees” ın seiner zweiten, zweibändigen Ausgabe ist mir gleichfalls
Textfig.5. Kopulation von Linyphia yunohamensis Bös. et Strand
nach Dönitz aus Strand.
erst spät zugänglich geworden, und dieser Fundgrube arachnologischer
Tatsachen verdanke ich eine Fülle morphologischer und systematischer
Bereicherungen meines Wissens,
D. Biologische Beobachiungen.
Im Folgenden sollen Beobachtungen über Spermaaufnahmen
der Männchen, sowie über Werbung und Begattung bisher
nicht von mir beobachteter Arten geschildert werden. Ferner sind bei
einigen schon früher (l. c.) in ihrer Sexualbiologie geschilderten Arten
!) Inzwischen erschienen: Osterloh, A., Beiträge zur Kenntnis des
Kopulationsapparates einiger Spinnen. In Ztschr. wiss. Zool., Bd. 119, 1922,
p- 326. A. w. d. Korr. N
10. Heft
8 Ulrich Gerhardt:
noch Einzelheiten und auch neue Daten beobachtet worden, die eine
Darstellung rechtfertigen dürften. Dadurch, daß ich in viel weiterem
Umfange als im vorigen Jahr in den Stand gesetzt war, Kopulations-
vorgänge mit Hilfe des binokularen Mikroskops zu beobachten, konnte
ich eine Reihe von Einzelheiten der Tasterinsertion und besonders der
wesentlichen Tastertele bei Linyphia, Labulla,. Pholcus etc.
verfolgen, die vieles in neuem Licht erscheinen lassen. Auch die
Füllung der männlichen Taster mit Sperma wurde, wo immer es sich
ermöglichen ließ, unter dem Binokular studiert und auch dabei ergab
sich manches Neue.
I. Die Spermaaufnahme der Männchen.
Die Haupttatsachen der Tasterfüllung wurden (l. ©.) schon
eingehend besprochen. Es soll hier kurz rekäpituliert werden, daß bei
allen daraufhin genauer‘ beobachteten Spinnenmännchen sich dieser
Vorgang so abspielt, daß das Tier, sei es nach der letzten Häutung
[Beobachtungen von Bertkau (5)], sei es nach Entleerung der Taster
durch Begattung, ein Gespinst in Gestalt quergespannter Fäden an-
fertigt, auf das es einen Tropfen Sperma aus der Geschlechtsöffnung
absetzt. Dieser Tropfen wird mit beiden Tastern abwechselnd auf-
getupft. In meiner früheren Arbeit findet sich eine Tabelle aller bis
dahin beobachteten derartigen Fälle, und es sei darauf verwiesen, Ich
habe damals die Vermutung ausgesprochen, daß weitere Beobachtungen
an neuen Objekten kaum nennenswerte Ueberraschungen ergeben dürften.
Diese Erwartung hat sich insofern nicht durchweg bestätigt, als für
Tetragnatha eın ungewöhnlicher Füllungsmodus nachgewiesen werden
konnte. Als eine Lücke in meinen Beobachtungen betrachte ich es vor
allem, daß es mır bisher bei den Spinnen, bei denen bei der Begattung
beide Taster gleichmäßig verwandt werden, also bei Pholciden
und Dysderiden, immer noch nicht gelungen ist, die Füllung der
Taster zu beobachten, die hier besonders interessieren könnte.') Trotz
sehr häufiger Beobachtung der Begattung von Segestria senoculata
konnte ıch nie eine Neufüllung der Taster auch bei solchen Männchen
beobachten, die sich an aufeinanderfolgenden Tagen mehrfach mit
‚mehreren Weibchen begatteten.
Im Einzelnen habe ıch Folgendes zu berichten:
A. Dictynidae.
1. Dietyna arundinacea L.
Von der Tasterfüllung dieser so häufigen kleinen Spinne, deren Be-
gattung ich (l. c. S.170) eingehend besprochen habe, gibt Ausserer
(1) eine schöne Schilderung, die ich in vielen Punkten bestätigen kann;
„Nun trat eine plötzliche Ruhe ein. Das Abdomen wurde eingezogen,
so daß es zum Cephalothorax s nkrecht stand, die Spinnwarzen ausein-
andergespreizt, die Füsse schienen sich fester stemmen zu wollen, kurz,
es deutete alles auf einen außerordentlichen Vorfall. In dem Momente
‘) Inzwischen nachgeholt. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 9
der höchsten Aufregung, wo sogar die anliegenden Haare des Bauches
wie durch einen elektrischen Strom angezogen sich emporrichteten, hob
sich auf einmal der zwischen den Respirationsorganen liegende häutige
Deckel der Geschlechtsöffnung, und mit Macht wurde eine weiße Flüssig-
keit hervorgestoßen, welche am gegenüberliegenden Faden hängen blieb,
und eine im Verhältnisse zum Tiere große, perlmutterglänzende, gelatinöse
Kugel bildete. — Im nächsten Momente griffen beide Palpen auf die
Flüssigkeit und eine jede nahm eine Hälfte. Die Öffnung zum Bulbus
genitalis schien sich an der inneren Seite zu befinden; denn da schaute
noch lange Zeit ein Teil des Samens heraus. Die Palpen wurden jetzt
einzeln an den Mund gebracht, um den Samen hineinzudrücken. sald
aber trat eine ziemliche Ruhe ein und es waren nur einzelne Zuckungen
mit den Palpen zu beobachten. Die Samenflüssigkeit war noch immer
sichtbar. Bei diesen Zuckungen stieß der schraubenförmige Ankang an
den Genitalteilen immer an dıe Maxillen.“
Ich selber habe diesen Vorgang bei zwei Männchen der Species
am 12. Maı 1921 ın Breslau beobachtet und kann folgendes darüber
berichten:
Beide Männchen hatten kopuliert, das erste Paar hatte sich 4,52.
das zweite 4,53 N. M. getrennt. 5,26 begann das eine Männchen mit
der Anfertigung seines Spermagewebes, die ca 2’ ın Anspruch nahm.
Zur Orientierung dieses Gewebes im Raum ist folgendes zu bemerken:
Im Freien sind die Gewebe der Weibchen, in denen die Kopulation
stattfindet, vorwiegend horizontal auf Blättern gesponnen; bei meinen
Gefangenen standen sie senkrecht an den Wänden des Glases.
Damit mag es zusammenhängen, daß auch die Spermagewebe beider
Männchen vertikal standen, was ım Freien wohl kaum die Regel
sein dürfte. Das Männchen zog zwischen zwei lockeren, annähernd
senkrechten Fäden (dıe gekräuselt waren, also offenbar von den mit
Cribellum und Calamistrum versehenen Weibchen stammten), ein queres.
gleichfalls vertikal stehendes Band, dessen oberer scharfer Rand etwas
konkav war. Dabei wurden die üblichen seitlichen Spinnbewegungen
des Hinterleibes ausgeführt, die sich bei allen Spinnenmännchen während
dieser Tätigkeit finden. Sobald das Band fertiggestellt war, legte das
Tier seine Geschlechtsöffnung auf diese freie Kante, wobei es senkrecht
mit denı Vorderende nach unten saß. Diese Haltung ist gleichgültig,
das zweite Männchen saf3 umgekehrt, das Kopfende nach oben. Dabei
ergriffen beide Beine des dritten Paares den freien Rand des Bandes
und spannten ıhn straff, ein. Verfahren, das auch bei Theridien
beobachtet wurde. Im Gegensatz zu anderen Spinnen sal nun das
Männchen zunächst ganz ruhig; heftige Längsbewegungen des Hinter-
leıbes, wie sie bei anderen Spinnenmännchen in diesem Zeitpunkt die
Regel sind, fehlten vollkommen. Nur dıe Taster wurden in wenig aus-
giebigen Schwingungen konvulsivisch auf- und abbewegt, und der ‚Hinter-
leib begann dann einigemale leicht zu vibrieren, als ganz plötzlich (5,28)
aus der Genitalöffnung der von Außerer beschriebene, verhältnismäßig
sehr große, dicke, kugelförmige Spermatropfen hervorquoll, und
an der Kante des Bandes, und zwar auf der dem Tier abge-
wandten Seite, haften blieb. Der Tropfen ist auffallend un-
durchsichtig, bläulich-weiß und trüb. Sofort gleitet das Tier soweit
10. Heft
10 Ulrich Gerhardt:
zurück, dal} es einen der beiden Taster (niemals beide gleichzeitig, wie
aus Außerers Schilderung angenommen werden könnte) so in den
Spermatropfen bringt, dal der Embolus des Bulbus, der im Konduktor
' liegt, während der freie Taster unbewegt senkrecht emporgehalten
wird, in die Samenmasse hineintaucht. Auch in diesem Falle wird das
Sperma nicht wie bei manchen anderen Spinnen durch das Netz hindurch
aufgesogen, wie überhaupt ein direktes Eintauchen des Embolus in den
Tropfen häufiger vorkommt, als ıch früher anzunehmen geneigt war.
Der Taster wird also über die Kante des Bandes hinweggelegt, die
Mundöffnung des Tieres liegt fast über dem Gewebe selbst. Jeder
Palpus liegt etwa 2—3’ dem Tropfen auf und wird während dieser Zeit
nıcht bewegt. Sobald der eine abgehoben wird, wird sofort der andere
an den Tropfen gebracht, beim Abheben sieht man am Embolus zu-
weılen einen kleinen Spermaklumpen hängen. Der Wechsel beider
Taster geschieht ganz regelmäßig, während der Tropfen naturgemäß
kleiner und kleiner wird. Diese Prozedur wird über eine halbe Stunda
fortgesetzt (beim ersten Männchen von 5°—6%). Ist der Tropfen
aufgesogen, zieht das Tier abwechselnd beide Emboli durch die
Cheliceren. 6° veränderte es seine Stellung, so daß der Rand des Ge-
spinstbandes quer über seinem Sternum lag, 6°° verließ es das Gespinst.
Alle Vorgänge wurden unter dem Binokular beobachtet.
Der gleiche Vorgang verlief bei dem zweiten Männchen, abgesehen
von seiner erwähnten anderen Orientierung, 'völlig gleich. Beide Männ-
chen saßen nach der Füllung ihrer Taster zunächst regungslos ın der
Nähe ihrer Weibchen, ohne gleich wieder Kopulationsversuche zu
machen.
2. Dictyna viridissima Walck.
Die Begattung dieser Spinne wurde 1920 bereits von mir
beobachtet und ist (l. c. $ 172) ausführlich geschildert worden.
Im vorigen Jahre gelang es mir nie, die Spermaaufnahme der Männchen:
zu beobachten. Um sie zu erzielen, wurden auch in diesem Jahre
mehrere Männchen und Weibchen dieser Spezies im September und Ok-
tober in Gefangenschaft gehalten, und es gelang mır am 17. September,
zweimal die Füllung der Taster zu beobachten. In beiden Fällen hatten
die Männchen in der früher beschriebenen Weise kopuliert und dabei
ihre beiden Taster entleert.
Das Männchen des ersten Paares hatte 125° mittags sich von seinem
Weibchen getrennt. Um 2 Uhr 3° begann es mit der Anfertigung
seines Spermagewebes, das in diesem Falle, wie bei den Theridien.
horizontal angelegt wurde, so daß das Männchen sich während des
Spinnens und der später folgenden Vorgänge unter dem Gewebe, mit
der Bauchfläche nach oben, befindet. Das Gewebe hing nicht mit dem
an das der Clubionen erinnernden Gespinst des Weibchens zusammen,
es bestand aus einem sehr unregelmäßig nach hinten und den Seiten
begrenzten breiten Bande, das auch hier einen freien, scharfen, leicht
konkaven Rand hatte, der wieder vom dritten Beinpaar des Männchens
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 11
straff gehalten wurde. Wenn das Tier, unter lebhaften seitlichen Be-
wegungen des Hinterleibes, dies Band gewebt hat, sitzt es auch hier
ruhig, die Taster beugen und strecken sich, oft beide zugleich, werden
auch durch die Kiefer gezogen, und ganz plötzlich tritt aus der
Geschlechtsöffnung, die auch hier dicht unter der Kante des Bandes
liegt, der kuglige trübweise Spermatropfen aus; auch bei dieser
Art bleibt er auf der dem Tier abgewandten Seite der Kante, also
oben, hängen. Dies geschah um 2% Uhr. Alsbald begann das Auf-
tupfen, bei dem, wie bei der vorıgen Art, die Taster einzeln und hinter-
einander über den Rand des Bandes mit dem Konduktor und Embolus
in den Tropfen getaucht werden.\ Da dies Organ lateral am Bulbus
liegt, muß die Aufgenkante des Bulbus dem Tropfen aufgelegt werden,
wozu eine seltsame schräge Verdrehung des ganzen Tasters erforderlich
ist, die, wenn eine Anlegung beider Taster zu gleicher Zeit erfolgen
würde (was nıe der Fall ist) deren,Kreuzung bedingen würde. Auch
hier haften Spermareste äußerlich sichtbar an der Spitze des Embolus.
Der Taster liegt jedesmal ruhig ım Tropfen, vor seiner Loslösung wird
er leicht geschüttelt. Bei dem ganzen Vorgang wird der Hinterleib
gegen'den Cephalothorax — wie auch bei 'der vorigen Art -— stark ge-
beugt gehalten, der freie Taster senkrecht über den Körper gehoben
und still gehalten. Längere Zeit geht ununterbrochen dieser Wechsel
beider Taster regelmäßig vor sich. Dann treten kurze Pausen ein,
während deren beide Taster vorwärts gehalten werden. Schließlich,
nachdem der ganze Tropfen aufgetupft ıst, entfernt sich das Männchen
und bleibt still sitzen.
Die Dauer des gesamten Vorganges betrug 15° (2%—2° Weben.
2% Ejakulatıon, 2!° Auftupfen beendet).
Im zweiten beobachteten Fall hatte das Paar zwischen 1 und 2 Uhr
kopuliert. 4% wurden die Querfäden des Gewebes gezogen, 4% erschien
der Spermatropfen, 42° war er aufgetupft. Gesamtdauer also 13.
Allgemeines über die Spermaaufnahme von Dictyna.
Beide beobachteten Dictynen zeichnen sich dadurch aus, daß die
Eiakulation des Spermatropfens bei fast still gehaltenem Abdomen er-
folgt. Art der Anfertigung des Gespinstes, der Absetzung des Tropfens
und dessen Aufnahme ın die Taster sind sehr übereinstimmend. Das
Männchen bleibt während der ganzen Vorgänge auf der gleichen Seite
des Gespinstes. Eigentümlich sind beı viridissima die Pausen in dem
Auftupfen des Tropfens, die bei anderen Spinnen nicht beobachtet
worden sind.
B. Linyphiidae.
Die Spermaaufnahme der Linyphiaarten L. montana und
triangularis ıst von vielen Autoren (s. Gerhardt, |. c. S. 163), die
von L.marginata von Mc Cook (48), die von L. yunohamensis Bös.
et Strand von Dönitz (24)-und Strand (65) geschildert worden.
10. Heft
12 Ulrich Gerhardt:
Uebereinstimmend kann gesagt werden, daf3 bei allen Zinyphiaarten
das Männchen, nachdem es eine große Anzahl von Tasterinsertionen
bei der Begattung ausgeführt hat, sich ein horizontal liegendes Sperma-
gewebe [,Steg", Menge] von dreieckiger Form webt, auf dessen
Oberseite sitzend es an die freie Kante, die die Basis dieses gleich-
schenkligen Dreiecks darstellt, einen Tropfen Sperma absetzt und sich
nun unter das Gewebe begibt, um durch Auftupfen dieses Tropfens
beide Bulbi seiner Taster zu füllen. Ich habe (l. c.) diesen Vorgang
für Linyphia montana und triangularis beschrieben, als Ergänzung kann
ich hier hinzufügen, dal sich am 29. August 1921 ein Männchen von
Linyphia triangularis ın Gefangenschaft ein fast vertikal stehendes
Gewebe anfertigte, sich im Uebrigen aber genau so benahm, wie
geschildert. Außerdem vermag ich neue Angaben über die Sperma-
aufnahme des Männchens zu machen für eine Art, bei der mir im Vor-
jahre die Beobachtung dieses Vorganges nicht gelungen war.
3, Labulla thoracica Wid.—Reuß
Da der Taster dieser Spinne im männlichen Geschlecht besonders
kompliziert gebaut ıst und bei der Begattung in sehr eigentümlicher
Weise tätıg ist (s. 1. c. S. 167), so lag mir besonders daran, sein Ver-
halten bei der Füllung mit'Sperma kennen zu lernen. Es gelang mir ın
Gamburg am 12. und 20. August, sowie am 2. Szptember, diesen Vor-
gang an drei Männchen zu beobachten. (Taf. I, Fig. 5.)
Ganz allgemein muß bemerkt werden, daß die äußeren Umstände
der Tasterfüllung sich beı Labulla genau so verhalten wie bei Linyphia.
Das heißt, es wird nach längerer (hier durchschnittlich etwa vier-
stündiger) Kopulationsdauer vom Männchen, das sich vom Weibchen
entfernt, in folgender Weise das charakteristische Gespinst hergestellt:
Das Männchen zieht einen horizontalen, starken Gespinstfaden, der in
allen drei beobachteten Fällen gänzlich außerhalb des vom Weibchen
bewohnten Netzes lag. Von einer Stelle dieses Fadens wird ein spitz-
winklig abgehender zweiter gezogen. Die Größe dieses Winkels
zwischen den beiden Fäden schwankt, sie kann ca. 30° bis fast zu einem
Rechten betragen. Alsbald wird das quere dreieckige Gewebe, das
Menge zuerst für Linyphia beschrieben hat, unter lebhaften Seiten-
bewegungen des Hinterleibes angelegt, es besteht größtenteils aus Quer-
fäden, die nur von wenigen schräger verlaufenden durchzogen sind. Die
freie Kante, die die Basis des gleichschenkligen Dreiecks bildet, ist
leicht nach der Spitze hin konkav. Während dieses Spinnaktes hält das
Männchen die Rückenfläche nach oben, und es behält diese Stellung
auch während und bis zu der Eiakulation des Spermatropfens bei, die
sehr kurze Zeit nach dem Beginn des Webens erfolgt. Sıe wird, wie
bei Linyphia und den meisten daraufhin beobachteten Spinnen cinge-
leitet durch sehr ausgiebige Längsbewegungen des Hinterleibes, wobei
die Genitalöffnung energisch über die Mitte des freien Gespinstrandes
gestrichen wird. Dadurch werden die Fäden dieser Stelle mehr und
mehr verfilzt und verdichtet, so daß diese Kante des Dreiecks einen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 13
schmalen, weichen, dichten Streifen darstellt, der am dichtesten in der
Mitte ıst. Auf diese Stelle wird der Spermatropfen selbst ab-
gesetzt, und dies geschieht unter einer nur etwa eine Sekunde dauernden
oscillierenden Bewegung des Hinterleibes in senkrechter Richtung. Der
Tropfen trıtt ganz plötzlich aus der Genitalöffnung aus und bleibt auf
der Oberseite des Gespinstes hängen. Nun läßt sich in der denkbar
größten Eile das Männchen um die Begrenzungsfäden des Dreiecks
herum nach einer Seite fallen, und dreht sich um 180° so herum, daß
seine Bauchfläche nach oben kommt, und es selbst unter dem Dreieck
hängt. Sein Hinterleib ıst dabei, wie bei Dictyna, ın fast rechtem Winkel
ventral abgeknickt.
Es beginnt das Aufnehmen des Spermas durch die
Taster, die auch hier alternierend angewandt werden. Es war mir
besonders interessant, bei dieser Tasterform, an der eine große Fülle
von Organbildungen während der Kopulation (l. c. S. 167) in Tätigkeit
tritt, festzustellen, ob auch während der Spermaaufnahme eine Ent-
faltung des Bulbus und eine Beteiligung anderer Organe als des Em-
bolus vorkäme. Wie eigentlich zu erwarten war, ist dies nicht der Fall.
In vollständiger Ruhelage der Bulbusteile unter sich wird der spitze
Konduktor, der das Ende des fadenförmigen Embolus birgt, in kurzer,
nur antippender Bewegung nur dadurch mit dem Spermatropfen in Be-
rührung gebracht, daß er über die Kante des Gespinstdreiecks hinweg-
gehoben wird und von oben her in den Tropfen klopft. Der Wechsel
beider Taster erfolgt dabei sehr rasch, und außerdem wird ganz über-
raschend schnell der Tropfen aufgesogen.
DieKonsistenz diesesSpermatropfens ist bei Labulla
wie auch bei Linyphia total verschieden von der bei Dic/yna be-
schriebenen. Bei unserer Spezies ist der Tropfen viel flacher und
außerdem viel klarer und durchsichtiger, außerdem verhältnismäßig
viel kleiner. So kommt es wohl, dafs sich bei der kleinen Dietyna
arundinacea das Männchen über eine halbe Stunde mit der Aufnahme
des Tropfens beschäftigt, bei Linyphiiden dies Geschäft oft nur '/, bis
1/,’ bei Labulla ın den beobachteten Fällen etwas über 1 dauert.
Eines besonderen Vorkommnisses muß hier gedacht werden, das
bei Labulla bei zwei verschiedenen Männchen beobachtet wurde, und
das mir bei anderen Spinnen nıe begegnet ıst:
Am 20. August und am 2. September 1921 sah ich bei zweı
Männchen die zweimalige Eiakulation und Aufnahme
eines Spermatropfens unmittelbar hintereinander.
Sobald das Männchen den ersten Tropfen aufgetupft hatte, begab es
sich alsbald wieder auf die Oberfläche des Gespinstdreiecks, begann
wiederum mit den Längsbewegungen des Körpers, eiakulierte unter ganz
gleichen Erscheinungen wie vorher einen zweiten Tropfen Sperma und
tupfte ihn von unten her wie üblich auf. Ein Männchen dagegen, das
von mir am 11. August beobachtet wurde, begnügte sich mit der Auf-
nahme nur eines Tropfens.
10. Heft
14 Ulrich Gerhardt:
Ich kann mir nur denken, dal der sehr geräumige Samenschlauch
im Taster dieser Art nach der Aufsaugung des ersten Tropfens unter
Umständen noch so wenig gefüllt wird, daß der früher (l. c. S. 109)
erörterte, durch Leerheit des Spermophors ausgelöste Reflex wieder
in Kraft tritt. Mehr als diese drei Fälle habe ich bei dieser Art nieht
beobachtet, aber schon aus ihnen geht hervor, daß solche zweimalige
Füllung der Taster bei Labulla thoracica sicher nichts Ungewöhnliches
ist, und es ist vielleicht das Erstaunlichste dabei, daß das erste Männ-
chen mit einer einmaligen Füllung auskam, obwohl der Samen-
tropfen nıcht größer zu sein schien, als bei den anderen Individuen.
Die ganze Prozedur, von dem Beginn des Webens bis zur voll-
endeten Aufsaugung des Spermas, dauert höchstens fünf Minuten, selbst
bei zweimaliger Eiakulation und Tasterfüllung.
In einem Fall unterbrach das Männchen 1% die Kopulatioit va
erschien der Spermatropfen, der 1° aufgesogen war. Ein zweites Mal
trennte sich ein Paar 2°, 2°: Eiakulation, 2°°'/, war der Tropfen auf-
getupft, die Abgabe und Aufnahme des zweiten dauerte bis 2”, 2%
fand schon wieder die Fortsetzung der Kopulation statt.
Es zeigt sich also, dat) Labulla thoracica sich in dem ganzen Modus
der Spermaaufnahme in allen charakteristischen Punkten der Gattung
Linyphia völlig anschließt (dreieckiges Gewebe, Stellungswechsel des
Männchens nach der Kopulation, dünnflüssige Konsistenz des kleinen
Spermatropfens, kurze Dauer des Aufsaugens). Als eine bisher
nirgends beobachtete Besonderheit ist das Aufsaugen
zweier nacheinander eiakulierter Spermatropfen zu betrachten,
4. Leptyphantes nebulosus Sund.
Bei dieser Spezies sah ich am 31. Oktober 1991; ın Breslau
während einer Begattungsserie zweimalige Spermaaufnahme eines Männ-
chens. Die Tiere waren gegen 5” abends in copula angetroffen worden.
dıe bis 9°° dauerte. 8°: verließ das Männchen das schon, kroch
eilig unter dessen Netz herum und entfernte aus diesem ein großes
Stück mit den Kiefern, so daß ein unregelmäßig begrenztes Loch von
ca. 2!/s:2 cm Durchmesser entstand. In dieses Loch hinein baute es
das typische dreieckige Spermagewebe der Linyphiden, das an der
Basıs etwa 3 mm Breite hatte. Sobald die Längsfäden der Gabel
fertig waren, begab es sich auf diese, den Bauch nach unten gerichtet.
spann dichte weiße Querfäden mit verstärktem freien Rande und
begann dann alsbald mit sehr heftigem Reiben des Hinterleibes
ın dessen Längsrichtung quer über die Gespinstkante hin. Der
Samentropfen war weiß, glänzend, flach,.sobald er erschien (8°),
a das Männchen, wie üblich, unter das Dreieck und tupfte in ca.
“ den Tropfen auf, um dann sofort wieder mit der Kopulation zu be-
Biihen‘ Schon 814 trennte es sich wieder vom Weibchen, begab sich auf
das noch vorhandene und intakte Spermagewebe und setzte unter dem
gleichen Hergange wie vorher einen zweiten Spermatropfen
ab, den es in derselben kurzen Zeit auftupfte, Das Einbringen der
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 15
Emboli in den Tropfen konnte mit der Lupe genau beobachtet werden.
Auch in zwei weiteren beobachteten Fällen erfolgte eine derartige zwei-
malıge Füllung der Taster auf dem gleichen Gespinst.
Wie von vornherein zu erwarten war, schließt sich also auch bei
dieser Art der Modus der Samenaufnahme vollständig dem anderer
Linyphiuden an, die ıhn ausnahmslos zu befolgen scheinen.
Von Interesse erscheint mir noch die Erörterung eines hier er-
wähnten Umstandes, nämlich das Absetzen des zweiten Sper-
matropfens ohne Anfertigung eines neuen Gespinstes, vielmehr unter
Benutzung des alten, wie es schon Westberg (69) für Linyphia
triangularis, Mc Cook (48) für L. marginata geschildert hat. Es
kann sonst allgemein gesagt werden, und es ist (l. c. S. 107) früher be-
tont worden, dal die drei Vorgänge der Anfertigung des Sperma-
gewebes, des Absetzens und des Aufsaugens des Samentropfens zu-
sammen eine einheitliche Handlungskette darstellen. Hiervon bildet
das oben genannte Verhalten mancher Linyphiiden eine immerhin be-
merkenswerte Ausnahme. Während bei Labulla thoracica es wohl ver-
ständlich ist, daß nach Anfertigung des Gewebes das Männchen un-
mittelbar hintereinander zwei Samentropfen absetzt und auftupft, da
eben die Tasterschläuche sich als noch nicht genügend gefüllt erweisen,
verlangt bei den erwähnten Linyphiaarten und bei Leptyphantes das
Absetzen des zweiten Tropfens auf das alte Gewebe eine Betätigung
des Ortssinnes, die zu denken gib. Das Tier trennt sich vom
Weibchen und geht gradlinig auf das Spermagewebe zu, das es sofort
wieder in Besitz nımmt. Wie es diesen Ort so rasch finden kann, ent-
zieht sich wohl vorläufig der Beurteilung.
Noch merkwürdiger aber ıst vielleicht der Wegfall des
Spinninstinktes unter diesen Umständen, zumal es bei Liny-
phia triangularis, wo ıch aus eigener Anschauung weıl), ebensogut vor-
kommen kann, daf das Männchen in der Tat vor der Entleerung des
zweiten Spermatropfens auch ein zweites Spermagewebe baut. Die
Fragen, die sich dem Beobachter bei solchen Erscheinungen aufdrängen
müssen, sind heutzutage gewiß noch nicht zu beantworten, vielleicht
ist es aber doch nützlich, auf sie hinzuweisen.
II. Micryphantidae.
5. Erigone longipalpis Sund.
Die bisher nicht bekannte Spermaaufnahme dieser kleinen Spinne
konnte im März 1921 bei zwei Männchen, bei einem während einer
Begattungsserie dreimal, beobachtet werden. Die Kopulation wird
später zu schildern sein; auch bei dieser Familie tritt, wie bei den
Linyphuden, die Neufüllung der Taster regelmäßig als Unterbrechung
der gleichfalls der der Angehörigen jener Familie in vielen Punkten
sehr ähnelnden Begattungen auf. Diese beiden Familien sind bisher
die einzigen, bei denen ein solches Verhalten beobachtet worden ıst.
Hat ein Erigonemännchen im Verlauf einer Kopulation seine Taster
10. Heft
16 Ulrich Gerhardt:
entleert, was nach Verlauf etwa @iner Stunde eintritt, so spinnt es ein
dreieckiges kleines Gewebe, das dem der Linyphiidenmännchen ähnelt.
aber lockerer gesponnen ist. Dies Weben geschieht auch hier in großer
Hast und in sehr kurzer Zeit. Der wesentlichste Unterschied
gegenüber Linyphia besteht darın, daß das Tier schon während des
Webens und der Eiakulation nicht nur während der darauffolgenden
Vorgänge, unter dem Gespinst, die Bauchfläche nach oben gerichtet,
hängt, und diese Lage nicht ändert, darın also den Dictynen,
Theridien etc. gleicht. Sind die Taster einmal füllungsbedürftig,
so wird die Prozedur der Spermaaufnahme kurz hintereinander öfters
wiederholt, was dafür sprechen dürfte, daß jedesmal nur ein sehr
kleines Spermaquantum in das Spermophor aufgenommen wird. So
nahm ein Männchen, das am 6. März um 2° angefangen hatte zu kopu-
lieren, um 3°°, 3° und 31? Sperma auf, nachdem es sich abwechselnd
mıt mehreren Weibchen begattet hatte. Auch hier bestehen also An-
klänge an das Verhalten der Linyphüden.
Wenn das Spermagewebe fertig ist, so krümmt auch hier das
Männchen sein Abdomen ungefähr rechtwinklig ventralwärts und zieht es
in der Längsrichtung von unten über den Rand des Bandes, das die
Fadengabel ausfüllt. Sehr bald erscheint der natürlich außerordentlich
kleine, mit bloßem Auge kaum sichtbare Spermatropfen, das
Männchen gleitet nach rückwärts und krümmt abwechselnd die Palpen
über den Rand des Gespinstes. Ich vermochte mit starker (16 mal)
Lupenvergrößerung (ein Binokular war am Ort der Beobachtung nicht
zur Hand) deutlich zu sehen, daß der Tropfen nicht durch das Netz
aufgetupft wurde, sondern daß er beim Absetzen auf die obere Fläche
der Gespinstkante gleitet, wıe dies bei Linyphia der Fall ıst. Am
Embolus ıst nach dem Auftupfen, das etwa eine halbe Minute dauert.
ein kleiner Spermatropfen wahrnehmbar.
Am 13. März wurde der einmalige Vorgang noch einmal bei
einem anderen Männchen beobachtet, bei dem er in gleicher Weise
verlief, es wurde dabei aber nur eine Spermaaufnahme gesehen.
So weist die Spermaaufnahme von Erigone in vielen Punkten
(Einschaltung in eine Begattungsserie, dreieckiges Gespinst) Ueberein-
stimmungen mit der der Linyphiiden auf, nur in dem Punkt der
Stellung des Männchens weicht sie von ihr ab.
IV. Theridiidae,
6. Phyllonethis lineata (Ergänzung).
Ueber die Spermaaufnahme von Phyllonethis lineata Cl. (= The-
ridium, M g.) habe ich früher (1. c. S. 163) Angaben gemacht. Ergänzend
möchte ich noch bemerken, daß ich im Juli 1921 den Vorgang häufiger
gesehen habe. Er wird ganz regelmäßig, wenn das Männchen in Ruhe
gelassen wird, etwa 20 bis 30° nach einer vollständigen Kopulation
ausgeführt, die eine völlige Entleerung beider Taster herbeiführt. Am
12. Juni hatte ich ein kopulierendes Paar 11”! VM. getrennt, 11°
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 17
wurde das Männchen unruhig und spann sein Spermagewebe, Die nun
folgenden Vorgänge wurden in allen Einzelheiten unter dem Binokular
beobachtet, und es zeigte sich, daß die Gespinstform etwas
anders, regelmäßiger ıst, als ich 1920 angenommen hatte, als ich
den Vorgang nur mıt Lupenvergrößerung beobachten konnte, Das Ge-
spinst besteht aus einem zwischen zwei horizontalen Parallelfäden quer-
liegenden, etwa 5 mm langem, 3 mm breitem Band, das sehr locker
gesponnen ist und nur am scharfen Rande dichter ist. Da das Männ-
chen, wie geschildert, während des ganzen Vorganges des Spinnens
und der Spermaaufnahme mit der Bauchseite nach oben hängt, konnte
der Austritt der Spermatropfen von oben sehr genau gesehen werden.
Unmittelbar vorher beginnt die Genitalöffnung während heftiger Längs-
bewegungen des Abdomens weit zu klaffen, 11°: trat plötzlich, wie
herausgeschleudert, der kleine, wasserhelle und flache Tropfen aus.
der also ähnlich aussieht, wie bei Linyphia und Erigone. Entsprechend
dieser seiner Konsistenz dauert auch hier das Auftupfen nur kurze Zeit
(3°), die Haltung der Taster dabei ist schon (l. c.) beschrieben worden.
7. Theridium tepidariorum C. L. K.
Für diese größte unserer Theridiumarten, die anscheinend kosmo-
politisch ist, hat Montgomery (51) eine Beschreibung der Samen-
aufnahme gegeben, auf die ich hier kurz eingehen muß. Die Schilde-
rung lautet: He left the female and went to a corner, where
he remained quiet, hanging with the ventral surface uppermost
and the cephalothorax a little lower than the abdomen. At 4°
p. m. he flexed his abdomen slightly on its pedicel so as to
elevate its apex, deposited from his genital aperture a small drop
of sperm upon a lıne of the web then applied the palpal organs alter-
nately to the drop (bis 4°, dann durch das Weibchen gestört). An
einer anderen Stelle gibt Montgomery ausdrücklich an, bei unserer
Art werde kein besonderes Spermagewebe angefertigt, sondern ein Teil
des schon vorhandenen Gespinstes benutzt.
Diese Angaben kann ich nach einer Beobachtung am 16. März 1921
(mit Binokular) nicht bestätigen. Vielmehr spielte sich die Füllung der
Taster bei einem Männchen, das im Laufe des Vormittags dreimal
kopuliert hatte, wie folgt ab: 10° hatte die letzte Kopulatıon
stattgefunden. 11? begann das Männchen horizontale Fäden zu ziehen,
die deltaförmig in einem Punkt zusammenliefen und dort in einen starken
Faden übergingen. In einem der Winkel dieses Systems von sich
gabelnden Fäden wurde nun, während auch hier das Tier mit dem
Bauch nach oben hing, ein queres Band gesponnen, das nicht, wie bei
Linyphia, den Winkel zwischen zwei Fäden völlig ausfüllte, sondern
einen dreieckigen kleinen Raum an der Gabelung der Fäden freiließ.
Der freie Rand des Bandes, der von einem stärkeren Faden gebildet
wird, wird auch hier mit dem dritten Fußpaar quergespannt erhalten.
Sobald das Band fertiggestellt ist, hebt sich die Klappe über der Ge-
Archiv für re 2 10. Heft
[pr
18 Ulrich Gerhardt:
nitalöffnung, und nach einigen Längsbewegungen des Hinterleibes er-
schen der Spermatropfen (11°), der ganz anders aussieht als
bei Phyllonethis lineata. Er ist milchig, undurchsichtig, bläulichweiß,
ausgesprochen kugelig, also mehr dem der Dictynaarten gleichend, wenn
auch weniger voluminös. Er hängt an der oberen Fläche der Bandkante
und wird durch die über sie gelegten Taster von oben her aufge-
tupft, also auch hier nicht durch das Netz hindurch. Der mit
dem Embolus eingeführte Taster löst sich jedesmal nur schwer aus dem
Tropfen, ın dem er ganz still gehalten wird, während der freie Taster
nach vorwärts Be wird.
Im Verlauf der Spermaaufnahme blieb der linke Taster mit seinem
Embolus so fest in dem Tropfen (und wohl an dem Befestigungsfaden)
hängen, daf3 er nicht wieder losgelöst werden konnte, sondern fest
darın liegen blieb. Trotzdem wurde der freie, rechte Tester. rhythmisch
wie vorher immer wieder angelegt, bis, 11**, der ganze Tropfen bis auf
einen verschwindend kleinen Rest aufgesogen war. Damit dauerte der
Vorgang vom Absetzen des Tropfens bis zum vollendeten Aufsaugen
8 Minuten, also entsprechend der zähen Konsistenz des Tropfens länger
als beı Phyllonethis. "Das Männchen saf3 dann lange Zeit still.
Besonders betonen möchte ich, daß für beide beobachtete Theri-
dııden die Anfertigung des Spermagewebes iund dıe Haltung des Männ-
chens unter diesem gemeinsam ist, und daß auch bei Theridium
tepidariorum ein besonderes Band gesponnen wird. Die Verschieden-
heit in der Beschaffenheit des die Spermatozoen enthaltenen Sekretes
bei beiden Arten ist jedenfalls auffallend,
E. Tetragnathidae.
8. Tetragnatha extensa L.
Während es mir bei Epeiriden so wenig wie im Vorjahre gelungen
ıst, die Tasterfüllung der Männchen zu sehen,!) habe ich nach langen
Mühen bei der orbitelen Tetragnatha extensa Erfolg gehabt, und
es zeigte sich, daß hier die Samenaufnahme in einer ganz besonderen,
-von der andrer Spinnenmännchen abweichenden Weise geschieht.
Erst nachdem ich ım Mai und Juni 1921 12 Kopulationen dieser
Spezies gesehen hatte, glückte es mir endlich am 30. Junı zu beob-
achten, wie ein Männchen zur Neufüllung seiner Taster schritt. Es
hatte ungefähr von 10 bis 10:5’ v. M, kopuliert und hing dann nach einigem
Umherkriechen still mit der Bauchfläche nach oben unter einem starken
‘Horizontalfaden. Etwa 11° wurde es unruhig und spann zwischen
zwei in sehr spitzem Winkel divergierenden Fäden ein lockeres, un-
regelmäßiges Quergewebe mit nach der Oeffnung des Winkels schau-
endem scharfen Rande, immer in der gleichen Haltung. Es hing so,
daß seın Bauch unter der Gespinstbrücke lag, das Vorderende war
natürlich deren freier Kante zugewendet. So hing das Tier zunächst
!) Inzwischen für 3 Arten nachgeholt. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 19
regungslos, bis es plötzlich (11°°) einige streichende Längsbewegungen
mit dem Hinterleib über die Unterfläche der Gespinstkante ausführte.
Alsbald trat ein grauweißser, trüber, verhältnismäßig großer kugeliger
Spermatropfen aus der Geschlechtsöffnung auf die obere
Fläche des Gespinstes aus, und das Tier ging, wie üblich, soweit zurück.
dal es seine Palpen über den Rand des Gewebes legen konnte. Zu
meinem größten Befremden wurden nun beide Taster mit den Spitzen
der Emboli in den Tropfen eingesenkt, und ohne daß sie irgendwie
bewegt worden wären, wurde der Tropfen in drei Minuten (bis 11°)
stetig aufgesogen, wobei er rasch kleiner wurde und offenbar durch
Kapillarität in die Samenschläuche der Taster hineinfloß. Als der
Tropfen verschwunden war, wechselte das Männchen den Ort und
blieb an einem Faden ruhig hängen, den Bauch nach oben, die Beine
mehr gebeugt als bisher.
F. Zusammenfassendes über die Tasterfüllung der
Spinnenmännchen.
In meiner vorigen Arbeit (l. c. S. 106) habe ich die bis dahin be-
kannten Beispiele der Samenaufnahme männlicher Spinnen ım Zu-
sammenhang besprochen, und es wird hier notwendig sein, zu erörtern.
wieweit die damals ausgesprochenen Schlußfolgerungen auf Grund der
neuen Beobachtungen zu verändern oder zu ergänzen wären.
I. Was zunächst de Form des Spermagewebes anbe-
langt, so muß ich betonen, daß ıch niemals ein Männchen die Fäden
eines bereits vorhandenen Wohngespinstes zur Absetzung des Sperma-
tropfens benutzen sah. Solche Fälle sind von Menge (49) für
Clubiona und von Montgomery (57) für Theridium tepidariorum
und Dictyna volupis behauptet worden. Ich selbst hatte im vorigen
Jahr auf Grund unzulänglicher optischer Hilfsmittel für Phyllonethis
lineata etwas Aehnliches angenommen, bin aber in diesem Sommer
eines besseren belehrt worden. Daher halte ich es wohl für möglich,
dal bei genauerer Beobachtung sich auch bei den ın Frage stehenden
Arten das Vorhandensein eines besonderen Spermagewebes ergeben
würde,
Ganz allgemein scheint gesagt werden zu können, daß dies Gewebe
immer die Form einer quergewebten Fläche mit scharf
abschneidender Kante hat. Dabei ist es völlig gleichgültig,
ob diese Querfäden zwischen festen Gegenständen, zwischen parallelen
Längsfäden, oder im Winkel einer Fadengabel angelegt werden. Von
Interesse erscheint es, daß bei Theridien und Dictynen das
dritte Beinpaar das Gespinstband straff'spannt. Die äußersten Spitzen
der Metatarsen sind es in diesem Fall, die die Kante beiderseits
vom Tier ergreifen und auseinanderziehen. Soweit bisher ein Ueber-
blick möglich ist, verfertigen die laufenden Spinnen (Attiden, Lyco-
siden, Micrommata) sowie mehrere Ageleniden (Tegenarigarten,
Agelena, Drassus neglectus nach Montgomery ein breites, queres
Band, das bei Agelena labyrinthica, wie Menge es angibt, in einem
2* 10. Heft
20 Ulrich Gerhardt:
ovalen Loch des Fangnetzes angelegt werden kann, nicht aber muß.
Wenn ein Agelenamännchen nach der Kopulation ım Fangnetz des
Weibchens belassen wird, so reißt es entweder mit Vorderfüßen und
Kiefern ein solches Loch ın das Wohngewebe seines Weibchens, oder
aber es spinnt über diesem Netz eine besondere Querbrücke. Ein nach
der Begattung in ein leeres Glasgefäß gebrachtes Männchen spinnt
wohl immer, wo es gerade Gelegenheit findet, ein solches Band.
Ein Spermagewebe von Agelena labyrinthica, das ın einem aus-
gefressenen Loch des Fanggewebes angebracht ıst, und an dessen Kante
der Spermatropfen sichtbar ıst, zeigt Fig. 6 nach einer bisher unver-
öffentlichten photographischen Aufnahme von Herrn M. Schlott.
Daß nach Petrunkevitch (57) das Männchen der Thera-
phoside Dugesiella hentzi mit dem Bauch nach unten ein breites Band
webt, aber später seine Stellung bei der
Eiakulation und Aufnahme des Spermas
ändert, wurde früher (l. c. S. 194) er-
wähnt.
Unregelmäßige Formen weisen die
Spermagewebe der Theriiden auf.
bei denen die seitlichen Begrenzungs-
fäden, zwischen denen das Band ge-
spannt ıst, annähernd parallel verlaufen
können, oder ein System von winklig
gekreuzten Fäden darstellen, wobei das
Band dann in einem dieser Winkel liegt.
Bei Dictynaarten können anscheinend
Fäden vom Netz des Weibchens als
solche Begrenzungsfäden verwandt
werden, doch ist bei Dietyna viridissima
die äußere Begrenzung des Gewebes
sehr unregelmäßig.
Regelmäßige Dreieckform zeigt das
Band bei Linyphiiden und Eri-
soniden, außerdem hatte es sie ın
dem einen beobachteten Fall von 7-
Textfig. 6. Spermagewebe von
Agelena labyrinthica Cl. ,
angelegt in einem Loch, das vom
Männchen in das Netz eines
Weibchens hineingebissen wor-
den ist. An der freien Kante
ist der weiße Spermatropien
sichtbar.
tragnatha. Für Argyroneta wurde
früher die Anfertigung eines Spermagewebes und einer kleinen Luft-
glocke unter Wasser angegeben. (l. c. S. 185.)
Für jede Art ist zweifellos die Form und Anfertigungsweise des
Spermagewebes streng fixiert; daß sie es auch für größere Gruppen
sein kann und, nach den bisherigen dürftigen Beobachtungen, auch zu
sein pflegt, zeigt die eben gegebene Uebersicht; doch muß betont
werden, daß das Nichtbekannte das Bekannte bei weitem überwiegt.
Trotzdem glaube ich jetzt schon die Meinung aussprechen zu können,
daß höchstwahrscheinlich die Form des vom Männchen angefertigten
Spermagewebes ebenso typisch für die einzelnen Familiengattungen etc.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 21
ist, wie es das Fang- oder Wohngewebe des Weibchens ist, wo ein
solches angefertigt wird.
I. WasdieStellung des Männchens während der Gesamtprozedur
der Spermaaufnahme in allen drei Phasen (Weben des Bandes.
Eiakulation des Spermatropfens und dessen Aufsaugung durch die
Taster betrifft, so sind folgende Modifikationen zu unterscheiden:
1. Das Männchen befindet sichwährendaller drei Phasen
über dem Gespinst: Attiden, Drassiden, Clubioniden,
Lycosiden, Ageleniden, Sparassiden.
2. Das Männchen führt alle diese Verrichtungen unter dem
Gewebe aus: Diectyna, Theridiiden, Erigone, Tetragnatha.
3. Das Männchen wechselt seine Lage zum Zwecke des Auf-
tupfens des Spermatropfens.
a) Es webt das Netz ın normaler Haltung (Bauch nach unten
gerichtet, kriecht dann unter das Gespinst, um die nach oben gerichtete
Bauchfläche dagegen zu reiben, begibt sich dann wieder auf die Ober-
fläche des Gewebes, wobei, bei der Berührung der Geschlechts-
öffnung mit dessen Kante, der Spermatropfen entleert wird. Das
Tier dreht sich um und tupft, auf dem Gespinst sitzend, durch dessen
. Maschen hindurch, soviel ich entnehmen kann, abwechselnd mit beiden
Tastern, diesen Tropfen auf. (Dugesiella nach Petrunkevitch.)
b) Es spinnt das Gewebe und eiakuliert den Spermatropfen mit
nach unten gerichteter Bauchfläche, tupft ihn aber in umgekehrter
Haltung, Bauch nach oben gewandt, auf. (Linyphiiden,)
III. Das Auftupfen des Tropfens geschieht, soweit be-
kannt, außer bei Tetragnatha immer alternierend mit beiden Tastern,
bei dieser mit beiden gleichzeitig. Der Embolus der Taster wird stets
shne Aufrollung des Bulbus ın den Tropfen eingesenkt, dabei kann
der Taster ruhig gehalten werden (Tetragnatha, Iheridium) oder
klopfend bewegt werden (Ageleniden). Bei Dugesiella (Petrun-
kevitch) arbeiten die beiden Taster anscheinend auch alternierend.
Die Dauer der Berührung des Embolus mit dem Tropfen kann
von kaum einer (Labulla) bis zu ca. 3” schwanken. Der nicht be-
nutzte Taster wird, horizontal oder senkrecht, gestreckt gehalten, er
kann (Tegenaria derhami) rhythmisch geschwenkt werden. Daß lediglich
durch Kapilarıtät, nicht durch Muskelwirkung, die Resorption des
Tropfens in den Spermophor bewirkt wird, kann kaum einem Zweifel
unterliegen.
IV. Die Beschaffenheit des Spermatropfens ist, was
Größe, Form, Konsistenz und Durchsichtigkeit anbelangt, recht ver-
schieden. Ganz auffallend groß, kugelig, zäh und undurchsichtig sind
die Eiakulate der Dictyniden und auch, obwohl nicht in solchem Maße
von Thheridium tepidariorum; sehr dünnflüssig und klar, außerdem flach
auf dem Gewebe ausgebreitet, bei Linyphiiden, Erigone und
Phyllonethis lineata. Es würde im einzelnen zu untersuchen sein, woher
10. Heft
27 Ulrich Gerhardt:
die Verschiedenheit des dem Sperma beigemengten Sekretes kommt..
Dabeı kann es sich nurum das Produkt akzessorischer männlicher Ge-
schlechtsdrüsen handeln.
V. Diese verschiedene Konsistenz des Spermatropfens bedingt
wohl sicher ‘die verschiedene Dauer der Spermaaufnahme im ganzen,
Sıe ist nicht etwa allein von der Größe des Tieres abhängig, wie es
nach manchen Beobachtungen zunächst scheinen könnte. So braucht
die große Vogelspinne Dugesiella hentzi zu der gesamten Kette von
Handlungen, die die Füllung der Taster erfordert, über eine Stunde,
unsere große Tegenaria atrica etwa eine halbe Stunde, Linyphia tri-
angularis '/a bis 2’. Im Vergleich zu der letztgenannten Art brauchen
die sehr viel kleineren Arten 7heridium tepidariorum, Dictyna arun-
dinacea und D.viridissima wie geschildert, erheblich viel längere Zeit,
die durch die zähe Konsistenz des Spermas, und, bei den Dictynen,
auch durch die relativ bedeutende Größe des Spermatropfens be-
dingt sein muß. Daß beı Tetragnatha infolge der gleichzeitigen An-
legung beider Taster an den Tropfen dessen Aufsaugung verhältnis-
mäßıg schneller gehen muß als bei alternierendem Gebrauch der Palpen,
bedarf keiner Erörterung.
VI. Bei einigen Spinnenmännchen, wie bei Dugesiella hentzi,
Agelena labyrinthica etc. saugt das Männchen ganz zweifellos den
Spermatropfen, der auf der Oberseite des Gewebes aufliegt, durch
dessen Maschen hindurch von unten auf. Dies Verfahren wird nicht.
wie z. B. Meisenheimer (49) annımmt, allgemein angewandt,
sondern bei vielen anderen Formen (Linyphuden, Erigoniden, Theri-
dııden, Tetragnatha) wird der Embolus des Tasters, wie geschildert.
direkt ın die freiliegende Oberfläche des Tropfens eingetaucht.
In meiner vorigen Arbeit (l. c. S. 108) habe ich die Meinung ver-
treten, daßß das so häufig beobachtete Anlegen der Taster von unten
her an den Tropfen den Zweck habe, die Schwerkraft neben der Ka-
pillaritätswirkung zur Füllung des Spermophors zu Hilfe zu nehmen.
Meine diesjährigen Beobachtungen zeigen mir aber, daß diese An-
nahme, mindestens für viele Fälle, nicht zutrifft, da ja, wie wir
sahen, häufig der Taster von oben her (bis jetzt bei allen netzbe-
wohnenden Spinnen, die mir zugänglich, beobachtet) an den Samen-
tropfen herantritt. Vor allem waren mir die Fälle neu, in denen das
Spermagewebe ganz oder nahezu senkrecht steht (Dietyna arundi-
nacea, Linyphia triangularis ın einem Fall). so daß hier sicherlich
eine Mitwirkung der Schwerkraft nicht in Frage kommen kann. Es
muß daher mit noch größerer Bestimmtheit als vorher die Behauptung
aufrechterhalten werden, daß alleın durch Capillarıtät das Sperma
seinen Weg in den Tasterschlauch nımmt.
VI. Die Beziehungen der Spermaaufnahme zur
Kopulatıon,
Es wurde schon früher (l. c. S.109, 235) festgestellt, daß für
viele, wohl die meisten Spinnenarten, die Spermaaufnahme einen hohen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 23
Grad von Unabhängigkeit von der Begattung erlangt habe, und daß
insbesondere die erste Füllung der Taster nach der letzten Häutung
des Männchens vor sich geht, ganz gleichgültig, ob ein Weibchen in
der Nähe ıst oder nicht. Ebenso war für Agelena und Phyllonethis
gezeigt worden, daß auch nach der Entleerung der Tasterschläuche
durch die Begattung ein vollkommen isoliertes Männchen seine Taster
ın der für die Art charakteristischen Zeit von 1!/, St., (Phyllonethis
20 bis 30° post copulam) wieder füllt. Es wurde festgestellt, daß
lediglich die Anwesenheit reifer Samenelemente im Hoden und die
Leere des Spermophors ım Taster den ganzen Reflexmechanismus in
Tätigkeit setzt, der die Füllung der Bulbi zum Ziel hat.
Während man so bei Agelenen, Theridiiden, Dictynen etc., die
beide Taster während einer Kopulation völlig entleeren, mit Sicherheit
in bestimmter Zeit nach der Begattung darauf rechnen kann, die Samen.
aufnahme zu sehen, ıst dieser Zeitpunkt für andere Arten mit kurzer,
den Samenvorrat der Taster nicht erschöpfender Kopulation oft völlig
unkontrollierbar, und man ist hier auf reine Glückszufälle angewiesen,
So ist es mir bei Segestria senoculata ın den Jahren 1920 und 1921
trotz recht häufig beobachteter Kopulation (19 mal) bisher noch nicht
gelungen, die gerade bei den Dysderiden (wegen des besonderen Be-
gattungsmodus) interessierende Tasterfüllung zu sehen und ebensowenig
bei Pholeus opilionoides und bei den von mir beobachteten Epeiriden.
Wenn es, wie es scheint, bei der größten Zahl der Spinnen,
die Samenaufnahme, die zur Neufüllung der Taster nach erfolgter
Kopulation vorgenommen wird, nach einer 'Begattung oder einer Reihe
von solchen auftritt, so war ein anderes Verhalten bisher nur von den
Linyphiiden, und zwar bei allen beobachteten Arten dieser Fa-
milie, bekannt, insofern als hier die Tasterfüllung unmittelbar auf eine
Serie von Begattungen folgt, und auf diese Füllung ebenso unmittelbar
erneute Kopulationen folgen, sie also innerhalb der Kopu-
lationshandlung geschieht. Für diese Spinnen ist also nur für die
erste Füllung der Taster nach der letzten Häutung, die Abwesenheit
des Weibchens verwirklicht, während spätere Füllungen bisher nur ım
Zusammenhang mit Kopulationen beobachtet werden. Dabei kann, wie
Dönitz, Westberg, Mc Cook und ich bei Zinyphiaarten beob-
achteten, sogar innerhalb einer Kopulationsserie wiederholte Füllung
der Taster erfolgen, und es kann sogar dasselbe Spermanetz wiederholt
benutzt werden. Bei Zabulla sah ıch immer nur einmalige Neufüllung
der Taster. (s. allerdings $. 13.)
Es war mir wegen dieses isolierten Vorkommens bei den Liny-
phuden interessant, bei Zrigone den gleichen Zusammenhang zwischen
Kopulation und Spermaaufnahme anzutreffen, wie ich ihn oben ge-
schildert habe. Es wäre sicher voreilig, aus dieser Uebereinstimmung
auf eine Verwandtschaft zwischen Linyphiiden und Micryphantiden zu
schließen, wenn sie nicht, was von vielen Autoren angenommen wird.
auch anderweitig festzustellen wäre. Es ist kaum anzunehmen, daß
10, Heft
24 Ulrich Gerhardt:
bei anderen deutschen Spinnenfamilien eine derartige Einschaltung der
Tasterfüllung in die Kopulationsserie gefunden werden wird.!)
VII. Der Mechanismus, durch den das Spermaquantum, das
zur Füllung der Taster dienen soll, aus dem Genitalorgan ausgepreßt
wird, ıst nicht völlig klar. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
die rhythmischen Reibebewegungen, die von den meisten Spinnenmännchen
mit der Ventralfläche des Hinterleibes’) quer über die Kante des Ge-
spinstbandes ausgeführt werden, durch ihre Wiederholung eine Sum-
mierung von Reizen setzen, die schließlich die Eiakulation bewirken.
Dieser Vorgangistauch geradezuals eine Art mastur-
batorıschen Akts (25) aufgefaßßt worden. Daß diese Bewegungen nicht
überall nötıg sınd, um die Eıakulation zu erzielen, geht aus dem Ver-
halten.bei Dictyna hervor, wo lediglich Bewegungen der Taster die
Abgabe des Spermas einleiten. So ist die unmittelbare Aus-
lösung der Eıakulation in manchen Fällen noch unklar.
Alles in allem kann gesagt werden, daß prinzipiell in allen
gut beobachteten Fällen der Vorgang der Tasterfüllung insofern über-
einstimmend verläuft, als die drei charakteristischen Phasen des Webens,
der Eıakulation und der eigentlichen Samenaufnahme überall unmittel-
bar aufeinander folgen als Glieder einer Handlungskette. Die mannıg-
fachen geschilderten Modifikationen in den einzelnen Fällen zeigen
aber, daß die Begleitumstände dieser Prozeduren recht verschieden
sein können. Auf den Ausnahmefall bei einigen Linyphiiden,
daß bei einer späteren Spermaaufnahme ein bereits früher angefertigtes
Gespinst abermals benutzt wird, wurde schon hingewiesen.
Schließlich ist noch einmal zu betonen, daß nur bei gefüllten
Tastern das Männchen Begattungstrieb zeigt, worauf besonders auch
Petrunkevitch hinweist. Doch ist das Verhalten der Männchen
nach der Aufnahme des Samens in die Taster insofern nicht einheitlich,
als bei der einen (Linyphiden) unmittelbar nach der Wiederfüllung
der Taster die Kopulation wieder möglich ıst, während anscheinend bei
den meisten Spinnenmännchen erst eine Ruhepause eintreten muß, bis
erneute Begattung erfolgen kann, so z. B. bei Agelena labyrinthica ca.
24 Stunden. Wodurch diese Unterschiede bedingt sind, entzieht sich
völlıg unserer Kenntnis.
II. Die Kopulation.
I. Attidae (Salticıidae).
a) Marpissa muscosa Cl.
In meiner früheren Arbeit wurden (l. c. S. 130) die Literatur-
angaben über die Kopulation dieser Familie bereits eingehend be-
!) Theridium varians Bl. hat sich als Ausnahme inzwischen erwiesen
(A. w. d. Korr.)
?®) Campbell fand bei Tegeneria guyoni Sinnespapillen in der Um-
gebung der männlichen Geschlechtsöffnung.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 25
sprochen. Ganz besonders sind die Beobachtungen des Ehepaares
Peckham (56) für unsere Kenntnisse von der Werbung des Männ-
chens und die Kopulation der Attidae wichtig, ferner hatM enge (50)
bei 3 Spezies (Salticus hilarulus, Heliophanus cupreus und Euophrys
reticulata) dıe Begattung beschrieben. Daß deGeer (31) den gleichen
Vorgang bei Zpiblemum scenicum schon geschildert hat, wurde
S.100 erwähnt. Ich selbst habe diese Art und Attus pubescens beob-
achten und ihre Kopulation beschreiben können.
Aus allem ergibt sich, daß alle Attiden in durchaus einheitlicher
Weise kopulieren, nämlich so, daß, wie bei Lycosen, Agelenen etc., das
Männchen sich von vorn und oben her schräg über das Weibchen
legt und den rechten Taster in die rechte, den linken in die linke
Samentasche des Weibchens einführt, je nachdem, von welcher Seite
es gerade kommt. Daß bei Attus pubescens diese Stellung eine Modıi-
fikation erfährt, wurde beschrieben und abgebildet.
In diesem Jahre (1921) erhielt ich am 10. Oktober 3 lebende
Exemplare (2 Männchen, ein Weibchen, sämtlich reif) von Marpissa
muscosa, die bei Wohnwitz bei Breslau an Kiefern gefangen worden
waren. Ein Männchen entkam später; das übrig bleibende Paar wurde
wiederholt zusammengesetzt, es kam auch zuweilen zu Balztänzen des
Männchens, aber das Weibchen verhielt sich durchaus spröde.
Erst am 4, November wurde die erste Kopulation beob-
achtet, die wieder durch die Balzspiele des Männchens_ eingeleitet
wurde. Diese spielen sich in der Hauptsache so ab, daß das Männ-
chen mit schräg nach außen und oben gehobenem I. Beinpaar und auch
mit geschüttelten Tastern vor dem Weibchen hın und her springt. An-
fangs wich das Weibchen jedesmal bei der Annäherung des Männ-
chens zurück, fuhr dann auf dieses mit geöffneten Kiefern los, es so
zum Rückzug zwingend, ohne daß das Männchen seine Bemühungen
aufgegeben hätte. Es wurde vielmehr immer heftiger in seiner Werbung
und erreichte schließlich, daß das Weibchen sich mit gespreizten Beinen
flach auf den Boden drückte und sich von da ab völlig passiv verhielt.
Nun stieg das Männchen, lebhaft mit dem Hinterleib schlagend, von vorn
her auf den Cephalothorax des Weibchens, sal3 dort zunächst eine Weile
still, um sich dann, ganz wie es für Epiblemum scenicum beschrieben
wurde, an der rechten Seite des Weibchens mit seinem Vorderkörper
herabzulassen. Es hebelte nun, ebenso wie das Männchen dieser Art
es zu tun pflegt, mit seinem Cephalothorax unter Zuhilfenahme des vor-
dersten Beinpaares, den Hinterleib des Weibchens so um seine Längs-
achse herum, daß er mit der rechten Seitenkante fast senkrecht nach
oben stand, und es erfolgte nach den üblichen suchenden Bewegungen
die Einführung des rechten Tasters in die rechte Samentasche des Weib-
chens,. Wenn er in dieser Halt gewonnen hat, tritt die dunkelgelbe,
verhältnismäßig kleine Tasterblase aus dem Cymbium hervor und kon-
trahiert sich in längeren Zwischenräumen ungefähr rhythmisch, wobei
jedesmal der Taster im ganzen eine leichte Rotationsbewegung ausführt.
Die Insertion dauerte eine Viertelstunde (12*° bis 12°° mittags. )
10. Heft
26 Ulrich Gerhardt:
Eine zweite Begattung desselben Paares fand am Vormittag
des nächsten Tages gegen 11" statt. Wieder balzte das Männchen in
der angegebenen Weise vor dem Weibchen, das auch heute zunächst
sehr unwillig schien und immer wieder im Sprung mit weit offenen
Cheliceren. nach dem Männchen schnappte. Dies ließ sich aber auch
diesmal in keiner Weise stören und erneuerte seine Werbungen trotz
aller Abwehr des Weibchens. Schließlich (11%) duldete das Weibchen,
daf% das Männchen seinen Cephalothorax bestieg, und dies versuchte zu-
nächst, nachdem es den Hinterleib des Weibchens entsprechend verdreht
hatte, seinen linken Taster zu inserieren. Das mißlang, und es wurde
der Versuch, natürlich nach Stellungswechsel des Männchens, mit dem
rechten Taster auf der rechten Seite des Weibchens erneuert. Diesmal
mit Erfolg, die Insertion gelang 11", Schon 115 leß aber das
Männchen los, da das Weibchen sich zu bewegen begann und offenbar
einen günstigeren Ort aufsuchen wollte. An der Außenwand eines Ge-
spinstes blieb es, den Kopf nach unten gekehrt, stillsitzen und nun in-
serierte das Männchen abermals seinen rechten Taster, der von 11! bis
11° mit seinem Embolus in der rechten Samentasche verblieb. 11'
trennte sich das Männchen vom Weibchen, um das es sich nun nicht
weiter kümmerte, und begann zu fressen.
Weitere Begattungen wurden beı diesem Paare nicht beobachtet,
ebensowenig die Samenaufnahme des Männchens.
2. Lycosidae.
a) Zycosa amentata Cl.
Ueber die Begattung der Lycosiden liegen, besonders durch
Montgomery (5l) so genaue Schilderungen vor, daß ich durch
meine Beobachtungen an Zycosa amentata Cl. in der Hauptsache nur
Bestätigungen bringen kann. Auf die Literatur habe ich früher (l. c.
S.15» eingehend hingewiesen. Es lag mir jetzt nur daran, auch diese
Vorgänge aus eigener Anschauung kennen zu lernen,
Lycosa amentata ist, wie in ganz Deutschland, bei Breslau auf
Wiesen und Wäldern etc. im Frühjahr über allgemein. Ende März fing
ich an einem Teich nahe der Oder bei Pırscham zahlreiche Männchen
und Weibchen dieser Spezies, und am 1. April konnte ich zuerst dıe
eigenartigen Balztänze der Männchen beobachten, wie sie schon
Montgomery für amerikanische Arten beschrieben hat. Da die
Weibchen, denen diese Werbungen galten, sich zunächst nicht um sıe
kümmerten, so wurden die Balztänze sehr lange fortgesetzt. Ein Männ-
chen tanzte am 6. April vor einem Weibchen einen ganzen Tag, ebenso
am Vormittag des 7. Die Werbestellung des Männchens ist so, daß
es sıch auf sämtlichen Beinen hoch aufrichtet und dabei den Vorder-
körper besonders in die Höhe reckt. Nun wird ein Taster steil aufwärts
gehoben und in leichtem Schütteln auf und ab geschwungen. Gleichzeitig
geraten die beiden vorderen Beinpaare in Schwingungen und werden
heftig klopfend bewegt. Dann trıtt wieder Ruhe ein, und nun wird ganz -
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 27
plötzlich, ruckweise, der eine Taster tief gesenkt und der zweite in
gleicher Weise gehoben und geschüttelt. Der zuerst verwendete wird,
während der zweite geschwungen wird, durch die Kiefer gestrichen.
Bei den Bewegungen der Taster und Vorderbeine wird auch, wie beı
allen Spinnenmännchen, die geschlechtlich erregt sind, der Hinterleib
auf und ab bewegt und zwar nicht nur in senkrechter, sondern auch ın
horizontaler Richtung. So geht das Männchen, immer wieder das Spiel
mit Tastern und Vorderbeinen wiederholend, auf das Weibchen zu.
Rührt sich dies, so springt das Männchen rasch ein kurzes Stück zurück,
um sein Spiel immer von neuem zu beginnen, wobei es von den ver-
schiedensten Seiten sich dem Weibchen zu nähern versucht. Dabeı ist
augenscheinlich sein Zweck, sich vor das Weibchen, diesem gegenüber.
zu stellen. Es kommt vor, dal zwei balzende Männchen, wenn sıe ein-
ander begegnen, zu kämpfen beginnen, ohne daf3 es in meinen Fällen
zu einer Verletzung eines der Beiden gekommen wäre. Das ganze
Werbungsverfahren wird von allen Männchen immer wieder ın ganz
gleicher Weise ausgeführt, es zieht sich natürlich nur dann ın dıe Länge,
wenn das Weibchen nıcht begattungslustig ist.
Ist dies dagegen der Fall, so bleibt das Weibchen, tief an den
Boden gedrückt, still vor dem balzenden Männchen sitzen, das, soweit
als möglich aufgerichtet, mit den Vorderbeinen zitternd, von vorn her
auf das Weibchen zugeht und dessen Rücken besteigt. Die bereits
früher (l.c.S. 135) beschriebene Paarungsstellung, die die Lyco-
siden mit den Salticiden, Heteropodriden, Agelena etc. teilen, macht be-
kanntlich die Einführung des linken Tasters in die linke Samentasche
und umgekehrt, notwendig. Ich sah nun in einem Falle deutlich, wie eın
Weibchen, als das Männchen ihm nahe rückte, schon den Hinterleib so
um dessen Längsachse verdrehte, daß die linke Samentasche etwas nach
oben gedreht wurde. Dementsprechend ließ sich das Männchen, sobald
sein Cephalothorax auf dem des Weibchens auflag, nach links herab und
führte den linken Taster in die linke Samentasche ein.
In diesem Falle dauerte die Kopulation 26° (41% bis 4°°). Die In-
sertion des Tasters ging ähnlich wie bei Agelena vor sich, der Bulbus.
glitt suchend in der Richtung von den Spinnwarzen zur Epigyne über die
Bauchfläche des Weibchens, bis der Konduktor gefaßt hatte. Dabeı
umfassen die Füße des Männchens den Cephalothorax des Weibchens.
Der Taster läßt, wenn er inseriert ist, de Tasterblase aus-
treten, die in diesem Fall weißlich und sehr klein ist, und die sich bei
einer Insertion ein paar Mal erweitert und kontrahiert. Der Wechsel
der beiden Taster geschieht keineswegs ganz regelmäßig. Allerdings
wird meist zwischen rechts und links ziemlich gleichmäßig gewechselt,
aber sehr häufig wird auch ein Taster zwei- oder mehrmals hinterein-
ander angewandt. Daß jeder Tasterwechsel eine Stellungsände-
rung des Männchens notwendig macht, ıst selbstverständlich, und von
den früheren Beobachtern beschrieben. Das Männchen muß sich über
den Rücken des Weibchens hinweg auf dessen andere Seite begeben,
um mit dem zweiten Taster die zweite Samentasche zu erreichen, also
10. Heft
28 Ulrich Gerhardt:
ebenso wie bei Attiden, Agelena etc. (Gerhardt, |. c.) Dabei
kommt es vor, daß zwischen zwei Insertionen eine Pause gemacht wird,
und dann ruht das (Männchen mit seinem Sternum auf dem Cephalothorax
des Weibchens, so daß die Mittellinien beider Tiere übereinander liegen.
Häufig kommt es vor, daß ein zweites Männchen versucht, bei einem
bereits in copula befindlichen Weibchen seine Taster einzuführen, ohne
daß das Paar sıch dadurch stören ließe. Das Weibchen sitzt zwar
meist still, läuft aber gelegentlich ein Stück weit mit dem aut ihm
sıtzenden Männchen umher.
Daß das Männchen, wie bei so vielen Spinnen, auch bei Lycosen
den Taster nach Gebrauch durch die Cheliceren zieht, beschreiben schon
die früheren Beobachter.
Im Ganzen wurde die Kopulation dieser Art im April dreimal
beobachtet, die Spermaaufnahme, die Montgomery bei zwei Lycosa-
arten beschreibt, sah ıch nicht.
3. Pisauridae.
a) Pisaura mirabilis Cl. (= Ocyale Mas.)
a) Vorkommen und Lebensweise. Diese schöne, große
Spinne ist in Laubwäldern bei Breslau(Oswitz, Deutsch-Lissa)
ım Frühjahr an bestimmten Stellen mit Sandboden und einzeln stehenden
Büschen häufig. Schon Ende März fand ich unreife Exemplare, anschei-
nend vor der letzten Häutung. Mitte April begannen die Häutungen, bei
denen die gefangenen Tiere sehr häufig verunglückten, wenn es sich
nicht um frisch gefangene handelte. Am 30. Aprıl fing ich das erste
reife Weibchen, am 2. Maı ein reifes Männchen. Am 3. Mai be-
gannen die später zu besprechenden Werbespiele des Männchens.
Mehrere Männchen überstanden in der Gefangenschaft, unmittelbar nach
dem Einbringen, die Häutung gut, bei der die Tiere sich senkrecht an
dem Deckel des Gefäßes mit dem Rücken nach unten aufhingen. An
einem Tage häuteten sich so drei Männchen zu gleicher Zeit. Mit den
unreifen Weibchen hatte ich weniger Glück, sie gingen mir bei der
Häutung ein. Vermutlich spielen Feuchtigkeitsgehalt und Bewegung der
Luft bei der Häutung eine wesentliche Rolle. Ich habz daher bei
anderen Spinnen (Artamus) die häutungsreifen Tiere in Drahtkäfige
gesetzt, die dem Luftzug zugänglich waren und in denen sie sich auch
im allgemeinen normal häuteten,
Pisaura ıst sehr gefräßig und verlangt reichliche Zufuhr von
Fliegen; die Neigung Artgenossen zu fressen, ist sehr verbreitet, wes-
wegen man schwächere Tiere zweckmäßigerweise nicht mit größeren ın
einem Gefäß läßt.
b) Werbung und Begattung.
a) Literatur. Ueber die Begattung von Fisaura mirabilis liegt
eine Angabe van Hasselts (40) vor, die ich nach Bertkaus
Referat (12) vollständig zitiere, weil sie für unsere späteren Erörte-
rungen von größter Wichtigkeit ist:
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 29
„Von Ocyalemirabilis wurde ein ‚Pärchen, dessen Männchen kräf-
tiger war als das Weibchen, längere Zeit lebend beobachtet. Mehrere
Tage nach der ersten Begattung versuchte das Männchen dieselbe aufs
Neue, jedoch ergriff das Weibchen jetzt und bei den späteren Ver-
suchen des Männchens stets die Flucht. Das Männchen zwang nun zu-
nächst das Weibchen, eine Hungerkur durchzumachen, indem es dıe von
Zeit zu Zeit ins Glas geworfenen Fliegen vorweg fing. Einige Zeit
darnach fing es wiederum zunächst die vorgeworfene Fliege, sog dieseloe
aber nıcht aus, sondern umspann 'sie mit Gespinstfäden zu einer weißen
Kugel, die es zwischen die Mandibeln nahm. So näherte es sich dem
Weibchen, das nun auf die Beute losfuhr, dıe aber vom Männchen festge-
halten wurde. Während nun das Weibchen die Fliege aussog, machte
das Männchen von der günstigen Gelegenheit Gebrauch, um mit seinen
langen Palpen, sehr umsichtig und langsam die Begattung auszuführen,
ohne daß sich das Weibchen nur daran kehrte.“
b) Eigene Beobachtungen. Diese Schilderung van Has-
selts war mir bekannt, als ich meine Untersuchungen an Pisaura be-
gann. Ich muß gestehen, dafs mich die ganze Darstellung der Vorgänge,
die van Hasselt als einen abnormen Vorgang auffaßte, und mit
anderen Anomalıien des Geschlechtstriebes bei Spinnen in eine Reihe
stellte, etwas unwahrscheinlich und romanhaft anmuteten, und daher
lag mir besonders daran, das Tatsächliche festzustellen und vor allem,
ob es sich hier nicht doch um einen physiologischen Vorgang
handle, wenn sich die Angaben bestätigen sollten.
Das war der Fall, und es hat sich tatsächlich herausgestellt, daß
hier ein durchaus normaler Komplex von Vorgängen vorliegt, der sich
im einzelnen folgendermaßen abspielte: \
Am 3. Mai wurden dreı Männchen zum Weibchen gesetzt, und
eines begann seine Werbung ın der von van Hasselt geschilderten
Weise. Es spann eine Fliege, die vorher schon tot im Käfig lag, da-
durch zu einem kugeligen Klumpen zusammen, daß es sie vor sich auf
den Boden legte und, sie umkreisend, kreuz und quer verlaufende Fäden
aus den Spinnwarzen über sie hınwegzog, bis das ganze einen weıßüber-
zogenen Ballen bildete. Diesen Ballen trug das Männchen in den
Cheliceren dem Weibchen, das ruhig saß, von vornher entgegen,
hielt sie ihm vor (die Kiefer und zeigte dabei Zeichen geschlechtlicher Er-
regung, wie sie ähnlich auch bei anderen Spinnen vorkommen, und die
sich ın Vibrieren des Hinterleibes und Schütteln der weit nach außen ge-
spreizten, dabei tief gesenkten Taster äußerten. Längere Zeit ließ
sıch das Weibchen diese Werbung ganz passıv gefallen, nahm aber die
dargebotene Fliege nıcht an.
Später ging ein Männchen ohne Fliege im Maul, aber mit ge-
senktem Taster und mit dem Hinterleib zuckend, auf das Weibchen los,
das zunächst einige Male heftig mit dem Hinterteil klopfte, aber dann
entfloh,
Am Nachmittag des gleichen Tages wurde das über Mittag isolierte
Weibchen wieder zu den Männchen gesetzt. Sofort ergriffen zwei
10. Heft
30 Ulrich Gerhardt:
Männchen wieder tote Fliegen und spannen sie ein, die Werbungen
wurden in gleicher Weise von beiden ausgeführt, aber. das Weibohen
blieb nicht mehr still sitzen.
Am 4.Maı wurde vormittags 10° das Weibchen wiederum zu
den drei Männchen gesetzt. In der Voraussetzung, daß es in hungrigem
Zustande leichter auf die Werbungen der Männchen reagieren werde,
tat ıch das, was ınvan HasseltsFall das Männchen tat, ich gab ihm
in der Zwischenzeit keine Nahrung, und dies Verfahren erwies sich in-
sofern erfolgreich, als es nunmehr tatsächlich zu einer Begattung
kam. Schon 10%’ präparierte ein Männchen den zu überreichenden
Bissen und kroch mit ihm lange Zeit unruhig ım Käfig herum; das Weib-
chen verhielt sich ruhig. 11?#’setzte sich das Männchen mit der Fliege
im Maul dicht vor das Weibchen, so daß die Cheliceren beider Tiere
voreinander standen. Die Taster des Männchens wurden dauernd ge-
spreizt und gesenkt gehalten, der Hinterlzib ward von Zeit zu Zeit von
heftigen Schwingungen erschüttert. Das Männchen näherte sich ganz
langsam dem Weibchen mehr und kroch zwischen dessen ausgespreizte
Vorderbeine, so daß sich sein Vorderende (normale Orientierung an-
genommen, das Weibchen saß ın diesem Falle mit der Bauchfläche
nach oben am Deckel des Käfigs) etwas höher befand als das des
Weibchens. Von Zeit zu Zeit wird die Fliege in den Kiefern des Männ-
chens etwas gehoben, und darin ist jedesmal der Moment des eigentlichen
Anbietens dieses Lockbissens zu erblicken. Bis 11’? saß das Weibchen
ganz regungslos, dann richtete es sich plötzlich auf und ergriff mit den
Cheliceren die in dieser Weise dargereichte Fliege. Ohne diese los-
zulassen, begann sofort das Männchen, Zeichen größter Unruhe und Er-
regung erkennen zu lassen, zuckte ungemein heftig und rhythmisch mit
dem ganzen Körper und ließ endlich 11°° die Fliege los, die somit nun-
mehr ın den Kiefern des Weibchens verblieb.
Jetzt begann das Männchen vorwärts zu gehen und sich um seine
Längsachse gleichzeitig zu drehen, während es mit dem Sternum auf den
Cephalothorax des fressenden Weibchens kroch. Dadurch kam eine
Stellung zustande, die der für Argyroneta (l. c. Taf. Ill, Fig. 12)
ähnelt, so daß die Bauchflächen beider Tiere einander zugekehrt, die
Vorderenden aber entgegengesetzt gerichtet sind. , Diese Stellung ist bei
der Spinnenbegattung sehr selten, und außer be ei Argyroneta ist sie bisher
nur noch bei Argenna und Amaurobius beobachtet worden.
Während nun das Männchen seinen Hinterleib bogenförmig ventral
einkrümmt, beginnt es mit der Einführung eines seiner Taster, im be-
obachteten Fall zuerst mit dem rechten. Der sehr kräftige Bulbus gleitet
suchend über die rechte Samentasche des Weibchens, und mit Be-
wegungen von den Spinnwarzen zur Epigyne hin wird schließlich der
Embolus eingeführt. Die sehr große, rötlichweiße, durchsichtige, deutlich
dreilappige Taxtärhläse quillt hervor, um sich rhythmisch zu expandieren
und dazwischen wieder zu kollabieren. Bei jeder neuen Expansion
werden die peripheren Tasterteile (Embolus und Konductor, auch die
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 31
Retinacula) spiralig aufs neue tiefer eingeschraubt, nachdem sie sıch bei
jeder Kontraktion der Blase aus der Samentasche gelockert hatten.
Der Rhythmus der Expansionen der Blase ist nicht ganz regel-
mäßıg, kürzere wechseln mit längeren, und nut der längeren Dauer der
Begattung bleibt die Blase längere Zeit in prall gefülltem Zustande
stehen, wıe das auch bei anderen Spinnen beobachtet wird. Während
der ganzen Dauer der Insertion dieses Tasters sog das Weibchen, still
und völlig passiv dıe Tätigkeit des Männchens duldend, an der Fliege,
12'° wurde der rechte Taster'extrahiert, nachdem seine Blase
völlig zusammengesunken und die normale Form des Bulbus wieder-
hergestellt war. Nun geschah etwas für mich gänzlich Uner-
wartetes: Das Weibchen lief} die Fliege los, die von dem rückwärts
kriechenden Männchen wieder ins Maul 'genommen wurde. Das Männ-
chen entfernte sich, immer den
Bissen zwischen den Kiefern hal-
tend, vom Weibchen und setzte
sich still an eine Wand des Kä-
fiıgs. Aber um 12° ging das Tier.
das inzwischen die Fliege nicht
losgelassen hatte, wieder auf das
Weibchen zu und das ganze ge-
schilderte Werbespiel begann aufs
neue mit dem Resultat, daß dies-
mal, unter ganz gleichen Umstän-
den, der linke Taster eingeführt
und die Kopulation mit ihm voll-
zogen wurde. Die Begattung dau-
erte nunmehr bis 1°?, dann wurde
das Männchen, vielleicht durch ein
benachbartes störendes anderes
Männchen beeinflußt, unruhig und Textiig. 7. Pisaura mirabilis Cl. in co-
zog den linken Taster aus der pula. Das 7 hat im Maul die vom
Epigyne; diesmal behielt 2 zu einem schwarzen Klumpen ein-
das Weibchen dieF liege, gesponnene Fliege und frißt an ihr.
diees dannvöllıgaussog.
Eine weitere Kopulation dieses Weibchens fand: nicht statt, andere
geschlechtsreife weibliche Tiere bekam ich nicht mehr, und Mitte Mai
mußte ich wegen der Fahrt zum Zoologentag nach Göttingen die Be-
obachtungen unterbrechen.
Die Spermaaufnahme des Männchens, die van Hasselt sah,
konnte ich nicht beobachten. !)
Bei weitem das Interessanteste an diesen Vorgängen scheint mir das
unter Spinnen bisher ganz isoliert dastehende Werbeverfahren
des Männchens zu sein. Zwar findet auch bei anderen Spinnen (Meta
!) Wurde 1922 beobachtet. A. w. d. Korr.
10. Heff
32 Ulrich Gerhardt:
segmentata |. c. S. 147, Nephila brasiliensis nach Göldi [36]) die
Begattung nur statt, wenn sıch ein Beutetier im Netze des Weibchens be-
findet, aber in diesen beiden Fällen fängt sich das Weibchen diese
Fliege etc. selbst und bekommt sie nicht vom Männchen dargereicht.
Unwillkürlich wird der Vergleich herausgefordert mit dem Verhalten
mancher Empidenmännchen, die gleichfalls vor der Begattung eine
Fliege fangen, die vom Weibchen jwährend der Kopulation verzehrt wird.
Ganz eigenartig aber ist dıe Tatsache, daß bei Pisaura das Weibchen
das Fressen dieser Fliege unterbricht‘ was natürlich durch die einzelne
Verwendung der beiden männlichen Taster hintereinander bedingt ist,
Die biologische Ursache — und gleichzeitig der Zweck — der
ganzen Handlungsweise ist in einer Hinsicht sehr klar: Das dem Männ-
chen gefährliche Weibchen wird während dessen Annäherung beschäftigt
und gesättigt, so daß Hunger und Angriffslust auf das Männchen in
ihm ausgeschaltet werden. Es wird idurch das Ueberreichen der Fliege
das erreicht, was bei manchen Ageleniden durch das Ergreifen des
Weibchens (Cybaleus, Agelena,. c. S. 175, 182) herbeigeführt wird, dal)
nämlich das Weibchen in einen bewegungslosen Zustand versetzt ara:
ın.dem es dem Männchen nichts tun kann.
Daf bei dem in einer Art von Starre während der Kopulation
verharrenden Agelenaweibchen am Schluß des Aktes ein starkes
Hungergefühl| vorhanden sein muß, das hier, wie auch bei manchen
Lycosiden, die Verfolgung des Männchens durch das Weibchen nach
der Begattung veranlaßt, wurde früher erörtert. Beı Pisaura ıst nach
dem Abschluß der ganzen Begattungshandlung, also auch der Ent-
leerung beider Taster des Männchens, dadurch, daß dem Weibchen
die Fliege belassen wird, das Männchen von vornherein geschützt.
Am eigentümlichsten und wohl sicher am schwersten verständlich
ist aber die Tatsache, dafß das Weibchen zwischen den Insertionen
beider Taster die Fliegedem Männchen zurückgibt. Wir
haben hier eine der Instinkthandlungen vor uns, dıe sich, wie auch so
viele in der Insektenbiologie, so abspielen, als ob das Tier, ın diesem
Fall das Weibchen, über das Bescheid wüßte, was kommen wird, und
die dadurch leicht zu anthropomorphisierenden irrigen Betrachtungen
führen können. Dadurch, dafs nicht, wie bei manchen anderen Spinnen
(Diciyna,Pachygnatha) der zweite Taster, ohne daß die Tiere ihre
Stellung ändern, unmittelbar nach der Extraktion des ersten inseriert
wird, sondern eine Trennung der Geschlechter eintritt, wird ein neues
Werbeverfahren notwendig. Dies aber setzt voraus, daß das Männchen
im: Dosis der ee Fliege ıst. Wenn es aber eine neue
fangen und sie dem Weibchen überreichen würde, so würde dieses keine
Veranlassung haben, sie dem Männchen abzunehmen, weil es mit der
Fliege, die es beim Beginn der Begattung erhalten hat, beschäftigt wäre,
Wenn aber das Männchen dem Weibchen bei der Trennung, nach der
Insertion des ersten Tasters, die Fliege ließe und nun, seinerseits ohne
Fliege, eine neue Begattung versuchte, so ist kein Grund einzusehen,
weshalb sie nicht auch gelingen könnte,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 33
Daraus geht hervor, dal der Instinkt des Fangens und Anbietens
der Fliege beim Männchen untrennbar mit seinen sonstigen Werbe-
gewohnheiten verbunden ist, und daß, durch einen gewiß interessanten
Instınkt, das Weibchen sıch diesen Bedürfnissen des Männchens voll-
kommen angepaßt hat. Schwer zu erklären ist es, weshalb das Waib-
chen nach der Loslösung des ersten Tasters aus der Epigyne einen
Reiz empfängt, der es veranlaßt, die Fliege loszulassen, dagegen nach
der Extraktion des zweiten Tasters sie behält und auffrißt.
Von anderen (außereuropäischen) Pisauriden ist nichts über das
Sexualleben bekannt, und so sind keine Vermutungen darüber möglich,
ob ın dieser Familie: solche Werbeinstinkte unter den Männchen auch
anderswo vorkommen.
Da ich nur an einem Paare meine Beobachtungen anstellen konnte
und dieses zunächst ungestört lassen mufste, um die normalen Vorgänge
kennen zu lernen, muß ich noch manche Fragen unerörtert lassen, die
sich hier anknüpfen ließen, und die zu Experimenten Veranlassung
geben können, Auch wäre es nachzuprüfen, ob alle Weibchen sich Heich
verhalten. Daß alle Männchen die geschilderten Werbemanöver aus-
führen, kann ich mit aller Bestimmtheit sagen, und somit ist es als
erwiesen zu betrachten, daß die eigenartige Werbung der Pisaura-
männchen einen physiologischen Vorgang darstellt.
Es war mir nicht möglich, an meinen gefangenen Männchen das
von Prell (60) beschriebene Trommeln zu beobachten und ins-
besondere seinen Zusammenhang mit dem Werben und der sexuellen Er-
regung festzustellen. Ich hoffe aber, über diese Vorgänge noch ım
nächsten Frühjahr an einem größeren Material Erfahrungen sammeln
zu können,
Besonders hinweisen möchte ich hier noch auf dıe Tatsache, daß die
Kopulation von Pisaura nicht nur in Bezug auf das Werbeverfahren,
sondern auch auf die Stellung, Art der Tasterinsertion, ihres Wechsels,
den Kontraktionsmodus der Tasterblase und die Dauer der jeweiligen
Insertion grundverschieden von der der Lycosiden ist.
Ich glaube es aussprechen zu können, daß aus diesen biologischen Ver-
schiedenheiten sich wohl zweifellos ein weiteres Moment ergibt, das eine
Trennung beider Familien rechtfertigt; denn ich halte es für gänzlich
ausgeschlossen, den einen Modus auf den anderen mit Erfolg zurückzu-
führen. Ich bin der Meinung, daß hier, deutlicher als sonst in den
meisten Fällen, ein Hinweis gegeben ist, wie durch biologische Beob-
achtungen die. systematische Gruppierung der Familien unterstützt
werden kann.
IV. Thomisidae.
Die in der Literatur vorliegenden Angaben von Prach über
Xysticusaudax (59) und Montgomery (51) über die Kopulation von
Xysticus stomachosus, X.nervosus und Misumena aleatoriasınd (].c.
S.138) erwähnt worden. Ich bin jetzt imstande, die Abbildung zu
Archiv für BETEN
1923. A. 3 10. Heft
34 Ulrich Gerhardt:
reproduzieren (Textfig.2), die Emerton (25) von der Begattung bei
Xysticus trivittata gibt, und die durchaus deutlich wie die früher (Il. c.
S.139) wiedergegebene Skizze Montgomerys die eigenartige, in
ihrer Vergleichbarkeit anderweitig (l. c. S.139) erörterte Stellung
der Thomisiden bei der Begattung darstellt. (s. S.5).
Es wäre für mich besonders interessant gewesen, die Angabe
Montgomerys, daß bei der amerikanischen Misumena (Runcinia)
aleatoria Hentz beide Taster des Männchens bei der Kopulation
gleichzeitig 'inseriert werden sollen, an der europäischen M. calycinaL.
(vatıa Cl.) nachzuprüfen, da ich nach der Beschaffenheit von Taster
und Epigyne eine solche Handhabung für höchst unwahrscheinlich
halte. Zu meinem Bedauern konnte ich aber zwar viele reife Misu-
menaweibchen im Laufe des Sommers erhalten, dagegen fand ich die
Männchen ım August in Gamburg ın den Blütenständen von Umbeli-
feren, besonders ın Laubwäldern, zwar ın ungeheuren Mengen (Hunderte
in ein paar Stunden) aber kein einziges reifes Exemplar darunter. Auch
von Xysticusarten konnte ich nicht gleichzeitig reife Tiere beiderlei
Geschlechts beschaffen, so daß ıch für die Gruppe der eigentlichen
Thomisıdae nichts über dıe Begattung aussagen kann,
Dagegen konnte ich aus der Gruppe der Phılodrominae an
drei Arten die Begattung eingehend beobachten. Bisher waren von
Menge (49) beı Philodromus dispar nur vergebliche Begattungs-
versuche beobachtet worden.
1. Philodromus aureolus Cl.')
Diese Art fand ıch in zwei etwas verschiedenen Varietäten bei
Breslau ungemein häufig, und zwar die größere auf Fichtenbüschen bei
Deutsch-Lissa, die kleinere auf Eichenbüschen bei dem Vorort
Leerbeutel. Durch Herrn Professor Dahl wurde aber mit Sicher-
heit festgestellt, daß es sich um Angehörige nur einer Spezies handle.
Die Zeit des Fanges war der ganze Juni. Die ersten reifen Tiere fing
ich am 6., die letzten am 20. des Monats. Wenn ich reife Männchen
und Weibchen zusammensetzte, so kam es häufig zu Kopulationen, von
denen ım ganzen 11 beobachtet wurden.
Interessant war mir dabei besonders die Paarungsstellung
aus folgenden Gründen: Ich habe #rüher (l. c. $S.113) die Auffassung
ausgesprochen, daß die oben abgebildete Kopulationsstellung der Xystı-
cusarten zweifellos als aus einer ’der der Lycosen oder Ageleniden ent-
sprechenden Stellung (S über 9, Kopfenden entgegengesetzt, Taster seit-
lich der gleichnamigen Samentasche inseriert, also rechts zu rechts und
umgekehrt) entstanden zu betrachten sei. Als Ursachen für die so
anders anmutende Stellung nahm ich dıe Kürze des Hinterleibes an.
!) Herr Professor Dahl war so gütig, die schwierige Bestimmung dieser
Art auszuführen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichsten
Dank ausspreche.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 35
daneben spielt sicher die relative Kleinheit des Männchens, besonders
bei Misumena etc. eine wesentliche Rolle.
Dieser Geschlechtsdimorphismus in der Größe ist nun bei Philo-
dromusarten wenig ausgeprägt und kann somit hier nicht als Ursache
einer Stellungsmodifikation ın Betracht gezogen werden. Die Kürze
und Verdickung des weiblichen Hinterleibes ıst zur Paarungszeit weniger
ausgeprägt als bei den Thomisinen. So hat es auch nicht überrascht,
in der Paarungsstellung aller drei beobachteten Philodrominen eine
Art von Kompromif3 zwischen der der Lycosiden und der der Tho-
misinen zu finden, wodurch meine oben geäußerte Annahme wohl ihre
Bestätigung erhalten dürfte.
Wenn ‘ein Philodromusmännchen ın die Nähe eines begattungs-
reifen Weibchens gerät, so nımmt es von ıhm erst unmittelbar bei der
Berührung der Beine beider Tiere Notiz. Das läßt sich geradezu
experimentell herbeiführen. Sitzt ein Männchen still, nur wenige
cm vom Weibchen entfernt, und treibt man es durch Berührung mit
eınem Stäbchen oder dgl. zu diesem hin, so zeigt es jedesmal, wenn
seine Fußspitzen mit denen des weiblichen Tieres in Berührung kommen.
Zeichen sexueller Erregung, die sich neben Schwingungen des Hinter-
leibes in außerordentlich raschen Zappelbewegungen sämtlicher Beine
und der Taster äußern. Während das Weibchen still dasitzt, kriecht
das Männchen schräg von oben und von einer Seite her über dessen
Körper hinweg, so daß schließlich sein Cephalothorax fast quer über dem
Abdomen des Weibchens liegt. Dabei bilden beide Körper einen
Winkel, der von einem rechten nur wenig dadurch abweicht, daß die
männliche Hinterleibspitze etwas nach dem Vorderende des Weibchens
hinzeigt.
Das Weibchen bleibt nun entweder mit etwas gehobenem Hinter-
leib und ausgestreckten Beinen sitzen, oder es beugt diese locker. Nach
diesem Verhalten richtet es sich, ob das Männchen das Weibchen mit
beiden Vorderbeinpaaren locker umklammert, oder sie nur gespreizt
über den Füßen des Weibchens hält.
Sowie die Paarungsstellung eingenommen ist, führt das Männchen
mit erstaunlicher Treffsicherheit seinen einen. Taster in die Samen-
tasche der gleichnamigen Körperseite des Weibchens ein, wobei der
Tasterstiel fast quer über das weibliche Abdomen ventralwärts ge-
bogen wird.
Der Bau der Philodrominentaster ist sehr einfach, am Bulbus sind
keine als Retinacula zu bezeichnenden Anhänge vorhanden, und die prı-
märe Befestigung des Palpus wird mehr durch die Fortsätze des IV.
Gliedes bewerkstelligt. Der Embolus stellt einen gekrümmten, mäßig
langen, geißelförmigen Fortsatz dar. Bei unserer Art ist der Bulbus
und das Cymbium klein, der Stiel lang und schlank. Sowie der Taster
in Tätigkeit tritt, quillt der Basalabschnitt des Bulbus als Taster-
blase hervor und zwar in rhythmischen Stößen, die etwa alle Sekunde
aufeinander folgen. Bei jeder Expansion vergrößert sich die gelblich-
3* 10. Heft
36 Ulrich Gerhardt:
durchsichtige Blase immer mehr und erreicht schließlich solche Dimen-
sionen, dal sie den Umfang des ruhenden Bulbus wohl um das zehn-
fache übertrifft. — Es zeigt sich hier, was auch bei Clubiona und.
freilich in anderem Sinne, auch bei Hyptiotes festzustellen sein
wird, daß die relative Kleinheit oder Größe des untätigen Bulbus absolut
keine Schlüsse zuläßt über die Expansionsfähigkeit der alsHaema-
todocha im Wagnerschen Sinne fungierenden Basalblase. Im
ganzen erfolgen etwa 10 bis 12 solcher Expansionen, die letzten 3 bis 4
zeigen maximale Spannung der Blase, die darauf collabiert. Alsdann
wird der Embolus wieder aus der Samentasche extrahiert, und gewöhn-
lich trennen sich beide Tiere sofort wieder ebenso schnell, wie sie sich
a haben. Im ganzen dauert ein solcher Kopulationsvorgang nicht
über 25”.
Selten führt das Männchen, ohne das Weibchen zu verlassen, auch
den zweiten Taster in die zweite Samentasche des Weibchens ein. Ich
habe nur eiinen derartigen Fall beobachtet, ın dem das Männchen erst
mit dem rechten Taster kopulierte, dann sofort sich über dem ruhig
sitzenden Weibchen umdrehte und den linken inserierte, aus dem aber
die Tasterblase nicht austreten wollte. Das Männchen wechselte wieder,
und zwar äußerst rasch, seine Stellung, um abermals den rechten Taster
einzuführen, der wiederum ganz normal funktionierte. In allen übrigen
Fällen wurde bei jeder Kopulatıon nur ein Taster angewandt.
Ein Weibchen, das kopulationsreif ıst, duldet die Annäherung ver-
schiedener Männchen, wie auch diese sich mit mehreren Weibchen be-
gatten können. Die Füllung der'Taster sahıich nıcht.
Ende Juni begannen die Weibchen Eier zu legen, die in flachen,
scheibenförmigen Cocons liegen und selbst flache, zusammengebackene,
kuchenartige Scheiben darstellen. Mitte Juli krochen ın Menge Junge
aus. Die Männchen starben, wenn sie kopuliert hatten, in wenigen
Tagen ab, und der Hinterleib der Weibchen schwoll zwischen Kopu-
lation und Eiablage zu bedeutendem Umfang an.
2. Artanes fuscomarginatus de Geer.
a) Vorkommen, Lebensweise.
Diese sehr viel größere Art fand ich in Menge an Kiefernstämmen
im Muckerauer Forst bei Deutsch-Lissa, und zwar in unreifem
Zustande schon während des ganzen Winters beim Suchen von Segestria
senoculata. Während sich die Tiere in der kalten Jahreszeit unter
Rindenschuppen aufhielten, kamen sie ım Frühjahr bei Sonnenschein
hervor und krochen an den Stämmen umher. Bei dieser Art konnte
ich Erfahrungen über das Zahlenverhältnis der Geschlechter sammeln,
die in ähnlicher Weise auf viele andere Spinnen zutreffen: Im März
trifft man mindestens die gleiche Menge unreifer Männchen wie Weib-
chen an, und das Verhältnis bleibt bestehen bis zur Begattungszeit ım
Mai. Dann aber vermindert sich die Zahl der Männchen außerordent-
lich rasch, und als ich Anfang Juni noch nach Männchen suchte, fand
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 37
ich kein einziges, wohl aber viele legereife Weibchen. Am 9. Juni
begannen bei meinen Gefangenen die Eıiablagen, am 2. Juli krochen die
ersten Jungen aus dem Cocon, der wie der von Philodromus aureolus
gestaltet ıst. Ich muß bemerken, daß ich weder bei der hier in Rede
stehenden, noch bei den vorhergehenden und der folgenden Art jemals
den Vorgang der Eiablage selbst beobachten konnte, Immer fand ich
früh schon die fertigen Cocons vor.
Die Spinne ist ein ausgesprochenes Tages- und Sonnentier, sehr
schnell in ihren Bewegungen und sehr gefräßig, Die Häutung ge-
schieht ım Freien, wie die außerordentlich häufig zu findenden Häute
beweisen, an vorstehenden Rindenschuppen, an denen sich das Tier mit
nach unten gekehrtem Rücken aufhängt. Ich habe den Vorgang bei Ge-
fangenen, Männchen wie Weibchen, oft bzobachten können, und dabei
gefunden, daß in Drahtkäfigen meist keine Störungen auftreten, in
Gläsern dagegen oft. Einigemale konnten dıe Männchen ihre Taster-
kolben nıcht aus der Exuvie lösen, dann blieben entweder dıe Taster
beide stecken, und das Tier ging ein, oder sıe wurden spontan amputiert,
so daß das Tier für weitere Beobachtungen unbrauchbar war. Ueber-
haupt kommen, eben wegen der Gestalt des Tasters, bei männlichen
Tieren in der Gefangenschaft bei allen Spinnen leichter Unglücksfälle
bei der Häutung vor als bei weiblichen.
Es konnte festgestellt werden, daß dıe Männchen etwa 14 Tage
nach der letzten Häutung zur Kopulation bereit waren. Die erste
Füllung der Taster ıst mir ebensowenig gelungen zu sehen, wıe
anderswo.)
b) Begattung.
Wenn es mir trotz außerordentlich reichen Materials nur einmal
gelungen ist, bei dieser Art die Begattung zu sehen, so liegt das
daran, daß ıch gerade während der eigentlichen Begattungszeit (15. bıs
25. Mai} durch Besuch von Kongressen von Breslau abwesend sein
mußte. Erst am 2. Juni, als ich nur noch ein einziges Männchen besaß.
konnte ich am Vormittag 10° die Kopulation sehen, die prinzipiell ganz
wie bei Philodromus aureolus verläuft. Morphologisch besteht
der biologisch nicht weiter in Betracht kommende Unterschied, dafs der
Tasterkolben bei Artanes relativ sehr viel größer und dicker ıst, ım
übrigen besteht grundsätzlich der gleiche einfache Bau.
Das Werbeverfahren der Männchen sah ich diese oft er-
tolglos ausüben. Es besteht in dem gleichen lebhaften Vibrieren der
Beine, Palpen und des Hinterleibzs wie bei Philodromus, und das
Männchen nähert sich auch in gleicher Weise dem Weibchen, über
dessen ganzen Körper es hinwegkrischt. Es kommt schließlich mit dem
Vorderrand seines Cephalothorax schräg über eine Seitenkante des
weiblichen Hinterleibes zu stehen und führt nun den einen Taster in dıe
1) 1922 beobachtet. A. w. d. Korr.
10. Heft
38 Ulrich Gerhardt:
gleichnamige Samentasche des Weibchens ein. Dieses blieb in dem
beobachteten Fall mit ausgespreizten, der Unterlage flach anliegenden
Beinen ruhig sitzen und hob nur den Hinterleib etwas, um die An-
näherung des Männchens zu ermöglichen. Nachdem der Embolus
inseriert und die Tasterblase einmal in großem Umfang ausge-
treten war, entfernte sich das Männchen (im ganzen etwa nach
20”) sehr rasch. Der ganze Kopulationsvorgang der beiden beschrie-
benen Philodrominenarten spielt sich überhaupt außerordentlich schnell
und stürmisch ab. Auch hier wirkt sicher nur der Berührungs-
reiz erregend auf das Männchen.
3. Tibellus oblongus Walck.
a) Vorkommen, Lebensweise.
Da bei dieser Spinne das Männchen — op mit Recht, möchte
ich nıcht entscheiden, da hier die Zeit des Fanges als entscheidender
Faktor in Betracht kommt — als sehr selten gilt, so durfte ich es als
einen besonderen Glücksfall betrachten, daß lich am Rande eines jungen
Parkgehölzes bei dem Breslauer Vorort Leerbeutel am 20. Juni 1921
nıcht nur reife Weibchen, sondern auch ein erwachsenes Männchen
fangen konnte. Während ıch später am gleichen Fundorte noch mehrere
Weibchen erhielt, blieb es bei dem einen Männchen, mit dem ıch aber zu
befriedigenden Resultaten kam. Die Tiere wurden mit dem Schirm ge-
klopft. Sie saßen auf niedrigen Eichenbüschen, Gestrüpp und vor allem
auf Ligusterstauden. In der Gefangenschaft waren sie — entgegen einer
Behauptung von Menge — sehr leicht zu halten, fraßen eifrig Fliegen
und saßen den größten Teil des Tages still an Grasstengeln, wobei sıe
eine Haltung einnahmen, die der Ruhestellung von Tetragnatha sehr
ähnelt, die beiden vorderen Beinpaare nach vorn, die beiden hinteren
nach rückwärts gerade ausgestreckt, so daß das schmale Tier oft nur
schwer zu sehen ist und ‘für das menschliche Auge ein schönes Beispiel
von Schutzanpassung darstellt.
Die meisten gefangenen Weibchen waren schon befruchtet, was
sich an der relativen Dicke des langen schmalen Hinterleibes erkennen
ließ, und sie legten Ende Juni auch Eier in schönen, seidigen, flachen
Gespinsten ab, aus denen am 24. Juli gleichzeitig aus drei Gelegen die
Jungen ausschlüpften, die aber leider während meiner Abwesenheit in
den Sommerferien eingegangen sind.
b) Begattung. Aus zweı Gründen war es für mich von be-
sonderem Interesse, wie sich der Verlauf der Begattung beı dieser
Spezies gestalten würde: einmal wegen der früher angenommenen mor-
phologischen Beziehung zu denSparassiden(cf. Bertkau,7) und
dann wegen der von der der übrigen einheimischen Thomisiden (außer
der nahe verwandten Gattung Thanatus)abweichenden Form des Hinter-
leibes. Es ergaben sich aus diesen beiden Momenten folgende Ueber-
legungen:
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 39
Zu dem ersten Punkt ist festzustellen, daß für Micrommatavires-
cens, die einzige auf ihre Kopulation, allerdings sehr genau, bekannte
Art der Sparassıden, eine langdauernde einmalige Insertion jedes
Tasters [Menge (50), Bertkau (4)] beobachtet worden ist, der
die gleichlange dauernde des anderen Tasters folgt. Dabei treten sehr
zahlreiche Pulsationen der Tasterblase auf. Aus der oben gegebenen
Schilderung der Begattung bei Philodromus und Artanes geht hervor,
daß die Kopulation der Philodrominen wesentlich anders verläuft (kurze
Insertion des Tasters mit wenigen, aber sehr heftigen Expansionen der
Blase). Es war daher für mich von Interesse, festzustellen, welchem
der beiden Typen sich Tibellus anschließen würde, was mir für die Be-
urteilung der systematischen Stellung der Gattung nicht gleichgültig zu
sein schien (vgl. das S. 33 beı Pisaura Gesagte).
Zum zweiten Punkt hatte ich folgende Ueberlegung aufgestellt:
Wenn die oben (S. 34) erwähnte Thomisidenstellung aus der Lycosiden-
stellung ableitbar ist, was durch dıe Beobachtungen an Philodromus und
Artanes wahrscheinlich gemacht wird, so wird sich bei einer Form wie
Tibellus mit gänzlich unverkürztem Hinterleib die Annäherung an den
Lycosatypus mit noch größerer Klarheit zeigen müssen.
Auf diese beiden Fragen konnte ich durch meine Beobachtungen
ın der Tat Antwort erhalten. Ich möchte zunächst den Verlauf
der Kopulation objektiv schildern und erst dann zu den Schluß-
folgerungen übergehen, die dıe Beantwortung der beiden gestellten
Fragen bringen.
Am 27. Jun: hatte sıch ein kleines, noch unreif am 25. gefangenes
Weibchen gehäutet., In den Tagen vorher hatte das Männchen in keiner
Weise auf die Weibchen reagiert, floh vielmehr bei jeder Berührung mit
ihnen. Als es nun am 27. mit dem jungen Weibchen zusammengebracht
wurde, reagierte es auf dessen Nähg, wie die Philodromusmännchen,
durch Zappeln mit den Beinen und bestieg von vorn her das ruhig sitzen
bleibende Weibchen. Es ist dann so orientiert, daß sein Körper schräg
über dem des Weibchens liegt, aber etwas mehr über dessen Abdomen
als auf dem Cephalothorax, so daß gewissermaßen wieder eine Mittel-
stellung zwischen der der Lycosiden und der von Philodromus ent-
steht, wenn auch mit größerer Annäherung an die erste. Das Männchen
rückt eben ım ganzen weiter nach vorwärts, als es bei den Lycosen,
Agelenen etc. der Fall ist, und dadurch entsteht ein etwas anderes Bild.
als bei den Angehörigen dieser Familien, wenn auch dieser Unterschied
rein quantıtativer Natur ist.
Der Bau des Tasters ıst beim Männchen ziemlich indifferent:
der kleine Bulbus ist von einem gleichfalls sehr kleinen Cymbium ge-
schützt, und die Form des Bulbus entspricht durchaus der der Philo-
drominen. Aber auch die Anwendungsweise. Sobald der Embolus inse-
riert ist, natürlich der rechte in die rechte Samentasche, erfolgen die Ex-
pansionen der auch hier ganz auffallend großen und in keinem Verhältnis
zur Kleinheit des Bulbus stehenden Tasterblase sehr rasch hintereinander
und ganz kurz, genau wie bei Philodromus. Die Blase ist gelb, sack-
10, Heft
40 Ulrich Gerhardt:
förmig, mit schmaler Basis, sie bedeckt einen beträchtlichen Teil des
weiblichen Hinterleibes. Bei einer Insertion 'schwillt sie vier- bis sechs-
mal an, dann wırd der Taster extrahiert.
Während sich beı Philodromus das Paar meist nach einer nur ein-
malıgen Tasterinsertion sofort wieder trennt, ist bei Tibellus mehr-
facher abwechselnder Gebrauch üblich. .Im geschilderten Falle wurde
erst der rechte, dann der linke, dann abermals der rechte Taster, selbst-
verständlich unter jedesmaligem Stellungswechsel des Männchens —
auf den nicht mehr eingegangen zu werden braucht — angewandt, jedes-
mal in ganz gleicher Weise. Zwischen zwei Insertionen trat jedesmal
eine kurze Pause ein, dann begann das Männchen, unter lebhaftem
Zappeln aller Beine, die anders Seite des Weibchens aufzusuchen und
die nächste Insertion fand statt. Im ganzen dauerte die Vereinigung der
beiden Tiere von 12% bis 12:° mittags, dann zog sich das Männchen
zurück, umwarb ergebnislos das Weibchen 12°°, dann wieder erfolgreich
1255, 123° erfolgte wieder eine Kopulation bis 12”, Das Weibchen
saß dabei mit stark gebeugten Beinen regungslos an der Glaswand des
Behälters und blieb auch nach dem Fortgang des Männchens in dieser
Haltung.
Erst am 4. Juli kopulierte das gieiche Paar noch einmal von
10° bis 10% vormittags. In diesem Falle wurden die einzelnen In-
serlionen registriert, und es ergab sich folgender Verlauf:
10° linker Taster, Blase schwillt sechsmal.
10°: rechter Taster, Blase schwillt sechsmal.
10°: rechter Taster, Blase schwillt zweimal.
10:5 Wechsel der Taster.
10° linker Taster, Blase schwillt viermal.
10° linker Taster, Blase bleibt zweimal länger stehen.
10° linker Taster, Blase schwillt fünfmal.
10° Trennung,
Der ganze Verlauf, das Gebahren des Männchens, wie auch das
des Weibchens entsprach vollständig den früheren Beobachtungen. Nach
der Trennung lief das Männchen, ohne sich weiter um das Weibchen
zu kümmern, unruhig umher, und ich erwartete die Füllung der Taster
nit Sperma, Diese trat aber nicht ein, vielmehr wurde von 12 bis 1217
aufs neue die Begattung ausgeführt, bei der erst der rechte, 12!
der linke, 121% der rechte und 124% abermals der linke Taster verwendet
wurde. Diesmal wurde der Austritt und die Zusammenziehung der
Tasterblase unter dem Binokular beobachtet.
Am nächsten Tage wies das Weibchen das Männchen schroff ab,
Die Samenaufnahme beim Männchen konnte ich nicht beobachten.
Aus diesen Schilderungen geht zweierlei hervor:
1. Die Kopulationsstellung bei Tibellus ähnelt so sehr
der bei den Attiden, Lycosiden, Drassiden, Agelenen usw. üblichen, daß
der Unterschied sehr geringfügig ist und eigentlich erst: durch Ver-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 41
gleichung mit der Begattungsstellung von Philodromus ersichtlich wird.
Sie weicht sehr stark ab von der bei Xysficus etc. gebräuchlichen, an
die sie aber unter Zuhilfenahme ‚der Philodromusstellung als eines Binde-
gliedes trotzdem anzuschließen geht. Es hat sich also durchaus be-
stätigt, was ich als Vermutung vorher angenommen hatte,
2. Gegenüber Philodromus besteht der Unterschied, daß bei
Tibellus abwechselnder Gebrauch beider Taster ohne dazwischenliegende
Trennung des Paares offenbar das übliche, bei Philodromus dagegen
eine Ausnahme ist. Gemeinsam ist beiden die sehr kurze Dauer
jeder Insertion und der gleiche Expansionsmodus der Tasterblase, die
in beiden Fällen ungewöhnlich groß ist. Somit zeigt ın dieser Beziehung
Tibellus völlig abweichendes Verhalten gegenüber Micrommata und
schließt sich den echten Philodrominen zweifellos an. Ich glaube, dab
es nicht unvorsichtig ıst, wenn man ın dieser Tatsache eine weitere Be-
stätiıgung dafür erblickt, daß Tibellus ın der Tat seinen Platz unter den
Philodrominen mit Recht besitzt.
V.Clubionidae.
Frühere Angaben. In meiner vorigen Arbeit (l. c. S. 187)
habe ich eine sehr unvollkommene Beobachtung angeführt, die ich an
einer Clubionaart in Metz während des Krieges angestellt hatte, Ich
sah damals ein Pärchen in einem typischen Sackgespinst zweimal in -
copula, und zwar ın einer Stellung, die ungefähr der der Dictynen
entsprach,
Am gleichen Ort habe ich Menges (50) Schilderungen der Ko-
pulation von deutschen Clubionaarten zitiert, aus denen mir dıe Paarungs-
stellung nicht ganz klar geworden ist, die er beschreiben will. Zum
Verständnis der nachfolgenden Beobachtungen führe ich hier noch einmal
an, was Menge angıbt:
a) Clubiona trivialis C. L. K. „das Weibchen lag auf dem Rücken, das
Männchen in entgegengesetzter Richtung auf ihm und hatle den rechten
Tasterkolben an das weibliche Schloß angelegt. Beide lagen ganz un-
beweglich, und nur an dem bald blasenförmig anschwellenden, bald wieder
abnehmenden Muskel der Uebertragungsorgane ließ sich erkennen, daß
hier etwas vorgehe, sonst hätte man beide für tot halten können.“
b) Clubiona clandestina Mg. „Das Weibchen lag in seinem Gewebe
unbeweglich auf einer Seite, das Männchen hatte sich von vorn her neben
dasselbe gelegt, so daß Brust gegen Brust gekehrt war und brachte bald
den einen, bald den andern an das weibliche Schloß.“ Endlich findet sich
von der Clubionide Chiracanthium oncognathum Thot. die Schilderung:
„Als das Männchen in die Nähe des Weibchens kam, drängte es sich so-
gleich mit Ungestüm unter die Brust des Weibchers und begann die Be-
gattung. Die Brustilächen waren einander zugekehrt, jedoch in umge-
kehrter Richtung. Das Männchen legte seinen Taster an das Schloß des
Weibchens und hielt dasselbe wohl '/« Stunde lang umfaßt, dann legte es
derı zweiten Taster an. Mit den drei vorderen Fußpaaren hielt es den
Leib des Weibchens umfaßt, das vierte Fußpaar und der Hinterleib machten
dabei schwingende und zuckende Bewegungen.“
Dazu habe ich folgendes zu bemerken: 1. Bei meiner damalıgen
Metzer Beobachtung erscheint es mir nach meiner neuen an Clubiona ger-
10. Hef
42 Ulrich Gerhardt:
manica etwas zweifelhaft, ob es sich in der Tat um eine Clubiona oder
nicht etwa um eine größere Dictynide gehandelt habe. Ich möchte
diesen Fali daher bei allen späteren Erörterungen von vornherein aus-
schalten.
2. Aus Menges Schilderungen, zusammen mit der Beobachtung
ın Metz, glaubte ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß zwischen den
nach Agelenaart kopulierenden Drassiden /Drassus, Geotrecha nach
Montgomery (53)] und den Clubioniden in der Paarungsstellung ein
prinzipieller Unterschied obwalte. Auch darüber bin ich aber durch
meine Beobachtungen an der nunmehr zu schildernden Art eines anderen
belehrt worden.
1. Clubiona germanica Thor.
a) Lebensweise, Diese Spinne findet sich im Frühjahr, etwa
vom Maı an, ın Breslau auf Gebüsch ungemein häufig. Das seiden-
artıg glänzende Wohngewebe ıst auf der Oberfläche von Blättern fest-
gesponnen, die Tiere fallen aber beim Klopfen leicht aus ıhrer Röhre
heraus. Setzt man frisch gefangene Individuen in ein Gefäß, so spinnen
sie meist schon in der ersten Viertelstunde ihre Säcke, wobei zwischen
lockerer stehenden Längssträngen ein dichtes Gewebe von queren Fäden
unter lebhaften Bewegungen des Hinterleibes und der äußerst beweg-
lichen Spinnwarzen gezogen wird. Wenn diese Säcke über die Kanten
parallelwandiger Gläser hinweggewebt werden, so setzt sich die Spinne
nachher meist so, daß ıhre Beine auf der Innenfläche des Gespinstes
liegen und ihr Rücken der Glaswand zugekehrt ist. Sie sind schwer zu
ernähren, da sie Fliegen nicht leicht annehmen, dagegen mit Vorliebe
ihres Gleichen fressen.
Iı den Tagen zwischen dem 10, und 13. Mai 1921 fing ich im
botanischen Garten mehrere unreife Weibchen und reife Männchen.
b) Die Begattung.
Am 13. Mai sah ich einen Vorgang, der mir unter Spinnen neu
war: Ein reifes Männchen hatte sich im Fangglas über ein unreifes
Weibchen gestürzt, das es von vorn her bestiegen hatte. Seine großen
Cheliceren umfaßten wie eine Zange den Einschnitt zwischen Cepha-
lothorax und Abdomen des Weibchens vom Rücken her. Trotz der
Unwahrscheinlichkeit dieser Vorstellung konnte es nicht zweifelhaft
sein, daß es sich hierbei um einen Kopulationsversuch an
einem unerwachsenen Weibchen handelte, ein Fall, der bei Spinnen
sehr selten ist und manchmal, z.B. bei Phyllonethis lineata,mehr durch
ein Versehen der Männchen zustande kommt und dann bald wieder auf-
gegeben wird. Hier aber löste das Männchen von Zeit zu Zeit die Um-
klammerung seiner Kiefer und glitt an einer Seite des Weibchens herab,
um ganz nach Agelenenart eine Insertion eines Palpus zu versuchen,
natürlich ohne jeden Erfolg, da noch keine Epigyne vorhanden war.
Diese Versuche wurden ungefähr eine Stunde lang fortgesetzt.
Eine Begattung sah ich zuerst am 17. Juni bei reifen Tieren,
die am gleichen Fundort gesammelt worden waren. Sie fand an der
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 43
Wand des Glasgefäßes statt, so daß alle Einzelheiten mit dem Binokular
von der Ventralseite aus genau beobachtet werden konnten.
Ueber dieStellung war ıch durch die fruchtlosen Versuche vom
13, Mai bereits orientiert. Sie war für mich insofern eine große Ueber-
raschung,als sie vollständig der bei den Drassiden geschilderten ent-
sprach und sich mit Menges Angaben schwer in Einklang bringen ließ).
Wie bei dem beschriebenen Versuch am unreifen Weibchen hielt
auch diesmal das Männchen von oben her mit seinen Cheliceren den
Bauchstiel des Weibchens umspannt, während sein Sternum auf dem
Cephalothorax des Weibchens lag. In diese Stellung war das Männ-
chen dadurch gelangt, daß es, ohne beson-
dere Werbespiele, aber unter Bewegun-
gen der Paipen und mit klopfendem Hinterleib.
von vorn auf das ihm entgegenkommende Weib-
chen stieg. Dies geschah außerhalb eines Ge-
spinstes, wie alle Kopulationen dieser Art, die
ich sah. Ich habe aber Grund anzunehmen.
daf9 normalerweise das Weibchen vom Männ-
chen in seiner Wohnröhre aufgesucht wird, wie
dies ja auch Menge schildert. Die Clubiona-
männchen zeigen einen äußerst heftigen Be-
gattungstrieb, der sie veranlaßt, bei jedem Weib-
chen, dem sie begegnen, die Kopulation zu ver-
De Olehlonn.ger suchen. Gar nicht selten sah ich Männchen
manica Thor. in copula. dieser Art noch an toten Weibchen Versuche
Ventralansicht (schema- anstellen, ihre Taster zu inserieren, die oft mit
tisch), rechter Taster des großser Hartnäckigkeit lange Zeit hintereinander
Männchens inseriert. fortgesetzt riet
Ist das Männchen in der beschriebenen Weise auf dem Cepha-
lothorax des Weibchens verankert, so sitzt es zunächst in dieser Stel-
lung eine Weile still, wobei natürlich die Mittellinien beider Tiere über-
einander liegen, die Kopfenden entgegengesetzt gerichtet sind. Um die
Kopulation auszuführen, muß es zunächst die Cheliceren öffnen und den
Bauchstiel des Weibchens freigeben. Bemerken möchte ich hier, daß
es sich beiClubiona germanica wieder einmalum einen der nicht häufigen
Fälle handelt, in denen sich für die dımorph gestalteten Cheliceren des
Männchens eine direkte sexuelle Funktion nachweisen läßt, wıe dies
auch ber Tetragnathiden, Dictynaviridissima und denDysde-
riden, nicht aber bei Linyphia triangularis und Epiblemum sceni-
cum der Fall ist.
Bei der Begattung selbst spielen die Cheliceren des
Männchens dagegen hier keine Rolle, sondern eben nur beim Ergreifen
und Halten des Weibchens. Das Männchen senkt sich, um einen Taster
zu inserieren, an der einen Körperseite des Weibchens herab, wobeı
dessen Abdomen nur ganz wenig um seine Längsachse nach dieser Seite
verdreht wird. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daf3 hier, wıe ın
10. Heft
44 Uriengerhartdt:
allen analogen Fällen, der Embolus des rechten Tasters in die rechte
Samentasche und umgekehrt eingeführt wird. Der einzuführende
Taster streicht mit suchenden Bewegungen über die Epigyne, zuweilen
gelingt die Einbringung des Embolus nicht, und bei solchen Versuchen
wird, wie bei Linyphiaarten (s. w. u.) der periphere Teil des Bulbus
teilweise entrollt.
Der Taster besitzt am Bulbus keine Retinacula, sein Embolus ist -
peitschenförmig, sehr fein und halbkreisförmig gebogen. Bulbus und
Schiffchen sind ın der Ruhe klein, am IV. Glied befindet sich ein
Dorn (Einsetzer ım Sinne Karpinskis). Ist der Embolus in
die Samentasche eingedrungen, so rollt sich alsbald der Bulbus ausein-
ander und, wıe bei Philodromus und Tibellus, erreicht auch hier sein
basoler Teil als Tasterblase eine ganz erstaunliche Größe. Da
der Taster mit seinem Cymbium etwa quer über der weiblichen Bauch-
wurzel liegt, so kann von einem cranialen und einem caudalen Teil der
Blase gesprochen werden, zwischen denen beiden das Schiffchen liegt.
Zuerst trıtt der (vom Männchen aus gerechnet) cranıale, dann der
caudale Teil der Blase als mächtiger Sack aus, die strsifige Struktur
der Membran, die die Blase bildet, ist unter dem Binokular mit größter
Deutlichkeit zu sehen. Ist dıe Blase völlig ausgetreten und ange-
schwollen, so ist sie ausgesprochen nierenförmig, So bleibt sie ca.
65° lang stehen und schrumpft dann unter Faltenbildung ıhrer Wand
ziemlich rasch wieder zusammen. Nun erfolgt etwas, wasıich
noch bei keiner anderen Spinnenart sah: Das Männchen
führt an der zusammengesunkenen Blase mit dem nicht benutzten
zweiten Taster, und zwar mit dessen Embolus kratzende und strei-
chende Bewegungen aus, durch die offenbar ein Reiz für eine neue
Expansion gesetzt wird. Während dieser rythmisch ausgeführten
Streichbewegungen hebt sich die Blase unter Zunahme ihres Volumens
und wachsender Spannung ıhrer Wand aufs neue, bis sie wieder ad
maxımum angeschwollen ist.
Während jeder neuen Expansion wird der durch den Collaps de:
Blase gelockerte Embolus aufs neue tiefer in die Samentasche hinein-
geschraubt, und bei dieser Bewegung ist deutlich zu sehen, wıe der Ein-
setzer des IV. Gliedes sich gegen den caudalen Rand der Epigyne an-
stemmt und dadurch ein punctum fixum für die Umdrehungen des Bulbus
abgibt.
Ist schließlich der Embolus wieder extrahiert worden, so begibt
sich das Männchen wieder auf den Rücken des Weibchens und putzt
‘den gebrauchten Taster ausgiebig mit den Cheliceren.
Ueber die Dauer der Kopulation und ihre einzelnen Phasen sind
folgende Angaben zu machen:
105° besteigt das Ö das Q, inseriert nach kurzem Festhalten des
weiblichen Bauchstieles mit den Cheliceren (s. 0.) den linken Taster bıs
ca. 11°, 112° bis 11°? rechten Taster, 11°° links (Versuch), 113% links
bis 11%, Das Männchen begibt sich wieder auf den Rücken des Weibes
und packt es mit den Kiefern. 12° Insertionsversuch rechts, 12°° In-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 45
sertion bis 12°, Pause. 12°° links bis 12°°4/,, 12° rechts (kurz), 12°”
Trennung.
Am 23. Juni wurden beı Leerbeutel mehrere Exemplare unserer
Art in den Schirm geklopft. Ein Männchen ergriff im Schirm sin
Weibchen und inserierte je einmal nacheinander beide Taster kurz, um
sich dann zu entfernen,
Am 11. Juli, nachm. 6° bis 7" sah ich die dritte Ko-
pulation bei Tieren aus dem botanıschen Garten. Der Verlauf war
ım wesentlichen wie bei dem am 17. Juni beobachteten Paare, nur die
Folge der Insertion etwas anders.
6°? bis 6°° rechts
6°5 rechts (kurz)
6° bis 6°
6° bis 652 } rechts
6°” links ( Versuch)
6°: bis 7% links
7% bis 7'3 links.
7” wurde das Weibchen unruhig.
In diesem Falle wurde also der für Agelena (l.c.S. 174) beschriebene
Typus innegehalten, während in dem ersten zwischen rechts und links,
wenn auch nicht regelmäßig, gewechselt wurde.
Die Samenaufnahme des Männchens wurde nicht beobachtet.
Diese Beobachtungen zeigen, daß auch bei Clubioniden der für die
Drassiden und die vagierenden Spinnen übliche Begattungsmodus vor-
kommt. Die Besonderheit der Manipulationen des freien Tasters am
inserierten fand sich bisher nur bei dieser Art.
Ich möchte noch besonders auf die Unstimmigkeiten in den Schilde-
rungen der Begattung von Clubionaarten hinweisen. Sollten sie zu
recht bestehen, so wäre in der Familie der Clubioniden (wobei die von
vielen Autoren hierher gerechneten Sparassiden nicht mit in Be-
tracht gezogen werden sollen) größere Uneinheitlichkeit im Begattungs-
verlauf festzustellen als in irgend einer anderen der Araneinen, Für
Chiracanthium würde nach Menge wieder ein besonderer Begattungs-
modus festzustellen sein.
VI. Amaurobiidae.
1. Amaurobius ferox C. L.K.
Von cribellaten Spinnen sind bisher nurDictynaarten und Argenna
pallida (Bertkau, 13) in bezug auf den Verlauf ihrer Begattung
beschrieben worden. Für die Dictyniden sei auf das in meiner
früheren Arbeit Gesagte (l. c. S. 170) hingewiesen; über die Samen-
aufnahme (der Männchen in dieser Familie habe ich oben (S.8 ff.) nähere
Angaben gemacht.
Bei Argenna pallida stellte Bertkau zweierlei fest, das hier
von Interesse ist: einmal nehmen bei der Kopulation die Individuen
dieser ArteineStellungein, diedervon Argyroneta' und Pisaura
10. Heft
46 Ulrich Gerhardt:
(s. S. 31) ähnelt, und zweitens findet sich ı ın der Epigyne des Weib-
chens post coitum ein „Begattungszeichen‘, bestehend aus einem
vom Männchen gelieferten Sekret unbekannter Herkunft.
Bei dem unter Steinen in Bergwäldern sehr häufigen Amaurobius
fenestralis Ström habe ich trotz reichlichen Materials das im August
und September, teils in Gamburg, teils am Zobten, gefangen worden war.
keine Begattung erzielen können und vermute, daß sie erst im’ Frühjahr
stattfindet. ?)
Bei Amaurobius ferox ist es mir nach langem vergeblichen Bemühen
gelungen, die Begattung zu beobachten, Die Tiere wurden ın Kellern, teils
des Instituts, teils eines Privathauses in Breslau, im März, Aprıl und Mai
gefangen, und es fanden sich zahlreiche erwachsene Männchen wie auch
Weibchen, dıe aber zum größten Teil bereits begattet waren. Das ließ
sıch mit Leichtigkeit aus dem wie bei Argenna pallida auch bei
dieser Art vorhandenen und wegen ihrer Größe sehr gut sichtbaren Be -
gattungszeichen erkennen, das in zwei hellfleischfarbenen,
sichelförmigen, kalkıg-krümeligen Sekretplatten besteht, die in den Oeff-
nungen der beiden Samentaschen stecken. Nur wenige meiner Weib-
chen entbehrten dieses Zeichens, Naturgemäß war ich auf seine Ent-
stehung besonders gespannt, konnte sie aber im Jahre 1921 nicht be-
obachten. Erst ım März 1922 kam ich zum Ziel.
Die Werbungen der Männchen ‘waren oft zu sehen. Wenn ein
reifes, begattungsbereites Männchen mit den bekannten gekräuselten
Fäden des Wohnnetzes eines Weibchens, wie sie für Cribellaten
charakteristisch sind, in Berührung kommt, so beginnt es, ähnlich wie das
Männchen von Segestria, mit beiden Tastern gleichzeitig zu trommeln,
dann schwingt zuletzt auch der Hinterleib mit, und alle vier Beinpaare
zucken lebhaft. Diese Bewegungen werden in Pausen fast rhythmisch
wiederholt und steigern sich mit der Zeit an Intensität; sie können in
gleicher Weise stundenlang fortgesetzt werden. Das Weibchen sitzt,
dem Männchen entgegengekehrt, mit geöffneten Kiefern sprungbereit
da; wenn es auf das Männchen plötzlich losfährt, läßt sich dies nicht
in der Fortsetzung seiner Werbung stören. Zuweilen klopft auch das
Weibchen, aber in 'ganz vereinzelten, starken Schlägen mit dem Hinter-
leib nach abwärts. . Am 29. April wurde zum ersten Mal beobachtet.
wie ein Weibchen einem werbenden Männchen entgegenkam, das viel
stärker als vorher mit dem ganzen Körper zuckte. Trotz wiederhoiter
derartiger Annäherungen kam es aber zu keiner Begattung,.
Am 10. Mai warb während des Vormittags eın Männchen intensiv
um ein Weibchen, das aber nıcht darauf reagierte. Als ıch, um Futter
zu holen, auf kurze Zeit den Raum verlassen hatte und zurückkehrte,
saßen sich das Weibchen und das lebhaft zappelnde Männchen an den
peripheren Fäden des weiblichen Wohnnetzes gegenüber, und ıch sah
mit Bedauern, daß das Weibchen das Begattungszeichen trug,
das vorher nicht vorhanden war. Es kam noch bei großem Entgegen-
!) Diese Vermutung bestätigte sich 1922. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 47
kommen des Weibchens zu weiteren Kopulationsversuchen, bei
denen das Männchen, wie es für Argenna von Bertkau und von mir
S.30 für Pisaura beschrieben wurde, dem Weibchen von vornher auf
die Bauchseite kroch und ın dieser Stellung seine Taster zu inserieren
suchte. Es war kein Wunder, daß diese Versuche bei den bereits
verschlossenen Samentaschen erfolglos blieben. Darauf zog sich das
Weibchen zurück, am Nachmittag reagierten beide Tiere, die inzwischen
isoliert worden waren, nicht mehr aufeinander.
Inı Sommer 1921 gelang es mir dann nicht mehr, weitere Wer-
bungen der Männchen oder Begattungsversuche bei dieser Art zu be-
obachten.
Da ich offenbar in dieser Saison etwas zu spät mıt meinen Be-
obachtungen begonnen hatte, suchte ich im Jahre 1922 möglichst früh
reife Exemplare beider Geschlechter zu erhalten, und ıch fand bereits
in den ersten Märztagen im schon erwähnten Keller des Instituts und ın
Häusern des botanischen Gartens sowohl reife wie viel zahlreichere un-
reife Stücke. Bis zum 15. März hatte ich drei Männchen gefangen,
von denen eines sehr bald starb, eines entkam, während das dritte (ge-
fangen am 14. März) schon am 15. kopulierte. Von reifen Weibchen
waren zwei Stück ım Glase, die beide noch kein Begattungszeichen
trugen.
An: Vormittag des 15. März fand ıch das zu den Weibchen ge:
setzte Männchen vor, wie es die Begattung ın der oben beschriebenen
Weise bei dem ersten der beiden Weibchen versuchte, das ihm von selbst
aus seinem Wohngespinst entgegenkroch. Das Männchen nahte sich
dem Weibchen dabei von oben her, kroch auf dessen Bauchfläche und
versuchte mit streichenden, suchenden Bewegungen, ähnlich wie sie beı
Agelena etc. vorkommen, seinen linken Taster in die linke Samentasche
des Weibchens einzuführen. Dies schien für einen Augenblick zu ge-
lingen, beide Tiere zitterten heftig mit dem ganzen Körper, trennten
sich dann aber alsbald wieder, um jedes in seinen Schlupfwinkel zurück-
zukriechen. Ich wäre geneigt gewesen, eine vollzogene Begattung anzu-
nehmen, wenn nicht beim Weibchen das Begattungszeichen ge-
fehlt hätte.
Abends 6 Uhr setzte ich das Männchen wieder in das Gefäß mit
dem Weibchen, und es begann bei dem gleichen Weibchen alsbald wieder
mit seiner Werbung, und dieses kroch ihm wieder nach oben entgegen,
so daß beide Tiere Stirn an Stirn voreinander saßen, das Weibchen
senkrecht nach oben, das Männchen, ebenfalls senkrecht, nach abwärts
gerichtet. Dann kroch das Männchen mit gehobenem rechten und ge-
senktem linken Taster hart an der linken Körperseite des Weibchens
nach abwärts, bis es mit den Palpen in die Höhe der Epigyne gelangte.
Nun drehte es sich soweit um seine Längsachse, seine Bauchfläche der
des Weibchens zuwendend, bis der linke Taster die linke Samen-
taschenöffnung erreichen konnte, und nun begannen dieselben suchenden
Streichbewegungen des Tasters wie am Vormittag. Dann glückte die
Insertion des Tasters, die bei guter Beleuchtung mit fünffacher Lupen-
10. Heft
48 Ulrich Gerhardt:
vergrößerung beobachtet werden konnte, und für höchstens zwei Sekunden
waren die Tiere fest vereinigt, während an der Medianseite des männ-
lichen Tasterbulbus die rein. weiße, sehr umfangreiche Blase austrat
und die Körper bsider Tiere wieder heftig vibrierten. Alsbald aber
zog das Männchen seinen Taster wieder aus der Epigyne hervor, und
sprang fast wie ein Epziramännchen vom Weibchen fort. Trotz der
außerordentlich kurzen Dauer der Vereinigung war diesmal die Kopu-
lation ohne Zweifel tatsächlich vollzogen, was aus der Anwesenheit
des Begattungszeichens in der linken Samentasche des Weib-
chens hervorging. Im frischen Zustande ist dies kreideweiß, krümelig,
quarkähnlich, und nicht nur die Eingangsöffnung der Samentasche
selbst, sondern dıe ganze linke Hälfte der Epigyne war mit dieser Masse
verschmiert. Ueber eine halbe Stunde lang war nun, mit Pausen, die
durch erneute Annäherungsversuche des Männchens bedingt waren, das
Weibchen damit beschäftigt, vorwiegend mit dem rechten, aber auch mit
dem linken dritten und vierten Fußspaar diese Sekretmassen von der Vulva
zu entfernen und mit den Füßen der Mundöffnung zuzuführen. Das
Resultat dieses an das der Locustidenweibchen erinnernde Verfahren
ist, daß schließlich nur der Pfropf in der Samentaschenöffnung selbst
übrig bleibt, der später rötliche Farbe annimmt und als das Kennzeichen
begatteter Weibchen erhalten bleibt.
Das Männchen machte bis 7 Uhr noch ersckiedens Annäherungs-
versuche, das Weibchen kam ıhm auch noch mehrfach entgegen, aber
da sein Verhalten wenig freundlich war und es zu ERRERE |
Begattung kam, wurden die Tiere dann getrennt, Am nächsten Tag
reagierte das Männchen weder vormittags noch abends auf das Weib-
chen, in dessen linker Samentasche a Begattungszeichen, nun schon
leicht rosa gefärbt, noch deutlich sichtbar war.
Somit ıst bisher nur für Argenna und Amaurobius unter allen
Spinnen die Entstehung eines solchen Zeichens beobachtet worden. —
Wie mir Herr Kollege Strand schrieb, fanden sich in der Epigyne
der Weibchen bei der australischen Drassidengattung Lampona schwärz-
liche Sekretmassen, die wohl einen ähnlichen Ursprung haben werden.
Doch ist bei dieser Gattung die Kopulation noch nie beobachtet worden.
Einen gewissen Anklang an diese Dinge zeigt vielleicht das später zu
schildernde Verhalten des Weibchens von Pachygnatha clercki Sund.
nach der Begattung.
Ein zweites Mal begattete sich das gleiche Männchen am 17. März.
also zwei Tage später, mit einem zweiten Weibchen, das sich durch
das Fehlen des Begattungszeichens als virginell erwiesen hatte. Diesmal
setzte sich das Männchen, die Stirnseite nach oben gewandt, dem nach
unten gekehrten Weibchen gegenüber und führte die oben beschriebenen
Werbebewegungen aus. Als das Weibchen nur durch Beißen
mit den Gheliceren reagierte, spann das Männchen unter dem Standort
des Weibchens ein lockeres und unregelmäßiges Gewebe, in das es dann
das Weibchen hineinlockte. 6°? p. m. hatten die Werbungen begonnen.
6°° kam eszur Begattung, nachdem das Männchen sie vorher schon
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 49
einmal versucht hatte, aber nıcht zum Ziel gekommen war, da das Weib-
chen sich umgedreht hatte. Die Kopulation verlief genau wıe bei dem
anderen Weibchen, nur traten rechter Taster des Männchens und rechte
Samentasche des Weibchens diesmal ın Tätigkeit. Die Dauer der Be-
gattung — die kürzeste, die ich bei einer Spinne kenne — war ebenso
kurz, wie ım vorigen Falle, kaum 2”. Es ist schwer 'verständlich, daß
die Abgabe eines so reichlichen Sekretes vom Männchen nur einer so
kurzen Zeit bedarf. E
Daß dieses Sekret männlichen Ursprunges ist, konnte von
vornherein kaum zweifelhaft sein. Der Taster des Männchens ist beı
Amaurobius ferox (im Gegensatz zu A. fenestralis) dadurch ausge-
zeichnet, daß an seinem sonst dunklen Bulbus lateral eine helle, glän-
zende, hellfleischfarbige, halbkugelige Verdickung sichtbar ist, die für
gewöhnlich undurchsichtig ist. Am mit Kalilauge behandelten Präparat
scheint mir ein erweiterter Teil des Spermophors in diesem Bulbus-
abschnitt sichtbar zu sein. In dieser Erweiterung des Bulbus ließ
sich nun bei Präparation am frisch getöteten Tier eine dicke Masse zähen
weißen Sekretes nachweisen, das dem nach der Begattung in den Samen-
taschenmündungen des Weibchens vorhandenen vollständig entspricht.
Nach vollzogener Kopulation sind diese Tasteranschwellungen des
Männchens fast durchsichtig.
Wie dies Sekret nun in die Taster hineingelangt, ob von ihnen
selbst sezerniert, oder mit dem Sperma aufgenommen, darüber wird
erst dann etwas ausgesagt werden können, wenn die Spermaauf-
nahme beobachtet sein wird, was mir bis jetzt nıcht gelungen ist.
Die außerordentlich kurze Dauer der Begattung, dıe Stellung, ın
der sie vollzogen wird, sowie die Anbringung des Begattungszeichens
lassen sie in jeder Hinsicht von der der Dictyniden grundverschieden
und nicht auf den gleichen Typus zurückführbar erscheinen.
Filistatidae.
Berland!) gibt eine schöne Schilderung der Begattung von
Filistata insidiatrix Forsk., die viel Interessantes bietet. Die Wer -
bung verläuft sehr ähnlich, wie von mir für Segestria senoculata be-
schrieben. Ist das Weibchen aus seiner Röhre herausgekommen, so
stellt sich das Männchen ihm so gegenüber, daß sein Cephalothorax
etwas unter den des Weibchens gerät, die ersten beiden Beinpaare beider
Tiere sind, senkrecht hochgehoben, gegeneinander gepreßt, das dritte
des Männchens drückt gegen die Hüften des gleichen Paares beim
Weibchen, das (ähnlich wie das vonSegestria)nur auf dem letzten Fuf3-
paar steht. Nun streckt das Männchen seinen einen, vorher gebeugt ge-
haltenen..Taster aus und inseriert dessen rechtwinklig zum Tarsus abge-
knickten Bulbus in die Vulva des Weibchens für sehr kurze Zeit; dann
) Berland, Lucien, Observation de l’accouplement ches quelques
araignees, Arch. Zool. exp. gen. se. 5, T. 9, 1911/12 (in meiner vorigen Arbeit
nicht angeführt.)
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10. 4 10. Heit
50 Ulrich Gerhardt:
trennen sich beide Tiere in Frieden; die Begattung wırd mehrmals
(drei- bis viermal ın einer Stunde) wiederholt.
Der wichtigste Punkt dieser Schilderung ist zweifellos der, daß bei
Filistatakeine Sımultaninsertion der männlichen Palpen er-
folgt, die bei der Haplogynıe des Weibchens und dem einfachen Taster-
bau des Männchens nicht überrascht hätte. In diesem Punkt schließt
sich Filistata also den Avicularıiden an und steht in schroffem
Gegensatz zu den Dysderiden und Scytodiden; während die Stellung
beider Partner ähnlich ıst wie in allen diesen Familien.
VI. Uloboridae.
1. Hyptiotes paradoxus C. L. K. Taf.2, Fig. 20.
a)Fundorte, Lebensweise,
Daß Hyptiotes (Uptiotes Walck) paradoxus eine unser inter-
essantesten Spinnenarten ist, wird jeder zugeben, der sich mit der Mor-
phologie und Biologie dieses seltsamen Tieres beschäftigt hat. Schon
die ganz extreme Anpassung an die Umgebung, die — man mag
über Mimicry denken, wıe man will — das Auffinden ruhig sitzender
Exemplare ohne das Vorhandensein des großen Netzes fast unmöglich
machen würde, ist auffallend genug, ferner bietet der Bau des öfter
beschriebenen 'keilförmigen, nur auf vier Radien eines Kreises auf-
gebauten Netzes viel Interesse; dann aber bietet die Morphologie dieses
Tieres eine Reihe von Besonderheiten, sogar gegenüber der verwandten
Gattung Uloborus, deren einziger Vertreter in Deutschland, Uloborus
walckenaerius Ltr, mir nicht zugänglich war.')
Eine der größten Merkwürdigkeiten von Hyptiotes ist aber
zweifellos die. ganz ungewöhnliche relative Größe der männ-
lichen Tasterkolben, die sich nirgends bei anderen einheimischen
Spinnen ın diesem Maße findet. Lebert (45) sagt, man könne diese
Spinne wegen der Größe ıhrer Taster beim Männchen auch als ‚‚macro-
palpus“ bezeichnen. Von dem Bau dieses Tasters wird weiter unten
ausführlicher die Rede sein müssen; hier möchte ich noch hinzufügen, daß
ich wegen dieser ungewöhnlichen Dimensionen des Bulbus, aber auch
wegen der außerordentlichen Länge des Embolus auf den Verlauf der
Kopulation gespannter war, als bei irgend einer anderen einheimischen
Spinne, abgesehen von den mir durch Segestria ın ıhrem Begattungs-
modus schon bekannten Dysderiden. Daß Hyptiotes paradoxus
im Riesengebirge und auch in der Nähe von Obernigk vor-
"kommt, war durch Fickert (29), daß das Tier im wesentlichen
(Ausnahmen werden zu berichten sein) ausschließlich an Fichten
wohnt, ıst schon lange bekannt. Nach Bösenberg (16) ist es am
Rhein häufig, über ganz Deutschland verbreitet, andere Beobachter
wıe C. L. Koch (44) fanden es selten, Fickert gibt es als in einem
Walde bei Krummhübel zwar regelmäßig, aber nicht häufig vor-
1) 1922 beobachtet. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 51
kommend an, Bertkau (8) sagt, er habe die Art ‚nicht gerade
selten“ ım Freien beobachtet. Die nordamerikanische Pa-
rallelform, Hyptiotes cavatus Hentz scheint in den dortigen Nadel-
waldungen viel häufiger zu sein als unsere Art, wenigstens bezeichnet
Mc Cook (48) den „triangle spider“ als „common“ in einer großen
Reihe von Staaten.
Es unterlag für mich kaum einem Zweifel, daß ich die Spinne in
den großen Fichtenbeständen am Zobten antreffen würde, und diese
Erwartung wurde voll gerechtfertigt. Auf einer Exkursion am 9. Juli
1921 fand ich am Rande eines dichten, etwas verwahrlosten Fichten-
waldes, zwischen Mittelberg und Zobtengipfel etwa in Augenhöhe, vier
Netze von Hyptiotes und konnte ein unreifes Männchen und drei eben-
falls junge Weibchen fangen. Auf einer zweiten Exkursion, am
14. Juli, suchte ich das benachbarte Gelände gründlich ab und fing
zehn teilweise reife Weibchen und vier subadulte Männchen, deren
Tasterkolben (Cymbium und Bulbus noch in gemeinsamer Chitindecke)
schon die bedeutenden Dimensionen aufwiesen, die das erwachsene
Männchen auszeichnen.
Im August fing ich dann sieben reife Weibchen in Fichten-
gruppen ım Gräflich Ingelheimschen Wald und im alten Schloßpark
bei Gamburg a. Tauber. Es gelang mir dort nicht, auch nur ein
einziges Männchen zu finden. Der Grund dafür lag auf der Hand:
Ende Juli häuten sich die Männchen, und da sie kein Fangnetz spinnen,
sind sie außerordentlich schwer zu finden, wenn sie sich nıcht im Netz
eines Weibchens aufhalten. Einen solchen Fall fand ich am Zobten,
und zwar am alten Fundort, am 12. September. Ein Weibchen
hatte, ausnahmsweise an dürren Lärchenzweigen, ein sehr großes .
Netz gesponnen, an dem es ın der gewöhnlichen Stellung saß; ganz ın
seiner Nähe war zwischen unregelmäßigen Fäden ein reifes Männchen
aufgehängt. Dieser Fund wurde in etwas tieferen Lagen gemacht, als
die übrigen, und es zeigte sich, daß die Tiere beide viel heller waren
als in den höher gelegenen dichten Wäldern, Auch die Gamburger
Tiere waren heller und bunter als die vom Mittelberg, doch sehr
variabel, während ich im August am Zobten nur dunkelgraubraune
Tiere fing.
Am 30. September endlich fand ich neben zwei reifen Weib-
chen am Zobten noch ein unreifes kleines Männchen im vorletzten
Stadium, das Ende Oktober noch lebte.
Zu erwähnen ist, daß ich in Gamburg und später auch am Zobten
neben den reifen Tieren zahlreiche ganz kleine fand, die sicher erst ım
Juli des nächsten Jahres geschlechtsreif sein können. Es wird daher
für Hyptiotes wie auch für viele Epeiriden ein zweijähriger
Entwicklungszyklus anzunehmen sein.
In unreifem Zustande machen Männchen und Weibchen
ganz gleiche Netze und benehmen sich auch in ihnen gleich. Da die
Männchen in reifem Zustand kein entwickeltes Cribellum und Cala-
mistrum besitzen (wie bei allen Cribellaten), so können sie kein Fang-
4* 10. Heft
52 Ulrich Gerhardt:
netz mehr anlegen. Das Netz ist oft beschrieben worden (Bertkau
(8), Lebert (47), Wilder (70), und sein Bau ist so charakteristisch.
daß es mit nichts anderem verwechselt werden kann. Die vier Radien.
die einen Kreissektor darstellen, laufen in ein starkes Seil zusammen, das
an einem Zweige, und zwar fast immer einem trockenen Fichtenzweig.
befestigt ıst. Außer dem erwähnten Fall, in dem Lärchenzweige dem
Netz den Halt gaben, sah ich in Gamburg einmal ein Netz, das zwar
mit den vier Radıen an Fichtenzweigen, mit dem Hauptstrang dagegen
an-einem Hainbuchenzweig befestigt war, und einmal sah ich, gleichfalls
bei Gamburg, in dem früher öfters erwähnten Kiefernwald (mit Laub-
holz gemischt), in dem ıch Dysdera, Harpactes, Segestria, Labulla und
Amaurobius fand, das Netz eines großen Weibchens zwischen den
Zweigen einer Linde, Doch sind dies seltene Ausnahmen, und nur
wo Fichten stehen, kann man Hyptiotes mit Wahrscheinlichkeit erwarten,
Zwischen den vıer Radıen verlaufen parallele Querfäden, die zu-
nächst aus den Spinnwarzen gezogen werden und dann, wie ıch an ge-
fangenen Tieren des öfteren sah, erst: mit Kräuselfäden aus dem Cri-
bellum beklebt werden. Ich habe nıe dıe Anfertigung des Netzes von
Anfang an gesehen, dagegen oft Tiere beim Weben angetroffen. Wenn
ich sie in Glasgefäßßen mit Glasdeckel hielt, spannen sie nie, wohl aber
wenn ıch der Luft, auch nur durch Auflegen eines Drahtdeckels, Zutritt
ließ. In einem großen Terrarium mit Drahtwänden aber spannen drei
Weibchen große, normale Netze und fraßen auch Beutetiere, die sich
darın Basar. Flie gen, Ephemeriden etc. Spinnen die Tiere kein Netz,
so nehmen sie keine Nahrung zu sich, sie können aber wochenlang
hungern, um sich dann auf einmal überraschend dick zu fressen.
Die Fangmethode, die von der Spinne befolgt wird, ist von
Wilder (70) geschildert und auch schematisch abgebildet worden.
doch konnte ıch mich von der Richtigkeit eines Punktes dieser
Angabe für unsere Art nıcht überzeugen, Die Spinne sitzt meist
an der Zweigspitze, an der der Hauptfaden des Netzes befestigt ist.
Zuweilen rückt sıe an diesem Faden ein Stück vor, um aber, rückwärts
kriechend, ihren alten Standpunkt wieder einzunehmen. Das Tier sitzt
regungslos, die Vorderbeine vorwärts haltend, und in dieser Stellung
sind besonders die Weibchen sehr leicht mit trockenen Fichtenknospen
zu verwechseln. Es ist mir auch schon vorgekommen, dal ich, wenn
ich ım Käfig nach den Spinnen suchte, zuerst eine solche Knospe für ein
Hyptiotesweibchen hielt.
Nach Wilder (70) ıst nun der Hauptfaden nicht straffgezogen,
sondern die Spinne soll ıhn in einer lockeren Schlinge halten. Wenn
ein Beutetier ins Netz gerät, soll sie dann die Schlinge loslassen, wo-
durch das ganze Netz, wie eın Lasso, vorwärts geschleudert wird und
die Fliege an den ihr entgegengeworfenen Flockenfäden hängen bleibt,
Dabei schießt die Spinne mit ihrem Faden im Sprung selbst ein. Stück
vorwärts. (Gültig für Hyptiotes cavatus.)
Dies Springen der Spinne kann man sehr leicht sehen, wenn man
ein stillsitzendes Individuum (nicht zu zart, dann reagiert es nicht) be-
’
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 53
rührt. Ich konnte mich aber nicht von dem Vorhandensein der lockeren
Fadenschlinge überzeugen, glaube vielmehr, daß durch das Vorwärts-
springen der Spinne allein die Erschütterung des Netzes bewirkt wird,
Jedenfalls ist dıe Spinn- und Fangweise. dieses Tieres von der
aller anderen einheimischen Spinnen verschieden, natürlich auch von
der ihrer ein Radnetz bauenden Verwandten, Uloborus walcke-
naerlus.
Am 25. Juli häutete sich zum ersten Male ein Männchen in
Gefangenschaft normal, nachdem zwei andere vor der letzten Häutung
verunglückt waren. Das reife Männchen unterscheidet sich vom un-
reifen natürlich vor allem durch den Bau der Taster, der aber beim
lebenden Tiere deswegen nicht leicht zu erkennen ist, weil die Vorder-
beine die Palpen in der Ruhestellung seitlich umfassen. Schon beim
unreifen Männchen erwecken die einen Teil des Cephalothorax vor-
täuschenden ungeheuren Taster den Eindruck, als ob das Tier einen
attidenähnlichen Habitus . besitze. Die relative Größe des
Vorderkörpers verdankt es der Entwicklung dieser Organe. Das reife
Männchen ist leicht zu erkennen an seiner viel größeren Schlank-
heit im Verhältnis zum unreifen und an der Länge der beiden vorderen
Beinpaare. Entgegen Bösenbergs Angabe kommen die für das
Weibchen so charakteristischen Höcker des Hinterleibes auch bei Männ-
chen zuweilen vor.
Die Häutung eines Männchens sah ich von Anfang bis zu Ende
am 27. Jul. Das Tier hängt sich, wıe andere Spinnen, mit ziemlich
gestreckten, breitbeinig gehaltenen Extremitäten, den Rücken nach unten
gerichtet, an einem Gespinstfaden auf. Die Taster sind höher erhoben.
als es sonst der Fall ist, und so sitzt die Spinne zunächst regungslos,
Wenn die Zeit der Häutung gekommen, spannt sich der Körper dorsal- .
wärts an, und, wie bei allen Spinnen, platzt die Rückenhaut so, daß
eine dorsale Hautklappe (Abdomen) nach rückwärts, eine zweite
(thoracale) nach vorwärts herunterfällt und so dıe Rückenfläche des
neuen Tieres frei wird. Mit fast allen anderen Spinnen teilt Hyptiotes
dann die Eigenschaft, sich mit den Spinnwarzen an der abdominalen
Hautklappe anzuspinnen, an der nach der Extraktion der Extremitäten
aus der Exuvie das ganze Tier frei herabhängt. Interessant ist aber
bei unserer Art das Herausziehen der großen Taster, das bei weitem
den längsten und schwierigsten Teil der gesamten Prozedur darstellt.
Es erinnert an das Herausziehen der Krebsscheren bei der Häutung,
weil der dicke Kolben den dünnen Stiel passieren muß. So ist es be-
greiflich, daß nur unter äußerst lebhaften Dreh- und Preßbewegungen
unter großer Anstrengung die neuen Palpen frei werden. Sind sie er-
schienen, so folgen (wie auch bei Epeiriden) die Beine spielend leicht,
und das Tier hängt mit der Hinterleibspitze an der leeren Haut.
Von meinen Gefangenen häuteten sich vier Männchen,, das eine
davon starb ohne bekannte Ursache unmittelbar nach vollendeter Häu-
tung. Die Häutungen fanden am 25., 26. und 27. Juli statt. Die
Füllung der Taster bei den frischgehäuteten Männchen konnte ich nicht
10. Heft
54 Ulrich Gerhardt:
sehen, daher mußte ausprobiert werden, ın welcher Zeit nach der
Häutung das Männchen geschlechtsreif wurde. Im allgemeinen kann
das bei kleinen Spinnen schon wenige (drei bis fünf) Tage nach der
Häutung der Fall sein, während, wie erwähnt, bei Artanes fuscomar-
ginatus etwa 14 Tage vergehen,bis das Männchen zur Begattung brauch-
bar ist, auch bei Agelena labyrinthica verstreichen etwa 10 Tage.
Am 30. Juli, am Tage ‚an dem ich nach Gambuürg fuhr, wollte
ich vor der Abreise noch einmal versuchen, ob eines der Männchen
schon begattungsbereit sei. Ich setzte das zuerst gehäutete zu drei
‘Weibchen, dic schon reif gefangen waren, und zu meinem Erstaunen
begattete sich das Männchen mit zwei Weibchen, einem größeren,
das als "A, einem kleineren, das als @B bezeichnet werden soll.
Es liegt somit bei Hyptiotes der unter Spinnen gewiß nicht
häufige Fall vor, daß das Weibchen früher reif ist als das Männchen,
Gewöhnlich ist das Gegenteil der Fall, und das frisch gehäutete Weib-
chen findet schon reife Männchen vor. Die Peckhams (56)
schildern, daß bsı Phidippus purpuratus sogar das Männchen das un-
reife Weibchen fängt und einspinnt, um sich mit ihm sofort nach seiner
letzten Häutung zu begatten, und auf meine Erfahrungen mit Epeira
quadrata und Linyphia triangularis habe ich früher (l. <. S. 141 und
167) hingewiesen. Nach allen meinen Funden im Freien, auch nach den
Angaben von C. L. Koch (44) und Bösenberg (16) ıst das an-
gegebene Verhalten aber für Hyptiotes sicher die feste Norm.
Ich hatte an dem erwähnten Tage zunächst anderen Spinnen
Futter gegeben und deshalb nicht auf das Glas mit Hyptiotes geachtet.
Kurz vor 9° sah ich das Männchen mit JA in copula, der linke
Taster war eben inseriert, wurde aber bald extrahiert, und der rechte
für ca. 20° eingeführt. Dann trennten sich die Tiere, so daß ich schon
fürchtete, viel versäumt zu haben. Aber schon nach wenigen Minuten
umwarb das Männchen OB, das ıhm auch entgegenkam und die Be-
gattung zuließ. 9° kopulierte das Männchen abermals mit ZA.
Im einzelnen ist dazu folgendes zu sagen: ‚Von cribellaten Spinnen
ist bisher dıe Kopulation von Dictyna, Argennaund Amaurobius bekannt
(s.0.). Es war nun von Interesse, ob bei den ın einer Art von Radnetz
(oder in einem vollkommenen) lebenden Uloboriden gleichfalls einer dieser
Begattungstypen vorkomme. Es zeigte sıch aber ein ganz anderes Ver-
halten. Die Werbung der Hyptiotesmännchen erinnert ganz außer-
ordentlich an die der Epeiriden. Ich vermag nicht zu sagen, an
welcher Stelle des Netzes sie sich im Freien abspielt, vermute aber, in
der Nähe der Befestigungsstelle des Hauptfadens. In meinen beob-
achteten Fällen saßen alle drei Weibchen in einem verhältnismäßig
kleinen Glasgefäß an regellos gezogenen Horizontalfäden. An einem
derartigen Faden geht nun das Männchen dem Weibchen entgegen.
so daß die Gesichter beider einander zugekehrt sınd, dann bleibt es
hängen und zerrt und reißt wie ein Epeiridenmännchen an dem Faden.
bis das Weibchen seinerseits dem Männchen entgegengeht und sich
gleichfalls ganz wie ein Epeiraweibchen, ihm gegenüber so aufhängt.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 55
daß sein Cephalothorax wesentlich tiefer hängt als der Hinterleib.
Nun rückt das Männchen sehr schnell auf das Weibchen zu und in-
seriert mit fast senkrecht gehaltenem Körper, das Vorderende nach
unten, Bauch gegen Bauch gekehrt, den einen seiner beiden Taster
im Sprung. Der Vorgang der Insertion wurde an den beiden Weib-
chen im ganzen 13 mal beobachtet und zwar:
IQ A: 2 Insertionen, ca. 20”,
II @ B: 6 Insertionen zu 30 bis 40”
III © A: 5 Insertionen zu 30”
Die beiden Taster werden alternierend gebraucht, und der nicht in Ge-
brauch befindliche ın eigentümlicher und sehr charakteristischer Weise
senkrecht über den Cephalothorax gehoben.
Zweı Punkte interessierten mich bei der Insertion des Tasters von
vornherein besonders: 1. die Frage, ob bei diesem verhältnismäßig
riesigen Bulbus die Tasterblase entsprechend groß sein würde, (etwa
wie bei Cyclosa conica), was eine ganz ungewöhnliche Größe er-
geben müßte und einen bedeutenden Bruchteil der Blutflüssigkeit des
Körpers beanspruchen würde, und 2. in welcher Weise der außer-
ordentlich lange Embolus verwandt würde. Auf diese beiden Fragen
erhielt ich Antwort, da ich die Kopulation mehrfach mit dem Binokular
beobachten konnte. Da 'mir nur eine Profilansicht zu Gebote stand, so
__—_ konnte ich nıcht so deutlich, wie es
De a rat bei Ansicht von oben möglich ge-
/SH + wesen wäre, die Abwickelung von
Bulbus und Embolus verfolgen, und in
dieser Beziehung habe ich Einzel-
| heiten sehr viel besser bei der gleich-
Si: falls mit sehr langem (wenn auch rela-
. 7 tıv bei weitem nicht die Länge des hier
in Rede stehenden erreichendem) Em-
Testie'o, Beraltang von Hypkietes bolus ausgestatteten Linyphude La-
paradoxus C. L K. (schematisch). bulla thoracica gesehen. Aber
Linker Taster d. Männchens inseriert. immerhin vermochte ich die wesent-
lichen Vorgänge gut zu überblicken.
Zu deren Verständnis wird es gut sein, sich zwei morpho-
logische Punkte hier ins Gedächtnis zu rufen: 1. Der Bulbus des
Tasters ıst von einem außerordentlich langen, schmalen, behaarten
Cymbium bedeckt. Er selbst trägt einen komplizierten Apparat, der
aus Konduktor und Retinacula besteht und den eigentlichen „Träger
(Bertkau) des Bulbus an Größe wesentlich übertrifft. Der i
eıgentümlicher Achtertour gewundene Embolus ist darmsaiten-
ähnlich, sehr elastisch, geißelförmig und etwa 31/smal so lang wie der
Körper des Tieres. Im einzelnen wird auf die Morphologie dieses
Tasters später im morphologischen Teil der Arbeit einzugehen sein.
2. Entsprechend der Länge des Embolus besitzen die Samen-
taschen des Weibchens sehr lange, enge, gewundene Ein-
führungsgänge, und ich kann mich nach eigenem Präparat des Ein-
BURN
en
N
RR
N
EST,
S
N
RT
10. Heit
56 Ulrich Gerhardt;
druckes nicht erwehren, daß die von v. Engelhardt (27) ge-
schilderten „luftführenden Kanäle“ Teile dieser Gänge sind.
Es wäre auch die Kopulation ın der zu schildernden Weise ganz un-
möglich, wenn nicht hier wie bei anderen Spinnen mit extrem langem
Embolus (Labulla, Delena, Latrodectus etc.) eine genaue Korrelation
zwischen Samentaschengängen und Embolus bestünde.
Das schnabelartig vorspringende Ende des terminal am Bulbus
gelegenen Konduktors griff in die eine Samentasche des Weib-
chens (so weit ich sehen konnte, rechts zu rechts und umgekehrt) ein,
und nun beginnt die Abrollung des Embolus unter gleichzeitiger Ent-
faltung ‘der Tasterblase und Aufwickelung des Bulbus. Man sieht den
Embolus dabei allmählich die Bahn durchlaufen, die durch den Kon-
duktor und einen basalen Fortsatz -des Bulbus vorgeschrieben ist, dann
verläßt er sie und ist nach meist ca. 25” vollständig in der Epigyne
verschwunden. Nun heben diese Tiere ihre Hinterleiber etwas empor,
so daß die Körper einander noch mehr genähert werden, und die
Schwellung der Tasterblase erreicht ıhren Höhepunkt.
Es ist nun ganz auffallend, wie geringdie relative Aus-
dehnung dieser Blase bei Hyptiotes ist, besonders bei der Ver-
gleichung mit Epeiriden etc. Die Blase tritt als hellrosa gefärbter
Sack aus der Kavität des Schiffchens aus, wobei sie sich im ganzen
in distaler Richtung etwas umlegt. Somit zeigt sich, daß das, was ich
für Philodromus, Tibellus undClubiona in einem anderenSinne gesagt
hatte, daß nämlich relative Größe des Bulbus und seiner Basalblase
im Ruhezustand des Organs nicht erschlossen werden könnten, -— dort
handelte es sich um kleinen Bulbus und sehr große Blase — hier ın
der Weise bestätigt wird, daß ganz extreme Größe des Bulbus mit
kleiner Tasterblase vereinbart ıst.
Sehr merkwürdig ist die Extraktion des Embolus aus der
Epigyne am Schlusse jeder Insertion. Während bei Labulla der lange
Embolus in Spiralwindungen durch den sich zusammenrollenden Bulbus
verhältnismäßig langsam herausgewunden wird, geschieht das Heraus-
ziehen bei Hyptiotes so, daß das Männchen vom Weibchen
zurückweicht und so den Embolus allmählich immer mehr in ganzer
Länge anzieht, der dann wie ein straff gespanntes Seil die beiden Tiere
so lange verbindet, bis die Spitze des Organes wieder zum Vorschein
gekommen ist. Dabei zeigt sich, daß Bösenbergs (16) Angabe,
der Embolus von Hyptiotes paradoxus erreiche fast viermalige Körper-
länge, nicht übertrieben ist. Frei geworden legt sich der Embolus als-
bald wieder in seine vorherigen Windungen.
Der Wechsel der Taster geschieht unmittelbar hintereinander,
und zwar, wie es scheint, nur einige (bis ® beobachtet) Male. Das
Weibchen hängt während des ganzen Vorganges still und passıv da.
Die Trennung der Tiere erfolgt in aller Ruhe und ohne Aeußerung
irgend welcher Feindseligkeit von seiten des Weibchens dem Männchen
gegenüber.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 57
Es war mir nach dem 30. Juli nicht mehr möglich, Begattungen
von Hyptiotes zu sehen. Die nach Gamburg mitgenommenen schlesi-
schen [Weibchen gingen nach der Reise ein, ein mitgenommenes Männ-
chen reagierte nicht auf die dort gefangenen Weibchen, und das letzte
am Zobten im September gefangene Männchen starb ım Fangglas. Ich
denke aber, daß die Angaben, die der Beobachtung vom 30. Juli ent-
nommen sind, Neues genug enthalten, um die Ausführlichkeit der Schil-
derung zu rechtfertigen.
b) Allgemeines über die Kopulation der Cribellaten.
Ueber den Wert des Cribellum und Calamistrum als
eines systematisch verwertbaren Merkmales kann man, wie das Verhalten
verschiedener Autoren zeigt, sehr verschiedener Meinung sein. Während
z. B. Simon (62) die Cribellata als besondere Gruppe der Arachno-
morpha zusammenfaßt, steht Dahl (23) auf dem Standpunkt, dab
cribellate Spinnen an sehr verschiedenen Stellen des Systems Verwand-
schaft mit anderen Familien zeigen, und daß ihre allgemeine Organisation,
nicht der Besitz dieser besonderen Spinnorgane, das Maßsgebende sein
muß, zumal ja das Charakterıstikum des vollentwickelten Uribellum
(und Calamistrum) bei reifen Tieren nur in einem, dem weiblichen
Geschlecht, zutage tritt. Es kann ja auch kaum zweifelhaft sein, dal
die Haplogynen, im männlichen Geschlecht mit außerordentlich einfach
gebauten Tastern ausgestatteten Filistatiden und Hypochi-
liden weit eher in ihrem Gesamtbauplan an Theraphosiden und Dysde-
rıden erinnern als an dıe übrigen Cribellaten.
Wenn ich auch nun weit entfernt davon bin, in der Biologie der
Kopulation ein absolutes Verwandschaftskriterum für die verschie-
denen Familien der Cribellaten zu sehen, so möchte ich doch folgende
Erwägungen anstellen: Es kann nach dem oben Gesagten nicht zweifel-
haft sein, daß sich dee Dictynaarten in ihrem Begattungstypus von
den Amaurobiiden und Argenna unterscheiden, die beide eine
besondere Stellung und das Hinterlassen eines Begattungszeichens durch
das Männchen gemein haben. Daß sich in dieser Beziehung Argenna
mehr Amaurobius als den Dictynen nähert, kann wohl nicht bestritten
werden. Daß nun Hyptiotes, im Gegensatz zu beiden Familien (andere
Uloboriden, wie auch die Dinopiden und Eresiden, Oecobuden etc.,
sind daraufhin noch nicht beobachtet worden) einen wesentlich anderen,
dem der Epeiriden sich nähernden Begattungsmodus aufweist, könnte
zunächst mit ihrer der dieser Familie einigermaßen oder sehr ähnlichen
Lebensweise in Fangnetzen zusammenhängen. Es ist be-
kannt, daß man früher die Uloboriden wegen ihrer tatsächlichen (Ulo-
borus) oder scheinbar angedeuteten (Hyptiotes) Orbitelie zu den Epeı-
riden in nähere oder nahe Beziehungen bringen zu müssen glaubte. Nun
kann man heutzutage auf die Frage, ob die Orbitelie von Angehörigen
verschiedener Familien unabhängig voneinander, oder aus gemeinsamer
phyletischer Wurzel erworben sei, sehr verschiedener Meinung sein.
Denn unter Familien, die ganz regelmäßig Radnetze weben (Epeiriden)
10, Heft
58 Ulrich Gerhardt;
kommen Gattungen (Cyrfophora) vor, die andere Netze anfertigen oder
die, wıe manche nordamerikanische Epeiraarten (E. labyrinthea) eine
Vereinigung von Rad- und Horizontalnetz herstellen. Unter den
Tetragnathiden finden wir orbitele Formen (Tetragnatha und
Verwandte), während Pachygnatha kein Fangnetz spinnt. Trotzdem
wird man beide Gattungen in morphologischer wie biologischer Beziehung
(wobei gerade Bau und Funktion der Kopulationsorgane in beiden Ge-
schlechtern von ausschlaggebender Bedeutung sind), für nahe verwandt
halten müssen, ;
Daß Uloborus echte Radnetze spinnt, ist nicht zu bezweifeln, wenn
auch der Unterschied gegenüber denen der Epeiriden und von Tefragna-
tha besteht, daß Uloborus statt der Klebetropfen Kräuselfäden aus
dem Cribellina als Fangmittel verwendet. Ueber das Netz von Aypti-
otes ıst recht sonderbar philosophiert worden. So hat Emerton
gemeint, daß die Tatsache, daß bei manchen Nephila- (und Zilla-)
Arten dem Netz des erwachsenen Tieres ein Kreissegment fehlt.
während beı Hyptiotes das ganze Netz ein solches darstellt, phyle-
tische Schlüsse zulasse. Er versteigt sich zu der Gleichung: N+- H =
E, wobei N das Netz vonNephila, H von Hyptiotes und E von Epeira
bedeutet. Bertkau bemerkt schon ganz richtig, daß man diese
Gleichung, wenn es einem Freude mache, zwar aufstellen könne, dafs
sie aber, auch bei weitherzigster Auffassung, in phyletischer Beziehung
nichts beweise,
Somit sind die Beziehungen von Hyptiotes wie der Uloboriden
überhaupt zu den Epeiriden recht ungeklärt, und die zu den übrigen
Cribellaten gewiß erst recht.
Ich habe mich bemüht, die Kopulations- und Werbungsvorgänge von
Hyptiotes so unvoreingenommen wie möglich zu betrachten, und den oben
erwähnten Faktor der Lebensweise im senkrechten Netz durchaus in
Betracht gezogen. Ich kann mich aber des Eindruckes nicht erwehren,
daß de Werbung des Männchens, die Stellung bei der Kopulation
und die kurze Insertionsdauer jedes Tasters überraschend an
die gleichen Vorgänge bei, besonders kleineren, Epeiriden, wie etwa
Miranda oder Cyclosa, erinnern.
Unterschiede sind zweifellos vorhanden. Den einzigen
wesentlichen sehe ich in dem alternierenden, mehrfachen Gebrauch
der Taster bei einer Kopulation, während die Epsiridenmännchen nach
der Verwendung eines Tasters sich vom Weibchen trennen und den
zweiten erst nach erneuter Werbung inserieren. Zu diesem Punkt sei
auf das hingewiesen, was früher (l. c. $. 153) über die Unterschiede
in dieser Beziehung zwischen Tefragnatha und Pachygnatha gesagt ist.
Was den Bau des Tasters betrifft, so steht Sımon (61)
auf dem Standpunkt, der Uloboridentaster sei nach dem Typus des
gleichen Organes bei den Epeiriden gebaut. Diese Behauptung halte
ich für ziemlich weitgehend; auch besteht zwischen dem Taster des
Männchens von Uloborus und von Hyptiotes ein sehr großer Unterschied
des Baues. Es wird sehr schwer sein, zu entscheiden, an welchen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 59
anderen Typus eines Tasters sich der von Hyptiotes am ersten an-
schließen ließe. Ich bin aber der Ansicht, daß er keinerlei Aechnlich-
keit in der Anordnung der wesentlichen Teile mit dem Taster der
Dictynen oder dem von Amaurobius aufweist. Gerade bei solchen
hochspezialisierten Tasterformen, wie Hyptiotes sie besitzt, ist es oft
sehr schwer, sie auf einfachere, bekannte Formen zurückzuführen,
und es müssen sonstige Organısations- und auch biologische Merkmale in
erster Linie berücksichtigt werden. Es sei hier an das erinnert, was
über die Sonderstellung des Tasters vonZabulla thoracica unter den
Linyphiiden gesagt worden ıst (l. c. S.209). Somit glaube ich,
daß die Morphologie des Hyptiotestasters ın ihrer systematischen Be-
deutung erst nach seiner Vergleichung mit den Palpen anderer Ulo-
boriden (Miagramopes) wird verstanden werden können, und mir ist
aus Materialmangel eine derartige Vergleichung zur Zeit eh möglıch.
Wenn wir die orbitelen Spinnen aus den drei Familien der Epeı-
rıden, Tetragnathiden und Uloboriden in ihrer Sexualbiologie mitein-
ander vergleichen, so zeigt sich, daß besi Tetragnatha ein besonderer
Begattungstyp vorliegt, der sich eng an den der nicht orbitelen Pachy-
gnatha anschließt. Für Epeiriden und Hyptiotes (der ja allerdings
nur'mit einer Einschränkung als orbitel aufgefaßt werden kann) besteht
dagegen im Kopulationsverlauf die hervorgehobene Zahl von Ueberein-
stimmungen, für die es indessen vorläufig offen gelassen werden mul),
cb sie auf phyletische Verwandtschaft oder auf Wirkung eleicher
Lebensweise, also auf Konvergenz, zurückzuführen ist.
Wenn irgend möglich, gedenke ıch im nächsten Jahre noch Uloborus
walckenaerius ın denKreis meiner Beobachtungen zu ziehen und würde
von dieser seltenen Art wichtige Befunde erwarten. Endlich möchte
ich noch hinzufügen, daß über die Kopulation der gleichfalls crıbellaten,
in ıhrem Habitus, nicht, aber in der Lebensweise, den Attıden eıiniger-
maßen ähnlichen Eresiden noch nichts bekannt ist. Es erschiene mir
von Interesse, wenn sich zeigen sollte, daß diese Familie (was. ich für
nicht unwahrscheinlich halten möchte) den Begattungsmodus der
laufenden Spinnen (Attiden, Lycosiden, Thomisiden, Sparassıden) zeigen
würde. Zur Zeit bin ich nicht imstande, mir die einzige deutsche Eresus-
Art zu beschaffen und muß mich daher hier auf den Hinweis be-
schränken, daß hier vielleicht ein vierter Begattungstypus unter den
cribellaten Spinnen zu erwarten ist.
VIN. Theridiidae.
Die Literatur über die Begattung der Therididen ıst von mir
(l. c. 5.159) angegeben worden. Einige Punkte daraus werden hier
noch einmal, teilweise ausführlicher, besprochen werden müssen. Von
Somniemeeilsr ee werden, daß die Gattung Steatoda sich in
dem Verlauf der Kopulation gänzlich von den eigentlichen Theriduden
unterscheidet, und beide Gruppen werden daher hier getrennt zu be-
sprechen sein.
10. Heft
60 Ulrich Gerhardt:
a) Eiıgentliche Theridiiden.
a) Phyllonethis (Theridium Mg.) lineata Cl. (Ergänzung.)
Von der Begattung dieser Art wurde bereits (l. c. S. 160) eine
Schilderung gegeben, die aber noch in einigen Punkten nach den Be-
obachtungen des letzten Sommers ergänzt werden muß. Während 1920
(wegen zu späten Fanges der Männchen) sehr viel unvollkommene
Begattungsversuche gesehen wurden und bei den wirklich vollzogenen
Kopulationen immer nur der eine Taster des Männchens volle Funktion
zeigte, stellt sich im Sommer 1921 das Bild bei Benutzung frisch-
‚gehäuteter Individuen anders dar. Es zeigte: sich, dafs hier, ähnlich
wie beı Linyphia, beide Taster in regelmäßigem Wechsel, ım all-
gemeinen etwa '/;s Std. lang, manchmal auch länger, bis °/, Std. ge-
braucht werden, wobei der gebrauchte Taster jedesmal etwa fünf Mal
durch die Kiefer des Männchens gezogen wird. Ich möchte auf diese
Art des Tasterwechsels wegen der Unterschiede gegenüber anderen
Theridien Wert legen. Es zeigte sich, daß bei jeder so vollzogenen
Begattung die Taster des Männchens völlig entleert wurden, wie die
immer nach ca. 30° erfolgende, auf S.17 geschilderte Sperma-
aufnahme des Männchens beweist.
b) Theridium varians Hakn.-
Ich schließe hier diese Art an, die in ihrer Begattungsweise einen
ähnlichen Modus befolgt wie die vorgenannte. Sie ıst ım Juni im Bres-
lauer Botanischen Garten auf Büschen außerordentlich häufig und
dann ın beiden Geschlechtern reif. Das Weibchen variiert außer-
ordentlich in der Färbung, wie der Name besagt, das Männchen
weniger. Es ist sehr leicht zu erkennen an der wulstförmigen Erhebung
auf der Bauchfläche in der Gegend seiner Genitalöffnung. Die Tiere
leben in unregelmäßig gesponnenen Netzen wie andere Theridien, ihre
Ernährung gelingt leicht durch Fütterung mit kleinen Dipteren.
Die Kopulation wurde am 3., 7., 10. und 13. Juni beob-
achtet. Die Vorbereitungen dazu sind ähnlich wie von Montgo-
mery für Theridium tepidariorum und von mir für Phyllonethis
lineata beschrieben, d. h., das Männchen nähert sich dem Weibchen
unter vertikalem Zucken des Hinterleibes und Schlagen der heiden
vorderen Beinpaare. Auch hier reagiert das Weibchen durch ein
weniger heftiges Klopfen mit den Vorderbeinen, geht dem Männchen
entgegen und hängt sich, den Cephalothorax nach unten, vor ihm auf.
Es kommt allerdings auch vor, daß ein Weibchen, während es mit der
Bauchfläche nach unten hängt, die Annäherung eines Männchens zu-
läßt, so daß dann die Tiere umgekehrt orientiert sind als sonst üblich:
gewöhnlich wird diese Stellung dann nur kurze Zeit beibehalten und
mit der normalen vertauscht, die sich nicht von der anderer Theridien
unterscheidet. ° Einige Besonderheiten im Verlauf der Kopulation sind
bei unserer Art aber zu erwähnen.
1. Wie bei Phyllonethis werden beide Taster des Männchens
inhäufigem Wechsel inseriert. Wenn der Embolus (und Kon-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 61
duktor) eines Tasters in die gleichnamige Samentasche des Weibchens
eingegriffen hat, so erfolgt das Aufschwellen der hier auffallend
kleinen Tasterblase, das jedesmal von starkem Vibrieren des
männlichen Hinterleibes begleitet ıst. Das Durchziehen der Palpen
durch die Cheliceren geschieht nur von Zeit zu Zeit, nicht, wie bei
Phyllonethis und Linyphia regelmäßig. 2. Zwischen den Insertionen
treten oft längere Pausen ein, ın denen das Weibchen ganz still
sitzt, das Männchen die Taster putzt. Jede neue Insertion wird dann
vom Männchen durch erneutes heftiges Schlagen mit den Beinen ein-
geleitet. 3. Die Kopulation wird öfters durch Trennung der beiden
Tiere unterbrochen (bis ca. 10’), das Männchen nähert sich dann dem
Weibchen wieder unter erneuten Werbungen, und alles verläuft wie
vorher. Der ganze Vorgang der Begattung mit den Pausen beträgt
30 bis 40'. k
Die Samenaufnahme des Männchens konnte nicht gesehen
werden. !)
c) Theridium tepidariorum C. L.K.
Montgomery (5l) hat sich eingehend mit der Kopulation
dieser Art beschäftigt und bei ıhr auch die (von mir auf S.17) ge-
schilderte Samenaufnahme des Männchens beobachtet. In seinen
Angaben war ein Punkt, der mir der Klärung zu bedürfen schien, näm-
lich der, daß das Männchen hier bei einer (nur ca. 10” dauernden)
Kopulation zuweilen nur einen, meist aber beide Taster
gleichzeitig benütze.
Ich bin nun Angaben über Simultaninsertion der Taster bei allen
cymbiophorer. Spinnen gegenüber äußerst skeptisch, weil mir dieser
Modus zu sehr dem zu widersprechen scheint, was nach dem Bau von
Taster und Epigyne zu erwarten ist. In diesem Falle zeigte es sıch
auch, daß dieser Skeptizismus durchaus berechtigt war, denn ın 29
Fällen (die ich alle beobachtete, nur um über diesen Punkt Sicher-
heit zu gewinnen) wurde jedesmal ganz bestimmt nur ein Taster ın-
seriert, so daß ich die Angabe Montgomerys über die Doppel-
insertion mit aller Sicherheit als ırrıg bezeichnen kann.
1. Vorkommen, Lebensweise, Daß Theridium tepida-
riorum in Gewächshäusern in allen Kulturländern der alten und neuen
Welt vorkommt, ist längst bekannt; Vorkommen ım Freien deutet auf
die ursprüngliche Heimat in Ostasien hin. In Breslau selbst ist die
Spinne immer, wenn auch nicht übermäßig häufig, in den Warmhäusern
des Botanischen Gartens zu finden. Als weit ergiebiger erwies sich
eine andere Quelle, nämlich die Mailänderschen Rosenzüchte-
reien in Sacrau bei Breslau, wo die Tiere das ganze Jahr, haupt-
sächlich aber im Frühjahr, zu vielen Hunderten vorkommen. Von dort
habe ich auch, dank dem Entgegenkommen des Inhabers der Firma,
1) Begattung und Samenaufnahme wurden 1922 genau beobachtet und
werden in einer späteren Arbeit eingehend geschildert werden. A. w. d. Korr.
10. Heft
62 Ulrich Gerhardt:
hauptsächlich mein Material bezogen. Ich fand sehr viel mehr Weib-
chen als Männchen, aber auch diese in genügender Anzahl, schon im
März. Die sehr großen, unregelmäßigen Gespinste werden von beiden
Geschlechtern in gleicher Weise angelegt, bei freilebenden Tieren fand
ich nie Männchen in den Netzen der Weibchen. Als Futtertiere können
Dipteren aller Art dienen, schwächere Tiere werden häufig von
größeren Individuen der Art gefressen.
2.Werbung und Begattung. Die erste Kopulation sah
ich am 11. März 1921 und von da ab an allen Tagen bis zum 18.
Später sah ich noch a:m 19. April eine Begattung, im ganzen 20 Fälle.
Die Werbung der Männchen und das Zeichen der Begattungs-
bereitschaft beim Weibchen hat Montgomery gut geschildert, und
es ıst hier kaum etwas hinzuzufügen. Das erregte Zappeln der Männ-
chen erinnert an Phyllonethis lineata und an Epeiridenmännchen.
Die Stellung ist von Montgomery abgebildet worden und ent-
spricht ganz der anderer Theridien, d. h. die Tiere hängen, den Cepha-
lothorax nach unten, mit den Bauchflächen einander zugekehrt, das
Männchen etwas höher als das Weibchen. Die langen beiden Vorder-
beinpaare des Männchens umfassen locker den Cephalothorax des
Weibchens.
Die Insertion des Tasters konnte ıch mit 1#facher Lupen-
vergrößerung und unter dem Binokular häufig ganz genau beobachten.
so'daß an der Richtigkeit der folgenden Beobachtung kein Zweifel sein
kann. Wenn Männchen und Weibchen einander entgegengegangen
sind und sich einander gegenüber aufgehängt haben, so versucht das
Männchen ın kurzem Sprung einen Taster zu inserieren. Dies miß-
lingt, wie auch Montgomery sah, sehr häufig, und oft zieht sıch
das Männchen unverrichteter Dinge wieder zurück. In einem Fall
versuchte das Männchen 105° vormittags vergeblich zu kopulieren, nach
1!/;" fing das Weibchen durch Bewegen der Vorderbeine seinerseits
wieder an, das Männchen zu reizen, das zunächst an dıe Rückenfläche
des Weibchens geriet und sich dann erstaunlich schnell umdrehte, so
daß es in die richtige Lage kam. Bzi dem ersten Versuch waren die
Taster an ganz verkehrter Stelle, viel zu weit caudal, diesmal kamen
sie von vornherein ın die Gegend der Epigyne zu liegen. Nach aber-
maligem, vergeblichem Versuch drang plötzlich der Embolus des linken
Tasters ın die linke Samentasche ein, und ‚außerordentlich schnell trat
die ziemlich große, blaßgelbe Tasterblase aus, um für höchstens
5” expandiert zu bleiben. Dann kollabiert sie, und sofort wird der
Taster wieder aus der Epigyne herausgezogen und die Tiere trennen
sich. Während der Expansion der Blase vibriert der Hinterleib des
Männchens sehr stark und rasch in kleinen Oscillationen und das ganze
Tier neigi sich etwas seitwärts nach der Seite des inserierten Tasters.
Das Männchen zog sich dann zurück und saß still, das Weibchen
schlug nach der Trennung lebhaft mit den Vorderbeinen nach ıhm, dann
beruhigte es sich auch. Nach über einer Viertelstunde versuchte es
wiederholt, diesmal vergeblich, das Männchen 'zu reizen.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 63
Solche zuerst geschilderten vergeblichen Begattungsversuche wurden
außerordentlich häufig beobachtet, aber auch sehr oft geglückte
Kopulationen. Immer verliefen sie in der geschilderten Weise, und
es wurde niemals eine Insertion beider Taster zu gleicher Zeit auch
nur versucht.
Erwähnen muß ich allerdings, daß ein Männchen von vornherein
nur einen Taster besaß. Durch diesen Defekt war, wie nach dem
Geschilderten -selbstverständlich, der Verlauf der Kopulation selbst
ın keiner Weise gestört. \
Bei häufigen Fehlschlägen in der Insertion der Taster werden im
allgemeinen beide Tiere ımmer lebhafter in dem Bestreben, einander
zu helfen. Dann erinnert das ganze Spiel an die so häufig zu sehenden
vergeblicher: Begattungsversuche der Kreuzspinnen.
Zuweilen kommt es vor, daß der Embolus eines Tasters zwar
faßt, aber offenbar nicht riehtig) da dıe Blase sich nur andeutungsweise
ausstülpt, und das Männchen sofort zurückprallt.
Ein Paar kann mehrmals hintereinander kopulieren, und es ist
dabei nicht gesagt, daß bei zwei aufeinanderfolgenden Kopulationen
jedesmal ein anderer Taster gebraucht werden müßte. So sah ich am
14. März ein Männchen bei demselben Weibchen in zwei aufeinander
folgenden Begattungen beide Male den linken Taster anwenden.
Am 16. März dagegen sah ich unter gleichen Umständen ein Männchen
erst den rechten, dann den linken Taster verwenden. Dasselbe Männ-
chen kopulierte noch einmal und füllte dann, wie auf S. 17) beschrieben,
seine Taster mit Sperma.
Montgomery weist darauf hin, dafs bei Theridium tepidariorum
die Weibchen auf sehr verschiedenen Größen- und Altersstadien die
Männchen zulassen. Ich sah die Begattung nur bei mittelgroßen und
kleinen reifen Weibchen, während die ganz dick geschwollenen, lege-
reifen die Männchen abwiesen. Bei Phyllonethislineata (l.c.S.161)
ist'dıe Begattungsbereitschaft der Weibchen anscheinend über eine noch
größere Periode ihres Lebens ausgedehnt.
Alles ın allem kann gesagt werden, daß die kurze, einmalige In-
sertion des männlichen Tasters mit nur einmaliger Expansion der Blase
bei dieser Spezies sehr an dıe Vorgänge bei Epeiraarten erinnert und
von den beı Theridium varians und Phyllonethis lineata beschrie-
benen Vorgängen prinzipiell abweicht, während die Kopulationsstellung
für alle Theridien gleich zu sein scheint.
d) Theridium formosum Cl).
Diese schöne kleine Spinne fand ich im Mai sehr häufig in Nischen
zwischen Vorsprüngen der Rinde, besonders von Lindenbäumen, im
Oswitzer Wald, und zwar ım Anfang des Monats nur Exemplare.
die vor der letzten Häutung standen.
Am 12. Mai häutete sich ın Cefanse Et ein Männchen, am
13. ein Weibchen zur Reife. Vom 15. bis 25. Mai war ich auf Kon-
gressen in Göttingen und Halle und mußte daher meine Beobachtungen
10, Heft
64 Ulrich Gerhardt:
unterbrechen. Ein Männchen hatte sich bei meiner Rückkehr gehäutet,
außerdem existierte noch ein Weibchen, das sich am 15. gehäutet
hatte, also bestimmt virginell war, wenn es auch schon den Aue
kugeligen Hinterleib zeigte, der sonst für ‚befruchtete Weibchen als
charakteristisch gilt.
Diese Beobachtung zeigt, daß mindestens bei manchen Spinnen
die Schwellung der Ovarıen nicht abhängig ist von der geschehenen Be-
gattung, eine Frage, auf die ıch früher (l. c. S. 125) eingegangen bin,
und die ich. offen gelassen hatte.
Am 31. Mai wurde das einzige mir noch zur Verfügung stehende
Männchen zu diesem Weibchen gebracht. Sehr vorsichtig näherte es sich
ihm nach langem Zögern (das Männchen war sehr viel kleiner als das
Weibchen) und zuckte dabei mit den Vorderbeinen. Schließlich ließ das
Weibchen das Männchen zu, und die Begattung fand in der für
die bereits beschriebenen Theridiumarten üblichen Stellung statt, so
daß dazu nichts Besonderes zu bemerken ist. Der linke Taster
wurde, wıe beı Theridium tepidariorum, für einige Sekunden inseriert.
wobei seine Blase vollständig aufschwoll und dann wieder kollabierte.
Als das Männchen den Taster herausgezogen hatte, und dieser noch
nicht ganz vollständig wieder zusammengerollt war, ergriff das Weib-
chen das Männchen, spann es ein und fraß es auf. Weitere Be-
gattungen sah ıch nıcht.
E) Zusammenfassendes über die Begattung der
Theridien
Es kann festgestellt werden, daß von den beobachteten und be-
schriebenen vier Arten bei zwei (Theridium formosum und Th.tepida-
riorum) dieMännchen bei der Begattung nur einen Taster für kurze
Zeit inserieren, darın also den Epeiriden ähneln, während für
Theridium varians und Phylionethis lineata regelmäßig alternierende
Insertion beider Taster, wie bei den Linyphiiden die gültige Regel
ist. Das ist ein sehr auffallendes Ergebnis, und es kann behauptet
werden, daß bisher nirgends in einer Spinnengattung sonst solche Unter-
schiede im Verhalten bei der Kopulation festzustellen sind. Es wäre
von Interesse, bei möglichst vielen hierher gehörigen Arten den Modus
der Begattung kennen zu lernen, um zu erfahren, wie sich etwa andere
Theridien je einer dieser beiden biologischen Gruppen anschließen
würden. Nach allen Erfahrungen an anderen Spinnen zweifle ich nicht
daran, daß diese Verschiedenheit des Verhaltens ihren Grund in phyle-
tischen Beziehungen hat, und es will mir scheinen, als ob in der Gat-
tung Theridium (Phyllonethis ist ja erst später von ıhr abgetrennt
worden) Formen vereinigt sein könnten, dıe sich bei näherer Analyse
ihrer Biologie als zwei Gruppen angehörig erweisen würden. Doch
soll diese Annahme hier nur als solche und mit aller Vorsicht ausge-
sprochen sein.
Im Gegensatz zu dieser Anwendungsweise der Taster ıst die
Stellung aller vier Arten bis auf ganz unwesentliche graduelle
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 65
Unterschiede gleich, allerdings ıst es die bei Netzspinnen ganz ge-
wöhnliche, die sich mit oder ohne Modifikationen auch bei Hyp-
tiotes, den Epeiriden, Linyphiiden, Erigoniden und
Pholciden findet, also wenig beweist. Ganz allgemein verbreitet
scheint auch die geschilderte Reaktion der Weibchen auf die Werbung
der Männchen zu seın.
b) Steatoda.
a) Literatur. Ueber Kopulationen von Steatodaarten kenne
ich zwei Angaben in der Literatur. 1. Emierton (25) beschreibt
die Begattung der nordamerikanischen Steatoda borealis:
„Ihe female was ın a scant web under a fence cap. The pair
stood head to head, as far apart as possible. The left palpus was kept
in an hour and a quarter after the couple was first seen. The male
contracted his body suddenly and swelled up the base of the palpal
organ once every two or three seconds. Two days afterwards Emerton
saw the right palpus used by the same pair for an hour. The adult
males and females of their species occur at all seasons, differing in
this respect from many others.“
2. Menge (50) hat eine Schilderung der Kopulation unserer ein-
heimischen Steatoda bipunctata L. (die er als Eucharia bipunctata,
in seiner früheren Schrift (49) als Theridium quadripunetatum be-
zeichnet) gegeben, die sehr viel richtige Beobachtungen enthält, aber,
offenbar aus der momentanen Stimmung des Autors heraus, manches
in einer seltsamen Auffassung schildert.
(Die Tiere hängen mit der Bauchseite nach oben im Netz) „Abends
sah ich beide in copula.. Das Männchen hatte seinen rechten Taster aus-
gestreckt und mit dem umgedrehten. Ende das emporstehende weibliche
Schloß umfaßt. Nur durch die Umkehrung des Tasterkolbens war in der
Stellung der Tiere gegeneinander ein Eindringen der Uebertragungsorgane
möglich. Die Umfassung des rechten Tasters dauerte von !/a7—9 Uhr,
dabei zuckte das Männchen fast in jeder Sekunde mit dem ganzen Leibe
und bewegte den Tasterkolben, wie man bei einer Pumpe den Schwengel
derselben in Bewegung setzt. Das Weibchen verhielt sich die 2 Stunden
durch ganz ruhig und unbeweglich, endlich schien ihm die Sache lang-
weilig zu werden, wie sie dem Beobachter schon längst war, es bewegte
anfangs nur die Füße, als ob es den Taster entfernen wollte, dann drehte
es den Leib im rechten Winkel zu dem des Männchens, und zuletzt ganz
im Kreise, so daß ich fürchtete, es würde den Taster abdrehen. Dieser
aber haftete fest wie ein Korkzieher am Haise der Flasche, und je mehr
das Weibchen drehte, um so heftiger zuckte und pumpte das Männchen.
Endlich um °/s9 Uhr gelang es dem Weibchen, sich loszureißen, und nun
ging es mit aufgesperrten Kiefern, die es bis dahin gar nicht in Bewegung
gesetzt hatte, auf das Männchen los.‘ Menge schildert dann noch, wie
das Männchen den gebrauchten Taster durch die Kiefer zog und betont,
daß er kein Stridulationsgeräusch [Westring (1861)] beim
Männchen wahrgenommen habe.
Hier von Interesse ist ferner noch Menges Schilderung eines
Begattungsversuches bei dieser Art.
„Am 9. (Mai) früh morgens versuchte das Männchen die Begattung.
Es näherte sich dem ... . Weibchen mit den Tastern klopfend und das
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10.
r
5 10, Heft
66 Ulrich Gerhardt:
Weibchen kam ihm entgegen. Das Männchen versuchte dann seine Taster-
kolben an das weibliche Schloß zu legen, was sich das Weibchen ruhig
gefallen ließ, aber sie wollten nicht haften; über eine Stunde dauerte der
Versuch, mit zitterndem Hinterleib streckte das Männchen bald den einen,
bald den andern Taster aus und suchte gleichsam springend den Kolben
an dem Schloß zu befestigen, aber alle Mühe war umsonst, er blieb kaum
einige Sekunden sitzen. Da wurde das Weibchen ungeduldig etc.“
b) Eigene Beobachtungen: Steatoda bipunctata L.
1. Vorkommen, Lebensweise. Schon 1920 hatte ich ver-
sucht, die Begattung bei dieser häufigen Spinnenart zu erzielen, hatte
aber keinen Erfolg dabei. Aus der Schilderung Menges mußte ich
schließen, daß hier ein ganz anderer Modus befolgt würde als bei
Theridium, und daher lag mır daran, möglichst früh im Frühjahr 1921
Material dieser Spezies zu bekommen. Während des ganzen Winters
fand ıch gelegentlich unter Rinde geschlechtsreife Männchen und an-
scheinend befruchtete große Weibchen. Mit diesen überwinterten
Weibchen war aber nichts anzufangen. Mit fortschreitendem Frühjahr
nahmen die Männchen an Zahl bedeutend ab, und die überwinterten
Weibchen legten ihre Eier ın hellrosa Cocons ab, aus denen ıch ın
Menge junge Tiere erhielt. Während des Mai und Juni waren
außerdem an Fensterrahmen ın leerstehenden Schuppen des Insti-
tuts und den Häusern ım Botanischen Garten sehr viele junge Tiere zu
finden, darunter schon deutlich erkennbare Männchen ım dritt- und vor-
letzten Stadium. Bis ın den Juli hinein konnte ich kein einziges rejfes
Männchen finden, und erst am 14. d. Mts. häuteten sich bei mir in Ge-
fangenschaft die beiden ersten Männchen zur Reife. Auch weibliche
Tiere wurden ım Juli reif, so daß ich am Einde des Monats ein aus-
reichendes, selbstgezogenes Material zur Hand hatte, und mit Sicher-
heit Begattungen zu erwarten waren. Am 27, Juli zeigte ein Männchen
zum ersten Male durch Klopfen mit dem Hinterleib Interesse an einem
Weibchen, und an diesem Tage hatte ich meinen ersten Erfolg. .
Steatoda bipunctata, von der Linne sagt: Habitat in fenestris,
spinnt sehr unregelmäßige, wirre, aber sehr charakterıistische Netze.
die zu einem röhrenartigen Schlupfwinkel führen, in dem die Spinne
meist bei Tage sitzt, wenn nicht ein Beutetier ins Netz gerät. Dann
stürzt sie hervor und spinnt es rasch ein. Daß die Tiere sehr lange
hungern können, wußte und bewunderte schon Blackwall (14). Die
Häutungen gehen im allgemeinen leicht vonstatten, selbst an der
glatten Wand eines Glases, wie überhaupt Haltung und Zucht gerade
dieser Spinne wenig Schwierigkeiten macht.
2. Die Begattung. Als Menge die obenangeführte Schil-
derung der Kopulation von Steatoda bipunctata schrieb, muß er
schlechter Laune gewesen sein; sonst wäre es ebensowenig zu ver-
stehen, weshalb er bei Pachygnatha listeri während der drei Stunden
dauernden Begattung die Kraftleistung des Männchens bewundert und
die gleiche Prozedur bei Steatoda als langweilig hinstellt, wie auch die
seltsamen Vergleiche des Tasters mit einem Pumpenschwengel und
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 67
einem Propfenzieher keineswegs ein Bild der Situation geben. Für
mich bot das Studium der: sehr eigenartigen Hecularloiiweise gerade
dieser Art eine Menge interessanter Punkte, eben wegen der schwierigen
Vergleichbarkeit mit dem Verhalten anderer Spinnen. Was ıch am 97.
und 30. Juli 1921 sah, will ich hier schildern, obwohl eine Beschreibung
der Vorgänge oft kaum ein genügend klares: Bild!von. ihnen zu geben
vermag.
Am 27. Juli abends nach 6" spann das Männchen, das, wie er-
wähnt, vormittags Anzeichen sexueller Erregung hatte erkennen lassen
(es hatte sich ca. eine Woche vorher gehäutet) in der Nähe des Wohn-
netzes des Weibchens eine kleine senkrechte, dichte Gespinst-
platte, die den Schauplatz der Kopulation abzugeben bestimmt war.
Auf dieser Platte sitzend, vollführte es mit seinem ganzen Körper
starke Längsschwingungen, die durch Zerren der Vorderbeine
an dem Gewebe zustande kamen. Es könnte sein, daß bei dieser aus-
gesprochenen Locktätigkeit des Männchens sein Stridulations-
organ angewendet würde. Am geschlossenen Glase ıst es aber von
außen nicht hörbar, und ich vermag daher nicht zu sagen, ob ein Werbe-
prozel} auf akustischer Basıs die sichtbaren Vorgänge begleitet.
6°° kam das Weibchen dem Männchen auf dies Gespinst entgegen, und
nun saßen sich beide Tiere gegenüber, der Glaswand des Gefäßes zu-
gekehrt und parallel, das Männchen mit dem Vorderende nach oben,
das Weibchen nach unten. Das Männchen, das schon seit dem Spinnen
lebhaft mit dem Hinterleib geklopft und seine Taster bewegt hatte,
machte nun eine 'großße Anzahl von Kopulationsversuchen,
die dem von Menge beschriebenen glichen und auch hier zunächst
nicht zum Ziel führten.
Das Charakteristische bei der Einbringung des einen
Tasters ist bei Steatoda dessen plötzliches, wurfgeschoßartiges Vor-
schnellen, das ıch bei keiner anderen Spinne sah. Das Männchen sitzt
dem Weibchen, das den Vorderkörper etwas hebt, dicht gegenüber.
so daß sich die Stirnen fast berühren. Dann streckt es den Taster
ganz plötzlich, ruckweise, völlig steif, so daf3 dessen ventrale Einknickung,
die er in Ruhe besitzt, vollkommen ausgeglichen wird, und schleudert
den Bulbus nach der Epigyne des Weibchens hin. Diese liegt ın einer
weiten Grube, und in diese Grube gelangt der Taster auch hinein:
aber zunächst trifft er nicht die Samentaschenöffnung, auf die er zielt.
Häufig sah ich nun das, was Menge schildert, nämlich das Fassen
eines Tasters (wobei auch dessen Blase sichtbar wird), der nach
einigen Sekunden wieder abglitt, und diese vergeblichen Versuche wurden
immer aufs neue wiederholt. Dabei verhielt sich das Weibchen höchst
entgegenkommend und suchte deutlich sein Abdomen so zu drehen.
daß der Taster die Samentasche treffen konnte.
Dabei ist zu bemerken, daß die Umdrehung des Tasters, die
Menge zwar erwähnt, aber doch sicherlich so, daf% nicht daraus
gefolgert werden kann, in welcher Richtung und in welchen Teilen
er Tasıdr eigentlich Neldrekt wird, bei diesen Versuchen deutlich
5* 1C. Heft
68 Ulrich Gerhardt:
erkennbar ist. Der sehr große Tasterkolben der Steatodamännchen
wird, wie der anderer Spinnen, normal so gehalten, daß das Cymbium
dorsal und der Bulbus ventral liegt. Dies Verhältnis erfährt
beim Vorschnellen des Tasters insofern eine Umkehrung, als durch
eine Torsion der Tibia und des Tarsus (Cymbium) der Bulbus
dorsalwärts gedreht wird, und so der Embolus auf eine ganz
ungewöhnliche Weise der Epigyne zugewendet wird. Selbstverständlich
muß diese Umdrehung außerordentlich schnell vor sich
gehen, da das Vorschnellen jedes Tasters nur immer
einen Moment dauert. Gewöhnlich wird dabei ein
Taster mehrere Male hintereinander vorwärts gestoßen,
und dies geschieht dann so, daß er einige Male in ge-
strecktem Zustand gegen die Epigyne vorzudringen
sucht, dann wieder einmal gebeugt und in heftigem
Ruck abermals in Streckstellung gebracht wird. So
wird eine große Reihe von Versuchen zur Insertion
angestellt, und ich konnte bei meinem Paar die er-
folgreiche Insertion deshalb nicht sehen, weil ich es,
da ıch nach Hause gehen mußte, im Gefäß mit in meine
Wohnung nahm und es dort bereits in copula vor-
fand. Es überraschte mich dabei, daß die Erschütte-
rungen beim Gehen die Tiere nicht in ıhrer Tätigkeit
gestört hatten.
Die Situation, die ich nun vorfand, war so, daf3 beide
Tiere in der beschriebenen Weise einander gegenüber Textfig. 10. Ko-
saßen, beide verbunden durch den steif ausgestreckten Pulation von Ste-
linken Taster des Männchens. Die Streckung des “fodabipunctala
L. Linker Taster
Tasters ist ‚so stark, daß er auf seiner dorsalen des )Mänfiehreie
(Streck-) Seite eine leichte Konkavität aufweist. Die inseriert (sche-
Umdrehung des Bulbus um etwas mehr als 90° matisch).
um die Längsachse ist beibehalten, so dal das
Cymbium ventral liegt. Etwa alle Sekunden zuckt der Körper des
Männchens unter relativ geringer Expansion der an sich großen, aber
dem Format des großen Bulbus durchaus proportionalen Taster-
blase. Die Beobachtung der Kopulation begann 7?°° Uhr. Bis 8”
verliefen die Expansionen und Kontraktionen der Blase immer in gleicher
Weise, dann aber änderte sich das Verhalten, und es war eine
zweite Begattungsphase festzustellen. Das Männchen begann,
den ganzen Körper ca. 25 Mal hintereinander heftig vor- und rückwärts
zu stoßen, und dann erst trat wieder eine sehr starke Aufschwellung
der Blase ein: wenn diese stattfand, so kroch das Weibchen, das
während der ersten Phase sich durchaus passiv verhalten hatte, jedesmal
ein kleines Stück vorwärts, weiter auf den Vorderkörper des Männchens
hinauf, um nach der Expansion wieder etwas rückwärts zu gleiten.
Von irgend welchem Unwillen oder Ueberdruß ‘des Weibchens war
nichts zu bemerken. 9!" fing das Weibchen an, Zeichen von Unruhe
erkennen zu lassen, 92° drehte es sich um 180° nach hinten, kehrte
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 69
dann wieder in die normale Lage, dem Männchen gegenüber, zurück
und streifte mit einem Hinterfuß (9°) den Taster aus der Epigyne
heraus. Das Männchen zuckte nach der Trennung noch lange mit
dem ganzen Körper, wobei der Hinterleib lebhaft klopfte; dann begann
es, nach etwa einer Viertelstunde, sein ganzes Wlerheverfahrbnsszu
wiederholen und versuchte, aber immer erfolglos, den rechten Taster
einzuführen. Schließlich aber gab es diese Versuche auf und setzte
sich still auf sein Gewebe.
Den zweiten Falleiner Begattung sah ich am 30. Juli,
früh 7 Uhr, als ich in einem Glase, das ich neben mein Bett gestellt
hatte, ein Paar ın copula vorfand. Auch diesmal befand sich das Paar
in der gleichen Stellung wie das vorıge. Als ein zweites Männchen
es zu stören versuchte, drehte sich das Weibchen, in Abwehr begriffen,
ungefähr in einem rechten Winkel auf die Seite, kehrte aber wieder in
seine normale Stellung zurück. Die Tiere befanden sich zunächst im
ersten Stadium der Kopulation, nach einer Viertelstunde ungefähr be-
gannen die Bewegungen beider Geschlechter, die für die zweite Phase
charakteristisch sind. Besonders interessant war es für mich, daß die
Trennung der beiden Partner auch hier wieder so vor sich ging,
dal das Weibchen sich um 180° nach hinten drehte, um den Embolus
des eingebrachten (linken) Tasters aus dem Samentaschengang zu
lockern. Auch das Herausstreifen des Tasters aus der Epigyne wurde
am Schlusse gesehen. 81% erfolgte de Trennung; das Männchen
stellte keine weiteren Begattungsversuche an.
Die Samenaufnahme konnte ıch beim Männchen nicht be-
obachten. !)
Einzelne Punkte aus diesem sehr eigentümlichen Verlauf der
Kopulation bedürfen einer näheren Besprechung. Zunächst sind
Werbung, Insertionsmodus des Tasters und dessen Haltung bei der
Begattung ganz ungewöhnlich, dann auch die auffallend lange Insertion
nur eınes Tasters während des ganzen Kopulationsaktes, sowie die
deutlich unterscheidbaren Phasen, für die allerdings vielleicht, wenn
auch unter wesentlich anderen Begleitumständen, bei den Liiny-
phiiden ein Analogon vorzuliegen scheint. Seltsam ist endlich der
nach drei Beobachtungen wohl sicher als normal aufzufassende
Lösungsmodus des Tasters durch Drehung des Weibchens.
Was zunächst die beiden Begattungsphasen anbelangt,
so ist es an sich bei Spinnen mit langdauernder Kopulation nichts
Auffallendes, das der gesamte Expansionsmechanismus der Blase und
der Austreibung des Samens aus dem Spermophor sich im Verlauf
der Begattung verlangsamt. Wir sehen oft, besonders bei Erigone,
Linyphia etc., wie die Tasterblase gegen Ende der Kopulation viel
länger stehen bleibt, als am Anfang. Hier aber liegen die Dinge doch
noch anders: in der ersten Phase erfolgen die Expansionen der Blase
rasch und regelmäßig aufeinander, ohne daß, außer einem Zucken des
!) 1922 nachgeholt. A. w. d. Korr.
10. Heft
70 Ulrich Gerhardt:
Hinterleibes, das Männchen selbst sich bewegte. Nachher tut es das.
wie geschildert, intensiv, und zwar mehrfach, bis eine neue Anschwellung
der Blase auftritt.
Das führt uns zu einer Frage, die später noch von allgemeineren
Gesichtspunkten aus zu erörtern sein wird, wieweit Körperbewegungen
des Männchens die Schwellung der Tasterblase durch Blutfüllung
bewirken oder wieweit sıe sekundär von ihr abhängig sind. In vielen
Fällen ist nach dem, was beobachtet werden kann, diese Frage sehr
schwer zu entscheiden. In unserem Falle aber kann es wohl kaum
zweifelhaft sein, daß durch heftige Bewegungen des Körpers ım
zweiten Stadium der Kopulation immer erst das nötige Blutquantum
in die Tasterblase hineingepumpt werden muß, wenn der Reflexmechanis-
mus, der im Beginn der Kopulation prompt arbeitete, zu erschlaffen
beginnt.
Die Lösung der Begattung durch das Weibchen muß mit der
sehr innigen Befestigung des Embolus im Samentaschengang zusammen-
hängen, außerdem wahrscheinlich mit der ungewöhnlichen Haltung des
dorsalwärts torquierten Bulbus, der dem Männchen schwer erlauben
dürfte, aktiv den Embolus aus dem Gang der Samentasche heraus-
zuschrauben’. Ich habe früher (l. c. S.166) einen als nicht ganz
normal anzusehenden Fall beschrieben, in dem ein frischgehäutetes
kleines Weibchen von Linyphia triangularis wiederholt den Taster
des sehr viel größeren Männchens durch horizontale Drehung um 180 ®
aus der Epigyne entfernen mußte. Was dort Notbehelf war, ıst beı
Steatoda das Normale und nicht als ein Zeichen des Ueberdrusses
aufzufassen, sondern vielmehr aus mechanischer Notwendig-
keit abzuleiten.
Wenn wir die Begattung von Steatoda zum Schluß mit der
der eigentlichen Theridien vergleichen, so ergeben sich nur Uhnter-
schiede und nirgends Uebereinstimmungen. Weder der beı Phyllonethis
lineata noch der bei Theridium tepidariorum vorkommende Typus
läßt sich mit dem von Steatoda in irgendwelche nähere Beziehung
bringen. Schon morphologisch und allgemein biologisch ist Steatoda
ein ganz anderes Tier als die Theridiumarten. Speziell in ihrer Sexual-
biologie ist sie ganz isoliert, nicht nur den Theridien, sondern auch
allen anderen Netzspinnen gegenüber, und ich bezweifle, daß ihre Zu-
rechnung zu der (so wie so immer mehr schrumpfenden) Familie
der Theridiien sich auf die Dauer wird halten lassen.
IX. Miceryphantidäe.,
1. Erigone longipalpis Sund. (bestimmt nach Bösenberg).
Ueber die Kopulation eines Angehörigen dieser Familie, Micry-
phantes rusestris liegt eine Beobachtung van Hasselts (39) vor,
aus der aber über die Begattung selbst nicht viel hervorgeht; dieser
Autor konnte bei dieser Art die Spermaaufnahme des Männchens
nicht sehen und schloß daraus auf einen anderen Modus der Taster-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. Hi
füllung. (Später hat er seine Zweifel an der Richtigkeit vonMenges,
Bertkaus etc. Beobachtung aufgegeben).
Erigone atra kommt, wıe mir seit Jahren bekannt war, im frühen
Frühjahr im Breslauer (ehemaligen) Zoologischen Garten an eisernen
Geländerstangen am Teichufer ın Menge vor. Sowie die Tage wärmer
werden, kommen die kleinen Spinnen hervor, um nach dem Verlassen
der Winterquartiere Fäden zu schießen und, an ihnen fliegend, aus-
zuschwärmen. Alle diese Tiere sind geschlechtsreif, sowohl Männ-
chen wıe Weibchen, und es gelingt leicht, in dieser Zeit frisch gefangene
Exemplare ım Glas zur Kopulation zu bringen.
Zum ersten Male sah ıch diese am 6. März 1921, und zwar
gleich so häufig und ausgiebig, auch im Verein mit der auf S.16 ge-
schilderten Spermaaufnahme des Männchens, daß ich alle Punkte.
die für die Beobachtung in Betracht kamen, an diesem einen Tage er-
ledıgen konnte.
Drei Männchen und mehrere Weibchen waren vormittags im Zoo-
logischen Garten gefangen worden, und nachmittags 2% begann ein
Männchen um ein Weibchen zu werben. Dieser Vorgang, wie auch
dıe Begattung, erinnert stark an das, was bei Linyphiiden beob-
achtet worden ist. Das Männchen zappelt, während es mit der Bauch-
fläche nach oben an lose gesponnenen Fäden hängt, rasch mit beiden
vorderen Beinpaaren und geht so dem in gleicher Lage befindlichen
Weibchen entgegen, das gleichfalls, wenn auch in viel langsamerem
Tempo, mit den Vorderbeinen schlägt und den Vorderkörper etwas
senkt. So rückt das Männchen immer näher auf das Weibchen zu,
sein Körper steht fast horizontal, während der des Weibchens nach
vorn geneigt ist. In dieser Stellung gelingt leicht die Insertion
eines der beiden Taster, die bei dieser Art sehr lang sind.
Der ‚„Einsetzer“ am IV. Gliede stemmt sich gegen den oralen Rand
der Epigyne, und der Bulbus beginnt sich auszurollen. Sein Kon-
duktor und Embolus wird dabei an der Medianseite des mit seiner
Spitze nach oben gerichteten Cymbium vorbei nach unten dorsalwärts
umgeklappt und dringt in die Samentasche der gleichnamigen Körper-
seite ein. Dieser Vorgang der Insertion des Embolus gleicht sehr
dem entsprechenden beı Linyphia und Leptyphantes. ‘Schon während
der Embolus eindringt, beginnt sich die bernsteingelbe Tasterblase aus-
zustülpen, die sehr groß ist und fast die Hälfte des Volumens des
weiblichen Hinterleibes erreichen kann. Sie sieht im Profil abge-
stumpft dreieckig aus.
Die Expansionen dieser Blase dauern ım Anfang nur wenige
Sekunden; wenn sie, nach etwa °/, Stunden, länger zu werden beginnen,
so ıst dies ein Zeichen, daß in kurzer Zelt eine Neufüllung der
Taster erforderlich ıst. (s. S.16.) Ist diese ausgeführt, so verlangsamt
sich das Tempo der Kontraktion der Blase immer mehr, und sie bleibt
nun 40 bis 50” ın vollem Umfang angeschwollen stehen, während das
Abdomen in vertikaler Richtung lebhaft zuckt.
10. Heft
12 Ulrich Gerhardt:
Der Gebrauch des Tasters geschieht in regelmäßiger Ab-
wechslung wie bei den Linyphüden. Nach Gebrauch wird jeder Taster
vier- bis fünfmal durch die Cheliceren gezogen, und dann der der
Gegenseite angewandt. Die Herauslösung des Embolus aus der
Samentasche geschieht rasch, und alsbald rollt sich der Bulbus wieder
vollends zusammen.
Ein Männchen begattete sich mit drei Weibchen abwechselnd.
die ihm alle in gleicher Weise entgegenkamen. Wenn zwei Männ-
chen einander begegneten, kam es zu kurzen und harmlosen Kämpfen.
bei denen immer das gerade tätige Männchen das andere verdrängte.
Am 13. Mai wurde die Kopulation eines Paares mit Sperma-
aufnahme beobachtet, am 20. März nur eine Reihe von Kopulationen
eines anderen Paares.
Ob sich alle Micryphantiden ähnlich verhalten, weiß ich natürlich
nicht zu sagen. Die Uebereinstimmung im Betragen von Erigone mit
dem der Linyphiiden ist sehr groß. Als wesentlichen Unterschied wüßte
ich nur die andere Haltung des Männchens bei dem ersten Teil der
Spermaaufnahme (s. S. 16) anzugeben.
X. Linyphiiden.
a) Literaturnachtrag. Die schöne Zeichnung von Dönitz
[Fig.5, publiziert bei Strand (65)] zeigt uns, daß die japanische
Linyphia yunohamensis, Bös. et Strand gerade so kopuliert, wie un-
sere einheimischen Arten. Auch die Schilderung der Kopulation und
Spermaaufnahme bestätigt diese Tatsache, und es ist sicher, daß auch
bei dieser Art beide Taster in regelmäßigem Rhythmus und bei gleicher
Haltung der Tiere abwechselnd angewendet werden. Ich füge noch
eine Zeichnung Emertons bei, deMc.Cook (48) von der Begattung
von Linyphia marniorata Hentz (marginata auct.) gegeben hat.
(Fig. 4.)
b) Eigene Beobachtungen.
a) Leptyphantes nebulosus Sund.
Diese Spinne ist wohl fast im ganzen Jahre an Fenstern ım Innern
von Schuppen, Kellern etc. häufig. Ich habe mein Material von den-
selben Oertlichkeiten bezogen, wie das von Steatoda, d. h. aus leeren
Räumen in Häusern des Botanischen Gartens und im Zoologischen
Institut in Breslau. Auch in Kellern sind die Tiere nicht selten, und
man findet ihre horizontalen Netze an der Decke und auch in Kohlen-
haufen etc. nahe dem Boden.
Die Art, wie die Tiere unter dem Netz, die Bauchfläche nach
oben gerichtet, wohnen, gleicht ganz der von Zinyphia, wie überhaupt
die Uebereinstimmung in der Lebensweise sehr groß ist. In der Ge-
fangenschaft hält sich diese Spinne sehr gut, und es gelingt sehr leicht,
aus Gelegen Junge zu erziehen. Eine Kopulation, die ich beobachten
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 73
konnte, fand zwischen Individuen statt, die in der Gefangenschaft aus
Eiern aufgezogen waren.
Es war von vornherein zu erwarten, daß sich die Begattung dieser
Spezies nicht von der der Linyphiaarten unterscheiden würde, und diese
Erwartung hat nicht getrogen. Ueber de Werbung des Männchens
ist einiges Neue zu sagen. Man sieht nämlich bei Leptyphantes viel
häufiger fruchtlose Bemühungen des Männchens als bei Linyphia
und Labulla, da die Weibchen anscheinend bei dieser Spezies erst
später nach der letzten Häutung zur Kopulation geneigt sind. In der
Zeit um den 15. Juli hatte ıch bei meinen Gefangenen zahlreiche letzte
Häutungen zu verzeichnen, die im Käfig sehr leicht und fast immer
ohne Störungen vor sich gingen. Das Tier hängt sich vorher in sehr
charakteristischer Haltung mit schräg nach oben und außen gehaltenen
Beinen, den Rücken nach unten gekehrt, auf, und in ca. 18’ ist die Häu-
tung beendet. Am 17. häutete sich ein Weibchen, zu dem am selben Tage
ein Männchen gesetzt wurde. Bei Linyphiaarten erfolgt unmittelbar nach
der Häutung der Weibchen ganz regelmäßig die Begattung, hier war
dies nicht der Fall, obwohl das Männchen deutliche Reaktion auf das
Weibchen zeigte. Am 21. 7. warb das Männchen stundenlang um das
regungslos in gewohnter Haltung, Bauchfläche nach oben, im Netz
sitzende Weibchen, das sich um sein Gebahren aber nicht kümmerte.
oder, wenn ıhm das Männchen zu nahe kam, entfloh. Ein zweites ım
Käfig befindliches Weibchen verhielt sich ebenso. Auf dies zweite
Weibchen reagierte das Männchen viel mehr als auf das erste, und
zwar verstärkten sich seine Werbebewegungen jedesmal, wenn das
Weibchen sich zu bewegen begann.
Die Werbebewegungen des Männchens sind sehr charakte-
rıstisch. Zunächst nımmt das ganze Tier bei ihrer Ausführung eine
ganz besondere und uünverkennbare Haltung ein. Es hängt unter
dem Netz, den Hinterleib fast rechtwinkelig gegen den Cephalothorax
ın ventraler Richtung abgeknickt, die Palpen gesenkt, d. h., bei der
Stellung mit der Bauchfläche nach oben, in die Höhe gerichtet. Die
beiden Taster schlagen nun in ziemlich regelmäßigen Zwischenräumen
einen regelrechten Wirbel, wobei der Hinterleib, je nach dem Grad
der Erregung, entweder in gröberen Schlägen klopft oder rasch vibriert.
Wächst die Heftigkeit der Werbung, so führen auch die bsiden vorderen
Beinpaare klopfende Bewegungen aus. So sitzt das Tier stundenlang
in gleicher Tätigkeit auf einem Fleck, um dann etwa alle 10° eine
andere Prozedur zu beginnen. Es drückt den Cephalothorax mit den
aufrecht gerichteten Palpen gegen das Netz, so daß dieses stark er-
schüttert wird. Manchmal sah ich sogar, daß die Taster das Gewebe
durchlöcherten und es nach oben überragten. Dann werden beide Taster
langsam und rhytmisch gegen das Netz geschlagen, und nun beginnt
wieder die gewöhnliche Art der Werbung.
Zu dem zuletzt beschriebenen Vorgang möchte ich eine Vermutung
aussprechen: M. Campbell (20) hat bei unserer Gattung ein Stri-
dulationsorgan nachgewiesen, das in rauhen Leisten an der
10. Heft
74 Ulrich Gerhardt:
Außenseite der Cheliceren und der Innenseite der Palpen besteht. Es
ist nicht unmöglich, daß das Streichen der Taster eine Betätigung
dieses Stridulationsorganes bedeutet. Daß es mir niemals möglich
war, dabei ein Geräusch zu hören, beweist nichts. Cambridge (18)
weist schon darauf hin, daß derartige Stridulationsorgane unmöglich
eine dem menschlichen Ohre vernehmliche Wirkung ausüben können,
während das nach Westrings Beobachtungen bei dem zwischen
Cephalothorax und Abdomen gelegenen Schrillorgan des Männchens
von Steatoda bipunctata bekamntlich der Fall sein soll.
Schließlich versucht das Männchen unter Zeichen immer leb-
hafterer Erregung sich dem Weibchen zu nähern, ganz in der Art, wie
die Männchen der Linyphiaarten. Am angegebenen Tage war dies
aber für das Weibchen jedesmal ein Signal zur Flucht. So kam 'es zu
keiner Begattung, und abends wurden die Tiere getrennt. Am 23.
wurden sie wieder zusammengesetzt. Vom frühen Vormittag an warb
das Männchen ständig mit größter Lebhaftigkeit um das Weibchen.
das sıch am 17. gehäutet hatte, und das heute weniger spröde schien.
Abends 6° wurde das Paar in copula angetroffen und zwar, wie
zu erwarten, ganz ın der üblichen Linyphiastellung. Als ich
das Gefäß, in dem die Tiere waren, zu besserer Beobachtung mir näher
brachte, fuhren beide Partner blitzschnell auseinander, aber nur, um
6°° die Begattung wieder aufzunehmen. An diesem Tage sah ich nur
die Kopulation ın der ersten Phase (vor der Neufüllung der Taster),
diese und den vollständigen Verlauf der Kopulation konnte ıch erst am
31. Oktober, dann allerdings vollständig und in allen Einzelheiten, beob-
achten. Die Tiere, die ich Ende September gefangen hatte, stammten
sämtlich aus dem Keller des Instituts. Vom 23. Oktober an zeigten
die Männchen täglıch intensive Werbetätigkeit, die, solange das Tages-
licht anhielt, stundenlang ohne Unterbrechungen ın der oben beschrie-
benen Weise fortgesetzt wurden. Die Weibchen kümmerten sich aber
entweder nicht um die Männchen oder flohen vor ihnen.
Am 31. abends, ca. 53°, fand ich wieder ein Paar in copula
vor, und zwar deutlich in deren erster Phase, wie dıe kurzen einmaligen
Schwellungen der Tasterblase und der entsprechend rasche Wechsel
der Insertionen erkennen ließ. Als um 6 Uhr eine Trennung der
Tiere stattfand, nahm ich schon an, es werde auch diesmal nıcht zu
einer Spermaaufnahme des Männchens kommen, aber um 6°? begann
die Kopulation von neuem und wurde im ganzen bis 9° mit nur zwei-
malıger ganz kurzer Unterbrechung zum Zwecke der Spermaauf-
nahme des Männchens fortgesetzt. Dieser Vorgang erfolgte 8% und
81: und ıst auf S. 14 geschildert worden.
Wenn auch die Begattung von Leptyphantes sich auf das engste in
ihrem Typus und Verlauf der anderer Linyphiaarten anschließt, so
konnte ich an dieser Art doch wieder eine Reihe von Besonderheiten
studieren, die mır der Mitteilung wert erscheinen.
Der Bau des männlichen Tasters wird im zweiten Teil
dieser Arbeit nochmals zu erwähnen sein. Hier sei nur gesagt, daß er
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 75
sich im Bau des Cymbıum und Paracymbium, der Vesicula bulbi und
des Samenschlauchbehälters eng an den von Linyphia anschließt, und
daf% sich die Unterschiede ın der Hauptsache auf die Chitinisierung
des sehr komplizierten distalen Bulbusabschnittes beziehen. Der Kon-
duktor ıst hier nicht schraubenförmig, sondern hakenförmig, wie auch
der Embolus. Dadurch wird eine sehr große Schnelligkeit des eigent-
lichen Insertionsvorganges bedingt. ‚„Retinacula“ sind in verwirrender
Menge vorhanden und nicht alle in ihrer Funktion klar zu verfolgen.
Das Moment, das für die Eigentümlichkeiten der Verwendung
dieses Tasters am meisten ausschlaggebend ist, liegt in dem bei dieser
Gattung sehr eigentümlichen Bau der Epıgyne des Weibchens be-
gründet, auf den daher hier kurz eingegangen werden muß. Wenn man
eın Weibchen von Leptyphantes nebulosus ım Profil betrachtet, so
fällt auch außerhalb der Begattungsperiode die zapfenförmig, fast
parallel zum Hinterleib ın caudaler Richtung liegende sehr große Epi-
gyne auf. Sie ist ausgezeichnet durch einen dicken, kegelförmigen
Zapfen der oral von den Eingängen zu den Samentaschen liegt und sie
ın der Ruhe völlig überlagert. Die Spitze dieses Zapfens ist außerdem
mit einem zungenförmigen, sehr kompliziert gebauten und zweimal
geknickten Nagel (Clavus) versehen, der aus einem dorsalen und
einem ventralen Zapfen besteht. Bei der Kopulation, und zwar bei
jeder einzelnen Insertion von neuem, muß nun der Epigynenzapfen
durch den männlichen Taster emporgehoben werden, so daß der Ein-
gang zu den Samentaschenöffnungen frei wird, und außerdem gibt der
komplizierte Clavus den Retinacula des Tasters dabei einen Halt.
Was man dabei ım einzelnen beobachten kann — und diese Beobachtung
ist trotz der häufigen Insertionen auch mit Hilfe des binokularen
Mikroskops sehr schwierig — ist etwa folgendes:
Wenn ein Taster des Männchens sich der Epigyne nähert, so
greift ein an seinem Bulbus, nahe dessen Endpartie befindlicher kurzer
Dorn, oft nach einigem Suchen, an der Spitze des Epigynenwulstes
unter den ventralen Fortsatz des Clavus und hebt diesen etwas ab.
Alsdann springt, während die Ausdrehung des Bulbus beginnt, der
Embolus ın weitem Bogen nach innen (medianwärts), vom Männchen
aus gerechnet dorsalwärts, so herum, daß er von deren Caudalseite
her unter den Epigynenwulst faßt und in die Samentasche der gleich-
namigen Körperseite (rechts zu rechts, wie bei allen Linyphiiden) ein-
greift. Nun erfolgt die völlige Ausstülpung der großen Tasterblase.
die ın Form, relativer Größe, Farbe und Strucktur völlig der anderer
Linyphiiden gleicht, also gelblichweiß und nierenförmig ist und sich
nur einmal bei jeder Insertion contrahiert. Wie bei Labulla thoracica
ist auch bei dieser Species de „Haematodochula” Meisen-
heimers als kleine, blasse, kolbenförmige Blase an der Wurzel des
Embolus deutlich zu sehen. Sie weitet sich erst vollständig aus, wenn
dieser schon in der Samentasche fixiert ist, also während der Expansion
der Hauptblase.
Diese selbst liegt, wie bei Linyphiaarten, zwar ım ganzen vom
10. Heft
76 Y Ulrich Gerhardt:
Tasterstiel aus median, aber lateral vom Cymbium. Die beiden, für
unsere Art charakteristischen langen Borsten, die an der Dorsalkante
des IV. Tastergliedes stehen, legen sich, sobald die Expansion der
Tasterblase erfolgt ist, von außen her benlörmig um die Peripherie
der Epigynenwurzel. Derartige Borsten, zweifellos Sinnesorgane, finden
sich auch bei Epeiriden. Leptyphantes nebulosus ist aber bis
jetzt die einzige Art, bei der es mir gelungen ist, die Verwendung
dieser Organe während..der Kopulation deutlich zu verfolgen. Ich
nehme als sicher an, daß sie einen Berührungsreiz zu vermitteln haben.
Bei dieser Art konnte ich besonders genau den schon bei Erigone
hervorgehobenen Unterschied ım Verhalten der Tasterblase und des
Austreibungsmodus ın der ersten und zweiten Kopulationsphase stu-
dieren: Während vor der Neufüllung der männlichen Taster sich die
Blase bei jeder Insertion sehr rasch expandiert und dann alsbald wieder
kollabiert, ändert sich ıhr Verhalten nach der Samenaufnahme voll-
ständig. Schon nach der ersten Tasterfüllung (8°) betrug die Dauer
der Tasterinsertion, die vorher kaum 10” gewährt hatte, 15”, und es
wurden während ihres Verlaufes sechs Mal eigentümliche Bewegungen
mit dem inserierten Taster, bei geschwollener und sich nicht kontra-
hierender Blase, ausgeführt. Nach der zweiten Füllung des Tasters
um 8! dauerte eine Insertion 20”; es erfolgten nun Tasterbewegungen,
die wıe folgt verliefen:
Wenn der Taster inseriert war, so trat dıe Blase aus, und erst
nach einigen (ca. vier) Sekunden begannen die Kontraktionen des
Tasterstieles, die in einer Auswärtsdrehung und Flektion des ganzen
Palpus, also in einem Anziehen des ganzen Organes an den Körper,
besteht. Da der Bulbus fest in der Epigyne des Weibchens haftet,
so muß dessen Hinterleib natürlich, allerdings rein passıv, an diesen
Bewegungen des Tasters teilnehmen. So wird das Weibchen, ziemlich
rhythmisch, vom Männchen seitlich und in geringer Rotation um seine
Längsachse hin- und hergeschwenkt, ohne daß die Tasterblase sich
dabei kontrahierte. Als die Zahl dieser Tasterexkursionen gegen Ende
der Begattung recht groß geworden war, konnte noch eine weitere
Besonderheit festgestellt werden: Erst, nachdem 17—20 derartige Be-
wegungen sehr ausgiebig erfolgt waren, hob sich das Männchen in
seiner Stellung ein Stück empor, und von da ab folgten die Kon-
traktionen in geringerer Ausgiebigkeit und in kürzeren Intervallen,
jedesmal unter starkem Vibrieren des männlichen Hinterleibes.
Ueber die Zunahme der Zahl dieser Kontraktionen und der In-
sertionsdauer des Tasters habe ich mir nebenstehende Aufzeichnungen
gemacht (s. Tabelle S.77).
95° erfolgte dann die Trennung. Das Männchen verließ rasch
das Weibchen und setzte sich außerhalb des Wohnnetzes an einen ım
Glase befindlichen Pflanzenstengel. Es führte ab und zu die Taster
in die Mundöffnung, hielt sich aber sonst ganz still.
Am 2. und 11. November wurde je eine weitere Kopulation bei
dieser Species beobachtet. Es zeigte sich, daß spontane Trennungen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 3
Dauer der Insertion | Zahl der Tasterkontraktionen
gı0 15 6
815 20° ak:
g30 ET. 10
557 39
"gu 17 38 48
ge 154“ 50
EL 237"
a A MICEEGETETERERBERT 'y TUE
ge 2° 40" Me ers
beider Tiere im ersten Stadium der Begattung, bis zur Dauer etwa
einer Viertelstunde, öfters vorkommen, nicht aber ım zweiten, nach
der Samenaufnahme, die am 11. November abermals, und zwar als
zweite bei dieser Kopulationsserie, unter Benutzung eines bereits vor-
handenen Spermagewebes, bei dem Männchen beobachtet werden konnte.
Erwähnen möchte ıch noch, daß bei dieser Art das Durch-
ziehen des gebrauchten Tasters durch die Cheliceren
während :-der Begattung, wıe bei Phyllonetnis, Erigone und allen
übrigen Linyphiiden, auch erfolgt, aber immer nur 3—4 mal in den
beobachteten Fällen, während bei Erigone longipalpis 5, beı Liny-
phia montana 8—9, beı L. triangularis 5—6, beı Labulla 8—19
mal diese Prozedur wiederholt zu werden pflegt. An sich ist dieser
Unterschied natürlich belanglos, aber es ıst doch eigentümlich, daß
ein Individum einer Species jedesmal nach der Insertion eines Tasters
ıhn mit geradezu pedantischer Regelmäßigkeit die gleiche Anzahl von
Malen an den Innenseiten der Kiefer entlang zieht. Daß kein sub -
jektives Zahlenbewußtsein dem Tier innewohnen kann, ist
wohl selbstverständlich; um so mehr muß dies fast absolute Inne-
halten einer bestimmten Zahl auffallen, und es enthält
zweifellos ein tierpsychologisches Problem, ebenso wie dıe Tatsache
zum Nachdenken anregen muß, daß Hwyptiotes paradoxus immer
nur einen Kreissektor mit vier Radıen, nie mehr und nie weniger,
als Fangnetz baut.
So ergibt sich aus der Schilderung der Kopulation von Lepty-
phantes nebulosus, daß sich diese Art ganz nach typischer Liny-
phiidenmanier verhält, aber doch Spezialitäten der Gattung (und Art?)
aufweist, die uns zeigen, daß man mit einem Vertreter einer Spinnen-
familie in biologischer Beziehung durchaus noch nicht das Verhalten
aller kennen gelernt hat.
b) Genaueres über den Mechanismus der Kopulation und die
Funktion der Tasterteile bei Linyphia und Labulla (Ergänzung).
In meiner vorigen Arbeit habe ich die Hoffnung ausgesprochen,
in diesem Jahre die Vorgänge bei der Begattung von Linyphia und
Labulla mit Hilfe des binokularen Mikroskops genauer analysieren zu
10. Heft
78 Ulrich Gerhardt:
können. Diese Hoffnung hat sich verwirklichen lassen, dadurch, daß
ich ım Maı 1921 ın Breslau Material von Linyphia montana
und ım August in Gamburg solches von. Linyphia triangularis und
Labulla thoracica unter sehr günstigen Bedingungen beobachten
konnte. Dabei zeigte sich zweierlei: Einmal, daß der ganze Mechanıs-
mus der „gekreuzten“ Insertion, die Art des Aufschwellens und Kolla-
bierens der Tasterblase neben dem Gesamtverhalten der Tiere zwar
bei allen drei Arten übereinstimmt, daß aber die ganz spezielle Funktion
des Embolus und Konduktors während der Begattung sich bei Labulla
total verschieden abspielt wie bei Linyphia. Es ist mir nicht möglich
gewesen, andere Linyphiiden mit langsm, besonders differenziertem
Embolus, wie etwa Linyphia frutetorum Sund. oder L. pusilla
Sund., zu beobachten; für die Feststellung, wie weit, im Gegensatz
zum gemeinsamen allgemein-biologischen Verhalten bei der
Begattung, dis physiologische Funktion der Tastertejle durch
solche morphologischen Spezialisierungen verändert wird, wäre das
Studium gerade solcher Formen natürlich besonders wichtig. Doch
kann gesagt werden, daß Labulla ın dieser Beziehung das am meisten
differenzierte einheimische Objekt darstellt und daher ganz besonders
instruktiv ist, in dieser Hinsicht auch von keiner anderen deutschen
Linyphide übertroffen werden kann.
1. Linyphia montana Cl. und L. friangularis Cl.
a) Bemerkungen über Vorkommen und Lebens-
weise. Da die beiden Arten oft verwechselt werden, ist folgender
Hinweis vielleicht zweckmäßig: Linyphia montana ist keine „Berg-
spinne‘, wıe der Name sagt, sie findet sich überall in Deutschland.
und zwar im Frühjahr. Schon am 12, April häutete sich bei mir
ein Weibchen,- das ich ım vorletzten Stadium unter Weidenrinde
bei Pirscham gefangen hatte. Anfang dieses Monats findet man an
Ohle und Oder überall dieses Stadium unter den Rindenschuppen
alter Weidenbäume, oft mehrere Tiere gleichzeitig unter einer Schuppe.
Die Spinne ist viel größer als L. friangularis und eigentlich kaum
mit ıhr zu verwechseln. Ihre Netze spinnt sie mit Vorliebe ın Winkeln.
sei es von Bäumen, sei es von Erdlöchern, Mauern, leerstehenden
Gartenhäusern etc. Linyphia triangularis dagegen wırd ım August
geschlechtsreif, kommt dann ım Freien so ziemlich überall vor, wo
Pflanzen wachsen, in Wäldern, an Hecken, auch zwischen nıederem
Gestrüpp, obwohl da andere Arten vorwiegen. Außerdem ist sie.
außer an der weißen Zeichnung des weiblichen Hinterleibes, leicht
zu erkennen an den großen Cheliceren der Männchen, die
aber, wıe früher erwähnt, keine Rolle bei der Kopulation spielen. '
Unrichtig sind daher Bösenbergs (16) Angaben, der beide
Arten vom Mai ab geschlechtsreif sein und an den gleichen Oertlich-
keiten vorkommen läßt, die nur für L. friangularis zutreffen. Dagegen
gibt Menge richtig die biologischen Unterschiede beider Arten an.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 79
b) Was den Bau der männlichen Taster anbelangt, so
sınd die Unterschiede beider Arten relativ gering. Für beide ist
charakteristisch 1. das Vorhandensein eines schmalen, kleinen, band-
förmigen Paracymbium, das bei L. friangularis länger und stärker
gebogen ist, 2. das Vorkommen eines außerordentlich stark spiral-
gewundenen, derben Konduktors), der von dem feinen, borstenförmigen
Embolus in allen seinen schneckenförmigen Windungen begleitet wird.
Bei dieser prinzipiellen Uebereinstimmung ım Bau ist natürlich von
vornherein gleiche Funktion der Teile des Bulbus zu erwarten, und
ın der Tat sind auch die Unterschiede in der Art der Insertion des
Tasters, sowie der Spermaaustreibung nur geringfügiger Natur.
c) Der äußere Verlauf der Begattung ist oft be-
schrieben worden und das, auch von anderen Linyphien, in dieser Be-
ziehung Bekannte von mir (l. c. S. 164) zusammenfassend besprochen
worden. Hier handelt es sich um den Mechanismus der Tasterinsertion
und die Funktion seines komplizierten Bulbus während der Samen-
übertragung. Für das Studium dieser Vorgänge stellt Linyphia mon-
tana das geignetere Objekt dar, einmal wegen ihrer beträchtlichen
Größe, auch der relativen der Bulbi, und dann vor allem, weil be;
ihr die Abrollung des Bulbus langsamer vor sich geht. Nicht ganz
übereinstimmend ist bei beiden Arten die Art der Befestigung des
Paracymbium an der Epigyne, doch ıst dieser Unterschied unterge-
ordneter Natur.
Um die Begattung der Linyphien zu verstehen, ist es notwendig,
auch hier kurz auf den Bau der Epigyne und der Samen-
taschen des Weibchens einzugehen. Wie häufig geschildert, ist
bei beiden hier ın Betracht kommenden Arten die Epigyne dadurch
ausgezeichnet, daß sie zwei außerordentlich große Oeffnungen trägt.
die ın die sehr weiten Einführungsgänge der Samen-
taschen führen. Diese Gänge stellen Hohlkegel dar, die an der
Spitze die eigentliche sehr kleine Samentasche tragen, und ihre Innen-
wand ist mit einer spiraligen Chitinleiste versehen, die ein genau
passendes Muttergewinde für den Konduktor des männlichen Tasters
darstellt.
Was nun den Insertionsmodus unserer beiden Linyphien be-
sonders auszeichnet, ist, dal der Konduktor mit allen seinen Windungen
(denen der dünne Embolus in einer Rıwne folgt), in zusammenge-
rolltem Zustand ın den Hohlkegel derjenigen Samentasche eingebracht
wird, die ihm nicht gegenüberliegt, sondern auf der anderen Seite des
weiblichen Körpers liest. Wenn zwei Linyphien in Kopulationsstellung
gegenüberhängen, so muß, da die Vorderseiten der Tiere gegenein-
ander gerichtet sind, und die beiden Taster des Männchens von vorn
her an die Epigyne stoßen, der rechte Taster des Männchens
!) Auf die Frage, welches Organ des Bulbus genitalis bei den hier in
Rede stehenden Linyphiaarten als „Konduktor“ zu bezeichnen sei, wird im
morphologischen Teil ausführlich eingegangen werden.
10. Heit
80 Ulrich Gerhardt:
vor der linken Samentaschenöffnung des Weibchens liegen.
und umgekehrt. Es wäre also das Nächstliegende, anzunehmen, der
rechte Taster dringe ın die linke Samentasche ein und umgekehrt. Das
ist aber nicht der Fall, sondern der Embolus des rechten Tasters
muß schräg nach links hinübergreifen und in die rechte Samen-
tasche zu gelangen suchen. Insertion des rechten Tasters in die linke
Samentasche und umgekehrt ist nicht möglich, da das Schrauben-
gewinde dieser beiden Organe nicht zusammen passen würde.
Um nun diese Umschaltung des Tasters zu bewirken, so daß er
seine durch Befestigung seiner Fortsätze an den Seiten der Epigyne
bewirkte Lage nicht verändert, ist es nötig, daß der Torsions-
mechanismus des Belbus so funktioniert, daß er den rechten
Embolus nach links und den linken nach rechts dreht. Es ist mir aus
dem, was ich Hunderte von Malen gesehen habe, doch nıe ganz klar ge-
worden, ob dieses Hineindirigieren des Konduktors und Embolus ledıg-
lich durch Blutfüllung des Bulbus oder auch durch eine Muskel-
wirkung in seinen peripheren Teilen erzielt wird. Was man bei Liny-
phia montana beobachten kann, ıst folgendes: Sobald das Männchen
dem Weibchen gegenüber die richtige Stellung eingenommen hat, drückt
es die Streck- (Doral-) fläche des letzten Tastergliedes locker gegen
den oralen Rand der Epigyne. Der Konduktor mit dem Embolus liegt
ın der Ruhestellung des Tasters, dem Cymbium parallel, distal-
wärts gerichtet. Er wird nun, unter geringer Aufschwellung der
Tasterblase aus dem Schiffchen, an dessen Außenkante vorbei,
durch zweimalige Spiraldrehung der peripheren Bulbusteile, herausge-
wunden, wobei er im Sinne einer Pronation, also medianwärts,
gedreht wird.
Dies erste Stadium, des Hervordrückens des Embolus, kann nun
besonders gut dann verfolgt werden, wenn — was im Beginn der Be-
gattung häufig vorkommt — der Konduktor an eine. falsche Stelle
gerät. Das kann, wenn das Männchen noch nicht richtig orientiert
ist, die verkehrte Samentasche, oder auch eine Stelle außerhalb der
Epigyne sein. Bei einem Paar kam das Männchen deshalb nicht zu-
recht, weil das Abdomen des Weibchens durch Hunger stark ge-
schrumpft war, und der Konduktor irrte bei jeder Ausstülpung zwischen
den Coxen, seitlich vom Sternum des Weibchens, herum. Gerade diese
Phase ist es, bei der mir nicht klar geworden ist, ob nicht Muskel-
aktion. beim. Hervorschnellen ‚des Embolus mitwirkt.
Wenn nun der Konduktor mit dem Embolus die schräg gegenüber-
liegende Samentasche erreicht hat, so dringt der Kegel, den sein
ganzes Convolut bildet, wıe ein Zapfen geschlossen in die Samen-
tasche ein. Interessant war mir dabei die folgende Beobachtung:
. Am 15. April erfolgte eine Begattung eines Männchens von Linyphia
montana mit einem am 12. gehäuteten Weibchen. Zunächst schlugen
die Insertionsversuche fehl, dann aber drang der eine Köndikiöet in
die entsprechende Samentasche ein und blieb ungefähr 2’ inseriert.
Dasselbe erfolgte unmittelbar darauf auf der Gegenseite. Nun erst
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 81
waren die vorher engen Samentaschenöffnungen so stark erweitert, wie
es der weitere Verlauf der Begattung erforderte, und so erfolgten
darauf regelmäßig alternierend die normalen kurzen Insertionen beider
Taster. Sind die weiblichen Begattungsöffnungen derartig ausgeweitet,
so scheint beı richtiger Stellung des Männchens ıhr Verfehlen nur noch
schwer möglich, und es kommt auch nur noch höchst selten vor.
Ist der Kegel des Konduktors in den Hohlkegel des Samen-
taschenganges hineingepreßt worden, so wird nun, was sich verfolgen
läßt, durch die weitere Ausdrehung des Bulbus, unter Entfaltung der
Tasterblase, der Verlauf seiner Windungen gelockert und dadurch der
Durchmesser des Kegels vergrößert, so daß er sich eng in die Win-
dungen des Samentaschenganges hineinlegt. Was der Embolus selbst
hierbei tut, kann nicht gesehen, sondern nur geschlossen werden. Es
kann aber kaum einem Zweifel unterliegen, dal er bei der maximalen
Entfaltung des Bulbus ın dem fixierten Gewinde des Konduktors vor-
wärts getrieben wird und in die kleine Samentasche selbst eindringt.
Nun erweitert sich der Basalteıl des Bulbus rasch zur weißen,
nur leicht gelblich erscheinenden, äußerlich glänzenden, mit etwas trüb
durchsichtigem Inhalt gefüllten Tasterblase, die etwa nieren-
förmig aussieht und, was eine Ausnahme unter den Spinnen darstellt.
lateral vom Cymbium des Tasters liegt. Wie bei allen Linyphiden
schwillt sie erst zwar nıcht langsam, aber stetig, dann tritt sie mit einem
plötzlichen Ruck völlıg aus, wobei ihr Rand sich pilzhutförmig über die
chitinösen Teile des Bulbus legt. In diesem Stadium erreicht sie etwa
!/;, der Größe des weiblichen Hinterleibes, also sehr bedeutende Dimen-
sionen. Die fibrilläre Streifung ıhrer Wand, die Menge dazu ver-
leitete, muskuläre Struktur anzunehmen, ist sehr deutlich zu sehen. Im
ersten Stadium der Begattung vor der Samenaufnahme des Männchens.
beträgt die Dauer der maximalen Expansion der Blase nur wenige Se-
kunden, später dauert sıe länger.
Während nun diese Blase zu dem Maximum ihrer Ausdehnung
aufschwillt, werden die peripheren, d. h. distal von der Tasterblase
gelegenen, Teile des Bulbus immer weiter spiralig gedreht. Außer
der erwähnten Abrollung des Embolus bewirkt dies eine Gegenein-
anderdrehung aller der chitinösen Teile, die den verhornten Abschnitt
des Bulbus bilden. Ich sehe bei Linyphia montana drei große Dornen,
die nach der Mengeschen Terminologie als „Retinacula” zu
bezeichnen wären, und deren einer als hornartiger Fortsatz parallel
zum Konduktor liegt, ventral von ihm verlaufend, während dorsal
von ihm ein zweiter, stark verhornter, bogenförmig gekrümmter Fortsatz
liegt. Diese beiden Retinacula gehören dem Teil des Bulbus an, den
der Samenkanal in seinem distalen Teil durchzieht (Samenrohr-
behälter Karpinskis [5] und für den Meisenheimer (49)
neuerdings den Namen Stema anwendet, mit dem Menge ursprüng-
lich den gesamten Bulbus genitalis benannt hatte. An dem von Bert-
kau (4) als „Träger“, von Karpinski als Samenbehälter.
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10, 6 10. He
32 Ulrich Gerhardt:
von Meisenheimer als Spermakanalkapsel bezeichneten
weiter proximal gelegenen Bulbusabschnitt, in dem der Spermophor ge-
wunden mit seinem blinden Ende liegt, Be schoen weiterer distal
gerichteter Fortsatz.
Be: Linyphia triangularis fehlen diese Retinacula, so -daß der
Bulbus einfacher gestaltet ıst. Hier findet sich nur dorsal undvesenl
vom schneckenförmig gewundenen Konduktor je ein lappenartiger Fort-
satz, von dem der dem Cymbium zugekehrte von Meisenheimer
als rung estuck des Embolus bezeichnet wird. Oster-
loh, von dem Meisenheimer diese Terminologie übernommen
‘hat, nennt den spiraligen Konduktor ; „Retinaculum“, das Pa-
racymbium „Retinulum“. Auf diese Bezeichnungen wird später im
morphologischen Teil einzugehen sein. Hier handelte es sich nur um
eine Feststellung der in Betracht kommenden Teile des Bulbus.
Bemerkt seı noch, daß, im Gegensatz zu Labulla thoracica bei
den beiden in Rede stehenden Linyphiaarten das IV. Tasterglied be-
sonderer Fortsätze entbehrt.
Bei Linyphia montana ıst nun deutlich zu sehen, wie der dorsale
Fortsatz am Bulbuskörper sich bremsend gegen den oberen Rand der
Epigynenleiste stemmt und dann bei der unteren Ausdrehung der Bulbus-
teile ein punctum fixum bildet. Nun legen sich ım Verlauf dieser
Drehung die übrigen Fortsätze des Bulbus schräg übereinander und
werden fest zusammengepreßt. Sie geben einander offenbar gegen-
seitig einen Halt und erlauben dem nicht chitinisierten peripheren Teil
des Bulbusschlauches, den Embolus tiefer in die Samentasche hinein-
zudirigieren, wenn sıe selbst sich vollständig abwickeln. Die Rolle des
Paracymbıum beı der Kopulation scheint die einer allgemeinen,
allerdings nur lockeren topographischen Fixierung des Bulbus am oralen
Rand der Epigyne zu sein. Deutlicher ist sie erkennbar bei Linyphia
triangularis, bei der das bandförmige, gebogene Paracymbıum den Rand
der freien Samentasche halbkreisförmig umfaßt und so diese
fixıerende Rolle klar erkennen läßt, noch deutlicher bei Leptyphantes
nebulosus (s. S.75).
Der Mechanismus der Eindrehung des Konduktors und Embolus.
der Abrollung aller weichhäutigen Bulbusteile und der maximalen Füllung
der Tasterblase mit Blut hat, wıe seitBertkaus Beobachtungen an
Micrommata virescens bekannt, zur Folge, daß die blutgefüllte Blase
aus dem blinden Samenschlauch das Sperma in den Embolus und durch
ihn in die Samentasche hineintreibt. Zuerst geht diese Austreibung
des Samens sehr rasch vor sich, und die Blase bleibt nur einige Sekunden
“ geschwollen. Nur ganz kurze Zeit nach diesem Zeitpunkt ıhrer größten
Ausdehnung beginnt die Tasterblase zu collabieren, ihre Wand wird
faltıg, und, wie dies Karpinski ähnlich für Dictyna arundinacea
Schilder. | wie es wohl bei allen Spinnen mit einigermaßen großer
Hämatodocha festzustellen ist, sinkt die Blase nach einer Furche hiade,
sammen, die in der Verlängerung des auf ıhr liegenden Cymbium über
ihre ganze Breite hin verläuft. Dies Kollabieren der Blase ist das erste
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 83
Zeichen, daß "der Taster wieder aus der Epigyne gelöst werden soll.
Es folgt darauf eine Rückwärtsdrehung der ausgerollten, peripher von
der Blase liegenden Bulbusteile, und dadurch müssen die Windungen
des im Samentaschengang liegenden Konduktors wieder enger zusammen
und der Embolus muß in die Schneckenwindungen des Konduktors zu-
rückgezogen werden. Damit ıst nun die Möglichkeit gegeben, den in
toto gelockerten Kegel der Konduktorwindungen ebenso, ohne weitere
Spiraldrehung, einfach durch Ziehen, aus dem Samentaschengang zu
entfernen, noch bevor alle Windungen des Bulbus wieder völlig zu-
sammengewickelt sınd. Sowie aber der Konduktor wieder frei geworden
ist, erfolgt diese endgültige Zusammenrollung und er schlägt sich in
einem Winkel von mindestens 120° ın das Cymbium zurück. Nun wird
er mit dem Embolus (nicht aber andere Teile des Bulbus) durch die
Kiefer des Männchens gezogen. In meinem eben von Linyphia mon-
tana beschriebenen Fall war es sehr auffallend, daß das Männchen
stundenlang dies Durchziehen immer neunmal wiederholte, später kam
es auch achtmal vor.
Wenn die richtige Stellung einmal eingenommen ist, und die Ein-
gänge zu den Samentaschen eine genügende Erweiterung erfahren haben.
so funktioniert das alternierende Einsetzen beider Taster mit dem
eingeschalteten Putzen des Embolus durch die Kiefer geradezu wie ein
Uhrwerk und wird, bei Linyphia montana länger als beiL. triangularis,
stundenlang fortgesetzt, bis die völlige Entleerung beider Taster-
schläuche, deren Neufüllung mit Sperma notwendig macht. Dieser
Punkt kann beiLinyphia triangularis schon nach ungefähr einer Stunde
erreicht sein, bes L. montana tritt er frühestens nach ca. 2 bıs 3,
beı Labulla thoracica gar erst nach 4 Stunden ein. Wenn er herannaht.
so wird die Expansionsdauer der Blase, bei allen Linyphiden wie auch
bei Erigone, länger, der ganze Mechanismus der Spermaaustreibung
arbeitet langsamer. Das ist auch sehr gut zu begreifen, denn wenn nur
noch wenig Sperma im Spermophor enthalten ist, so ıst eine stärkere
Pressung der ın der Haematodocha aufgestauten Blutflüssigkeit not-
wendig, um diesen Rest hinauszubefördern.
Weniger leicht erklärlich scheint mir dagegen der weitere Umstand,
daß nach der Wiederfüllung des Spermophors die Ex-
pansionen der Tasterblase erst recht immer länger und länger werden.
so daß sie zuletzt bis 2° stehen bleibt. Es könnte sein, daß die Füllung
des Samenschlauches nur unvollkommen wäre; das glaube ich aber nicht
wegen der Erfahrung an Labulla, bei der ein Männchen, wenn der
Taster noch nicht genügend gefüllt ist, sofort einen zweiten Samen-
tropfen absetzt und aufnimmt (S.12). Vielmehr muß wohl eine Er-
müdung des ganzen Uebertragungsapparates mitspielen, die eine
keineswegs erstaunliche Erscheinung wäre, da bei den langwierigen
Kopulationen der Linyphiiden zweifellos sehr große Anforderungen
an die Kräfte der Männchen gestellt werden. Zu erwähnen ist dabeı
noch ein anderer Vorgang: Wenn im ersten Begattungsstadium die
Tasterblase für kurze Zeit entfaltet wird, so zuckt das Männchen
6* 10. Heit
84 Ulrich Gerhardt:
einmal mit dem Hinterleib in ventraler Richtung. Steht”’aber, in der
zweiten Phase nach der Spermaaufnahme, die Blase lange Zeit in
vollem Umfang, so zittert und klopft der männliche Hinterleib viel
stärker und oft hintereinander.
Es ıst nun bei Spinnen der verschiedensten Familien (soweit die
Männchen mit Cymbiumtastern ausgestattet sind) zu beobachten, daß
bei der Expansion der Tasterblase, besonders da, wo sie wiederholt und
rhythmisch auftritt, der Hinterleib, oder auch bestimmte Fußpaare,
jedesmal zucken. Es fragt sich, ob dies, wie ich früher angenommen,
habe, ein rein reflektorischer Vorgang sei, der eine Folgeer-
scheinung der jedesmaligen Anfüllung der Blase mit Blut darstellt, oder
ob die Schwellung der Blase sekundär auftritt, und eine aktıve Be-
wegung des Hinterleibes das Primäre ist. Diese zweite Auffassung
vertritt Mc. Cook (48): The action of the ... part is as follows:
The male applies to te genital cleft of the female the anterior face
of his palp, and by numerous contractions of the abdomen in which
the subcutaneous muscles take part, forces the blood through the orifice
into the cavity of the haematodocha.“
Ich bin nicht überzeugt davon, daß ein derartiges aktives Ein-
treiben des Blutes durch Körperbewegungen des Männchens das Haupt-
moment bei der Schwellung der Tasterblase und der Austreibung des
Spermas bildet. Bei Linyphia (montana und friangularis) scheint mir
die erste Hervorstreckung des Embolus zwar, wie erwähnt, unter
aktiver Muskeltätigkeit (des Palpus?) vor sich zu gehen. Ich glaube
aber, daß die eigentliche Anschwellung der Blase durch einen vaso-
motorischen Reiz bewirkt wird, und daß die gleichzeitigen
Zuckungen des Abdomens sekundär diesen Reflexvorgang begleiten.
Wir müssen uns wohl vorstellen, daß ein Insertionsapparat, der in phy-
siologischer Beziehung dem der Nervi erigentes bei Säugetieren
vergleichbar wäre, die plötzliche starke Blutzufuhr ın den Taster regelt,
und ich möchte es dahingestellt sein lassen, wıe weit das Männchen bei
lang dauernder Begattung (vgl. das ıS. 68 über Steatoda Gesagte), wenn
eine Ermüdung des Tasterapparates eintritt, durch aktıve Preß-
bewegung nachhilft. Dies scheint mir in der Tat in Betracht zu kommen
als Unterstützung des vasomotorischen Vorganges.
Schließlich sei noch erwähnt, daß, abgesehen von den ganz spezi-
ellen Abweichungen in der Befestigung des Bulbus an der Epigyne
prinzipiell die ganze Tätigkeit der Uebertragungsorgane, die Lage der
Tasterblase zum Cymbium etc., bei Linyphia triangularis sıch ebenso.
abspielt wie beiL. montana. Nur ist diese kleinere Art deshalb ein
weniger günstiges Objekt, weil sich die ganze Ausrollung des Bulbus.
bei ihr viel rascher abspielt, als bei L. montana. Für andere deutsche
Linyphiaarten kann ich keine Beobachtungen beibringen, möchte aber
hier nochmals darauf hinweisen, daß trotz der abweichenden Gestalt
des „Samenrohrbehälters“ mit Konduktor und Embolus, auch Lepty-
phantes nebulosus den besprochenen Linyphiaarten darin gleicht, daß.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 85
auch hier Konduktor und Embolus plötzlich tief in die hier besonders
verlängerten Einführungsgänge der Samentaschen gesenkt werden.
2. Labulla thoracica Wid.-Reuß.
Ueber das Vorkommen und die Kopulation dieser durch den
ganz extrem komplizierten Tasterbau im männlichen Geschlecht ausge-
zeichneten Spinne wurde früher (l. c. S. 167), über die Samen-
aufnahme des Männchens. oben auf S.12 berichtet. Hier soll
noch das geschildert werden, was sich im Sommer 1921 mit Hilfe des
binokularen Mikroskops über dıe spezielle Funktion der Tasterteile bei
der Begattung feststellen ließ, und dabei sollen ganz besonders die
sehr beträchtlichen physiologischen Unterschiede gegenüber den beiden
besprochenen Linyphiaarten betont werden. Ich möchte hier noch ein-
mal kurz darauf hinweisen, daß der gesamte Habitus der Begattung, was
Insertionsfolge, Stellung, eingeschaltete Samenaufnahme etc. anlangt,
sich durchaus dem anderer Linyphiden anschließt.
Meine neuen Beobachtungen wurden ın Gamburg ım August 1921
angestellt, an Material, das dem früher angegebenen Fundort entstammte.
Drei Männchen häuteten sich, wie auch einige Weibchen, in der Ge-
fangenschaft, außerdem wurden reife Tiere beiderlei Geschlechts ge-
fangen, so daß ich immer genügendes Material von bestimmt brauch-
baren Tieren hatte.
Kopulationen erfolgten am 16., 24., 28. August, sowie am
1. und 2. September, an den beiden letztgenannten Tagen bei je zwei
Paaren. Die Beobachtung mit dem Binokular war nicht nur von oben
her (bei Tieren, die ihr horizontales Netz nahe der Oeffnung des
Glasgefäßes hatten, in dem sie gehalten wurden), sondern auch ım
Profil und schräg von oben möglich, dann allerdings durch die nur un-
wesentlich störende Gefäßwand hindurch.
In gröberen Zügen wurde die Verwendung des männlichen Tasters
von Labulla früher schon geschildert, auch Abbildungen (l. c. Taf. II.
Fig.6,a,b) seines Baues gegeben. Es wird hier aber zum Verständnis
des Folgenden nötig sein, noch auf einige morphologische Einzelheiten
einzugehen.
Der Bulbus genitalis von Labulla thoracica fällt schon
bei Betrachtung mit bloßem Auge durch seine Größe, die die
des gleichen Organes bei Linyphien wohl um das Dreifache über-
trifft, ferner schon bei Lupenvergrößerung durch den sehr langen
Embolus auf, der in zwei ’Kreisbogen den Körper des Bulbus
umzieht. Dieser Bulbus selbst ist nun sehr kompliziert gebaut, und
der Grund dieser Kompliziertheit ist nur aus der Beobachtung des
tätıgen Organes heraus verständlich.
Fig.29 Taf. III soll die wesentlichen Teile des ruhenden linken
Bulbus in Ventralansicht darstellen: Am IV. Tastergliede springt eın
stumpfer Zapfen, der „Einsetzer‘ (Karpinskı) vor, das
V. Glied (Cymbium) ist schmal, blattförmig, gekrümmt und behaart.
10. Heft
86 Ulrich Gerhardt:
Am Bulbus selbst lassen sich zwei Hauptteile unterscheiden: der
„Samenträger (Karpinski), der etwa ein Viertel eines Kreises
darstellt, und der in dem großen Konduktor endende periphere
Abschnitt. Dieser Teil trägt einen nach dem Zentrum der etwa kreis-
förmigen Bulbusscheibe hin gerichteten Dorn, der Konduktor selbst
endet mit einem schnabelförmigen Vorsprung, auf dem die Spitze des
saitenförmigen Embolus lieg. Vom IV. Gliede entspringt noch das
schmale, gerade gestreckte, nach der Spitze hin schaufelförmig ver-
ee u ee unregelmäßige Gabelung endende Paracym-
bium.
Wenn nun ein Labullamännchen sich in der üblichen Linyphia-
stellung dem Weibchen gegenüber aufgehängt hat, so ist naturgemäß
der Taster mit der Cymbiumspitze nach oben gerichtet. Das erste,
was geschieht, ıst, daß der Einsetzer des IV. Gliedes sich von außen
her quer vor die Epigyne legt, und zwar ist diese Befestigung nur
lockerer Natur. Sobald so ganz allgemein die Lage des Tasters fixiert
worden ist, erfolgt ein völliges Umklappen des Bulbuskörpers um 180°
in der Richtung nach innen, durch das die schnabelförmige Spitze des
Konduktors in die Samentaschenöffnung der gekreuzten Seite, also
rechts zu rechts und umgekehrt, eindringt, und zwar nur ganz ober-
flächlich. Nun wird die bis dahin von oben nicht sichtbare Dorsal-
fläche des Bulbus nach oben gedreht, und mit ıhr die Wurzel und
der gesamte Verlauf des Embolus_ sichtbar.
Sowie die Spitze des Konduktors ın der betreffenden Samen-
tasche Halt gewonnen hat, beginnt die Abwickelung des Embolus.
Er gleitet in einer Schiene, die von zwei Stücken gebildet wird und
die dadurch hergestellt wird, daß an beiden ein übergebogener Rand
eine Rinne bildet, in der der Embolus gleiten kann. Diese Rinne liegt
am Innenrande der Peripherie des Kreissegmentes (fast °/,), das die
beiden Stücke zusammen bilden. In dieser Falte gleitet der Embolus
wie eine Uhrfeder, bis etwa ?/, seiner Länge abgewickelt sind. Dann
tritt er aus ihr heraus, die Schlinge, die sein proxinaler Teil noch
bildet, wird immer enger, und so rollt er sich bis zu seinem Ursprung
vollständig in die Samentasche hinein. Während des ersten Stadiums
der Abwickelung, so lange der Embolus noch in seiner Schiene gleitet,
bleiben die einzelnen Teile des Bulbus gegeneinander noch unver-
schoben, obwohl die Tasterblase an seiner Basıs bereits anzuschwellen
beginnt. Sobald der Embolus ın die Samentasche völlig eingedrungen
ist, schwillt an seiner Wurzel eine kleine, glashelle, ovale, weiße Blase
auf, die offenbar dem entspricht, was Meisenheimer (49) als
Haematodochula bezeichnet. Es läßt sich während der Ab-
wickelung des Bulbus deutlich verfolgen, daß diese kleine Endblase
durch ein schlauchförmiges Verbindungsstück, das allen Windungen der
Bulbusspirale folgt, mit der Hauptblase in Verbindung steht. Außer-
dem erfolgt nun, nachdem der Embolus unsichtbar geworden ist, die
völlige Ausstülpung der Tasterblase und gleichzeitig eine
spiralige Zusammendrehung des peripheren Bulbusabschnittes, die prin-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 87
zipiell dasselbe darstellt, wie es von Linyphia beschrieben wurde, in
dem Mechanismus der einzelnen funktionierenden Teile aber sehr stark
abweicht. Zunächst werden die drei Stücke a, b und’ c so zusammen-
gedrückt, daß sie sich wie drei Schraubenflügel schräg überlagern
und sich offenbar gegenseitig einen Halt geben. Ferner preßt sich
das gabelförmige, starre Paracymbium außerordentlich fest gegen
die orale Wand der Epigyne und umfaßt deren medianes Septum.
Es bildet dadurch das wesentlichste punctum fixum für die völlige
Ausdrehung des gesamten Bulbusapparates, um das sıch die anderen
Teile herumdrehen. So ıst jeder der Teile des ganzen komplizierten
Apparates beschäftigt, und am Ende der Abwickelung hat der aus-
gerollte Taster in sich die nötige Festigkeit gewonnen, Jetzt quillt,
ganz wie bei Linyphia, die gelbe Tasterblase, die hier aber auf der
Medianseite des Cymbiums liegt, in ganzer Größe hervor, über-
lagert die unter ihr gelegenen Chitinteile, und, nachdem sie mit einem
Ruck sich maximal erweitert hat, beginnt sie wieder zu kollabieren.
Nun wiederholt sich der ganze geschilderte Prozeß im umgekehrten
Sinne; während die Blase kollabiert, wickeln sich die zusammengelegten
Bulbusfortsätze wieder auseinander, und das Herausziehen des Em-
bolus aus der Samentasche beginnt. Dabei braucht er nicht der Rinne
seiner beiden Leitstücke zu folgen. Der Konduktor zieht sich aus der
Samentaschenöffnung zurück, wenn ein Teil der Windungen des Em-
bolus noch in ıhr liegt, und oft wird deren Schlußpartie mit ziemlicher
Gewalt herausgezerrt, um, sobald das Ende frei geworden ist, sich
wieder in die normalen beiden Kreiswindungen der Ruhelage zu be-
geben. Beim Herausziehen selbst sieht man die korkzieherartigen
Windungen, die der Embolus durch den Aufenthalt in dem Samen-
taschengang angenommen hat. Es kommt häufig vor, daß der Embolus.
wenn er mit Anstrengung aus der Samentasche gezogen worden ist,
sich erst sehr schwer wieder in seine normalen Windungen legt und
noch einige Sekunden ein Stück weit über die Spitze des Konduktors
frei hervorragt. Dann hilft das Tier mit den Kiefern nach und schiebt
das Organ wieder ın die richtige Lage. Da der gebrauchte Taster
auch bei Labulla jedesmal nach der Extraktion seines Embolus durch
die Cheliceren gezogen wird (immer etwa 8 mal), so wird der Kon-
duktor, wie übrigens auch bei Linyphia, von zähem, bläulichweißem
Speichel bedeckt, der dann auch an den Eingängen zu den Samen-
taschengängen haften bleibt. Wenn der Taster aus einem dieser beiden
herausgezogen ist, so sieht man in dem Hohlraum des Kanals gleich-
falls derartige Flüssigkeitsmassen, die dann allmählich in die Tiefe
sinken. Ich vermag nicht zu sagen, inwieweit es sich hierbei um Sekret
der männlichen Kieferdrüsen oder etwa um Sperma handelt, glaube aber
beı der Kleinheit des in den Tasterschlauch aufgenommenen Sperma-
tropfens nicht, daß die Samenflüssigkeit in solchen Massen in die
Samentaschengänge ergossen werden kann, daß sie sie sichtbar an-
füllen könnte.
Zuweilen ereignet es sich, daß der Konduktor bei der Insertion
10. Heft
38 Ulrich Gerhardt:
des Bulbus zwar an der Epigyne Halt gewinnt, aber in einer ver-
kehrten Richtung, Dann rollt sich der distale Teil des Embolus
außerordentlich rasch, wıe eine losgelassene Sprungfeder, über die
Bauchfläche da Weibebensib > aus, wird aber natürlich sofort zurück-
gezogen, und der Versuch der Bells ‚wird wiederholt. Dabei
ist es auffallend, daß, wenn einmal ein Insertionsversuch in dieser
Weise mißlungen ist, dies meist noch bei einigen folgenden passiert.
Aber nur sehr selten wırd dann die Einführung dieses Tasters auf-
gegeben, der Embolus mit den Cheliceren eifrig bearbeitet und neu
inseriert, bis er schließlich an die richtige Stelle gelangt.
Beı Labulla thoracica dauert in der ersten Phase der Be-
gattung die Insertion ca. 28”. Nicht wesentlich länger wird sie gegen
das Ende dieser Phase, die etwa 4 Stunden in Anspruch nımmt.
Dann erfolgt die oben (S.12) beschriebene Samenaufnahme
(beı Labulla sjedesmal nur einmal, allerdings 2 mal als Auf-
nahme zweier Spermatropfen während einer Begattungsserie beob-
achtet), und nach ıhr verlängert sich die Dauer der einzelnen Ex-
pansionen sichtlich (2, später 4°). Dabei erfolgt aber die Abwickelung
des Embolus und damit de Abrollung aller peripheren Bulbus-
teile ebenso rasch wie ım Anfang, so daß bei diesen Vorgängen
keine Ermüdungserscheinungen wahrnehmbar sind. Es erscheint eben
nur der vasomotorische Reflex verlangsamt.
In diesem Stadium der verlangsamten Schwellung der Haemato-
docha ist ferner zu beobachten, daß, was in der ersten Phase nie
geschah, sehr häufig ein Taster mehrere Male hintereinander gebraucht
wird. So wurde bei einem Paar, das am 16. August von 9 Uhr
morgens an bis 1 Uhr ununterbrochen in fast absolut regelmäßigem
Wechsel der Taster kopuliert hatte, um 1° die Tasterfüllung voll-
zogen und 1° die Begattung fortgesetzt. Nun wurde die verlängerte
Expansionsdauer der Blase, häufiges Abrutschen des Embolus von
der Epigyne und, gegen '/s3 Uhr, fünfmaliger Gebrauch des lınken
Tasters hintereinander beobachtet. Außerdem trennte sich das Paar
jetzt öfter spontan, um aber immer wieder gleich darauf sich zu
vereinigen, aber erst 3” erfolgte die endgültige Trennung der beiden
Tiere.
Daß bei Labulla die Kopulation im ganzen länger dauert als
bei Linyphia dürfte seinen Grund vor allem in dem größeren Fassungs-
vermögen des Spermophors haben. Das Paar vom 16. August ee
am n. um 3/1 Uhr mittags abermals in copula angetroffen und
verblieb in dieser Tätigkeit bis abends 8'/; Uhr; die Beobachtung
wurde dann abgebrochen. Nach 5 Uhr betrug die Insertionsdauer
eines Tasters ca. #',
Einmal wurde am 1. September abwechselnde Kopulatıon
eines Männchens mit zwei Weibchen beobachtet; das
Männchen, das zuerst (16. 8.) kopuliert hatte, wurde an drei Tagen
in copula gesehen.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 89
Ich bin aus mehreren Gründen so ausführlich auf die Begattung
der Linyphuden eingegangen: Einmal bietet die Familie wohl unter
allen einheimischen Spinnen die geeignetsten Objekte für die Beob-
achtung einer langen und in ı verschiedenen Phasen zu studierenden
Begattung. Dann wird bei keiner anderen, hier vorkommenden Spinnen-
gruppe (außer etwa den Micryphantiden) die Insertion des
Tasters so oft immer wiederholt, und daher kann man gerade bei den
Linyphuden auch immer wieder die Eindrücke, die man von der schwer
zu verstehenden Verwendung der Tasterapparate empfängt, aufs neue
nachkontrollieren. Drittens ıst der Linyphudentaster auch bei den land-
läufigen Formen schon außerordentlich kompliziert gebaut, und es ist
sehr lehrreich, bei einer Vergleichung der Anwendung der ver-
schiedenen Tasterformen gerade an solchen komplizierten und hoch
spezialisierten Bildungen zu sehen, wie die einzelnen Bestandteile des
Bulbusapparates funktionieren und miteinander zusammenarbeiten. End-
licn ıst der große Unterschied, der in der Biologie des Uebertragungs-
und Austreibungsapparates zwischen Linyphia und Leptyphantes
auf der einen, Labulla auf der anderen Seite besteht, ein Beweis dafür.
wie bei grundsätzlich gleichem, allgemein-biologischem Kopulations-
modus große anatomische mit ebenso großen physiologischen Diffe-
renzierungen Hand in Hand gehen können.
Unsere gemeinen Linyphiaarten, insbesondere L. friangularis,
sind, seitdem überhaupt Zoologen auf die Begattungsweise der Spinnen
aufmerksam geworden sind, also seit Listers, Clercks und de
Geers Zeiten, immer die beliebtesten Objekte für das Studium dieses
Vorganges gewesen. Das liegt vor allem daran, daf® man kaum beı
Gliedern einer anderen Spinnenfamilie so leicht und so lange die Be-
gattung im Freien beobachten kann. Walckenaers, Menges
und Westbergs schöne Beobachtung an einheimischen Formen
(Linyphia triangularis, Tapinopa longidens, Stylophora concolor)
werden ergänzt durch Dönitz’ [s. Strand (65)] Schilderung der
Begattung der japanischen Linyphia yunohamensis Bös. et Str.
und die Mc Cooks (48) von dem gleichen Vorgang bei Liny-
phia marginata, dem auch Becker (3) eine kurze Beschreibung
widmet.
Wenn aber auch die Linyphüden für die Beobachtung der sexual-
biologischen Vorgänge (Kopulation und Tasterfüllung beim Männchen)
besonders leicht zugängliche Objekte darstellen, so darf doch nicht
vergessen werden, daß es sich bei ihnen um außerordentlich hoch
spezialisierte und differenzierte Organe und Vorgänge
handelt, und daß das Verständnis solcher Fälle nur erlangt werden
kann, durch die Vergleichung mit einfacheren Formen und Ge-
schehnissen, deren gründliches Studium erst das Zustandekommen aller
hier zu sehenden morphologischen und biologischen Besonderheiten
einigermaßen erklären läßt.
10. Heft
90 Ulrich Gerhardt:
XI. Epeiridae (Argiopidae, Araneidae).
Ueber die Kopulation einheimischer Epeiriden habe ich mich
(l. c.) eingehend geäußert, und so bleibt mir hier noch übrıg, diesen Vor-
gang bei zwei Formen zu beschreiben, die mir in dieser Beziehung neu
waren, und deren Begattung noch nicht in der Literatur beschrieben ist.
1. Cyclosa conica Pall.
a) Vorkommen, Lebensweise. Man findet diese Spinne
überall, wo Nadelbäume stehen, aber auch an Obstspalieren und,
wenn auch seltener, in Laubhölzern, die ganze warme Jahreszeit
hindurch. Doch wird man fast nur ım Frühjahr (Mai, Juni)
reife Tiere antreffen, während alle die zahlreichen Exemplare,
dıe ım Herbst in ihren Netzen sitzen, unreif sind und in diesem Zu-
stand überwintern. Die Spinne baut ein verhältnismäßig großes Radnstz,
ın dessen Zentrum sie sich aufhält. Häufig ıst in der Literatur darauf
hingewiesen worden, daß sie, ähnlich wie die Angehörigen der Gat-
tung Argiope, über und unter sich im Netz ein weißes, senkrechtes
Band webt (Stabilimentum, Sımon), das sie mıt den Resten
ihrer Beutetiere beklebt. Daher ist es, besonders bei jungen Tieren,
oft nıcht ganz leicht, die Spinne selbst in dieser Bahn von Fremd-
körpern zu entdecken.
Charakteristisch ist ferner für unsere Spinne der Schüttel-
reflex, den sıe bei leichter Berührung ihres Netzes oder auch ihres
Körpers, besonders aber auch bei vorsichtiger Annäherung, auch schon
ohne direkte Berührung, zeigt. Das ganze Tier schwingt, wie dies auch
junge Kreuzspinnen tun, mit dem ganzen Netz in horizontaler Richtung
so schnell hin und her, daß seine Konturen unklar werden. Zuweilen
gelingt es aber nicht, diesen Reflex auszulösen. Schon bei Annäherung,
mehr aber noch bei Berührung, läßt sich die Spinne sehr häufig plötzlich
am Faden senkrecht fallen, hängt so einige (fünf) Minuten vollkommen
regungslos, um dann wieder ın die Mitte des Netzes am:'Faden empor-
zukriechen. Es läßt sich nicht voraussagen, welcher dieser beiden Re-
flexe bei Annäherung der menschlichen Hand an das Tier ausgelöst
werden wird. Der Fang wird durch das plötzliche Fallenlassen in-
sofern erleichtert, als es meist gelingt, eine Glasstube vorsichtig unter das
Tier zu halten und es dann durch Berührung zu zwingen, sıch -hinein-
fallen zu lassen.
Die Nahrungsaufnahme erfolgt wie bei allen Radspinnen
ım Netz, und da die Tiere in der Gefangenschaft leicht, wenn nicht zu
viele in einem Gefäß gehalten werden, Netze bauen, so sind sie auch
leicht zu ernähren. Die Häutung geht auch in der Gefangenschaft
fast immer glatt vonstatten und erfolgt erstaunlich schnell.
Bertkau (8) hat schon darauf hingewiesen, dal Cyclosa, wie
andere Epeiriden, eine zweijährige Entwicklungsdauer besitzt. Tiere.
die kurz vor der letzten Häutung stehen, findet man (wenigstens war
es 1921 der Fall) Ende April. Für mich war bei Breslau eine Fichten-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 91
schonung im Oswitzer Wald der Hauptfundort. Am 30, April fand
ıch ein unreifes Männchen und fünf zum Teil schon reife Weibchen.
Aın 2. Mai hatte ich zwei reife Männchen, drei reife unbefruchtste und
ein möglicherweise schon begattetes Weibehen. Am 3. Maı häutete
sich noch ein Weibchen. Schon am 4, Mai (Bertkau gibt erst den
Juni als Reifezeit an) sah ich die ersten Werbespiele eines Männchens,
die sich auch in den nächsten Tagen wiederholten. Zwei Männchen
wurden zu den Weibchen gesetzt, und beide reagierten auf sie.
b) Werbung, Begattung.
Diese Werbungen der Cyclosamännchen spielen sich gerade
so ab, wie bei allen anderen daraufhin beobachteten Epeiridenmännchen,
d. h., das Tier hängt an einem fast horizontalen, starken, zum Netz des
Weibchens führenden Faden, an dem es unter heftigen Zuckungen des
Hinterleibes mit den Vorderbeinen sehr energisch, ruckweise, zerrt
und reißt, bis ihm das Weibchen entgegenkommt. Höchstens kann viel-
leicht gesagt werden, daß die Schwingungen, in die das Tier durch
diese Tätigkeit am Faden gesetzt wird, beı Cyclosa besonders
stark sind.
Als am 7. Mai vormittags ein Männchen zu mehreren frischge-
häuteten Weibchen gesetzt wurde, umwarb es ein solches äußerst leb-
haft. Das Weibchen kam nun, ganz wie bei anderen Epeiriden, dem
Männcher am Faden entgegen und hing sich, genau wie ein Kreuz-
spinnenweibchen, so dem Männchen gegenüber auf, daß die Gesichter
einander zugekehrt, die Bauchflächen zunächst nach oben gerichtet
waren, wenn auch das Weibchen in der üblichen Weise den Cephalo-
thorax tief senkt. Lebhaft zappelnd versucht nun das Männchen nach
typischer Epeiridenmanier ı in plötzlichen Sprüngen einen Taster ın die
Epigyne zu inserieren, und nach wenigen Versuchen gelang dies, und
es kam zur Kopulation. Wie bei Epeira und Meta wärf sich
das Männchen plötzlich auf die Bauchfläche des Weibchens, so dafs
sein Sternum auf dessen Abdomen lag, der Hinterleib wurde frei ın
die Höhe gehalten. Die Körper der beiden Partner hingen fast parallel,
mit leichter Divergenz nach oben hin. Die Vorderbeine des Männchens
umklammern, nicht sehr fest, den weiblichen Hinterleib, so daß die
ganze Stellung am ehesten an die von Epeira sclopetaria (I. c. S. 144)
beschriebene, weniger an die von Epeira diademata (ibid. Taf. III,
Fig. 6) erinnert, da die plötzliche Umdrehung des Männchens nicht
so heftig ist wie bei dieser Art und ihren näheren Verwandten E. mar-
morea und quadrata.
Mir lag besonders daran, über die relative Größe der Taster-
blase bei dieser Art etwas zu erfahren, weil der ruhende Taster des
Männchens durch eine sehr erhebliche Größe des Bulbus ausgezeichnet
ist, die zwar weit geringer ist, als bei Hyptiotes, aber immerhin den
. Burchschäittn der rößetanderer Epeiridenbulbi wesentlich übertrifft.
Wie bei anderen Epeiriden ist auch bei Cyclosa der MomentderIn-
sertion des Embolus kaum genau zu sehen, weil sich alles viel zu
10, Heft
92 Ulrich Gerhardt:
rasch abspielt. Hier könnte wohl nur kinematographische, Aufnahme
zu einer genauen Analyse der einzelnen Phasen führen, und eine solche
war mir ın diesem Jahre noch nicht möglich. So mußte ich mich, wie
beı anderen Epeiriden, auch hier damit begnügen, den bereits inserierten
Taster (mit 16 facher Lupenvergrößerung, Beobachtung mit dem Bin-
okular war wegen der Schnelligkeit, mit der sich das Ganze abspielt,
nicht möglich) zu betrachten. Ganz auffallend ist die ungewöhnliche
Größe der kugeligen, gelbweißen, durchsichtigen Tasterblase, der relatıv
größten, die ich bei einheimischen Epeiriden bisher sah. Während
beide Tiere in der erwähnten Stellung dicht aneinandergepreßt, etwa
drei Minuten hängen, steht über der Epigyne dieser wasserhelle große
Sack voll ausgespannt, so daf% also auch hier, wie bei allen daraufhin
studierten Epeiriden, nur eine Expansıon der Blase bei einer Insertion
stattfindet. Am Ende dieser Zeit fällt die Blase langsam zusammen,
und der Taster wird dann, wie gleichfalls allgemein bei Epeiriden.
mit einem plötzlichen Ruck aus der Samentaschenöffnung gelöst, und das
Männchen zieht sich rasch vom Weibchen zurück, ohne, wie bei Epeira
diademata, mit einem Sprung zu flüchten.
Ebensowenig wıe bei den bisher beobachteten Epeiriden habe ich
bei Cyclosa genaueres sehen können über die benutzte Samentasche
(ob gekreuzt oder dem Taster gegenüberliegend) sowie über die Funk-
tion des Clavus der Epigyne. Auch die Samenaufnahme des
Männchens gelang mir nıcht zu beobachten.
Es blieb bei dieser einen Begattung, ıch habe aber allen Grund an-
zunehmen, daß ım Freien das Männchen, wie bei allen sonst beob-
achteten Epeiriden (außer Meta segmentata) hinterher nach kurzer
Pause den zweiten Taster anwenden wird.
Vom Bau des Tasters des Männchens wird später im morpho-
logischen Teil noch einiges zu sagen sein.
2. Miranda (Epeira) cucurbitina Cl.
Diese schöne kleine grüne Spinne spinnt ıhr kleines Radnetz ım
Frühjahr an allerlei Sträuchern im Wald und in Gärten. In der ersten
Hälfte Mai 1921 hatte ich bei Deutsch-Lissa ein unreifes Männchen
und ein ebenfalls unreifes Weibchen abgeklopft, und als ich am 26. 5.
von einer Reise zurückkam, hatten sich beide zur Reife gehäutet. Ich
setzte sie gleich an diesem Tage zusammen, und alsbald begann das
Männchen, ganz nach Art anderer Epeiriden, und wie oben für Cyclosa
beschrieben, seine Werbung um das Weibchen, das ihm auch gleich
an dem üblichen Faden entgegenkam und sich, dem Männchen zugekehrt,
wie alle begattungsreifen Epeiridenweibchen mit dem Kopfende nach
unten aufhing. Nach zwei bis drei vergeblichen Sprüngen des Männ-
chens kam es zur Kopulation, bei der der rechte Taster angewandt
wurde, und die, durch eine zufällige Störung unterbrochen, nur ca. 10°
dauerte. Gleich darauf erfolgte aber eine neue Werbung und die In-
sertion des linken Tasters, die zur ungestörten, drei Minuten währenden
Kopulation führte. Die Stellung ist ähnlich wie bei Cyclosa, noch
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 93
ähnlicher der von Epeira sclopetaria, da die beiden Tiere einander
nicht vollständig berühren. Der Hinterleib des Männchens ist steil nach
cben gerichtet, von dem des Weibchens abgewandt, zwischen dem
Sternum des Männchens und der Ventralfläche des weiblichen Abdomen
bleibt ein schmaler Zwischenraum. Die Blase des inserierten Tasters,
die hier blaß goldgelb und verhältnismäßig kleiner ist als bei Cyclosa,
ist deutlich zu sehen, im übrigen gilt für die Beobachtung weiterer
Einzelheiten das Gleiche, was für die vorıge Spezies gesagt wurde.
Auch hier expandiert sich die Blase nur einmal, die für die Epeiriden
allgemein gültige Regel bestätigend.. Weiter erfolgt auch hier die
Trennung sehr plötzlich, dann setzte sich das Männchen still in eine
Ecke des Glases, reinigte seine Taster und hing sich sodann regungslos
dem Weibchen gegenüber auf. -Eine weitere Kopulation wurde ebenso
wenig beobachtet, wie dıe Spermaaufnahme des Männchens. t)
Beide besprochenen Epeiridenformen zeigen eine Bestätigung
meiner Auffassung, daß innerhalb dieser Familie die Begattung, was
Stellung, Insertionsweise des Tasters, Anwendung nur eines Palpus
bei einer Begattung und nur einmaliger Expansion der Haematodocha
betrifft, große Einheitlichkeit herrscht.
3. Argiope.
An dieser Stelle möchte ich noch die Abbildung wiedergeben, die
Emerton (23) von dem Begattungsvorgang der amerikanıschen
Argiope cophinaria Walck gibt. Wie dıe Figur 3 zeigt, ist prıin-
zipiell die Stellung die gleiche, wie bei unseren Epeiraarten, die Uhnter-
schiede sind lediglich durch die Verschiedenheit ın der Größe
der Geschlechter bedingt (s. S. 4).
Spassky (66) hat ziemlich ausführlich die Werbung und sehr
kurz die Kopulation von Argiope bruennichi beschrieben, aus dieser
Schilderung geht gleichfalls hervor, daß das biologische Verhalten dieser
Art sich dem der Epeiraarten auf das engste anschließt, nur scheint
das kleine Männchen noch vorsichtiger bei seiner Annäherung zu ver-
fahren, als daß bei unseren Kreuzspinnen zu beobachten ist. ?)
4. Nephila.
Ferner möchte ich noch kurz auf eine in meiner früheren Arbeit
(S. 119) schon erwähnte, mit der Begattung von Nephila- Arten ın
Verbindung stehende Tatsache eingehen. Die einzigen mir bekannten
Schilderungen der Kopulation hierher gehöriger Arten sind die (I. c.
S. 141) wiedergegebene Darstellung von Göldi und Vınson. Ferner
liegen von Bertkau und Simon Angaben vor über das Vorkommen
von abgebrochenen Embolis in den Samentaschen der Nephilaweibchen.
Simon meint, dieser Befund sei so regelmäßig, daß er die Norm dar-
!) 1923 beobachtet. A. w. d. Korr.
°®) Die Werbung und Kopulation habe ich Sommer 1923 beobachtet.
A. w. d. Korr.
10. Heft
94 Ulrich Gerhardt:
zustellen scheine. Mir liegt ein Präparat der Epigyne einer Nephila
aus Neuguinea vor, in deren Samentaschenmündungen je ein Embolus
steckt. Es erscheint mir nun nicht ohng Interesse, sich zu vergegen-
wärtigen, was ein regelmäßiges Abbrechen des Embolus bei der
Kopulatioı: für notwendige biologische Folgen haben würde. Das
Männchen wäre nach einmaliger Entleerung seiner beiden Taster-
schläuche selbstverständlich nicht mehr kopulationsfähig, und es wäre
besonders nur eine einzige Füllung der Taster in seinem Leben möglich,
Unter allen Umständen würde hierin wie auch in der physio-
logischen nur einmaligen Begattungsmöglichkeit für das Männchen
ein Sonderfall vorliegen. Strand fand bei einem Weibchen von
Cyrtophora doiae aus Neu-Mecklenburg beide Emboli in der Epi-
gyne, daß Bertkau bei Oxyptila, Järvı bei Clastes und Dahl
beı Latrodectus ähnliche Befunde gemacht hat, wurde früher er-
wähnt. Ob bei diesen letztgenannten Arten auch ein regelmäßiger
physiologischer Vorgang dieser Erscheinung zugrunde liegt, entzieht
sich vorläufig unserer Kenntnis.
XI. Tetragnathidae,
1. Tetragnatha extensa L. (Ergänzung).
Jm Sommer 1920 konnte ıch erst sehr spät (8. Sept.) und nur
einmal die so häufig geschilderte Kopulation dieser allgemein ver-
breiteten Spinne beobachten. ') Ihren Verlauf und die einschlägigen
Literaturangaben habe ich (l. c. 149) eingehend besprochen. Hier
möchte ich noch auf einige biologische Tatsachen eingehen, die ich
an reichlichem Material im Frühjahr 1921 kennen gelernt habe.
An einem Wassergraben an einem Waldrande bei Deutsch-Lissa
fand ich am 9. Maı in Menge unreife Tiere beiderlei Geschlechts,
von denen ich einen Teil mit nach Breslau nahm. Als ich nach einer
Reise am 26. Mai dorthin zurückkehrte, hatte ein Paar sich gehäutet,
das beim Zusammensetzen sofort kopulierte, allerdings in einer un-
gewöhnlichen Situation: Ich hatte häufig beobachtet, daß Tetragnathen,
wenn sie trocken gehalten werden, sehr bald sterben, und deshalb
habe ıch sie später immer ın Gläsern gehalten, deren Boden von einer
etwa 2 cm hohen Wasserschicht bedeckt war. Auf der Oberfläche
dieses Wassers hatte nun das verfolgende Männchen das Weibchen
gepackt, das während der im übrigen normal verlaufenden Begattung
auf dem Rücken schwimmen mußte. Im Juni sah ich sehr häufig
Kopulationen dieser Spinnenart ım Netz, und dabei war festzustellen,
daß durchaus nicht immer das Männchen mit Gewalt das Weibchen
an dessen Kiefern mit den seinigen packen muß; öfters kam auch das
Weibchen dem Männchen entgegen und ließ sich ın aller Ruhe er-
greifen.
I) Wie sich später herausstellte, hat es sich damals um die sehr ähnliche
Art T. solandrii Scop. gehandelt. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 95
Ueber die Begattungsstellung ist hier nichts mehr zu
sagen. Dic Insertion und ‚Funktionsweise der Taster wurde sehr häufig
unter dem Binokular beobachtet und dabei festgestellt, daß erstens
Bertkaus Beobachtung richtig ıst, daß der linke Taster in die linke
Samentasche (und umgekehrt) eindringt. Ferner zeigte sich, daß, wie
Menge (50) es beobachtet hat, der Konduktor zunächst mit dem
Embolus in die Samentasche greift. Doch ist es nur die äußerste
Spitze des erstgenannten Organes, die, ähnlich wie bei Labulla, dem
Embolus Halt und Richtung gibt, während nur er tiefer in den Samen-
taschengang eindringt. Der Tasterbulbus wird so inseriert, daß zuerst
seine Längsachse senkrecht zu der des weiblichen Körpers steht,
dann dreht sich der ganze Spiralmechanismus auseinander, und dabei
werden Cymbium und Paracymbium zurückgeklappt. Wird der Em-
bolus extrahiert (der Konduktor war schon vorher abgeglitten), so
steht der Bulbus noch fast rechtwinklig gegen das Tassalglied IV
abgeknickt, und erst durch völliges Einrollen seiner Windungen nimmt
er die normale Stellung wieder an. “Die Tasterblase ist hellgelb,
hat etwa !/; mm Durchmesser, über ihre rhythmischen Kontraktionen
ist bereits berichtet worden.
Bei einem Männchen, das durch später erfolgende Samenauf-
nahme (s. $.18) bewies, dal seine Taster bei der letzten Begattung
völlig entleert wurden, wurde während dieser eine viermalige Insertion
des iınken Tasters hintereinander beobachtet, während sonst regelmäßiger
Wechsel üblich ıst. Hier war offenbar der Spermainhalt des rechten
Tasters früher erschöpft als der des linken.
Daß beı Tetragnatha ein Paar sich mehrmals begatten
kann, wurde am 16., 22. und 26. Juni bei zwei Tieren festgestellt;
das Weibchen kopulierte mit einem anderen Männchen nochmals am
27. Jun. Daß legereife Weibchen die Begattung noch dulden, wußte
schon Menge. Die Ablage des eigentümlichen, wie Schimmelrasen
aussehenden Kokons erfolgt oft unmittelbar nach einer Begattung.
2. Pachygnatha clercki Sund.
L. c. S. 152 wurden Menges (50) und meine Beobachtungen
über die ım Herbst stattfindende Begattung von Pachygnatha listeri
ausführlich besprochen. In diesem Jahre (1921) konnte ich im Frühjahr
den gleichen Vorgang bei Pachygnatha clercki wiederholt beobachten
und dabei einige von Interesse scheinende Tatsachen feststellen.
a) Fundorte, Lebensweise. Schon am 13. März fing ich
an eisernen Geländerstangen im Breslauer Zoologischen Garten, am
gleichen Ort, an dem ich auch Erigone longipalpis antraf, reife,
überwinterte Männchen und Weibchen dieser Spinne, die anscheinend
die Absicht hatten, sich an ihre normalen Aufenthaltsorte zu begeben.
Wie bei Pachygnatha listeri versuchten auch bei dieser Art häufig
die Männchen schon im Fangglase, die Weibchen an den Cheliceren
mit ihren eigenen zu ergreifen und die Kopulation zu vollziehen.
10. Heft
96 Ulrich Gerhardt:
Später fand ich verstreut Individuen der gleichen Art im Bota-
nischen Garten im Grase des Teichufers. Daß sie keine Netze
spinnen, sondern höchstens regellos wenige Fäden ziehen, ist bekannt.
b) Kopulation. Die erste Begattung sah ıch schon am
13. März nachmittags bei frisch gefangenen Tieren, die in diesem
Stadium, geschlechtsreif nach der Ueberwinterung, dazu immer bereit
zu sein scheinen. Die Größendifferenz zwischen Männchen und
Weibchen zu Ungunsten des ersten ist hier, wenn überhaupt vor-
handen, nur wenig ausgeprägt.
Im ganzen herrscht, wie von vornherein zu erwarten, bei dieser
Species der gleiche Kopulationsmodus wie bei P. listeri, doch sind
zum Teil Unterschiede vorhanden, und außerdem konnte ich beı dieser
größeren Art manches genauer in den Einzelheiten beobachten. Auch
hier wird, ohne irgendeine Werbung, die Kopulation dadurch
eingeleitet, daß das Männchen mit seinen großen Cheliceren von oben
und außen her die des Weibchens fest umklammert und es dadurch
völlig wehrlos macht. So stehen sich beide Tiere zunächst Kopf
gegen Kopf gegenüber, bis das Weibchen, durch Streichbewegungen
der Vorderbeine des Männchens über seinen Körper hin veranlaßt,
sein Abdomen nur wenig (viel weniger stark als bei P. listeri) ventral-
wärts krümmt, während der Körper des Männchens gestreckt bleibt.
Beide Tiere richten, wie es scheint, immer mit den Köpfen nach unten
hängend, ihre Leiber nun annähernd parallel, so daß die Ventral-
flächeı: einander zugekehrt sind. Charakteristisch für unsere Art ist
es nun, daß, was auch bei Tetragnatha vorkommt, das Paar längere
Zeit in dieser Stellung verharrt, ehe das Männchen damit beginnt,
die Insertion eines Tasters vorzubereiten. Zunächst nämlich hält es
seine Taster dorsal von den Cheliceren, also noch sehr weit von
der weiblichen Geschlechtsöffnung entfernt. Beim Männchen eines
Paares, das nachmittags 3° das Weibchen ergriffen hatte, erfolgte erst
35° die Insertion des linken Tasters. Schickt sich das Männchen dazu
an, zur eigentlichen Kopulation überzugehen, so legt es beide Taster,
sie um die Cheliceren herumziehend, auf die Ventralfläche des Weib-
chens, und einer von beiden beginnt, mit tastenden Bewegungen die
Epigyne zu suchen. Sowie dies gelingt, dringen Konduktor und Embolus
in die gleichnamige (links zu links) Samentasche des Weibchens ein.
und der Torsionsmechanismus des Bulbus tritt in Tätigkeit. Das
Cymbium wird, fast parallel zum Tasterstiel, proximalwärts zurück-
geklappt, während das Paracymbium der Bauchfläche des Weibchens
mit seiner eigenen Innenfläche angelegt wird. Die gelbe, kugelige
Tasterblase kontrahiert sich rhytmisch etwa alle 4“, der chiti-
nisierte periphere Bulbusabschnitt verändert seine Form nicht. Die
Funktion des Tasterapparates wurde oft lange Zeit unter dem Binokular
beobachtet.
Während jeder Expansion der Tasterblase streckt sich der Taster, und
das Cymbium legt sich auf das Sterum des Weibchens, bei ihrer jedes-
maligen Kontraktion knickt er ein. Die Körper beider Tiere nähern
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 97
sich dadurch bei jeder Blasenschwellung, daß das Männchen sich im
ganzen etwas hebt. In der Mitte der Begattung findet, wie bei
P. listeri, eın einmaliger Tasterwechsel ohne Trennung der Tiere statt.
Diese Kontraktionen der Tasterblase erfolgen ziemlich regelmäßig,
zuweilen wird eine stärkere durch mehrere oscillierende, kleinere ein-
geleitet. Gegen Ende der Insertion eines Tasters, die ca. eine Stunde
dauert, zittert das Männchen vor der nun etwas länger dauernden
Expansion der Blase leicht mit dem ganzen Körper. In dem heran-
gezogenen Fall begann 5°° die Blase des rechten Tasters zu kollabieren;
trotzdem wurden aber die zuckenden Bewegungen des Körpers noch
fortgesetzt. Dann trat dıe Blase vollständig ins Innere des sich
zusammenrollenden Bulbus zurück, und 5°? erfolgte die Lösung des
Embolus aus der Samentasche. 5*! trennten sich die Tiere erst,
nachdem sie noch solange in Kopulationsstellung geblieben waren, das
Männchen mit zuweilen zuckendem Hinterleib. Auch hier bereitet, wie
bei Pachygnatha listeri und Tetragnatha extensa, das Losreißen
der männlichen Kiefer von den weiblichen Schwierigkeiten und gelingt
erst nach einigen Versuchen. Nachher reinigt das Männchen seine
Taster zwischen den Cheliceren.
Soweit wäre eigentlich in allen wichtigen Punkten, mit einigen
unbedeutenden Abweichungen, eine Uebereinstimmung ım Verhalten von
Pachygnatha clercki und P. listeri festzustellen.
Dagegen konnte ich bei unserer Art ein Verhalten des
Weibchens nach der Kopulation beobachten, das manches
Rätselhafte bietet, und das bisher unter allen Spinnen einzig «dastehen
dürfte. Es handelt sich dabei nicht um eine einzelne Beobachtung,
sondern in drei Fällen konnte ich das gleiche Verhalten in allen
Einzelheiten feststellen:
Bei dem eben geschilderten Paare strich, um 5°, das Weibchen
mit Hilfe des III. Beinpaares einen großen, zähen, klaren, kugeligen
Flüssigkeitstropfen aus der Vulva hervor, brachte ihn
mit den Füßen dieses Paares an die Mundöffnung und sog ıhn restlos
auf. Dieser Vorgang wurde das zweite Mal am gleichen Tage bei.
einem anderen Paare beobachtet, das von 8% bis 9° kopulierte und
dann noch bis 10: in Begattungsstellung sitzen blieb. Gleich darauf
drückte das Weibchen wieder einen großen Tropfen aus der Vulva.
der diesmal an der Glaswand kleben blieb. Ein zweiter, kleinerer,
der nun folgte, wurde in der beschriebenen Weise zum Munde geführt
und aufgetrunken. Am 22. März wurde nach einer Kopulation der
Tropfen, sowie ihn das Weibchen ausgepref$t hatte, auf einem Objekt-
träger aufgefangen und mikroskopiert. Es zeigte sich, dab
Spermatozoön darin enthalten waren, nicht in so dichter Menge,
wie im reinen Sperma, aber doch so, daß im Gesichtsfeld etwa 30—40
davon zu schen waren. Am 24. März wurde von einem derartigen
Tropfen abermals ein frisches Präparat untersucht, und diesmal waren
nicht nur freie, oszillierende Spermien, sondern auch encystierte
(Kleistosperminen Bertkaus) in Menge im Gesichtsfeld.
Archiv für Naturgeschichte, 7
1923. A. Wu. 10. Hef}
98 Ulrich Gerhardt:
Die Deutung dieses Vorganges bereitet zweifellos
Schwierigkeiten. Da beı Pachygnatha, wie bei allen Tetragnathiden,
die Samentaschen ın die Ecken der Vagıinalöffnung einmünden, ist
zunächst nicht festzustellen, ob das Sekret ausden Samentaschen
selbst oder ausder Vagına stammt. Es wäre natürlich möglich,
daß bei der sehr lange dauernden Begattung ein derartiger Ueberschuß
an Spermaflüssigkeit dem Weibchen injiziert würde, daß eine Ueber-
füllung der Samentaschen einträte und dieser Ueberschuß ein-
fach wieder mechanisch entfernt würde. Derartige unökonomische Ver-
fahren sind ja an sich in der Natur nichts Ungewöhnliches. Um für
diese Auffassung einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wäre es natürlich
nötig, das Spermaquantum zu kennen, das bei der Füllung der
männlichen Taster von diesen aufgenommen wird. Trotz eifrigster
Bemühungen ist es mir aber bisher nicht gelungen, diesen Vorgang
beı unserer Art zu beobachten, und ich muß daher die angedeutete
Möglichkeit noch offen lassen. Die zweite Möglichkeit wäre
die, daß es sich lediglich um eine durch den Begattungsvorgang als
Reiz ausgelöste starke Sekretion der weiblichen Genital-
wege handelte. Dazu scheinen mir aber die nötigen morphologischen
Voraussetzungen nicht zu bestehen. Daher muß vorläufig die Frage
nach der Herkunft und Bedeutung dieses Sekrettropfens offen ge-
lassen werden.
Es soll auch noch kurz darauf hingewiesen werden, daß das
Verzehren eines Begattungsproduktes, wenn es sich bei dem Sekret-
tropfen am ein solches handeln würde, ein entferntes Analogon ın
dem Auffressen der Spermatophore durch die Weib-
chen der Locustiden und mehreren Gaylliden haben
würde. Ein etwas ähnlicher Vorgang ist auch bei Besprechung der
Kopulation von Amaurobius erwähnt worden.
Kopulationen (im Durchschnitt von 2° 15°” Dauer) wurden beob-
achtet am 13. (zweimal), 15., 16., 21. 24., 26. und 31. März, Am
22. März wurde zum ersten Male eine Eiablage festgestellt, dann am
31. zwei weitere Cocons gefunden, die aus blaßrosa Fäden herge-
stellt sind und flach ovale Form haben. WVierzehn Tage später
schlüpften in Menge junge Tiere aus.
Als Ergebnis dieser Beobachtungen an Pachygnatha clercki kann
verzeichnet werden: 1. wesentliche Uebereinstimmung mit P. listeri
2. einzelne unbedeutende Abweichungen, 3. die Abgabe des Sekret-
tropfens durch das Weibchen und dessen Aufsaugen nach der Ko-
‚pulation.
XII. Pholcidae (Ergänzung).
Ueber die sehr eigenartige Begattung von Pholcus sind genaue
Angaben aus meinen eigenen Erfahrungen unter Berücksichtigung der
Schilderungen von Bertkau (11) und Montgomery (51) früher
gemacht worden. Ich habe damals die Frage nach der Funktion der
einzelnen Teile des sehr komplizierten, obwohl in gewisser Beziehung
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 99
ım Vergleich zum Cymbiumtaster primitiven Tasters .dieser Fa-
milie offen lassen müssen und dıe Hoffnung ausgesprochen, durch Ver-
wendung des Binokulars hierüber noch Klarheit schaffen zu können.
Dadurch, daß ich im Sommer 1921 in Gamburg ein solches In-
strument verwenden konnte, ıst mir dies möglich‘ gewesen, wobei mır
ein besonderer, später zu schildernder Glückszufall zu Hilfe ge-
kommen ist.
Herr Kollege Drenski'n Sofia hatte die große Liebenswürdig-
keit, von einer dort häufigen, noch nicht sicher identifizierten Pholcide
(wahrscheinlich Hoplopholcus forskalı Thor., Angabe von Prof. Dahl)
lebende Individuen nach Breslau zu schicken. Leider überlebte aber nur
ein Männchen den Transport längere Zeit, so daß ich bei dieser Art trotz
aller Bemühungen des gütigen Spenders keinen Erfolg hatte. Ich be-
nutze aber gern die Gelegenheit, Herrn Kollegen Drenskı auch an
dieser Stelle für sein liebenswürdiges Entgegenkommen meinen aufrich-
tigen Dank zu sagen. !)
1. Pholcus opilionoides Schrank.
Ueber das Vorkommen und’ dıe Biologie dieser Art habe ich mich
(l. c.8. 154) eingehend geäußert, und es kommt mir hier nur noch darauf
an, die Art und Weise der Tasterinsertion genauer zu analysieren.
Dabei soll von vornherein daran erinnert sein, daß bei den Pholciden
nicht nur morphologisch ein völlig anderer, sehr ısolierter Taster-
bau im Vergleich zu allen übrigen Spinnen vorliegt, sondern daß auch
die Biologie der Begattung bei dieser Familie dıe nur noch bei den
Sıcarıiden undDysderidenmit Sicherheit nachgewiesene Eigen-
tümlichkeit aufweist, daß eine gleichzeitige Anwendung beider
Taster erfolgt. Dies ıst von Bertkau für Pholcus opilionoides
vermutet, von mir sicher festgestellt, für Ph. phalangioides Füssl.
von Montgomery (51) nachgewiesen worden, und es besteht nach
dem Bau der Taster kein Zweifel darüber, daß dieser Modus allen
Pholciden gemeinsam sein wird.
Den Vorgang der Simultaninsertion der beiden Taster habe ıch
(l.c.S.153 f.) in seinen gröberen Zügen eingehend besprochen und möchte
nun auf die damals mir noch unzugänglichen Einzelheiten genauer ein-
gehen. Dazu ist es nötig, noch einmal die Hauptcharakteristika des
Pholcidentasters in die Erinnerung zurückzurufen, ohne deren Kenntnis
das Folgende schwer verständlich sein würde. Von der ungewöhnlichen
Dicke der Tasterglieder kann hier abgesehen werden, höchstens ıst zu
betonen, daß das Pastellargelenk sehr wenig beweglich ist. Dadurch
wird ein hoher Grad von Verfestigung des Tasters in sich selbst erreicht.
Für uns kommen hier hauptsächlich (Textfig. 11) die Fortsätze des
letzten (V.) Gliedes und des Bulbus genitalis in Betracht. Man hat
für sie Namen aufgestellt, die nicht eben glücklich gewählt erscheinen,
) 1922 wurden Begattung und Tasterfüllung bei dieser Art beobachtet
und beschrieben. A. w. d. Korr.
Ds 10. Heft
100 Ulrich Gerhardt:
aber vorläufig hier angewandt werden sollen. Der längste und zunächst
am ruhenden Taster auffallendste Fortsatz gehört nicht, wie ich früher
anzunehmen geneigt war, dem Bulbus, sondern dem stark verkürzten
V. Tasterglied an, das hier kein Cymbium bildet. Es wird als Procursus
bezeichnet (p). Am Bulbus selbst, der eine an der Medianseite des
Tasters gelegene kugelige weiße glatte Anschwellung bildet, sind drei
(nicht zwei, wie Bertkau angıbt) Fortsätze vorhanden, deren größter,
breitester von Thorell als Uncus (u) bezeichnet wird. Er findet
sich bei allen von mir untersuchten Pholcustastern ın ähnlicher:
Form und in gleicher Ausstattung, nämlich durch einen Besatz von
dachziegelförmig angeordneten, proximal gerichteten, kleinen Chitin-
schuppen ausgezeichnet. Während der Procursus am ruhenden Taster
außen liegt, sind die Fortsätze des Bulbus nach innen und ungefähr
a
1
1
ta
Textlig. 11. Männlicher Taster von Pholcus opilionoides Schr., Schema.
ti — Tibia, ta — Tarsus, b — Bulbus, Pr —=Procursus des Tarsus, a — Appen-
dix, u — Uncus (Fortsätze des Bulbus), sp — Spermophor, dessen Gang
durch den Embolus ausmündet.
ventral gerichtet. Ihre Reihenfolge ist die, daß am meisten proximal.
vom Bulbus in der Ruhe nach hinten gerichtet, der Uncus liegt, am
meisten distal ein gleichfalls chitinisierter, aber schmaler, langer, T-
förmiger Fortsatz, der Appendix (a). Zwischen ihnen beiden liegt,
von den Schilderern bisher wenig beachtet, ein blasser, röhrenförmiger,
häutiger, also nicht verhornter dritter Fortsatz, der als 2. Appen-
dix nach der Thorellschen Benennung zu bezeichnen wäre, der
aber in Wirklichkeit insofern eine ganz besondere Stellung unter den
Anhängen des Bulbus einnimmt, als er dem Embolus anderer
Spinnentaster entspricht, da er den Ausführungskanal des Spermophors
enthält, also den eigentlichen Inmissions- und Uebertragungsapparat
darstellt {b). Daß dies der Fall sei, habe ich früher (1. c. 'S. 94)
als Vermutung ausgesprochen, die Beobachtungen dieses Sommers.
haben mir gezeigt, daß sie richtig war. u
Weitere sexualbio!ogische Untersuchung an Spinnen. 101
Es wird ferner nötig sein, hier noch einmal zu erwähnen, daß bei
Pholcus beide Taster, wenn sie inseriert werden sollen, eine Drehung
um 180° um ihre Längsachse im Hüftgelenk erfahren, so daß das
Femur ventralwärts, die Tibia dorsalwärts gerichtet ist, während die
Patella am tiefsten liegt. In dieser Haltung ist der sonst median gelegene
Bulbus mit seinen Fortsätzen nach außen gewendet.
Viel genauer als im Vorjahre konnte zunächst die Einführung
der Taster beobachtet werden. Das Männchen hebt, wenn es sich von
vornher dem Weibchen nähert, beide Taster so, daß die Femora etwa
parallel nach vorn gerichtet, die Tibien rechtwinklig und horizontal
nach außen gebogen sind. Dann sieht der Procursus nach rückwärts
und etwas nach außen, der Bulbus mit seinen Anhängen ist ventralwärts
gedreht. In dieser Situation hat der ganze Taster eine Drehung
um ca. 90° nach außen und oben erfahren. So wird der Eingang zur
sehr geräumigen und stark chitinisierten Epigyne des Weibchens ge-
wonnen, indem das Männchen die so gespreizten Taster flach über
die Bauchfläche des Weibchens hält und beide Emboli in die Samen-
taschenöffnungen hineinpresst, wobei der Appendix als eine Art von
Konduktor dient. Ob er allerdings morphologisch dem so
bezeichneten Gebilde des Cymbiumtasters unmittelbar vergleichbar ist.
möchte ich dahingestellt sein lassen. Sobald diese Insertion gelungen
ist, erfolgt ein ganz eigentümliches, sehr rasch vor sich gehendes Zu-
sammenklappen beider Taster, durch das sie ın die endgültige
Stellung gebracht werden. Es wird nämlich bei inseriertem Embolus
das Patellargelenk in einem Bogen nach hinten, außen und
unten gezogen, während gleichzeitig die Tibiıa mit dem Tarsus und
Procursus nach vorn gedrückt wird. Dabei wird das Femur nach
rückwärts unter den Cephalothorax gezogen, und dadurch die Patellar-
gelenke einander wieder genähert. So liegen dann zuletzt die beiden
Palpen unter dem Sternum des Männchens, die Bulbi nach außen,
der Tarsus mit dem Procursus liegt dem Bauch des Weibchens an.
Der ganze Vorgang ist schon schwer zu sehen und noch sehr viel
schwerer zu beschreiben. Vor allem ist die Funktion der Fortsätze des
Bulbus im einzelnen sehr schwierig zu verfolgen. Ganz besonders
schwer ist es, während der Kopulation selbst, wenn die beiden Taster ın
ihre endgültige Lage gekommen sind, über die Lage und Wirkungsweise
dieser Teile etwas zu erfahren, und zwar deshalb, weil die beiden
inserierten Taster einander gegenseitig so stark genähert sind, dab
der eine den Blick auf die tätigen Teile des anderen verdeckt.
Da kam mir ein Zufall zu Hilfe, dem ich einen Einblick in diese
schwer zu beobachtenden morphologischen und biologischen Einzelheiten
verdanke: am 12. August 1921 setzte ich in Gamburg zu mehreren
Weibchen ein großes starkes Männchen, an dessen rechtem Taster, was
übrigens erst bei der Begattung bemerkt: wurde, insofern-ein Defekt
vorhanden war, als zwar sämtliche Fortsätze, des Tarsus sowohl wie
des Bulbus, wohl ausgebildet waren, der Bulbus selbst aber vollständig
geschrumpft war. Es handelte sich wohl sicher um eine Mifßbildung,
10. Heft
102 Ulrich Gerhardt:
die bei der letzten Häutung entstanden war. Dies Männchen kopu-
lierte am Vormittag mit einem, am Nachmittag mit einem anderen
Weibchen, und beide Male ereignete sich folgendes: die Insertion
beider Taster wurde normal und gut verfolgbar vollzogen. Der rechte
Taster glitt aber nach wenigen Minuten aus der Samentasche und ragte
während der Begattung frei in die Luft, wobei er aber in der gleichen
charakteristischen Lage, um 180° verdreht, gehalten wurde, wie der im
Gebrauch befindliche auch. So lag die Innenfläche des einen inserierten
Tasters frei, und die Lage der einzelnen Teile konnte festgestellt werden.
Zunächst zeigte sich hierbei, daß von einer Kreuzung der Taster
beı Pholcus keine Rede sein kann, sondern hier wird, was aus allen
bei der Insertion zu sehenden Vorgängen eigentlich schon sicher er-
scheinen muß, der rechte Taster des Männchens in die
linkeSamentaschedes Weibchens und umgekehrt eingeführt.
Das ist in diesem Falle leicht möglich wegen der sehr bedeutenden
Breite der Epigyne und der Weite der Samentaschenöffnungen, die
je einen sehr weiten Spalt bilden. Sie sind von einer sehr starken
Chitinleiste umgeben, die caudalwärts weit über die Bauchfläche des
Weibchens als starker Wulst vorspringt, und die geeignet ist, dem
männlichen Taster im ganzen einen Halt zu geben. Ineine Samen-
tasche werden nun alle drei Fortsätze des Bulbus
eingeführt, während der zum Tarsalglied des Tasters. gehörige
Procursus sich gegen die caudale Epigynenleiste von hinten her stemmt,
und zwar an der Verbindungsleiste der beiden Samentaschenöffnungen
(Fig. 26, Taf. IV).
er Procursus, der am ruhenden Taster am meisten lateral
liegt, muß, bei der Umdrehung des ganzen Organes um 180°, nunmehr
am meisten median liegen. Es scheint, daß er besonders als Organ
der Berührungsempfindung dient, wofür auch sein Besatz mit
weichen fransenartigen Hervorragungen sprechen könnte. Der Uncus
liegt, im Gegensatz zu ihm, am meisten lateral. Er wird wie ein Spaten
in der Richtung von "hinten nach vorn (vom Weibchen aus gerechnet)
in den lateralen Winkel der Samentasche eingeschoben. Der
Appendix dringt in ähnlicher Weise in deren medialen Winkel
ein, und ihn begleitet, ihm parallel gelegen, der blasse, häutige Em -
bolus, der somit zwischen den beiden chitinisierten Fortsätzen in die
Samentasche eingeführt wird und das Sperma entläßt.
Es kann also gesagt werden, daß der Procursus, als nıcht eigent-
lich zum Bulbus gehörige Bildung, lediglich der Orientierung und
Befestigung des Tasters an der Epigyne dient, daß Uncus und Appendix
die Funktion eines „Wegebahners“ (Bertkau) übernehmen und
durch ihre Führung es dem weichen, an sich nicht zum Eindringen
befähigten Embolus erst ermöglichen, die Tiefe des Samentaschenganges |
zu erreichen. Dabei ist, physiologisch genommen, der Appendix
der eigentliche „Konduktor“ des Embolus, während man in dem
Uncus wohl am ehesten eine Spreizvorrichtung zu erblicken hat. Die
dachziegelartige Beschuppung dieses Organes (die sich in ganz ähnlicher
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 103
Weise auch an einem Fortsatz des distalen Bulbusteiles bei einigen
Theridiiden [Theridium formosum, Th. tepidariorum, Latrodectus
erebus| und Micryphantiden findet) hindert es am Herausgleiten
aus dem Samentaschenspalt.
Zum erstenmal konnte ich diese Verwendung der Tasterteile am,
Schluß der Begattung, bei deren Herausnahme, feststellen. Durch
einen weiteren glücklichen Zufall konnte ich am Nachmittag des
12. August eine zweite Kopulation des gleichen Männchens (mit dem
defekten rechten Taster) mıt einem zweiten Weibchen beobachten, bei
der wiederum Besonderheiten vorkamen, die die Beobachtung ganz
außerordentlich erleichterten. Am Vormittag war der linke Taster
ununterbrochen von 10° bis 10°: inseriert, und er wurde bis auf die
schon früher beschriebenen langsamen und einigermaßen rhythmischen
Drehbewegungen ganz ruhig gehalten. Die Herausnahme
erfolgte 10°, wobei erst der Uncus, dann der Appendix mit dem stark
angeschw o llenen, gänzlich feuchten Embolus erschien.
n Bei der Kopulation am Nachmittag wurden abermals
erst beide Taster inseriert, dann glitt der rechte wieder ab, und der
linke vollzog die Begattung allein. Diesmal wurde sie häufiger unter-
brochen, da bei jeder der beschriebenen Drehungen die Fortsätze des
Bulbus aus „der Samentasche herausglitten. Sie wurden dann aber
sofort durch eine Dre ehung im umgekehrten Sinne wieder eingeführt.
Der Procursus drehte sich bei diesen Bewegungen um sein Lager an
der Epigynenleiste. Derartige erneute Insertionen fanden ca. alle 3’
statt. Die Kopulation hatte um 3°! begonnen, 41° wurde das Weibchen,
das vorher ganz still gehalten hatte, unruhig, lief mit dem noch an-
hängenden Männchen fort, das sich 4? endgültig losrıß, um dann still
in Gespinstfäden hängen zu bleiben. Die Vorgänge bei dieser Kopu-
lation sind als abnorm zu betrachten. Das lehrten nicht nur meine
früheren Beobachtungen von 1920, sondern es ging auch deutlich hervor
aus dem Verlauf einer dritten Kopulation, die ich in Gamburg am
16. August 1921 beobachten konnte. Diesmal handelte es sich um
ein normal entwickeltes Männchen mit zwei völlig ausgebildeten Tastern.
und es erfolgte dann auch die Begattung mit a Palpen, die ın
diesem Fall sogar ganz ungewöhnlich lange, nämlich von 11?! bis 1",
also 96’ dauerte. Es war dies die am längsten dauernde Kopulatıon,
die ich bei Pholcus bisher beeobachtet habe. Diesmal waren von An-
fang bis zu Ende beide Taster fest inseriert, wie eingekittet, und bei
den Drehbewegungen, die übrigens stark an die von den Dysde-
ridenmännchen während der Begattung ausgeübten erinnern,
drehte sich nur der Procursus hebelartig um seine Spitze, während alle
Fortsätze des Bulbus inseriert blieben. Es ist noch zu bemerken, dal>
auch der Procursus nach der Kopulation geschwollen erscheint.
Aus dieser Tatsache und der starken Anschwellung des eigent-
lichen Embolus scheint mir hervorzugehen, daß auch beı Pholcus er-
höhter Blutzufluß in die Tasterenden auf einem durch die Be-
rührung mit den weiblichen Organen geesetzten starken vasomo-
10. Heft
104 Ulrich Gerhardt:
torischen Reiz die wichtigste physiologische Rolle bei der Ueber-
tragung des Spermas spielen wird. Nur muß die Art der Blutansamm-
lung ın den kopulatorischen Abschnitten des Tasters unter ganz anderen
morphologischen und mechanischen Bedingungen erfolgen als bei den
Spinnen mit Cymbiumtaster. Dort existiert ein dehn- und drehbares
gewaltiges Blutreservoir in Wagners „Haematodocha‘, der
basalen Tasterblase, und die Blutfüllung ist nicht nur das Mittel zur
Austreibung des Spermas, sondern auch zur mechanischen Abrollung
des Bulbus. Zu einer solchen aber kommt es bei den Pholcıden über-
haupt nicht und kann es garnicht kommen, weil eben die morphologischen
Vorbedingungen dazu fehlen und der Bau des Tasters auf ein voll-
ständig anderes Prinzip zurückzuführen ist. Es ist daher bisher noch
unklar, in welcher Weise und von wo aus das Blut in diesem Falle
austreibend auf den Inhalt des ım Bulbus liegenden retortenförmigen
Spermophors wirkt. Daß erhöhter Blutzufluß aber stattfindet, dafür
scheint mir die Anschwellung des Procursus und Embolus zu sprechen.
— Daß die mechanische Ermöglichung der Einführung des Em-
bolus hier auf ganz anderem Wege als beim Cymbiumtaster geschehen
muß, eben durch; die bedeutende Drehung des in sich konsolidierten
Tasters, ist früher bereits eingehend 'betont worden.
So zeigt nun eine genaue Betrachtung der Wirkungsweise des männ-
lichen Tasters von Pholcus, wie der vollkommen isoliert stehenden
Morphologie auch ein vollständig von allen andern abweichendes
physiologisches Verhalten entspricht. Immerhin dürften vielleicht
einige Momente auf Zusammenhänge mit dem Begattungsmodus der
Haplogynen hinweisen, wie ja naturgemäß die Sicariiden (die
ja gleichfalls Doppelinsertion der Taster zeigen), auch als mög-
liche phyletische Vorstufe anzusehen sind. Sie aber zeigen zweifellos
Beziehungen im Tasterbau zu den primitiveren haplogynen Spinnen, am
meisten vielleicht zu Oonopiden. !)
1. Dysderidae.
a) Nachträge zur Sexualbiologie von Segestria senocu-
lata L.
Ueber die Begattung von Segestria senoculata, wie auch über
Bertkaus Schilderung des gleichen Vorganges beı $. bavarica
C. L. K., ist seinerzeit (l. c. $.188) ausführlich berichtet worden.
Hier möchte ich noch einige Beobachtungen über die Häufigkeit der
Begattung beim Individuum, sowie über die Verteilung der Geschlechts-
periode über das Jahr mitteilen. Ich habe immer wieder Segestrien ın
Gefangenschaft gehalten, um die Samenaufnahme des Männchens zu
beobachten, bin aber bislang damit nicht zum Ziel gekommen (Ende
März 1922). ?)
!) Die sehr eigentümliche Tasterfüllung des Männchens wurde bei Phol-
cus und Hoplopholcus 1922 und 1923 beobachtet. A. w: d. Korr.
2) 1922 beobachtet und beschrieben. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 105
Es ist sehr auffallend, daß diese Spinne während eines über-
raschend großen Teiles des ganzen Jahres geschlechtsreif ist und in
beiden Geschlechtern nicht nur fähıg, sondern auch bereit, sich zu be-
gatten, sowie für die nötige Temperatur gesorgt ist. Ich zweifle
nicht daran. daß die reifen Individuen, die unter Steinen, Moos, Kiefern-
rinde etc. in ihren Gespinströhren überwintern, in der Kälte lethargisch
sind und keinerlei Geschlechtsfunktionen ausüben. Darüber sind sich
wohl ferner alle Beobachter einig, daß etwa von Ende Mai bis Juli
keine reifen Männchen zu finden sind. Mitte August traf ich in Gam-
burg mehrere frisch gehäutete männliche Tiere an, die noch blaß und
weich waren und neben ihrer Exuvie saßen. Von Mitte September an
lassen sich Begattungen erzielen bis ins Frühjahr hinein, und ein Weib-
chen duldet dabei mehrere Male die Annäherung eines Männchens.
Begattungen wurden beobachtet an folgenden Tagen: 1920:
September: 25., 26., 27.; Oktober: 26.; November: 18.:
Dezember: 8., 14; 1921: Januar: 21.; April: 8, 9., 14,,
19421:723.23.2 Oktober :-113712.,1314516;
Dazu ist noch folgendes zu bemerken: Im Aprıl 1920 hatte ich
ein Männchen I bei zwei Weibchen A und B. Die Kopulationen ge-
stalteten sich wie folgt:
| Aprıl, 14. SI Q9B
WFT OR
2 TOR
DRS TER
a5 Ma ah MN
Im Oktober 1921 hatte ich drei Weibchen und ein Männchen. Die
Tiere stammten vom Zobten. Die Weibchen mögen C, D, E heißen,
das Männchen II. Die Kopulationen verliefen:
Oktober, 11. SIT 2C
# reren
u, DD. 126
m. 1AcloODOE
16.5.1 SE
Daraus geht hervor, daß sich erstens ein Männchen zweimal an
einem Tage begatten kann (diese beiden Kopulationen erfolgten in beiden
Fällen unmittelbar hintereinander), ferner, daß ein Weibchen in einer
Reihe von Tagen hintereinander täglich die Begattung duldet. Es ist
mir bisher noch nicht gelungen, Weibchen in Gefangenschaft zur Eiablage
zu bringen; auch vermag ich nicht anzugeben, wie hoch die Maximalzahl
der von einem Weibchen geduldeten Begattungen sein würde. Die
Männchen, die sich mehr als sechsmal begattet hatten, verfielen und
starben, doch weiß ich nicht, wieweit hierfür schädliche Folgen der Ge-
fangenschaft und etwa durch diese bedingte zu schnelle Häufung von
Kopulationen mit in Betracht kommen.
Ueber den früher geschilderten Verlauf der Werbung brauche
ich nichts hinzuzufügen, sie findet in großer Gleichförmigkeit immer
10. Heft
106 Ulrich Gerhardt:
dann statt, wenn ein ın der Gespinströhre sitzendes Weibchen die Auf-
merksamkeit eines Männchens erregt. Merkwürdig erscheint mir, daß
meine Männchen immer erst ungefähr eine Woche nach ihrer Ge-
fangennahme auf die Weibchen reagierten, dann aber immer gleich
mehrere Tage hintereinander.
Daß es mır nicht gelang, de Samenaufnahme des Männchens
zu sehen, liegt daran, daf sie bei dieser Art nicht nach jeder, nur kurze
Zeit (drei Minuten) dauernden Begattung zu erfolgen braucht, und daß,
bei dem sehr geräumigen Spermophor im männlichen Bulbus, dessen
völlige Entleerung zunächst gar nicht kontrollierbar ıst. Man ist daher
nur auf Glückszufälle angewiesen, und eines solchen konnte ich bisher
nicht teilhaftig werden.
2. Dysdera erythrina C. L. K. (= cambridgei Thor.).
In meiner vorıgen Arbeit (l. c. S.189) habe ich Bertkaus (7)
kurze Schilderung der Begattung von Dysdera rubicunda C. L.K.(?)
wiedergegeben, und ich muß hier in Kürze nochmals auf ihren Inhalt
eingehen, um meine eigenen Beobachtungen damit vergleichen zu können.
Das Wesentliche ıst, daß das Männchen von Dysdera, wie das von
Segestria, das Weibchen an der Bauchhaut (weiter caudal als bei
dieser) mit seinen Cheliceren ergreift und die Gegend der Vulva ein-
speichelt, daß sodann beide Taster in die Geschlechtsöffnung einge-
führt werden und dıe Bulbi drehend bewegt werden. Bei der Begattung
steht das Männchen ungefähr senkrecht zur Bauchfläche des Weib-
chens, seine drei vorderen Beinpaare sind über den Cephalothorax des
Weibchens geschlagen. Die Vulva klafft während der Kopulation
sehr stark. — Ueber die Dauer der Begattung und darüber, welcher
Teil des Bulbus zur Einführung in die Vulva dient, erfahren wir nichts,
und es mußte mir daran liegen, über diese Punkte Gewißheit zu erhälten,
Nach den Fehlschlägen des vorigen Sommers ist es mir nun im
September 1921 endlich gelungen, zweimal, am 10. und 16., Begattungen
bei dieser Art zu sehen, nachdem ich am 228 August einen unvoll-
ständigen Versuch dazu beobachtet hatte. Material stammte
auch in diesem Jahre aus Gamburg und zwar von dem gleichen
Fundort wie ım vorigen Jahre, aus dem des öfteren erwähnten Kiefern-
wald über dem Dorfe, den ich 1920 als reichlichen Fundort der Spinnen
kennen gelernt hatte. In diesem Jahre fand ich in der ersten Hälfte
des August nur sehr wenige Tiere, insbesondere fast gar keine Männ-
chen. Vom 22, ab wurden sie zahlreicher; unter ıhnen waren ver-
schiedene frischgehäutete, die einen blaugrünen Cephalothorax und
blasse, farblose Extremitäten zeigen. So gelang es mir, nachdem ein
Teil der Tiere eingegangen war, schließlich zwei Männchen und drei
Weibchen, sämtliche in reifem Zustand, mit nach Breslau zu bringen,
Später erhielt ich aus Gamburg noch ein Männchen und drei Weibchen
geschickt.
Die normale Fortpflanzungszeit dieser Spinne im Freien ist mir
nach meinen Funden nicht ganz klar geworden. Bertkau gibt den
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 107
Mai als Begattungszeit an, und es darf, nach dem späten Häutungstermin
der Männchen, der etwa in der gleichen Zeit wie für Segestriu liegt,
vielleicht geschlossen werden, daß auch diese Dysderide den ganzen
Winter über geschlechtsreif ist. Ich kann dies nıcht nachprüfen, weil mir
hier bei Breslau kein Fundort der Art bekannt ist (am Zobten, wo Se-
gestria ungemein häufig ist, fand ich sie nıe). [Während des August fand
ich in Gamburg sehr häufig in diesem wie im Vorjahre Weibchen mit Eiern.
oder auch mit ausgeschlüpften Jungen ım Gespinst, außerdem sind
junge Tiere in allen möglichen Stadien neben reifen an der gleichen
Oertlichkeit zu finden, aber nicht so regelmäßig wie die Erwachsenen
unter Steinen, sondern viel in Moos, sowohl an Stämmen wie an Felsen,
Ich nehme an, daß die Entwicklungsdauer der Art mehr als ein Jahr,
mindestens zwei Jahre beträgt. — Wie auch Segestria vermögen die
Tiere in der Gefangenschaft lange zu hungern, ihre Ernährung ist nicht
leicht, da sie Fliegen nur ungern fressen und lieber Kellerasseln, Käfer-
larven etc. nehmen.
Ueber die Begattung vermag ich folgendes mitzuteilen: Am
22. August wurden zwei frischgefangene Männchen zu vier Weibchen
gesetzt. Zu einem von diesen, das ın einer Gespinströhre am Boden des
Glases saß, begab sich das eine Männchen alsbald, drang in die Röhre
ein und kroch unter den Cephalothorax des Weibchens, das die später
zu schildernde Begattungsstellung einnahm. Das Männchen schien beide
Taster in die Vulva einzuführen, doch war die Beobachtung durch Ge-
spinstfäden sehr stark beeinträchtigt. Nach drei Minuten trennten sich
die Tiere wieder.
In Breslau kam es bei meinen Gamburger Tieren am 10. Sep-
telmber zur ersten Begattung, die diesmal vollständig gelang und 19
Minuten, also viel länger als bei Segestria dauerte. Von einer
so ausgesprochenen Werbung wie bei Segesfria war nichts zu
sehen, vielmehr ging das Männchen nur mit unruhig bewegten Vorder-
beinen und ganz eigentümlich gehaltenen Tastern von vorn her auf ein
ruhig dasitzendes Weibchen los, so daß sich die beiden Tiere, Gesicht
gegen Gesicht, gegenüberstanden. Die Taster waren weit nach außen
gespreizt, ihre Spitzen gesenkt und die Bulbi fast rechtwinkelig nach
innen gedreht, während sie am ruhenden Taster nach hinten und ir
nach aufwärts getragen werden. So trat das Männchen zweimal dem
Weibchen gegenüber, ohne daß etwas erfolgt wäre, und die Tiere
trennten sich wieder. Etwa 1015” hatte dies Spiel begonnen. 11% kam
es zur Kopulation, die dadurch eingeleitet wurde, daß das Männ-
chen, die Taster wie geschildert haltend, von vorn her unter den Cepha-
lothorax des Weibchens kroch, das sein Sternum auf den des Männchens
auflegte und gleichzeitig sein Abdomen ganz allmählich fast rechtwinklig
in ventraler Richtung einkrümmte. Das Männchen streckte nun Kiefer
und 'Palpen vor und ergriff, ganz langsam und nicht im Sprung wie bei
Segestria, das Weibchen an der Bauchhaut zwischen Bauchstiel und
Vulva mit den Cheliceren. Während aber das Segestriamännchen mit
den Zangen der Kiefer zupackt, faßt das von Dysdera das Weib-
10. Heft
108 Ulrich Gerhardt:
chen mit den Grundgliedern dieser Organe, so daß die Zangen
selbst freibleiben. Das wurde unter dem Binokular mit Sicherheit
festgestellt. Eine Einspeichelung der WVulva, die Bert-
kau beschreibt und die beı Segestria leicht zu sehen ist, konnte ich hier
nıcht wahrnehmen. !)
Es ist klar, daß die Stellung, die das Paar bei unserer Art
einnimmt, ganz anders anmutet als die, die sich bei Segestria findet.
Während dort das Weibchen steil aufrecht steht und den Cephalothorax
weit hintenüber biegt, ist es hier, im vollen Gegensatz dazu, im ganzen
stark ventral eingekrümmt. Ich habe seinerzeit (l. c.S. 195) Wert darauf
legen zu müssen geglaubt, dafs bei der Theraphoside Dugesiella hentzi
nach Petrunkevitch (57) das Weibchen während der Begattung
eine ähnliche Haltung einnimmt, wie das von Segestria und gemeint,
daf3 diese Gemeinsamkeit vielleicht phyletische Schlüsse zulasse. Diese
Meinung muß ich nun aufgeben, da unter den bisher in Begattung
beobachteten, allerdings sehr wenigen, Dysderiden, nur Segestria im
weiblichen Geschlecht diese Haltung zeigt.
Wenn das Männchen diese Stellung zum Weibchen erreicht hat,
und wenn die gespreizten Taster in die Gegend der Vulva gelangt sind.
so werden beide Bulbi, unter heftigen Drehbewegungen
beider Palpen, ın die Genitalspalte des Weibchens hineingepreßt und
zwar zeigt es sich, daß nıcht etwa nur der chitinöse Haken am Ende des
ganzen Tasteranhanges, sondern der ganze „Scapus” des Bulbus
vollständig in der Vulva verschwindet. Es sei hier nochmals daran er-
innert, daß beı Dysdera und Harpactes der Bulbus genitalis aus
einer basalen, stärker verhornten Kapsel, dem eigentlichen Bul-
bus, und aus dessen Fortsetzung, dem weicheren Schaft oder Sca-
pus besteht, den die Endstrecke des Samenschlauches durchzieht und
dessen Mündung er an seinem freien Ende trägt. Somit kann der Chitin-
haken am Ende des Scapus nicht wohl als „Embolus“ bezeichnet
werden, diese Rolle kommt, wenigstens physiologisch genommen,
dem ganzen Scapus zu, und der Chitinfortsatz kann wohl nur zur spezi-
ellen Fixierung innerhalb der weiblichen Samentasche dienen.
In dem Augenblick, in dem die Scapı beider Bulbı in die Vulva
eindringen, krümmt sich der weibliche Hinterleib noch stärker als vorher
nach unten und vorne ein.
Da die Begattung'’an der Glaswand des Gefäßes stattfand, konnte
ich alle ihre Einzelheiten mit Hilfe des Binokulars genau verfolgen.
Die Taster des Männchens werden im ganzen so geknickt ge-
halten, daß sie einen Rhombus begrenzen, dessen längere Achse quer
zur Körperachse beider Tiere liegt, da die Patellangelenke außserordent-
lich weit, viel mehr als bei Segestria nach außen gehalten werden.
Das hat darın seinen Grund, daß die Taster des Dysderamännchens ver-
hältnısmäßig bedeutend länger sind. Die Bewegungen der Taster,
die vollkommen regelmäßig, etwa alle 1!/;” erfolgen, werden nun so
!) Wohl aber 1922 in einem anderen Falle. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 109
ausgeführt, als ob ein Mensch beide Hände, die Handrücken nach oben,
aneinanderhält, und dabei die Ellbogen horizontal vom "Körper ab-
spreizt und nın Pronationsbewegungen der Uhnterarme mit
gleichzeitigem Heben der Ellbogen macht. Diese Bewegung würde
dann ganz regelmäßig immer wieder durch die entgegengesetzten (Supi-
nation, Senken der Ellbogen) unterbrochen werden. Bei jeder Pronation
würden die Bulbi in die Vulva hineingedrückt, bei jeder Supination ge-
lockert werden. Es ıst dazu zu bemerken, dafs diese Bewegungen so
gedacht sind, daß das Tier von der Ventralfläche aus gesehen wird.
In dieser gleichförmigen Weise, dıe einigermaßen an das bei Pholcus
Geschilderte erinnert, wurden dıe Taster von 11% bis 11!” hın und her
gedreht. Die Spitzen der Tarsen beider Tarsen berühren dabei einander
fast in der Mittellinie, die Spitzen der Cheliceren, deren Basalglıeder
die Bauchhaut des Weibchens fest-
halten, führen kauende, gleichfalls
rhythmische Bewegungen aus.
Während des ganzen Vorganges
sind Beinpaare I und II des Männ-
chens über den Cephalothorax des
Weibchens gelegt, während das II.
Fußpaar dessen Hinterleibspitze
berührt. Das Weibchen ist völlig
+ passiv. Durch die heftigen Be-
Textfig. 12. Kopulation von Dysdera wegungen des Männchens wird es
erythrina, schematisch. Beide Taster allmählich mehr und mehr in die
des Männchens inseriert Höhe gehoben und, ohne seine Hal-
tung zu verändern, hintenübergelegt.
11:7 hörten die Bewegungen der Bulbi auf, es trat Ruhe ein, und
nur hin und wieder wurden die Taster noch in leichten Zuckungen be-
wegt. Nun lagen die beiden dicken Basalanschwellungen der Bulbi ruhig
nebeneinander; an ihnen waren mit dem Binokular deutlich die roten
Linien des durchscheinenden Spermophors zu erkennen.
112° wurde der rechte Bulbus aus der Vulva gelöst, ıhm folgte
11?! der linke. Beide Scapı waren feucht und glänzend, vielleicht etwas
angeschwollen, doch schien mir das nıcht ganz sicher.
Am 16. September wurde die zweite Kopulation be-
obachtet, die ın allen Stücken genau so verlief wie die erste, auch genau
so lange Zeit in Anspruch nahm (19).
Nach beendeter Begattung entfernt sich das Männchen ın aller
Ruhe vom Weibchen, so daß hier Beginn und Schluß der Kopulation
viel weniger stürmisch verlaufen als bei Segestria.. Am 23. September
wurde noch der vergebliche Begattungsversuch eines Männchens beob-
achtet, das, da es das Weibchen an den Cheliceren zu packen be-
kam, nıcht mit der Insertion seiner Taster zustande kam.
Die Samenaufnahme des Männchens habe ich nicht ge-
sehen.
10. Heft
110 Ulrich Gerhardt:
3. Harpactes hombergi Scop.
Bertkau (7) vermutete nach der Beobachtung eines mißlungenen
Begattungsversuches, daß auch bei dieser Art beide Taster vom
Männchen ‘gleichzeitig inseriert würden. ‘ Ich kann diese Vermutung
nunmehr bestätigen, da es mir zwar 1920 ebensowenig wiebei Dysdera,
dagegen im Sommer 1921 auch bei dieser Art gelungen ist, wiederholt
die Kopulation zu sehen.
Die Fundorte bei Gamburg (Moos an Eichenstämmen im Hoch-
wald) habe ich schon (l. c. S. 194) angegeben, mein diesjähriges
Material entstammte der gleichen Quelle. Es ıst ım August ein
leichtes, an einem Vormittag 50 und mehr Exemplare dieser Species
zu sammeln, wobei die Männchen fast ebenso häufig sind wie die
Weibchen. Beinahe immer sind de Männchen größer als die
Weibchen, außerdem viel schlanker und mit längeren Beinen ausge-
stattet, während die Männchen von Dwysdera erythrina fast nur
an den Tastern erkennbar sind. Es kommt vor, daß bzsonders gut ent-
wickelte Männchen fast doppelt so lang sind wıe sehr kleine Weibchen.
und die Begattung eines solchen ungleichen Paares ist, zumal es sich
um Spinnen handelt, ein überraschender Anblick.
Zwischen den die ganz überwiegende Mehrzahl bildenden reifen
Tieren trıfft man im August auch zahlreiche ganz junge Stadien;
von den reifen waren einige ganz frisch gehäutet.- Eier habe ich nicht
gefunden.
Die Haltung in der Gefangenschaft ist leichter als ich im Vor-
jahre annahm, man muß nur genügend Moos in das Gefäß tun und
die Tiere nıcht zu feucht halten. Ein Transport von Gamburg
nach Breslau in feuchtem Moos ging ein, ein anderer in trockenem kam
lebend an. In den Zweigen des Mooses im Käfig spinnen die Tiere
ihre kleinen seidigen Wohnröhren, zuweilen auch in den Kanten des
Glases. Selbstverständlich erschwert dies Leben im Moos die Be-
obachtung der Tiere, und in zwei Fällen konnte ich auch deswegen
die Begattung nicht mit der wünschenswerten Genauigkeit ın ihren
Einzelheiten verfolgen. Schwächere Tiere fallen oft den stärkeren
zum Opfer, und besonders sind dıe Weibchen sehr gefräßig, während
Kannibalısmus bei Männchen sehr selten beobachtet wurde. Ich habe
immer eine sehr beträchtliche Zahl von Tieren (ca. 25 Weibchen und
10 20 Männchen) zugleich in Gefangenschaft gehalten und mich
immer wieder darüber gewundert, wie selten es bei diesem relativ
großen Material zu Begattungen kam. Sie wurden ım August be-
obachtet, möglich, daß ım Freien das Frühjahr dıe Hadaizen der
Kopulation ist. Erwähnen möchte ich hier, daß ıch von der zweiten
deutschen Harpactes - Art, H. lepidus C. L. K., am Zobten
noch Ende September 1921 zwei Männchen und ein Weibchen, alle
geschlechtsreif, im Freien jantraf, wie ich annehme, zur Üeberwinterung
bereit. Bei dieser Art habe ich die Kopulation nıcht gesehen.
Dagegen gelang mir die Beobachtung dieses Vorganges ın vier
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 111
Fällen bei Harpactes hombergi, und zwar am 5., 12. (zweimal)
und 16. August 1921. In den beiden ersten Fällen konnten wegen
der bereits erwähnten Schwierigkeiten der Beobachtung, die durch
den Aufenthalt der Tiere im Moos bedingt waren, Einzelheiten nicht
gesehen und nur die Stellung der Tiere ganz im allgemeinen festgestellt
werden. Am 12, August nachmittags und am 16. um 2 Uhr mittags
aber fand je eine Kopulation frei am Boden des Glases statt, so daß
schließlich doch über alle hier interessierenden Punkte Klarheit ge-
wonnen werden konnte. Allerdings muß dazu bemerkt werden, daß
selbstverständlich bei einem so kleinen Tier, wie Harpactes hombergi
es ist, die Dinge nicht so übersichtlich liegen wie bei Segestria und
Dysdera.
Der ganze Vorgang der Begattung erinnert, wie nach dem ganzen
Habitus des Tieres und dem Bau der männlichen Taster nicht anders
zu erwarten, an das, was von Dwysdera geschildert wurde.
Auch bei der hier in Rede stehenden Art findet sich keine so aus-
gesprochene Werbung wıe beı Segesfria, sondern das Männchen
dringt mit seinen langen Vorderbeinen, sie lebhaft auf und ab bewegend,
in die Wohnröhre eines Weibchens ein, das ihm, wenn es begattungs-
bereit ıst, entgegenkommt und eine ganz entsprechende Stellung ein-
nimmt wie das Dysderaweibchen, d. h. seinen Hinterleib nach vorn
und unten krümmt, während sein Sternum der Rückenfläche des männ-
lichen 'Cephalothorax aufliegt. Wie bei Dysdera ergreift das Männchen
das Weibchen mit den Kiefern an der Bauchhaut und führt beide
Tasterbulbı ın der Richtung von außen und hinten nach innen und vorn
(vom Weibchen aus gerechnet) in die Vulvaspalte ein. Die Taster-
stiele werden gebeugt gehalten, nicht ganz so weit gespreizt wie bei
DySdera, und die Bulbi durch die dort beschriebenen Drehbewegungen
tief in die Vulva gepreßt und wieder gelockert. Wenn bei einem
Paare das Männchen ‚bedeutend größer ıst als das Weibchen, so umgibt
dieses, von der Seite gesehen fast halbkreisförmig gebogen, vollständig
das Vorderende des männlichen Körpers. Als ich am 16. August ein
solches ungleiches Paar in copula antraf, dachtz ıch zuerst, das kleine
Weibchen solle gerade vom Männchen aufgefressen werden, ein Irrtum,
der mir auch bei dem ersten Segestriapaar unterlaufen ist, das ich
ın copula antraf .
Die Trennung der Tiere erfolgte ın allen Fällen nach etwa
5’, so daß ich annehmen darf, daß diese viel kürzers Begattungsdauer,
als sıe für Dysdera festgestellt wurde, für Harpactes die Regel
darstellt. Das Männchen springt dann schnell unter dem Weibchen
fort und pflegt sich dann still irgendwohin zu setzen. In Bezug auf
die Samenaufnahme war ich bei Harpactes nicht glücklicher
als bei den beiden anderen Dysderiden.
4. Allgemeines über die Kopulation der Dysderiden.
Wenn wir die Kopulationserscheinungen bei den Dysderiden ver-
gleichend betrachten, so ergibt sich im Hauptpunkt völlige Ueberein-
10. Heft
112 Ulrich Gerhardt:
stimmung, nämlich in der Doppelinsertion der Taster, die
diese Familie mit den Sıcariiden und Pholciden gemein hat.
Es ist bisher festgestellt, daß von haplogynen Spinnen (d.h,
solchen, deren Vulva keine Epigynenbildung zeigen und deren männliche
Taster freistehenden verhornten Bulbus bei nicht zum Cymbium um-
gewandelten Tarsalglıede aufweisen) nur de Theraphosiden, von
denen allerdings nur eine Species (Dugesiella hentzi von Pe-
trunkevitch) daraufhin beobachtet worden ist, Insertion nur eines
Tasters zu gleicher Zeit aufweisen. Offen zu lassen ist die Frage für
die Hypochiliden und Filistatiden ‚!) sowie für Oonopiden
und Caponiiden. Ueber die prinzipielle Bedeutung der Simul-
tanınsertion habe ich mich früher (l. c. S. 211) ausführlich ge-
äußert. Ich betrachte sie bei Spinnen mit Cymbiumtaster
vorläufig als nicht bewiesen. Die Pholciden besitzen
zwar im weiblichen Geschlecht eine Epigyne, die Taster der Männchen
weichen äber von denen der cymbiophoren Formen. vollständig ab. .
Somit dart die Doppelinsertionals ein primitiver phy-
sıologischer Charakter aufgefaßt werden.
Diesem Hauptmoment gegenüber treten die Unterschiede ın
der Kopulationsweise der Dysderiden in den Hintergrund; immerhin
möchte ich aber doch auf die Tatsache einiges Gewicht legen, dab
die Stellung zur Begattung bei Segestria einerseits, bei Dysdera
und Harpactes andererseits, soweit sie de Haltung des Weib-
chens betrifft, recht verschieden ist. Auch sonst weisen ja die Formen,
die sich um Dysdera und Harpactes gruppieren, viel Gemeinsames
unter sich auf, sowohl ım allgemeinen Habitus, wie besonders im Bau
der männlichen Taster. Darauf wird im morphologischen Teil nach
näher einzugehen sein. Sie stehen damit im Gegensatz zu der zweiten
Gruppe, der der Segestriinen, zu Segestria und Ariadne. Aus diesen
morphologischen Gründen ist zu schließen, daß sich die Dysde-
riden früh in zwei Gruppen gespalten haben (wobei besonders an die
nicht leicht aufeinander zurückführbare Verschiedenheit der Augen-
stellung gedacht wird), und vielleicht liegt hier für diese Annahme
eine Bestätigung auf Grund physiologischer Tatsachen vor. Trotzdem
ist zu betonen, daß das Ergreifen des Weibchens durch die Cheliceren
des Männchens bei allen drei beobachteten Dysderidengattungen sich
findet.
Es ist mir nicht gelungen, lebendes Material von Oonops und
Dysderina, deren Verhalten kennen zu lernen von Interesse wäre, zu
‚erhalten. Von Oonops habe ich durch die Güte von Herrn Professor
Wm. E. Hoyle in Cardiff konserviertes Tastermaterial erhalten;
auf die sehr eigentümlichen und von den bisher mir bekannten Ab-
bildungen stark abweichenden Befunde wird bei Besprechung der Taster-
morphologie einzugehen sein. Es besteht die Hoffnung, daß ich aus
der gleichen Quelle im nächsten Frühjahr lebendes Material von
?) Vgl. hierzu S. 49.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 113
Oonops pulcher erhalten werde, und dann könnte ich hoffen, hier
neue und wahrscheinlich interessante Tatsachen zu finden. Herrn
Professor Hoyle spreche ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten
Dank für seine liebenswürdige Unterstützung meiner Arbeit aus.
Gerade für die haplogynen Spinnenformen mit primitiven männlichen
Tastern wäre eine möglichst vollständige Kenntnis der Funktion dieser
Organe erwünscht, insbesondere bedaure ich es sehr, daß mir lebendes
Material von Filistata nicht zugänglich ist.
5. Kopulation, Ergebnisse,
Ueber die allgemeine Biologie der Spinnenbegattung habe ich mich
zusammenfassend (1. c. S. 217 ff.) ausführlich geäußert, und es wird
noch zu erörtern sein, was die hier dargelegten neuen Beobachtungen,
für Bestätigungen oder für neue Gesichtspunkte bringen können. Die
Ergebnisse sind für dieeinzelnen Familien in Kürze folgende:
Die neu beschriebene Attidenspecies fügt sich vollkommen
dem ein, was über die Begattung anderer Angehöriger dieser Familie
bekannt war.
Für die Familie der Lycosiden konnte und sollte neues nicht
beigebracht werden; es handelte sich für mich um die persönliche Nach-
prüfung der in der Literatur niedergelegten Tatsachen. Vielleicht
enthalten die Angaben über dıe Blalz des Männchens von Lycosa
amentata einiges Neue.
Bei den Pisauriden ıst ein sehr eigenartiger Werbevor-
gang beschrieben worden, der unter den Spinnen einzig dasteht. Dabei
konnten van Hasselts'Beobachtungen bestätigt und ergänzt werden.
Ferner wurde eine von der der meisten Spinnen abweichende Stellung
bei der Kopulation (nach Argyronetatyp) nachgewiesen.
Für de Thomisiden, und zwar die Unterfamilie der Philo-
dromini, ergab sich ein bestimmter Insertionsmodus des Tasters, eın
besonderer Kontraktionsmechanismus der Vesicula bulbi, und eine
Stellung, die von der der anderen Laufspinnen zu der der eigentlichen
T'homisiden überleitet (drei Species beschrieben).
Bei Clubiona germanica wurde ein Kopulationsmodus ge-
funden, der in der Stellung sich an die Drassiden anschließt,
in der Physiologie der Tasterinsertion manches Besondere aufweist;
besonders ist die Reizung der kollabierten Tasterblase durch Reiben
mit dem freien Taster zu erwähnen.
Bei Amaurobius ferox wurde das Vorhandensein eines 5 e-
gattungszeichens beim Weibchen nach der Kopulation nachge-
gewiesen, wie es Bertkau für Argenna beschreibt; außerdem
wurde bei den beiden Gattungen auch Uebereinstimmung in
der Kopulationsstellung gefunden (Argyronetatypus).
Die Begattungs da uer ist außerordentlich kurz.
Von Uloboriden konnte Hypfiotes untersucht werden. Die
Begattung verläuft im wesentlichen in Epeiridenstellung, die
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 10. 8 10. Heit
114 Ve ernardt:
Tasterblase des Männchens entspricht in ihrer Größe nicht der des
Bulbus, der lange Embolus wird in ganzer Länge ın den Samentaschen-
gang hineingewickelt.
Unter den Theridiiden ist die Gruppe um Theridium von
Steatoda getrennt zu behandeln. Bei eigentlichen Theridien sind,
bei allgemein gleicher Stellung, zwei Begattungstypen zu unter-
scheiden: a) bei Theridium tepidariorum und Th. formosum
einmalige Insertion eines Tasters, b) bei Phyllonethis lineata und
Theridium varians regelmäßiger Wechsel beider Taster; a) würde
sich dem Epeira-, b) dem Linyphiamodus anschließen.
Steatoda weicht in dem Verlauf der Kopulation (Stellung, lange
Insertion nur eines Tasters) von allen anderen Spinnen ab und nimmt
den Theridien gegenüber eine wahrscheinlich phyletisch begründete
Sonderstellung ein.
Von Micryphantiden zeigte Erigone in allen wesentlichen
Punkten mit Linyphia große Uebereinstimmung.
An Linyphiiden wurde gezeigt, wie bei gleichem, biologischem
Begattungsverlauf sehr wesentliche, durch die spezielle Tastermorpho-
logie bedingte physiologische Uhnterschiede bestehen können
(Linyphia, Labulla, Leptyphantes).
Zwei neu beobachtete Epeiriden (Cyclosa, Miranda) be-
stätigten die Einheitlichkeit des Verlaufes der Begattung in
dieser Familıe.
Bei der Tetragnathide Pachygnatha clercki ıst das eigen-
tümlıche Mech kalten des Weibchens nach der Begattung
geschildert worden, das einen spermienhaltigen Ei stopfen aus
der Vulva preßt und mit dem Munde aufsaugt.
Für Pholcus opilionoides konnte de Funktion der Taster-
fortsätze bei der durch Simultaninsertion der Palpen bewerk-
stelligten Kopulatıon im einzelnen dargelegt werden.
Von Dysderiden wurde die Begattung bei Harpactes und
Dysdera geschildert, die gegenüber der von Segestria nur wesent-
liche Abweichungen in der Stellung der beiden Partner aufwies.
Ueberall in dieser Familie findet Simultaninsertion der Taster statt.
Die Ergebnisse der ın dieser Arbeit neu beschriebenen Beobach-
tungen mögen, ähnlich wie dies ın der vorigen Arbeit auch für alle bis
dahin bekannten Spinnen geschah, hier in einer Tabelle (s. S. 115) zu-
sammengestellt werden, die sich mühelos mit jener kombinieren lassen
wird.
Im ganzen sind nunmehr von mir Angaben über die Kopulation
von 47 Spinnenarten gemacht worden, die sich folgendermaßen auf die
einzelnen Familien verteilen:
l. Salticidae (Attidae): 1. Epiblema scenicum Cl. 2. Attus
pubescens Sund. 3. Marpissa muscosa Cl.
Il. Lycosidae: 4. Lycosa amentata Cl. 5. Pirata piraticus Cl.
II. Pisauridae: 6. Pisaura mirabilis Cl.
115
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen
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10. Heft
8*F
116 Ulrich Gerhardt;
IV. Thomisidae: 7. Philodromus aureolus Cl. 8. Artanes
fuscomarginatus de Geer. 9. Tibellus oblongus Walck.
V. Clubionidae: 10. Clubiona sp. 11. Clubiona germa-
nica Thor.
VI. Agelenıdae: 12. Agelena labyrinthica Cl, 13. Agelena
similis Keys. 14. Cybaeus angustiarum C. L.K.
15. Tegenaria derhami Scop. 16. Tegenaria atrica
C.L.K. 17. Tegenaria domestica Cl. 18. Argyroneta
aquatica CI.
VII. Dictynidae: 19. Dictyna arundinacea L. 20. Dictyna
viridissima Walck.
VII. Amaurobiidae: 21. Amaurobius ferox C.L.K.
IX. Uloboridae:. 22. Hyptiotes paradoxus C.L.K.
X. Theridiidae: 23. Phyllonethis lineata Cl. 24. Theridium:
varians Hahn. 25. Theridium tepidariorum C.L.K.
26. Theridium formosum Cl. 27. Steatoda bipunctata L.
XI. Micryphantidae: 28. Erigone longipalpis Sund.
XI. Linyphiidae: 29. Linyphia triangularis Cl. 30. Linyphia
montana Cl. 31. Leptyphantes nebulosus Sund..
32. Labulla thoracica Wid.-R.
XI. Epeiridae (Argıopidae): 33. Epeira diademata Cl.
34. Epeira quadrata Cl. 35. Epeira marmorea Cl.
36. Epeira sclopetaria Cl. 37. Miranda cucurbitina
C.L.K. 38. Cyclosa conica Pall. 39. Meta seg-
mentata Cl. 40. Zilla atria Mg.
XIV. Tetragnathidae: 41. Tefragnatha extensa L. 42. Pa-
chygnatha listeri Sund. 43. Pachygnatha clercki Sund.
XV. Pholcidae: 44. Pholcus opilionoides Schr.
XVI. Dysderidae: 45. Segestria senoculata L. 46. Dysdera
erythrina Thor. 47. Harpactes hombergi Scop.
Aus der Literatur sind mir noch bekannt die Schilderungen der
Begattung bei Angehörigen der folgenden, mir bisher nicht zugänglichen
Familien: 1. Drassidae (Drassus, Geotrecha, Melanophora,.
Menge, Montgomery), 2. Sparassidae (Micrommata,
Menge, Bertkau, Walckenaer, Becker), 3. Sicariıi-
dae (Scythodes thoracicaa Bertkau), 4 Theraphosidae
(Dugesiella hentzi, Petrunkevitsch), sowie die Subfamilien der
Thomisinae unter den Thomisiden. (Xysticus, Misumena, Mont-
gomery). Ein Ueberblick über die bei der Kopulation der Spinnen
maßgebenden Faktoren läßt sich daher wohl zurzeit schon einigermaßen
gewinnen, und über eine ganze Reihe der dabei in Betracht kommenden.
sind wir einigermaßen genau orientiert.
Völlig im Argen liegen aber immer noch unsere Kenntnisse von den.
Reflexmechanismen und derihnen zu Grunde liegen-
den nervösen Leitungen, durch die die zahlreichen Modi-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 117
Jikationen der Abwickelung aller zur Begattung der Spinnen not-
wendigen Handlungskomplexe gewährleistet werden, und es bedeutet
keine große Bereicherung unserer Kenntnisse in dieser Beziehung, wenn
wir aus allem Beobachteten zu dem Resultat kommen müssen, daß der
Ablauf dieser Reflexe und der aus ihrem Zusammenwirken hervor-
gehenden Instinkthandlungen sich phyletisch mit der Entwickelung der
einzelnen Familien, Gattungen und Arten nach verschiedenen Rich-
tungen und Zielen gespalten hat. Es ist gänzlich unklar, weshalb’ in der
einen Familie (z. B. Epeiriden, Amaurobius, Theridium_ tepi-
.dariorum) eine einzige Expansion der Tasterblase von sehr kurzer
Dauer genügt, um das im Spermophor enthaltene Spermaquantum auszu-
treiben, während bei anderen (Pachygnatha, Dictyna etc.) jeder
Taster in einer langen Reihe rhythmischer Kontraktionen seiner Blase
das gleiche leistet, und wenn endlich bei anderen (Agelena, Liny-
phiiden) Hunderte von Insertionen ausgeführt werden müssen, bevor
die Taster entleert sind. Warum ferner — ganz abgesehen von den '
Formen mit Simultaninsertionen beider Taster — der Wechsel der
beiden Palpen in einer Begattung oder nach Trennung der Geschlechter
in zwei oder mehr Akten vollzogen sind, entzieht sich gleichfalls un-
serem Verständnis. Es zeigt dies, dal außer den morphologischen,
sichtbaren Verschiedenheiten ın der Konstruktion der Taster auch
ebenso große Verschiedenheiten ın der Insertion des vasotomotorıschen
und des muskulösen Apparates bestehen müssen, die wır nicht kennen.
Die Hauptfrage nun, die mich bei allen meinen Beobachtungen
immer wieder beschäftigt hat, ıst die nach den phyletischen oder,
was dasselbe ist, systematischen Zusammenhängen der
einzelnen Spinnengruppen, wie sie sich in der Morphologie und in der
Verwendungsweise ihrer Taster äußern.
Ich glaube, daß meine neuen Beobachtungen immerhin in dieser
Richtung einige Hinweise‘geben können.
Es ist früher erörtert worden und soll hier nıcht noch einmal be-
sprochen werden,. daß für die vagıerenden Spinnen (Ättiden,
Lycosiden, Thomisiden, Heteropodiden sowie für einen Teil der
Röhrenspinnen (Drassiden, Clubioniden, Agelenıden) eine be-
stimmte Begattungsstellung ausgebildet ist, die wahrschein-
lich auch mit gemeinsamer Abstammung dieser Formen zusammenhängt,
Speziell für die Attiden ist eine absolute Einheitlichkeit des Be-
gattungsmodus nachgewiesen. — Verschiedenheiten bestehen aber auch
bei diesen Spinnen im Insertionsmodus der Taster, und hierfür
bildet einen Beleg das in den vorstehenden Zeilen über die Philo-
drominen unter den Thomisiden Berichtete, bei denen ein ganz be-
stimmter Expansionsmodus des Austreibemechanismus am männlichen
Taster bei drei Formen nachgewiesen wurde, die Insertionsfolge aber
nach der Art verschieden ist.
Ferner glaube ich Wert legen zu müssen auf die Feststellung,
daß bei Pisaura ein total anderer Begattungsmodus (ganz abgesehen
von dem bisher einzig dastehenden Werbeverfahren des Männ-
10, Heft
118 Ulrich Gerhardt:
chens) vorliegt, als bei den Lycosiden, mit denen diese Familie
früher vereinigt wurde. Es wäre von Interesse, festzustellen, welchem
Typus sich de Oxyopiden anschließen würden, doch lag mir von
Oxyopes kein Material vor.
Von Clubioniden ist nur Clubiona germanica untersucht
worden. die bei Besonderheiten der Tasterfunktion sich den Drassiden
anschließt. — Ueber die Ageleniden vgl. |. c. S. 173 ff.
Besonders interessierte mich das Verhalten der cribellaten
Spinnen, über deren Begattung auf $S.57 zusammenfassend berichtet
wurde. Gerade hier klaffen noch große Lücken. Eresiden,
Dinopiden, andere Uloboriden außer dem beschriebenen Hyp-
tiotes, und vor allem die Filistatident) müssen in den Kreis der
Untersuchungen einbezogen werden, was zum Teil allerdings recht
schwierig sein wird. Die Feststellung, daß die Paarungsmodi der
Dictyniden, Amaurobiiden (denen sich Argenna anschließt)
und Uloboriden (Hyptiotes), unter sich, ganz verschieden sind,
entspricht meinen Erwartungen, und ich würde nicht erstaunt sein,
wenn es sich herausstellen würde, daß Filistata sich den Dysde-
riden und "Sicariiden im Begattungsmodus anschlieffen würde,
während für Eresus in dieser Beziehung kaum etwas Bestimmtes zu
prognostizieren ist. Die Meinung, die ich mit anderen Autoren (Dahl)
teile, daß die cribellaten Spinnen phyletisch sehr verschiedenen Ur-
sprungs sind, wird jedenfalls durch die Kenntnis ihrer Sexualbiologie
bestätigt.
Für die Theridiiden erscheint mir wichtig, daß zunächst
Steatoda einen vollkommen isoliert stehenden Kopulationsmodus be-
sitzt, wie sie'auch habituell und in ihrer sonstigen Lebensweise mit den
eigentlichen Theridien nur das gemein hat, daß sie Netze verfertigt.
Die Gattung Theridium weist Formen auf, die sich einerseits den Mi -
cryphantiden und Linyphiiden in ihrer Begattungsweise an-
schließen (Phyllonethis, Theridium varians), während Th. tepi-
dariorum und Th. formosum einen ganz abweichenden Modus zeigen,
der sich ähnlich bei Epeiriden findet.
Daß die Micryphantiden und Linyphiiden sich ın fast
übereinstimmender Weise begatten, nimmt nicht Wunder. Ein Wort
ist aber hier zu sagen über die Beziehungen zwischen Linyphiiden
undEpeiriden, die ja neuerdings gewöhnlich nach S i m o n als Unter-
familien der Argiopiden zusammengefaßt werden. Jede dieser beiden
Familien zeigt, trotz allgemeiner habitueller großer Aehnlichkeit beider,
doch einen so streng fixierten, in sich abgeschlossenen Begattungstypus,
von denen sich der eine ganz unmöglich auf den anderen direkt zurück-
führen läßt, daß ich die Trennung beider Familien für notwendig halte,
Es wäre von Interesse, zu erfahren, ob die Horizontalnetze spinnende
Gattung Cyrtophora sich sexualbiologisch den übrigen Epeiriden an-
schließt. Hinweisen möchte ich hier auf Mc Cooks (48) schöne
) S. S. 49, Fußnote und Text.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 119
Darlegungen über die Beziehungen zwischen Begattungsstellung und
Orientierung des Radnetzes im Raum (ob senkrecht oder wagerecht).
Unter den deutschen Epeiriden finde ich jedenfalls bei acht Arten nur
graduelle, aber keine qualitativen Unterschiede in der Ausübung der Be-
gattung. Für die Tetragnathıden bestätigt Pachygnatha clercki
die früher geäußerte Auffassung ihrer morphologischen und biologischen
Selbständigkeit.
Auf die isolierte morphologische wie biologische Stellung der
Pholciden ist (l.c.S. 153) genügend hingewiesen worden, auch auf
die Beziehungen, die sich aus der Doppelinsertion der Taster zu den
Siıcarıiden (und Dysderiden) ergeben, deren Sonderstellung
unter allen Arachnomorphen nicht mehr besonders betont zu werden
braucht.
Dies wenige, was wır über die Kopulation der Theraphosiden
wissen, ist l. c. S. 194 besprochen worden. Von Atypus ist nichts
bekannt, wıe überhaupt das Sexualleben der tetrapneumonen Spinnen,
das wichtige Ergänzungen unserer Kenntnisse verspricht, noch ein fast
unbebautes Feld darstellt.
Daf; neben den phyletischen Beziehungen, die durch äußere Um -
stände (Form des Gewebes, Größe der Geschlechter) gesetzten Bedin-
gungen als Ursachen der Begattungsweise ın Betracht zu ziehen sind,
ist selbstverständlich, nur 'wırd man gut tun, auch diese Nebenumstände
unter phyletischen Gesichtspunkten zu betrachten.
An Tatsachen, die durch die neuen Untersuchungen eine neue Be-
leuchtung erfahren, wäre etwa noch zu erwähnen:
Ein besonderes interessantes und merkwürdiges Werbeverfahren
zeist Pisaura mirabilis, (S.28 f.), bei der das Männchen für jede
Tasterinsertion besonders, unter Darreichung einer Fliege an das Weib-
chen sich diesem nähert. Dal bei Meta segmentata und nach Göldi
(36) bei Nephila brasiliensis das Männchen nur dann die Werbung
wagt, wenn das Weibchen eine Beute gefangen hat, wurde früher
(l. c. S.141 und 147) erwähnt. Hier handelt es sich aber um etwas:
anderes, nämlich um das Fangen dieses Beutetieres, das bei dem Zu-
standekommen der Begattung eine Rolle spielt, durch das Männchen.
— Besondere Werbungsweise wurde ferner geschildert bei Zycosa
amentata, die sich so verhält wie die vonM ontgomery beobachteten
amerikanischen Lycosiden, und von Leptyphantes nebulosus. Dal)
sich Alyptiotes in seiner Werbung den Epeiriden anschließt, ist auch
von einem gewissen Interesse.
Eine ausgeprägte Feindschaft des Weibchens gegen
das Männchen sah ich Er den neu beobachteten Formen nur einmal
(Theridium formosum, S.64). Bei anderen Theridien und bei Lep-
fyphanteserwies sich im Gegenteil das Weibchen als aktıv bei den Vor-
bereitunger zur Begattung beteiligt.
Somit ist de Mengesche Auffassung, daß immer bei den Spinnen
die Männchen früher reif wären als die Weibchen, obwohl sie gewiß
der Regel entspricht, doch nicht allgemein gültig. Daß bei Alyptiotes
10. Heft
120 Ulrich Gerhardt:
die Weibchen früher reif werden als die Männchen.
ist eine Besonderheit; ferner sei auf die ausgedehnte Zeit der Ge-
schlechtsreife beim Weibchen von Segestria senoculata hingewiesen.
Daf5 die Begattung, sowohl von männlichen wie von weiblichen
Tieren, wiederholt ausgeführt werden kann, lehren viele Beispiele.
An meiner Auffassung der typischen Grundstellungen, die
bei der Kopulation der Spinnen eingenommen werden können und
werden, habe ich keinen Grund, etwas zu ändern. Alle neu be-
schriebenen Formen rangieren sich leicht in das Schema ein, besonders
interessant war mir, dal> die bisher nur für Argyroneta und Argenna
bekannte Stellung sich auch bei Amaurobius und, was überraschender.
auch bei Pisaura findet.
Betrachtungen über die Morphologie des männlichen Spinnentasters,
unter Berücksichtigung exotischer Formen, sollen den Inhalt des zweiten
Teiles dieser Arbeit bilden, wobei nicht nur die im Vorstehenden in
ihrer Sexualbiologie geschilderten Formen berücksichtigt werden sollen,
sondern eine auf möglichst breiter Basıs ruhende Vergleichung des
morphologischen Baues der Taster der männlichen Spinnen angestrebt
wird.
E. Zweiter Hauptteil.
Die Morphologie des männlichen Spinnentasters.
I. Einleitung,
In meiner vorigen Arbeit (l. c. S. 197 ff.) habe ich versucht, meine
Anschauungen über die Formzusammenhänge der Taster bei den männ-
lichen Spinnen darzulegen, und wenn ich auch in den meisten wesent-
lichen Punkten noch durchaus auf dem Boden dieser Auffassungen
stehe, so habe ıch doch in der Zwischenzeit an einem relatıv reichen
Material von einheimischen und auch von ausländischen Spinnenarten
meine Kenntnisse vom Bau dieser Organe wesentlich erweitern und damit
einen größeren Ueberblick über die Fülle der in Betracht kommenden
Formen und dadurch auch manche neue Anschauung im einzelnen ge-
winnen können.
Außerdem ist es mir erst jetzt gelungen, nach mannigfachen Be-
mühungen E. Simons großes Werk „Historie naturelle des Araıgnees“
zu erhalten, so daß die wesentliche Ergänzung meiner aus eigener Än-
schauung gewonnenen Kenntnisse durch die Literatur dadurch einen
großen Schritt weiter gelangt ist. Auch sonst habe ich mich bemüht,
aus Beschreibungen ausländischen Materials interessante Tasterformen
nach Möglichkeit kennen zu lernen, und hier seien die umfangreichen und
schön illustrierten Arbeiten Strands besonders hervorgehoben.
Material einheimischer Formen habe ich mır teils selbst durch Fang
der Tiere verschafft, teils aus der Sammlung des Breslauer Zoologischen
Museums entnommen, in der auch noch eine Fülle ausländischen, leider
Weitere sexualbiologische Urtersuchung an Spinnen. 121
zum großen Teil noch unbestimmten Materials enthalten ıst. Es sind
besonders Reiseausbeuten von Radde (Kaukasus), Salmin, Volz,
Klaatsch, Neisser (Malasasien), Brendel (U. S. A.),
Brade (Costariea) und Zimmer (Deutsch-Ostafrika), die ich Stück
für Stück auf männliche Spinnen durchgesucht habe. Dabei zeigte es
sich, daß die meisten Sammler ganz überwiegend weibliche Tiere mit-
gebracht hatten, und der Prozentsatz der Männchen war gering, immer-
hin aber das Ergebnis des Durchsuchens doch in hohem Maße Johnend.
Zu größtem Dank, den ich hier gern nochmals wärmstens ausspreche,
bin ich Herrn Kollegen Strand verpflichtet, der die Güte hatte, mir
eine Anzahl von V olz in Sumatra gesammelten Spinnen zu bestimmen!
Sonst bin ich zu meinem Bedauern darauf angewiesen, nur die Zuge-
hörigkeit mancher Formen zur Familie, evtl. Unterfamilie oder Gruppe.
anzugeben, da meine systematischen Kenntnisse zur Bestimmung exo-
tischer Arten nicht ausreichen.
Aus dem europäischen Ausland erhielt ich durch Herrn Kollegen
Drenski in Sofia konserviertes Material von Scytodes thoracica,
Holocnemus sp., nahe verwandt mit H. rivulatus, und Hoplopholcus
forskali (gütigst bestimmt von Professor Dahl); von der letzten
Art habe ich auch frische, aus Sofia geschickte Exemplare konservieren
kötnetu., Herr: Professor Hoyle in Cardiff füllte liebenswürdiger-
weise durch Uebersendung konservierter Männchen von Oonops pul-
cher eine Lücke in meiner Präparatensammlung aus.
Aus der Sammlung des Berliner Museums erhielt ich durch die
Güte der Herren Professor Dahl und Dr. Hesse mir besonders
wertvolles Material aus folgenden Familien: Sıcarııden: (Sicarius,
Loxosceles), Caponiiden (Caponia), Fıilistatiden (Fili-
stata), Dinopiden, Uloboriden (Uloborus walckenaerius), Phol-
.ciden (Artema mauritia), ferner von Nephila. Dadurch wurden
wesentliche Lücken in meinem Material ausgefüllt, und ich schulde
beiden Herren dafür größten Dank. Zu aufrichtigem Dank bin
ich aber auch Herrm Professor Dahl dafür verpflichtet, daß
er in nie ermüdender Bereitwilligkeit mir mit seiner großen Erfahrung
in der Angabe von Fundorten einheimischer Spinnenarten zur Seite
stand und Material, über dessen Artzugehörigkeit ich ım Zweifel war,
bestimmte, mir außerdem wie auch Herr Kollege Strand, in nomencla-
torischer Hinsicht eine Menge mir äußerst nützlicher Angaben ge-
macht hat. Allen genannten Herren, wie auch Herrn Geheimrat
Doflein, der mir das Breslauer Material in liberalster Weise zur
Verfügung stellte, ist es mir ein Bedürfnis, an dieser Stelle herzlichst
zu danken.
Das Material, das mir vorliegt, ist selbstverständlich Jückenhaft,
und ich bin mir dieser vielen Lücken wohl bewußt, denke aber, daß
unter Zuhilfenahme der einschlägigen Literatur sich die Vorstellungen.
die ich mir von der Formwandlung der männlichen Begattungsorgane
der Spinnen (und auch einer Reihe von weiblichen) habe machen können.
hinreichend werden rechtfertigen lassen, um eine Basıs für weitere
10. Heft
122 Ulrich Gerhardt;
Bearbeitungen dieses Kapitels der vergleichenden Morphologie abgeben
zu können.
Was das System anbelangt, dem ich folge, so bin ich in mancher-
lei Schwierigkeiten gekommen. Wer ımmer in die Systematik der Ara-
neinen einzudringen versucht hat, muß es störend empfinden, wie sehjr
die einzelnen Autoren in ihren Anschauungen über diesen Punkt von
einander abweichen, und wıe sogar der einzelne Forscher auf ver-
schiedenen Phasen seiner wissenschaftlichen Laufbahn verschiedenen
Systemen zu huldigen pflegt. Der eine stellt die Bildung der Kiefer,
der andere die des Tracheensystems, der Hörhaare, der Spinnwarzen,
der Form des Fanggewebes, die Anwesenheit oder das Fehlen des
Cribellums, den Bau der Sexualorgane in den Vordergrund, und ein
wahrhaft natürliches System unter Berücksichtigung aller maß--
gebenden Faktoren dürfte noch ausstehen. Neuerdings ist es üblich,
sich Simons System anzuschließen, und daher muß ıch von vorn-
herein betonen, daßkich dies nur mit Einschränkungen tue, bei mehreren
Familien wenigstens, von denen ich selbst Arten in vivo beobachten
konnte. So betrachte ich Linyphiiden und Micryphantiden
zwar als nahe zusammengehörig, aber doch immerhin beide soweit
gegeneinander abgegrenzt, daß ıch sie als zwei Familien ansehen möchte;
die Tetragnathiden sind durch den Bau der Sexualorgane, be-
sonders der weiblichen, so scharf von den Epeiriden (Argıo-
piden E. $.) geschieden, daß sie mir, wie Bertkau wollte, eine
natürliche Gruppe vom Wert einer Familie zu bilden scheinen, so dal)
Simons Argiopiden sich für mich in 1. Argiopiden (Epeiriden) etc.
(incl. Meteae), 2. Tetragnathiden, 3. Erigoniden (Micryphantiden) und
4. Linyphuden auflösen würden,
Die zweite Familie sedentärer Netzspinnen, die Theridiiden,
dürfte wohl wie die der Argiopiden eine Menge von Konvergenzen.
enthalten. Für mich spricht dafür das biologisch so verschiedene Ver-
halten, z. B. von Steatoda und Theridiumarten, aber da Homo-
logien und Konvergenzerscheinungen noch nicht genügend analysiert
sind, so bleibt diese Familie sicher am besten bestehen. Man mub
sich nur darüber klar sein, daß die Lebensweise in Netzen Achnlich-
keiten geschaffen hat, so wie wir sie ja auch bei laufenden Spinnen
(Thomisiden — Sparassiden) feststellen können.
Die Sparassiden möchte ich als Familie von den eigentlichen
Clubioniden trennen, da sie sich von ihnen doch habituell und
biologisch weit entfernt haben. Ueber die Einheitlichkeit der Thomi-
siden wie der Salticiden besteht wohl kein Zweifel. Drassiden
und Clubioniden trenne ich mit Simon voneinander. Daß Pısau-
riden und Lycosiden getrennt worden sind, entspricht den oben
(S. 33) gemeldeten biologischen Beobachtungen durchaus.
Daß die Pholciden eine selbständige Stellung im System ein-
nehmen müssen, erscheint mir sicher, und schon Bertkau sah in der
Verwendungsweise der Taster des Männchens einen Hinweis auf Be-
ziehung zı haplogynen Spinnen. Wo diese Beziehung zu sehen ist, ıst
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 123
noch unklar, Uebergänge zu Theridien dürften sich unter Berücksichti-
gung der Sexualorgane heute nicht bestimmt konstruieren lassen.
Ueber die ecribellaten Haplogynen, die j ja bei uns nur
durch Scytodes, allenfalls Oonops Dysderina sowie die einhei-
mischen Dysderiden vertreten sind, ist nıchts Besonderes zu sagen,
dagegen möchte ich hier noch ein Wort über die Cribellaten
ausprechen. Ueber den systematischen Wert des Cribellums und Cala-
mistrums schwanken ja die Ansichten der Autoren stark, ganz abgesehen
von der mißlichen Tatsache, daß das Criterium bei erwachsenen Tieren
nur einem Geschlecht zukommt. Ich wage nicht, Simons Ansicht,
die Familien der Cribellaten bildeten untereinander eine natürliche
Reihe, zu kritisieren, möchte aber der Meinung Ausdruck geben, daß
unter den Gribellaten logischer Weise, genau so wie unter den Ecri-
bellaten, haplogyne und entelogyne Formen unterschieden
werden müßten, Oel eine andere Gruppierung der Familien insofern
bedingt wäre, als Hypochiliden undFilistatiden dadurch in
einen Gegensatz zu den übrigen Familien der Cribellaten gestellt
würden. Auf die Frage der Orbitelie der Uloboriden will ich hier
nicht noch einmal eingehen. Dahl (22) hat in seinem Artikel „Arach-
ncidea ım Handwörterbuch der Naturwissenschaften denn auch die
Familien ohne Rücksicht auf Vorhandensein oder Fehlen des Cri-
bellums gruppiert, und dies Verfahren scheint mir naturgemäßer zu
sein als das von Simon gewählte.
Ueber dee Theraphosiden habe ich nichts zu sagen, außer dals
ich die Gegenüberstellung der übrıgen Spinnen unter dem unglücklichen
Namen Araneae verae für verwirrend halte, da die Theraphosiden
doch trotz aller Besonderheiten zweifellos echte Araneen sind. Die -
von Strand gebrauchten Ausdrücke Mygalomorpha und
Arachnomorpha sınd jedenfalls wesentlich treffender.
Das mir vorliegende Material von größtenteils mikroskopischen
Präparaten erstreckt sich auf folgende Spinnengruppen:
A. Mygsalomorpha.
l. Aviculariidae 8 Species (makroskopisches Präparat),
3 Species (mikroskopisches Präparat), 2. Atypıdae 1 Species.
B. Arachnomorpha.
I. Haplogynae (Cribellatae): Filistatatidae |
Species; Ecribellatae: Dysderidae 7 Species, Oonopidae
1 Species, Sicarıidae 4 Species, Caponiidae 1 Species.
Il. Entelogynae, Ecribellatae: 1. Pholcıdae8 Spezies,
2. Cymbiophora m.: Drassidae 2 Species, Clubionidae
5 Species, Sparassidae 8 Species (l makr.), Thomisidae
8 Species, Salticidae 14 Species, Lycosidae 9 Species,
Pisauridae 3 Species, Oxyopidae 4 Species, Agelenıdae
(incl. Argyroneta) 8 Species, Zodariidae 1 Species, The-
ridiidae 12 Species, Erigonidae 2 Species, Linyphiidae
10. Heft
124 Ulrich Gerhardt:
13 Species, Epeiridae 15 Species, Tetragnathidae 15
Species.
III. Entelogynae crıbellatae: Dictynidae 2 Species,
Amaurobiidae 3 Species, Eresidae 1 Species, Ulobori-
dae 2 Species, Dinopidae 1 Specıes.
Als wesentliche Lücken möchte ich das Fehlen von Vertretern
der Hypochiliden, sowie der Hersiliiden, Oecobiiden
und Urocteiden hervorheben.
An diesem Material suchte ich zunächst Klarheit zu gewinnen
über die Hauptgesichtspunkte, die bei einer einheitlichen, auf tat-
sächlichen Homologien fußßenden Vergleichung der Bestandteile des
männlichen Tasters anzunehmen seien. Um klarer zu gehen, möchte
ich zunächst einige terminologische Begriffe erörtern.
Il. Terminologisches.
Ueber die Bezeichnung: der Glieder I—-IV des männlichen Tasters
(Trochanter, Femur, Patella, Tıbıa) kann kein Zweifel
sein, ebensowenig wie über die Deutung des V. Gliedes (Cymbium,
Schiffchen, Kolbendeckel, Cupula etc.) als Tarsus, dessen ventrale
Vertiefung, die, wo sie vorhanden, die Basıs des Kopulationsanhanges
birgt, als Alveolus zu bezeichnen ist. Weniger einfach ist die
Definition des zuweilen auftretenden Paracymbıums oder Neben-
schiffchens.
Das Kopulationsorgan selbst (Stema, Menge, Geni-
talıien, Bösenberg) wird wohl jetzt allgemein als Bulbus
genitalis bezeichnet. Seine wesentlichsten Teile sind das Corpus
“bulbi, das den Samenschlauch (Spermophor, Bertkau), nicht
immer mit differenziertem Ausführungsgang (Ductus seminiferus)
enthält, und ein irgendwie beschaffener verlängerter Teil, der, in die
weibliche Kopulationsöffnung gebracht, das Sperma direkt in die Samen-
taschen des Weibchens überleitet. Auf. die durchaus nicht immer
vorkommende weitere Differenzierung eines nıcht verhornten basalen
Bulbusabschnittes (Pars basalıs bulbiı, Haematodocha
Wagners,Vesiculacopulatriıx, van Hasselt) wird später
einzugehen sein.
Von Fortsätzen des Bulbus ist prinzipiell keiner nötig.
Dieser Fall ist verwirklicht, wenn das Corpus bulbi selbst als In-
missionsorgan dient . (Lasiodora). Ganz gewöhnlich ıst aber ein
freier Fortsatz des Bulbus, der das Endstück des Samenkanals enthält,
als Embolus (Stylus, Simon) gesondert, der noch von einem
soliden Enddorn überragt sein kann.
Wenn die Homologie dieses Organes, überall wo es vorkommt,
leicht nachzuweisen ist, so ist dies schwerer für ein Begleitorgan des
Embolus, den Conduktor embolı, über dessen morphologische
Bedeutung noch mehreres zu sagen sein wird. Immerhin kann dieser
‘Terminus ın einer großen Anzahl von Fällen anstandslos verwandt
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 125
werden. Die Schwierigkeiten, die sich manchmal aus doppelter
Konduktorbildung ergeben, werden zu besprechen sein.
Am schwierigsten ist eine einheitliche Bezeichnung der sonstigen,
so starken Schwankungen unterworfenen Fortsätze des Bulbus, für
die eine einheitliche Beurteilung selbst innerhalb einer Famjlie oder
Gattung sehr schwierig ist. Sie sind besonders bei sedentären Netz-
spinnen (Therididen, Erigoniden, Linyphiiden, Epeiriden), oft in so
mannigfacher Form entwickelt, daß es, besonders wenn man ihre Funk-
tion bei der Begattung nicht Fe oft genug unmöglich ıst, ıhnen eine
einigermaßen sinngemäße Moneneliizu geben. Mit dem bisher all-
gemein angewandten Notwort „Retinacula“ ist nicht viel gewonnen.
Meisenheimer wendet den BegriffRetinaculum für einen Fort-
satz an, der einem Festhalten des Bulbus an der Epigyne des Weib-
chens dient, während er solche Fortsätze, die die Bulbusteile unter
sich stützen, als „Retinula“ bezeichnet. In der vonMeisenheimer
reproduzierten Abbildung Osterlohs von Linyphia triangularis
ist das „Retinulum“ das später zu besprechende Paracymbıum,
so daß sich neue Schwierigkeiten ergeben.
Biologisch als Retinacula aufzufassen sind die von Kar-
pinski(1l)als „Einsetzer“ bezeichneten Fortsatzbildungen
(in der Ein- oder Mehrzahl) an der Tibia, für die innerhalb
der Familie zuweilen eine gewisse Einheitlichkeit feststellbar ist und
die systematisch von Bedeutung sein können (Fixatoren m.). Zu
erwähnen sind hier noch Sinneshaare an Patella und Tibia, die
öfters vorkommen.
Somit würden von wesentlichen Teilen des Kopulations-
apparates zu nennen 'sein: 1. der Tarsus, wenn mit Alveolus
versehen, auch als Cymbium zu bezeichnen, 2. ein zuweilen, nur im
zweiten Falle, vorhandenes Paracymbium (Ramus externus
tarsı Simon), 3. der Bulbus genitalis. Er kann differenziert
sein in einen Stiel fPediculus bulbi), der durch die Vesicula
bulbı (V. copulatrıx, Haematodocha) ersetzt sein kann, aber nur,
wenn ein Älveolus am Tarsus ausgebildet ist, im Gegensatz zum stets
vorhandenen Corpus bulbi. Ein Embolus ist fast immer diffe-
renziert, ein solider Processus terminalis emboli selten, am
Begriff des Konduktors ist, mit Modifikationen, festzuhalten. Un-
wesentliche Apparate, die bei der Begattung in Funktion treten, sind
Fortsätze, Borsten etc. an Tibia und Patella, sowie die Gestaltung
der proximal vom Tarsus gelegenen Tasterglieder selbst. Diese Be-
standteile des Tasters sollen in ihrem Bau im einzelnen betrachtet
werden.
III. Der Taster der männlichen Spinnen.
1. Die für die Kopulation weniger wichtigen Taster-
teile (Femur bis Tiıbia).
Das Femur des männlichen Spinnentasters kann kurz oder lang.
dick oder dünn, zylindrisch oder abgeplattet sein; immer aber wird
10. Heft
126 Ulrich Gerhardt;
es Modifikationen in seinem Bau zeigen, die gegenüber den am
distalen Tasterende auftretenden geringfügig erscheinen. Extrem lange
Femora zeigen die Taster männlicher Mimetiden, Tetragnathiden,
Dinopiden, von Zilla atrica, sehr dick sind sie bei allen Pholciden-
männchen. Die Patella schwankt ebenfalls zwischen allen Ex-
tremen in Bezug auf Länge und Dicke, und es sei des Gegensatzes
halber nur auf die sehr kurze, aber dicke der Pholcıden und die un-
geheverlich entwickelte mancher lorıcaten Oonopiden (Ischnothyreus-
arten) hingewiesen. Der Besatz mit Tastborsten an manchen
Patellen (Beispiel: manche Linyphuden und sehr viele Epeiriden)
zeigt uns schon seine Beziehung direkter Art zum Kopulationsvorgang,
da diese Borsten während der Begattung in engste Berührung mit der
Epigyne des Weibchens kommen müssen (beobachtet bei Leptyphantes
nebulosus s. S. 76). Es erscheint mir nicht zweifelhaft, daß
sie zur Vermittlung sexueller Empfindungen dienen. Die Tıbia kann
mit Kämmen, Leisten, Haaren etc. besetzt, sie kann lang oder kurz
sein. In vielen Fällen entbehrt sie aller chitinösen Fortsätze, während sie
mit solchen, in der Ein- oder Mehrzahl, außerordentlich häufig bei
cymbiophoren Spinnen ausgestattet ist. Solche Organe, von einem
einfachen Zapfen (Labulla, Lampona) bis zu fast hirschgeweih-
förmigen Auswüchsen (Sparassıden, Clubiona coerulescens, Amau-
robiiden) finden sich alle möglichen Abstufungen solcher Organ-
bildungen, und für die Systematik: der Arten innerhalb einer Gattung,
wie auch dieser selbst, sind diese Tibialfortsätze von größter Be-
deutung. Doch sind sie ım Einzelfall zu verschieden gestaltet, um hier
eine generelle Schilderung zu erlauben.
Ihrer biologischen Bedeutung ıst Karpinski (43) mit der Be-
zeichnung „Einsetzer‘ gewiß gerecht geworden, da sie, wıe bei vielen
Formen (Ageleniden, Dictyniden, Clubiona, Labulla) zu beobachten
ist, dazu dienen, dem Taster außen an der Epigyne, deren Relief
sie natürlich angepaßt sein müssen, Halt zu geben und nun die Ein-
bringung des Konduktors und Embolus in eine Samentaschenöffnung
wesentlich zu erleichtern. Für Dictyna arundinacea gibt Kar-
pinski, wie früher erwähnt (C. c. S. 171), an, daß der Einsetzer
einer Seite in der Samentasche Fuß fasse, die bei der Begattung nicht
benutzt wird, was mir nicht ganz richtig beobachtet erscheint.
Für diese Bildungen möchte ich den Namen „Fixatoren
vorschlagen, und es würde, um es kurz zu definieren, ein „Fixator ,
also ein der Befestigung des männlichen Tasters an der Epigyne
‚dienender Fortsatz der Tibia sein, im Gegensatz zu einem Retina-
culum, einem, dem gleichen Zweck dienenden Fortsatz des Bulbus
selbst.
So zeigt sich, daß in proximo-distaler Richtung die Glieder des
Tasters mehr und mehr mit Organen ausgestattet werden, die mit der
Begattung in Beziehung stehen. Bei den einfachsten Tastern (Dys-
deriden) ist allerdings die ganze Extremität bis auf die Gestaltung
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 12%
des Tarsus völlıg der des Weibchens gleich, bei höher entwickelten
Formen können dann aber die verschiedenen erwähnten Differenzie-
rungen auftreten.
2. Der Tarsus,
Als die ursprünglichste Form des männlichen Spinnentasters muß
eine solche postuliert werden, die der des gleichen Gliedes beim
Weibchen am nächsten kommt. Dies Postulat wäre ım allgemeinen
in dem Tarsus des männlichen Tasters mehrerer haplogynen Spinnen-
familien, z.B. der Dysderiden, am ehesten verwirklicht. Scytodes
unter den Sicarııiden würde sich anschließen. Unter den tetra-
pneumonen Spinnen scheint, soweit mir aus der Literatur ersichtlich,
von Avicularııden nur dıe Gattung Thelochoris nach Simon
(63) hierherzugehören, vielleicht auch Hexura, und einigermaßen auch
Atypus unter den Ätypiden.
Alle diese Tarsusformen sınd so ziemlich gestaltet, wie das
gleiche Glied beim Weibchen, jedoch krallenlos. Als ıhr wichtigstes
Charakteristikum ist ihre Länge und, wenigstens bei reinen Formen,
das völlige Fehlen des Alveolus, so daß, wıe schon Bert-
kau (4) richtig betont, hier nıcht eine Aushöhlung, sondern
im Gegenteil eine Auftreibung der ventralen Tarsusfläche vorliegt.
Dies Hauptkriterrum des primitiv gebauten Tarsus bleibt auch
dann bestehen, wenn er im ganzen verkürzt wird, wie sich dies
bei verschiedenen Sicaruıden (Plectreurys, Loxosceles, Sicarius),
sowie ın ganz ähnlicher Weise bei Ariadna unter den Dysderiden
findet. Der einfache Bau des Bulbus wird durch diese Verkürzung
nicht tangiert, selbst dann nicht, wenn sie, wie bei den Hypochiliden
und Filistatiden, so extreme Grade erreicht, daß der Bulbus
terminal zu stehen kommt.
Wohl aber ist bei diesen beiden letztgenannten Familien der Tarsus
selbst durch einen Charakter ausgezeichnet, den er mit dem der meisten
Theraphosen teilt, nämlich durch die beginnende Ausbildung eines
Alveolus, d. h., wie oben definiert, einer, hier fast oder ganz ter-
minal gelegenen Vertiefung, die den Basalteil des Bulbus, im Gegen-
satz zum Taster der Dysderiden etc., aufnimmt. Wieweit bei
der erwähnten Aviculariidengattung Thelochoris mit langem Tarsus
ein Alveolus ausgebildet ist, vermag ich aus der Simonschen Ab-
bildung nicht zu erkennen. Bei der großen Mehrzahl der Aviculariiden
aber (mir liegen etwa 15 Präparate vor) ist fast terminal, nur von
einem ventral längsgekerbten, distal verdickten, stumpfen Ende überragt,
ein deutlicher kleiner Alveolus vorhanden, . der den weichen basalen
Teil des Bulbus aufzunehmen hat.
Eine solche pars basali bulbi scheint bei Hypochilus und Ecta-
tosticta (mir liegen keine Präparate von diesen Gattungen vor), zu
fehlen, bei Filistata ist sie bestimmt nicht vorhanden.
Unter den Haplogynen nimmt der Tarsus des männlichen Tasters
der Caponiiden insofern eine Sonderstellung ein, als er blasig auf-
10. Heft
128 Ulrich Gerhardt:
getrieben, dorsal konvex und ventral konkav gestaltet ist, so daß der
kleine Bulbus in einer seichten Vertiefung befestigt ist, die ich nicht
als eigentlichen Alveolus, aber doch als die Andeutung eines solchen
deuten möchte. Simon spricht die Meinung aus, der Taster der
männlichen Caponiiden erinnere unter allen Haplogynen am meisten
an die entelogynen Formen; doch möchte ich in ihm keine solche
Uebergangsform sehen, sondern nur eine allerdings recht aberrant ent-
wickelte des typischen Haplogynentasters.
Ganz abweichend gestaltet ıst der Tarsus am Taster der Phol-
cıdenmännchen, und es kann auch hier mit Sicherheit zunächst
seine hochgradige Verkürzung und Abrundung, aber ohne Ausbil-
dung eines Alveolus, festgestellt werden. Lateral von dem
eigentlichen Körper des Tarsus, der als solcher durch die feste In-
sertion des Bulbus an seinem Ende und median charakterisiert ist,
geht ein starker, sehr verschieden geformter Fortsatz aus, der zweifel-
los, wenn er überhaupt ein Homologon hat, nur dem später zu be-
sprechenden Ramus exterior tarsı (Simon) mancher Netz-
spinnen entsprechen kann, nicht, wie dieser Autor annımmt, dem (me-
dianen) Haupttaster. Simon selbst betont im Text bei der Schilderung
verschiedener Tarsusformen männlicher Pholciden, daß dieser Fortsatz
lateral gelegen sei, ohne die terminologische Konsequenz daraus
zu ziehen.
Ich glaube nicht, daß auf alle diese bisher besprochenen Tarsus-
formen die Bezeichnung „Cymbium“ angewendet werden kann, die
ich solchen vorbehalten möchte, bei denen eine wesentliche Ver-
breiterung der Alveolarpartie auftritt, die ihrerseits mit
der Ausbildung einer Vesicula basalis bulbi auf das Engste
zusammenhängt. Wie in meiner früheren Arbeit dargelegt (l.c.S.98 f.),
können wir schrittweise verfolgen, wie die Einbeziehung immer weiter
dıstal gelegener Tarsusteile in das Gebiet des Alveolus fortschreitet,
wie zunächst, wofür sich Beispiele unter allen Familien freilaufender
Spinnen (Salticıden, Thomisiden, Sparassiden, Lycosiden, Pisauriden,
Oxyopiden), sowie bei Ageleniden, Clubioniden und Dictyniden, viel sel-
tener bei sedentären |Netzformen finden lassen, das distale Tarsusende
soweit unberührt bleiben kann, daß es sogar noch Endklauen trägt (Tro-
chosa); wie es verkürzt, aber doch noch als drehrunde Spitze den Al-
veolus überragen kann, oder, wie bei Salticıden häufig, eine quere Ab-
stutzung erfährt, oder bei den Dinopiden fast kreisrund wird. Wieviel
stärker schließlich bei Netzspinnen (Therididen, Uloboriden,
Erigoniden, Linyphiiden, Tetragnathiden und Araneiden) die Modi-
‘fikation des Tarsus werden kann, so daß die ursprüngliche Gestalt des
Extremitätengliedes außer durch die Behaarung der Streckseite unkennt-
lich wird, und fast nur noch ein großer, blatt- oder löffelförmiger Alve-
olus übrigbleibt, ist bekannt und braucht hier nicht noch einmal ein-
gehend erörtert zu werden. Dagegen wird es gut sein, auf die morpho-
logische Bedeutung des Gebildes hier einzugehen, das als Ramus ex-
terior tarsı (Simon) oder als Paracymbium (Menge) in der
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 129
Literatur eine Rolle spielt, und das am stärksten bei Tetra-
gnathiden, dann bei Linyphiiden und Micryphantiden
entwickelt ist. |
2a. Das Paracymbium.
E. Simon steht auf dem Standpunkt, daß der bei Araneiden sehr
deutliche laterale Basalfortsatz des Tarsus, der kopfförmig vorspringt,
mit Sicherheit ein Homologon des Paracymbıum der Linyphiden,
Micryphantiden und Tetragnathiden sei. Bei den beiden letzten Familien
würde es sich nur um eine Ablösung und selbständige Eingelenkung
dieses Fortsatzes vom und am Hauptast des Tarsus handeln.
Ich möchte in keiner Weise in Abrede stellen, daß* das Para-
cymbium auf diese Weise entstanden sein kann, und daß die Mög-
lichkeit einer solchen Homologie in der Tat besteht. Immerhin aber be-
steht zwischen beiden Zuständen doch zweifellos ein beträchtlicher
Unterschied. Unter sich sind außerdem die Paracymbien bei den Te-
tragnathiden einer-, den Linyphiiden und Micryphantiden andrerseits sehr
verschieden, sowohl in morphologischer wie in funktioneller Beziehung.
Bei Tetragnatha und Pachygnatha stellt das Paracymbium gewisser-
maßen eine zweite verkleinerte Ausgabe des Tarsus dar, die dessen
Basıs an der lateralen Seite des Tibiaendes freibeweglich angegliedert
ist. Es teilt mit dem Tarsus auch die Behaarung der Außenseite. Bei
Linyphiiden sitzt das Paracymbium zwar an der gleichen Stelle,
ist aber unbehaart, viel stärker chitinisiert und ganz abweichend ge-
staltet. Es ist spangen-, bandförmig, gebogen, mit glatten Fortsätzen
versehen und dgl., und während für dıe Tetragnathiden sich eine er-
kennbare Rolle bei der Kopulation für dies Organ nicht nachweisen
läßt, ıst dies bei den Linyphuden insofern der Fall, als es einmal den
sich bei der Tasterinsertion anschwellenden Bulbenteilen als Stützpunkt
dienen (am deutlichsten bei Labulla zu sehen), andrerseits (Linyphia
Leptyphantes), wie bei der genannten Gattung auch noch außerdem,
den Bulbus an der oralen Seite oder, je nach deren Bau, an dem Nagel
der Epigyne fixieren hilft. Jedenfalls handelt es sich in beiden Fällen
um ein relativ sehr hoch differenziertes Gebilde, wie es sich! in gleicher
Form bei anderen Spinnenfamilien kaum finden dürfte.
Ueber die Funktion des „Ramus exterior tarsı bei den Epei-
rıden (Araneıden) vermag ich nichts Bestimmtes anzugeben, und
zwar aus den schon früher (l. c. S. 143 und oben S. 91/92) erörterten
Gründen, nämlich den großen Schwierigkeiten, die einer genauen Beob-
achtung der Funktion der einzelnen Tasterteile bei der Kopulation der
Epeiriden entgegenstehen. Der geschweifte, lateral gerichtete Haken.
der meist mit knopfartiger, sehr glatter chitinöser Anschwellung endet.
kann zweifellos mit dazu dienen, dem Taster an dem Nagel der Epigyne
Halt zu geben, eine andere Funktion wäre kaum denkbar.
Bei einer vergleichenden Betrachtung ergeben sich demgemäß
zwischen Epeiriden und Linyphuden für den Bau des äußeren Tarsus-
anhanges zweifellos mehr Unterschiede als Uebereinstimmungen, und
Archiv für Naturgeschichte. 9
1923. A. 10, 10. Heft
130 Ulrich Gerhardt:
daß diese Unterschiede zwischen Linyphiiden und Tetragnathiden zwar
nıcht qualitativ, aber doch quantitativ sehr weitgehend sind, kann wohl
auch als sicher betrachtet werden.
Eines Falles sei noch besonders gedacht, der zeigen kann, daß sich
ein vollentwickeltes Paracymbium neben einer zweiten basalen Apo-
physe des Tarsus gleichzeitig finden kann, die der des Epeiridentarsus
in jeder Hinsicht ähnelt. Dies Verhalten‘ findet sich bei dere
heimischen Linyphide Drapetfisca socialis. Aus diesem Befunde
scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, daß eine Basalapophyse des
Tarsus jedenfalls kein Homologon eines Paracymbiums zu sein
braucht.
Immerhin halte auch ich es für wahrscheinlich, daß das Paracym-
bıum, mindestens das der Linyphüden, ursprünglich aus einer solchen
Apophyse hervorgegangen zu denken ist, für das der Tetragnathiden
scheint mır immerhin auch die Möglichkeit vorzuliegen, daß ursprüng-
lich eine zweite terminale Apophyse der Tibia in Betracht käme, Die
Ontogenese lehrt uns über diese, Fragen leider garnichts, und so bleiben
wir vorläufig auf Vermutungen angewiesen,
Sl ganz eigentümlichen Spaltung
des Tarsus bei den Pholciden gedacht werden. Hier kann es, be-
sonders auch nach meinen biologischen Befunden an Pholcus
opilionoides gar keinem Zweifel unterliegen, daß der von Thorell
als Procursus bezeichnete äußere Tasterfortsatz, der oft äußerst
kompliziert gebaut ist und seinerseits wieder in mehrere Aeste auf-
geteilt sein kann, einen bei der Kopulation als Haft- und höchst wahr-
scheinlich auch als Tastapparat fungierenden Teil darstellt, der, wegen
der im ganzen von der sonst bei Spinnen üblichen so völlig abweichenden
Struktur des Tasters — der in manchen Punkten zu den haplogynen.
Formen Beziehungen aufzuweisen scheint — wohl kaum dem Ramus
exterior oder gar dem Paracymbium der oben geschilderten cymbio-
phoren Formen direkt vergleichbar sein wird. Klarheit über diesen
Punkt könnte nur die bis jetzt fehlende Kenntnis von den Tastern
solcher Spinnenformen geben, die auf Grund natürlicher Be-
ziehungen als phyletische und morphologische Mittelglieder zwischen
den Pholciden und den haplogynen Formen (etwa den Sicariiden) gelten
könnten. Ob zwischen den Pholciden und irgend einer anderen Familie
der entelogynen Spinnen jemals ein Verbindungsglied gefunden werden
könnte, muß gänzlich zweifelhaft, ja sogar recht unwahrscheinlich er-
scheinen, wenigstens, wenn meine Auffassung zu recht besteht, nach der
.die Familie der Pholciden eine terminale Entwicklungsform dar-
stellen würde, so daß also derartige Uebergänge eine phyletische Un-
möglichkeit bilden würden. Mit Sicherheit glaube ich jedenfalls,
daß der männliche Pholcidentaster als eine morphologische oder phyle-
tische Vorstufe des mit Cymbium und Vesicula bulbi begabten Tasters
der überwiegenden Mehrheit der recenten Araneen gar nicht in Betracht
kommen kann. Dafür spricht m. E. nıcht zum geringsten seine beider-
seitige simultane Verwendung beim Kopulationsvorgang. Alles in allem
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 131
‚möchte ich aber von einem Paracymbium, oder einem ihm vielleicht
gleichwertigen Gebilde nur da sprechen, wo auch ein wahres, mit weitem
Alveolus versehenes Cymbium vorhanden ist, so daß der lateinische
Name des Gebildes, wie Menge ıhn formulierte, durchaus morpho-
logisch gerechtfertigt erscheint.
3. Der Bulbus genitalis.
Der wichtigste Teil des männlichen Spinnentasters, der Bulbus
genitalis, der den Aufbewahrungsraum für das beim Füllungsakt
aufgenommene Sperma birgt, und gleichzeitig dessen Uebertragung in
die weiblichen Samentaschen ın irgend einer Weise zu bewirken hat,
besteht, wıe früher (l. c. S. 90) erörtert worden ist, in seiner einfachsten
‚Gestalt (Segestria) aus einem recht unkomplizierten, wenig differen-
zierten und in seinem Aufbau sehr leicht verständlichen Körper von
etwa Birnenform mit freier, dünner Spitze, die dem Stiel der Birne ent-
sprechen würde, während dıe Basıs an der Ventralfläche des basalen
Tarsusabschnittes (der keinen Alveolus trägt ) mit Hilfe des Bulbus-
stieles (Pediculus bulbi) angeheftet ıst. Im Innern liegt, in
wenigen Windungen schraubig zusammengerollt, der hier weite Sper-
mophor, dessen Ausführungsgang (Ductus seminiferus, bei ein-
fachen Formen schwer gegen den proximalen Teil abgrenzbar) auf der
Bulbusspitze ausmündet.
Wenn wir also die äußere Gliederung eines solchen Bulbus be-
trachten, so können wir von proximalen Abschnitten den Pediculus und
das corpus bulbi, von distalen nur den verjüngten Endabschnitt
unterscheiden, den ich zunächst ganz indifferent als Scapus bulbi
bezeichnen möchte. Zunächst soll das gegenseitige Verhalten der proxi-
malen Abschnitte besprochen ‚werden, wie es sich bei einer vergleichenden
Betrachtung verschiedenartigster Bulbusformen darstellt.
a) Dieproximalen Abschnitte des Bulbus, Pediculus,
Corpus und Vesiıcula bulbı.
Bei einer Besprechung dieser Abschnitte des Bulbus wird es zweck-
mäßig sein, ıhr gegenseitiges Verhalten, sowie ihre Beziehungen zu der
Gestaltung des Tarsus an der Hand einiger charakteristischer morpho-
logischer Entwicklungsstufen für diese gesondert zu besprechen, da nur
so eine Vergleichung möglich sein dürfte.
Der prinzipiell einfachste Fall, wie er sich bei Segestria unter
den Dysderiden bietet und auch für die übrıgen Glieder dieser Familie
(Dysderinae), sowie einen Teil der Oonopiden (Oonops) gilt, ist be-
reits besprochen worden. Eng schließen sich die Sicarııden an,
einigermaßen auch die Filistatiden und schließlich auch die Capo-
nıiden. Ueber den Bulbus des Hypochilidentasters möchte ich
nichts aussagen, bevor ıch ihn selbst gesehen habe.
Der springende Punkt würde bei diesem Typus die Einfachheit
des in toto verhornten Bulbus und dessen Befestigung mit einem
starren Stiel an der nicht vertieften WVentralfläche des Tarsus
9* 10. Heft
132 Ulrich Gerhardt:
sen. Von der Ausbildung eines dreh- und schwellbaren
proxımalen Bulbusabschnittes, der mit dem bei komplizierteren
Formen anzutreffenden derartigen Apparat vergleichbar wäre, wie er
ın seiner höchst entwickelten Gestalt als Vesicula bulbı oder
Haematodocha ın so weiter Verbreitung vorkommt, ist nichts
vorhanden. In meiner früheren Arbeit (l. c. S.195 ff.) habe ıch auf
die, soweit ich sehe, vorher unbeachtet gebliebene, aber meines Er-
achtens für diese Betrachtung höchst wichtige Tatsache hingewiesen,
daß bei den Avicularııden, und zwar soweit ich sche, ganz allge-
mein (wıe sich die oben erwähnte Gattung Thelochoris mit langem
Tarsus verhält, weiß ıch nicht) proximal von dem chitinisierten, dem
der Dysderiden etc. nıcht unähnlichen Corpus bulbi, ein weicher, also
nıcht verhornter, schraubenförmig gerollter Abschnitt liegt, der das
blinde Ende des Samenbehälters birgt und in der Ruhelage ganz von
dem Alveolus des Tarsus aufgenommen wird.
Gegenwärtig vermag ıch zu sagen, daß auch bei Atypus ein der-
artıg dıfferenzierter proximaler Bulbusabschnitt existiert. Es kann frag-
lich erscheinen, ob, morphologisch betrachtet, dieser Teil dem Bulbus-
stiel oder dem basalen Abschnitt des Corpus bulbi der Dysderiden
entspricht; physiologisch genommen ist hier jedenfalls eine Art dreh-
baren Bulbusstieles zustande gekommen.
Durch die Erweichung und Aufrollung der Bulbusbasis bei den
Theraphosen hat dieser Abschnitt eine neue physiologische Bedeutung
nach zwei Richtungen hin erlangt:
1. Während bei dem Bulbustypus, den die Dysderiden zeigen, eine
Drehung des Bulbus nach innen nur unter gleichzeitiger, gleichsinniger
Drehung des Tarsus möglich ist, kann bei den Theraphosiden der
Bulbus gedreht werden, während der Tarsusin seiner
Lage verbleiben kann. Es ist also ein Torsionsmecha-
nısmus für den Bulbus entstanden, und Simon gibt auch an, daß
bei der Kopulation der Bulbus distal gerichtet werde und sich aus
dem Alveolus heraushebe. Durch Konservierung von Tastern in dieser
Stellung sei irrtümlich für die Gattung Theraphosa jener besondere,
von Simon (62), Koch (44), Ausserer (1) beschriebene Taster-
typ mit distalwärts stehendem Bulbus angenommen worden, den auch
ich nach den Literaturangaben (l. c. S. 92 und 197 als Sondertyp
aufgeführt habe. Somit würde dieser Typus lediglich ein Kunst-
produkt darstellen und zu streichen seın.
2. Die basale unverhornte Tasterpartie steht vielleicht (eine Be-
obachtung van Hasselts (38) an konserviertem Material spricht
dafür) schon bei Theraphosen in Beziehung zu der Blutversorgung
des Bulbus während der Kopulation.
Für den Dysderidentaster ist es bisher unbekannt, in welcher
Weise die Austreibung des Spermas aus dem Spermophor während
der Begattung erfolgt. Daß das Innere des Tarsus (unter der Chitin-
decke) mit dem Hals des Bulbus (dem Pediculus) durch das so-
genannte Bertkausche Loch (van Hasselt) in Verbindung steht,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 133
darf als sicher angenommen werden. Es wırd auch kaum zweifelhaft
sein können, daß bei der Kopulation (aus der Analogie mit anderen
Spinnen zu schließen) Blutflüssigkeit in den Bulbus, und zwar in die
nicht besonders abgegrenzten Räume zwischen seiner Wand und der
des Spermophors, eintreten wird. Ein besonderer basaler Stauraum
für das Blut fehlt aber, und es hat daher keinen Zweck; nach einer
‚„Haematodocha“ beı Segestria etc. zu suchen oder einen mehr vir-
tuellen derartigen Raum konstruieren zu wollen, wie van Hasselt
und Simon dies Versuchen.
Es sei hier noch bemerkt, daß auch am männlichen Pholcıiden-
taster kein Aequivalent einer Haematodocha besteht, so
daß hier in Bezug auf die Blutversorgung des Bulbus ähnliche Ver-
hältnisse vorliegen dürften, wie bei den Dysderiden. !)
Dagegen ist es ın hohem Maße wahrscheinlich, daß schon bei
den Theraphosiden, trotz des so einfachen Baues des Corpus bulbi,
hier der Blutzustrom zum Tasterbulbus während der Kopulation in
ähnlicher Weise erfolgen wird, wie bei den cymbiophoren Spinnen.
Denn die Kraft, durch die der Bulbus nach vorn gedreht wird, kann
wohl, da besondere Muskeln fehlen, nur durch gesteigerten Blutzufluß
in den Bulbusstiel geliefert werden.
Besonders muf3 hervorgehoben werden, daß bei den Theraphosiden
dieser Basalabschnitt des Bulbus das blinde Ende des Samenschlauches
umgibt, so daß also, wenn die angenommene Blutfüllung eintritt, dessen
Außenwand in einem größeren Abschnitt von allen Seiten her von
Blut umspült werden muß.
Demgegenüber ist bei den männlichen Spinnen, deren Tasterendglied
zum Cymbıum ım oben beschriebenen Sinne umgebildet ist, der Basal-
abschnit‘ des Bulbus zwar gleichfalls als weicher, in der Ruhe spiralig
zusammengelegter Sack ım Alveolus verborgen, er unterscheidet sich
aber ın doppelter Beziehung von dem homologen Abschnitt bei den
Theraphosiden: 1. reicht der Spermophor nicht bis in ihn hinein, und
2. erreichı er ein sehr viel bedeutenderes Volumen, das in vivo allerdings
natürlich nur in der Zeit seiner Aktivität, also während der Begatiung,
erkennbar wird, aber auch am toten Präparat bei Behandlung mit
Kalilauge und Wasser oder dünnem Alkohol (van Hasselt, Ger-
hardt) künstlich sichtbar gemacht werden kann.
Somit hat bei cymbiophoren Spinnen die Pars basalıs bulbi eine
größere Selbständigkeit gegenüber den weiter distal gelegenen Ab-
schnitten dieses Organes erlangt, als es bei den Theraphosiden der
Fall ist. und ich möchte für diese blasenförmige, dünnwandige, weite
Aussackung der Bulbusbasis den Namen Vesicula (basalis)
bulbı vorschlagen. Die Bezeichnung „Spiralmuskel”, die
Menge .anwandte, kann als erledigt gelten; ich gebe der eben an-
gegebenen Bezeichnung den Vorzug vor dem Namen Vesicula co-
!) Eine 1923 gefundene schwellbare Blase im Ramus exterior tarsi wird
später beschrieben werden. A. w. d. Korr.
10, Heit
134 Ulrich Gerhardt:
pulatrıx (van Hasselt) oder Haematodocha (Wagner),
weil diese beiden auf einem physiologischen Vorgang basiert
sind, während der vorgeschlagene Name nur das morphologische
Verhalten objektiv zum Ausdruck bringen soll.
Daß die Ausbildung des weiten Alveolus am Cymbium bei den
cymbiophoren Spinnen (Cribellaten und Ecribellaten) in direkter Korre-
lation zu der der Vesicula steht, soll hier nochmals ausdrücklich fest-
gestellt werden.
Die physiologische Rolle des Organes ist zuerst von Bertkau
(6), später am eingehendsten von Wagner, van Hasselt und
Mc Cook (48) erörtert worden, und es kann wohl gesagt werden,
daß in der Auffassung dieser Funktion in der Hauptsache Einheitlich-
keit unter allen Autoren besteht. Daß es sich auch hier erstens um
einen Drehungsapparat für den Bulbus, zweitens aber, und diese
Funktion wird von den übrıgen Autoren als die wesentlichste betrachtet,
auch um ein Blutreservoir zum Hervorpressen des Spermas aus dem
hier nur im Corpus bulbi gelegenen Spermophor handelt, ist früher
(l. c. S. 117) und oben (S. 70) eingehend besprochen worden. Es
seı aus historischen Gründen hier noch einmal darauf hingewiesen,
daß Wagners Meatus (er schreibt, schon zu Bertkaus Entsetzen,
Meatı) sanguiniferi, die eine direkte Kontinuität zwischen dem Lumen
der Vesicula und dem des Spermophors bilden sollten (auchMc Cook
hatte sie übernommen), eine Fiktion darstellen und gerechter Vergessen-
heit anheimgefallen sind.
Es soll nun erörtert werden, inwieweit mit dem Auftreten einer
Vesicula bulbi (oder doch einer ihr entsprechenden torquierbaren Basal-
partie dieses ÖOrganes) eine weitere Differenzierung des
Corpus bulbı Hand in Hand gehen mul oder kann.
Bei allen Theraphosiden bleibt der Bulbus, wie wir rn
trotz der Einschaltung dieses weichen Basalabschnittes, in seinem ver-
hornten Teil sehr einfach gestaltet. Der Spermophor ist weit,
spärlich gerollt, über seinen Ausführungsgang wird später zu sprechen
sein. Bei eymbiophoren Spinnen (den Namen möchte ich
deshalb anwenden, weil er mit „entelogyn“ sich nicht völlıg deckt; die
Pholciden sind zwar entelogyn, aber nicht cymbiophor) finden sich
nur recht selten Bulbuskörper, die die einfache Struktur aufweisen,
wie wir sie bei allen haplogynen Spinnen finden. Ich kenne; aus eigener
Anschauung von solchen Formen nur die Bulbi der Drassidengattung
Lampona (Taf. I, Fig. 10), von Eresus. (Taf. II, Fig. 11) und
den Tetragnathiden, innerhalb derer aber insofern Uhnter-
schiede vorhanden sind, als Tetragnatha und Pachygnatha völlige
Uebereinstimmung zeigen, während bei Argyroepeira und Tylorida
(Taf. III, Fig. 28) etwas abweichende und kompliziertere Bulbus-
formen vorliegen. Nach Simon ist außerdem der Taster der
männlichen Palpimaninen dem von Lampona ähnlich gebaut,
Bei Lampona murina C. L. K. scheint nach dem Präparat die
Vesicula bulbi sehr klein zu sein, während das bei Eresus anscheinend,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 135
bei den Tetragnathiden (nach der Beobachtung in vivo) sicher
nicht der Fall ist. Bei allen diesen Spinnen stellt das Corpus bulbi
einen völlig verhornten, daher in sich nicht drehbaren Körper dar,
so daß zwar bei Blutfüllung der Vesicula diese selbst sich auseinander-
rollt, das Corpus bulbi aber nach wie vor ein starres Ganze bildet.
Abgesehen von unwesentlicheren Formverschiedenheiten besteht aber
der Hauptunterschied gegenüber dem Bulbus der Theraphosidenmänn-
chen darin, daß der Spermophor nur ım Corpus bulbi gelegen ist.
Sehr schön läßt sich bei Tefragnatha und Pachygnatha das Un-
verändertbleiben des Corpus bei der Schwellung der Vesicula während
der Kopulation beobachten, und van Hasselt gibt von der ex-
pandierten Blase bei Pachygnatha eine schöne Abbildung. Die
geringe Zahi’von Windungen, die dem Samenschlauch der Theraphosiden
eigentümlich ist, findet sich auch bei Eresus und ganz besonders
bei Lampona. Bei den Tetragnathiden und Argyroepeiriden ist die
Zahl der Windungen größer, und zwar am ausgesprochensten bei
Tylorida striata, weniger bei Tefragnatha, Pachygnatha und
Leucauge.
Die Verhornung des Corpus bulbi wird, wie Bertkau (4)
schon klar und überzeugend auseinandersetzt, teilweise rückgängig ge-
macht bei der großen Mehrzahl der cymbiophoren Spinnen. Man kann
sagen, daß dieser partielle Erweichungsprozeß, der eine Torsions-
möglichkeit des Corpus bulbi erzielt, sich in proximo-distaler Richtung
im Verlaufe der höheren Differenzierung des Bulbus fortsetzt, wobei
aber zu bemerken ist, daß niemals die gesamte Chitinbekleidung
des Bulbus diesem Prozeß anheimfällt, vielmehr bleiben, wie gleich-
falls Bertkau erkannt hat, zunächst alle die Teile des Bulbus davon
frei, die in dem zusammengerollten Zustande des Organes nach außen
liegen, also ohne Störung des gegenseitigen Lagerungsverhältnisses der
Teile sichtbar sind. Es ist nun sehr schwer, für die verschont bleibenden
Partien eine einheitliche morphologisch anwendbare Bezeichnung zu
finden, da je nach der Art der Unterbringung des Bulbus ın oder am
Cymbium in den einzelnen Familien bedeutende Formschwankungen
vorliegen Von einem „Tegulum“ im Sinne Wagners kann man
meiner Meinung nach eigentlich nur da sprechen, wo der Bulbus ın
der Ruhelage, wie bei vielen Thomisiden und Dictyniden, e'ise
etwa palettenartig aussehende Platte darstellt. Wo aber der Bulbus
sich vergrößert und in oft bizarren Formen dem Cymbium in der Ruhe
parallei gelagert ist, ist das Gewirr der chitinösen Platten, das den
gewundenen Schlauch des Corpus bulbi teilweise bekleidet, kaum mit
einem derartigen Namen zusammenzufassen. Das gilt für Theriduden,
Epeiriden, Linyphiiden, Erigoniden und Uloboriden, also für ausgespro-
chene Netzspinnen. An dem Bulbus einiger Attiden (Attus,
Epiblema etc.) und Clubioniden (Clubiona corticalis) findet sich
am Corpus bulbi, und zwar an seiner Basıs gegen die Vesicula hin, eine
chitinisierte, weite Aussackung, die keine Schlingen des Spermo-
phors birgt und über deren physiologische Bedeutung nichts ausgesagt
10. Heft
136 Ulrich Gerhardt:
werden kann. Bei Amaurobius ferox dient ein ähnlicher Sack
als Sekretbehälter (s. $. 49).
Es ist nicht zweifelhaft, daß eine Beziehung zwischen der Form
des Bulbus und des Cymbiums besteht. Wo dieses den ursprünglichen
Typus (mit noch erhaltener Tarsusspitze) zeigt, ıst das Corpus bulbi
im wesentlichen rechtwinklig zum Cymbium orientiert (laufende
Spinnen, Agelenıden, Clubioniden, Dinopiden, Dictyniden). Der Bulbus
der sedentären Netzspinnen dagegen ist fast immer dem Cymbium
ın der Weise parallel gerichtet, daß Tarsus- und Bulbusende neben-
einander liegen. Daß hier eine unter dem Einfluß der Lebensweise
aufgetretene, immer weiter gehende Entwicklung ın einer bestimmten
Richtung vorliegt, kann dem Betrachter einer großen Anzahl männ-
licher Spinnentaster nicht zweifelhaft bleiben.
Die Neigung des Bulbus, Fortsätze zu entsenden, ist zweifel-
los bei dem zuletzt genannten Typus mit wenigen Ausnahmen sehr
viel stärker entwickelt, als bei dem einfacheren der Vagantıa etc. Die
Bedeutung und morphologische Vergleichbarkeit der Bulbusfortsätze
soll aber weiter unten im Zusammenhang besprochen, und hier sollte
zunächst nur das Verhalten des Corpus bulbi selbst erörtert werden.
Einer besonderen Erwähnung bedarf auch in diesem Zusammenhang
der Bulbus der Pholciden, der eine Sonderstellung einnimmt. Daß
er, wie bei den Dysderiden, Sicariiden etc, fest an den nicht mit
einem Alveolus versehenen Tarsus angeheftet ist, wurde schon erwähnt.
Durch diese starre Fixierung des Bulbus am Tarsus, die die bei dem
Dysderidentaster festzustellende bei weitem übertrifft, wird die bereits
(l. c. S. 156, oben S. 101) genügend hervorgehobene seltsame Tatsache
verständlich, daß jede Torsion des Bulbus zum Tarsus unmöglich ist,')
und daher, um die zur Ausführung der Kopulation nötige Lage der
Bulbusfortsätze zu erzielen, Drehung des gesamten Tasters um
180° nach außen erfolgen muß, wie sie zuerst von Bertkau (11)
beobachtet und später von Montgomery (51) übersehen wurde.
Das Corpus bulbi ist fast kugelig, bei manchen Arten (z. B. Pholcus
phalangioides) rıngförmig eingeschnürt, der in seinem Innern liegende
Spermophor hat, soweit ich dies an meinen Präparaten erkennen
kann (bei Pholciden ist dies ganz besonders schwierig), überhaupt keine
Schraubenwindungen aufzuweisen, sondern stellt einen etwa retorten-
förmig gekrümmten Sack dar. Ueber seinen Ausführungsgang und
über die morphologisch schwer zu deutenden Fortsätze des Bulbus
wird später zu reden sein.
Somit lassen sich aus diesen Betrachtungen folgende als sicher
anzunehmende Sätze ableiten:
1. Bei Dysderiden, Oonopiden, Sicarıiden, Ca-
poniiden und Pholciden ist weder ein Alveolus, noch ein weicher
1) Bei Hoplopholcus wurde (1923) eine geringe Drehung des Bulbus zum
Tarsus bei der Reinigung des Tasters mit den Cheliceren beobachtet. A. w.
d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 137
basaler Tasterabschnitt vorhanden. Der Bulbus ist ın allen diesen
Fällen starr; eine Formänderung findet an ıhm während der Begattung .
nicht statt; in die zu ihrer Ausführung notwendige Lage wird er durch
eine mehr oder minder ausgiebige, bei den Pholciden am weitesten
gehende, Drehung des ganzen Tasters um 90 bis 180% gebracht.
Bei Hypochiliden und Filistatiden findet sich am
distalen Tarsusende eine Art Alveolus. Bei Filistata besitzt
der Bulbus keinen erweichten Stielabschnitt, für die H ypo chiliden
möchte ich diese Frage offen lassen.
3. Bei denTheraphosiden (Aviculariiden und Atypıden) findet
sich ohne eigentliche Cymbiumbildung ein kleiner Alveolus, der weiter
proximal sitzt als bei den unter 2. genannten Familien, und der den
weichen, spiral gerollten Basalabschnitt des Bulbus in der Ruhe auf-
nımmt. Das blinde Ende des Spermophors reicht gewunden in diesen
Abschnitt hinein. Der Mechanismus dieses Basalabschnittes während
der Tätigkeit des Tasters ist noch unklar. Das Corpus bulbi ist
etwa wie bei 1 gebaut.
4. Wo ein Cymbıum ım oben definierten Sinne vorhanden ist,
ist auch der Basalteil des Bulbus als Vesicula basalıs bulbı
ausgebildet, der keinen Abschnitt des Spermophors enthält und bei der
Kopulation durch Blutzufluß als Blase aufschwillt, die meist den Um-
fang des gesamten ruhenden Bulbus um ein Vielfaches übertrifft. Cym-
bium und Vesicula bulbi stehen also zueinander in engster Korrelation,
außerdem sind alle derartig ausgerüsteten Spinnen im weiblichen Ge-
schlecht mit einer Epigyne versehen. Fast immer ıst das Corpus
bulbı (Ausnahmen sind erwähnt) durch teilweise Erweichung in sıch
drehbar und gegenüber den anderen Formen wesentlich kompliziert.
Eine weitere Entwickelung dieses Zustandes ist insofern deutlich nach-
weisbar, als sich fast ausnahmslos bei Netzspinnen eine weit höhere
Differenzierung des Corpus bulbi findet als bei Lauf- und Röhren-
spinnen, während die Vesicula bulbi überall prinzipiell die gleiche
Form und Struktur (streifige Wand) aufweist.
5. Der Bulbus der Pholciden nımmt eine Sonderstellung, auch
gegenüber dem der Dysderiden etc. ein, sowohl was seine Lage zum
"Tarsus, als auch seine Struktur (Form, Spermophor) betrifft.
Einige besonders aberrante Formen, bei denen, offenbar sekun-
där, Tarsus und Bulbus zu einer mehr oder minder einheitlichen Masse
verschmelzen, sollen hier noch kurz erwähnt werden. Zunächst
ist festzustellen, daß ein derartiger Zustand sowohl bei haplo-
gynen Formen, also ausgehend vom einfachsten Tastertyp (Oono-
pidaeloricatae, Arten von Ischnothyreus, Gamasomorpha und
Dysderine), wie auch bi cymbiophoren Spinnen (Paculeae
unter den Theriiden nach Simon, erreicht sein kann, ohne daß
man sich über die Ursachen des Vorganges, der zu einer solchen Ver-
schmelzung geführt hat, Rechenschaft geben könnte. Es wird (besonders
beı Gamasomorpha etc.) sekundär ein Zustand hergestellt, der gerade-
zu an den erinnert, den wirramunreifen Taster der männlichen Spinnen
10. Heft
138 Ulrich Gerhardt:
aller Familien sehen, in dem das gesamte V. (Tarsal-) Glied des
_ Tasters eine noch nicht in Tarsus und! Bulbus gegliederte Masse
darstellt., Bei den Zwergmännchen der Gattung Nephila ıst die Ver-
schmelzung nicht vorhanden, obgleich es so scheinen könnte. Hier ist
eine Vesicula bulbi deutlich vorhanden. Wie sıch in diesem Punkt die
Paculeen verhalten, weil ich nicht zu sagen. Für die haplogynen
Formeiü, bei denen ja so wıe so der Bulbus nicht gegen den Tarsus
verdreht werden kann, wird die bei den erwähnten Loricaten zuweilen
äußerst hochgradige Vereinheitlichung von Tarsus und Bulbus physıo-
logisch nur unbedeutende Konsequenzen haben. Bei der später zu
gebenden Uebersicht über dıe Tasterformen in den einzelnen Familien
wird auf diesen Punkt noch einmal zurückzukommen sein.
b) DiedistalenBulbusteile.
1. Der „Scapus‘ der Dysderinae,
In ‚der Familie der Dysderiden finden wir bei Segestria und
Ariadna einen sich allmählich verjüngenden, total verhornten, birn-
förmigen, auf dem Querschnitt kreisförmigen Bulbus. Wesentliche Ab-
weichungen zeigen dıe Gattungen Dysdera und Harpactes samt den
in ihre Nachbarschaft gehörigen Formen. Hier ist ein ovaler oder fast
kugelförmiger verhornter Bulbuskörper mehr oder minder deutlich ab-
gesetzt von einer gestreckten, weicheren, nur in einigen Leisten stark
verhornten Partie, die vom geraden Endteil des Spermophors durch-
zogen wird und an ihrer Spitze Lappen, Fortsätze und dgl. trägt. Bei
einigen Formen (Harpactes lepidus, Dysdera erythrina) steht
an der Grenze des Corpus bulbi und dieses von Kulcziınskı
(46) als „Scapus“ bezeichneten Endabschnittes äußerlich ein Dorn,
der etwa rechtwinklig vom Bulbus abgeht.
Es bleibt dem Ermessen des einzelnen Beschreibers überlassen.
ob er diesen Scapus als ein besonderes Organ des Bulbus betrachten
will. Was seine Funktion anbelangt, so habe ich bei Harpactes
hombergi und Dysdera erythrina mit aller Sicherheit gesehen,
daß er bei der Begattung in die Vulva (und zwar beide Scapı zugleich)
eingeführt wird, so daß ihm hier die biologische Rolle zukommt, die
sonst einem besonderen terminalen Fortsatz des Bulbus, dem Em-
bolus übertragen zu sein pflegt. Diese Tatsache wird für die Be-
nennung der Fortsätze am Bulbus- (oder Scapus-) Ende bei den hier
in Rede stehenden Formen im Auge zu behalten sein. Ein Homologon
dieser Bildung in physiologischer Beziehung ist mir nicht bekannt,
über seine morphologische Vergleichbarkeit wird ım nächsten
Abschnitt zu handeln sein.
2. Der Embolus (Stylus).
a)beihaplogynen Spinnen.
Wir kommen nun zur Besprechung eines Organes, das als phy-
siologisches Postulat insofern an jedem Tasterbulbus anzunehmen
Weitere sexualbiolegische Untersuchung an Spinnen. 139
sein wird, als es den in die Vulva des Weibchens einzuführenden
Teil, also das Injektionsrohr für das ım Spermophor aufbewahrte
Sperma bei der Begattung darstellt. Wenn es auch nicht im mindesten
zweifelhaft sein kann, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
diesem physiologischen Postulat in morphologischer Beziehung
durch das Vorhandensein eines besonderen, zu intromittierenden Or-
ganes entsprochen wird, so möchte ich doch davor warnen, wie es
unter den Autoren wohl allgemein üblich ist, den Begriff des Em-
bolus da anzuwenden, wo ein Teil des Bulbuskörpers selbst als
Inmissionsorgan dient. Es kann sonst zu einer Verallgemeinerung
ın der Anwendung dieses zunächst doch nur physiologischen
Begriffes kommen, die zur Folge hat, daß morphologisch diffe-
rente Bildungen durcheinander geworfen werden.
Um dem Begriff des Embolus (Eindringer, Menge,
Stylus, Simon) näher zu treten, wird es auch hier nötig sein.
vom Einfachsten auszugehen und zunächst zu untersuchen, ob und
wıeweit ein unterscheidbares Organ, das diesen Namen verdient, an
den einfachsten Bulbusformen (Segestriinae, Sıcarıdae ad part.) ab-
gegrenzt ist. Wır gehen auch hier vom Taster von Segestria seno-
culata aus. Bei dieser Species geht der birnförmige Bulbuskörper
ganz allmählich in einen halsartig verjüngten Teil über, der der Spitze,
nicht aber dem Stiel der Birne vergleichbar ıst und der m. E. das
morphologische Homologon des dort scharf abgesetzten Scapus von
Harpactes und Dysdera darstellt. Dieser Teil geht nun wieder
sehr allmählich in den feinen Enddorn über, der, glatt, dunkel und
stark verhornt, biologisch zweifellos als Embolus aufzufassen ist
und morphologisch, ebenso zweifellos, dem gleichnamigen Organ höher
entwickelter männlicher Spinnentaster entsprechen muß. Das geht daraus
hervor, daß er den Ausführungsgang des Spermophors enthält, der
an seiner Spitze mündet.
Eine Reihe von Modifikationen dieses Zustandes, wie sie an
männlichen Tastern haplogyner Spinnen, d. h. also unter Beibehaltung
des an sich einfachen Typus, auftreten, sollen im Anschluß an
den Segestriataster besprochen werden:
1. Es ist sehr wohl denkbar und auch in der Tat verwirklicht,
daß ein scharf abgesetzter Endfortsatz des Bulbus garnicht ausge-
bildet ist, daß vielmehr der Spermophor direkt an der Oberfläche
des distalen Bulbusendes mündet, ohne daß eine besondere Spitze
dieses überragt. Das ist bei Avicularııden vom Typus Lasiodora
der Fall, aber auch beı Filistata testacea scheint mir, nach der Ab-
bildung, die Bertkau (9) gibt, kein morphologisch gesonderter Em-
bolus zu existieren. Hier würde also das nicht besonders differenzierte
distale Ende des Bulbus die physiologische Funktion des Embolus
übernehmen und von einem solchen als besonderen Organ wohl nicht
gesprochen werden können.
2. Bei Oonops pulcher unter den Oonopiden, bei Scytodes
unter den Sicariiden, sowie (nach Simon) beı Caponia unter den
10, left
140 Ulrich Gerhardt:
Caponiden wird die Bulbusspitze von einem schlanken, langen, dorn-
förmıgen Fortsatz überragt, der dadurch ausgezeichnet ist, daß der
Spermophor nicht an seiner Spitze, sondern an seiner Basis ausmündet,
so dal also mit anderen Worten dieser Typus einem Bulbus vom
Segestriatyp entsprechen würde, dessen Spermophor bereits an der
Uebergangsstelle zwischen Scapus und Embolus seitlich ausmünden
würde. Am klarsten hat Bertkau auf diese Tatsache beim Taster
von Scytodes thoracica hingewiesen, von dem mir, wie von Oonops
pulcher, Präparate vorliegen. (Taf. I, Fig. 4, Taf. III, Fig. 25.)
Es fragt sich nun, wie hier die Homologien der Teile aufzufassen
sind, und diese Frage ist durchaus nicht einfach zu beantworten, da
auch hier in der physiologischen Funktion Verschiedenheiten
zwischen morphologisch offenbar vergleichbaren Organen bestehen.
Meines Erachtens wenigstens ist der solide Endfortsatz dieser
Tasterformen dem hohlen des Segestriatasters homolog, und die Ver-
schiedenheit ıst nur durch die ım ersten Falle etwas proximal, im
zweiten aber terminal gelegene Mündung des Spermophorkanals be-
dingt. Auch beı Aviculariiden (Lasiodora) liegt zuweilen die Mün-
dungsstelle dieses Kanals nicht ausgesprochen terminal, sondern ein
wenig proximal von der Bulbusspitze. Es bestehen also zwei Möglich-
keiten, nämlich, daß entweder das Endstück des Spermakanals an
der Verlängerung der Bulbusspitze teilnimmt (Segestria), oder sie
ihr überläßt, ohne daran zu partizipieren (Scytodes, Oonops etc.).
Daß der solide Endfortsatz tatsächlich die biologische Rolle eines
Embolus spielt, ıst nach Bertkaus (7) Beobachtung an Scytodes
thoracica nicht zweifelhaft, insofern er, wie auch ein Stück des auch
hier vorhandenen Bulbushalses (Scapus), tatsächlich ın eine der beiden
Samentaschen (gekreuzte Doppelinsertion) eingeführt wird. Bertkau
selbst meint, er spiele die Rolle eines „Wegebahners, insofern
er der weiter proximal gelegenen Ausmündungsstelle des Spermakanals
die Einbringung in die Samentasche ermögliche. Ich bin fest davon
überzeugt, daß bei Oonops pulcher die Insertion der Taster ganz
ähnlich verlaufen muß, wenn sie auch bisher noch nicht beobachtet
worden ist. Ueber. das biologische Verhalten von Caponia ist be-
greiflicherweise noch nichts bekannt.
Somit stehe ich nicht an, den soliden Tasterfortsatz bei den ge-
nannten Spinnengattungen als ein Homologon des Embolus zu be-
trachten, das allerdings durch die Verlagerung der Mündung des
Spermophors eine wesentliche Abänderung erfahren hat.
3. Am Ende des Scapus finden sich bei Dysdera, Harpactes
und KHarpactocrates Fortsätze, auch Lappenbildungen, und es ist
von vornherein klar, daß nur einer dieser Fortsätze an jedem Bulbus
dem Embolus vergleichbar sein kann. Das ist natürlich der, der den
Endteil des Samenkanals enthält und der immer deutlich ausgeprägt
ist. Daß dieser Teil bei einigen Harpactesarten (H. canestrinii
Thor., bei Dysdera besteht größere Einförmigkeit) ganz sonderbare
Formen annehmen kann, zeigt Fig. 3, Taf. I). Wie sich bei dieser Art
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 141
die Begattung abspielt, läßt sich aus dem Bau des Organes nicht
erschließen, Beobachtung am lebenden Objekt kann hier allein die
Antwort geben.
Wenn somit das morphologische Aequivalent des Embolus
hier leicht nachzuweisen ist, so muß seine physiologische Rolle eine
andere sein als bei Segestria etc., und zwar deshalb, weil ja, wie
erwähnt, bei zwei Formen die Einführung der beiden Scapı bis an
ihre Grenze gegen das Corpus bulbi ın die weibliche Geschlechtsspalte
beobachtet worden ıst. Ich vermute, dal erst innerhalb des weiblichen
Genitaltractes der Embolus und die sonstigen Fortsätze der Scapus-
spitze ihre Funktion ausüben, und zwar dadurch, daß sie in die
Ausbuchtungen der Samentasche eindringen, wofür die Struktur des
Scheideninneren durchaus spricht. Für wesentlich halte ich hier vor
allem, daß der Scapus hier als Embolus ım gewöhnlichen Sinne
fungiert, ein Zustand, der übrigens nach dem oben Gesagten bei Se-
gestria und Scytodes schon angebahnt ist.
4. Unter den Theraphosıden ist bei den Avicularuden wohl
in der Mehrzahl der Fälle ım großen und ganzen ein ähnlicher Zu-
stand vorhanden, wie wir ıhn für Segestria kennen gelernt haben, der
Bulbus setzt sich direkt ın eine Halspartie und in eine einzige terminale
Spitze, den Embolus, fort, der sehr lang, fein und gewunden sein
kann. Doch kann der Bulbus auch stumpfer enden, so dafs höchstens
von einer Differenzierung in Corpus ‚und Scapus bulbi gesprochen
werden kann, ein Zustand, der bei Lasiodora besonders ausge-
sprochen vorliegt, wo der Samenkanal in fast querstehender Spalte etwas
proxımal vor dem stumpfen Bulbusende mit zwei Lippen ausmündet,
also kein Embolus existiert. Ein solcher (oft nur undeutlich abge-
setzter und immer verhornter) Scapus kann mit Leisten, Zähnen und
Dornen (offenbar Haftorganen) versehen sein und so wieder eine eigen-
artige Differenzierung erfahren. Fast immer (eine Ausnahme bildet
die ım nächsten Abschnitt zu besprechende Gattung Cyriocosmus
nach Simon) besitzt der Bulbus außer seiner, die Oeffnung des
Spermakanals tragenden Spitze keinen weiteren Fortsatz, während das
bei Hexura und Atypus der Fall ist. Der Embolus von Afypus
gleicht prinzipiell durchaus dem von Segestria.
Ein Wort ist hier noch zu sagen über den Tasterbulbus der
Verticulaten (Lipistiiden), dessen Beschreibung von E.
Sımon (63) ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Kollegen Strand
verdanke und deren wesentlichsten Inhalt ich hier wiedergeben will:
„Der Taster ist ım ganzen dem der übrigen Theraphosen analog,
aber. sein Bulbus ist bedeutend komplizierter im Gegensatz zu dem,
was man von einem Typus erwarten sollte, der als primitiv betrachtet
wird... Sein Tarsus, der viel kürzer als die Tibia ist, ist durch
eine tiefe Einbuchtung in zwei Aeste geteilt: der laterale Ast ist einfach,
sehr stumpf und schräg vorwärts gerichtet, der mediane ist etwas
länger, gerade, an seinem freien Ende leicht verbreitert und dort
schräg abgestutzt und leicht eingedrückt, um die Basıs des Bulbus
10. Heft
142 Ulrich Gerhardt:
aufzunehmen, der terminal inseriert ist. Dabei ist zu bemerken, daß
die Gabelung des Tarsus bei einer großen Zahl von Aviculariiden
angedeutet, aber niemals in demselben Maße entwickelt ist. — Der
Bulbus zeigt an der Basis einen chitinösen, senkrechten, halbkreis-
förmigen Kiel, der senkrecht zur Achse des Tarsus steht, an seinem
äußeren Rande fein gezähnelt ist und an der Außenseite seiner Basis
einen zarten, aber stumpfen, etwas rückwärts gekrümmten Fortsatz
entsendet; sein Spitzenlappen ist umgeben von einem kreisförmigen,
schwarzen, sehr harten Wulst, der nach unten etwas erweitert und
gezähnelt ist; er ist zusammengedrückt eiförmig, am oberen Rande
gekielt, verjüngt und an seinem freien Ende durch eine Rinne in zwei
zarte Spitzen geteilt, deren äußere etwas länger und stärker gekrümmt
ist... Da leider keine Abbildung dieses Tasters existiert, so kann
nur ganz allgemein gesagt werden, daß auch die Verticulaten eine be-
sondere Modifikation des Tastertypus der haplogynen Spinnen aufweisen,
der sich dem der eigentlichen Theraphosiden anschließen dürfte. Wie
sich die von Simon geschilderten Fortsätze im genaueren verhalten,
insbesondere, welcher als Embolus aufzufassen wäre und ob ein Scapus
abgegrenzt ist, vermag ich der Schilderung nicht zu entnehmen.
Zusammenfassend kann von dem Bulbus der haplogynen Spinnen
gesagt werden, daß trotz der generellen Einfachheit seines Baues
schon eine Menge von Differenzierungen an ihm zu unterscheiden sind.
die sich in der Ausgestaltung seines distalen Teiles äußern, doch fällt es
nicht schwer, für den als Embolus bezeichneten Endfortsatz fast
überall ein morphologisches Homologon aufzufinden, wenn auch die
biologische Funktion dieses Fortsatzes weniger übereinstimmend nach-
gewiesen werden kann, als es bei höheren Spinnen der Fall ist.
b) Der Embolus derentelogynen Spinnen.
a) Pholciden.
Die Frage, welcher Fortsatz des Bulbus als Embolus anzusprechen
sei, ıst bei den Pholciden besonders schwierig zu beantworten, weil
der Ausführungsgang des Spermophors hier schwerer sichtbar zu machen
ıst, als bei anderen Spinnen. In meiner früheren Arbeit wurde (S. 94
u. 210, Abb. T. I, Fig. 10) eine Schilderung und Abbildung des Tasters
von Pholeus phalangioides, sowie der Kopulation von Ph. opilio-
noides gegeben. Ferner findet sich in vorliegender Arbeit (S. 101)
noch eine genauere Schilderung der Einzelheiten dieses Vorganges.
und ıch brauche daher hier nur kurz zu rekapitulieren, daß am Bulbus
‚der Pholcıden, wenigstens der mitteleuropäischen, drei Fortsätze ihren
Ursprung nehmen, von denen der größte, Uncus genannt, ‘am
meistens proximal liegt. Distal liegt der chitinöse Appendix, und
zwischen beiden ist ein blasser, nicht verhornter, zylindrischer Fortsatz
zu sehen, der bei allen Autoren nur geringe Beachtung gefunden hat
und den Bertkau (7) übersehen zu haben scheint.
Sımon (63) gibt eine Abbildung, in der er den Samenkanal
auf der Spitze des Uncus ausmünden läßt. Ich habe alle meine
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 143
Präparate daraufhin durchgesehen (8 Species) und nirgends auch nur
die Andeutung eines Kanals im Uncus gefunden, so daß ich diese
Darstellung Simons als aus seiner subjektiven Auffassung entstanden
betrachten muß. Es könnte meines Erachtens nur fraglich sein, ob der
chitinöse Appendix oder der erwähnte blasse Fortsatz den Samenkanal
in seinem Innern trägt, und für unsere Arten scheint es mir nıcht
zweifelhaft, daß es bei dem letztgenannten der Fall ıst. Man sieht
zwar nur schwer den direkten Verbindungsgang vom Spermophor nach
der Basıs dieses Fortsatzes hin, aber ın seinem distalen Teil ist
deutlich ein ziemlich weites Lumen zu erkennen, das in einem Fall
sogar Spermien enthält. Außerdem sprechen meine biologischen Beob-
achtungen (S. 101) durchaus für die Richtigkeit dieser Auffassung. Daß
dieser Embolus, über dessen Hilfsorgane später bei der Besprechung
des Konduktors die Rede sein wird, dem anderer Bulbı homolog sein
wird, ist wohl anzunehmen, es liegt aber ein sehr eigenartiger Typus
vor.
f) Cymbiophore Spinnen.
Der Begriff des „Eindringers, Embolus” wurde ge-
wonnen von dem Taster des Typus, den ich (l. c. 95) als „‚Normal-
typ‘ bezeichnet habe, und der sich bei unseren einheimischen Spinnen
in der erdrückenden Mehrheit der Fälle findet. Daß er durch drei
Punkte charakteristisch ist, wurde oben ausgeführt, nämlich durch die
Ausbildung einer geräumigen, während der Kopulation schwellenden
Vesicula bulbi, sowie endlich durch die nur selten fehlende
spiralige Aufrollung des Corpus bulbi selbst. Aus
diesem Bulbus wird das Sperma nun immer ausgeleitet durch einen
Fortsatz, der den Ausführungsgang des Spermophors enthält und daran
leicht kenntlich ist, allerdings oft nur an dem mit Kalilauge durch-
sichtig gemachten und zur Entfaltung der Teile gebrachtem Präparat.
Die Beschaffenheit dieses Fortsatzes ist so verschieden, auch bei
nahe verwandten Gattungen, sowie selbst innerhalb eines Genus bei
verschiedenen Species, daß hier eine schwer übersehbare Fülle von
Mannigfaltigkeiten vorliegt. Wir finden kurze, etwa pfriemförmige
Emboli mit stärkerer oder schwächerer Verhornung, die den Bulbus
nur wenig überragen (Lycosiden), und dann alle Uebergänge bis zu
extrem langen, scharf vom Bulbus abgesetzten saiten- oder uhrfeder-
artigen hohlen Spiralfäden, die nicht nur den Bulbus, sondern auch den
Körper des gesamten Tieres um ein Mehrfaches an Länge übertreffen
können, wie das für Hyptiotes paradoxus (3x Körperlänge) ge-
schildert wurde. Solche extremen Embolusbildungen finden sich, soweit
mir bekannt, nicht bei Eresiden, Thomisiden, Lycosiden, Pisauriden und
Oxyopiden, echten Clubioniden und Drassiden, unter den Saltıciden
verhältnismäßig selten (Sarinda), häufig und in enormer Ausbildung
bei Sparassiden (Delena, Isopeda, Heteropoda), während sonst
unter den laufenden Spinnen geringe Neigung zur Bildung langer Em-
boli besteht. Dagegen finden sich unter den Ageleniden wieder
10. Heft
144 Ulrich Gerhardt:
alle Uebergänge von ganz kurzen, unbedeutenden Embolusbildungen.
bis zur Erreichung von Extremen, die ungewöhnlich sind (Histopona,
Tuberta, Tetrilus). Bei Dictyniden und Amaurobijiden
sind mir keine auffallend langen Emboli bekannt. Unter den eigent-
lichen Netzspinnen sehen wir unter den Theridiiden
bei Latrodectus und einer Reihe von Formen mit ähnlichem Taster-
bau einen spiral gewundenen, eigentümlich starren Embolus, während
sonst kürzere Bildungen üblich sind. Unter den Micryphantiden
sind mir nur wenige Beispiele von hervorragender Ausbildung des Or-
ganes bekannt, während bei den Linyphiiden wiederum einige
Formen (Linyphia pusilla, Labulla thoracica) derartige Zustände
aufweisen. Bei den Epeirıden sınd sehr lange Emboli eine Aus-
nahme (allenfalls Cyclosa). Dafs die Zwergmännchen der Nephila-
arten einen relativ langen, aber fast geraden Embolus besitzen, ist
unter dem Gesichtspunkt verständlich, daß wenigstens ein Organ des
Tasters — und natürlich muß es das Inmissionsorgan selbst sein —
die Körpergröße der Weibchen und der ıhrer Samentaschengänge ge-
recht wird, die ja sonst auch reduziert sein müßten. Von Ulobo-
rıden besitzt nur Hyptiotes unter den Miagrammopinen einen auf-
fallend langen Embolus. Die Dinopiden haben durchweg das Organ
als lange, fast starre Spirale ausgebildet.
Es kann kein Zweifel darüber sein, daß die Krümmung des Em-
bolus, die sich bis zur uhrfederartigen Rollung steigern kann, ın engster
Beziehung stehen muß zu dem Grade der Spiraldrehung, die der ganze
Bulbus durch Ausgleichung seiner Windungen beim Kopulationsakt er-
fährt. Dadurch, daß die zusammengelegte Schraube des Bulbus (samt
seiner Vesicula) in einem der Zusammenrollung entgegengesetzten Sinne
gedreht wird, muß natürlich der an der Spitze des Bulbusschlauches
befestigte Embolus gleichfalls eine Drehung erfahren, die dann weiter-
hin durch besondere Führungsapparate am Bulbus (Konduktor
im physiologischen Sinne) und sogar durch den Bau und Verlauf der
weiblichen Samentaschengänge in bestimmte Bahnen gelenkt werden
kann.
Es könnte hier eingewandt werden, daß auch bei Segestria,
Scytodes etc. spiral gewundene, starre Emboli bei nıcht torquiertem
oder torquierbarem Bulbus vorkommen. Aber wir sahen, daß dort der
ganze Taster dem Bulbus die drehende Bewegung gibt, die den Embolus
in die weiblichen Leitungswege hineinschraubt. Bei den cymbjophoren
Spinnen hat die Umbildung des gesamten Bulbus zu einem Torsi-
onsapparat in allen seinen Teilen (Vesicula, Corpus und Embolus)
den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht, und aus diesem Zu-
sammenarbeiten aller seiner Bestandteile in gleichem Sinne ist seine
Funktion bei der Begattung verständlich.
Die Unterbringung eines so prominenten Organes an dem Bulbus
in der Ruhelage wird nun im allgemeinen so bewerkstelligt, daß von
der bedeutenden Länge des Embolus zunächst wenig zu sehen ist.
Manchmal (Sarinda Sparassiden) ist er in dem weiten Alveolus
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 145
über oder distal von dem Corpus bulbi in engen Windungen spiralig
zusammengerollt, etwa wıe die Feder in einer Taschenuhr. In anderen
Fällen aber sind seine Windungen durch ein besonderes chitinöses
Gerüst in einer bestimmten Lage fixiert, wie wir das bei Ageleniden,
(Tegenaria, Histopona, Tuberta, Tetrilus) Labulla thora-
cica und Hyptiotes sehen. Bei der letztgenannten Gattung ist der
ruhende Embolus ganz in diesem Gerüst verborgen und überragt den
Bulbus nicht, während er beı den genannten Ageleniden und bei La-
bulla, auch bei Linyphia pusilla, den Bulbus in ein- oder mehrmaliger :
Kreiswindung umzieht. Bei Latrodectus und Dinopis endlich über-
ragt die chitinöse Embolusspirale den Bulbus frei wie ein korkzieher-
artıg gewundenes starres Gebilde.
Kürzere Emboli pflegen als mehr oder minder gerade, aber auch
als halbkreisförmig gebogene Fortsätze vom Bulbus abzustehen, bei
flachem Bulbus (,,Tegulum”) liegen sie oft dessen äußerer Umrandung
an, wie bei Dictyna und den Thomisiden. Im übrigen ist der Em-
bolus, wie das ja eigentlich nur selbstverständlich ist, in der Ruhe
immer so untergebracht, dal er bei der Umrollung des Bulbus während
der Begattung sofort in die richtige Lage kommt, um ın die zugehörige
weibliche Samentasche eingeführt werden zu können. Nun würde es,
außer wo es sich um einen sehr festen Embolus handelt (wie bei La-
trodectus) mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, ein so bieg-
sames, oft darmsaitenartiges Gebilde in die Zuführungsgänge der Samen-
taschen hineinzudirigieren, wenn nicht ein besonderer Rührungs-
apparat für den Embolus bestünde, der in seiner einfachsten und
typischen Form aus einem weiteren Fortsatz des Bulbus, dem Con-
ductor emboli besteht, der aber seinerseits auch eine kompli-
zıertere Gestalt annehmen kann. Mit diesem Organ wollen wir uns
nunmehr etwas eingehender beschäftigen.
3. Der Conductoremboliı.
a) Historisches.
Menge (50) glaubte, an dem Bulbus eines jeden männlichen
Spinnentasters zwei Fortsätze als konstant annehmen zu müssen: den
Embolus und einen zweiten, meist weicheren, oft mit Warzen,
Fransen etc. besetzten, den er ın völliger Verkennung der Tatsachen
als „Spermophor“ bezeichnete. Er glaubte, da er den wahren
„‚Spermophor“, den Samenschlauch im Innern des Bulbus, nicht kannte,
daß das Sperma außen an diesem zweiten Fortsatz haften bleibe
und während der Kopulation von da aus in die Samentaschen des Weib-
chens übertragen werde. Daß diese Auffassung, abgesehen von ihrer
inneren Unwahrscheinlichkeit, grundfalsch ist, braucht nicht nochmals
betont zu werden. Das Merkwürdigste an ihr ist eigentlich, daß sie
begeisterte Anhänger in Fickert und Lebert (47) gefunden hat,
die durch z. T. seltsame Hilfstheorien (Fickerts ‚Befeuchtungs-
theorie, nach der der Samenschlauch eine Drüse sein sollte, die das auf
Archiv für Naturgeschichte.
1, 10
1923. A. 10. Heft
146 Ulrich’Gerhardt:
dem ‚„Spermophor“ enthaltene Sperma befeuchtete) sie weiter auszu-
bauen gesucht haben. Mit der Entdeckung der physiologischen Be-
deutung des Tasterschlauches (Bertkau, 1875) war diese Theorie
naturgemäß erledigt, und es mußte sich nun fragen, welche Rolle der
von Menge als Samenträger aufgefaßte Fortsatz dann ın Wirklichkeit
spiele. Die klarsten Angaben stammen, soweit mir bekannt, auch in
dieser Richtung von Bertkau, der die Rolle dieses Fortsatzes als
„Konduktor“ des Embolus geschildert hat, eine Auffassung, der
sich van Hasselt und Simon anschlossen, und die auch heute
noch zu recht besteht. Während nun aber in einfachen, oder wenigstens
klaren Fällen die Feststellung, welcher Fortsatz eines Bulbus als
Konduktor anzusprechen sei, auf keine Schwierigkeiten stößt, wird die
Frage nach der Homologie dieses Organes bedeutend schwerer, wenn
wir erstens die einfachen (haplogyne Spinnen), dann die aberranten
(Pholcıden) und endlich die besonders komplizierten Tasterformen
(unter den cymbiophoren Spinnen, z. B. Hyptiotes, Labulla, Liny-
phia) vergleichend betrachten. Es wird daher auch hier zweck-
mäßig sein, die einzelnen Fälle getrennt zu besprechen, um die Mög-
lichkeit einer Vergleichung zu gewinnen.
b) Haplogyne Spinnen.
Bei Avicularııden kommt, soviel ich aus der Literatur sehe,
mit Sicherheit ein als Konduktor emboli anzusprechendes Gebilde nicht
vor, es sei denn, daß der zweite Fortsatz an der Bulbusspitze von
Cyriocosmus allatus, den Simon abbildet, eine derartige Bedeutung
hätte, was ich nicht zu entscheiden vermag. Bei Hexura sind, nach
demselben Autor, gleichfalls zwei Bulbusfortsätze vorhanden, und hier
käme, wegen der möglichen Verwandtschaft mit den Atypıden (zu
denen Simon diese Gattung zuerst gestellt hatte) vielleicht eher die
Deutung des dem Embolus parallelen Fortsatzes als eines Konduktors
in Frage.
Bei Afypus piceus, von dem mir ein Präparat vorliegt, ist weit
eher von einem echten Konduktor zu reden, obwohl ich der Meinung
bin, daß ein abschließendes Urteil erst gefällt werden kann, wenn der
Kopulationsvorgang bei dieser Gattung beobachtet sein wird, was bis-
her, soweit mir bekannt, nicht der Fall war. (Taf. I, Fig. 1.)
Das Corpus bulbi und der terminale Embolus mit der Mündung
des weiten Spermophors sind bei dieser Gattung sehr ähnlich wie bei
Segestria gebaut. Neu tritt hinzu ein blattartiges Gebilde, das den
Embolus in ähnlicher Weise, aber an einer Seite offen, umfaßt, fast
wie die Theca die Geißel eines Choanoflagellaten. Daß dieser Teil mit
in die Samentasche des Weibchens eindringe (es ist für Afypus bisher
nichts darüber bekannt, ob Simultaninsertion beider Taster stattfindet),
ist höchst unwahrscheinlich. — Es kann sich wohl nur um eine
Fixierungs- und somit allenfalls auch eine Führungseinrichtung für den
einzuführenden Embolus handeln. Doch möchte ich davor warnen, dies
Organ ohne sichtbare Kenntnis seiner Funktion mit dem Namen eines
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 147
Konduktors zu belegen. Bei Hypochiliden!) kommt ebensowenig
ein Konduktor vor, wie bei der großen Mehrzahl der dipneumonen hap-
logynen Spinnen. Bei den Segestriinen, Oonopiden, Fili-
statiden und Sicarıiden fehlt dies Organ vollständig; unter
den Caponıiden besitzt das Männchen von Caponia einen zwei-
spitzigen Bulbus, doch trıtt diese Teilung erst so weit distal auf, daß
es sich kaum um eine Konduktorbildung handeln dürfte. Zweispitzig
ist nach Simons Abbildungen auch der Bulbus der Leptonetiden
Ochyrocera cruciata und Telema tenella doch ist es fraglich, ob
hier ein Konduktor ausgebildet ist. Als einzige Gruppe kämen die
Dysderinae unter den Dysderiden für den Besitz eines Konduk-
tors, wenigstens in einigen Formen, ın Betracht. Ich denke dabei be-
sonders an Harpactocrates rubicundus, bei dem zwei deutliche
parallel zueinander liegende terminale Fortsätze des Scapus bulbi zu
sehen sind, von denen der eine sich dadurch, daß in ıhm der Samen-
kanal verläuft, im morphologischen Sinne als Embolus zu erkennen
gibt. Der andere wird dem Konduktor wahrscheinlich (ebenfalls mor-
phologisch} homologisiert werden können, wobei aber auch hier auf die
Eigentümlichkeit der Männchen bei Dysdera und Harpactes hinge-
wiesen sei, den gesamten Scapus ın die Samentasche des Weibchens ein-
zuführen. Alles in allem kann gesagt werden, daß der einfache Taster
der Männchen haplogyner Spinnen meist eines Konduktors völlıg ent-
behrt, und daß nur in wenigen Fällen (Afypus, einige ‚Leptonetiden
und Dysderinae) in dem Nebenfortsatz der Bulbusspitze ein solcher mit
Wahrscheinlichkeit gesehen werden kann. Ueber die Funktion des
betreffenden Organes kann Bestimmtes noch nicht geäußert werden.
c) Pholcıidae. Ganz besonders liegen die Verhältnisse beı
dieser Familie auch hinsichtlich des Konduktors, und ich möchte be-
sonders betonen, daß meine eigenen Angaben, wie ıch sie auf S.99 ff.
über die Funktion der Tasterteile gemacht habe, mit Sicherheit nur
für die eine beobachtete Art, Pholcus opilionoides, gelten können.
Allerdings ist bei Ph. phalangioides der Bau des Bulbus im Prinzip
so übereinstimmend, daß für diese Art sicherlich dasselbe gilt. Aber
schon für die südeuropäischen Gattungen Holocnemus und Hoplo-
pholeus können Abweichungen zu verzeichnen sein, da die Bulbusfort-
sätze hier einfacher sind. Für die beschriebene Art ist es nicht zweifel-
haft, daß alle drei Fortsätze des Bulbus, Uncus, Appendix und Em-
bolus (m.) ın die weibliche Samentasche einer Körperseite eingeführt
werden, und daß Uncus und Appendix dabei die Aufgabe haben,
dem weichen Embolus den Weg zu bahnen und die Samentaschenöffnung
für ıhn zu erweitern. Ob einer dieser beiden harten Fortsätze, und
welcher, dem Konduktor cymbiophorer Spinnen morphologisch gleichzu-
1) Wenigstens nach der Simon’schen Abbildung. Comstock (The
palpi of male spiders, Ann. entom. Soc. Amer. Vol. Ill, 3, 1910, p. 161) nimmt
für Hypochilus einen Konduktor an, der aber aus der beigefügten Abbildung
nicht deutlich erkennbar ist. A. w. d. Korr.
10* 10. Heft
148 Ulrich Gerhardt:
setzen ist, wird ganz außerordentlich schwer zu entscheiden sein, und
ich lasse die Frage deshalb offen, weil bestimmt die Möglichkeit be-
steht, daß bei der so ganz isoliert stehenden Struktur des ganzen Tasters,
völlig unabhängig von den anderen Spinnen, hier besondere Bildungen
erworben sein können. Es zeigt sich aber wieder, daß aus derphysio-
logischen Funktion eines Organes allein sein morphologischer Wert
bei Mangel an überleitenden Formen nicht gefolgert werden kann. Die
Möglichkeit gebe ich gern zu, daß eine der beiden accessorischen
Fortsätze des Bulbus von Pholcus dem Konduktor anderer Spinnen-
taster homolog sein kann, der Beweis würde aber erst bei der Ver-
gleichung eines großen Materiales von Pholcidentastern zu erbringen
sein, wie es mir nicht vorliegt. Aus den Abbildungen von männlichen
Tastern einer ganzen Reihe von Mitgliedern dieser Familie, wie sie
Simon (64) und Koch (44) geben, können derartige Schlüsse nicht
gezogen werden.
d) Cymbiophore Spinnen.
Wenn die Frage nach dem Vorhandensein und dem morpho-
logischen Wert des Konduktors bei den Pholciden nicht zu entscheiden
ist und bei den haplogynen Spinnen meist überhaupt keine Rolle spielt.
so liegt diese Frage ganz anders für die große Menge der Spinnen,
die mit einem Cymbiumtaster im männlichen, mit einer Epigyne ım
weiblichen Geschlecht ausgestattet sind, da hier in der großen Mehrzahl
der Fälle eine weitgehende morphologische und physiologische Ueber-
einstimmung besteht, und ein mit Sicherheit als solcher anzusprechender
Konduktor meist vorhanden ist. Schwierigkeiten können da entstehen,
wo dies Organ sekundär reduziert ist, was aus einer Vergleichung mit
verwandten Formen, bei denen er wohl ausgebildet vorkommt, meist
leicht nachweisbar ist, und da, wo außer: diesem eigentlichen mor-
phologisch definierbaren Konduktor noch andere Teile des Bulbus sich
mit ihm in die physiologische Aufgabe der Leitung des Embolus zu
teilen haben. Das ist besonders bei Linyphiiden der Fall (Liny-
phia, Labulla) und auch bei Hyptiotes liegen solche Schwierig-
keiten vor.
Ganz allgemein stellt der Konduktor primär einen dem Embolus
parallelen distalen Fortsatz des Bulbus vor, der dem Embolus an Härte
nachzustehen pflegt, an Länge aber ihm ungefähr proportional entwickelt
ist. Beispiele bilden Lampona unter den Drassiden, Eresus
und die einheimischen Tetragnathiden. Es ist in solchen Fällen
schwer zu sagen, ob die Funktion dieses Fortsatzes hier tatsächlich
mehr, wie der Name es sagt, in der Führung des Embolus in die
Samentaschenmündung hinein, oder in einem Schutze dieses Organes
in der Ruhelage besteht. Beides kommt sicherlich in Betracht. Menge
(50) gab zuerst für Tetragnatha und Pachygnatha ein Eindringen
des Konduktors mit dem Embolus zusammen in die Samentasche des-
Weibchens an, und ich konnte diesen Befund insofern bestätigen, als ich
die äußerste Spitze des Konduktors, besonders deutlich bei Tetra-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 149
gnatha, in der Samentaschenmündung Fuß fassen sah. Somit würde,
und das wird beı gleicher Länge von Konduktor und Embolus wohl
in der Regel der Fall sein, hier die Spitze des Konduktors eine
Fixierung des Bulbus durch sein Eindringen in die Samentaschen-
öffnung bewirken und bei Ausrollung des Embolus diesem in gewissem
Sinne den Weg weisen, also wirklich als ein Konduktor dienen.
Bei Lampona, bei der dıe Beobachtung der Begattung von großem
Interesse sein würde, vermute ıch ähnliche physiologische Vorgänge,
für Eresus kann ıch aus dem Tasterbau keine Schlüsse auf den mut-
maßlichen Verlauf der Insertion ziehen; da hier etwas andere morpho-
logische Zustände vorliegen. Bösenberg (16) sagt nıcht mit Un-
recht, der Bulbus von FEresus erinnere sehr an den von Atypus,
und ölwahl auf solche „Aehnlichkeiten“ an sich nicht viel zu geben ist,
ist der blattförmige Konduktor dem entsprechenden Gebilde von
Atypus doch so ähnlich gebaut, daß eine Uebereinstimmung in der
Funktion beider Organe durchaus wahrscheinlich ıst. Aber bekannt ist
der Kopulationsverlauf bei keiner der beiden Gattungen, und daher
schweben alle Vermutungen über die Funktion des Konduktors in der
Luft.
Als der normale, durchschnittliche Typus der Beziehungen von
Konduktor und Embolus kann mäßige, ın der Länge konforme Aus-
bildung beider parallellaufender Organe betrachtet werden, und es
a gehen, dies Verhalten im einzelnen an Bass
zu erläutern. Lycosiden, Pisauriden, Oxyopiden, Clubioniden, Dras-
sıden, manche Ageleniden (Argyroneta, Agelena, Tegenaria-
arten vom Typus africa oder derhami), Dictyniden, Amaurobüden,
aber auch Netzspinnen aus den Familien der Theridiiden und Epeiriden
könnten Beispiele genug dafür liefern.
Nun hält aber sehr häufig die Ausbildung des Konduktors mit der
des Embolus in der Länge nicht Schnitt; dıes ıst sehr begreiflich, wenn
wir uns noch einmal ‘in die Erinnerung zurückrufen, daß die Funktion
des Konduktors ın erster Linie darin besteht, den Bulbus zur Ein-
führung des Embolus in den Samentascheneingang zu fixieren. Dazu
reicht ein kurzer, dornartiger Fortsatz vollkommen aus. Wenn nun der
Embolus länger wird, so wird er bei der Kopulation über diesen in die
Vulva .eingehakten Fortsatz allmählich in ganzer Länge ın den Samen-
taschengang hineingleiten, also über den Konduktor wie über dıe Welle
eıner Winde abgsrollt werden. So erweist sich der Konduktor, auch
wenn er kurz ist, in anderer Weise als ein echter Führungs-
apparat für den Embolus in physiologischer Hinsicht.
Es ist nun nicht nötig, dal der Konduktor an der Verlängerung
des Embolus unbeteiligt bleibt. Beispiele vom Gegenteil begegnen uns
öfters, und sıe sind sehr lehrreich, da sie uns zeigen, wie weit dıe Korre-
lation zwischen einem primären und einem ER gehen kann.
Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
a) Wie in den bisher besprochenen Fällen laufen Konduktor und
Embolus vom Bulbuskörper aus gleichgerichtet, also, wenn ge-
10. Heft
150 Ulrich Gerhardt:
streckt gedacht, parallel und distal vom Bulbus abgehend. Dafür
bilden das schönste Beispiel die großen tropischen Sparassiden der Gat-
tungen Delena, Isopeda, Clastes, Holconia etc. Zu meiner
früheren Arbeit habe ıch (S.209) schon kurz die hier in Betracht
kommenden wesentlichen Punkte erörtert, möchte im einzelnen aber noch
einiges hinzufügen: Am ruhenden Bulbus fallen zwei flache Spiralen
im Raume des weiten Alveolus auf, von denen die proxımale das zu-
sammengerollte Corpus bulbiı, die distale, in engen Uhrfederwin-
dungen liegende, den Embolus samt Konduktor darstellt. Der Em-
bolus geht als ganz ungewöhnlich langer, elastischer Faden distal von der
in der Mitte der proximalen Spirale liegenden Spitze des Corpus bulbi
aus und legt sich, künstlich gestreckt, sofort wieder in diese Windungen,
deren Zahl zwölf und mehr betragen kann. Parallel mit der Wurzel
des Embolus geht der viel breitere, flachere Stiel des Konduktors ab.
der gleichfalls zu einem spiral aufgerollten Organ führt, das wendel-
treppenförmig gestaltet ist (ich habe es I. c. mit der Cochlea des Säuge-
tierohres verglichen) und an seinem nach außen gelegenen Rande einen
umgeschlagenen Falz trägt, der den Faden des Embolus rinnenförmig
umfaßt. Dieser folgt allen Windungen des Konduktors, so daß beide
zusammen eine Doppelspirale bilden, die nach Järvis (42) Befunden
ın die eine Samentasche des Weibchens eingebracht wird, bis der
Embolus die Stelle erreicht, von der aus er allein weiter vordringen
kann. Einen physiologisch ähnlichen Apparat, der aus anderer morpho-
logischer Basıs entstanden ist, werden wir bei einigen Linyphiaarten
wieder antreffen (s. Textfig. 14 und Taf. Il, Fig. 13).
Durch welchen Mechanismus bei der Attidengattung Sarında der
lange spiralige Embolus, der an den der genannten Sparassiden erinnert,
geführt wird, vermag ich nach Simons und Peckhams Abbil-
dungen nicht zu bestimmen (Textfig. 16).
b) Einen ganz anderen Weg schlagen Embolus und Konduktor ın
ihrem Zusammenwirken bei einer größeren Anzahl von Ageleniden
(Tegenaria, ad part, Histopona, Tuberta, Tetrilus) ein, ın-
sofern als hier Embolus und Konduktor ın entgegengesetzter
Richtung vom Bulbuskörper abgehen und durch einen eigenartigen Modus
der ee miteinander in Zusammenhang treten. Einfache
Fälle dieser Art stellen Tegenaria domestica, sylvestris,: cam-
pestris, picta dar, und aus diesen einfacheren Befunden lassen sich
die sehr viel komplizierteren von Hostopona torpida (Kulczyn-
skis Tegenaria luxuriaus gehört wohl auch hierher) und endlich
die der im Bau ihrer Inäunlichen Taster einzig dastehenden Gattungen
Tuberta und Tetrilus erst verstehen (s. Textfig. 15).
Wie uns eine große Menge von Angehörigen dieser Familie (ich
nenne nur Agelena, Cybaeus und die Tegenariaarten T. derhami
und africa) zeigen, ıst auch bei ihr ursprünglich ein normales Ver-
halten festzustellen, da Konduktor und Embolus als kurze, benachbarte
Fortsätze des Corpus bulbi abgehen und in der üblichen Weise (Fixie-
rung des Bulbus in der Epigyne durch den Konduktor, dann Einbringen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 151
des Embolus) zusammenarbeiten. Wenn nun der Embolus verlängert
wird, so biegt er sich in einer dem Konduktor entgegengesetzten
Richtung. Da dieser gleichfalls stark verlängert ist, so kommt es
zu einer Berührung beider, und an dem freien, proxımal gerichteten
Ende des Konduktors nımmt er in einer durch einen Umschlag seines
Textfig. 13—15. Schema, darstellend das Verhalten von Embolus (e) und
Konduktor (c). I einfachster Typ, Konduktor rinnenförmige Scheide für den
geraden, kurzen Embolus. II Konduktor und Embolus gleichlaufend und spi-
ralig (Typus /sopeda). Ill Beide Organe gegenläufig, Typus Tegenaria (s. Text).
Textfig. 17. Taster von Tuberta mirabilis
Textfig. 16. Sarinda nigra Sim. © nach Bertkau. Höchster Grad der
Keys. 5’ Taster (nach Peck- Entwicklung eines langen Konduktors bei
ham). gegenläufigem Embolus.
Randes gebildeten Rinne den Embolus auf, der nun an ıhm basal-
wärts entlang zieht. Dabei pflegt nun der Konduktor nahe seiner
Basis einen gleichfalls proximalwärts stehenden dorn- oder haken-
förmigen Fortsatz zu entsenden, der zur Fixierung des ganzen Appa-
rates in der einen Samentaschenmündung dient, und nun kann der
Embolus bei der Streckung der Bulbusspirale über die Gleitschiene
10. Heft
152 Ulrich Gerhardt:
des Konduktors hinweg ın ganzer Länge in den Samentaschengang
eindringen. Während bei den erwähnten Arten der Gattung Tege-
naria der größte Teil des Embolus am ruhenden Bulbus nicht sicht-
bar ist, ändert sich dies Verhalten schon bei Histopona torpida,
wo der Embolus in weitem Bogen den Bulbus umzieht, bis er die
Konduktorspitze erreicht. Hier hält die Verlängerung des Konduktors
mit der des Embolus nicht Schritt, während dies an dem von Bert-
kau eingehend beschriebenen Bulbus von Tuberfa mirabilis Thor.
der Fall ıst. Hier stellt der Konduktor eine in erstaunlichen Schleifen
und Knickungen den Bulbus umziehende Rinne dar, deren ganze
Länge von dem in entgegengesetzter Richtung ziehenden Embolus
eingenommen wird (Fig. 14); wieder anders ist der Verlauf beider
Organe bei dem von Sımon als „singulier‘ beschriebenen Ver-
wandten Tefrilus (Tuberta) arietinus Thor. = Cicurina im-
pudica Sim., von deren Taster Simon (61, 63) und Kulczynskı
(46) Abbildungen geben. Der gewaltig ausladende Konduktor führt hier
den Embolus bis zu dem Vorderrand des Cephalothorax zurück.
Bertkau (10) weist darauf hın, daß der Konduktor in diesen
Fällen (er argumentiert an Tuberta mirabilis ) nicht nur dem sich ab-
rollenden Embolus den Weg weist, sondern auch den Ort bestimmt,
an den: die Austrittstelle für diese Abrollung gelegen ıst. Diese
Funktion des Konduktors, den Embolus an einer oft seltsam anmutenden
Stelle aus dem Bulbus bei der Begattung austreten zu lassen, findet
sich schon bei kurzem Embolus, z. B. bei Dictynaarten, wo der
Konduktor den Embolus zwingt, am proximal’en Ende des Bulbus
auszutreten.
c) Kehren wir zu den Formen mit extrem langem Embolus
zurück, so begegnet uns eine ganz andere Führungsweise dieses Organs
bei Hyptiotes paradoxus. Unter allen einheimischen Spinnen hat
diese Art den größten Tasterkolben, und sie dürfte in dieser Hinsicht
wohl nur von einigen sehr kleinen außerdeutschen, von Simon (61)
beschriebenen und abgebildeten Theriduden (Gruppe Theonoäae)
und vielleicht einigen tropischen Epeiridenmännchen übertroffen werden.
bei denen aber ein wesentlich anderer Bau des Embolus vorliegt.
Die außerordentliche Größe des Bulbus bei unserer Art ıst nicht
auf die des Corpus bulbi selbst, sondern auf den bedeutenden Umfang
des den Embolus in der Ruhestellung des Tasters bergenden Leisten-
gerüstes zurückzuführen. Es ist mir nicht bekannt, ob an dem sehr
viel kleineren Taster der nahe verwandten Gattung Miagrammopes
sich ein ähnlicher Bau von Embolus und Konduktor findet; nach den
Abbildungen bei Simon und Strand (65) scheint mir dies nicht
der Fall zu seın. !)
!) Aus einem mir jetzt vorliegenden Tasterpräparat von Miagrammopes sp.
(Berliner Museum) geht die totale Verschiedenheit vom Hyptiotestaster klar her-
vor. A. w. d. Korr.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 153
Am reifen, nicht mit Kalilauge behandelten Taster von Hyptiotes
läßt sich der Verlauf des Embolus nur schwer erkennen und deuten;
zur Untersuchung benutzt man am besten frischgehäutete Exemplare,
die man Ende Juli da, wo das Tier überhaupt vorkommt, unschwer
erhalten kann, wenn man gefangene unreife Männchen zur Häutung
kommen läßt. Wenn man bedenkt, daß hier ein Embolus, der ungefähr
31/;, mal so lang ist wie das ganze Tier, so im Tastergerüst unter-
gebracht ist. daß er äußerlich am Bulbus nirgends hervorragt, so ist
es begreiflich, daß hier ein ganz besonderer Bergungs- und (bei der
Tätigkeit) Führungsmechanismus vorliegen muß. Es gelingt am mit
Kalilauge behandelten Taster ziemlich leicht, den Embolus unter dem
Präpariermikroskop mit der Nadel hervorzuziehen und einigermaßen
zu strecken, obwohl der sehr elastische Faden, den das Organ darstellt,
starke Neigung besitzt, sich immer wieder zusammenzurollen und in
seine Ruhelage zurückzukehren. Dabei wird aber keine enge Spirale
gebildet, wıe bei Sarinda und Delena, sondern der Embolus liegt
in lockeren Windungen so, dab er dıe ganze Länge des Bulbus fast
dreimal durchmißt. Der eigentliche Konduktor liegt am distalen Ende
des Bulbus, unmittelbar unter der Spitze des langen, schmalen Tarsus,
der den Bulbus nicht annähernd deckt. Der Ursprung des Embolus
aber ist viel weiter proxımal gelegen, und der lange, saitenförmige
Fortsatz liegt halbkreisförmig zum Cymbium, dessen Innenseite er
zunächst bis zur Bulbusspitze folgt, sich dann an der des Konduktors
vorbei proximal umschlägt und nun zu einem an der äußersten proximalen
und ventralen Ecke des Bulbus gelegenen stumpfen Fortsatz zieht.
Dort erfolgt wieder eine schlingenförmige Umkehrung, dıe den Em-
bolus nun ın die Rinne des Konduktors hineinführt, dem er bis zu
seinem freien Ende folgt. Dabei liegen die verschiedenen Touren
dieser Schleife nicht ın einer Ebene, sondern umziehen den Bulbus
auf beiden Seiten so, daß der dicke Ursprung des Embolus an dessen
Innenseite, die Umdrehung in seinem basalen Fortsatz an seiner Außen-
seite liegen. Die ganze Ausgestaltung des Bulbus mit den chitinösen
Seiten und Fortsätzen, die den größten Teil seines Volumens aus-
machen, dient der Bergung und, bei der Kopulation der Führung,
des sıch allmählich abwickelnden Embolus, der zunächst unter Bei-
behaltung seiner Schleifenbahn über den in der Samentaschenmündung
fixierten Konduktor gleitet und, unter allmählicher Ablösung von seinem
Lager, in den Samentaschenkanal einer Körperseite in ganzer Länge
hineingleitet, wie $.56 beschrieben (s. Taf. II, Fig. 20).
d) Wieder anders gestaltet sich der Mechanismus der Führung des
Embolus bei der Linyphude Labulla thoracica. (Taf. Ill, Fig. 29).
Hier ist am distalen Ende des Bulbus, der Cymbiumspitze gegenüber und
ihr zugewendet, ein schnabelartiger, mit dem üblichen Führungspfalz für
den Embolus versehener eigentlicher Konduktor (c) vorhanden, der
aber allein nıcht imstande wäre, den langen, saitenförmigen Embolus e,
wenn er in Tätigkeit tritt, zu dirigieren. Um dies zu verstehen, mul
man die Lage des Embolus bei Ruhestellung des Bulbus berücksichtigen.
J0. Heft
154 Ulrich Gerhardt:
Er entspringt etwa im Zentrum der stark abgeflachten Bulbusscheibe,
zieht in einem Halbkreis zu deren äußerster Peripherie, die er zwei-
mal ın vollem Kreisbogen umzieht. Dabei wird er etwa im
letzten Viertel des zweiten Kreises von dem Konduktor (b) in der Lage
gehalten, dem sich proximal unmittelbar ein zweites Führungs-
stück (a) anschliefjt, das gleichfalls durch den umgebogenen Randfalz
ausgezeichnet ist, aber morphologisch mit dem Konduktor nichts zu
tun hat. Es ist vielmehr ein Stück der Randpartie des
Corpus bulbi selbst, das hier mit in den Dienst der Aufgabe
gezogen worden ıst, die Führung des abnorm langen Embolus zu
bewältigen. Von dieser physiologischen Rolle des Organs kann man
sich bei unserer Art besonders schön durch Beobachtung der Kopulation
(l. c. S. 168 und oben $. 85) überzeugen.
Etwas Aehnliches scheint bei Linyphia pusilla in geringerem
Maße ausgebildet zu sein, doch möchte ich hier, da mir die Be-
obachtung des lebenden Objektes mangelt, kein Urteil über die Funktion
der Teile aussprechen.
Wohi aber möchte ıch an dieser Stelle noch einmal auf die
Frage des Konduktors bei den bekanntesten Linyphiaarten (L. mon-
tana, triangularis, clathrata) eingehen, da hier in diesem Punkt
besonders große Schwierigkeiten der Deutung bestehen. Aus diesen
Schwierigkeiten heraus hat schon Menge (50) für die distalen An-
hangsgebilde des Bulbus bei den Linyphien besondere, aber nicht
eben glückliche Termini angewandt, die die Verwirrung eigentlich erst
richtig schufen. Er spricht von „Nebenträger, Nebeneindringer,
schraubenförmigem Endteil etc.“, und Bösenberg (16) erwähnt
auch diese „schraubenförmige Endpartie“, ohne auf ıhre Bedeutung
irgendwie einzugehen. Nun wäre die Mengesche Terminologie vielleicht
brauchbar, wenn sıe konsequent durchgeführt worden wäre. Daß sie
es nicht ist, daran ist Menges damalıge Unkenntnis vom wirklichen
Bau des männlichen Spinnentasters schuld. Er operierte in den zwei
ersten Dritteln seiner „Preußischen Spinnen” noch ımmer mit seinem
„Spermophor“, der ım allgemeinen dem Konduktor entspricht, und
der Samenschlauch im Bulbus wurde ihm erst viel später durch Bert-
kaus Entdeckung bekannt. So war ihm auch. das Kriterium des
Embolus, die in ıhm enthaltene Endstrecke des Samenganges, nicht
bekannt, und dadurch war es möglich, daß er als ‚Nebeneindringer”
bei Linyphia triangularis und montana das gleich zu besprechende
besondere Anhangsgebilde bezeichnete, das für diese Gruppe der
Gattung charakteristisch ist, dagegen bei L. pusilla den zweitellosen
eigentlichen Embolus, dessen Samenkanal deutlich sichtbar ist. In
Wirklichkeit liegen gerade für die Familie der Linyphiden die Dinge
ın vieler Hinsicht so besonders, daß es unmöglich ist, für alle Formen
eine Homologie der Tasteranhänge durchzuführen, solange dies nicht
auf breitester Basis unter der Kontrolle der biologischen Beobachtung
geschehen kann. Daher bin ich auch weit entfernt, meine Auffassung
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 155
als bindend zu betrachten; ich möchte aber glauben, dafs sie mit den
Tatsachen nicht in Widerspruch steht.
Die Hauptschwierigkeit liegt darın begründet, daß bei Linyphia
triangularis und montana am distalen Teil des Bulbus, außen neben
der Spitze des Cymbiums, außer dem wie angegeben charakterisierten
Embolus und einem ıhn umfassenden Stück, das dem Konduktor
anderer Spinnentaster zu entsprechen scheint, noch ein spiral ge-
wundenes, dickes, außen rauhes Endstück vorhanden ist, das bei der
Begattung mit dem in seiner Rinne verlaufenden fadenförmigen Em-
bolus in den einen Samentaschenkanal des Weibchens eingeführt wird
und genau; in dessen Windungen hineinpaßt, wie oben auseinandergesetzt
wurde.
Es ergibt sıch also das eigentümliche Verhalten, dafs ein Fortsatz
am Bulbus ausgebildet ist, der physiologisch wie ein Konduktor
im engeren Sinne wirkt, sehr ähnlich wie der von Delena etc. unter
den Sparassiden, für den aber morphologisch der Nachweis seiner
Uebereinstimmung mit dem Konduktor anderer Spinnentaster nicht mit
Sicherheit zu erbringen ist.
Zwei Möglichkeiten liegen vor: entweder ist das fragliche Gebilde
der eigentliche Konduktor, dann würde das erstgenannte, den Em-
bolus in der Ruhe umfassende Stück ein accessorischer Apparat
sein, ähnlich wie er für das führende Randstück des Bulbus
bei Labulla beschrieben wurde. Oder das Stück ıst der eigent-
liche Konduktor und der Schraubenanhang ein accessorisches Ge-
bilde. Ich sehe keine Möglichkeit, diese Frage mit Sicher-
heit nach der einen oder anderen Seite zu beantworten.
Klarer liegt die Sache in physiologischer Hinsicht: Die
Rolle beider Taster spielt sich, was bei einiger Usbung nach wieder-
holter Beobachtung der Insertion unter dem Binokular (und gerade
bei Linyphuden ist dazu ja reichlich Gelegenheit) leicht festzustellen
ist, folgendermaßen ab: Der Embolus gleitet aus seiner Ruhelage ım
ersten Führungsstück a) in die wendeltreppenartigen Windungen des
Schraubenteiles b) hinein und wird mit diesem in den Samentaschen-
gang eingeführt. Nun rollt er sich völlig ab, dringt ın die kleine
Samentasche selbst ein, und ein Quantum Sperma wird ausgestoßen.
Physiologisch genommen sind also, wie bei Labulla, zwei Bildungen
vorhanden, die sich in die Führung des Embolus teilen.
Unter Berücksichtigung dieser physiologischen Tatsachen, die mir
für Linyphia montana und triangularis sichergestellt zu sein
scheinen, möchte ich noch kurz auf die Bezeichnungen eingehen, die
Osterloh (55) neuerdings diesen Bulbusanhängen bei Linyphia
triangularis gibt: Er nennt das Führungsstück schlechthin ‚„Führungs-
stück (f in seiner Figur) wogegen sich gewiß nichts einwenden läßt.
Wenn er aber die Endschraube als „Retinaculum bezeichnet,
so halte ich diese Benennung nicht für glücklich und zwar deshalb,
weil unter einem solchen sonst wohl allgemein ein Fortsatz verstanden
wird, der nicht in den Samentaschenkanal eindringt, sondern außen
10. Heft
156 Ulrich Gerhardt:
an der Epigyne Halt gewinnt und so zur äußerlichen Fixierung des
Bulbus am Relief der Vulva dient. Ich glaube daher, daß die Be-
zeichnung dieses Teiles mit dem Namen physiologisch nicht gerecht-
fertigt ist.
Kurz möchte ich noch darauf hinweisen, daf3 innerhalb der Gat-
tung Linyphia selbst keine Einheitlichkeit in der Ausbildung solcher
Endfortsätze des Bulbus zu herrschen scheint. Noch viel schwieriger
wird aber ihre Homologisierung, wenn wir andere verwandte Gat-
tungen (Leptyphantes, Bolyphantes, Bathyphantes, Drapetisca
etc.) berücksichtigen. Ueberall begegnet uns eine reiche, sehr stark
schwankende Ausstattung des Bulbus mit Anhangsgebilden, die sıch
um den Embolus gruppieren, und es dürfte schwer sein, aus ıhnen mit
Sicherheit das Homologon des Konduktors überall herauszufinden.
Bei Leptyphantes nebulosus, dessen Begattung ich (S.72 f.) be-
schrieben habe, läßt sich wegen der komplizierten und viel verdecken-
den Epigyne die Funktion der einzelnen Teile nicht mit genügender
Deutlichkeit bei der Begattung verfolgen.
Somit bin ich der Meinung, daß bei Linyphiuden ein bei den ein-
zelnen Gattungen und Arten sehr verschiedenartig zusammengesetzter,
mindestens zweigliedriger Führungsapparat für den Embolus besteht,
an dem ein Teil wohl sicher dem Konduktor anderer cymbiophorer
Spinnen homolog ist, ohne dafs diese Homologie immer mit Sicherheit
festzustellen wäre. Wer sich für solche morphologischen (und physio-
logischen) Detailprobleme interessiert, für den wird die Familie der
Linyphüden eine Fülle von Untersuchungsmaterial enthalten, aber leicht
werden derartige Untersuchungen bestimmt nicht sein.
e) Ein gänzlich anderes Verhalten eines sehr langen Embolus tritt
uns endlich bei der Therididengattung Latrodectus entgegen, von der
mir eine Art L. fredecimgullatos aus Südrußland, ein Präparat vor-
liegt (s. Fig.23, Taf. II). Einige wenige andere Theridiidengattungen
schließen sich, soweit ich aus'der Literatur (Simon) ersehe, ihr unge-
fähr an. Das charakteristische Moment des Tasters bei dieser Gattung
ist das freie Hervorragen der viermaligen Emboluswindung über das
distale Bulbusende hinaus, sowohl an dem frischen wie an dem mit Kalı-
lauge behandelten Organ. Es ist also hier keine Rede von einer Unter-
bringung des Embolus im Cymbium oder ın Rinnen und Falten des
Bulbus, und die ganze Spirale weist einen hohen und ungewöhnlichen
Grad von Starrheit auf. Es ist nun schwer zu sagen, ob diese
starre bandartig platte Spirale nur einen ganz besonders differenzierten
Embolus, oder einen Konduktor darstellt, der ın allen seinen
‘ Windungen eng von einem mit ihm fast verwachsenen Embolus be-
gleitet ist. An dem mir vorliegenden Präparat sehe ich an der Spitze
des ganzen Gebildes eine, soweit ich urteilen kann, nicht artificielle
Spaltung in einen chitinisierten starren und einen feinen weichen
röhrenförmiger Teil, die weiter proximal eng vereinigt sind. Ich möchte
die Frage, ob hier Konduktor und Embolus verwachsen sind, auf ein
Präparat hin (mehr Material steht mir nicht zu Gebot) nicht entscheiden;
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 157
das eine ist schon aus dem morphologischen Bilde zu erschließen und
durch Dahls (21) Befund von abgebrochenen Embolusspiralen in
Samentaschen von Latrodectusweibchen auch physiologisch bewiesen,
daf3 diese ganze starre Schraube wie ein Pfropfenzieher in den ent-
sprechend gewundenen weiblichen Samentaschengang hineingedreht wird.
Möglich ist es, daß diese Starrheit des Bortsal ee Konduktor
unnötig macht, jeh glaube aber, daß er darin ın der als möglich ange-
gebenen Weise enthalten ist.
Sehr ähnliche Gestalt und Konsistenz weist auch der spiral-
gearehte Embolus in der Gattung Dinopis auf, von denen mir Prä-
parate der Taster einer Kameruner Spezies vorkegent Das löffel-
förmige, fast kreisrunde Cymbium enthält den flach gewickelten Bulbus,
der von dem in drei Kreisen angeordneten, starren, spiral gewundenen
Embolus ventral fast ganz bedeckt wird. Aus der Mitte des Bulbus
ragt in die dieser Embolusspirale hinein und frei über das ganze Kon-
volut hinweg, ein blatt- oder lappenartiger, kleeblattartiger Auswuchs
des Bulbus, der vielleicht einen rudimentären Konduktor darstellt. Der
Samenkanal ist innerhalb des Embolus leicht zu sehen. Wie bei La-
trodectus wird die Spirale dieses starren Gebildes in Kalilauge nur
sehr wenig auseinandergerollt. Ueber die Biologie des Organes fehlen
alle Beobachtungen.
Nach Simon (73) würde eine ähnliche Gestalt des dreimal auf-
gewickelten Embolus und einem vom Bulbus senkrecht abstehenden,
ım Zentrum dieser Spirale gelegenen Fortsatzes (Konduktor?) auch
bei den Hersıliiden vorkommen, während hier der Tarsus anders
gestaltet, nämlich mit Endspitze distal vom Alveolus versehen ist. Ma-
terial aus dieser Familie liegt mir nicht vor.
Bisher war von der Ausbildung besonders auffälliger und zum
Teil komplizierter Konduktoren die Rede. Es muß nun noch von den
Fällen geredet werden, in denen sich das entgegengesetzte Verhalten
zeigt, nämlich seine Reduktion "Davon seisvonuyomherem: aufidie
bei auffallender Kleinheit oder völligem Schwund des Konduktors
auftretende Schwierigkeit hingewiesen, die darin besteht, zu entscheiden,
ob ein Organ prımär oder sekundär unbedeutend entwickelt
ist oder gar fehlt. So ıst es für manche Saltıiciden (z. B. Mar-
pissa muscosa Cl. Viciria detrita Strand) kaum zu ent-
scheiden, ob hier ein primär unvollkommener oder ein ın Rück-
bildung begriffener Konduktor vorliegt. Daß eine solche Rück-
bildung anzunehmen ist, kann in solchen Fällen aber wohl mit
Sicherheit gefolgert werden, wo bei starker Längenentwickelung
des Embolus die Mehrzahl der Gattungen einer Gruppe einen
entsprechend ausgebildeten Konduktor besitzt, während bei An-
gehörigen der gleichen Gruppe mit wohlentwickeltem Embolus
ein einfacher unvollkommener gestalteter Konduktor vorhanden ist.
Ich denke dabei an die Sparassiden, bei denen z. B. Hetero-
poda venatoria den letztgenannten Typus aufweist, während Delena
etc. die extrem entwickelte Konduktor- und Embolusspirale zeigen, die
10. Heft
158 Ulrich Gerhardt:
oben beschrieben wurde. Es gibt nun Formen (Paudercetes gracilis
nach Simon) bei denen ein für den langen Embolus ungewöhnlich
kleiner, mangelhaft chitinisierter oder sogar (Paudercetes aracilis nach
J u funktionell ganz unbrauchbarer Konduktor vorhanden ist, und
ich stehe nicht an, mit Järvı ın solchen Fällen von einer Riders
tıon dieses Organes zu sprechen, für die sıch vielleicht auch unter den
Thomisiden Beispiele finden lassen dürften (Tibellus), bei denen
ein deutlicher Konduktor zu fehlen pflegt.
Ich bin bei der Besprechung des Konduktors so lange verweilt, weil
ich der Meinung bin, daß nur bei diesem einen Anhang des Bulbus
sich eine gewisse Gesetzmäßigkeit in der Entwicklung seines Auf-
tretens und seiner Gestaltung verfolgen läßt, die in enger Korrelation
mit der Ausgestaltung des Embolus, allerdings in sehr verschiedener
Weise, erfolgt ist und daher für vergleichende Bztrachtungen ein weites
Feld bietet. Vollkommen bewußt bin ich mir dabei der Tatsache, daß
entwicklungsgeschichtliche Daten völlıg ausstehen, und daß
von ıhnen bei den besonderen Bedingungen der Entwicklung des Bulbus
zwischen der vorletzten und letzten Häutung des Männchens wenig Auf-
schluß zu erwarten ist. In späteren Untersuchungen hoffe ich über die
genauere Ausbildung der Chitingebilde des Tasterbulbus, über die so
gut wie nichts bekannt ist, einiges beibringen zu können, doch wird es
zunächst nötig sein, bei einer Spezies überhaupt einmal die Vorgänge
zu erforschen, die vor der letzten Häutung im Tarsalgliede sich ab-
spielen.
Zurückblickend kann gesagt werden, daß ein Konduktor bei wenigen
haplogynen Formen mehr oder minder sicher vorhanden ist, dal) er aber
in der Hauptsache (die Pholciden bilden einen Fall für sich) bei cym-
biophoren Spinnen ausgebildet ist und, Jin engster Beziehung zu Bau
und Funktion des Embolus so weit verbreitet ist, daß sein Fehlen als
seltener Fall zu betrachten ıst. Außer ıhm können noch accessorische
Konduktorbildungen, besonders ın der Familie der Linyphiiden,
vorkommen; seine größte Entwicklung erreicht er bei einigen Spa-
rassiden und Ageleniden, freilich bei beiden in sehr ver-
schiedener Form und Richtung. An der Homologie des Organs bei
cymbiophoren Spinnen kann wohl kaum ein Zweifel bestehen.
4. Die „Retinacula‘.
Den heikelsten Punkt in der Morphologie des Bulbus bilden wohl
die „Retinacula“ (der Name stammt von Menge), d. h. die
Fortsätze des Bulbus, die mit Sicherheit weder als Konduktor, noch
als Embolus aufgefaßt werden können. Die große Schwierigkeit liegt
darin begründet, daß von Gattung zu Gattung und sogar von Art
zu Art so beträchtliche Schwankungen in Form und Zahl derartiger
Fortsätze vorhanden sind, besonders bei Linyphiiden und Micryphan-
tiden, daf. es schwer, ja zum Teil unmöglich sein dürfte, sie unter
einern einheitlichen Gesichtspunkt und dementsprechend unter einem
sinngemäßen einheitlichen Namen zusammenzufassen. Generell kann
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 159
bemerkt werden, daß solche Retinacula für die Tasterbulbi haplo-
&yner Formen wohl überhaupt kaum ın Betracht kommen (es sei noch-
mals an einige bereits erwähnte fragliche Konduktorbildungen erinnert).
Bei den Pholciden legen, wie gleichfalls schon geschildert, die
Dinge ganz besonders, und bei cymbiophoren Spinnen sind ganz glatte
Bulbi, die nur mit Embolus und Konduktor versehen sind, nicht allzu
selten. Zunächst finden sie sich bei den mit einfachem Bulbus ver-
sehenen Tastern der Tetragnathiden, Eresiden und einigen
Drassiden (Lampona) und Palpimanıden. Aber auch wo
ein zusammengerollter Bulbus besteht, können die Retinacula unent-
wickelt bleiben (Argyroneta, Thomisiden, Sparassıden,
Dictyniden), also bei Spinnen mit langem kahnförmigem Cymbium,
deren Taster dem primitiveren der beiden bei Cymbiophoren unter-
schiedenen Typen angehören.
Aber auch bei Laufspinnen (Zodarıiden, Pısauriden und
Oxyopiden) sind solche Haken- und Fortsatzbildungen am Bulbus
bereits zu konstatieren. Ihre höchste Ausbildung aber erreichen sie
bei den Netzspinnen fast aller Familien, wofür Theriduden,
Epeiriden, besonders aber Linyphiiden und Micryphantiden als
Beispiele angeführt werden können. Daf die zum Teil in Netzen
lebenden Tetragnathiden eine Ausnahme bilden, ıst schon erwähnt
worden; unter den Uloboriden besitzt Uloborus und wohl auch
Hyptiotes keine sıcheren Retinacula.
E. Sımon (67) versucht für die Fortsätze des Tasters der
Epeiraarten einheitliche Gesichtspunkte zu gewinnen, je nach ihrem
medianen oder lateralen Ursprunge. Ich glaube, daß in Gruppen
der artenreichen Gattung Epeira (Aranea) zwar Homologien leicht
festzustellen sind. So ıst die Einheitlichkeit des großen gespaltenen
Bulbusfortsatzes bei E. cornata, sclopetaria, ixobola und um-
bratica wohl nicht zweifelhaft. Wieweit sich aber die Bulbusfort-
sätze anderer Gruppen (diademata, marmorea einer-, quadrata
andererseits, die Beispiele ließen sich vermehren) mit denen der Cor-
nuta - Gruppe und untereinander vergleichen lassen, wırd nur aus einer
genauen Durcharbeitung eines möglichst ausgedehnten Materials her-
vorgehen können. Daß eine solche Zurückführung der verschiedenen
Fortsäfze auf ein einheitliches Schema innerhalb einer Gattung und
nächstdem auch innerhalb größerer systematischer Einheiten durch-
führbar sein wird, glaube ich bestimmt, aber vorläufig ıst es
sehr schwierig, noch schwieriger vielleicht für die Gattungen und Arten
der Linyphiiden und Micryphantiden, bei denen sich eine
noch größere Regellosigkeit in der Entwicklung dieser Fortsätze findet.
Die Funktion der ‚Retinacula“ kann, und das wird dıe haupt-
sächlich in Betracht kommende sein, darın bestehen, daß sie dem
Bulbus, sei es vor, sei es während und nach seiner Entrollung beı der
Kopulation, außen an der Epigyne Halt gewähren, und es kann nicht
zweifelhaft sein, daß die Ausgestaltung des Reliefs der Vulvaplatte ın
direkter Korrelation mit der der Fortsätze am Bulbus steht, ebenso
10, Heft
160 Ulrich Gerhardt:
wie die Samentaschengänge an den Embolus (manchmal auch den Kon-
duktor, in ıhrer Form angepaßt sind.
So zeigen de Haplogynen und die Tetragnathiden
keine oder eine wenig entwickelte Epigynenbildung. Bei den Phol-
cıden kommt es zur Entwicklung einer oft komplizierten, sehr um-
fangreichen Epigyne, hier in Anpassung an einen ganz besonderen
Taster- und Begattungstyp und daher vielleicht unabhängig von der
Epigynenbildung cymbiophorer Spinnen. Bei diesen zeigen wohl
die Epeirien und Linyphiiden am klarsten, daß die Zahl der
Retinacula mit einer ganz besonderen Ausgestaltung der Epigyne, näm-
lich ihrer Bedeckung durch den caudalwärts gerichteten Nagel,
Clavus, eng zusammenhängt. Daß Retinacula und Clavus einander
Halt geben bei der Begattung, kann zwar bei Epeiriden schwer und
wohl nur unter sehr günstigen Umständen und mit viel Uebung genau
verfolgt werden. Bei Linyphuden mit starker Clavusbildung (Lepty-
phantes, s. S.72) läßt sich ın der Tat das Eingreifen der Bulbus-
haken ın die Falten des Nagels der Epigyne, sowie unter und um ihn
leicht beobachten, wenn auch in verwirrend schnellem Tempo.
Eine zweite Funktion eines Retinaculum kann die sein, den Kon-
duktor nur bis zu einer bestimmten Tiefe an dem inneren Rand der
Samentaschenmündung hinabgleiten zu lassen, also als Bremsvor-
richtung für ıhn zu dienen. Das dürfte für dıe terminalen, z. T. mit
dachziegelartigen Schuppen (wie der Uncus mancher Pholcusarten)
versehener. endständigen, dem Konduktor (und Embolusspitze) be-
nachbarter Fortsätze gelten, die sich bei Theridiiden (Th. for-
mosum, tepidariorum, auch beı Latrodectus, finden. Endlich sei
auf die Funktion hingewiesen, de Meisenheimer nach Oster-
loh (55) für die „‚Retinula“ in Anspruch nımmt, nämlich den
anderen Teilen des Bulbus bei dessen Ausrollung Halt zu gewähren.
Wie ich schon erwähnte, hat das Paracymbium einiger Linyphiiden
diese Funktion. Bei Labulla thoracica sınd außerdem drei Fort-
sätze des Bulbus (Konduktor, Führungsstück des Bulbus und ein
„Retinaculum“) bei völlig ausgerolltem Bulbus wie drei Schrauben-
flügel schief gegeneinandergepreßt und verhindern dadurch eine noch
weitere Ausdrehung der Bulbuswindungen. Im einzelnen wird es viel-
leicht bei manchen Spinnen Fortsätze geben, die, in der Haupttätigkeit
oder nebenbei diese Funktion ausüben, ich weıl aber nicht, ob der
Begriff Retinaculum sich als selbständig und einheitlich wird recht-
fertigen und halten lassen können. Die Beziehungen zwischen Bulbus-
fortsätzen und Epigynenleisten und -gruben schwanken, selbst innerhalb
der Gattung, oft zu stark, und nur morphologische Vergleichung kann
über die Dignität und Homologie solcher Fortsätze entscheiden.
Der Begriff Retinaculum stellt einen Notbehelf vor, aber er hat
wenigstens den Vorteil, da zusammenfassend angewandt werden zu
können, wo Homologisierung im einzelnen zurzeit nicht möglich ist.
Mit der Betrachtung dieser morphologisch so problematischen
Teile soll die der am Bulbus des männlichen Spinnentasters außen
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 161
sichtbaren Organe abgeschlossen sein. Die vergleichende Betrach-
tungsweisc kann uns zeigen, daß hier überall Formentwicklungen auf-
treten, die in letzter Linie aus drei Ursachen bedingt sind. ‘ Der
Korrelation mit den weiblichen Organen (und sie dürfte
das Primäre und das Zwingendste sein), der Lebensweise der
Spinnen, (laufend, röhren- oder netzbewohnend), und endlich
aus Gründen, die in inneren Entwicklungsrichtungen be-
dingt zu sein scheinen, und dıe vorläufig unseren Erklärungsversuchen
trotzen. Ich bin mir wohl bewußt, wıe vorsichtig man mit der Ännahme
orthogenetischer Entwicklungsprozesse umgehen soll, glaube
aber vorläufig, daß man ohne sie nıcht wird fertig werden können,
wenigstens so lange man nicht biologische Notwendigkeiten
einsehen kann für phyletische Entwicklungswege, die zweifellos nicht
nur nicht die einfachsten, sondern ungefähr die kompliziertesten sind,
die man sich vorstellen kann. Eines Organes muß aber hier noch ge-
dacht werden, dafs, nur in seinem distalen Teil stärkeren Formschwan-
kungen unterworfen, im Corpus bulbı und im Embolus gelegen ist, eines
Gebildes, das einen der wichtigsten Teile des gesamten Kopulations-
apparates der Spinnenmännchen darstellt, des Behälters für die
Spern:ien.
5. Der Spermophor (Samenschlauch, Canal seminifere
[Sımon; und sein Ausführungsgang (Ductus seminiferus).
Ehe wir uns zu den distalen, äußerlich sichtbaren Teilen des Bulbus
wenden, wird es zweckmäßig sein, noch einige Worte über die ver-
schiedenen Formen zu sagen, in denen uns der wesentlichste Teil des
Bulbus, der Samenbehälter oder Spermophor (dies Wort,
das von Menge in gänzlich andrer, nicht sinngemäßen Weise für
einen distalen Bulbusfortsatz gebraucht wurde, ist zuerst von Bert-
kau, diesmal durchaus sinngemäß, auf das ın Rede stehende Organ
angewandt worden) entgegentritt. Alles was über die Geschichte
unserer Kenntnis vom Bau und der Funktion dieses Behälters zu
sagen ıst, wurde (l. c. S. 97) bereits früher eingehend erörtert, und
es kann auf das dort Gesagte verwiesen werden. Nur erfordert die
historische Gerechtigkeit, zu sagen, daß es anscheinend Blanchard
(15) schon vor Bertkau gelungen ist, im Spermophor des Tasters
von Segestria Spermatozoen zu sehen, also den ientscheidenden Befund
festzustellen, durch den Menges von Fickert und Lebert weiter-
verbreitete Irrtümer richtig gestellt werden konnten.
An der ganz allgemeinen, im Prinzip überall überein-
stimmenden Anwesenheit eines wohldifferenzierten Samenschlauches ın
jedem Bulbus eines männlichen Spinnentasters ist festzuhalten, und es
soll hier nur kurz auf einige Besonderheiten eingegangen werden, die
sich im Laufe der phylogenetischen Entwicklung auch dieses Organes
innerhalb größerer Gruppen, oder auch innerhalb von Familien, ent-
wickelt haben. Vielleicht würden bei der nicht leichten, ver-
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10. 11 10. Heft
162 Ulrich Gerhardt:
gleichend-histologischen Untersuchung einer großen Anzahl
von Spermophoren und besonders auch ihrer Ausleitungswege sich sogar
recht beträchtliche Modifikationen ergeben. Für uns sollen hier ver-
gleichende morphologische Gesichtspunkte im Vordergrund
stehen.
Zunächst ist zu betonen, daß der Spermophor in dem Tasterbulbus
haplogyner Formen ganz allgemein insofern einfacher verhält, als
der höher entwickelter, als sein proximaler Teil (Spermophor s. str.)
sehr weit zu sein pflegt und sein Endteil (Dactus seminiferus Sim.)
meist wenig scharf von ihm abgesetzt ist. Der Bulbus von Segestria
senoculata zeigt uns deutlich die wenigen (zweieinhalb) Windungen
des Spermophors und seinen ganz allmähligen Uebergang ın das den
Embolus durchziehende Endstück, ‘Oonops, Scytodes, Loxosceles,
Sicarius schließen sich hier ungezwungen an, während bei den
Gruppen der Dysdereae (Harpactes, Harpactocrates und be-
sonders Dwysdera) ein gerades, verengtes Endstück innerhalb des
Scapus deutlicher differenziert ist. Besonders verhält sich Caponia,
bei der ein langes, dünnes Endstück des Samenschlauches, entsprechend
dem langen Embolus, differenziert ist.
‘Wenn wir von dem Hineinragen des Spermophors in die pars basalıs
bulbi absehen, finden wir auch bei Theraphosiden, und zwar bei
Avriculariiden wie Atypiden, sehr ähnliche Verhältnisse. "Daß der
ganze Samenbchälter plus Endstück bei allen diesen Formen mit primi-
tivrem Bulbusbau weit ist, wird darin seinen Grund haben, daß die
Spermien hier in Gestalt von Coenospermien (Bertkau) d. h. zu
mehreren in einer kugelförmigen Kapsel vereinigt, den Inhalt des
Samenschlauches ausmachen, eine Einrichtung, die bisher wohl nur
für haplogyne Spinnen bekannt ist, während bei den entelogynen nur
je ein Spermium in einer Hülle eingeschlossen ıst (Kleistosper-
mien, Bertkau). Ganz erstaunlich groß sind dıe Coenospermien
bei Oonops pulcher, auch bei Scyfodes thoracica, und ich vermute,
daß ihre Größe bei beiden Arten die Ausmündung des Spermophors
neben der Basıs des Enddornes am Bulbus notwendig macht.
Schwer zu verfolgen ist an den mir vorliegenden 25 Präparaten der
Verlauf des Spermophors im Bulbus der männlichen Pholciden,
wenigstens was seinen distalen Teil (Ausführungsgang) anbelangt. Der
eigentliche Samenschlauch ist kurz, kuglig bis retortenförmig, der Kanal,
der ım Embolus wieder auffindbar ist, eng.und scharf abgesetzt, bei
Holocnemus und Hoplopholcus außerordentlich kurz. Die Form
des Samenschlauches erscheint hier eng der des kugeligen Bulbus an-
gepaßt.
Bei cymbiophoren Spinnen finden wir nur in verhältnismäßig
wenigen Bulbis einen Spermophor, der ähnliche Weite und ähnliche
spiralige. Rollung zeigte, wıe der der haplogynen Formen. Hier ist
meist der ganze Schlauch enger, und sein Mündungsteil als Canalis
seminiferus deutlich von dem eigentlichen Spermophor, dem Behälter
der Spermien, abgesetzt. Im einzelnen lassen sich aber doch eine ganze
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 163
Reihe von Besonderheiten, zumal innerhalb der einzelnen Familien,
nachweisen.
Sehr einfach und windungsarm, auch wenig gegen den Endkanal
abgesetzt, ıst der Spermophor ın der Be Lampona,
von der mir ein Präparat von Lampona murina E, L. K. vor-
liegt (Taf. I, Fig. 10). Auf die einfache, an die haplogynen
Spinnen erinnernde Bulbusform wurde schon oben hingewiesen.
Doch sind immerhin ihr gegenüber auch Unterschiede vorhanden,
die sogar die Möglichkeit einer sekundären Vereinfachung des
Bulbus in Frage kommen lassen können: Er besitzt nämlich eine
basale Aussackung, dıe an dieam Taster von Clubiona corticalis
vorkommende einigermaßen erinnert, und die nıcht von Windungen des
Spermophors durchzogen wird, der vielmehr in nur zwei Windungen von
der Insertionsstelle des Bulbus am Cymbium durch den distalen Bulbus-
teil unter allmählicher Verjüngung zum kurzen Embolus zieht. Bei
Eresus (Tat. Il, Fıg. 11) erinnern die Windungen des Spermophors
auch rinigermafßfen an die haplogyner Spinnen, besonders von Atypus,
und auch bei Tetragnathiden (Tetragnatha, Pachygnatha) ver-
läuft der weite Spermophor ın ziemlich regelmäßigen Spiralwindungen
(Taf. III, Fig.27). Bei Tylorida ist der Spermophor weit, aber in
dem weiten, kugeligen Bulbus in ganz eigentümlicher, in Achtertouren
verlaufende Windungen gelegt (Taf. III, Fıg.28). Sonst finde ich
unter sedentären Spinnen noch bei den Zwergmännchen der Gattung
Nephila einen weiten, spärlich gewundenen, das Innere des Bulbus
größtenteils erfüllenden Samenschlauch, der von dem des typischen
Epeiridentasters sehr beträchtlich abweicht.
Der typische Spermophor cymbiophorer Taster aber ist schon ın
seinem basalen Teil, also dem eigentlichen Behälter, verhältnismäßig
sehr eng. und es ıst für ihn charakteristisch, daß er in seinen sehr
unregelmäßigen Windungen sich nicht nach der spiraligen Aufrollung
des Bulbuskörpers selbst richtet, sondern vollkommen unabhängig von
ihm verläuft.
Im einzelnen wırd es bei der Besprechung dieses Typus des
Spermophors zweckmäßig sein, drei Abschnitte zu unterscheiden, und
sie getrennt zu behandeln, nämlich 1. den Spermophor SsIAstr,
2. den A und 3. das ım Embolus Liwe
gende Spitzenstück.
l. Der Samenschlauch Spermophor selbst zeigt öfters
an seiner äufßseren (convexen, peripheren) Seite zahlreiche sleichgroße
Aussackungen, die an die Haustra des messchlichen Dickdarmes
oder an die der Eiweißdrüse der Landpuinwnaten erinnern, allerdings
verhältnismäßig viel kleiner sind. Sie finden sich sehr ausgeprägt bei
Dyetina sowie bei Linyphuden und Therididen.
Bei Argyroepeiriden Tylorida, Leucauge) ist der proximale
Abschnitt des Spermophors ın seiner Wandung fein gerippt oder ge-
körnelt, so daß? am mit Kalilauge behandelten Präparat oft der Eindruck
hervorgerufen wird, als sei er noch mit Sperma gefüllt. Die Win-
11= 10. Heft
164 Ulrich Gerhardt:
dungen dieses Abschnittes sind äußerst unregelmäßig und oft im flächen-
haft komprimierten mikroskopischen Präparat schwer in ihrem Verlauf
zu verfolgen. Das blinde Ende des Schlauches endet distal von der
Vesicula bulbi. Im allgemeinen ist der Schlauch am engsten und am
stärksten gewunden bei Linyphiüden, Erigoniden, Theridiiden, Epeiriden
und Uloboriden, also bei typischen Netzspinnen.
2. Der Ausführungsgang «(Ductus seminiferus), zeichnet
sich durch glatte Wand und große Enge vor dem proximalen Abschnitt
aus. Er verläuft meist weniger geschlängelt (nicht bei Theridiiden),
oft (Epeira ) ganz gradlinig, manchmal (Linyphiiden) unter plötzlicher
Knickung, die sich an einem Chitinfortsatz des Bulbus vollzieht (sehr
gut sichtbar bei Labulla thoracica). Bei Lauf- und Röhrenspinnen
ist ım allgemeinen das Endstück gegenüber dem Samentaschenschlauch
weniger scharf differenziert. Im mikroskopischen Bilde ist es bei An-
wendung enger Blende meist sehr leicht, den Verlauf dieses Ganges in
allen Phasen seiner Krümmungen ganz genau als doppelt contourierte,
äußerst feine, aber sehr scharf gezogene Linie zu verfolgen.
Eines eigentümlichen Befundes muß hier noch gedacht werden, den
Fickert (29) am Taster von Lepfyphantes mughiü und Linyphia
sudetica nachwies, und der, trotzdem er in seiner Richtigkeit von van
Hasselt (38) bezweifelt wurde, doch durchaus zu recht besteht.
Es handelt sich um die „kugelige Auftreibung‘, die am peri-
pheren Teil des Samenleiters bei diesen Arten gefunden wurde, und in
der Fickert, entsprechend seiner unglücklichen, auf Menge schen
irrigen Anschauungen basierten „Befeuchtungstheorie“ eine
Art von Drüse sieht, die bei der Begattung das auf dem „Spermophor“,
d. h., auf dem Konduktor, enthaltene Sperma flüssig machen sollte (s.
S.145). Wenn nun diese Deutung des fraglichen Organes auch sicher
falsch ist, so ist Fickerts morphologische Beobachtung doch nicht nur
für die beiden genannten Species richtig, sondern ich finde dies Gebilde
auch noch bei Lepfyphantes nebulosus, Bolyphantes alticeps,
Bathyphantes terricola, Drapetisca socialis, sowie bei zwei
weiteren kleinen Linyphuden, die, falsch bestimmt, ın der Breslauer
Sammlung standen, und die ich noch nicht identifizieren konnte.
Nicht weit vor dem Eintritt des sehr engen Samenleiters in die
Wurzel des Embolus findet sich an ihm, seitlich gelegen, ein kuge-
lıger Hohlraum, an dem die zu- und abführenden Schenkel des Samen-
leiters ungefähr so sitzen, wıe am Glomerulus der Säugetierniere vas
afferens und efferens. Da das Ganze sehr deutlich nur in mit Kalı-
'lauge behandelten Präparaten zu sehen ist, so muß auf eine ge-
nauere Untersuchung und Schilderung der Struktur seiner Wand ın
biologischer Beziehung verzichtet werden. Bemerkt sei noch besonders,
daß bei Linyphia und Labulla keinerlei Andeutung eines solchen
Anhangsgebildes am Samenleiter zu finden ist, um so merkwürdiger
dürfte sein so weit verbreitetes Vorkommen innerhalb der Familie der
Linyphüden sein, während es aus anderen nıcht bekannt geworden ist.
Auch bei Erigoniden finde ich nichts dergleichen.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 165
Ueber die Funktion dieses Organes lassen sich kaum Ver-
mutungen aufstellen. Im Grunde kann es sich nur entweder um einen
sekretorischen Apparat handeln, so daß Fickert, wenn auch
in eineın ganz anderen als von ıhm angenommenen Sinne, recht hätte,
oder aber es liegt ein Reservoir für ein Spermaquantum vor, das bei
der Kopulation zunächst entleert würde. Gegen diese Annahme scheinen
mir aber die Beobachtungen über den Verlauf der Kopulation von
Leptyphantes nebulosus zu sprechen, die sich in nıchts von der bei
Linyphiaarten unterscheidet, obwohl bei dieser Gattung die kugelige
Auftreibung des Samenleiters, wie erwähnt, vollkommen fehlt. So
bleibt die — zweifellos ın irgend einer Weise vorhandene —- Funktion
des Fickertschen Organes vorläufig in Dunkel gehüllt.
3. Das Endstück des das innerhalb des Em-
bolus als dessen Kanal verläuft, ıst, außer etwa durch noch
größere Enge, nicht von dem vorangehenden Stück unterschieden.
Es pflegt an die Chitinbekleidung des Embolus so heranzutreten, daß
le Minrzelstolen "nechree Weiler deutlicher
kennbar ıst, bis es von der engen Chitinröhre des Embolus so fest
umschlossen wird, daf3 es nur als dessen Lumen wirkt. Bei Anwendung
stärkerer Vergrößerung sieht man aber doch die Wand des Kanales bis
zur Spitze des Embolus hın. Daß dıe Länge dieses Endstückes der
des Embolus selbst vollkommen entspricht, braucht nach allem oben Ge-
sagten nıcht noch einmal besonders betont zu werden.
6. PrimäreinfacheundsekundärvereinfachteBulbus-
formen.
Das Kapitel vom Bau des Bulbus darf nicht geschlossen werden,
ohne daß noch der Formen dieses Organes gedacht würde, an denen sich
Reduktionserscheinungen mit großer Wahrscheinlichkeit ver-
muten lassen. Ich denke dabei an die wenigen Taster von Männchen
entelogyner Spinnen, die in ihrem Bau denen der haplogynen zwar nicht
gleichen, aber doch an sie erinnern. Bei der Besprechung des Samen-
schlauches der Drasside Lampona murina wurde schon gesagt, daß
möglicherweise hier ein sekundär vereinfachter Bulbus vorliege,- doch
läßt sich dies nach dem Präparat allein nicht beweisen. Für
Eresus und die Tetragnathiden bin ich durchaus geneigt,
primäre Beibehaltung des einfachen Bulbustypus anzunehmen, wofür ın
erster Linie der Bau der weiblichen Geschlechtsorgane maßgebend ist.
Dagegen scheinen wir die zunächst sehr einfach wirkenden Taster der
. Zwergmännchen der Nephilaarten als sekundär reduziert aufzufassen.
Vom Bau dieser Taster habe ich (l. c. S.207) eine C. L. Koch ent-
nommene Abbildung und eine Beschreibung zitiert, die gleichfalls diesem
Autor entstammt. Inzwischen sind mir nıcht nur aus der Literatur eine
Reihe von Abbildungen solcher Taster (Strand, Sımon, Mc.
Cook) bekannt geworden, sondern mir liegt auch ein Präparat des
männlichen Tasters von Nephila malabarensis vor, das mir meine
10. Heft
166 Ulrich Gerhardt:
Vermutung, diese Gattung besitze im männlichen Geschlecht keinen „ein-
fachen“, sondern einen vereinfachten Taster, zu bestätigen scheint.
Die Gründe, die mich veranlassen, eine solche Reduktion vorzu-
nehmen, sind teils allgemein biologischer, teils speziell morphologischer
Natur.
Einmal meine ich, daß die extreme Kleinheit der Nephila-
männchen (die die gleiche Erscheinung in der Gattung Argiope bei
weitem übertrifft) doch zweifellos als eine sekundäre Er-
scheinung aufzufassen ıst, da bei allen Spinnengruppen, die als prı-
mitär gelten können (z. B. Theraphosiden und Dysderiden) der Größen-
unterschiea der Geschlechter gering ıst, und sich die Kleinheit der Männ-
chen fast nur ın der größeren Schla@kheit des Hinterleibes ausdrückt.
Es würde zu weit führen, auch unter den Lauf- und Röhrenspinnen alle
hierfür beweisenden Beispiele anzuführen, und es soll hier nur darauf
hingewiesen werden, daß unter ihnen wohl nur unter Thomisiden (Run-
cinia, Misumena) Männchen vorkommen, die als Zwergmännchen be-
zeichnet werden können. Daß unter den Netzspinnen auch extreme
Kleinheit der Männchen durchaus nicht die Regel ist, beweist ein Blick
auf die Familien der Linyphiiden und Erigoniden, während unter Ulo-
boriden und Theridiiden zwar sehr kleine Männchenformen vorkommen
(Latrodectus, Uloborus), die aber keine „Zwergmännchen“ sind. Ge-
rade unter den Epeiriden findet sich, wie Simon und Mc Cook eein-
gehend erörtern, alle möglichen Stadien von Männchen, die nur wenig
den Weibchen an Größe unterlegen sind, bis zu den Zwergformen in
den Gattungen Argiope und ganz besonders Nephila, Micrathena,
Gasteracantha, Poltys etc.
Was gerade bei denjenigen Orbitelariern, deren Weibchen mit das.
größte Körpervolumen unter allen dıpneumonen Spinnen erreichen, zu
einer so extremen Kleinheit der Männchen geführt haben kann, darüber
lassen sich nur Vermutungen aufstellen, von denen die bekannteste,
aber durch nichts bewiesene, die ist, daß die stark entwickelte Ge-
fräßıgkeit der Weibchen, im Verein mit ihrer Methode, im Radnetz die
Beutetiere zu fangen, die Kleinheit der Männchen als eine Schutz-
anpassung habe entstehen lassen.
Nun fallen an einem Nephilamännchen die zwar einfach gebauten,
bei oberflächlicher Betrachtung, aber nur bei ihr, an die der Haplogynen
erinnernden, jedoch sehr umfangreichen Taster auf, und man kann sich
des Gedankens nicht erwehren, daß gerade die Taster an der Ver-
kleinerung des ganzen Tieres am wenigsten teilgenommen haben. Ich.
habe schon oben (s. S. 144) darauf hingewiesen, daß es eigentlich selbst-
verständlich ist, daß bei noch so weit gehender Reduktion der Körper-
größe des Männchens diese Begattungsorgane doch in keinem Mißver-
hältnis zu der bedeutenden Größe der Weibchen und ihrer Kopulations-
organe stehen dürfen. Warum nun aber trotz der relativen Größe
der Bulbi ihr Bau so einfach geworden ist, dafür dürfte jede Erklärung
vorläufig fehlen.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 167
Es wurde schon betont, daß bei oberflächlicher Betrachtung die
Taster der Nephilamännchen eine Aehnlichkeit mit denen haplogyner
Spinnen aufweisen. Es ist dıe Frage, wieweit durch einen Reduktions-
prozel am Taster die primären einfachen Zustände, wie sie sich z. B.
beı Segestria finden, wıederhergestellt werden können, und wieweit eine
Irreversibilität des Entwicklungsganges vorliegen dürfte, der
zur Ausbildung des typischen Cymbiumtasters geführt hat. Eine solche
- kann m. E. nicht rein theoretisch postuliert werden, aber es ist, wie
auch ganz allgemein in ähnlichen Fällen, nicht wahrscheinlich, daß
das Endprodukt einer rückwärts gerichteten Entwicklung (Reduktion)
genau zu dem Punkt hinführen müsse, von dem die progressive
Entwicklung ihren Ausgang genommen hatte, die zu dem komplizierten
Enaprodukt geführt hatte, an dem dann die erwähnte Reduktion ein-
setzte. Jedenfalls besitzt der Taster der Nephilamännchen l. ein
reguläres Cymbium, 2. eine Vesicula bulbi, wie durch Behandlung mit
Kalilauge gezeigt werden kann, und 3. ist die Anordnung seiner proxi-
mal vom Tarsus gelegenen Salsanpe typischen Epeiridentaster. Es
besteht hier aber nun eine durch den glatten einfachen Bulbus und den
langen terminalen Embolus vorgetäuschte Aehnlichkeit mit dem Taster
haplogyner Spinnen, dıe sich rasch als nur scheinbar erweist. An
meinem etwas lädierten Präparat kann ıch nıcht ganz sicher entscheiden,
ob ın der Tat, wie es zunächst den Anschein hat, ein sehr feiner, haar-
förmiger Embolus und ein.dickerer, pfriemförmiger Konduktor vorhanden
sind oder ob sich nur durch die erwähnte Läsion der Embolus der
Länge nach gespalten hat. Ich möchte aber das Erstgenannte für das
wahrscheinlichere halten. Daß bei manchen lorıcaten Oonopiden (Ga=
masomorpha, Dysderina) sowie bei den Paculeae unter den
Theriduden stark sekundär vereinfachte Bulbi vorkommen, die mit
dem Tarsus mehr oder minder eng verschmolzen sind, wurde schon
erwähnt.
7. Die morphologische Bedeutung von Bulbus und
Tarsus.
Endlich soll noch kurz auf die Frage eingegangen werden, welche
morphologische Beziehung der Bulbus zum Tarsus hat, d. h. ob der
Bulbus einem Teile des indifferenten (das würde der weibliche sein)
Spinnentasters homolog zu setzen wäre. Meines Wissens war es nur
Comstock!) dessen Arbeit (The palp of the male spiders, Ann.
entom. Soc. Am Columbus) mir nicht zugänglich ıst, der den Bulbus
als zweites Tarsalglied in Anspruch nahm, und zwar auf Grund des
Befundes bei Filistata mit dem terminal am Tarsus ansitzenden Bulbus,
des gleichen, der auch bei den Hypochiliden anzutreffen ist.
Wäre diese Theorie richtig, ‚so würden die genannten beiden Gattun-
gen die primitivsten'männlichen Taster aufweisen, ihnen würden sich die
anderen Formen mit nach unserer Auffassung stark verkürztem Tarsus
und ventral stehendem Bulbus (Avicularıden, Loxosceles, Sicarius
1) S. Anm. S. 147.
10. Heit
168 Ulrich Gerhardt:
ad part., Ariadna etc.) und endlich die mit langem Tarsus (Segestria,
Scytodes) anschließen. Dabei würde also der Tarsus in unserem
Sinne als den Bulbus überragendes Glied eine sekundäre Erwerbung sein.
Das ıst schon wegen des sehr seltenen Vorkommens eines terminal
stehenden Bulbus von vornherein nıcht eben wahrscheinlich, und außer-
denı scheinen mir folgende Ueberlegungen dagegen zu sprechen:
An und für sich wäre es wohl denkbar und diskutabel, daß das,
was wir als das Tarsalglied des männlichen Tasters betrachten,
eine ähnliche Bildung darstellte, wie etwa der tıibıale Fortsatz,
den wir am Taster von Labulla thoracica szhen. Aber erstens er-
scheint es unwahrscheinlich, daß der männliche Taster ein Glied mehr
haben sollte als der weibliche, und zweitens spricht nıcht nur der Bau
dieses Tastergliedes beim Männchen bei einem Teil der haplogynen
Spinnen (Atypus, Scytodes, Dysderiden, Caponia) für eine Ho-
mologie mit dem Tarsus des weiblichen Tasters, sondern vielleicht
in noch höherem Grade das Vorkommen der Klauen am Tarsusende
beim Männchen von Trochosa unter den Lycosiden.
Auffallend muß es sein, daß eine starke Verkürzung des Tarsus
sich nur bei haplogynen Formen findet. Meines Erachtens hängt dies
mit der außer bei Teraphosiden fehlenden Alveolusbildung zu-
sammen, und es sei auf die Beziehungen zwischen Alveolus und Vesicula
bulbi nochmals erinnernd hingewiesen. Wir dürfen wohl annehmen, daß
der ursprünglichste Typus des männlichen Spinnentasters ungefähr dem
entspricht, was wir bei Segestria sehen, vielleicht zuerst noch mit
erhaltener Endklaue am Tarsus, die sich ja seltsamerweise nur bei
der cymbiophoren Gattung Trochosa erhalten hat. Da der Bulbus
bei den Dysderiden, Sıcariiden etc. außen frei am Tarsus hängt und
auf keinen Alveolus angewiesen ist, so konnte der Tarsus bis auf die
Befestigung des Bulbusstieles proximalwärts schwinden (Ariadna, Lo-
xosceles). In der Gattung Sicarius sahen wir (S. hahni) Formen
mit völlig verkürztem, aber auch solche (S. spec., Südamerika, Ber-
liner Sammlung) mit nur wenig reduziertem Tarsus, an dem die Be-
festigungsstelle des Bulbus ventralwärts stark vorspringt. Ich nehme
an, daß bei Filistata und dem mir aus eigener Anschauung nicht be-
kannten Taster der Hypochilidenmännchen, diese Reduktion des Tarsus
noch wesentlich weiter gegangen ist und zu der seltsamen terminalen
Stellung und Richtung des Bulbus geführt hat, so daß also der Aus-
gangspunkt der Comstockschen Theorie einen Endpunkt
einer phylogenetischen Entwicklungsreihe darstellen würde.
Wenn ich somit den Comstockschen Standpunkt ablehne, so
bin ich mir wohl bewußt, keine Antwort geben zu können auf die
sich hier unmittelbar anschließende wichtige Frage: Woraus ist nun
eigentlich das Anhangsgebilde am männlichen Tarsus, das den Bulbus
genitalis darstellt, entstanden, Ich habe schon früher (1. c.S. 239) darauf
hingewiesen, daß wir über phyletische Vorstufen des männlichen
Spinnentasters in seiner hzutigen Gestalt absolut nichts wissen und
lediglich auf nicht eben fruchtbringende Spekulationen angewiesen sind.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 169
Ich möchte hier nur der Meinung Ausdruck geben, daß wir ın dem
Bulbus genitalis eine Neubildung sui generis zu erblicken haben, für
die weder bei den weiblichen Araneinen noch überhaupt sonst irgendwo
unter den Arachniden und den Arthropoden ein Homologon nachweisbar
ist. Daß dieses Organ, das ın seiner einfachsten heute existierenden
Form immer noch kompliziert genug ıst, einfachere Vorstufen besessen
haben muß, ist wohl als sicher anzunehmen; heutzutage aber müssen
wir uns damit begnügen, festzustellen, daß die kompliziertesten Formen,
wie sie den Durchschnittstypus darstellen, sich auf die primitiveren
Taster der Männchen haplogyner Formen zurückführen lassen, und
daß nur aus dieser Vergleichung die Möglichkeit morphologischen
Verständnisses für die immer verwickelter werdende Gestaltung dieser
Organe erwächst. Der hier durchgeführte Versuch sollte zeigen, daß
eine solche Vergleichung Gesichtspunkte ergibt, die uns die Entwick-
lungstendenzen innerhalb der einzelnen Familien und die Zusammen-
hänge der Formen, die aus einfacheren Anfängen sich divergent entfaltet
haben, wenigstens in großen Zügen erkennen lassen. Es soll nun
versucht werden, eine kurze Uebersicht über die Tasterform der Männ-
chen in den einzelnen Gruppen der Spinnen an charakteristischen Bei-
spielen zu geben.
IV. Uebersicht über die Formen des männlichen
Spinnentasters.
A) Bei haplogynen Spinnen.
Als haplogyn bezeichne ich unter erweiterter Anwendung dieses
von Simon angeführten Bzgriffes, alle Spinnen, die, ob tetra- oder
dipneumon, ob crıbellat oder nicht, im weiblichen Geschlecht der Epigyne
ermangeln und in männlichen solche Taster als Kopulationsorgane auf-
weisen, deren Tarsus nicht zum Cymbium umgestellt ıst, und deren
Bulbus entweder mit einem starren Stiel, oder mit einer unvollkommenen
Vesicula basalıs am Taster befestigt ıst und außerdem sich dem von
Segestria bekannten, als Grundschema angenommenen Typus mehr
oder minder eng anschließt, wobei auf die oben ausgeführten Gesichts-
punkte der Vergleichung hingewiesen wird. Bemerkt sei, daß sich
hinter der Haplogynıe der Weibchen sehr verschiedener Bau der Samen-
taschen verbergen kann, wie z. B. die Mwygaleweibchen zwei kugelige,
paarig angeordnete, besitzen, Afypus zweı schlauchförmige Taschen
mit zahlreichen Appendices, während die unpaare Anordnung dieser Or-
gane bei Segestria von v. Engelhardt (24) genau geschildert
worden ist und von mir auch für Dysdera und Harpactes bestätigt
werden kann. Bei den Sicariiden dagegen finden sich (mir liegt
ein Präparat von Scytodes thoracica vor) wieder paarige Recep-
tacula seminis. Somit zeigen im Bau der Samentaschen die Dyse
deriden und Atypiden die stärkste Abweichung von der großen Mehr-
zahl der entelogynen Spinnen, von denen mir als Beispiel für das Vor-
kommen einer unpaaren, medianen Tasche, die als dritte Samentasche —
ob mit Recht, weiß ich nicht — aufgefaßt wird, nur Tetragnatha be-
10, Heft
170 Ulrich Gerhardt:
kannt ıst. Dabei dürfte von Bedeutung sein, dal gerade bei dieser
Gattung ın der intravaginalen Mündung der Samentaschen und dem
relatıv einfachen, an den der Haplogynen erinnernden Bau des Bulbus
beim Männchen Anklänge an die Haplogynen gegeben sind, die wohl
kaum auf Zufall beruhen dürften.
Wenn wir uns die Frage vorlegen, welcher Tastertyp beim Männ-
chen den primitivsten unter den haplogynen Spinnen darstellen dürfte,
so ıst diese Frage deshalb schwer zu beantworten, weıl manche Taster
im Bau des Tarsus primitive, in dem des Bulbus kompliziertere Struktur
aufweisen, (Dysdera, Harpactes), während andere bei primitiverem
Bulbus einen zweifellos sekundär reduzierten Tarsus aufweisen (Loxo-
sceles, Sicariuss ad part, Ariadna). Bei den Caponıiden
wieder zeigen entweder nur der Tarsus (Nops) oder auch der Bulbus
(Caponia) weitgehende Veränderungen spezifischer Natur, und unter
den Oonopiden herrscht eine ziemliche Regellosigkeit in der Aus-
bildung von Bulbus und Tarsus. Immer wieder kommen wir auf Se-
gestria zurück, als eine Form mit wohlentwickeltem, wenig ver-
ändertem Tarsus und äußerst einfachem Bulbus; daß sich ähnliche
Tastertypen (mit oben angegebener Modifikation der Mündung des
Samenganges) bei Oonops und Scyfodes finden, ist bereits erwähnt
worden.
Dafi der Taster der Männchen von Afypus und noch viel mehr
der der Avicularıiden und (nach Simon) von Lipistius in einer sehr
charakteristischen Weise weitergebildet ist und durch den Besitz
des gedrehten weichen Bulbusstieles sich über den des Dysderiden- etc,
Typus erhebt, soll hier nur noch einmal kurz angedeutet werden.
Daf: für uns die Taster mit endständigem Bulbus (Filistata,
Hypochiliden) gleichfalls, wenn auch in ganz anderem Sinne, sekun-
där veränderte Typen darstellen, sei gleichfalls nochmals kurz erwähnt.
Im besonderen können die Tasterformen der Männchen in den ein-
zelnen Familien der haplogynen Spinnen wie folgt charakterisiert
werden:
1. Tetrasticta (Bertkau 1878).
a) Tetrapneumones.
1. Lipistiidae: Beschreibung von Simon, s. S. 141, Präparat
liegt nicht vor. Relativ komplizierter Bulbus bei Bau nach Typus der
folgenden Familıe.
2. Avicularıidae, Material: 13 Species. Die Taster
zweier Arten (Chaetopelma agyptiaca und Brachythele icterica)
sind I. c. Taf. I abgebildet worden. Bau aller im wesentlichen überein-
stimmend. Tarsus verkürzt, terminal verdickt, ventral gekerbt, kleiner
Alveolus. Bulbus ventral in der Rinne des Tarsus in Ruhestellung nach
rückwärts geschlagen, seine Pars basalis, weich und spiral gewunden,
kann (durch Blutzufluß) bei der Tätigkeit torquiert werden. Bulbus-
körper sehr einfach gestaltet, endet stumpf (Lasiodora) bis sehr spitz;
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 171
dementsprechend ist der Embolus gar nicht, mäßig oder sehr scharf
differenziert, dann spiral gewunden.
Bei Thelochoris zweispitziger Bulbus, nach Simon langes Tar-
salglied, bei Cyriocosums Spermophor weit, locker gewunden, mit dem
blinden Ende in die Pars basalıs bulbı reichend.
3. Atypidae Material: Afypus piceus Sulz. (Taf. I,
Fig. 1). Tarsus normal, d. h. endgliedförmig, Alveolus sehr klein,
Pediculus bulbi wie bei 2, Bulbus birnförmig, mit spitzem Embolus
und kragenförmigem, konduktorartigem Nebenorgan. Spermophor enger
gewunden, Samenleiter schärfer abgesetzt als beı 2.
4. Cribellata. Hypochilidae. Nach Sımon Bulbus end-
- ständig an dem bei Ectatosticta sehr langen, bei Hypochilus kurzem
Tarsus (ähnlich wie bei Filistata).. Bulbus gewunden, scheint dem
der Avicularıiden ähnlich, doch aus der Abbildung nicht ersichtlich, ob
mit oder ohne pars basalıs wie beı 2.
b) Dipneumones tetrastictae.
Allen gemeinsam: Kein Alveolus am Tarsus, keine erweichte
pars basalıs bulbı.
1. Dysderidae. a) Segestriinae Material: Sege-
stria senoculata Tarsus normal bei sSegestria, verkürzt bei
Ariadna. Bulbus zwiebelförmig, Embolus spiral gedreht. Spermo-
phor spirai gewunden, weit.
b) Dysdereae. Material: Dysdera erythrina, D. sp. (aus
Lenkoran, Radde Ig.), Harpactocrates rubicundus, Harpactes
hombergi Scop. H. lepidus C. L. K., H. canestrinii Thor. Ab-
bildungen besonders bei Chyzer & Kulczynski (46) und
Sımon.
Tarsus etwa wie bei a. Bulbus nur selten (Dysdera spec. Radde)
dem von Segestria ähnlich, in verhorntes Corpus und weicheren, nur
teilweise chitinisierten Scapus gesondert. Außer dem Embolus noch
Fortsätze, Lappen, bei einigen Harpactesarten Haken, Zähne etc. Bei
dem Typus Harpactes canestrinii langer, proxımalwärts umgebogener
verhornter Embolus von der Länge des Bulbus. Spermophor unregel- .
mäßıg gewunden, engerer Endteil (s. Taf. I, Fig. 2, 3).
Nach Simon bei Rhode einfacherer, an Segestria erinnernder
Bulbus, Orsolobus zeigt ähnliches Verhalten wıe die Harpactesarten.
mit komplizierterem Taster.
2. Oonopidae. Von manchen Autoren (Dahl, Bösenberg)
zu den Dysderiden gerechnet.
a) Non lorıcatae. Material: Oonops pulcher Templ. Tar-
sus etwas kürzer als bei Segestria, Corpus bulbi ähnlich wie dort,
aber an der Wurzel des soliden Embolus in der Umgebung der
Samenleitermündungen zwei spitze, distal gerichtete Dornen, Spermo-
phor weit, nur zwei Windungen, Conespermien sehr groß (Taf. III,
Fıg.'25).
10, Heft
#72 Ulrich Gerhardt:
b) ©. lorıcatae. Kein Material. Tarsus sehr schwankend in
der Form, bei einigen Dysderina- und Gamasomorphaarten mit
denı Bulbus verwachsen, Bulbus nach verschiedenen Richtungen modi-
fiziert, aber ım wesentlichen, wo frei, nach Segestriatyp gestaltet.
Bei manchen Arten (Ischnothyreus ad. part.) Patella stark vergrößert.
Inrerhalb einer Gattung (z. B. Gamasomorpha, s. Bösenberg und
Strand |117]) große Formverschiedenheiten, die größten innerhalb
einer Familie der haplogynen Spinnen. (Hauptsächlich nach Simon.)
c) Apneumones (Tracheatae), Caponiiden.
Material: Caponia capensis Purc. Berliner Museum. (Textfig. 18).
Beı Nops nach Keyserling und Simon Bulbus sehr einfach .
gestaltet, ventral gekrümmt, birnförmig mit stumpfem Embolus. Tarsus
stark verdickt, kolbig, ventral konkav.
Beı Caponia Bulbus klein, ovoid dem Tarsus breit ansitzend, mit
langem, erst proximal gerichtetem, dann plötzlich dorsalwärts umbie-
gendem Fortsatz, der nach Schleifenbildung sich in zwei Endäste spaltet,
von denen der längere abermals gegabelt. Ausmündung des im Bulbus
sehr kurzen, einmal gerollten Spermophors an der Basis dieser Gabel.
Der Bulbus sitzt in einer medianen Vertiefung des enorm aufgetriebenen
Tarsus, der aber keinen eigentlichen Alveolus, sondern nur eine seichte
ventrale Vertiefung besitzt, und ‘daher nicht als Cymbium bezeichnet
werden kann. Befestigung des Bulbus am Tarsus wıe bei den Dysde-
rıden mit starrem Stiel.
Einer der aberrantesten Typen unter den Haplogynen, in seiner An-
wendungsweise am toten Präparat nicht zu beurteilen.
II. Dipneumones tristictae,
1. Sıcarııdae.
Material: Scytodes thoracica Ltr. Loxosceles rufescens
L. Duf.,Sirarius sp. (Südamerika) 8. hahni Karsch.
a) Scytodes. Tarsus sehr lang, corpus bulbı klein, kugelıg,
Scapus lang, trägt an seiner Spitze die Mündung des Samenleiters, die
vom sehr langen, soliden, borstenförmigen Embolus überragt wird. ‘Sper-
mophor ım corpus eineinhalbmal gewunden, sein Ausführungsgang im
Scapus gerade und weit. Conospermien groß. — Abbildungen liegen
mir vor von Se. Br Bks., Se. nigrolineata B. u. Str., Se.
marmorata C. L. K., (die alle im wesentlichen das Gleiche zeigen,
soweit erkennbar, wie bei Sc. thoracica. Taf. I, Fig. 4).
b) Loxosceles rufescens. L. Duf. Abb. bei Bösenberg und
Strand (65). In Cuviers Regne anımal ist auf Taf. 9 nıcht der
Taster von Scytodes thoracica, wie dort angegeben, sondern von
unserer Art dargestellt. Charakteristisch: die kleine Patella, große ver-
dickte Tıbia und der im Gegensatz zu Scytodes kurze Tarsus. Bulbus
einfach, birnförmig, mit kurzem, gewundenem. Embolus und zweimal ge-
wundenem, weitem Spermophor, ohne soliden Endfortsatz.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 173
c) sSicarius. Von dieser Gattung liegen mir männliche Taster
zweier Ärten aus dem Berliner Museum vor, und zwar von S. hahnii
Karsch (von Simon abgebildet) und von einer unbestimmten südameri-
kanıschen Species. Beide Arten zeigen trotz großer prinzipieller Ueber-
einstimmung im Bau doch einige merkwürdige und charakteristische
Unterschiede.
1. S. hahnii. Femur, Patella kurz, Tibia dick, rauh, mit starken
Haaren besetzt. Tarsus verkürzt, ähnlich wie bei Loxosceles, Bulbus
in einen birnförmigen Körper, einen Hals (Scapus) und einen Enddorn
gesondert, der die Ausführung des Spermakanals enthält, also den
Embolus darstellt und nıcht, wie Simon vermutet, dem soliden End-
Textfig. 18. Taster von Caponia ca- Textlig. 19. Taster von Loxosceles
pensis Purc. 0 Stark verdickter rufescens L. Ö Photogramm.
Tarsus, kugeliger Bulbus mit langem
gegabelten Embolus. Photogramm.
fortsatz am Bulbus von Scytodes gleichwertig ist. Spermophor drei- -
mal gewunden (Taf. I, Fig. 5).
2. 8. spec. Unterschiede: Tarsus mit, wenn auch kurzem, doch
- deutlichem, den Bulbus beträchtlich überragendem Endteil, die Basıs,
an der der Bulbus inseriert, ist ungewöhnlich stark verdickt (in ge-
ringerem Maße auch bei Dysderiden vorkommend) und gegen den End-
teıl scharf abgesetzt. Spermophor beschreibt nur eine Windung, zieht
dann gerade zum kurzen, stumpfen Embolus (Taf. I, Fig. 6).
Nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus zwei Abbildungen
von Sımon und Banks kenne ich den männlichen Taster von FPlec-
treurys. Aus den Abbildungen Simons (63) von Pl. tristis und
Banks (2) von Pl. bicolor geht die viel weiter als bei den bisher
beschriebenen Gattungen getriebene Verkürzung des Tarsus hervor. Der
Taster von Pl. tristis scheint im ganzen einigermaßen dem von
Lozxosceles rufesceens zu ähneln, während bei Pl. bicolor eine ab-
weichende Form des scharf abgesetzten und stark gewundenen Embolus
zu bestehen scheint.
10. Heft
174 Ulrich Gerhardt:
Alle männlichen Sicariidentaster scheinen sich mir zwanglos als
Modifikationen des Segestriatyps auffassen zu lassen.
2. Leptonetidae (von Dahl als Unterfamilie zu der vorigen
Familie gestellt. Material liegt mir nicht vor. Aus Simons Um-
rıßzeichnungen glaubte ich entnehmen zu können, daß der Tarsus meist
lang, bis sehr lang, dem von Scytodes ähnlich ist, der Bulbus bei
Telema und Leptonetus birnförmig, zweispitzig, bei Ochyrocera
“ arietina dem von Scytodes ähnlich, aber, wie es scheint, mit einer be-
sonderen Pars basalıs am Tarsus befestigt, bei O. crueiata E, S. ganz
anders gestaltet, endständig-am Tarsus befestigt, mit zwei langen Fort-
sätzen endend, von dem der eine (Embolus?) gebogen, der andere
(Konduktor ?) gerade und am Ende verbreitert ist. Doch möchte ich mich
mangels eigener Erfahrung jedes morphologischen Urteils über die
Tasterformen dieser Familie enthalten, da viele Einzelheiten, deren
Kenntnis notwendig wäre, aus Simons Abbildungen nicht erkenntlich
sind. 3
3. Hadrotarsidae. Ueber den männlichen Taster in dieser
Familie macht Simon (64) kurze Angaben, die Thorell entnommen
sind: der Taster soll komplizierter sein, als sonst bei haplogynen Spinnen
üblich; der sehr dicke Bulbus von Hadrotärsus babirussa trägt an
seinem Ende zwei feine Fortsätze, die lang und gebogen sind, und an
der Basıs eine kürzere, rechtwinklig abgehende Spitze. Material liegt
mir nicht vor.
4. (Cribellatae) Filistatidae. Materıal: Filistata
capitata Hentz aus Südamerika (Berliner Museum). Abb. Cuvier,
F. bicolor, Chyzer & Kuliczynski, (F. pallida) Bertkau
(F. testacea, s. Gerhardt |..c. $. 22). Hauptcharakteristikum:
die endständige Vertiefung des Tarsus, in die (ohne Vesicula bulbi)
der Bulbus eingelassen ist, so daß er vollkommen distal gerichtet ist.
Er ist bei den europäischen Arten anscheinend nicht spiral gewunden,
während dies bei F. capitata der Fall ist. Bei dieser Art ist der Tarsus
länger und schlanker als bei den europäischen Species, der ganze Taster
außerordentlich lang (Taf. I, Fig. 7).
Bei F. testacea bildet Bertkau (9) drei Windungen des -
weiten, bis an die Wurzel des Bulbus reichenden Spermophors und ein
gleichfalls nur wenig engeres Endstück ab, der Embolus ist kurz, nicht
deutlich abgesetzt.
Bei F. capitata ist der Rand der alveolusartigen Vertiefung des
Tarsalendes von langen Borsten umstanden, der Spermophor in drei sehr
engen regelmäßigen Spiralwindungen zusammengerollt, zieht dann als
mäßig enger Samenleiter in die als Embolus abgebildete, abgeplattete und
zweimal spiral gedrehte Bulbusspitze hinein. Soweit ich an dem mit
Kalilauge behandelten Präparat sehen kann, ist der Bulbus mit starrer
Chitinverbindung im Krater des Tarsalendes befestigt; ich weiß natürlich .
nicht, ob im Leben eine gelenkige Beweglichkeit zwischen Tarsus und
Bulbus besteht. Für unmöglich möchte ich sie nicht halten. Jedenfalls
fehlt aber jede Andeutung einer Vesicula bulbi. Ueber die Verrichtung
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 175
gerade dieses sehr isoliert stehenden Tastertypus wären biologische Be-
obachtungen sehr wertvoll, da der Begattungsmodus unbekannt und un-
klar ıst.t)
Wenn wir nun noch einmal zusammenfassend die männlichen Taster
der haplogynen Spinnen betrachten, so zeigt es sich, daf3 in der Haupt-
sache drei Typen unterscheidbar sind: 1. der Segestriatypus, an
den sich die Tasterformen der Sicariiden und auch wohl der Oonopiden
leicht anschließen lassen. Auch die oft relativ sehr komplizierten
Bulbusformen der Dysdereae zeigen schließlich doch nur Modı-
fikationen dieses Typus, und vielleicht wird auch der sehr eigen-
artige Taster der Caponfidenmännchen schließlich auf ıhn zurück-
führbar sein. Darauf weist vielleicht schon die große Habitusähnlich-
keit zwischen Caponia und Dysdera hin. Der’an der Basıs des
Tarsus befestigte Bulbus,ohne Vesicula basalıs ıst allen diesen Formen
gemeinsam. 2. Der Typus, der sich bei Filistata (und vielleicht auch
bei den Hypochiliden) findet, mit endständigem einfachen Bulbus
ohne Vesicula. 3. Der Theraphosidentypus, der, beı Afypus
und Hexura stark abweichend von dem der Aviıcularıden, doch überall
das Gemeinsame der erweichten Pars basalıs bulbi (der Vesicula bulbı
eymbiophorer Formen entsprechend) aufweist. Nach dem Bau des
Corpus bulbi dürfte dieser Typus schließlich auch eine Weiterbildung
des Zustandes darstellen, den wır beı Segestria finden, doch wird
hier vor vorschnellen phylogenetischen Schlüssen zu warnen sein. Die
Einfachheit des Bulbus, die prinzipiell überall vorhanden ist, stellt
das Hauptcharakteristikum des Kopulationsorganes der Haplogynen-
männchen dar, während sie sich bei höher entwickelten Formen nur
ausnahmsweise findet. Daß auch schon bei Haplogynen in mehr oder
minder ausgeprägter Form Konduktorbildungen vorkommen (Lep-
tonetiden, Dysderinae, Atypinae), wurde schon auf $. 146 besprochen.
Jedenfalls wird man nur sehr selten beim Anblick einer männlichen
Spinne im Zweifel sein können, ob zu ıhr ein entelogynes oder haplo-
gynes Weibchen gehört, und zwar werden sich solche Zweifel nur
bei den wenigen Entelogynenmännchen einstellen können, deren Palpen
mit denen der Haplogynen Aehnlichkeit aufweisen (Lampona, Eresus).
3. Bemerkungen über die Systematik der haplo-
gynen Spinnen.
Schon Bertkau (7) hat betont, daß alle tetrastikten
Spinnen, also solche mit zwei Paaren von Atmungsöffnungen an der
Bauchwurzel, durch den einfachen Bau der Kopulationsorgane in beiden
Geschlechtern ausgezeichnet sind. Es ist dabei ganz gleichgültig, ob
diese vier Oeffnungen in zwei Lungenpaare (Verticulaten, Therapho-
siden, Hypochiliden) oder in ein Lungen- und ein Tracheenpaar (Dys-
deriden, Oonopiden) oder endlich in zwei Tracheenpaare (Caponuden)
führen. Es ist gewiß kein Zufall, daß dieser wohl zweifellos phyletisch
ältere Zustand der vier Atmungsöffnungen immer mit Haplogynie und
entsprechend einfachem Tasterbau Hand ın Hand geht, und mir er-
!) Vgl. Anm. $. 49. 10. Heft
176 Ulrich Gerhardt:
scheint Bertkaus klarer Blick bewundernswert, der diese Kombination
von zwei so verschiedenen Merkmalen in seinem System zum erstenmal
betont und praktisch ausgewertet hat. Ich selbst zweifle nıcht daran, dafs
die Tetrapneumonie bei Lipistiiden und den eigentlichen Theraphosiden
einen-primitiven Charakter darstellt, ebenso wie ihre Haplogynie. Schwer
aber zu beantworten ist die Frage, wie man sich die Verwandtschaft
der Tetrapneumonen mit den Dysderiden vorzustellen hat, die vielleicht
ın manchem (Bau der Samentaschen) noch primitivere Merkmale auf-
weisen als die Theraphosiden selbst. Ferner ist es sehr schwierig zu
beurteilen, ob die vier Tracheenbüschel der apneumonen Caponiiden
aus Lungen (Fächertracheen) abzuleiten sind oder ob das Umgekehrte
der Fall ist. Endlich ist zu betonen, daß die tetrapneumonen Hypo-
chiliden als einzige Familie der tetrastikten Spinnen ein Cribellum
aufweisen, was meines Erachtens nur dartut, wie wenig dies Organ
für die Organisationshöhe einer Familie und für ihre Verwandtschaft
mit anderen beweist. ir
Somit erscheinen die Verwandtschaftsverhältnisse der Tetrasticta
unter sich durchaus ungeklärt; daß aber alle diese Formen zusammen,
die ja bis auf die Avıcularıiden im allgemeinen relativ arm an Gattungen
sind, eine gut charakterisierte Einheit innerhalb der Araneen in Bezug
auf ihre Organısationshöhe darstellen, glaube ich bestimmt.
Nun tritt aber Haplogynıie ım weiblichen und primitiver Tasterbau
ım männlichen Geschlecht, auch bei trıstikten Spinnen ım Sinne
Bertkaus auf, und es wird die Frage sein, ob und wiıeweit sie
Verwandtschaftsbeziehungen zu den Tetrasticten aufweisen. Daß bei
Filistata das Fehlen des dritten Stigma, ebenso wie bei den Pholciden,
eine sekundäre Erwerbung darstellt, kann wohl als wahrscheinlich be-
trachtet werden; bei den Sicarıiden, Leptonetiden und Hardotarsıden
finden wir die normalen drei Stigmen wie bei den Entelogynen außer
den Pholcıden.
Meine Auffassung geht nun dahin, daß von den ältesten haplo-
gynen Spinnenformen die Einfachheit der Kopulationsorgane vererbt
worden ist auf eine Reihe noch heute erhaltener Formen, die sich
unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedener
sonstiger Entwicklungshöhe von dem alten Stamme abgezweigt haben.
Dafür.spricht, daß cribellate und ecribellate Formen den Charakter der
Haplogynie aufweisen, alles aber solche, die in vielen morphologischen
Punkten (Augenstellung, Anatomie der inneren Genitalien etc.) primitive
Charaktere zeigen. Ich stelle mir vor, daß mindestens in zwei Zweigen
der Spinnen im Laufe der weiteren Stammesentwicklung die Haplogynie
aufgegeben wurde, und zwar in engster Korrelation zur morphologischen
Ausgestaltung der männlichen Taster. Die Pholciden stellen einen
solchen terminalen Zweig dar, der sich sicher unabhängig von den übrigen
Entelogynen, vielleicht aus den Sicariiden nahestehenden Formen, ent-
wickelt hat. Die cymbiophoren Spinnen dürften sich erst nach
der Erwerbung des für sie charakteristischen, immer tristikten Tracheen-
systems aus haplogynen Stammformen weiter entwickelt haben, von
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 177
denen sie im allgemeinen aber durch Bau und Funktion ihrer äußeren
Sexualorgane scharf geschieden sind. Wo ihr Ursprung zu suchen ist,
ist dunkel, vielleicht weist der einfache Tasterbau von Eresus und
Lampona auf Beziehungen zu Haplogynen hin, doch fehlen eigentliche
Zwischenformen völlig.
Der eine Zweig der Haplogynen (Theraphosiden) zeigt, wie
dargestellt, eine Differenzierung des Tasterbulbus beim Männchen,
die einigermaßen an die Ausbildung der Vesicula bulbi bei den Cym-
biophoren erinnert. Doch kann nur davor gewarnt werden, etwa "hier
den Anschluß der Cymbiophoren an die Haplogynen zu suchen, nichts
spricht dafür, und die Uhnterschiede sind, ganz abgesehen von der
Tetrapneumonie und der Stellung der Cheliceren, außerordentlich groß.
Von allen haplogynen Spinnen haben sich nur die Theraphosiden
als fähig erwiesen, eine bedeutende Anzahl von Gattungen zu bilden,
obwohl ihre Gesamtheit klein ist im Vergleich zu den Cymbiophoren.
Einigermaßer. artenreich sind noch Dysderiden und Oonopiden, die
übrigen stellen kleine, abgesplitterte Familien dar, deren Existenz
indessen für unser Verständnis vom Bau der Kopulationsorgane der
Spinnen von allergrößter Bedeutung ist, da in ihnen ja erst der
Schlüssel zur Deutung komplizierterer Formen (durch Bertkau)
getunden wurde.
III. Entelogynae,
1. Pholcidae.
Daß die Pholciden unter sämtlichen Spinnen im Bau ihrer männ-
lichen Kopulationsorgane eine Sonderstellung einnehmen, wurde schon
bei verschiedenen Gelegenheiten betont. Der Bau des Tasters wurde
(l. c. S. 93) eingehend beschrieben und die Vergleichbarkeit seiner
Teile mit denen anderer Spinnentaster auf S. 136 erörtert. Das mir
vorliegende Material umfaßt 7 Species: Artema mauricia C. K.,
Pholceus opilionoides Schr., Ph. phalangioides Füssl., Pholcus sp.,
Deutsch-Ostafrika (Sammlung Zimmer), eine zweite Art der Gattung
ebendaher, Ph. ancoralis C. L. K. (Samoa), Holocnemus rivulatus
Forssk. und Hoplopholeus forskali Thor.
Die Uebereinstimmung aller dieser Tasterformen unter sich ist
sehr weitgehend, und, wie ich aus Simons Schilderungen ‘und Ab-
bildungen entnehme, auch in allen Subfamilien der Pholciden gleich groß.
Die Stärke aller Tasterglieder, die Kürze der Patella, die Insertion
des Bulbus ohne Vesicula an der Medianseite des kurzen abgerundeten
Tarsus, der einen lateralen Fortsatz (den Procursus) träst, sowie
dıe Ausstattung des Bulbus selbst mit Fortsätzen, von denen mindestens
der Uncus konstant scheint, ist allen gemeinsam. Nur in der Subfamilie
der Ninetinae scheint der Bulbus einfacher gebaut zu sein und
an den der haplogynen Spinnen zu erinnern. Im übrigen schwankt die
Größe der einzelnen in Betracht kommenden Fortsätze stark, das
ganze Habitusbild ist aber überall so unverkennbar, daß niemand einen
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10, 12 10. Heft
178 Ulrich Gerhardt:
Pholcidentaster mit dem eines anderen Spinnenmännchens wird ver-
wechseln können.
Auf die Uebereinstimmung in der simultanen Insertion bei der
Begattung mit den Haplogynen ist bereits hingewiesen worden (S. 99).
Hier soll noch ein Wort gesagt sein über den Bau des weiblichen
Kopulationsorganes. Bei dem Pholcidenweibchen ist im Gegen-
satz zu den Haplogynen eine ausgesprochene, verhornte Epigyne
ausgebildet, die mit chitinösen Leisten oral und caudal die Mün-
dungen der Samentaschengänge umfaßt. Es kommt sogar in manchen
Gattungen zur Bildung eines caudal gerichteten schnabelartigen Horn-
fortsatzes, der dem C la vu s der Epigyne bei Epeiriden und Linyphiiden
ähnelt, wohl aber sicher gänzlich unabhängig von ıhm entstanden zu
denken ist.
Während die Epigyne der cymbiophoren Spinnen nur einen kleinen
Teil der Breite des Abdomens einnimmt und bei der Kopulation nur
die Insertion eines Tasters zuläßt, weil der Zwischenraum zwischen
den beiden Samentaschenmündungen nur gering ist, ist bei den Pholciden
die Epigyne viel breiter, und ihre beiden Oeffnungen stehen so weit
entfernt nebeneinander, dafs beide Taster bequem gleichzeitig eingeführt
werden können.
Was den größten Teil der Spinnen (auch die Avicularuden scheinen
ja nach dem einen, von Petrunkevitsch beobachteten Fall hierher
zu gehören, obwohl mir hier ein abschließendes Urteil noch nıcht am
Platze scheint) dazu bewogen hat, nur einen Taster bei jeder In-
sertion zu verwenden, entzieht sich unserer Kenntnis. Das eine scheint
mir sehr wahrscheinlich zu sein: daß die Pholciden von haplogynen
Formen stammen, die Simultaninsertion beider Taster anwandten und
daß es hier trotz deren Beibehaltung, also unter völlıg anderen Be-
dingungen als bei den Cymbiophoren, zu einer Epigynenbildung ge-
kommen ist.
Ich betone hier nochmals, daß es mir zwar möglich scheint,
den männlichen Pholcidentaster an haplogyne Formen anzuschließen,
daß mir aber nirgends ein Hinweis dafür zu bestehen scheint, diese
Tasterform könne. mit irgend einem Typus des Cymbiumtasters ın mor-
phologische Beziehung gebracht werden.
2. Cymbiophora.
Es sei vorausgeschickt, daß mir von Vertretern der folgenden, meist
exotischen und schwer zugänglichen Familien kein Material vorliegt:
1. Psechridae, 2. Zoropsidae, 3. Oecobidae, 4. Prodidomidae, 5. Palpi-
manidae, 6. Zodariidae, 7. Hersilidae, 8. Urocteidae, 9. Ammoxenidae,
10. Archaeidae, 11, Mimetidae, 12, Platoridae, 13. Senoculidae. Für
die Beurteilung des Baues ihrer männlichen Taster bin ich also auf Lite-
raturangaben angewiesen. Aus eigener Anschauung kenne ich demgemäß
männliche Taster von Angehörigen der Familien:
1. Uloboridae 3. Amaurobiidae
2. Dictynidae 4. Eresidae
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen.
5. Dinopidae
6. Drassidae
7. Therididae
8. Micryphantidae
9, Linyphiidae
10. Epeiridae
11. Tetragnathidae
14. Clubionidae
15. Agelenidae
16. Hahniidae
17. Pisauridae
18. Oxyopidae
19. Lycosidae
20. Saltıcıdae
179
12. Thomisıdae
13. Sparassıdae
21. Zodaridae,
so daf mir außer den Mimetidae jedenfalls von allen Familien, die
Vertreter in Deutschland haben, Material vorliegt.
Die Charakteristika des Cymbıiumtasters sind, um es kurz
zu rekapitulieren: 1. die Ausgestaltung des Tarsus zum mit weitem
Alveolus versehenen Cymbium (zuweilen mit Paracymbıum),
2. die Ausstattung des Bulbus mit einer dieser Konkavität des Tarsus
entsprechenden Vesiculabasalis bulbi, 3. die fast regelmäßige
Ausstattung des Bulbus mit einem Konduktor neben dem Embolus
und das häufige Vorkommen von Retinacula, 4. die starke, un-
regelmäßige Schlängelung des meist engen Spermophors und die
scharfe Abgrenzung des Samenleiters, 5. dıe fast immer (Aus-
nahmen: Lampona, Tetragnathıdae, Eresidae) vorhandene Zusammen-
rollung des nur teilweise verhornten Corpus bulbi.
In meiner früheren Arbeit (l. c. S. 203) habe ich mich Wagner
darin angeschlossen, daß ich die Tastertypen mit langem, kahnförmigem
Cymbium, an dessen distalem Teil die Spitze des normalen Tarsus
noch zu erkennen ist, von denen unterschieden habe, die ein unregel-
mäßig geformtes, blatt- oder löffelförmiges Cymbium tragen, an dem
die ursprüngliche Tarsusform meist unkenntlich geworden ist. Es wurde
festgestellt, daß die erste Form sich ganz überwiegend bei Lauf- und
Röhrenspinnen, die zweite bei Netzspinnen findet. Wenn jetzt diese
Einteilung beibehalten wird, so soll doch ausdrücklich betont werden,
daß es «cymbiophore Tasterformen gibt, die dadurch, daß sıe einen
starren, d. h. ganz verhornten, nicht drehbaren Bulbus besitzen, ın
keine der beiden Kategorien hineinpassen und daher einer besonderen
Besprechung bedürfen. Ich muß dabei ausdrücklich betonen, daß da-
durch auch den Tastern der Tetragnathiden eine Sonderstellung
zugewiesen wird, die sie zu denen der Epeiriden in einen Gregensatz
treten läßt, den ich jetzt als schärfer auffassen zu müssen glaube als
früher. Trotzdem halte ich es für möglich, daß die Taster der
Argyroepeirinae (die ich vorläufig mit Dahl den Tetragnathidae
zurechne) eine Art Ueberleitung ‚bilden zum wohlcharakterisierten Epei-
ridentaster (incl. Meta). Die männlichen Taster von Lampona und
Eresus waren mir bei der Anfertigung meiner früheren Arbeit noch
unbekannt.
12* 10. Heft
180 Ulrich Gerhardt:
a) Taster mittotalverhorntem, nichtin sich dreh-
barem Bulbus.
l. Eresidae.
Material: Eresus niger Pet. = cinnaberinus Olıv.
Der ruhende Taster bietet, wie Bösenberg betont, eine ge-
wisse Aehnlichkeit mit dem von Atypus, er erinnert also in seinem
Habitus an den haplogyner Spinnenmännchen. Wie bei diesen ist die
Gestalt des Bulbus birnförmig, er ist vollkommen hart, der Spermo-
phor in ihm, allerdings nicht so regelmäßig wie bei Atypus etc,, spiralig.
aufgerollt und sein Samenleiter weniger scharf von ıhm abgesetzt,
als sonst bei cymbiophoren ‘Spinnen üblich. Der Bulbus endet in einem
dornförmigen, spitzen Embolus, der (gleichfalls ähnlich wie bei Atypus)
von einem breiten, stumpfen, wulstigen Konduktor begleitet wird. So-
mit sınd das Corpus bulbi und seine Anhänge denen mancher Haplogynen
gewiß sehr ähnlich. Aber der wesentliche Unterschied liegt vor, daß-
eine große, vom blinden Endteil des Spermophors freie Vesicula
bulbı vorhanden ist und daß die Basıs des sonst fast normal ge-
stalteten Tarsus einen viel weiteren Alveolus zeigt, als er bei
Atypus vorhanden ist (Taf. II, Fig. 11).
Die systematische Steliung der Eresiden hat bekanntlich sehr
geschwankt. Daß sie trotz einer gewissen Habitusähnlichkeit nichts
mit den Attiden zu tun haben, kann heute wohl als sicher gelten.
Daf3 die Anwesenheit von Cribellum und Calamistrum nichts Sicheres.
für die systematische Stellung der Familie beweisen kann, wurde
schon (S. 123) erörtert. Sehr auffallend muß es jedenfalls sein, daß
ım Bau der männlichen Kopulationsorgane sich hier so lebhafte An-
klänge an haplogyne Formen finden, und ich hielt es für meine Pflicht,
auf diesen Punkt ausdrücklich hinzuweisen, wenn ıch auch natürlich
positive Angaben über die Stellung der Eresiden ım System der-
Spinnen nicht zu machen imstande bin.
2. Drassidae. Unterfamilie: Lamponinae.
Material: Lampona murina C. L. K. & et 9, Salmin,,
Cap York, Strand det. (Taf. I, Fig. 10.)
Sımon weist schon darauf hin, daß der Taster der männlichen
Lamponen, wie der der Palpıimaninae (von denen mir kein
Material vorliegt) große Aehnlichkeit mit dem haplogyner Spinnen.
aufweise. Diese Aehnlichkeit ist zweifellos vorhanden, doch ist sie
weniger ausgeprägt als bei #resus, zumal in dem sehr eigentümlichen
Verlauf des Spermophors. Trotz aller Haplogynenähnlichkeit läßt der-
männliche Taster von Lampona doch viel deutlicher Uebereinstimmung
mit anderen ausgeprägten Cymbiumtastern erkennen, wie auch die übrigen
Drassiden diesen Typus deutlich zeigen. Daher kann es für diese
Form zweifelhaft erscheinen, ob ihre Einfachheit primär oder sekundär-
sel. Die Tıbia weist einen stumpfen, kurzen Fortsatz (Fixator)
auf. Der Tarsus normal'gliedförmig, mit ungewöhnlich kleinem Alveo-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 181
Jus. Bulbus an seiner Ventralfläche angeheftet, Vesicula nach Präparat
sehr klein Corpus bulbi birnförmig mit ventraler proximaler Aus-
sackung. Spermophor sehr kurz, 'nur einmal schlingenförmig gewunden,
nur den distalen Bulbusteil einnehmend, in geradem, wenig abgesetztem
Endteil zum dornförmigen, kurzen Embolus ziehend. Konduktor vor-
handen, so lang wie der Embolus, häutig, scheidenförmig. (Abbildungen
von ee Lamponatastern liegen mir vor von Koch (45) und
Simon (63), beide von L. ceylindrata C. L. K.)
Im Gegensätz zu dieser einfachen Tasterform steht, wie ich hier
gleich vorwegnehmen möchte, der einheimischer Drassusarten. Mir
liegt eın Präparat von Drassus scutulatus vor. Hier findet sich ein
kahnförmiges Cymbium mit weitem Alveolus, eine große Vesicula,
der Bulbus ist spiral gerollt mit langem, halbkreisförmig gebogenem,
verhorntem Embolus, der Konduktor ist kaum angedeutet, der Spermo-
phor (im Gegensatz zu dem der Clubioniden) weit, aber unregelmäßig
gewunden, wie sonst im Cymbiumtaster, und mit schärfer abgesetztem
Endstück als bei Lampona.
Es dürfte kaum vergleichend morphologisch verwertbar sein, daß
die Lamponen eine starke Aehnlichkeit in Habitus und Färbung mit
den Dysdereae haben. Vielleicht deutet aber doch diese Tatsache
im Verein mit dem einfachen Tasterbau der Männchen auf bestehende
Beziehung zwischen beiden Gruppen hin, Es bedarf keiner Hervor-
hebung, daß diese Möglichkeit hier nur mit allem Vorbehalt ange-
deutet sein soll.
3. Tetragnathidae und 4. Argyroepeirinae.
Zusammenfassend bespreche ich nicht nur die zweifellos eng zu-
sammengehörigen Pachygnathiden und Tetragnathiden, sondern mit
Dahl (23) auch die von Simon den Meteae unter den Argiopiden
zugerechneten Argyroepeirinae, Material liegt mir vor von acht
Tetragnathaarten, darunter zwei europäische, zwei afrıkanische,
zwei nordamerikanische, zwei australische und zwei malayische, Der
Taster des Männchens von Tetragnatha. extensa wurde 1. c. T. I
Fig. 4 abgebildet. Die Taster aller Arten stimmen im Bau voll-
ständig überein, doch weist der einer von Zimmer in Deutsch-Ost-
afrıka gesammelten kleinen Art, die noch nicht bestimmt werden konnte,
einfachere Verhältnisse auf als die übrigen, so daß er gewissermaßen
das Schema .des Tetragnathatasters darzustellen scheint, allerdings auch
sekundär diese einfache Gestalt angenommen haben könnte (Taf. III,
Fig. 27). Von Pachygnathaarten liegt mir Material von P,clercki und
P.listeri vor, der männliche Taster der zweiten Art ist (l. c. Taf. II,
Fig. 3) abgebildet worden, beide Arten stimmen in allen wesentlichen
Punkten des Tasterbaues nicht nur unter sich, sondern auch mit Te-
tragnatha überein. Der Typus kann daher für beide Gattungen ge-
meinsam besprochen werden.
Schon früher wurde das. Vorhandensein eines dem blattförmigen
Tarsus im Bau sehr nahekommenden, aber kleineren Paracymbıums
10. Heft
182 Ulrich Gerhardt:
betont, die Vesicula bulbi ıst groß, der Spermophor zeigt auffallend
weites Lumen bei geringer Zahl seiner Windungen, die regelmäßiger
ın Spiralen liegen, als sonst bei cymbiophoren Spinnen üblich, Der
Endteil aber ist sehr scharf abgesetzt und zieht durch den verschieden,
oft sehr langen Embolus, der von einem gleichlangen, platten, weniger
stark verhornten Konduktor begleitet ist. Gewöhnlich sind diese beiden
Organe spiralig umeinander gewickelt. Bei der erwähnten ostafrika-
nischen Tetragnatha aber ıst dies nicht der Fall, sondern beide ver-
laufen parallel nebeneinander. Hier ıst der Embolus borstenförmig,
bogenförmig gekrümmt, der Konduktor gleichfalls nicht spiral gedreht,
während der Bulbus selbst, wie bei allen hierher gehörigen Arten,
etwa birnenförmig gestaltet ıst und nicht in der Ruhe spiralig auf-
gerollt ist. Erwähnen muß ich hier die kleine Gruppe der von Simon
zwischen Pachygnatha und Nephila gestellten Phongnatheae von
der mir eine malayısche, nicht bestimmte Art vorliegt. "Schon Sımon
fand das Befremdendste an dem sonst wie bei Pachygnatha ge-
bauten Taster des Männchens (auch die Cheliceren sind sehr ähnlich)
das völlige Fehlen des Paracymbiums, während Konduktor und Embolus,
auch die Form des Tarsus sich wie bei Pachygnatha verhalten; über
die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Gruppe läßt sich heute noch
nichts Sicheres sagen (Taf. II, Fig. 17).
Von Argyroepeirinen liegt mir Material vor von Tylorida
striata Thor. (Strand det.), Sumatra, Kollektion Volz (Taf. III,
Fig. 28), sowie von vier Species aus Deutsch-Ostafrıka (Lencauge),
Sammlung Zimmer, endlich ein Präparat von einer Lewcauge ohne
Fundortangabe und eines von einer javanıschen Art. Die Abbildungen,
die Simon von männlichen Tastern von 7ylorida s/riata und Argyro-
epeira sp. gibt, lassen keine Einzelheiten erkennen, gute Abbildurigen
finden sich bei Strand (65).
Wenn ich Dahl (mit Vorbehalt) folge und die Argyroepeirinen
hierher stelle, so bin ich mir bewußt, daß der männliche Taster dieser
Gruppe ebensowohl mit dem der Tetragnathiden in Beziehung ge-
bracht werden kann, wegen der Einfachheit seines Bulbus, wie er
schließlich auch als eine allerdings sehr beträchtlich vereinfachte
Modifikation (Vor- oder Folgestufe) des sehr komplizierten Tasters
männlicher Epeiriden aufgefaßt werden könnte. Für mich war gerade
diese Einfachheit des Bulbus bestimmend, trotz aller Unterschiede,
einer Anschlußmöglichkeit dieser Tasterform''an die der Tetragnathiden
zu sehen, wobei ich diese Zusammenstellung als ein Provisorıum be-
trachte. Gerade der Bau dieser Taster scheint mir von besonderem
Interesse.
a) Tylorida striata Thor.
Der Tarsus zeigt im Gegensatz zu Teiragnatha und
Pachygnatha bei allen mir vorliegenden Argyroepeirinen kein Para-
cymbium, sondern nur einen als hakenförmigen Fortsatz, wie bei
den Epeiiriden, ausgebildeten Ramus exterior im Simonschen Sınne.
Gerade dieser Punkt läßt mir Zweifel über die Verwandschaft der
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 183
Argyroepeirinen mit den Tetragnathıden aufkommen, doch sei in dieser
Hinsicht auf das S. 129 über die Morphologie des Paracymbiums im all-
gemeinen Gesagte verwiesen. Das Auffallendste an dem vorliegenden
Taster ist die glatte, stumpf eiförmige Gestalt des Bulbus, der nur
am distaler Ende einen kurzen Embolus und Konduktor trägt, sonst
aber, ganz im Gegensatz zu dem der Epeiriden, aller Fortsätze (Retina-
cula) entbehrt und außerdem zweifellos, abgesehen von seiner Vesicula
basaliıs, nıcht spiral gedreht ist und daher ebensowenig wie der der
Tetragnathiden in seinem Corpus eine Formänderung erfahren kann,
während er bei der Begattung in Tätigkeit trıtt. In diesem (primär
oder sekundär?) sehr einfach gestalteten Bulbus, seinen Binnenraum
vollständig ausfüllend, liegt ungewöhnlich stark, in langen, sich über-
kreuzenden Schlingen gewunden, der sehr lange und auch relativ weite
Spermophor, der durch seine Weite an den der Tetragnathiden
erinnert und von dem der übrigen sedentären Spinnen (Theridiiden,
Linyphiden, Epeiriden) völlig abweicht.
b) Sehr ähnlich wie bei Tylorida sind bei den übrigen mir vor-
liegenden Argyroepeirinen die Teile der männlichen Taster gestaltet,
aber bei ihnen findet sich zuweilen auf dem Dorsum der Patella eine
lange Tastborste, die bei 7Zylorida fehlt, und die an die Befunde
an männlichen Epeiridentastern erinnert. Bei einer ostafrıkanischen
Species sind die Windungen des Spermophors weniger zahlreich,
aber in gleicher Weise angeordnet. Jedenfalls läßt sich jeder hierher
gehörige Taster ohne weiteres erkennen und kann mit denen anderer
Familien kaum verwechselt werden. Aus Simons Abbildungen der
männlichen Taster von Orsinoe pilatrie Thor. und Argyroepeira
argyrea \Walck. geht hervor, daß 1. der Tarsus stachelartige Fort-
sätze tragen und 2, der Embolus eine wesentlich größere Länge er-
reichen kann als bei T'ylorida.
Die Ausgestaltung des Konduktors ist recht unregelmäßig, er ist,
wie Menge dies für seinen ‚Spermophor“ als Regel angibt, ausge-
franzt, bla, wenig chitinisiert, wie übrigens auch die gesamte Chitindecke
des Bulbus sehr zart ıst, so daß schon am Spirituspräparat, das nicht
mit Kalilauge behandelt wurde, die Windungen des Samenschlauches
deutlicher durchschimmern, als es sonst bei den männlichen Tastern
cymbiophorer Spinnen der Fall zu sein pflegt. Der Embolus stellt
an allen meinen Präparaten einen kurzen, spornartigen Fortsatz dar,
der ın der Länge dem Konduktor etwa gleichkommt. Nur ın einem
Falle ist er in ein dünnes, gebogenes, anscheinend weiches Rohr, aus-
gezogen,
Der Taster der Argyroepeiridenmännchen gleicht denen der Tetra-
gnathiden sehr in der bedeutenden Länge und Schlankheit von Femur
und Tibia, in der Knickung dieser gegen die erste und der Kürze
der Patella. Es kommt daher ein ähnliches Gesamtbild zustande, wıe
wir es ähnlich auch bei den Dinopiden finden, und wie es natürlich
für die Verwandschaftsbeziehungen der Gruppe nichts besagt.
10. Heft
184 Ulrich Gerhardt:
Zusammenfassend sei bemerkt, daß die Anwesenheit starker Tast-
haare an Patella und Tibia, sowie die des Ramus exterior tarsi anstatt
eines Paracymbiums, an 12 Epeiriden, die Einfachheit des Bulbus, ins-
besondere das Fehlen aller Retinacula und die zwei parallelen Endfort-
sätze, an die Tetragnathiden erinnern. Doch soll ganz besonders darauf
hingewiesen sein, dal ein glatter Bulbus mit stark und unregelmäßig ge-
wundenem Spermophor sıch auch bei dem sekundär vereinfachten Taster
der Zwergmännchen der Gattung Nephila findet, die zweifellos zu
den Epeiriden gehört. Von en eier 'noch Jeimittal kurz die
Rede sein,
5. Nephilinen. Material: Nephila malabarensis (Mu-
seum Berlin). Das ganze Tier war etwa 5,0 mm lang, die Bulbi sind
sehr groß, kugelig, glatt, mit einem sehr langen Endfortsatz, der bei der
Präparation ın Kalilauge an einer Stelle gerissen ist, aber durch einen
derben Achsenstrang zusammengehalten wird. Es hat sich (Artefakt?)
ein feiner haarartıger Strang gelöst, der einen Embolus darzustellen
scheint, so daß vermutlich am unverletzten Präparat (es steht mir nur
ein Taster zur Verfügung) der Embolus in einer Rinne des viel dickeren,
sehr langen und leicht gedrehten Konduktors gelegen ıst. Das Cym-
bıum ıst klein, deckt den Bulbus nicht, ein Ramus exterior oder Para-
cymbium ist nicht sichtbar. Retinacula fehlen völlig, auf der Patella
Tasthaare wıe bei Argyroepeira und den Epeiriden. Der Spermophor
ist sehr weit, dicht'und unregelmäßig geknäult, er füllt den Binnenraum
des Corpus bulbi fast vollständig aus. Eine Vesicula bulbi ist vorhanden,
scheint aber klein zu sein.
Ueber die Notwendigkeit der Länge des Embolus bei der Reduk-
tion des gesamten männlichen Organısmus vgl. S. 166.
b) Taster mit nur teilweise verhorntem, in sıch dreh-
barem Corpus bulbı,
Die weitaus überwiegende Mehrheit aller Cymbiumtaster gehört
diesem Typus an, und'/die eben angeführten Formen mit festem Corpus
bulbıi bilden unter den cymbiophoren Spinnen eine große Ausnahme,
Bertkau (7) hat das Verdienst, zuerst die Vergleichung dieses
Typus mit dem einfachen Taster der Haplogynenmännchen durchge-
führt und gezeigt zu haben, daß ım Prinzip auch der komplizierteste
Cymbiumtaster aus den gleichen Grundbestandteilen sich zusammensetzt,
wie der schematisch einfache von Segestria. Bertkau hat die
Zwischentypen, wie sie sich bei Eresus und Lampona finden, nıcht
beschrieben, und er hat auch ım einzelnen die peripheren Bulbusteile
keiner Vergleichung unterzogen. Wohl aber hat er das neue Auf-
treten der Vesicula bulbı beim Cymbiumtaster gekannt und sıch
auch kurz mit der Frage der Retinacula beschäftigt.
Da die einzelnen Teile des Tasters oben (S. 127 ff.) bereits im ein-
zelnen besprochen worden sind, so sei hier zunächst nur noch einmal
darauf hingewiesen, dab Nesichla bulbı, Drehungsfähigkeit des Corpus
bulbi und meist das Vorhandensein eines Konduktors, häufig das von
Weitere sexualbiologische Untersuchung au Spinnen. 185
Retinacula, diesen Tastertyp kennzeichnet, natürlich neben der Ausbildung
des Tarsalgliedes zum Cymbium mit weitem Alveolus zur Aufnahme der
Vesicula.
Jn meiner früheren Arbeit (l. c. S.98) habe ich zwei Haupttypen
dieser Tasterform aufgestellt, diejjsich zum Teil mit den beiden Haupt-
formen des Cymbiumtasters decken, wie Wagner (68) sie unterschieden
hat. Auf die Fehler in Wagners Auffassungen ist dort hingewiesen
worden.
Nach Ausscheidung der ım vorigen Abschnitt besprochenen wenigen
Ausnahmeformen bleiben diese beiden Typen in ihren Grundcharakteren
bestehen. doch finden sıch Formen, die, sei es in der Gestalt des Tarsus,
sei es ın der des Bulbus, die Charaktere einer der beiden Gruppen nicht
völlig geschieden aufweisen,
1. Der Tastertypus derLauf- und Röhrenspinnen.
Seinerzeit (l. c. S.98) habe ıch als charakteristisch für den ersten
der beiden Typen männlicher Taster, wie er sich durchweg bei den
laufenden (Salticiden, Thomisiden, Sparassiden, Lycosiden, Pisau-
rıden, Oxyopiden), aber auch bei röhrenbewohnenden Spinnen
(Agelenıden, Drassiden, Clubioniden) sowie bei den eigentlichen
Dictyniden findet, angegeben: das „kahnförmige“ (aut.) gestreckte
Cymbium, dessen Spitze die Bulbusinsertion überragt und mehr oder
weniger überragt und mehr oder minder deutlich noch die Form des
normalen Tarsus, nur mit basalem weitem Alveolarteil, erkennen läßt,
sowie die zu ıhm etwa rechtwinklige Stellung des zusammengerollten
Bulbus, und eine Reihe hierher gehöriger Formen (Tegenaria, _Age-
lena, Argyroneta, Lycosa, Dictyna) abgebildet. Da mir jetzt
ein weit größeres Material an Präparaten vorliegt als zur Zeit der An-
fertigung meiner ersten Arbeit, da ich ferner aus der Literatur weit
mehr ın Erfahrung bringen konnte über das Verhalten des männlichen
Tasters bei mir unzugänglichen Formen, so wird es mir heute möglich
sein, einen umfassenderen Ueberblick wenigstens über die Haupttypen zu
geben, die hier in Betracht kommen. Wie für alle typischen Cymbium-
taster kommen als Möglichkeiten für Modifikationen im Einzelfalle
solche an der Tibia (Anwesenheit oder Fehlen von Fixatoren), am
Tarsus (Länge oder Kürze des distal vom Alveolus liegenden Spitzen-
teiles), am Bulbus (Größe der Vesicula, etwaige Retinacula), an
dessen Fortsätzen (Konduktor und Embolus) und endlich am
Spermophor in Betracht.
Es gibt Familien (Lycosiden, Thomisiden), in denen eine große
Uniformität des Tasterbaues besteht. In anderen (Salticidae) finden
sich besonders in dem Grade der Verkürzung der Tarsusspitze be-
deutende Schwankungen, während bei anderen (Sparassiden, Ageleniden)
besonders das Verhalten von Konduktor und Embolus sehr verschieden
ist, während der Tarsus und das Corpus bulbi im wesentlichen überein-
stimmend geformt sind. Daß auch bei den Senoculiden, Hersiliiden,
10. Heft
186 Ulrich Gerhardt:
Platoriden, Palpimaniden Tastertypen vorliegen, die hierher gehören,
geht aus der Literatur (Simon) hervor.
Bei netzspinnenden, sedentären Formen, soweit sie nicht
(Clubioniden, Ageleniden) Röhren anfertigen, ıst der angegebene
Tastertyp selten, findet sich aber, mit einer spezifischen Lagerung des
Konduktors und dementsprechend des Embolus, bei Dictyna in seiner
Form.
Aus eigener Anschauung kenne ich hierher gehörige Taster von
Mitgliedern folgender Familien:
1. Salticidae 6. Sparassidae 11. Drassidae
2. Thomisidae 7. Zodaridae 12. Dictynidae
3. Lycosidae 8. Agelenidae 13. Dinopidae
4. Pisauridae 9, Hahniidae
5. Oxyopidae 10. Clubionidae
Die Hauptcharakteristica der männlichen Taster in den einzelnen
Familien sollen in aller Kürze im folgenden zusammengestellt werden,
wobei ich auf die relative Kleinheit des mir zur Verfügung stehenden
Materials hier noch besonders hinweisen möchte, aus der sich als selbst-
verständlich ergibt, daß ein auch nur annähernd vollständiger Ueberblick
nicht gegeben werden kann. Es handelt sich mehr um die Aufstellung
von Grundlinien bei der Betrachtung dieser so unendlich verschiedenartig
ausgebildeten Organe.
a) Saltıcidae. Material: Von einheimischen Arten:
Marpissa muscosa C.L.K. Attus pubescens, Fabr. Epiblemum
scenicum Cl. Außerdem sieben nordamerikanische Species (Brendel,
Illinois), eins australische (Salmin), Vieiria detrita, Strand (nov.
spec.), eine sumatranische, eine afrıkanische Species aus unbestimmtem
Sammlungsmaterial des Breslauer Museums sowie drei Arten ohne
Fundortangabe.
Obwohl beı allen männlichen Salticıdenarten die Charaktere des
typischen Laufspinnentasters sehr deutlich vertreten sind, so bietet sich
doch auch im einzelnen eine schwer übersehbare Fülle von Specıalab-
weichungen. Insbesondere ist die Länge des Cymbium außer-
ordentlich starken Schwankungen unterworfen. Vom langgestreckten,
bis auf den Alveolarteil normal endgliedförmig gestalteten Tarsus (Viei-
ria detrita, Taf. Il, Fig. 12) bis zu quer abgestutztem Cymbium (bei sehr
vielen Gattungen) finden sich alle Uebergänge. Ferner ıst sehr häufig eine
proximal gerichtete Aussackung des Bulbus, wie sie sich auch
bei Clubionen und Drassiden findet, gewöhnlich frei von Windungen des
Spermophors (Marpissa, Epiblemum etc.). Die ganze Lage des
Bulbus zum Tarsus dürfte überall beibehalten sein. Bei Vieciria de-
trita ist jener so einfach gestaltet, wie etwa bei Argyroneta, mit ge-
bogenem, pfriemförmigem Embolus und fehlendem oder rudimentärem
Konduktor. Retinacula sind im allgemeinen nicht entwickelt. Der
Spermophor ist eng, vielfach gewunden, sein Endteil äußerst fein.
Ueber die Fixatoren an der Tibia läßt sich nichts Generelles sagen,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 187
und es sei in Bezug auf sie auf die descriptiven systematischen Werke
verwiesen. Länge, Dicke, Behaarung schwanken stark, obwohl kurze
und robuste Taster das Ueberwiegende sind. Jedenfalls lassen sich
- alle Taster, die hierher gehören, auf ein durchaus einheitliches Grund-
schema, trotz aller Modifikationen zurückführen. Als besonders charak-
teristisch wird die immer geringe Ausbildung des Konduktors und das
Fehlen der Retinacula zu betrachten sein,
Stärksten Schwankungen unterworfen ist auch dıe Länge des Em -
bolus, der meist geißelförmig und verhornt ıst, aber auch kürzer,
pfriemförmig sein kann. Einen langen, spiral gerollten Embolus besitzen
die Männchen der Gattung Sarinda (s. Fıg. 16, S. 151).
b)Lycosidae. Material: Lycosa amentata Cl., Pirata
piraticus Sund., Trochosa '\sp., Tarentula inquilina, T. sp. aus
Thianschan und vier unbestimmte Species, davon vier aus Illinois, eine
aus Nubien (Zimmer leg.).
Der Tasterbau ist bei allen sehr übereinstimmend. Das Cymbıum
ist gedrungen, stumpf zugespitzt, den Ursprung des Bulbus um mehr als
ein Drittel seiner Länge überragend. Das Auffallendste am Tarsal-
glied sınd bei der Gattung Trochosa die zwei Endkrallen, die, an der
Spitze hakenförmig ventral gekrümmt, denen weiblicher Taster sehr
ähneln. Statt ihren können auch (bei einer nordamerikanischen Species)
zweı nicht hakenförmige, sondern distal-ventral abgeschrägte, klauen-
artıge starke Chitinzapfen sitzen, die ihnen offenbar entsprechen, aber
wohl kaum als echte Klauen anzusprechen sein dürften.
Dieser Befund legt die Frage nahe, ob wır in diesen Endklauen des
Tarsus bei den Trochosamännchen in der Tat echte Homologa der
weiblichen Tasterklauen zu erblicken haben. Die Beantwortung dieser
Frage erscheint gewiß nicht unwichtig; denn wenn es sich um echte, pri-
märe Klauen handelte, so würde der männliche Taster dieser Formen
zweifellos in dieser Beziehung sich noch primitiver verhalten als der
sämtlicher bekannter haplogyner Spinnen. Die Vorstellung ist nun an
sich nıcht ganz leicht, daß hier der sehr viel höher spezialisierte Cym-
biumtaster sich ein primitiveres Merkmal gerettet hätte als die viel
weniger hoch entwickelten ursprünglichen Formen.
In meiner vorigen Arbeit habe ich mich auf den Standpunkt gestellt,
daß es sich in der Tat so verhalte. Wenn ich heute der Frage skep-
tiıscher gegenüber stehe, so liegt dies eben an dem Befund derartiger als
rudımentär wirkender klauenartiger Gebilde, wie er oben für die eine
amerikanische Species erwähnt wurde. Es scheint mir nämlich doch die
Möglichkeit zu bestehen, daß diese klauenartigen Organe umgewandelte
Borsten seien, und wenn dies der Fall wäre, so wäre es nicht undenkbar,
daf® auch die wirklichen Klauen bei Trochosa sekundär entstanden
wären. Ich muf3 die Entscheidung der Frage, ob es sich um primäre
oder sekundäre Klauen handelt, offen lassen, da mir eine Möglichkeit
10. Heft
188 Ulrich Gerhardt:
ihrer Beantwortung nicht gegeben zu sein scheint und begnüge mich
hier damit, auf sie hingewiesen zu haben, }
Der Bulbus des Tasters ist bei den Lycosidenmännchen durch-
weg verhältnismäßig einfach gebaut, aber etwas komplizierter als der
der Attidenmännchen, was sich ın der wohl regelmäßig festzustellenden
Anwesenheit der freilich recht einfach gebauten Retinacula äußert,
Die Zahl dieser Retinacula dürfte erheblich schwanken. Ferner ist,
obwohl nie stark ausgebildet, ein Konduktor vorhanden, der als
ein weicher, wenig chitinisierter, -Jappenartiger Fortsatz neben dem
Embolus, mit ihm gleichgerichtet, lieg. Der Embolus selbst ist
wohl durchweg kurz, pfriem- oder dornförmig, stark verhornt und
allmählich zugespitzt. Der Bulbus ist im ganzen nicht stark gewunden,
seine Vesicula basalıs ist relativ klen. Der Spermophor zeigt
wenig Windungen, sein proximaler Teil ıst wesentlich weiter als der
feine Ausführungsgang. Alle männlichen Lycosidentaster lassen sich
leicht auf ein einheitliches Grundschema zurückführen. Die Be-
haarung ıst an der Außenfläche des Cymbiums sehr dicht und kurz,
am Rande des Alveolus stehen sehr viel längere, stärkere Haare, die
weniger dicht gestellt sind. Auf Patella und Tibia finde ich zwar
lange, mäßig starke Haare, doch nur bei Tuarentula inguilina eine
starre, sehr starke Borste von ungewöhnlicher Dicke, wie sie sich
an der Tibia und Patella der Oxyopiden finden. Tibiale Fixatoren
fehlen.
c) Pisauridae. Material: Pisaura mirabilis Cl. (Fig. 15,
Taf. II), Euprosthenops sp. (Zimmer, Deutsch-Ostafrıka), Dolo-
medes sp., ebendaher.
Bekanntlich wurden früher die von Sımon als Familie betrachteten
Pisauriden von allen Autoren der vorigen Familie zugerechnet. Daß
biologische Unterschiede, sowohl in der Eiablage (s. Montgomery,
[51]) wie auch in dem ‘ganz eigenartigen Werbungs- und Begattungs-
modus, vorkommen (s. $. 33), ıst für mich ein Hauptgrund, bei dem
Vorhandensein so starker biologischer Verschiedenheiten die Trennung
beider Familien für durchaus berechtigt zu halten, Die Taster der
Männchen sind in dieser Familie insofern von denen der Lycosiden
abweichend gebaut, als sie wenigstens ın den drei mir vorliegenden Prä-
paraten einen wesentlich längeren Embolus besitzen, als ich ihn beı
Lycosiden gesehen habe. Besonders bei Euprosthenops stellt er
einen stark gebogenen, langen, chitinösen, dünnen Fortsatz dar, der
einen großen Teil des Bulbus umzieht und von einem sehr viel kürzeren,
dreieckigen, spitzen, blassen Konduktor begleitet ist. Weniger lang
ist der Embolus bei Pisaura mirabilis und der dritten (afrikanischen)
Art. Der Konduktor ist in allen drei Fällen nur wenig entwickelt,
eigentliche Retinacula sind kaum vorhanden, ebensowenig Fixatoren
am distalen Tibiaende. Tibia, Patella und Tarsusrücken sind ziemlich
stark behaart, doch fehlen extrem stark entwickelte einzelne Sinnes-
borsten. Die Tarsusspitze weist weniger dichte Behaarung auf als
in der vorigen Familie. Der Spermophor ist im proximalen Teil
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 189
mäßig weit, seine Windungen sind nicht zahlreich, Die mir vor-
liegenden Formen zeigen durchaus einheitlichen Typus.!)
d) Oxyopidae: Material: Vier Species: (Oxyopes
ramosus Panz., zwei afrıkanische, eine Art aus Neuguinea). Der
Taster der Männchen erinnert im Gesamtbau an den der vorigen Fa-
milie, insbesondere ist der Bulbus mit gebogenem, kürzerem oder län-
gerem Embolus und entwickeltem, ıhm parallel laufendem, weichem,
scheidenartigem Konduktor, auch ın der Form des Spermophors jenem
ähnlich. Am stark gewölbten Tarsus ist der Alveolus weit, der Spitzen-
teil, dessen Länge ‘schwankt, scharf abgesetzt. Das Charakteristischste
dieses Tasters ist seine Bestachelung, die der der Beine in
dieser Familie entspricht. Tibia, Patella und zum Teil auch der
Tarsus tragen auf der Dorsalfläche einzelne lange und starke starre
Borsten, von denen meist zwei auf der Patella, eine auf der Tibia
liegen. Diese beiden Glieder sind kurz und gedrungen, Tarsus und
Bulbus zusammen sehr dick und einen starken Kolben bildend.
e) Thomisidae. Material: a) Philodrominae: Ar-
tanes . fuscomarginatus de Geer, Philodromus aureolus Cl, Ti-
bellus oblongus Cl., außerdem eine ostafrıkanische und eine süd-
europäische Thanatidenspecies. b) Xysticinae: Xysticus, zweı
Species, gesammelt von Radde, Baku.
Der männliche Thomisidentaster ist leicht kenntlich an folgenden
Merkmalen: Der Tarsus ist fast oval, der Spitzenteil immer vorhanden,
aber kurz und abgeplattet. Der Bulbus, der nur wenige Schlingen
eines mäßig weiten Spermophors enthält, ist in der Ruhe stark abge-
plattet, so daß seine Oberfläche den weiten Alveolus nur wenig über-
ragt. Ein meist halbkreisförmig gekrümmter elastischer, dünner Em-
bolus ist immer deutlich vorhanden und umzieht den „palettenförmig”
zusammengelegten Bulbus am größten Teil seines Randes. Die Vesı-
cula bulbi ist, wenigstens bei Philodrominen, sehr weit. Der late-
rale Rand des Tarsus kann (Xysticinae) einen kleinen dreieckigen,
median gerichteten Randfortsatz tragen. Ein Fixator, auch zwei, am
distalen Ende der:sehr kurzen Tibia ist meist vorhanden, oft sehr stark
entwickelt, kann aber (Tibellus) fehlen. Wie bei den früher ge-
nannten Familien ist die Behaarung des Tasters dicht und kurz an der
Tarsusspitze, starke Tibiastacheln finde ich nur bei Xysticiden. Die
Bulbusachse ist ausgesprochen rechtwinklig zu der des Tarsus gerichtet.
f) Zodariidae. Wenn ich diese Familie hier einreihe, so ge-
schieht dies im Anschluß an Dahl. An Material liegt mir nur
der männliche Taster einer ostafrikanıschen Storena vor (Gattung
bestimmt von Prof. Dahl), der einige bemerkenswerte Eigentümlich-
keiten aufweist.
Das Femur ist gestreckt, Patella und Tibia sind sehr kurz, das
Cymbium ist gestreckt löffelförmig, also stark gewölbt, mit kurzem,
!) Comstocks „Fulcrum“ am Taster des Männchens von Dolomedes
fontanus stellt den Konduktor im hier angewandten Sinn dar. A. w. d. Korr,
10. Heft
190 Ulrich Gerhardt:
wenig abgesetztem, aber immerhin deutlichem Spitzenteil, nur kurz
und spärlich behaart. Sehr eigentümlich gestaltet ist der Bulbus, der
viel größere Komplikationen aufweist als der der Thomisiden und
überhaupt sonst die Taster der Laufspinnen. Er zeigt, was einiger-
maßen ann den Befund der Epeiriden erinnert, zwei terminale starke
Fortsätze, von denen der eine stärker gebogen und etwas größer ist
als der andere, der den Konduktor darzustellen scheint. Beide Fort-
sätze begrenzen eine zwischen ihnen liegende Furche, die den ganzen
distalen Teil des Bulbus der Länge nach durchzieht, und in der der
dem Corpus bulbi an Länge gleichkommende Embolus liegt, der, weit
proxımal entspringend, als gerade gestreckter chitinöser Dorn zur
Bulbusspitze zieht. Außerdem zeigt das Corpus bulbi noch einige
Faltungen und Lappen, von denen ein größerer basaler besonders in
die Augen fällt, und die den Embolus bergende, in der Ruhe am
lateralen Rande des Bulbus liegende Furche an ihren Rändern
säumen, Die terminalen Fortsätze sehen in der Ruhe distalwärts.
Als tibialer Befestigungsapparat des Tasters dient ein größerer
lateraler und ein kleinerer medianer Fortsatz.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die Bulbi anderer Zodarliden
einen ähnlichen Bau aufweisen, der bei Tastern dieses Typus jeden-
falls recht auffallend ist.
g) Sparassidae: Material: Micrommata virescens
Cl., Isopedaarten (Salmın, Kap York) Heteropoda regia, ferner
Formen aus Sumatra, Java, Indien, Assam,
Bei dieser Familie ist der Tarsus immer langgestreckt, aber sein
Spitzenteil ist sehr verschieden ın der Länge, die (Heteropoda) sehr
bedeutend sein kann, während bei anderen Formen (lIsopeda etc,
Sparianthus) eine Verkürzung und Abrundung des den Bulbus über-
ragenden Endes eintreten kann. Micrommata hält hierin ungefähr
die Mitte, und die Gestalt des Tarsus ıst ähnlich wıe beı Pisaura.
Die Dorsalfläche und ganz besonders die Spitze des Tarsus ist dicht
behaart, oft filz- oder bürstenartig, während in der Circumferenz des
Alveolus längere, aber weniger dichte Haare stehen. An Tibia und
Patella sind die Haare am längsten auf der Dorsalfläche, starke,
starre, stachelartige Borsten. finden sich hier bei Heteropodaarten,
An dem distalen Tibiaende fehlt wohl nie ein lateraler Fixator,
der (Sparianthus etc.) wie bei manchen Olubiona- und Amaurobius-
arten hirschgeweihartig verzweigt sein kann, Der Bulbus ist
immer weich, spiral gerollt, ohne ‚Tegulum“ ım Wagnerschen Sinne
und immer nur mit Konduktor und Embolus als Fortsätzen ausgerüstet.
Bei Micrommata ist der Embolus stark verhornt und pfriemförmig,
kurz; bei den tropıschen Sparassiden finden sich teils kurze, oder sogar _
rudimentäre (Pandercetes) Konduktoren, teils lange, gestreckte,
weiche, etwa von gleicher Länge wie der feine, haarartige Embolus
(Heteropodaarten) oder endlich es kommt zu den auf S. 150 be-
schriebenen Bildungen, bei denen Konduktor und Embolus je eine
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 191
Spirale mit vielen (in meinen Präparaten 7 bis 13) Windungen bilden.
(Delena, Isopeda, Holconia, Clastes). Bei diesen inter-
essantesten und merkwürdigsten Formen männlicher Sparassidentaster
ist der Uebergang des Bulbus in den Embolus ganz allmählich, seine
Spiralwindung sehr regelmäßig, und naturgemäß pafst sich der Sper-
mophor in seinem Endteil auch allmählich der immer fortschreitenden
Verengerung des Bulbus an. Fig. 13, Taf. II zeigt ein Photogramm eines
derartigen Tasters, auf dem, nach Behandlung mit Kalilauge, die Win-
dungen des Embolus und Konduktors deutlich zu sehen sind.
Järvı(42) hat auf die mutmaßliche physiologische Rolle des Em-
bolus und besonders des Konduktors in solchen Fällen hingewiesen,
wobei er am Bau des Tasters von Clastes freycineti argumentiert.
Er nimmt an, daf® Embolus plus Konduktor zunächst gemeinsam ın
die äußeren weiblichen Samentaschengänge eindringen, bis der Em-
bolus dann endlich in die inneren spiral gewundenen Gänge eindringen
. kann. Es wurde bereits betont, dafs hier ein ähnliches Verfahren wie
bei Linyphia triangularis und montana vorliegen würde. Järvi
meint, daß der Fall eines abgebrochenen Embolus im Samentaschen-
kanal von Delena cancerides Walck. dafür sprechen könne, daß in
der extremen Ausgestaltung von Embolus und Konduktor hier das
Optimum für den Vollzug der Begattung vielleicht schon überschritten
sei. Demgegenüber sei nochmals darauf hingewiesen, daß bei manchen
Nephilaarten das Abbrechenider Emboli die Regel zu sein scheint, so
daß die Järvısche Erwägung vielleicht doch nicht den wahren
Kern der Sache treffen dürfte. "Das Rätsei aber, weshalb einige
Formen, die zweifellos einen unter sich nahe verwandten Zweig des
Sparassidenstammes darstellen, zu solch komplizierten Apparaten ıhre
Zuflucht haben nehmen müssen, während andere mit wesentlich ein-
facheren Veranstaltungen den gleichen Zweck der Tasterhaltung eben-
sogut erreichen, bleibt ungelöst.
h) Clubionidae. Material: Clubiona germanica Thor.
Cl., coerulesceens zwei Species von (Chiracanthium aus Deutsch-
Östafrıka (Zimmer leg.).
Ich kann mich! nicht entschließen, mit Simon die Sparassiden als
Unterfamilie der Clubioniden zu vereinigen, aus Gründen der allge-
meinen, in beiden Fällen sehr verschiedenen Habitusausbildung, wenn
ich auch die Abtrennung der Sparassiden von den Philodrominen unter
den Thomisiden, für eine segensreiche Tat halte. Auch der Bau der
männlichen Sexualorgane bestimmt mich, die beiden Familien getrennt
zu besprechen, wenn ich auch natürlich nıcht daran ‘denke, verwandt-
schaftliche Beziehungen zwischen beiden in Abrede stellen zu wollen.
Abbildungen von Clubionidentastern finden sich in der Literatur
in Menge, sie weichen in ihrer allgemeinen Gestalt von denen der
Sparassiden stark ab, zeigen aber auch den langen gestreckten Tarsus,
an dem jedoch der Spitzenteil nicht so ausgesprochen endgliedförmig
ausgebildet ist, wie in der vorigen Familie. Fixatoren an der Tibıa
sind vorhanden, sie sind nicht im einzelnen so verschieden entwickelt,
10. Heft
192 Ulrich Gerhardt:
daß sie gute Merkmale der Artunterscheidung geben. Geradezu abnorm
stark entwickelt ist der Fixatorenapparat an der Tibia des männlichen
Tasters von Clubiona coerulescens, bei der er an Größe der des
Tarsus gleichkommt und eine höchst eigenartige und charakteristische
Verzweigung aufweist. Am Bulbus, der in seiner relativen Größe
zum Tarsus starken Schwankungen unterworfen ist, kann (besonders
bei Clubiona corticalis ausgeprägt) eine proximalwärts gerichtete
ÄAussackung des Bulbus auftreten, wie wır sie ähnlich bei der Dras-
sıde Lampona und mehreren Saltıcıden kennen lernten. Ihr Zweck ist
hier ebensowenig klar wıe dort. Ferner finde ich an meinen Präpa-
raten eine viel größere Enge des gesamten Spermophors als in den
bisher besprochenen Familien. Ein Embolus, der scharf abgesetzt ist,
aber, soweit ich sehe, zwar beträchtliche aber nie die extreme Länge
wie bei einigen Sparassiden erreicht, ıst als dorn- oder borstenartiger
Fortsatz immer vorhanden, auch ein lappen- oder scheidenartiger Kon-
duktor. Retinacula sind in meinen Präparaten nicht deutlich aus- .
gebildet, höchstens sind am Bulbus lappenförmige Auswüchse vor-
handen, von denen es fraglich ist, ob sie diesen Namen verdienen, doch
ist er nicht so glatt, wie bei den meisten Sparassiden. Die Behaarung
des Tasters ist ım allgemeinen ziemlich gleichmäßig entwickelt, an
Tibia, Patella und distalem Femurende können stärkere Einzelhaare
stehen.
Eine besondere Besprechung verdient noch der proximal ge-
richtete Basalfortsatz des Cymbiums bei den Chiracanthiumarten,
der mit dem oder den Fixatoren am distalen Ende der Tibia in Be-
ziehung zu stehen scheint. Ueber seine physiologische Rolle läßt sich
nach dem Präparat nıchts aussagen, und der einzige Autor, der die
Begattung einer Chiracanthiumart (Ch. oncognathum) beschrieben
hat, Menge, erwähnt nichts darüber.
Im allgemeinen kann gesagt werden, daf der Taster der männlichen
Clubioniden, bei vielen Formschwankungen im einzelnen, einen be-
stimmten Habitus doch durchweg wahrt.
ı) Drassiden (Gnaphosiden).
In Bezug auf den männlichen Taster dieser Familie sei auf das
oben über Lampona und ım Zusammenhang damit über Drassus
scutulatus Gesagte verwiesen. Hier möchte ich noch einiges über
die Vergleichsmomente mit dem männlichen Clubionidentaster hinzu-
fügen. Bei beiden zeigt sich eine, schon bei Lampona deutliche
Tendenz des Bulbus, in seiner Hauptachse nicht so deutlich quer
‘zum Tarsus zu stehen, wie das bei dem langschiffigen männlichen
Taster sonst das Uebliche ist. Bei den verschiedenen Chiracantium-
und Clubionaarten zeigt sich diese andere Anordnung des Bulbus.
ebenfalls, ohne daß daraus auf eine Verwandtschaft beider Familien
geschlossen werden könnte. Ich glaube aber eher, dafs die ähnliche
Gestalt, sowie die sie bedingende, in vielen Punkten übereinstimmende
Lebensweise (in Röhrengespinsten) zu der Aehnlichkeit der Taster-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 193
form beigetragen haben. Daß über den Begattungsmodus der Clubio-
nıden Schilderungen vorliegen, die ıhn als von dem der Drassiden
abweichend darstellen, während Clubiona germanica in dieser Hin-
sicht mit den bisher bekannten Drassiden große Uebereinstimmung
zeigt, wurde oben (S. 42) erwähnt.
k) Agelenidae. Material: Agelena labyrinthica Cl.,
A. naevia Hentz, Cybaeus angustiarum C. L. K., Tegenaria sp.,
Costarica, T. derhami Scop., T. atrica C. L. K., T. sylvestris
L. K., Histopona torpida C. L. K., Textrix denticulata Oliv.
(= Iycosina Sund.), Argyroneta aquatica Cl.
Der Taster der Agelenidenmännchen ist trotz ihres Aufenthaltes
in den Wohnröhren ihrer Netze durchaus nach dem Typus des Lauf-
spinnentasters gebaut, was sich in den zwei Hauptmomenten, der Gestalt
des im Alveolarteıl breiten, aber immer mit wohlausgebildeter End-
spitze versehenen Tarsus und in der queren Stellung des Bulbus zu
ihm äußert. Die Fixatoren des distalen Endes sind charakteristisch
für die Arten und fehlen wohl nie (außer bei Argyroneta, von der
es fraglich sein muß, ob sie in der Tat hierher gehört). Die Behaarung
des Tasters ıst besonders an der Spitze des Tarsus und an seinem
Alveolarrand stark entwickelt. Extrem stark entwickelte, starre Borsten
wie bei den Oxyopiden finde ich nicht.
Was die Ausstattung des Bulbus mit Fortsätzen anbelangt, so
sınd Embolus und Konduktor immer vorhanden, und zwar ın den
verschiedensten Graden der 'Entwicklung, von sehr bescheidenen Organ-
bildungen bis zu ganz ungewöhnlicher Größe und Länge, so daß in
dieser Hinsicht mindestens ebenso große Schwankungen vorkommen,
wie bei den Sparassiden.
Gerade unsere einheimischen Formen zeigen uns die verschieden-
artıgsten Stufen der Ausbildung von Konduktor und Embolus, so daß
sich in der Tat Gruppen und Formenreihen aufstellen lassen, die uns
mindestens eine Möglichkeit an die Hand geben, wie wir uns
die phyletische Entstehung der aberranten Tasterformen innerhalb der
Familie entstanden denken können.
Bei Argyroneta aquatica, Tegenaria derhami, T. atrica sowie
der südafrikanischen Art sind, bei sehr langem Tarsus, Konduktor
und Embolus nur verhältnismäßig sehr wenig entwickelt, und zwar als
zwei kurze, ungefähr parallel zueinander verlaufende Fortsätze des
Bulbus. Das Prinzip, nach dem bei stärkerer Ausbildung beider
Organe ihre Zusammenarbeit verläuft, ıst auf S. 150 schon besprochen
worden. Es besteht im wesentlichen darın, daß Embolus und Kon-
duktor nach entgegengesetzten Richtungen gekrümmt sind, und so der
Embolus zur Basıs des Konduktors hingeleitet wird, an der eın
in der betreffenden Samentasche des Weibchens zu fixierender dorn-
artiger Fortsatz gelegen ist. Bei TJextrix denticulata ist der Kon-
duktor eine starke, doppelt geknickte Leiste, während der Embolus,
wie immer in solchen Fällen bedeutender Entwicklung, fein und elastisch
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10. 13 10. Heft
194 Ulrich Gerhardt:
ist, Sehr lang ist er bei Tegenaria domestica, picta, campestris und syl-
vestris (Taf. II, Fig. 14), und hier haben wir überall eine sehr ähnliche
Ausbildung des blatt- oder schaufelförmigen, zur Spitze des Tarsus hin
gerichteten Konduktors, der in einem Falz seines lateralen Randes
den Embolus aufnimmt und proximalwärts zu dem erwähnten dornartigen
Fortsatz gleiten läßt. Zu bemerken ist, daß in allen diesen Fällen
an der Wurzel des Embolus, ihm selbst entgegengesetzt gerichtet und
seine basalwärts gerichtete Verlängerung darstellend, ein scharfer,
kurzer Sporn entspringt, über dessen Funktion ich nichts anzugeben
vermag,
Anders liegen dıe Verhältnisse bei Histopona torpida C.L.K.,')
bei der der Embolus fast die Körperlänge des Tieres erreicht und
mit seiner Basis als relativ starkes Rohr den Bulbus einmal in voll-
ständiger Windung umgibt, während seine feine, lange Endpartie sich
völlig vom Bulbus freimacht und, am konservierten Präparat, in lockeren,
regellosen Windungen endig. Als Konduktor ist hier ein
gestreckter, dann einen Viertelkreisbogen beschreibender, nach seinem
freien Ende hin stark verbreiterter Lappen ausgebildet, von dem man
sich nach dem Präparat nicht recht vorstellen kann, wie er die Führer-
rolle für den Embolus bei der Begattung übernehmen soll. Hier hat
die Entwicklung des Konduktors offenbar mit der des Embolus nicht
Schritt gehalten, und es wird der biologischen Beobachtung vorbehalten
sein, zu ergründen, welche Rolle bei dieser äußerst interessanten
Tasterform Konduktor und Embolus während der Begattung spielen.
‚Bisher ist es mir trotz eifrigen Suchens nicht gelungen, lebendes
Material von Histopona zu bekommen.
Endlich sei hier kurz noch einmal auf die Fälle von ganz extremer
Größenentwicklung sowohl des Konduktors wie des Embolus hin-
gewiesen, dıe uns, und zwar in zwei sehr verschiedenen Formen, bei
Tuberta mirabilis und Tetrilus arietinus entgegentreten. Bei der erstge-
nannten Art finden wir, wie uns Bertkaus klare Zeichnung (vgl. Fig.
17) und Beschreibung lehrt, das gleiche Prinzip wie bei den erwähnten
Tegenariaarten, aber in der Form angewendet, daß der rinnenförmige
Konduktor die seltsamsten Schleifen und Windungen vollführt, ın ‘denen
allen er von dem auch hier entgegengesetzt verlaufenden Embolus
begleitet wird. Bei Tetrilıs arietinus'‘) gabelt sich der riesige, den
Bulbus und Tarsus weit überragende Konduktor in zwei Aeste, von
denen offenbar der kürzere dem erwähnten proximalen Fortsatz bei
Tegenaria domestica usw. entspricht, während der längere, zweifel-
los dem Hauptast des Konduktors bei diesen Formen homolog, nach
rückwärts ın weitem Bogen bis zum Rücken des Cephalothorax zieht.
Beide Tasterformen sind mir nicht aus eigener Anschauung bekannt,
und lebendes Material wird kaum für mich zu beschaffen sein. Es
!) Ähnlich offenbar auch bei Tegenaria Iuxurians Kulcz. und Corias in-
sidiosus L.K. nach Bösenberg und Strand.
®2) Vergl. Gerhardt, |. c. Fig. 9, S. 98.
di,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 195
müßte aber zweifellos gerade bei diesen morphologisch hochinter-
essanter Formen auch die Beobachtung des biologischen Ver-
haltens der Tasterteile während der Kopulation von ganz besonderem
Interesse sein,
Bei Cybaeus angustiarum C. L. K. ist der ganze Taster ge-
gedrungener gebaut als bei den Tegenarıen oder bei Argyroneta.
Konduktor und Embolus sind beide stark und kurz und zeigen nichts
von der beschriebenen eigentümlichen Anordnung. Achnlich verhält
sıch die Gattung Agelena.
So zeigt uns der Agelenidentaster die typische Anordnung des
Laufspinnentasters mıt einer ganz besonderen, nur hier vorkommenden
Entwicklungstendenz von Konduktor und Embolus, die uns die Ver-
wirklichung einer Möglichkeit‘Jler Ausbildung beider Organe zeigt,
die zu den kompliziertesten gehört, die man sich ausdenken kann, die aber
bei den einfacheren Formen noch völlıg unausgenutzt bleibt.
) Hahnıidae. In Bezug auf diese Familie schließe ich mich
Dahl darin an, daß ıch sie von den Ageleniden trenne, wofür auler
der Stellung der Spinnwarzen, der Beschaffenheit der Respirations-
organe (Bertkau) auch der Bau der äußeren Sexualorgane mah-
N für mich sind.
Material: Hahnia montana Blackw. (Exemplar aus Sean,
Grube Jeg.)‘ (s.: Taf. Il, » Fig... 16).
Sımon bezeichnet schon den männlichen Taster der Hahniden
als komplizierter als der der Ageleniden es ıst (zu denen er die Hah-
niiden als Unterfamilie rechnet). Nach den Abbildungen sind die
Taster bei allen Familienmitgliedern ziemlich übereinstimmend gebaut.
An dem mir vorliegenden Präparat sehe ich folgende hauptsäch-
liche Unterschiede gegenüber den Ageleniden: Der Tarsus ist viel
stärker verkürzt, so daß er fast nur aus der Alveolarpartie besteht und
die Spitze auf einen schmalen Saum reduziert ist. Der Bulbus ist im
ganzen einfach gebaut. Er trägt einen halbkreisförmigen, feinen und
elastischen Embolus von beträchtlicher Länge, einen gebogenen lappen-
förmigen Konduktor und außerdem noch ein blattförmiges blasses Retı-
naculum. Der Spermophor ist eng. Sehr eigentümlich ist, daß die
Oberfläche des Embolus nicht glatt ıst, sondern an der (konvexen)
Außenseite regelmäßig aufeinander folgende leichte Anschwellungen
trägt, ein Befund, den ıch bei keiner anderen Spinne sah,
Die Tibia ist am distalen Ende mit einem medianen und einem
lateralen kurzen starken Fortsatz, an ihrer Basis mit zwei sehr viel
srößeren, gleichfalls beiderseits entspringenden Fortsätzen versehen,
so daß der tibiale Fixationsapparat hier sehr entwickelt ist, wie übrigens
auch bei vielen Ageleniden.
Die quere Achsenstellung des Bulbus zum Tarsus wird auch ın dieser
Familie in reiner Form beibehalten, so daß trotz der Verkürzung des
Spitzenteiles am Cymbium dieser Tastertypus zweifellos hierher zu
rechnen ıst.
13* 10. Heft
196 Ulrich Gerhardt:
m) Dictynidae. Material: Dictyna arundinacea L., D, vi-
ridissima Walck.
Wenn ich die Dictyniden als Familie (wie auch Dahl) von den
Amaurobüden trenne, so geschieht dies in erster Linie auf Grund des
total verschiedenen Baues und Gebrauches der männlichen Kopulations-
organe, die sich meines Erachtens unmöglich auf den gleichen Typus.
zurückführen lassen. Daf3 auch andere Gesichtspunkte (Anordnung
der Hörhaare) für eine solche Trennung maßgebend sein können, :
zeigt das Dahlsche System. Somit würde die Trennung so zu er-
folgen haben, daß Dictyna und Lethia zu der in Rede stehenden
Familie, Amaurobius, Titanoeca und wahrscheinlich auch Argenna
zu der der Amaurobiiden zu rechnen wären.
Daf3 die Anwesenheit von Cribellum und Calamistrum in beiden
Familien für diese Auffassung ohne Bedeutung sein muß, wurde oben
(S. 123) bereits dargelegt.
Der männliche Taster zeigt bei beiden mir vorliegenden Dic-
tynaarten den gestreckten Tarsus (dessen Spitzenteil kurz aber deutlich
abgesetzt ıst, während er bei ‚D. procerula Bös. und Strand länger
ıst, und quer rechtwinklig zu ıhm stehenden Bulbus, der seine Auf-
führung an dieser Stelle rechtfertigt. Aehnlich wie bei den Thomi-
siden ist hier der Bulbus in der Ruhe flach zusammengelegt und voll-
ständig ın den Alveolus hineingepreßt, so daß auch hier von einem
„Tegulum“ im Wagnerschen Sinne gesprochen werden könnte, Cha-
rakteristisch sind ferner Form und gegenseitige Lage von Embolus
und Konduktor: Dieser stellt einen proximal vom Bulbus aus-
gehenden, kurzen, aber starken, zuweilen an der Spitze gegabelten
lateralen Fortsatz dar, während der Embolus, fast ım Zentrum der
Bulbusteile beginnend, etwa drei Viertel eines Kreisbogens beschreibend,,
den Rand dieser Scheibe umzieht und nach rückwärts, also proxımal,
gewandt, über den Konduktor mit seinem freien Ende hinzieht, Es
bestimmt also auch hier, ähnlich wie bei manchen Ageleniden, der
Konduktor den Ort, an dem der Embolus bei der Begattung den Bulbus-
körper verläßt. So traten die beiden Organe während der Ruhe des.
Tasters nur für eine sehr kurze Strecke miteinander ın Berührung,
und der lange Embolus benutzt nur, wie das deutlich beobachtet
werden kann, bei seiner Abrollung während der Begattung den kurzen
Konduktor als eine Art von Gleitschiene.
Daß an dem distalen Ende der Tibia ein Fixator entwickelt
ist, hat Karpinski (43) für Dictyna arundinacea schon aus-
‚führlich erörtert. Er nimmt an, daß dieser „Einsetzer“ in die nicht
benutzte Samentasche des Weibchens bei einer Tasterinsertion \ein-
greife, ein Verhalten, das ich nicht beobachten konnte.
n) Dinopidae. Material: Dinopis sp., Kamerun (Ber-
liner Museum).
Wenr ich den männlichen Taster der Dinopiden, der in vieler
Beziehung einen sehr eigenartigen Bau aufweist, trotz seines kurzen,.
fast kreisrunden, löffelförmigen Cymbiums hier mit aufführe, so hat das.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 197
in zwei Faktoren seinen Grund: Einmal ist an diesem runden Cymbium
noch eine kleine dreieckige Spitze vorhanden, dıe dem Endteil der bis-
her beschriebenen Tasterformen entspricht, und zweitens steht der
Bulbus ausgesprochen rechtwinklig zum Tarsus.. L. Koch (45) und
Sımon (63) haben die ganz eigentümliche Form dieses Tasters schon
hervorgehoben, die ihm eine Sonderstellung anweisen muß.
Der Tarsus ıst auf seiner Ventralfläche, bis auf den erwähnten
minimalen Spitzenteil, vollständig vom Alveolus eingenommen. Er ist
auf der Dorsalfläche stark convex. Der Bulbus ıst ın flacher Spirale
in diesen ‘Alveolus’(in der Ruhelage) eingepreßt und trägt in der Mitte
des Kreises, den seine oberste Windung bildet, einen dreilappıgen Fort-
satz, dessen morphologische Bedeutung ich dahingestellt sein lassen
möchte, Ueber den starren spiral gewundenen Embolus ist auf S. 156
‚das Nötige schon gesagt worden.
Die proximal vom Tarsus gelegenen Tasterglieder zeichnen sich
sämtlich durch ihre ungewöhnliche Länge und Schlankheit aus und
erinnern dadurch an den Bau der männlichen Taster bei Tetragnatha,
Nach Sımons Vorgang stellen manche Autoren heutzutage die
Dinopiden als Unterfamilie zu den Uloboriden; daß sie diesen nahe
verwandt sind, bezweifle ich nicht, doch scheinen mir die Unterschiede
in Form und Stellung der Augen, Bau der männlichen Sexualorgane etc.
ihre Sonderstellung zu rechtfertigen.
Schließlich möchte ich hier noch erwähnen, daß nach den An-
gaben in der Literatur (besonders von Sımon) noch bei den folgenden
Familien sich männliche Taster finden, die zu dem hier besprochenen
Typus gehören:
Bei den Palpimaniden ähnelt der Taster im Bau dem von
Lampona unter den Drassiden, der der Hersiliiden erinnert ım
Bau des Bulbus nach Simon einigermaßen an den der Dinopiden,
besitzt aber einen Tarsus mit langem Spitzenteil. Gleichfalls sehr
lang ist der Tarsus der Psechriden, deren Bulbus einen langen, distal
gerichteten Embolus besitzt. Ferner ähnelt der männliche Taster der
Senoculiden und Cteniiden dem der Lycosiden, der der Pla-
toriden scheint eine größere Aehnlichkeit mit dem der Thomisiden
zu besitzen.
2. Der Tastertypus der Netzspinnen.
a) Amaurobiidae (Üebergangsform).
Die zweite Form des männlichen Spinnentasters findet sich vor-
wiegend bei den sedentären Netzbewohnern, aber sie schließt sich
nicht unvermittelt der vorhin besprochenen an, So finden sich in
einigen Familien Formen, die schwer bei dem einen oder anderen
Typus unterzubringen sind. Von Formen, die ıch nicht aus eigener
Anschauung kenne, und über deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten
Typus ich nach den in der Literatur vorhandenen Abbildungen nichts
Bestimmtes auszusagen vermag, nenne ich die Zoropsidae, Oeco-
10. Heft
198 Ulrich Gerhardt:
biidi.e und Urocteidae. Sie habe ich daher auch hier nicht
ım Auge, sondern besonders eine bei uns vertretene cribellate Spinnen-
-familie mit sehr eigenartiger und charakterıstischer Ausbildung der
Taster im männlichen Geschlecht. Es ıst das die Familie der Amau-
robiidae. Material: Amaurobius feror C. L. K, 4. fene-
stralis Str., Titanoeca quadriguttata.
Daß die Amaurobiiden von vielen Autoren, nicht aber von mır,
als zu den Dictyniden gehörig betrachtet werden, wurde bei der Be-
sprechung dieser Familie schon erörtert. Der Taster der Männchen
erinnert in nichts an den der Dictyniden. Am auffallendsten sind
seine folgenden Merkmale:
Am lateralen Teil des distalen Tibiaendes ıst eine starke Be-
waffnung mit mannigfach geschalteten, gebogenen und oft verzweigten
Fixatoren vorhanden, die Artunterschiede abgeben. Neben
einigen Sparassiden und Clubioniden dürften die Amaurobiden die
stärkste Umbildung dieser Apparate unter allen Spinnen aufweisen.
Der Tarsus gleicht einem breiten, kurzen, ovalen, stark gewölbten
Löftel, ein Spitzenteil fehlt völlig. Er kann am Alveolarrande und an
seiner Basıs chitinöse Zacken und einen Umschlagsrand aufweisen,
seine Behaarung ist außerordentlich dicht und gleichmäßig. Starke
Einzelborsten sehe ıch an keinem seiner Glieder. Der Bulbus ıst fast
kugelig, er trägt an seiner Lateralfläche die oben (S. 49) erwähnte
halbkugelige Hervorragung, die bei Amaurobius fenestralis hell
gefärbt ıst und einen erweiterten Teil des Spermophors enthält, Der
Embolus ist auffallend breit, kurz, schaufelförmig, von einem blassen,
kegelförmigen, lappenartigen Fortsatz begleitet, den ich als Konduktor
auffasse, während ein zweiter starker Fortsatz des Bulbus dem Em-
bolus, zu dem er weiter distal orientiert ist, gegenübersteht, so daß
beide wıe die Lippen einer Zange aussehen. Bei der Schnelligkeit,
mit der die Begattung bei dieser Gattung vollzogen wird, konnte ich
Einzelheiten über die Anwendung dieser Teile nicht feststellen. Bei
Amaurobius fenestralis findet sich ın allem wesentlichen der
gleiche Bau des Tasters, auch bei Titanoeca erstrecken sich die
Hauptunterschiede auf die andere Form des Fixators und eines vom
Bulbus proximalwärts ziehenden, leicht schraubenförmig gedrehten
Fortsatzes. Alle Glieder der Taster sind stark und gedrungen gebaut,
die Tibia ist ventral stark konkav.
Dieser Tastertyp unterscheidet sich in allen Punkten von den im
vorigen Abschnitt besprochenen und, worauf ich besonders Wert legen
zu müssen glaube, auch von dem der Dictyniden, ım Vergleich zu dem
er so stark abweichende Form darstellt, daß beide morphologisch
nicht aufeinander zurückführbar scheinen. Aber auch von den Taster-
formen, die uns nun beschäftigen sollen, ist dieser Typus wesentlich
verschieden.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 199
b) Der männliche Taster dersedentären Netzspinnen.
Von Familien, die hier in Betracht kommen, sind in erster Linie zu
nennen: de Theridiiden, Micryphantiden (Erigoniden),
Linyphiiden, Epeiriden (ÄArgiopiden) und Uloboriden,
ferner die mir nicht zugänglichen Mimetiden und Archeiden,
in Bezug auf die ich auf Literaturangaben angewiesen bin,
a) Theridiiden. Im biologischen Teil dieser Arbeit habe ich
die Auffassung ausgesprochen, daß auch heute noch, nach der Ab-
trennung der Micryphantiden, Linyphuden und Mimetiden (die in älteren
Werken sämtlich noch zu der in Rede stehenden Familie gezählt
werden) die Familie der Theridiiden verschiedene Elemente in sich zu
vereinen scheint, die nıcht allzu nahe miteinander verwandt sein dürften,
So weist die Biologie der ‚„Stridulantia” (Steatoda, Asagena etc.)
darauf hin, daß dieser Zweig von dem um Theridium sich grup-
pierenden Formenkreise eine Abzweigung darstelle.
Trotzdem weist der Taster aller Theridiummännchen, wie Simon
allerdings als einzigen allen gemeinsamen Charakter hervorhebt, am
Rande des Cymbiums, nahe der Spitze einen nach innen umgeschlagenen
dreieckigen Zipfel und am Aufßenrand einen stumpferen Zahn auf,
der anderen Familien fehlt. Ferner ist das ständige Fehlen eines
Paracymbiums als negativer Charakter zu erwähnen. Im übrigen herrscht
in der Ausbildung und Größe des Bulbus, in der Gestalt des Embolus,
des Konduktors und der immer vorhandenen Retinacula eine solche
Fülle von Verschiedenheiten ım einzelnen, daß es schwer ist, etwas
Gemeinsames über alle diese Formen zu sagen. Indessen möchte ich
kurz einige Haupttypen erwähnen, mehr als Beispiel für die hier herr-
schende Manmnigfaltigkeit.
l. Theridiumtypus. Material: Theridium tepida-
riorum, varians, sisyphium, formosum, Phyllonethis lineata,
Argyrodes sumatranus. Der Taster ist schlank, ohne Tibiafort-
sätze, der Tarsus blattförmig, so lang wie der Bulbus, der außer
einem kurzen, spitzen Embolus und einem scheidenartig ihn begleiten-
den Konduktor noch Retinacula trägt, von denen eines (z. B. beı
Th. formosum, tepidariorum, sisyphium und varians) mit
kleinen, rückwärts gerichteten, dachziegelartig angeordneten Schuppen
besetzt ist, die Bösenberg mit Unrscht unter den einheimischen
Arten nur für Th. formosum in Anspruch nımmt. Der Bulbus lıegt
in der Ruhe dem Tarsus parallel und gleichgerichtet, was aber auch
sonst für Netzspinnen gilt.
b) Viel größer und ın allen Teilen stärker entwickelt ıst der
Tasterkolben bei der Steatodagruppe. Von Material liegen mir
Taster vor von unserer gemeinen St. bipunctata L. und St. borealis
Hentz aus Nordamerika. Bei beiden Arten ist der Bau des männ-
lichen Tasters in allem wesentlichen sehr übereinstimmend bis auf die
Länge des Embolus, der bei St. bipunctata viel kürzer ist. Beı St.
borealis dagegen ist er länger als der gesamte (ruhende) Bulbus,
10. Heft
200 Ulrich Gerhardt:
geißelförmig und in eineinhalb Kreiswindungen gelegt. An diesem
Tastertypus fällt das gestreckte Cymbium auf, das am lateralen Alve-
olusrande eine umgeschlagene Falte trägt, die Tıbia ist kurz, abge-
stumpft, kegelförmig, wobei die Basıs dieses Kegelstumpfen distal
liegt. Die Tibia ıst kurz und stark ventralwärts konkav, sie und die
Patella sind mit längeren weichen Haarbüscheln besetzt; der Tarsus
ist viel weniger stark behaart als der der Laufspinnen etc. Am großen
Bulbus sind außer dem Embolus zwei Fortsätze erkennbar. Ein ge-
bogener, starker, breiter, der distal vom Embolus liegt, und proximal
von ihm ein häutiger, blasser, gestielter Lappen, der vielleicht dem Kon-
duktor entspricht. Die Anordnung dieser Fortsätze ıst bei beiden
Arten gleich.
2. Latrodectus. Material: Latrodectus tredecimguttatus
Koch (L. eresus). Das Charakteristikum des männlichen Tasters
dieser Gattung, der sich Mecynidis und Mysmena anzuschließen
scheinen (nach Simon) liegt in der Gestalt des Bulbus, der, vom
Cymbium wenig bedeckt, dıstal stark verbreitert ist und einem mit der
Spitze am Alveolus befestigten Kegel mit etwas bauchigen Wänden
gleicht. Die Basis dieses Kegels wird von der Spirale des bereits auf
S. 156 besprochenen, starren Embolus umzogen, an dessen Basis auch
hier ein beschuppter stumpfer Fortsatz sitzt, die sonstigen Tasterglieder
zeigen die für die Therididen normale Form (s. Fig. 23, Taf. II).
Die hier erwähnte Gattung Mysmena aus der Gruppe der The-
ono&ae hat außerdem die Eigentümlichkeit, daß bei ıhr der männliche
_ Tasterkolben eine ganz extreme Größe erreicht, die, nach Simons
Abbildung, die des gleichen Organes bei Hyptiotes paradoxus noch
zu übertreffen scheint. Andere Theono&ae (Cepleia) zeigen bei gleicher
relativer Größe wieden abweichenden Bau des Bulbus.
Bei der Gruppe der Paculleae finden wir nach Simon ähn-
lich wie bei manchen Oonopidae loricatae, mehr oder minder weit-
gehende Verschmelzung von Bulbus und Tarsus (s. S. 137).
Endlich sei noch erwähnt, daß bei der Gattung Thymoites nach
Simon ein Tarsus mit langem Spitzenteil vorkommt, was eine bemerkens-
werte Ausnahme gegenüber der sonst in dieser Familie herrschenden
Regel darstellen würde.
An den Präparaten, die mir vorliegen, sehe ich den Spermophor
des männlichen Theridiidentasters im Anfangsteil (Samenschlauch) weit,
die Wand stark ausgebuchtet und wenig gewunden, während der End-
teil (Samenleiter) äußerst fein und ganz besonders unregelmäßig und
wirr geschlängelt ist, so daß es schwer ist, den Windungen durch
Drehen an der Mikrometerschraube mit dem Auge zu folgen. Bei
Steatoda ist der Unterschied in der Weite des proximalen und distalen
Abschnittes besonders stark ausgeprägt.
Die hier angeführten Beispiele zeigen, daß in dieser Familie bei
fast ausnahmslos stark 'verkürztem, mit der charakteristischen Ecke ver-
sehenem Tarsus die Größe und Ausgestaltung des Bulbus sehr stark
schwankt, der Embolus kurz bis außerordentlich lang, der Konduktor
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 201
sehr verschiedenartig entwickelt sein kann, während über etwaige Reti-
nacula sich kaum etwas allgemein gültiges sagen läßt. Trotzdem wird
es für den Geübteren im allgemeinen nicht schwer sein, einen männlichen
Theridiiden als solchen zu erkennen, besonders bei Theridium selbst
und den sich anschließenden Gattungen.
Daß Dahl bei Latrodectusweibchen abgebrochene Emboli in der
Vulva fand (wie es für Clastes, Nephila und Cyrtophora erwähnt
war), zeigt, wie eng sich der lange Embolus dieser Gattung dem Verlauf
der gewundenen Samentaschengänge anschließt, die im Präparat leicht
darzustellen sind. Auf die biologische Bedeutung solcher Vorkommnisse
ist schon früher hingewiesen worden. Daß in der Familie der The-
rididen, selbst da, wo die männlichen Taster übereinstimmenden
Bau aufweisen (Gattung Theridium), aus uns nicht ersichtlichen
Gründen starke Verschiedenheiten im Verlauf der Kopulation ob-
walten, wurde im biologischen Teil dieser Arbeit dargelegt. Beim
Studium eines größeren Materials in dieser Richtung würden sich
zweifellos noch weitere derartige Verschiedenheiten zeigen. '
3. Micryphantidae. Material: Erigone longipalpis
(bestimmt nach Bösenberg, Fig. 18, Taf. II), Mieryphantes ter-
restris K., M. erythrocephalus K., M. crassipalpis K., M. fer-
rum-eguinum (ohne‘ Autorennamen), M. lichenis Wid. = olivas-
cens, M. bicornis Wid.*), M. dentisetis Gr. (Fig. 21, Taf. I).
Die sechs letztgenannten Species waren an alten Präparaten des Bres-
a Museums so bestimmt, außerdem eine unbestimmte einheimische
LE:
Bei der ungeheuren Formenfülle, die sich in dieser Familie von
. Kleinspinnen findet, und die nur für den eingearbeiteten Spezialisten
übersehbar ist, kann der Grundtypus des männlichen Tasters hier nur
an wenigen Beispielen erörtert werden. Dabei ıst von vornherein zu
bemerken, daß der Grad der Kompliziertheit des Bulbus selbst ın
dieser wie in der nahe verwandten folgenden Familie den bei den Theri-
diiden anzutreffenden noch weit übersteigt. Im einzelnen aber bestehen
ganz außerordentliche Schwankungen, so daß über jeden Teil des Bulbus
kaum etwas allgemein Gültiges gesagt/werden kann. Der Embolus kann
kurz bis beträchtlich lang sein, obwohl solche Längegerade, wıe sıe
z. B. von Labulla unter den Linyphiiden erreicht werden, hier nicht
vorkommen dürften. Ein Konduktor ist wohl stets vorhanden, aber
seine Deutung ist'oft dadurch erschwert, daß andere, wie der Embolus
*) [Micryphantes ferrum - equinum ist eine von Grube aus Sibirien
beschriebene Art, die vielleicht zur Gattung Dismodicus gehö:t, M. crassipalpis
Mg. ist ein Lophocarenum, M.erythrocephalus ist ein Synonym zu Macrar-
gus rufus Wid. et. Reuss, M. lichenis Wid. et Reuss gehöıt zum Genus Moe-
belia sec. Strand, der die Typen sah (vgl. Archiv f. Naturgeschichte 1915.
A. 9. p. 11), M. dentisetis Grube ist eine aus Sibirien beschriebene Art, deren
Gattungshingehörigkeit fraglich ist. Die Bestimmungen dieser „Micryphantes“-
Arten werden in allen Fällen von Grube sein. (Strand)].
10. Heft
202 | Ulrich Gerhardt;
distal am Bulbus gelegene, Fortsätze ausgebildet sind, unter denen der
eigentliche Konduktor oft schwer herauszufinden ist. Diese akzesso-
rischen Fortsätze, dıe man auch hier mit dem Verlegenheitsnamen der
Retinacula bezeichnen würde, sind an Zahl und Gestalt außerordent-
lich verschieden. Es finden sich haken-, blatt-, lappenförmige, gebogene
und gewundene oder auch gerade gestreckte Gebilde, die zum Teil
den Embolus überragen, zum Teil kürzer sind als er. Auch in dieser
Familie sehe ich zuweilen an diesen terminalen Bulbusspitzen dach-
ziegelartige Beschuppung der Oberfläche, wie sie für Theridium for-
mosum etc. beschrieben wurde, bei Mieryphantes erythrocephalus einen
mit distalen gerichteten Dornen besetzten langen Fortsatz. An mit
Kalilauge behandelten, in dünnen Alkohol gebrachten Präparaten sieht
man bei diesen Tastern besonders schön die große, prall gespannte
Vesicula bulbi, die von Erigone longipalpis als während der Kopu-
lation sichtbar beschrieben wurde.
Der Tarsus ist löffel- oder blattförmig, breit, immer so stark
verändert, daß seine Gliedform fast völlig verwischt ist. An seiner
Basıs ıst der Ramus exterior (Simon) stark ausgeprägt, statt seiner
kann (in der Mehrzahl meiner Präparate) ein dem der Linyphiden ähn-
liches stark entwickeltes Paracymbium vorhanden sein. Der Bulbus
scheint, wıe bei den Linyphiiden, in der Ruhe an der Außsen- (Lateral-)
Seite des Cymbiums zu liegen, das ıhn nur zum kleinsten Teil bedeckt.
Diese unvollständige Bedeckung des Bulbus durch den Tarsus, der ın
seinem Alveolus nur die in der Ruhe zusammengefaltete Vesicula basalıs
bulbi aufnimmt, ist für die ausgebildeten Formen des Tasters sedentärer
Spinnen besonders charakteristisch, außerdem die hohe Entwicklung
der chitinösen Anhangsgebilde des Bulbus.
Der Spermophor ist eng, auch im proximalen Abschnitt, und °
außerordentlich stark gewunden, das Fickertsche Organ finde ich
nirgends.
Was die proxımal vom Tarsus gelegenen Tasterglieder anbelangt,
so sind sie in der Regel schlank, doch läßt sich auch hier nur wenig
allgemeines sagen. Dahl (22) weist darauf hin, daß in der Gattung
Gonatium bei den beiden Arten G. rubens und G. isabellinum die
Glieder vom Femur bis zur Tibia ganz verschieden gebaut sind,
nämlich bei G. rubens so stark verdickt, daß sıe fast an die gleichen
Glieder bei Pholcıden erinnern. In der Gattung Erigone sind die
hier schlanken Femora mit Warzen und Zähnen besetzt, die für die
einzelnen Arten systematische Unterscheidungsmerkmale abgeben. So
herrscht hier ın jeder Beziehung, auch in der Behaarung der
Taster, eine außerordentliche Mannigfaltigkeit, die sıch nicht mit
wenigen Worten darstellen läßt, und es muß bezüglich der Einzel-
heiten auf die deskriptiven einschlägigen Werke verwiesen werden,
Als wesentlichste Frage erscheint hier die, ob ein prinzipieller
Unterschied im Bau des männlichen Tasters der Micryphantiden und
der folgenden Familie, der Linyphiden, besteht, die von Simon als
Linyphiinae, Unterfamilie der Argiopidae, zusammengefaßt worden sind.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 203
Diese Frage ist insofern schwer zu beantworten, weıl in beiden Fa-
milien in den Einzelheiten des Baues weitgehende Verschiedenheiten
von Gattung zu Gattung und von Art zu Art bestehen. Mir scheint
das nicht regelmäßige Vorkommen des Paracymbiums bei den Micry-
rhantiden, das zuweilen nur durch den Ramus exterior tarsı ersetzt
ist, von einer gewissen Bedeutung zu sein, wenigstens insoweit, als
ein Zustand hier nicht allgemein fixiert, dagegen bei den Linyphiiden
stabil geworden zu sein scheint.
y) Linyphiidae. Material: Linyphia montana Cl.,
L. triangularis Cl., clathrata Sund., pusilla Sund., Labulla thoracica
Wid.-R., Leptyphantes nebulosus, L. mughi, L. sudeticus, L. sp,
L. sp., L. sp., Bathyphantes terricola, Bolyphantes alticeps, Dra-
petisca socialis, eine amerikanische Linyphüde (Brandel, Peoria).
Der männliche Taster aller mir vorliegenden Linyphuden zeigt einen
selbst für Netzspinnen außerordentlichen hohen ‘Grad der Komplikation
im Bau des Bulbus. eine proximalen Glieder, besonders das
Femur, sind schlank, die Tibia und Patella oft mit Tasthaaren be-
setzt, die in ihrer Anordnung Arrtunterscheidungsmerkmale abgeben
können (z. B. Leptyphantesarten). Der Tarsus ist blattförmig, flach
zusammengedrückt, an seinem freien Rande zuweilen nach innen um-
geschlagen, der Alveolus sehr weit. Ein Paracymbium ıst stets
vorhanden, und zwar immer in einer von dem der Tetragnathıden wesent-
lich abweichenden Form, da es dem Cymbium keineswegs ähnlich
gestaltet, sondern unbehaart, stark chitinisiert, spangen- bis bandförmig,
an der Spitze oft gegabelt oder mit Fortsätzen versehen ist (Fig. 29,
Taf. IID). Ueber seine Rolle bei der Kopulation ist im biologischen Teil
(S.75 u. 87) berichtet worden. Das regelmäßige Vorkommen dieses Or-
ganes scheint mir ein Hauptmerkmal des männlichen Linyphiidentasters,
besonders im Gegensatz zu dem der Epeiriden, zu sein. Der Bulbus
liegt in der Ruhe lateral vom Cymbium, von ıhm größtenteils un-
bedeckt. Seine Vesicula basalıs ist immer sehr weit, in angefülltem
Zustand etwa nierenförmig, gleichfalls lateral vom Cymbium gelegen.
Im 'Bulbus liegt ein sehr enger und vielfach gewundener Spermophor,
der in seinem proximalen Abschnitt an der Konvexität seiner Schlingen,
die auch anderswo (Theridiiden) vorkommenden Aussackungen zeigt.
Ein Orgar ist hier besonders zu erwähnen, nämlich die von Fickert
(29) zuerst beschriebene kugelige Erweiterung am Endteil des Samen-
leiters, die ich bei den Gattungen Lepfyphantes (bei L. mughii
wurde sie von Fickert entdeckt), Bolyphantes, Bathyphantes
und Drapetisca finde und von der auf S. 164 die Rede war. Beı
Linyphia und Labulla finde ich sie nicht.
Die Fortsätze des Bulbus sind gerade in dieser Familie so außer-
ordentlich vielgestaltig, daß es schwer ist, über sie etwas allgemeines
zu sagen. Indessen läßt sich deutlich erkennen, daß gewisse Gruppen
von Arten Gemeinsamkeiten aufweisen, so innerhalb der Gattung Liny-
phia die Gruppe monfana, friangularis, clathrata, hortensis etc.
Hier findet sich allgemein der schraubige, physiologisch als Konduk-
10, Heit
204 Ulrich Gerhardt:
tor dienende Endanhang des Bulbus neben dem morphologisch als
solcher zu deutender Fortsatz, wie auf S. 155 eingehend erörtert.
Demgegenüber zeigt L. pusilla Sund. einen gänzlich abweichenden
Typus, der sehr lange Embolus lehnt sich hier nicht an einen solchen
Schraubenteil an (Fig. 22, Taf. II). Retinacula sind außerdem am Bulbus
reichlich vorhanden, aber mehr noch als bei Linyphia ın den Gattungen
Leptyphantes, Bolyphantes, Bathyphantes und Drapetisca, bei
denen allen die Anordnung der Teile mehr an die Micryphantiden er-
innert, Es müßten hier, um einen Ueberblick zu geben, die Taster
der einzelnen Arten beschrieben werden, was innerhalb des Rahmens
dieser Studie nicht beabsichtigt ıst und nicht angängıg wäre. Daß
trotz der so mannigfaltigen Ausgestaltung des Bulbus mit Fortsätzen
aller Art (entsprechend dem Bau der Epigyne und der Samentaschen-
gänge, die einen entsprechenden Formenreichtum aufweisen) und trotz
des dadurch bedingten verschiedenen Modus der Befestigung des
Bulbus an und in den weiblichen Leitungswegen der gesamte Begattungs-
hergang bei den bisher daraufhin beobachteten Linyphiiden absolut
einheitlich ıst, wurde erwähnt und zeigt am besten, wie trotz dieser
Einheitlichkeit der biologischen Gewohnheiten physiologische und mor-
phologische Beziehungen zwischen Taster und Epigyne sich in voller
Freiheit bei den einzelnen Gattungen und Arten entwickeln konnten,
Von Interesse wäre es, wenn bei der unter ganz anderen biologischen
Bedingungen als andere Linyphiiden lebenden, keine Netze spinnenden
Drapetisca socialis der gleiche Begattungsverlauf nachgewiesen werden
könnte.
6) Epeiridae (Araneidae, Dahl, Argiopidae ad
part, Simon).
Bei dieser Familie findet sich, wenigstens bei den typischen und
Hauptgattungen Epeira (Aranea, Araneus), Cyclosa, Argiope
etc., ein sehr einheitlicher Bau der männlichen Taster, während die
Gattungen Zilla und Meta ziemlich beträchtliche Abweichungen vom
Typus zeigen. Von außereuropäischen Formen ist zu bemerken, daß
da, wo die Männchen extrem klein sind im Verhältnis zu den Weib-
chen (Gasteracantha, Micrathena, Pollys etc., ihre Taster oft
vereinfacht sind, d. h. außer Embolus und Konduktor kaum oder gar
keine Fortsätze tragen. Diese Zustände leiten über zu dem oben
(S. 166) beschriebenen, wenigstens äußerlich sehr einfachen Taster-
typus, den wir bei den Nephilamännchen antreffen, und möglicher-
weise stammen beide Tasterformen, sowohl die des Nephila- wie
des Epeira-Kreises ab von solchen mit einfachem Bulbus, wie wir sıe
unter den von Dahl mit den Tetragnathiden vereinigten Argyro-
epeiriden antreffen, wie sie auf $. 181 beschrieben werden.
An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, daß m, E.
der Tastertypus, wie er sich bei Tefragnatha und Pachygnatha
findet, von dem der Epeiriden zu trennen ist, daß aber möglicherweise
Zwischentyper (Phonognatha, Argyrospeiriden) beide verbinden könnten,
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 205
Das mir vorliegende Material erstreckt sich auf 13 Species,
darunter 9 europäische: Argiope lobata Pall, Epeira quadrata,
pyramidata (= marmorea?), sclopetaria, Miranda cucurbitina,
Cyclosa conica, Zilla atrica, Meta segmentata. Von Exoten liegen
mir (abgesehen von Nephila) 4 Species vor.
Bei den eigentlichen Epeiriden ıst der Taster ın allen Gliedern
kurz und gedrungen gebaut, dorsale Sinneshaare auf Patella und Tibia
sind allgemein verbreitet. Der zum typischen Cymbium umgebildete
Tarsus ist wohl charakteristisch durch einen basalen, lateralen,
kurzen, oft am Ende geknöpften Fortsatz, Simons Ramus exterior,
Am Bulbus selbst ist ein basaler, frei abstehender starker Fortsatz sehr
auffallend, der bei der Gruppe Epeira cornuta, sclopetaria, ixo-
bola, umbratica und patagiata zangenförmig gestaltet, sonst einfach
ist. Andere Fortsätze (Retinacula) sind bei den einheimischen Arten
immer vorhanden, aber in sehr verschiedenem Maße ausgebildet.
Simon versucht, an der Hand einer Abbildung des männlichen Tasters
von Epeira marmorea diese Fortsätze zu systematisieren, doch will
mir scheinen, daß eine allgemein gültige Terminologie sich hier nicht
schaffen läßt, da die Verschiedenheit bei den einzelnen Arten zu groß
ist, wohl in Korrelation mit der verschiedenen Ausbildung der Epigyne
beim Weibchen. Eine Besonderheit des Epeiridentasters, die ich sonst
nirgens finde, ıst die Tatsache, daß ein medialer, basaler Fortsatz
des Bulbus direkt übergeht in die, im mikroskopischen Präparat in
Falten gelegte Vesicula basalıs bulbi, so daß seine dem Bulbus zu-
gekehrte Seite gleichfalls aus gefalteter Haut besteht, also bei der
Füllung der Tasterblase intra copulam an ihrer Schwellung bis zu
einem gewissen Grade teilnehmen muß. Bei unseren großen Epeira-
arten (diademata, marmorata, quadrata, sclopetaria etc.) ist dieser
Fortsatz überall vorhanden, sehr deutlich auch bei Miranda cucurbitina.
Bei Cyclosa conica nimmt (statt dessen ) eine median gelegene
EEE Aussackung des Bulbus einige Windungen des Spermophors
auf,
Dieser Basalfortsatz, der wie erwähnt bei der Sclopetaria-
Cornutagruppe an seinem freien Ende gabelartig gestaltet ıst, dürfte
die Funktion haben, den Clavus der weiblichen Epigyne während
der Begattung zu umfassen. Wenigstens muß er bei der Stellung,
die das Epeiramännchen während seiner Annäherung an das Weibchen
einnimmt, zuerst mit der Epigyne ın Berührung kommen, und ich
halte es für sehr wahrscheinlich, daß erst nach der Befestigung dieses
Fortsatzes die Einführung des Embolus in eine Samentasche und
damit das beschriebene Herumwerfen des Männchens erfolgt.
Außer diesem Basalfortsatz sehe ich regelmäßig beiderseits vom
Embolus je einen großen, chitinösen, breiten Fortsatz, von denen der
eine (der laterale) als Konduktor anzusprechen sein wird. Er
hat die spitz-dreieckige Form eines solchen, während der zweite, me-
diane Fortsatz breiter, sehr verschieden geformt, oft gebogen ıst und
das ganze Konvolut, das der zusammengezogene dicke Bulbus darstellt
10. Heft
206 Ulrich Gerhardt:
(er wird von dem relatıv kleinen Cymbium nur zum geringsten Teil
bedeckt), an dessen distalem Ende überrast.
Der Embolus selbst beginnt meist schon sehr weit proximal
am Bulbus (besonders bei Cyclosa conica sehr auffallend) und ist
gerade bei Epeiriden sehr leicht als solcher zu erkennen an dem in
seinem Endteil gestreckt verlaufenden, sich als sehr feiner Kanal auch
innerhalb des Bulbus außerordentlich scharf abhebenden Samenleiter,
der in ihn eintritt. Bei Argiope lobata zieht der Samenleiter bis zu
seinem äußersten Ende neben dem Chitinstrang des Embolus einher,
aber mit ihm durch eine feine, gemeinsame Haut umhüllt (Fig. 24, T. ID).
Fast immer ist der Embolus wenigstens an den mir vorliegenden
Präparaten — kurz, dick, pfriemförmig, Eine Ausnahme bildet
Cyclosa conica, bei der der basal am Bulbus entspringende, distal-
wärts zwischen den beiden erwähnten Tasterfortsätzen verlaufende
Embolus an Länge den ganzen Bulbus übertrifft und elastisch, geißel-
förmig ist. Bei Miranda cucurbitina dagegen ist er kurz, der ganze
Bulbus ist kugeliger, kompakter gebaut als bei Epeira s. str., der
Tarsus trägt einen geknöpften, lateralen und außerdem einen medialen,
gestielten Fortsatz.
In seinem proximalen Abschnitt ist der Spermophor überall weiter
als bei den Linyphiden, in vielfache Windungen gelegt. Bei Formen
mit relativ glattem kugeligen Bulbus (Miranda, einige afrıkanische
Arten) füllt er diesen größtenteils aus, ähnlich wie bei Nephila und
Leucauge, Tylorida etc.
Einer besonderen Besprechung bedürfen die männlichen Taster
von Zilla und Meta. Bei Zilla atrica (weniger bei Z. x = notata)
ist der ganze Tasterstiel (besonders Femur und Tibia, aber auch die
Patella) sehr lang, wodurch die früher (l. c. S. 148) beschriebene,
von der Gattung Epeira etwas abweichende Kopulationsstellung
bedingt ist. Der Tarsus ist weniger abgeändert, der Bulbus verhält-
nismäßig viel kleiner als dort, sein Bau erinnert im'ganzen auch an den
anderer Netzspinnenformen, z. B. der Theridiiden. Doch zeigen sich
bei genauerem Zusehen alle charakteristischen Bestandteile des Epeı-
ridentasters, nämlich der ausgeprägte Ramus exterior tarsı und die
beiden den hier spitzen, dornförmigen und gebogenen Embolus beider-
seits begleitenden Endfortsätze. Der Basalfortsatz ist hier nicht ent-
wickelt.
Bei Meta segmentata Cl. ist der Tarsus mit zwei dorsalen
Fortsätzen versehen, von denen der laterale behaart, der mediane glatt
ist, Somit wäre vielleicht ein gewisser Anklang an das Paracymbıum
der Tetragnathiden gegeben, aber der Bulbus selbst zeigt die drei Fort-
sätze des typischen Epeiridenbulbus, wenn auch in kleinerer Ausfüh-
rung. Auch hier ist es die größere Länge des Tasterstieles und die
relative Kleinheit des Bulbus, die beim ersten Anblick die Uhnter-
schiede gegenüber dem Epeiridentaster größer erscheinen lassen, als
sie es in der Tat sind.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 207
Ich meine daher, daß bei einigermalsen typischen männlichen
Tastern von Angehörigen dieser Familie sich ım ganzen ein sehr ein-
heitlicher Typus feststellen läßt. Als gemeinsame Merkmale seien
noch einmal hervorgehoben: 1. Der stets vorhandene Ramus exterior
tarsı. 2. Die hochgradige Erweichung der Bulbuswand, die sich selbst
bis auf die Wurzeln der, außer dem Embolus, hier auffallend dünn-
wandigen Fortsätze des Bulbus erstreckt. 3. Die Anlage dieser Fort-
sätze selbst, von denen als typisch ein: Konduktor, ein ıhm parallel
gerichteter größerer und endlich (nicht überall vollkommen ausge-
bildet) ein Basalfortsatz betrachtet werden können. Unebenheiten und
kleinere Apophysen des Bulbus können noch dazu kommen. Die
Größe des Bulbus steht bei Meta und Zilla in keinem solchen
Verhältnis zu der des Tarsus wie bei Epeira, Miranda, Cyclosa
und besonders bei Argiope. Alle diese Formen mit sehr großem
Bulbus haben kurze, dicke Tasterglieder, besonders die Tibia kann
außerordentlich verkürzt sein. Einzelne starke Sinneshaare auf dem
Rücken der Tibia und auch der Patella sind allgemein verbreitet, sie
finden sich auch am reduzierten Taster der Nephilamännchen.
Somit läßt sich der Taster der Epeiriden, inkl. Meta, sehr wohl
gegenüber dem der Argyroepeiriden charakterisieren, der aber, wie ich
nochmals ausdrücklich betonen möchte, Anklänge an den der Epei-
riden bietet, die mir größer erscheinen als jene an den der Tetra-
gnathiden,
Ueber die reduzierten Taster der Zwergmännchen von Gastera-
cantha, Micrathena, Caeıostris. Physiola, Poltys etc. möchte
ich hier nach den Abbildungen in der Literatur (Mc.Cook [48],
Simon [63]) nur sagen, daß sie offenbar zwar in der Ausgestaltung
des Bulbus mit Fortsätzen starke Rückbildungen erfahren haben, dafs
aber nicht nur ihr Tarsus mit dem Ramus exterior, sondern auch die
übrigen, weiter proximal gelegenen Tarsusglieder denen anderer Epei-
riden entsprechen,
Schon das konservierte Präparat läßt erkennen, daß die Vesı-
cula basalis bulbi in dieser Familie sehr geräumig ist; ihre Be-
obachtung während der Kopulation bestätigt dies, und besonders bei
Cyclosa erreicht sie ungewöhnliche Dimensionen. Auf die Schwierig-
keit, die sich der Beobachtung der einzelnen Bulbusteile während der
Kopulation wegen der Schnelligkeit der Insertion entgegenstellen, wurde
schon früher hingewiesen. j
&) Uloboridae, Material: Uloborus walckenaerius
Ltr. (Exemplar aus Teneriffa, Berliner Museum), Ayptiotes para-
doxus ou ı..K:
Da der männliche Taster bei Uloborinen und Miagrammopinen
sehr verschieden gebaut ist, sollen beide Unterfamilien zunächst ge-
trennt besprochen werden,
10. Heft
208 Ulrich Gerhardt;
1. Uloborinae, obere,
Voranzuschicken ist, daß nach zahlreichen Abbildungen in der
Literatur (Bösenberg [16], Bösenberg und Strand [65], L.
Koch [44], Mc Cook [48], Simon [63]) der männliche Taster
aller Uloborusarten außerordentlich einheitlich gebaut ist. In der
Ruhelage seiner Teile ist er sehr regelmäßig ovoid, der Embolus umzieht
wie ein Gürtel in einer Ringfurche den Bulbus, der stumpf endet,
der Tarsus ıst klein, behaart, ohne Ramus exterior. Behandelt man
den Taster mit Kalilauge, so zeigt sich, daf der distal von der Em-
bolusfurche gelegene Bulbusteil einen großen dreieckigen Lappen (Kon-
duktor?) darstellt, der in einen schnabelartigen ‚Endfortsatz ausläuft
(Fig. 19, Taf. II). Eine zusammengefaltete Vesicula bulbiı ist
am Präparat deutlich zu sehen. Der Spermophor beschreibt unregel-
mäßige Windungen und ist im ganzen eng (s. Fig. 19, Taf. I).
Das Femur ist mäßig lang, ziemlich dick, die Patella kurz, die
Tıbia in einen lateralen, derben, stumpfen Fortsatz ausgezogen. Ueber
die Formveränderungen des Tasters während der Kopulation ist nichts
bekannt.
2. Miagrammopinae. Won männlichen Tastern, dıe Gliedern
dieser Unterfamilie angehören, kenne ich aus eigener Anschauung nicht
die der Gattung Miagrammopes; mir liegen nur Abbildungen vor,
die sich auf M. orientalis Bös. Strand und M.scoparius Sım. beziehen,
und die zeigen, daß ein Hauptcharakter der Unterfamilie sich auch
hier, wie bei Hyptiotes, findet, nämlich die starke distale Verlänge-
rung der dadurch fast Tarsusform annehmenden Tibia, daß aber im
Bau des Cymbiums und auch des Bulbus größere Verschiedenheiten
obzuwalten scheinen,
Der männliche Taster von Hyptiotes paradoxus ıst von Lebert
eingehend geschildert worden, Abbildungen finde ich ferner bei
Chyzer und Kulczynski (46), Bösenberg (16), C.L.Koch
(44), Simon (63) [schlecht], eine solche des gleichen Organes des
amerikanischen H. cavatus Hentz bei Mc.Cook (48) (s. Fig. 20,
Taf. 1).
Daß der Taster der Hyptiotesmännchen in seinem Endapparat
ganz ungewöhnliche Dimensionen erreicht, wie sie wohl nur vielleicht von.
den Bulbis einiger Theno&ae und einiger ‘Zwergmännchen tropischer
Epeiriden übertroffen werden, ist allen Beschreibern aufgefallen. Die
Größe des Bulbus und’ die der seinen entsprechenden Länge des schmalen
streifenförmigen Tarsus steht in keinem Verhältnis zu der Kleinheit der
‘übrigen Tasterglieder, außer etwa der schon beschriebenen Tibia, die
leicht für einen Teil des Tarsus gehalten werden könnte. Auf die
ganz außerordentliche Länge des Embolus (ca. 3'/sx körperlang) und
die große Kompliziertheit des Chitingerüstes, das während der Ruhe des
Tasters diesen Embolus in der Lage hält und ihm bei seiner Tätigkeit
als Gleitapparat dient, ist auf $. 152 eingehend’berichtet worden, Hier
soll noch das Folgende bemerkt werden: Daß die Vesicula bulbi
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 209
auffallend klein im Verhältnis zur Größe des gesamten Kopulations-
apparates ist, wurde schon im biologischen Teil dieser Arbeit hervor-
gehoben. Das Corpus bulbi mit dem stark gewundenen Spermo-
phor ıst gleichfalls 'klein, und so ıst die Größe des gesamten Convoluts.
vor allem auf die Anwesenheit zahlreicher Chitinfortsätze zurückzu-
führen. Diese wird so über dıe Oberfläche des Bulbus verteilt, daß
die Spitze des Bulbus, also sein distales Ende, vom E ouduktor ual
einen: zweiten starken spitzen Fortsatz überragt wird. Ganz besonders.
charzkteristisch für den Hyptiotestaster aber ıst ein ventraler Basalfort-
satz des Bulbus, der nach Koch ‚‚muschelförmig“ ist, und der eine
Art von Chitinschale,darstellt, in der am ruhenden Organ eine Schlinge
des hier seinen Verlauf umkehrenden Embolus liest. Dieser Fortsatz
hat mit dem basalen des Epeiratasters nıcht die geringste Aehnlich-
keit ım Bau und Funktion. Ferner muß betont werden, daß am Tarsus
des Hyptiotestasters keine Andeutung eines Ramus exterior existiert.
Wenn also Beziehungen zum Epeiridentaster vorhanden wären, wie das
Sımon in seinen Arachnides de France andeutet, so müßten sie auf
eine weit entlegene hypothetische gemeinsame Stammform zurückgehen.
Eine solche Möglichkeit soll nicht in Abrede gestellt werden, schon
wegen des ähnlichen biologischen Verhaltens bei der Begattung in vielen
Gruppen, doch handelt es sich nur um eine rein spekulative Annahme.
Bei einer Vergleichung des männlichen Tasters von Hwyptiotes
mit dem von Uloborus ergeben sich wenig Uebereinstimmungen und
viele Unterschiede, die mehr als rein quantitativer Natur zu sein scheinen,
und die sich vorläufig wohl nicht durch Zwischenformen überbrücken
lassen.
Gegenüber den anderen Cribellatenfamilien bestehen naturgemäß
noch viel bedeutendere Unterschiede. Besonders möchte ich hier be-
tonen, daß der Taster der männlichen Dinopiden, wie erwähnt,
einem völlıg anderen Typus angehört, von dem ich nicht einsehe,
wie er mit dem der Uloboriden auf eine gemeinsame Stammform zurück-
geführt werden könnte. Daß die Taster der Dictyniden, Amaurobiiden,
Eresiden und Filistatiden nicht die geringsten Beziehungen zu ıhm haben,
geht aus dem früher Gesagten hervor, so daß ın dieser Beziehung inner-
halb der Cribellaten eine große Mannigfaltigkeit der Typen herrscht.
Ueber andere Familien, deren Taster zweifellos mit zu diesem
Haupttypus gehören, wie de Mimetidae und Archeidae, ver-
mag ich aus 'eigener Anschauung nichts zu sagen, da mir selbst von der
einheimischen Gattung Ero kein Material vorliegt. Daf der meist
sehr langgestielte Taster der Mimetiden die Eigentümlichkeiten des typı-
schen Netzspinnentasters besitzt, erscheint nach Abbildungen nicht
zweifelhaft.
3. Zusammenfassendes über den Taster der männ-
lichen cymbiophoren Spinnen.
Auf die Beziehungen des Cymbiumtasters zu dem der haplogynen
Spinnen sowie der Pholciden braucht hier nicht noch einmal eingegangen
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 10. 14 10. Heft
30 2 Ulrich Gerhardt;
zu werden. Dagegen wird es notwendig sein, kurz noch einmal zu be-
trachten, was für die Ergebnisse die angestellte Vergleichung der ein-
zelnen Formen des Cymbiumtasters liefert. Dabeı soll bemerkt werden,
dafßß aus Tausenden von Formen nur wenige mir zugängliche Beispiele
ausgewählt werden konnten, und daß ın Bezug auf Einzelheiten noch
unendlich viele Formverschiedenheiten bestehen, auf die hier nicht ein-
gegangen werden konnte,
Es kann gesagt werden, daß ım ganzen der eine große Haupttypus
des Cymbiumtasters, der sich besonders bei Lauf- und Röhrenspinnen
findet, seinen Typus konsequenter beibehält als der höher differenzierte
der Netzbewohner. Er besitet 1 durchweg einen einfacher gebauten
Bulbus, dessen beide Hauptfortsätze, Embolus und Konduktor, in zwei
Familien, nämlich den Sparassiden #Iypus Delena) und Age-
lenıden extreme Grade der Ausbildung erreichen. Sonderstellungen
nehmen die männlichen Taster der Eresiden und der Drassiden-
gattung Lampona ein, die einen einfacheren, dem der Haplogynen
ähnelnder Bulbus tragen. Starke Abweichung vom Typus weist ferner
der Taster der männlichen Dinopiden auf. Bei den Thomi-
sıden, Lycosiden, Pıisauriden und Oxyopiden ist der
Familientypus ım wesentlichen einheitlich durchgeführt, ebenso bei
Drassiden und Clubioniden, dagegen finden sich bei Spa-
rassıiden und Agelenıden starke Formschwankungen, selbst
zwischen den Arten einer Gattung.
Die Amaurobiiden besitzen im männlichen Geschlecht einen
Taster, der in keine der aufgestellten Rubriken recht passen will und
auch besondere Funktion bei der Begattung (Uebertragung eines die
Samentasche verschließenden Sekretes) hat. Welchem Typus sich die
männlichen Taster der Urocteiden und Oecobiiden anschließen,
kann wegen Mangels an Material nicht beurteilt werden.
Unter den Netzspinnen würden zunächst die drei Haupttypen
zu unterscheiden sein, die sich 1. bei den Theriduden, 2. den Liny-
phiiden und Micryphantiden und 3. den Epeiriden finden,
jeder durch besonderen Bau des Tarsus und Bulbus gekennzeichnet,
Dem Theridiidentypus dürfte der der Mimetiden nahe kommen.
Der Taster der männlichen Epeiriden ist (mit Ausnahme einiger
reduzierter Formen, wie Nephila) sehr einheitlich gebaut, während
unter Theridiiden bei gleichem Bau des Tarsus der Bulbus sehr starken
Formschwankungen unterworfen ist. Für die Linyphuden und Micry-
phantiden gilt dies in Bezug auf die Ausgestaltung der wesentlichen wie
der accessorischen Fortsätze des Bulbus. Für den mit sehr viel ein-
facherem Bulbus versehenen Taster der Argyroepeiridenmännchen kann
es fraglich sein, wieweit er sich dem der Epeiriden anschließt. Zweifel-
los weit von diesem getrennt ist der der männlichen Tetragnathiden, die
bei einfachem "Bulbus ein außerordentlich entwickeltes Paracymbium be-
sitzen, während es dem sonst sehr ähnlich gebauten Phonognathen-
taster fehlt.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 211
Endlich haben wir'bei den männlichen Uloboriden Taster, die
in ıhrer Entwicklung eigene Wege eingeschlagen haben, wenn sie auch
alle typischen Eigenschaften des Netzspinnentasters zeigen.
Somit glaube ich, daß sich sehr wohl Gesichtspunkte aufstellen
lassen, von denen aus eine Gruppierung der verschiedenen Tasterformen
möglich ist. Das führt zu einer weiteren Frage.
4. Allgemeines überdiesystematische Bedeutung der
männlichen Spinnentaster,
Jedes System, das nur auf einem Organsystem sıch aufbaut, ist
künstlich und ungenügend. Im vollen Bewußtsein dieser Tatsache
wollte ich in der Anordnung der Spinnenfamilien, die ich zur Durch-
führung einer vergleichenden Betrachtung gewählt habe, kein System der
Spinnen ım landläufigen Sinne geben, sondern für meinen spezi-
ellenZweck das Organsystem in den Vordergrund stellen, um dessen
vergleichende Darstellung es sich handelt. Dabei möchte ich aber
meinen persönlichen Standpunkt betonen, daß ich für die gröbere
Systematik der Spinnen dem Bau der Kopulationsorgane in beiden
Geschlechtern einen so großen Wert beimesse, daß ich der Meinung
bin, jede solche Einteilung der Hauptgruppen unter den Araneinen,
(Subordines, Sektionen, jedenfalls der Kategorıen, die den Familien
übergeordnet sind) könne die Bezugnahme auf diese Organe nicht ent-
behren. Schon Bertkau hat diese Bedeutung erkannt, und Simon
versucht, sie, wenn auch nicht konsequent (s. S. 123), wenigstens auf
‚die „Araneae verae ecribellatae“ anzuwenden.
So wird man nıcht umhın können, alle Spinnen mit einfachen
äußeren Sexualorganen von denen mit komplizierteren zu trennen, wenn
auch die Namen „Entelogynae“ und „‚Haplogynae die Sache
nicht ganz treffen, da sie nur ein Geschlecht berücksichtigen. Innerhalb
der Heoloreyaen besteht zweifellos eine Kluft zwischen Mysgalo-
morphen und den übrıgen Formen, von denen sich die Dysderiden
(incl. Oonopiden) zweifellos den Tetrapneumonen mehr nähern als
die Sicarıuiden, Leptonetiden und Filistatiden. Vielleicht werden die
„Familien“ der haplogynen Spinnen sich noch allerlei Unterteilungen
‚gefallen lassen müssen; so weichen die Dysderinae von den Sege-
striinae ın manchen Punkten, nicht nur im Bau der lab
sondern auch z.B. ın der offenbar in beiden Gruppen auf verschiedene
Weise zustande gekommenen Sechsäugigkeit, sowie ın Habitus und
Biologie wesentlich ab. Da wird es zum großen Teil der Neigung
und dem Geschmack des Bearbeiters überlassen bleiben müssen, ob
er Unterteilungen vornehmen will, und welche,
Betont soll hier besonders werden, daß wohl alle haplogynen
Spinnen sich inmehreren Charakteren als primitiv erweisen, so daß
hier die Zusammenfassung nach dem Bau der Geschlechtsorgane nicht
in Widerspruch mit den Anforderungen eines natürlichen Systems
treten dürfte,
14* 10. Heft
212 Ulrich Gerhardt:
Das Gleiche gilt für die Pholciden. Die besondere Form
der Epigyne und der Taster im männlichen Geschlecht ist durchaus
nicht der einzige Charakter, der ihnen eine Sonderstellung anweist;
es braucht bloß an das Fehlen des dritten, abdominalen Stigmas ge-
dacht zu werden, sowie an das biologische Merkmal der Doppelinsertion
der Taster bei der Begattung, wie bei den Dysderiden.
Was die Spinnen anbelangt, die ıch als cymbıophore bezeichnen
möchte, so ist hier im Besitz einer Epigyne beim Weibchen, eines
mit Cymbium und Vesicula versehenen Tasters beim Männchen und
außerdem ın der gleichzeitigen Anwendung nur eines Tasters bei
der Begattung (die ich mit Sımon und Bertkau trotz einiger
Angaben von Montgomery für den allein herrschenden Modus
halte, bis das Gegenteil bestätigt ıst) eine Zahl von Charakteren ge-
geben, die zusammen allen anderen Spinnen fehlt. Ob cribellat oder
ecribellat, spielt in diesem Falle keine Rolle, wie es ja auch haplogyne
Spinnen mit und ohne Cribellum gibt.
Somit scheinen mir die bisher besprochenen größeren Gruppen
von Spinnenformen durchaus natürliche Kategorien zu sein, und hier
geht das Verhalten der äußeren Sexualorgane in ihrem prinzi-
piellen Aufbau mit anderen unterscheidenden Merkmalen durchaus
Hand ın Hand.
Nach allem oben Gesagtem kann es dagegen nicht zweifelhaft
sein, daf; schon zur Unterscheidung von Familien der Bau der männ-
lichen Taster nur bedingt in Betracht kommen kann. Hier zeigt
vielmehr die nach anderen Gesichtspunkten genommene Einteilung, daß
oft im Bau der Kopulationsorgane innerhalb der Familie die größte
Mannigfaltigkeit besteht, wobei nur wieder an die Sparassiden und
Asgeleniden erinnert sei.
Bei Haplogynen ist ım allgemeinen auch im Bau der männ-
lichen Taster die Einheitlichkeit der Familie gewahrt, aber oft doch
nur ‘sehr allgemein, wie uns z. B. die Sicariiden oder Caponiiden
lehren. Viel weiter gehen die Verschiedenheiten bei den Cymbiophoren,
während unter den Pholciden in dieser Hinsicht große Einheitlichkeit
herrscht.
Schließlich aber, und das ist vielleicht das Merkwürdigste, finden.
wir selbst innerhalb einer Gattung bei verschiedenen Arten grund-
verschiedene männliche Taster. Das wurde in ganz überraschendem
Maße (Simon) für die lorıcaten Oonopiden unter den Hap-
logynen festgestellt, wir finden aber Aehnliches auch bei Cymbio-
phoren, z. B. bei den Linyphiiden. Der Taster der Männchen
von Linyphia triangularis und L. pusilla z. B. ist grundverschieden
gebaut in Bezug auf die Form seiner Anhänge, und während Simon
für die gleichfalls hierhergehörige Gattung Labulla den Bau des Tasters
als allgemeines Kennzeichen angibt, wie ıhn unsere einheimische Art,
L. thoracica besitzt, zeigt nach Strand die japanische L. contorfipes
auch .wesentlich abweichenden Bau dieses Organes. (65)
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 213
| ‘Somit wird bei der Abgrenzung der Gattungen der Taster des
Männchens oft sich als kein zuverlässiges Kriterium erweisen. Dagegen
ist für die Unterscheidung der Arten nach wie vor der
Bau von Epigyne und männlichem Taster das zuverlässigste Mittel,
und diese systematische Bedeutung der äußeren Sexualorgane wird
auch immer anerkannt werden müssen.
Die Verschiedenheiten aber, die wir von Art zu Art an den
Tastern der Männchen feststellen können, werden immer ihre natürliche
Grenze finden müssen in dem Rahmen, der durch den übergeordneten
"Typus bedingt ist, dem der Taster einer Familie, Sektion, Subordo etc.
angehört, und es werden z. B. bestimmte Formbildungen nur innerhalb
des Typus des Laufspinnentasters, andere nur innerhalb desjenigen
des Netzspinnenpalpus denkbar sein. Wieweit aber durch sekundäre
Vereinfachungen Ausnahmebildungen geschaffen werden können, lehrt
uns das Beispiel der Nephilamännchen mit ihren nur scheinbar so
einfachen Tastern oder dıe Verschmelzung zwischen Bulbus und Tarsus
bei Gamasomorpha und Dysderina einer-, den Paculleae andererseits.
Es kann also der Bau der männlichen Taster bei den Araneen
sowohl eine positive wie eine negative systematische Bedeutung be-
sitzen, und um diese oder jene richtig einzuschätzen, wird es immer
einer Berücksichtigung aller Charaktere der Art und der überge-
ordneten Gruppen bedürfen.
5. Die Korrelation zwischen männlichem Taster und
den weiblichen Begattungsorganen.
Daf; die einfachere oder kompliziertere Gestaltung des männlichen
‚Spinnentasters immer Hand ın Hand geht mit der des weiblichen
Kopulationsapparates, unterliegt keinem Zweifel. Aber gerade bei den
‚einfachsten Tasterformen ist der. Grund für ihre spezielle Form im
Einzelfall oft schwerer zu finden als bei denen der Entelogynen,
und zwar deshalb, weil hinter der nicht zur Epigyne umgewandelten
Geschlechtsöffnung des Weibchens sich sehr verschiedene Formen von
‚Samentaschen verbergen können. Einige Beispiele können dies leicht
zeigen: Bei Mygale finden sich in den Ecken der queren Geschlechts-
spalte zwei halbkugelige, weite Samentaschen, bei Afypus ebenfalls
zwei Taschen mit engen Zuführungsgängen und zahlreichen (jederseits
7—8) kolbenförmigen, gestielten Anhangstaschen. Bei den Dysde-
riden dagegen sehen wir neben paarigen mediane, unpaare Samen-
taschen, ein Charakter, den ich auch beı Pholcus opilionoides finde
und der sich unter den Cymbiophoren wohl nur bei Tefragnatha in
Gestalt der mittleren Samentasche erhalten hat. Scytodes wieder zeigt
zwei enge, paarige, weit auseinander stehende Samentaschen. Und
bei allen diesen Formen ist der männliche Taster relativ sehr ähnlich
gebaut, wenn wir von den zuweilen komplizierteren Anhangsgebilden
bei einigen Dysdereae (besonders Harpactesarten) und bei Caponia
absehen. Das Gemeinsame der weiblichen Organe in allen diesen
Fällen ist also lediglich das Fehlen der Epigyne, d. h. der chitini-
10. Heft
214 Ulrich Gerhardt:
sierten Vulvaplatte, und überall, wo diese fehlt, ıst offenbar eine
kompliziertere Bildung des Tasterbulbus unnötig gewesen, und daher
stimmen die Männchen aller dieser Spinnen im Bau ihrer Taster mehr
untereinander überein, als die Weibchen in dem des Samentaschen-
apparates,
Umgekehrt ist da, wo eine Epigyne gebildet ist, immer (Reduktions-
produkte abgerechnet) der männliche Taster komplizierter gebaut als.
der der Haplogynen, sowohl bei den Pholcıden wie bei den Cymbio-
phoren, und das könnte vielleicht darauf schließen lassen, daß die
phyletische Entwicklung der Epigyne erst die höheren Komplikationen
ım Tasterbau ursächlich bedingt habe.
Die Korrelation zwischen männlichem Taster und Epigyne ist
bei manchen cymbiophoren Formen wesentlich enger geworden, als wir
sie bei Haplogynen antreffen, was nicht nur aus der außerordentlich
genauen Anpassung der Embolusform an die der Samentaschengänge
(Linyphia, Labulla, Delena, Latrodectus etc.), sondern auch aus.
der Beziehung der Retinacula bulbi zu dem für die Art charakterısti-
schen Relief der Epigyne hervorgeht. Diese speziellen und speziellsten
Anpassungen, die, so stark ausgebildet, jede Kreuzung zweier Arten einer
Gattung unmöglich machen, sind zuweilen an der Grenze der Nützlich-
keit für die Species angekommen, wie die Vorkommnisse beweisen,
in denen anscheinend regelmäßig der allzu gut den Samentaschen-
gängen angepaßste Embolus bei der Begattung abreißt und das Männ-
chen zu weiteren Kopulationen unfähıg macht (Nephila).
Der Bau der Epigyne scheint es auch zu sein, der bei cymbio-
phoren Spinnen die gleichzeitige Insertion beider Taster des Männ-
chens verbietet, während, wie erwähnt, die Epigyne der Pholciden
eine solche zuläßt und verlangt.
An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, daß die von v.
Engelhardt (27) bei Theridium tepidariorum beschriebenen, von
Bertkau vorher gesehenen, aber nicht richtig gedeuteten Befruch-
tungsgänge zwischen Samentaschen und Vagina schon von Emer-.
ton (25) richtig erkannt, beschrieben und abgebildet worden sind.
E. Schlußbetrachtung: Morphologie und Bio-
logie.
Der Hauptgedanke meiner Arbeiten über die Kopulation der
Spinnen war der, zu zeigen, daß die biologischen Vorgänge, die sich
um den Kopulationsakt der Spinnen gruppieren, einesteils nur verständ-
lich werden durch eine eingehende Kenntnis vom Bau der Organe, die
“ bei diesen Vorgängen beteiligt sind, daß aber andrerseits diese unsere
Kenntnis vom Bau dieser Organe eine wesentliche Vertiefung erfahren
kann und muß durch die Beobachtung ihrer Tätigkeit. Gerade bei
den Spinnen, bei denen der ganze Begattungsvorgang, mit seinem
seltsamen Vorspiel, der Tasterfüllung beim Männchen, sich in einer
so ungewöhnlichen Weise abspielt, ist ja nun die Mannigfaltigkeit ın
der Gestaltung der Kopulationsorgane gleichfalls ungewöhnlich groß.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 215
und diese Organe sind, weil weit an der Peripherie des Körpers ge-
legen, der Untersuchung leicht zugänglich. Seit Bertkau uns ge-
lehrt hat, den Bau der komplizierteren und kompliziertesten unter ihnen
aus dem der einfachsten zu verstehen, ist eigentlich erst eine morpho-
logische Vergleichung dieser sekundären Kopulationsorgane möglich ge-
worden, wie sse Wagner und Comstock schon versucht haben.
Eine auf breiter Basis aufgebaute vergleichende Physiologie des
männlichen Spinnentasters aber ist zwar gleichfalls in ihren Anfängen
von Bertkau begründet, aber bisher niemals durchgeführt worden.
Die sehr wertvollen Studien Montgomerys über die Kopulation
der Spinnen schildern zwar sehr schön das „Behaviour“ der Tiere, be-
rücksichtigen aber nur ganz wenig dıe Funktion der Tasterteile selbst..
Osterlohs (55) Arbeit, die an einigen einheimischen Spinnen die.
Physiologie der Kopulation genau studiert (mündliche Mitteilung von
Professor Meısenheimer) ist noch nicht erschienen.!)
So habe ich mich seinerzeit entschlossen, einen Versuch nach der
angegebenen Richtung hin zu machen. Verschwindend klein ist mein
Material, in. morphologischer wie in biologischer Beziehung im Ver-
hältnıs zu dem, das es auf der Erde gibt und zu dem, dessen Bearbeitung
noch aussteht. Aber ich darf hoffen, gezeigt zu haben, daß die ver-
gleichende Physiologie und Biologie der Kopulation, bei einer be-
sonders günstigen Ordnung einer Klasse des Tierreiches untersucht,
uns zeigen kann, wie die physiologischen Vorgänge ebensogut ihre
phylogenetische Entwicklung gehabt haben wie ihre morphologischen Sub-
strate, und wie die gemeinsame Verfolgung dieser beiden Entwick-
lungsreihen uns tiefer eindringen läßt in die phylogenetischen Zu-
sammenhänge der Arten, sowie der ihnen übergeordneten Gruppen.
Ein Wort ist noch'zu sagen über die Besonderheit der männlichen
Taster der Spinnen in vergleichend morphologischer Beziehung: Alle
Kopulationsorgane im Tierreich erweisen sich als außerordentlich
variabel, so daß in allen Klassen sich Beispiele dafür finden lassen,
daß bei nahe verwandten Formen, die sonst in ihrer allgemeinen Orga-
nısation größte Uebereinstimmung zeigen, gerade diese Organe sehr
verschieden gebaut sind. Ich erinnere an Tullbergs (67) Uhnter-
suchungen über Rodentia, besonders über Sciuriden, beı denen
die Glans penis von Art zu Art ganz erhebliche Verschiedenheiten
zeigt. Aehnliches läßt sich überall im Tierreich feststellen, wo pri-
märe Kopulationsorgane überhaupt entwickelt sind, ohne dafs diese
Art von Verschiedenheiten des Baues mit Notwendigkeit ebenso
starke Ungleichheiten in der Funktion mit sich bringen müßte.
So wird z. B. bei den Wiederkäuern (mit Ausnahme der Tylo-
poden) die Begattung trotz der von Garrod (30) und mir (32) be-
tonten Formverschiedenheiten des distalen Penisendes überall in gleicher
Weise vollzogen.
!) Erschien während des Druckes dieser Arbeit und wird in einer spä-
teren eingehend berücksichtigt. A. w. d. Korr.
10. Heft
216 Ulrich Gerhardt:
Ganz besonders liegen die Dinge nun da, ‘wo, wie bei den Araneen,
primäre Kopulationsorgane fehlen und ck un FE
sorische an ihre Stelle getreten sind, also in der Mehrzahl der Fälle
das, was Meisenheimer kollektiv als Gonopodien bezeichnet,
Die Variabilität, die schon die primären Kopulationsorgane
auszeichnet, kann bei diesen an der Körperperipherie gelegenen,
für einen ihnen ursprünglich gänzlich fremden Zweck umgestalteten Or-
ganen noch wesentlich größer werden als bei jenen. Die Gründe
dafür liegen wahrscheinlich darin, daß wohl zweifellos in den aller-
meisten peripher gelegeneny\Geschlechtsorganen (den Begattungsorganen)
die phyletisch jüngsten Bestandteile des gesamten Genitalapparates
zu erblicken sind, dessen älteste und wesentlichste Bestandteile die
Gonaden, sodann ihre Leitungswege bis zur Körperoberfläche sein
müssen, während die verschiedenartigen Vorrichtungen, die der
aktiven Uebertragung des Samens durch das Männchen auf das Weib-
chen dienen, wohl sicher erst späteren Ursprunges zu sein brauchen
ündeltinder Taranchmei an werden.
Die Differenzierung solcher Uebertragungsorgane, die ja meist
in der unmittelbaren Umgebung der männlichen Geschlechtsöffnung
geschieht, muß bei der Schaffung prımärer Kopulationsorgane sich
an das Bildungsmaterial halten, das nach dem ganzen Örganisations-
plan des Genitalapparates jeweils von vornherein gegeben ist. Für die
Möglichkeit der Ausbildung von Formverschiedenheiten sind dadurch
Grenzen gezogen, die nur ein gewisses Maß der Variabilität zulassen.
Wenn aber Organe in den Dienst der Kopulationshandlung ge-
zogen werden, die ursprünglich mit einer solchen Verrichtung nicht
das Mindeste zu tun haben, wie der Hectocotylus der Cephalopoden, die
Gonopoden der Diplopoden oder die Palpen der männlichen Spinnen,
oder wenn, wie bei den Odonaten, fern von der männlichen Ge-
schlechtsöffnung, ein ganz neues Organ sui generis als Kopulations-
apparat auftritt, so fallen naturgemäß jene besprochenen Einschrän-
kungen für die Vielseitigkeit der Ausbildung solcher Organe weg, die
durch die Anlehnung an den gegebenen Bau des Genitalapparates ge-
setzt werden.
In dem zweiten erwähnten Fall (Odonaten) wird sich daher ein
Organ ausbilden können, das lediglich durch das zu diesem Aufbau
verwandte Material (Chitinskelett der Haut) und durch die für die
Ordnung notwendigen statischen und mechanischen Bedingungen der
Kopulation in eine bestimmte, seine Funktion ermöglichende Richtung
‘ der Entwicklung gedrängt wird.
Anders liegt die Sache bei den eigentlichen Gonopodien, d. h. zu
Kopulationsorganen umgewandelten Lokomotionsorganen, wo-
bei dieser Begriff zunächst ın einem weiten Sinn Ange werden
soll. Hier ist zunächst einmal dee Loslösung dieses Organes
von seiner ursprünglichen (lokomotorischen) Funk-
tion notwendig, und zwar kann diese Lösung partiell oder vollkommen
sein, je nachdem das Organ ausschließlich oder nur temporär
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 317
dem neuen Zweck dienstbar gemacht wird. Solche Fälle totalen
Funktionswechsels sind verwirklicht in dem Hectocotylus der Cephalo-
poden und den Kopulationsfüßen den Diplopoden, Dekapoden, mancher
Hydrachniden, während eine Beibehaltung der Gehfunktion bei dem
zu Kopulationsorganen (wenigstens höchst wahrscheinlich) umgestalteten
dritten Fußpaar der Ricinuleen anzunehmen ist.
Noch anders liegen die Verhältnisse bei den Solifugen und
Araneen, Hier ist je ein Extremitätenpaar zum Kopulationsorgan
umgestaltet, das schon vor dem Eintritt dieses Funktionswechsels
einen anderen durchgemacht hatte, und zwar liegen für beide Ordnungen
die Dinge sehr verschieden.
Bei den Solifugen sind es, wie früher (l.c. S.235) besprochen,
die Cheliceren, also Kauextremitäten, de temporär die Rolle*
männlicher Begattungsorgane spielen. Da diese Inanspruchnahme für
die Spermaübertragung keine besonderen Differenzierungen notwendig
macht, so ist ihnen morphologisch nichts anzusehen, was auf
diese ihre Nebenfunktion schließen ließe.
Bei den Araneen dagegen ist das zweite Extremitätenpaar
zunächst schon in beiden Geschlechtern so metamorphosiert, dal sein
Grundglied zwar Kaufunktion hat, die übrigen Glieder aber im wesent-
lichen ein Sinnesorgan zusammensetzen, wenn auch bei manchen
Theraphosiden und nach Hentz beiFilistata eine Gehfunktion für
die Palpen noch immer nebenbei ın Betracht kommen kann.
Wenn nun diese Organe zu Kopulationsapparaten umgebildet
werden, so ist eine morphologische Neubildung an ihnen
notwendig, die wir im Bulbus genitalis des männlichen Tasters mit
seinem Samenbehälter und Uebertragungsrohr vor uns sehen. Durch
die Anbringung dieses Körpers ist dann ein dauerndes Kopulations-
organ geschaffen, und die Ausgestaltung des Bulbus im Einzelfall kann
nun vor sich gehen, wobei zunächst nur sehr allgemeine Notwendigkeiten
für deren Entwicklungsgang vorliegen. Es muß die Möglichkeit be-
stehen, den Bulbus mit Sperma zu füllen, und dies Sperma ın die
Samentaschen des Weibchens zu injizieren, eine Fixierung des Bulbus
in den weiblichen Organen ist damit schon als notwendig gegeben,
und die Befestigung des Tasters an der Vulva des Weibchens ist eine
zweite Notwendigkeit, die sich meines Erachtens erst im Laufe der
phylogenetischen Entwicklung ergeben hat und die weitere Ausgestaltung
des Tasters mit Haftapparaten (Retinacula, Fixatoren) an dessen Bulbus
und Tibia zur Folge gehabt hat.
Unter dem Einfluß der Lebensweise haben sich ganz gewiß
‚die kompliziertesten Tasterformen bei den Männchen entwickelt; aber
dieser Einfluß allein kann es nicht gewesen sein, der die große Formen-
fülle geschaffen hat, die jeden Betrachter immer wieder in Erstaunen
setzen muß. Denn es ist doch nicht recht einzusehen, weshalb z. B.
‚Segestria und Dysdera bei ihrer Lebensweise in röhrenförmigen Ge-
spinsten sich im Bau ihrer Kopulationsorgane in beiden Geschlechtern
so ganz anders verhalten, als die gar nicht unähnlich lebenden Drassiden
10. Heft
218 Ulrich Gerhardt:
und Clubioniden. Hier müssen andere Momente mitspielen, die in
tiefliegenden phyletischen Beziehungen zu suchen sind und die uns
noch unklar sind.
Beı den Familien aber, innerhalb deren einmal die morphologische
Weiterbildung des Tasters eingesetzt hat, sehen wır in dem einen
terminalen Entwicklungszweig (Pholciden) einen ım Prinzip fertigen
und nicht mehr wesentlich ausbaufähigen Typus, der auf die ältere
(sımultane) Anwendungsweise des paarigen Organs eingestellt ist,
während der Typus des Cymbiumtasters neue, viel größere
Möglichkeiten zu weiterer Entfaltung aller seiner Komponenten in
sich trägt.
Bei der Entwicklung dieses Typus nun spielt sicher die
‘Lebensweise seiner Besitzer eine große Rolle, und durch sie
werden manche Notwendigkeiten erklärt, wıe die der intensiveren Ver-
ankerung beider Geschlechter bei der Begattung im freihängenden Netz,
Nicht erklärt aber werden aus Notwendigkeiten der Lebensweise
viele morphologische Verschiedenheiten im einzelnen, die sich bei
Formen finden, deren Lebensweise gleich ist (Linyphuden, Micry-
phantiden etc.). Hier zeigt sich eine morphologische Vielseitigkeit,
der nicht eine Verschiedenheit des „Behaviour‘ der betreffenden Arten,
wohl aber die physiologische Mannigfaltigkeit in der Funktion der
einzelnen Tasterteile entspricht.
Daß Taster des Männchens und Epigyne des Weibchens dabei
Schritt halten in ihrer Entwicklung, haben wir gesehen; nur sind die
Formverschiedenheiten am männlichen Palpus naturgemäß sehr viel
auffallender als die der Epigyne, und deshalb ist für ihre Unter-
suchung dieser das günstigere Objekt. Ebenso sicher ist, daß diese
Konformität in der Entwicklung der männlichen und weiblichen Kopu-
lationsorgane auf gemeinsame Ursachen zurückgehen muß, die wır
in ihrer phylogenetischen Wirkungsweise nicht beurteilen können. Daß.
sich dabei die Unmöglichkeit von Kreuzungen, also die Rein-
erhaltung der Art, von selbst als eine Folgeerscheinung ergibt,
kann wohl nicht bezweifelt werden. Ob dieser Faktor aber als Ur-
sache aller morphologischen und sie begleitenden biologischen Unter-
schiede in Betracht kommt, ist eine andere Frage, auf die sich zur
Zeit keine Antwort geben läßt. |
Daß nun nicht nur die morphologische Gestaltung, sondern. auch
die physiologische Anwendung des männlichen Tasters, durch das Ver-
lassen der Simultaninsertion, mit der Erreichung der komplizierteren
Form von Cymbiumtaster und Epigyne einen erheblichen Schritt weiter
‘getan hat, ist zwar für uns deutlich erkennbar, ohne daß wir einen
Vorteil für die Erhaltung der Art in dieser Aenderung zu erblicken
vermöchten.
Die Kopulationsstellungen ergeben sich gleichfalls nicht
nur aus der sonstigen Lebensweise (vgl. Dysderiden auf der einen, die
übrigen Tubitelen auf der anderen Seite), obwohl sie; da bestimmte An-
forderungen stellen wird, wo der Aufenthalt im Netz bestimmte statı-
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 219
sche Bedingungen schafft. Auch hier spielen altüberkommene phyle-
tische Momente ihre Rolle.
Wir können also annehmen, daß das einmal vorhandene Kopu-
lationsorgan der männlichen Araneen zunächst bei einfacher Form eine
bestimmte Anwendungsweise besaß, die nicht einer allein gegebenen
Möglichkeit entsprach, sondern eben nur einer Möglichkeit, neben
der auch andere vorhanden waren.‘ Da ein paarıges Organ mit der
Uebertragung des Spermas betraut war, ‘so konnte | gleich-
zeitige wie alternierende oder einseitige ‘Anwendung dieses Extremi-
tätenpaares ın Frage kommen.
Die Spinnenstämme, die wir als die ältesten betrachten, wählten
die Simultaninsertion, die wir noch erhalten sehen bei den Gruppen!
die in der Ausbildung ihrer Kopulationsorgane auf primitiverer Stufe
stehen geblieben sind, und bei den Pholciden. Phyletisch jüngere
Gruppen zweigten von ihnen ab und führten morphologische und bio-
logische Neuerungen ein,die sich im Ausbau des Torsions-, Schwell- und
Haftapparates am Bulbus des Tasters, in der Brimiekiin: der Epigyne
in bestimmter Richtung, und ın dem einseitigen Gebrauch der
Taster (nur eines oder alternierend) äußerten. Mit der weiteren
Differenzierung dieser cymbiophoren Formen nach der Lebensweise
in Gruppen, die allgemein biologisch und morphologisch weit ausein-
ander gingen, begann dann der Einfluß dieser äußeren Bedingungen
auf die Art der Begattung und damit des Begattungsorganes. Aber
außer diesen Einflüssen müssen innere Ursachen mitgewirkt haben,
die weit über die Anforderungen und Notwendigkeiten, die durch Ab-
stammung und Lebensweise gegeben waren, den einmal begonnenen
Entwicklungsprozeß weiter gehen ließen, oft bis an die Grenze der
vorhandener Möglichkeiten und ebenso oft ohne jeden erkennbaren
Nutzen für die Art.
Ich glaube nicht, daß an anderen Organen des Tierkörpers sich
leicht eine in gleicher Weise weitgehende ‚Tendenz morphologischer und
biologischer Variabilität von Art zu Art verfolgen ließe, wie gerade
an derartigen hochentwickelten accessorischen Kopulationsorganen, für
deren Vielgestaltigkeit die Gonopoden der Diplopoden ein zweites ın-
struktives Beispiel bilden würden.
Die Erforschung des lektolonkkähen Verhaltens der Bestand-
teile des Tasterbulbus bei den männlichen Spinnen ist selbst innerhalb
eines ganzen menschlichen Lebens nur für einen kleinen Teil der Arten
möglich. Es sollte die Aufgabe Jlieser Untersuchungen sein, wenigstens
im großen einen Ueberblick zu geben über die biologischen Vorgänge
und die Fragen, die sich für weitere Studien an sie anknüpfen lassen.
Für einige mir zugängliche Formen, deren Begattung zu beobachten
mir bis jetzt aber noch nicht gelungen ist, hoffe ich, dies später noch
nachholen zu können.
Breslau, 27. März 1922.
10. Heft
220 Ulrich Gerhardt:
Verzeichnis der angeführten Literatur.
1. Außerer, A., Betrachtungen über Lebensweise, Fortpflanzung und Ent-
wickelung der Spinnen, in Ztschr. Ferdinandeum Tirol (3) Heft 13, 1867, p. 180.
— 2. Banks, N., Arachoida from Baja California and other parts of Mexico,
San Francisco 1898. — 3. Becker, L&on, Les Arachnides de Belgique, I—Ill in
Ann. Mus. Roy. Hist. Nat. de Belg. IX, 1882, Teil II, III, ibid. Vol. XIIb, 1892.
— 4. Bertkau, Ph., Ueber den Generationsapparat der Araneinen. in: Arch.
f. Naturgesch., Jg. 41, 1875, Bd. I, p. 351. — 5. Derselbe, Erneute Beobach-
tungen über das Einbringen des Samens in den männlichen Palpus der Spinnen.
In: Verl. Naturh. Ver. Rhld. Westf. Vol. 33, 1876. — 6. Derselbe, Ueber die
mechanische Kraft, die bei der Begattung der Spinnen das Sperma aus dem
den Samen enthaltenden Schlauch heraustreibt. In: Verl. Naturh. Ver. Rhld.
Westf. Vol. 35, 1878. — 7. Derselbe, Versuch einer natürlichen Anordnung
der Spinnen nebst Bemerkungen zu den einzelnen Gattungen. Arch. f. Natur-
gesch. Vol. 44, 1878, p. 351. — 8. Derselbe, Verzeichnis der bisher bei Bonn
beobachteten Spinnen. In: Verl. Naturh. Ver. Rhld. Westf. Vol. 37, 1830. —
9. Derselbe, Ueber das Cribellum und Calamistrum. In: Arch. f. Naturgesch.
Vol. 48 1882, p. 316. — 10. Derselbe, Entomologische Miscellen. In: Verl.
Naturh. Ver. Rhld. Westf. Bd. 41 (N. F. 1), 1884, p. 343. — 11. Derselbe,
Weitere Beiträge zur Spinnenfauna der Rheinprovinz. In: Verl. Naturh. Ver.
Rhld. Westf. 1884. — 12. Derselbe, (Referat über van Hasselt, Pisaura),
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B. G., The Nests of Epeira, Nephila and Hyptiotes (Mithras). In: Proc. Amer.
Associat. for the advancement of Sciences, Vol, XXII, p: 264.
Erklärung der Tafeln,
Tafel 1. Fig. 9. Hoplopholcus forskäli Thor.,
Sämtliche Figuren sind Mikrophoto- Sofia. Präparat geschenkt von
gramme von Tastern männlicher Spin- Dr. Drenski. >
nen, außer Fig. 3 und 8 sämtlich mit! „ 10. Lampona murina L.K.
Kalilauge behandelt. Arten ohne Fund- (Drasside, Australien. Samm-
ortsangabe sind einheimisch. lung Salmin, Zool. Museum
“Fig. 1. Atypus piceus Sulz. Breslau), Strand det.
„..2. Dysdera sp.(SammlungRadde,
Lenkoran, Zool. Mus. Breslau). | Tafel II (Fortsetzung von Tafel I).
„3. Harpactes canestrinii Thor. | Alle Präparate mit Kalilauge behandelt.
(Istrien). Sperma im Spermo- |Fig. 11. Eresus niger Pet. Bulbus sehr
phor sichtbar, langer geknick- einfach.
ter Embolus. „ 12. Viciria detrita Strand (Suma-
„ 4. Scytodes thoracica Latr. So- tra, Sammlung Volz, Type,
lider feiner Endfortsatz am Zool. Museum Breslau).
Ende des langen Bulbus er-| „ 13. Isopeda sp. (Sammlung Sal-
kennbar. min, Australien, Zool. Museum
» 5. Sicarius hahni Karsch (Süd- Breslau). Sehr langer, gewun-
amerika, Berliner Museum). dener Embolus, Windungen
Tarsus stark verkürzt. durch Kalilauge aufgerollt.
» 6. Sicarius sp. (Südafrika, Ber-| „ 14. Tegenaria silvestris L. K.
liner Museum). Breiter Konduktor, Janger dün-
„ 7. Filistata capitata Hentz (U. ner Embolus.
S. A., Berliner Museum). Bul-| „ 15. Pisaura mirabilis Cl.
bus endständig. „ 16. Hahnia montana Bi.
Pr 8. Pholcus opilionoides Schr. An-| „ 17. Phonognatha sp. () Samm-
ordnung der Muskulatur in lung Salmin, Australien,
Femur und Tibia sichtbar. Zool. Museum Breslau.
69
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(Gerhardt) Tafel I
Archiv für Naturgeschichte, 89. Jahrg. 1923 Abt. A.
Pohl pho: a e
photo Gerhardt, Ulrich: Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen
Archiv für Naturgeschichte, 89. Jahrg. 1923 Abt. A. (Gerhardt) Tafel Il.
Pohl photo,
Gerhardt, Ulrich: Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen.
Archiv für Naturgeschichte, 89. Jahrg. 1923 Abt. A.
(Gerhardt) Tafel III
A... a
Pohl photo,
Gerhardt, Ulrich: Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen.
Fig. 18.
BE 19,
20.
mat.
29.
E28;
Fig. 24.
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen.
Erigone longipalpis Sund.
Uloborus walckenaerius Latr.
Hyptiotes paradoxus C.L.K.
(Bulbus extrem groß, Embolus
3 X körperlang).
Micryphantes dentisetis Grube
(Sibirien, Type, Zool. Museum,
Breslau).
Linyphia pusilla Sund.
Latrodectus tredecimguttatus
Rossi (Malmignatte, Süd- und
Osteuropa).
Tafel Ill.
Mikrophotogramm des Tasters
v. Argiope lobataPall.J' (Süd-
europa). Kalilaugepräparat.
Die Figuren 25 bis 29 sind Zeichnungen
von Herrn Paul Rose,
Breslau, nach
Präparaten und Skizzen des Verfassers
Fig. 26.
:
a28.
2.%:29:
223
Bulbus wie bei Scytodes (Tat.
I, Fig. 4), Cönospermien im
Spermophor. (Hämatoxylin-
färbung nach Delafield).
Hinterleib von Pholcus opi-
lionoides Schr. 2, ein Taster
des © inseriert, aber unnatür-
lich nach außen gebogen ein-
gezeichnet, um die Lage der
Bulbusfortsätze zu zeigen. (In
Wirklichkeit sind Benie Taster
inseriert.)
Tetragnatha sp. S Sammlung
Zimmer, Deutsch-Ostafrika,
Zool. Museum Breslau. e Em-
bolus, c dessen Konduktor.
Taster von Tylorida striata
Thor. &. (Sumatra, Sammlung
V olz, Zool. Museum Breslau,
Strand det.) e Embolus.
Taster von Labulla thoracica
Wid.-R. 0 t Tarsus (Cym-
bium) pc Paracymbium, a, b
Teile des Konduktors, c dessen
Spitze, d dornförmiger Fortsatz
(Retinaculum) des Bulbus, sp
Spermophor.
(Fig 27—29 Kalilaugepräparate )
Inhaltsverzeichnis.
angefertigt.
Fig. 25. Taster von Oonops pulcher
Templ. & Präparat aus Wales
(National - Museum, Cardiff),
Geschenk von Prof. Wm. E.
Hoyle. — m Mündung des
Samenschlauches an der Basis
eines feinen Endfortsatzes des
Seite
a Einletline. 7.0. 0u% eo. 1
Bi Maertal on; trans we 3
u ade ai se 4
D. Erster Hauptteil: Biologische
Beobachtungen . . . 7
l. Die aucnahm, e dr
Miäukemen 720.0 00.0. 8
1."Dieyamene 27 3,05. 20 8
2, Liaypsalge = 0 "rel
3. Mieryphantidde ...:.. 25
4. Theridiidae . 16
ö. Tetragnathidae 18
6. Zusammenfassendes über de
Tasterfüllung der Spinnen-
männchen 19|
Seite
I. Die Kopulation 24
1. Salticidae (Attidae) . 24
2. Lycosidae 26
3. Pisauridae 28
4. Thomisidae . 33
a) Philodromus . 34
b) Artanes . 36
c) Tibellus . 38
5. Clublomdae nn... Al
6. Amaurobiidae . 45
7. Uloboridae . . 50
a) Hyptiotes iozne E 50
b) Allgemeines über die Ko-
pulation der Cribellaten . 57
8. Theridiidae . 59
10. Heit
224
a) Theridium und Verwandte
b) Steatoda
9. Micryphantidae
. Linyphiidae .
a) Literaturnachtrag .
b) Eigene Beobachtungen
a) Leptyphantes . -
p) Linyphia und Labulla
11. Epeiridae (Araneidae, Argio-
pidae). ARE 23
a) Cyclosa .
b) Miranda .
c) Argiope .
d) Nephila .
Tetragnathidae .
a) Tetragnatha
b) Pachygnatha .
Pholcidae (Ergänzung)
Pholcus opilionoides
Dysderidae .
a) Segestria
b) Dysdera .
c) Harpactes
d) Allgemeines über die Ko-
pulation der Dysderiden .
15. Kopulation, Ergebnisse F
E. Zweiter Hauptteil: Die Mor-
phologie des männlichen Spin-
nentasters .
I. Einleitung . $
II. Terminologisches . Sr
Ill. Der Taster der männlichen
Spinnen in seinem Bau.
1. Die für die Kopulation weniger
wichtigen Tasterteile (Femur
bis Tibia)
2. Der Tarsus . £
2a. Das Paracymbium .
3. Der Bulbus genitalis
a) Die proximalen Abschnitte
des Bulbus, Pediculus, cor-
pus und Vesicula bulbi
b) Die distalen Tasterteile
1. Der „Scapus“ der Ihr
derinae r
2. Der Embolus (Stylus) .
12.
13.
14.
Seite
60
66
70
72
72
12
72
11,
90
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125
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131
131
138
138
138
Ulrich Gerhardt:
. Der Conduktor emboli .
. Die ‚„Retinacula‘“ .
. Der Spermophor .
. Primär einfache und se-
kundär vereinfachte Bul-
busformen . .
. Die morphologische Be-
deutung von Bulbus und
Tarsüs nl are
IV. Uebersicht über die Formen
des männlichen Spinnentasters
A. bei haplogynen Spin-
nen. 4 2
1. Tetrasticta (Bertkau)
a) Tetrapneumones
b) Dipneumones tetrastictae
oa u mw
=
Seite
145
158
161
165
167
169
170
170
171
c) Apneumones (Tracheatae) 172
2. Dipneumones tristictae .
a) Sicariidae..,» .. 0223
b) Leptonetidae
c) Hadrotarsidae
d) Filistatidae .
3. Bemerkungen über die
Systematik der DaRRERE EN
Spinnen .
B. Entelogynae
ı. Pnolcidae.
2. Cymbiophora
a) Taster mit total verlkue
tem, nicht in sich dreh-
barem Bulbus .
1. Eresidae .
2. Lampona
3. Tetragnathiden der
4, Argyroepeirinae .
5. Nephila .
b) Taster mit nur teilweise
verhorntem, in sich dreh-
barem Bulbus
1. Der Tastertypus der
Lauf- und Röhren-
spinnen i
a) Salticidae(Attidae)
b) Lycosidae
c) Pisauridae .
d) Oxyopidae .
172
172
174
174
174
175
177
177
178-
180
180
180
181
184
184
185
186
187
188-
18%
td
Weitere sexualbiologische Untersuchung an Spinnen. 225
e) Thomisidae
f) Zodariidae
g) Sparassidae
h) Clubionidae
i) Drassidae (Gna-
phosidae)
k) Agelenidae .
l) Hahnidae
m) Dictynidae .
n) Dinopidae .
. Der Tastertypus der
Netzspinnen
a) Amaurobidae
(Uebergangsform)
b) Eigentliche Netz-
spinnen . n
a) Theridiidae.
P) Micryphantidae
Yy) Linyphiidae
Seite Seite
189 ö) Epeiridae . . 204
189 €) Uloboridae . . 207
190 3. Zusammenfassendes
191 über den männlichen
Taster der cymbio-
192 phoren Spinnen . . 209
193 4. Allgemeines über die
195 systematische Bedeu-
196 tung von Bulbus und
196 Tarsusı.\ See Zr
5. Die Korrelation zwi-
197 schen männlichem
Taster und weiblichen
197 Begattungsorganen . 213
E. Schlußbetrachtung:
199 Morphologie und Biologie . 214
199 | Literaturverzeichnis . . . . . 220
201 | Erklärung der Tafeln . . . . . 222
203
Se
an
1 ER ED
ana
TE EN
N
_Buchdruckerei B. Meyerheim, Brandenburg
ARCHIV
NATURGESCHICHTE
GEGRÜNDET VON A. FA. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON
W.F. ERICHSON, F.H. TROSCHEL,
E. VON MARTENS, F. HILGENDORF,
W. WELTNER UND E. STRAND
_ ie Te ——
NEUNUNDACHTZIGSTER JAHRGANG
1923
Abteilung A
11. Heft
HERAUSGEGEBEN
VON
EMBRIK STRAND
NICOLAISCHE
VERLAGS-BUCHHANDLUNG R.STRICKER
Berlin
Inhaltsverzeichnis.
.
Seite
Seidler. Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. (Mit 2 Tafeln 18 Ver-
breitungskarten] und 22 Textfiguren) . . .. . Re, 1
Szeliga-Mierzeyewski. Die Vögel der Insel Oesel (Estland) . 2
Szeliga-Mierzeyewski. Beitrag zur Kenntnis der Fauna Mecklenburgs.
Die Lurche (Amphibia) des Hafenorts Warnemünde . . 2... . 238
Pongräcz. Beiträge zur Tiergeographie Polens. (Mit 5 Abbildungen und
einer Kärte). » 2 00 0 na a 2 2
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1.
Von
Hans J. Seidler.
(Mit 2 Tafeln [13 Verbreitungskarten] und 22 Textfiguren.)
Das Thema zu dieser Arbeit wurde mir von Herrn Geheimrat
Prof. Dr. Kükenthal (f), dem Direktor des Berliner Zoologischen
Museums gestellt, dem ich für die Überlassung eines Arbeits-
platzes und des reichen Materials, sowie für die vielen An-
regungen in Hinsicht der Systematik und Tiergeographie in erster
Linie zu großem Dank verpflichtet bin. Vielen Dank schulde
ich auch Herrn Prof. Dr. A. Collin, Kustos am Zoologischen
Museum, der mir während der ganzen Zeit mit Rat und Tat
zur Seite stand. Auch Herrn Dr. H. Augener-Hamburg ver-
danke ich viele Hinweise auf die Systematik. Ferner sei es mir
vergönnt auch an dieser Stelle für Überlassung des Materials
bezw. eines Arbeitsplatzes den Herren Prof. Dr. Kühn- Göttingen,
Prof. Dr. Lohmann-Hamburg, Prof. Dr. Doflein- Breslau
und Prof. Dr. R. Hertwig-München meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen.
Einleitung.
Die vorliegende Arbeit ist der erste Teil einer größeren,
welche die Systematik und geographische Verbreitung der Poly-
noiden behandelt. Ich berücksichtige hier nur die lepidonotinen
Formen, d.h. die Polynoiden, deren Lateraltentakel direkt aus
den vorderen seitlichen Partien des Kopflappens entspringen.
Ihnen gegenüber stehen dieHarmothoinae, deren Lateraltentakel
unterhalb des Kopflappens ihren Ursprung nehmen. Gleich an
dieser Stelle möchte ich bemerken, daß mir nur konserviertes
Museumsmaterial zur Verfügung stand, und zwar zum großen
Teil älteres, so daß es mir unmöglich ist, auf histologische und
anatomische Verhältnisse einzugehen; ich habe also fast aus-
schließlich die Morphologie berücksichtigt.
Geschichte.
Bei Linn& (1758) findet man nur eine Gattung, Aphrodite,
weiche alle jetzigen Polychaeta elytrophora umfaßte. 1816
(1821?) stellte Leach die Gattung Lepidonotus auf, die aber
Archiv für Naturgeschiente
1923. A. 11. 1 11. Heft
2 Hans J. Seidler:
zunächst gar nicht berücksichtigt wurde. Savigny (1817) in
Lamarck führte zwei andere Gattungen ein, und zwar Halithea
und Polynoe.. Audouin und Milne-Edwards (1832) brachten
dann in ihrem großen Werk neue Gattungen anderer elytren-
tragender Familien (Acoetes, Sigalion). Von hier ab will ich nur
über Polynoiden sprechen und übergehe auch, wo es überflüssig '
ist, die Harmothoinen. Grube (bis 1851) brachte nichts wesentlich
neues. Kinberg (1855, 57) stellte die Gattung Halosydna auf
und brachte etwas Ordnung in die verworrene Systematik der
Polynoiden, die aber von den folgenden Autoren wenig Berück-
sichtigung fand. Seine Artbeschreibungen und Abbildungen
sind indes zu mangelhaft, um danach Tiere zu erkennen, auch hat
er verschiedenes falsch beschrieben, wie mir Herr Dr. H. Au-
gener, der die Originale untersucht hatte, mitteilte. Schmarda
(1861) beschrieb von seiner Reise verschiedene Polynoiden, gab
jedoch nur äußerst mangelhafte Diagnosen, sodaß viele seiner
Arten unerkennbar bleiben, wenn die noch vorhandenen nicht
einer gründlichen Untersuchung unterworfen werden. Die Poly-
noiden beschrieb er bis auf zwei neue Gattungen, Gastrolepidia
und Hemilepidia unter dem Sammelnamen Polynoe und gab
in seiner Arbeit weder die Tentakel- noch die Elytrenstellung an,
sodaß es bei einigen unmöglich ist zu unterscheiden, ob es sich
um lepidonotine oder harmothoine Formen handelt. Eine ziemlich
eingehende Arbeit über die Polychaeten gab Quatrefages
(1865/66). Sein Fehler liegt jedoch darin, daß er die Namen
Polynoe und Lepidonotus falsch anwandte. Seine Original-
beschreibungen sind ziemlich eingehend, doch teilt er verschiedene
Arten zu Unrecht auf und macht daraus zwei oder gar drei Arten
(Lepidonotus squamatus und L. clava). Baird (1865) gab in seiner
Arbeit nichts wesentlich neues, außer einigen neuen Arten und
einer neuen Gattung. Das Übrige ist nur eine bloße Zusammen-
stellung der Artnamen, die er aber oft zu Gattungen stellt, die
mit diesen Arten gar nichts zutun haben. 1866 und 1867 brachte
Malmgren zwei Arbeiten, in denen er eine Reihe neuer Gattungen
aufstellte, von den lepidonotinen Formen Alentia und Lepida-
sthenia, besonders aber der Harmothoinen. Grube (1875) löste
sämtliche Gattungen auf und ließ nur Polynoe s.1. und @astro-
lepidia bestehen. Er hat also in der Gattung Polynoe eine un-
geheure Menge von Arten, die er in besondere Gruppen teilt
und dazu vornehmlich die Gattungscharaktere verwendet. Seine
. Beschreibungen, die er in den kleineren Arbeiten gibt, sind jedoch
meist ungenügend, und es ist unmöglich, verschiedene Arten,
auch denen von Schmarda in meiner Arbeit eine bestimmte
Stellung anzuweisen. Clapare&de (1868/70), The&el (1879),
G. A. Hansen (1882) und Levinsen (1883) behielten nur eine
Gattung, Polynoe, mit Ausnahme des letzteren, der aber wiederum
dadurch einen Fehler beging, daß er Harmothoine und Lepi-
donotine zusammenwirft, indem er die Gattung Nychia (Gattyana)
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 3
auflöst und die Arten zu Lepidonotus stellt. 1885 erschien das
Werk Me Intosh’s über die Polychaeten der ‚„Challenger‘-
Expedition, indem er mehrere neue Gattungen aufstellt, jedoch
ohne besondere Gattungsdiagnosen zu geben. Von Darboux
(1900) erschien dann eine Arbeit über die Aphroditidae s.l. In
seinem systematischen Teil bringt er Diagnosen, die oft gar nicht
auf die Arten, welche die Typen der neuaufgestellten Gattung
sein sollen, passen. Dann zieht er wohldefinierte Gattungen
(Lepidonotus, Halosydna, Alentia) zusammen zu einer Gattung.
Dies rührt jedoch davon her, daß ihm anscheinend Untersuchungs-
material fehlte. In demselben Jahr erschien noch eine Mono-
graphie der „British Annelids“ von Mc Intosh, der von den
Polynoiden der Britannien umgebenden Meere vorzügliche Be-
schreibungen geliefert hat. Dann habe ich noch einige Forscher
zu erwähnen, Ehlers, Augener, de St. Joseph, Benham,
Gravier und Fauvel, die in mehreren Arbeiter die Polynoiden
berücksichtigt haben.
Lebensweise. Die Polynoiden sind errante, d.h. nicht an
einen Ort gebundene Formen, die entweder im Littoral oder
Abyssal leben. Auf die Horizontal- und Vertikal-Verbreitung
komme ich noch später zu sprechen. Dem Pelagial gehören
von diesen Formen nur die Larvenformen an. Deshalb betrachte
ich auch die pelagisch lebenden Formen der Gattungen Drieschva
und Nectochaeta als Larvenformen. Die Bewegung der aus-
gebildeten Tiere geht wahrscheinlich so vonstatten, daß der
Körper sich durch die Längsmuskulatur zusammenzieht, dann
sich das Tier mit dem hinteren Körperende festsetzt und durch
Erschlaffung der Muskulatur das Vorderende vorschiebt, oder
auch so, daß der Körper durch die mit Borsten bewaffneten
Parapodien vorwärts geschoben wird, und zwar schlängelnd,
sodaß nicht die vorderen und hinteren Parapodien einer Seite
zugleich wirken. Für diese Fortbewegungsart spricht sehr die
Abnutzung der unteren ventralen Borsten, die man sehr gut
bei solchen Tieren sehen kann, die zweizähnige Ventralborsten
besitzen. Diese Fortbewegungsart gilt jedoch wohl nur für die
weniggliedrigen Formen, wie Lepidonotus, Hermenia usw. Die
aus vielen Segmenten zusammengesetzten Polynoiden, wie Lepv-
dasthenia, bewegen sich auch schwimmend fort, d.h. im Wasser
schlängelnd und kommen dadurch wesentlich schneller vorwärts
als durch Kriechen.
Kommensalismus. Kommensalen findet man in zwei Lepi-
donotinengattungen. Es ist Lepidametria und Halosydnoides.
Die erstere ist ein Kommensal anderer polychaeter Anneliden
und zwar sedentärer. Die Arten dieser Gattung leben in den
Röhren mit den anderen Bewohnern. Lepidametria commensalis
z.B. lebt in der Röhre von Amphitrite ornata. Halosydnoides
vittata dagegen wurde in den Ambulakren von Asteriden gefunden
und lebt daher ähnlich wie Acholoe astericola.
1* 11 Heft
4 Hans J. Seidler:
Körpergestalt. Der Körper der Lepidonotinen ist länglich
eiförmig bis lang gestreckt, je nach der Zahl der Segmente. Sie
erreichen jedoch nur in den seltensten Fällen eine Länge von 25 cm.
Segmentzahl. Die Segmentzahl schwankt bei den einzelnen
Gattungen und Arten sehr. Jedoch kann man für die Lepidono-
tinae, wenn man die unter besonderem Namen beschriebenen
Larvenformen ausschaltet, eine untere Grenze angeben, und
zwar 27 einschließlich Tentakulareirrensegment und Pygidium.
Eine obere Grenze festzusetzen hat keinen Zweck, da die Lepi-
dasthenia- und besonders die Lepidametria-Arten in der Segment-
zahl sehr variieren. Jedoch möchte ich hier sagen, daß die Zahl
200 sicherlich nicht die höchste ist.
Färbung. Auf die Färbung der Lepidonotinen hier einzugehen,
lohnt wenig, da näheres bei den einzelnen Arten gesagt wird.
Hier aber möchte ich gleich feststellen, daß auf die Färbung °
kein systematischer Wert gelegt werden darf.
Phosphoreszenz. Ein Leuchten der Polynoiden ist bis jetzt
nur bei den harmothoinen Formen nachgewiesen. .
Autotomie. Autotomie ist sehr häufig beobachtet worden,
sei es durch das Abwerfen der Elytren, Dorsaleirren oder Ten-
takel, sei es durch das Abfallenlassen des hinteren Körperendes.
Regeneration. Abgeworfene oder abgerissene Teile regene-
rieren sich sehr bald. Oft werden Tiere mit einem äußerst kurzen
Hinterende gefunden, das sich deutlich von dem übrigen Körper
absetzt oder Elytrenpaare, von denen das eine Elytron groß,
das andere indes sehr klein ist. Auch bei den Tentakeln habe ich
es bemerkt. Findet man Tiere mit abgebrochenen Hinterteilen,
die sich regeneriert haben, so bemerkt man, daß die neuen Segmente
verhältnismäßig schmäler und auch kürzer sind als die anderen.
Das gleiche gilt auch von den Elytren und Dorsaleirren, jedoch
sonderbarerweise nicht von den Analeirren, die ihre gewöhnliche
Länge viel schneller erreichen, als die benachbarten Dorsaleirren
der abgebrochenen Segmente. Es ist nicht bekannt, welche
Ursache dies hat; eines steht jedoch fest, nämlich daß die Anal-
cirren eine bestimmte und vor allem wichtigere Funktion haben
als die Dorsaleirren.
Anomalien. Anomalien findet man überall, sei es am Kopf,
sei es am Körper. In manchen Fällen habe ich bemerkt, daß
ein Tentakel samt Basalglied vollkommen fehlte, und auch der
Kopf keine Abbruchstelle zeigte. Bei einem Lepidonotus oculatus
. fand ich auf dem hinteren Teil des Kopfes zehn Augen, die außer
vier nicht in Paaren standen. Ihre Entstehung ist sicherlich auf
die Teilung der zwei Paar Augen zurückzuführen.
Den Körper kann man in drei Regionen einteilen, und zwar:
Kopf (prostomium), Rumpf (soma) und Analsegment (pygidium).
Die zweite Region, das Soma, besteht hier aus gleichartigen
Ringen, Segmenten oder Somiten, von denen sich vor allem
das erste Segment von den übrigen deutlich in verschiedener
Hinsicht unterscheidet.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 5
Kopf. Der Kopf wird an der hinteren und der rechten und
linken Seite regelmäßig von dem ersten Segment umgeben.
Oft wird er sogar an seinem hinteren Teil von diesem bedeckt,
sodaß es Mühe macht, diesen Teil des Kopflappens freizulegen.
Er hat eine rundliche bis sechseckige Gestalt und ist meist breiter
als lang, selten ebenso breit wie lang oder gar länger als breit.
An den seitlichen Rändern ist er meist abgerundet, konvex,
ebenso vorn, an der hinteren Seite konkav. Die vorderen seitlichen
Ränder sind in die Basalglieder der Lateraltentakel ausgezogen.
Bei den Harmothoinen dagegen entspringen die Basalglieder
der Lateraltentakel unterhalb des vorderen Randes und bilden
dann meist Kopfspitzen aus. Dies ist das Hauptunterscheidungs-
merkmal zwischen den Lepidonotinen und den Harmothoinen.
Als Anhänge an den Kopf sind bekannt der unpaare Median-
tentakel, die paarigen Lateraltentakel und die paarigen Palpen
(Fig. 21-u. 22 p. 210).
Tentakel. Die Tentakel sitzen auf Kopfausläufern, die hier
alle in gleicher Höhe stehen. Die Basalglieder sind meist sehr
kurz und werden nicht größer als die Länge des Kopflappens
beträgt. Das Basalglied des Mediantentakels entspringt aus einer
halbmondförmigen Vertiefung des vorderen Kopfrandes in der
Mitte zwischen den beiden Basalgliedern der Lateraltentakel.
Es ist gewöhnlich etwas länger und kräftiger als die der Lateral-
tentakel. Die Tentakel selbst sind sehr verschieden lang, sodaß
ich in dieser Hinsicht auf die Artbeschreibungen hinweisen muß.
Gewöhnlich sind sie zunächst vollkommen zylindrisch oder
gehen sehr langsam der Spitze zu; vor dieser aber zeigen sie „ft
eine Anschwellung, auf welche ein mehr oder weniger langer
Endfaden folgt. Die Lateraltentakel sind gewöhnlich kürzer
als der mediane, seltener sind sie gleich lang.
Palpen. Die sehr kräftigen Palpen entspringen unterhalb
des Kopflappens. Sie sind länglich konisch und dicker als die
Tentakel. Am distalen Ende sind sie meist stumpf und mit
einem kurzen Faden versehen. Oft bemerkt man auf ihnen
mehrere Längsreihen von kleinen konischen Papillen. Die Basıl-
glieder sind sehr kurz und ragen nicht hetvor.
Augen. Auf dem Kopflappen findet man in der Regel zwei
Augenpaare, von denen das vordere meist in der queren Mittel-
linie an den seitlichen Rändern, während das andere am hinteren
Rande liegt. Die vorderen Augen sind meist größer als die Finteren,
wenn auch der Unterschied nicht sehr bedeutend ist. Bei einigen
Formen, wie z. B. Bathynoe fehlen die Augen. Dies ist jedoch
erst sekundär entstanden, da das Tier in bedeutenden Tiefen
lebt, also ein Anpassungsmerkmal ist, das für die Systematik
nicht verwendet werden darf.!) Die Augen sind meist rund,
selten oval. Ein Querschnitt zeigt uns den Aufbau. Bedeckt
!)s. Kükenthal: Versuch zur Aufstellung eines natürlichen Systems
der Oktokorallen. Ber. d. k. Ak. d. Wiss. Berlin 1921. 11. Heft
6 Hans J. Seidler:
wird das Auge von einer Cuticula. Die darunterliegende Epidermis
ist‘ eingebuchtet und in Sehzellen umgewandelt. Die Zellen
sind sehr lang-gestreckt und der mittlere und hintere Teil ist
von einem schwärzlichen Pigment ausgefüllt, während der vordere
von diesem vollkommen freibleibt. Zwischen diesem farblosen
Teil der Zellen, dem äußeren Teil und der Cuticula findet man
unregelmäßig verstreute polygonale Körperchen, die man dem
Glaskörper der Wirbeltieraugen eier ie kann. Von dem
hinteren oder inneren Teil der Seh-(Retina-)zellen gehen Nerven
aus, die sich dann zu einem Sehnerv vereinigen.
Mund. Der Mund wird vom Kopflappen, dem Prostomium
bedeckt und liegt ventral. Zum Erfassen ihrer Beute, die Poly-
noiden sind ebenso wie alle erranten Polychaeten Raubanneliden,
dient ihnen ein vorstreckbarer, stark muskulöser Rüssel, der an
seinem vorderen Ende eine Anzahl von konischen Papillen ‚rägt,
die in verschiedener Zahl vorhanden sind und außerdem mit
zwei Paar kräftigen braunen Kieferen bewaffnet ist.
Soma. An den Kopf setzen sich die Segmente an, von denen
sich besonders das erste, aber auch das zweite von den übrigen
unterscheidet. Der Rücken besitzt Ausstülpungen, die ver-
schiedener Natur sind und zwar Elytrophoren mit den daran-
hängenden Elytren, Cirrophoren mit Cirren und bei manchen
Formen Branchialfortsätze. An der Ventralseite finden sich eben-
falls Cirren.
Parapodien. An den Seiten finden sich die Parapodien,
die immer in zwei Äste geteilt sind, die Dorsal- und Ventral-
Aste. Jeder dieser Äste führt im Innern eine Stützborste, das
Aciculum, das meist sehr kräftig ist und die Aufgabe hat, den
Rudern einen festen Halt zu geben. Aus dem Parapodium treten
die Borsten in zwei Bündeln aus, und zwar das Dorsalbündel
in Form eines Kegels, sodaß die Borsten von einem Punkt aus-
zugehen scheinen, während die Ventralborsten so liegen, daß
ihre Spitzen eine langgestreckte Ellipse bilden.
Dorsalborsten. Die Dorsalborsten sind, wenn sie nicht gänzlich
fehlen, meist fein, kurz nach ihrer Austrittstelle aus dem Parapod
verdickt, von wo aus sie dann gleichmäßig und allmählich der
Spitze zugehen. Von der Verdickungsstelle an sind sie bis zur
Spitze mit feinen transversalen Dornenreiben versehen, deren
Dornen eine sehr verschiedene Ausbildung zeigen. Bei der Unter-
gattung Thormora findet man jedoch noch eine zweite Art von
Dorsalborsten, die vollkommen glatt sind. Ihre Verdiekungs-
stelle findet man mehr nach der Spitze hin verlegt, sodaß die
Borsten eine mehr lanzettförmige Gestalt annehmen.
Ventralborsten. Die Ventralborsten sind wesentlich stärker
als die dorsalen und sind bei den Polynoiden sämtlich einfach,
nicht zusammengesetzt wie bei den Sigalioniden. Sie sind, aus-
genommen die des ersten und zweiten Parapods, zunächst zy-
lindrisch, schwellen dann in der distalen Hölfte der Borste oder
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. y
dem Drittel, je nachdem die Borsten im oberen oder unteren
Teil liegen, etwas an, biegen sich dann mehr oder weniger stark
nach rückwärts, und gehen dem etwas nach vorn gebogenen Ende
spitz zu. Von der Verdickungsstelle an zeigen die Borsten bis
fast zur Spitze hin, die immer glatt bleibt, Dornenreihen, deren
Dornen besonders stark an der Vorderseite entwickelt sind.
Die einzelnen Dornen können verschieden ausgebildet sein;
sie sind teils ziemlich fein, teils breiter, dadurch daß sie eine
mehr sägeblättrige Form annehmen. Die ersten Zähne des distalen
Endes der Ornamentierung sind gewöhnlich stärker als die anderen.
Bei der Untergattung Euphione finden sich statt der Zähne
feine Härchen, die ganz dıcht aneinander stehen. Das was ge-
wöhnlich als Zähne oder Dornen bezeichnet wird, sind feine
Lamellen, die fast rings um die Borste gehen, den Linteren Teil
aber frei lassen und an ihrem oberen Rande geschlitzt sind. An
der Spitze kann die Borste ein- oder zweizähnig sein. Bei den
letzteren bildet sich nämlich noch unterhalb der primären Spitze
eine unpaare sekundäre aus, die aber an den unteren Ventral-
borsten abgeschliffen sein kann. Die Ventralborsten des zweiten
Segments sind oft feiner als die dorsalen und zeigen einen ziemlich
deutlichen Übergang von den dorsalen zu den Ventralborsten.
Die Ornamentierung und die Verdickung beginnt viel früher,
als bei den anderen Ventralborsten. Die Borsten des ersten
Segments, der Tentakulareirren sind äußerst fein und lang.
Cirren. Ventraleirren finden sich an allen Segmenten; sie
sind jedoch, abgesehen von denen des ersten und zweiten Segments,
sehr kurz und überragen sehr selten das Parapodium. Die Ventreal-
cirren des zweiten Segments (Buccaleirren) (Kbg.) sind länger,
nach vorn gerichtet und zeigen denselben Habitus, wie die Dorsal-
eirren. Die des ersten Segments, die den Dorsaleirren im Habitus
sehr ähnlich sind, und im großen Ganzen meist den Tentakeln
ähneln, haben mit jenen das Basalglied gemeinsam. In diesem
findet sich regelmäßig ein Aciculum. Bei einer Gattung, Bathynoe,
fehlen ausgenommen am ersten und zweiten Segment, die Ventral-
eirren vollkommen. Die Dorsaleirren finden sich, abgesehen
von einigen Arten, die eine Unregelmäßigkeit in der Verteilung
der Rückenanhänge zeigen, regelmäßig paarig angeordnet auf den
Segmenten, die keine Elytren tragen. Sie ähneln im Habitus
sehr den Tentakeln.
Zum besseren Verständnis der einzelnen Namen, den die
verschiedenen Autoren den Kopfanhängen usw. gegeben haben,
füge ich hier eine Tabelle ein, aus der die Synonymie hervorgeh:
Tabelle I).
Elytren. Dorsaleirren und Elytren stehen zueinander, wie
ich schon oben anführte, in gewisser Beziehung, und zwar dadurch,
daß an den Segmenten, an denen sich Dorsalcirren befinden,
keine Elytren zu bemerken sind, und es ist deshalb die Frage
aufgetaucht, sind Dorsaleirren und Elytren homologe Bildungen.
ıl, Heft
‘Hans J. Seidler
Audouin und
Tabellel.
Synonymie der Körperanhänge.
uatrefages f Kinber Grube Haswell Augener i
Q ges Mile Rdw g ge Seidler
Antenne Antenne impaire Tantıaninm Tentaculum Mesial praesto- Mitteltühler Mediantentukel
mediane Ant. mediane impar mial tentacle
Antennes Antennes Antennae Tentacula Lateral Bar Seitenfühler Lateraltentakel
laterales mitoyennes media mial tentacles
Tentacules Antennes Palpi Tentacula Inner peristo- Palpen Palpen
inferieurs externes lateralia mial tentacles
Tentacules Cirrhes Cirrhi tenta- Cirrhi Outer peristo- Beefelsner Tentakular-
superieurs tentaculaires culares tentaculares mial tentacles zirren
Cirrhes Cirrhes Cirrhi buc- Ventralzirren Ventralzirren
tentaculaires tentaculaires cales d. 2. Segments d. 2. Segments
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 9
Die beiden Arbeiten, um die es sich hier handelt, sind die von
Darboux (1898) und von Duncker (1905), von denen der erste
die Homologie verneint, der andere aber das Gegenteil behauptet.
Die Frage ist wohl noch nicht völlig geklärt und man kann für
beide Ansichten am ausgebildeten Tier Positives und Negatives
finden. NE ”
Die Anordnung der Elytren ist bei den Lepidonotinen in der
vorderen Körperregion so, daß sie sich auf folgenden Segmenten
finden: 2, 4,5, 7,9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23. Vom 24sten Segment
anist die Verteilung in den einzelnen Gattungen eine verschiedene,
und ich weise deshalb auf die einzelnen Gattungsdiagnosen hin.
Gewöhnlich finden sich die Elytren paarweise angeordnet, doch
kann es vorkommen, daß ein Segment auf der einen Seite einen
Cirrus auf der anderen Seite ein Elytron trägt. Die Schuppen
können rund, kurz oder länglich eiförmig oder nierenförmig sein,
gefranst oder ungefranst. Die Elytren des zweiten Segments
sind meist rundlich, während die anderen oft eine mehr in die
Länge oder Breite gestreckte Gestalt aufweisen. Sie können
auch verschieden orientiert sein, denn bei einigen sind sie länger
als breit, bei anderen breiter als lang. An dem Rand besitzen
sie oft Fransen, lange oder kurze fadenförmige Papillen, die
sich meist am Außenrande, weniger auch am Hinterrande be-
finden, doch kann man sogar Elytren antreffen, die auch am
Vorderrande und sogar, was nur in den seltensten Fällen vor-
kommt, am Innenrande gefranst sind. Auf den Elytren bemerkt
man Papillen, die je nach der Art verschieden ausgebildet sind
und auf den vorderen stärker entwickelt sind als auf den hinteren
Paaren. Oft erreichen die Papillen eine ansehnliche Größe (Her-
menva) und sind für die Art charakteristisch, sodaß schon an
diesem die Spezies erkannt werden kann. Die Elytren können
auch eine verschiedenartige Konsistenz zeigen. Entweder sind
sie äußerst dünn und zart, sodaß sie den Rücken keinen Schutz
mehr bieten können, oder sie sind fest und stark, mit kräftigen
sogar mit chitinartigen Auflagerungen versehen, die das Tier
vorzüglich schützen können (Euphione und Ühaetacanthus).
Je nachdem die Elytren kleiner oder größer sind, bedecken sie
den Rücken vollständig oder lassen den medianen Rückenteil
frei. Oft sind sie sogar so klein, daß sie nicht einmal imbrikat
sind, d.h. sich nicht von vorn nach hinten decken, wie das bei
den Gattungen Lepidasthenia und Hermenia der Fall ist. Bei der
Gattung Gastrolepidia findet man’ an allen Segmenten sogar
an der Ventralseite Lamellen. Ob dies aber dieselben Bildungen
sind, wie die Elytren der Dorsalseite, bedarf noch einer ein-
gehenden Untersuchung. Bei einer Art (Euphione lobulata) be-
finden sich an den eirrentragenden Segmenten Ausstülpungen,
die elytrenförmig gestaltet sind und auch deren Aufbau zeigen.
Welche Bewandtnis diese Bildungen haben, konnte ich nicht
entscheiden. n
11.Heft
10 Hans J. Seidler:
Pygidium. Als letzter Teil des Körpers bleibt noch das
Pygidium übrig, das keinerlei Borsten trägt. In ihm befindet
sich der Enddarm, mit dem sich stets dorsal öffnenden Anus.
Hinter diesem finden sich die beiden Analcirren, die denselben
Habitus aufweisen, wie die Deorsaleirren, jedoch gewöhnlich
etwas länger sind. Ich möchte hier darauf hinweisen, daß das
Pygidium kein Segment ist. Denn die Segmente gehen aus dem
Mesodermstreifen hervor, der sich zwischen dem Pygidium und
dem Kopf bildet. Die neuen Segmente bilden sich immer am
Hinterrande des Körpers, d.h. zwischen dem jeweils letzten
Segment und dem Pygidium. Es geht also schon daraus hervor,
daß es kein Segment sein kann.
Kiemen. Branchialfortsätze finden sich bei der Gattung
Chaetacanthus und der Untergattung Euphione. Diese Haut-
ausstülpungen sind schlauchförmig und am Grunde nicht mit-
einander verwachsen und finden sich vom vierten bis drei-
undzwanzigsten Segment an den Elytrophoren und proximal
von den Cirrophoren. Bei einer Art der Untergattung Euphione
befinden sie sich sogar in der Nähe der Medianlınie.
Entwicklungsgeschichte,.
Von der Entwicklungsgeschichte der Lepidonotinen, ja der
Polynoiden überhaupt wissen wir äußerst wenig. Bekannt sind
nur einige Stadien der Entwicklung unter den Namen Necto-
chaeta und Dhieschia, jedoch ohne zu wissen, zu welchen Arten
sie gehören. Drieschia elegans ist sicherlich ein Larvenstadium
der im Mittelmeer lebenden Lepidasthenia elegans. Ebenso wird
Drieschiw pelagica eine Larvenform einer Lepidasthenia des
tropischen Indic sein. Anders liegt der Fall bei Drieschia melano-
stoma. Ich glaube nicht mit Unrecht annehmen zu dürfen, daß
diese Art ein Entwickelungsestadium von Alentia gelatinosa, oder
einer in Westindien lebenden Halosydna ist, denn die Larve
wurde im Bereiche des Golfstroms gefangen. Das gleiche gilt
auch für die von Moore beschriebene Art Drieschia pellucida.
Was die andere Gattung, Nectochaeta, anlangt, so ist bei dieser
noch nicht festzustellen, zu welchen Gattungen sie gezählt werden
kann, da eine Differenzierung, wie sie bei Drieschia zu erkennen
ist, hier noch nicht sichtbar ist.
Etwas mehr bekannt ist die Entwicklung von Lepidonotus
squamatus. Bekanntlich tritt bei den Polychaeten nach der
Befruchtung der sogenannte Spiraltypus der Furchung auf.
Von Lepidonotus squamatus sind allerdings die ersten Entwicklungs-
stadien nicht bekannt, wohl aber von Harmothoe imbricata, einer
Form, die zur Unterfamilie der Harmothoinae gehört, und ich
glaube nicht, daß die beiden Formen sich in den ersten Stadien
stark unterscheiden.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 11
Im Winter und Frühjahr, im Januar oder Februar, bemerkt
man bei Polynoiden, daß die Parapodien der weiblichen Exemplare
eine gelbe Farbe angenommen haben und sehr stark sind. Schneidet
man ein Parapod ab, so fallen aus diesem eine Unmenge kleiner
Kügelchen von gelblicher Farbe heraus, die Eier. Etwas später,
vielleicht im März oder April, bemerkt man bei dem Weibchen
eine sonderbare Erscheinung. Hebt man nämlich die Elytren
in die Höhe, so bemerkt man darunter eine Unmenge kleiner
Kügelchen, die bei genauerer Ansicht als Trochophora-Larven
(Trochosphaeren) zu erkennen sind. Wie sich diese Larven an
dem Rücken festhalten, ist unbekannt. Ein Festhalten muß
jedoch stattfinden, da dort beständig Wasser hindurchströmt.
Es ist dies hier eine ähnliche Brutpflege, wie wir sie von einem
Egel, @lossosiphonia, kennen. Jedoch wird auch von freilebenden
Trochophoren berichtet. Die Brutpflege kommt vielleicht nur
verschiedenen Gattungen oder Arten zu.
Die männlichen Genitalorgane enthalten im Januar oder
Anfang Februar reife Spermatozoen. Die vom Lepidonotus
squamatus besitzen einen fast rundlichen Kopf, an dem sich ein
etwa fünf bis sechs mal so langer dünner Schwanzfaden anschließt.
Die Spermatozoen von Harmothoe inbricata dagegen haben ein
vollkommen anderes Aussehen. Der Kopf ist stark in die Länge
gezogen, am vorderen Ende fast spitz zu nennen, während er nach
dem hinteren Ende zu sich allmählich verbreitert. Der Schwanz-
faden ist vielleicht doppelt so lang wie der Kopf.
Die Trochophora-Larven sind fast kugelförmig, an beiden
Seiten stumpf konisch und mit einem Wimperkranz besetzt.
In den ersten Stadien sind die Wimpern als einfache Striche
zu erkennen, bald aber ändern sie sıch, indem ihr Grundteil
sich mit einem dicken Mantel umgibt, sodaß fast die Hälfte
in dem Mantel steckt (Harmothoe imbricata Me Int.).
Wie bekannt besteht die Trochophora aus zwei Teilen.
Der obere, vordere Teil ist kleiner als der andere. In dem oberen
bemerkt man zwei paar deutliche Augenflecken, neben diesen
aber noch accessorische Pigmentfleckchen. Der Mund ist weit
geöffnet und mit einem oralen Wimperkranz versehen. Auf der
oberen und unteren Hälfte bemerkt man in der Nähe des Trochus
je zwei Pigmentreihen. Später spitzt sich die untere Hälfte
etwas mehr zu, und es bilden sich die Stümpfe der Analeirren aus.
Bald darauf entstehen auch die Segmente und mit ihnen die
Parapodien samt Borsten. Der Wimperkranz ist immer noch
vorhanden. Am vorderen Ende, also am oberen Teil der Trocho-
phora, der Scheitelplatte, bemerkt man jetzt einen Wimper-
schopf. Der durchscheinende Darm ist gerade gestreckt. Die
Borsten sind einfach zylindrisch mit einem Zahn am Ende und
einem abgebogenen schrägen Stück. Auf den Parapodien bemerkt
man dann noch Hautausstülpungen, die ersten Stadien der
11. Heft
12 | £ Hans J. Seidler:
Elytren. Der Mund sieht immer noch dem der Trochophora
sehr ähnlich und ist breit und weit geöffnet.
Als nächstes Stadium ist eine sieben- bis achtgliedrige Larve
bekannt. Dieses Tier ist einschließlich der Borsten breiter als
lang, diese und die Parapodien ausgenommen, etwa 21/,mal
solang wie breit. Der Kopfist vom Körper durch eine Einschnürung
nicht abgesetzt, wohl aber durch seine bläuliche Färbung und
einen dunklen Streifen, während der Körper selbst farblos ist.
Der vordere Rand ist gerade, ohneirgend eine Spur eines Tentakels.
Die seitlichen Ränder divergieren nach hinten zu zum ersten
Parapod. Auf dem Kopflappen bemerkt man jederseits im vorderen
Teil einen länglichen gelblichen ovalen Fleck, der je ein hinter-
einander liegendes Paar Augen trägt. Diese sind auf der Unter-
seite des Kopfes ebenfalls zu erkennen, und zwar als hufeisen-
förmig gebogener schwarzer Fleck. Quer über dem Rücken ziehen
intersegmentale dunkle Streifen, während auf der Unterseite
die Segmente deutlich durch Querfurchen getrennt sind. Der
Rücken trägt auf dem zweiten, dritten, fünften und siebenten
Segment je ein paar Elytren, die den Körper nur zum Teil bedecken,
und vollkommen durchsichtig sind, keine Fransen oder Papillen
aufweisen und ähnlich denen von Lepidasthenia sind. Am Körper-
ende bemerkt man die Anfänge der Analcirren. Dorsal- und
Ventraleirren sind überhaupt noch nicht zu bemerken. Sehen
wir uns ein etwas späteres Stadium an, so bemerken wir, daß
sich zunächst zu den zwei Augenflecken jederseits noch ein Fleck
hinzugesellt hat, und daß sich allmählich die Parapodien von dem
Körper abzusetzen beginnen. Trotzdem die Larven sich in der
Segmentzahl nicht vermehrt haben, bemerkt man aber, daß der
hintere Teil des Körpers sich dem vorderen gegenüber bedeutend
verschmälert hat. Eine Ausbildung von Anhängen ist noch nicht zu
bemerken. An den Elytren gewahrt man jedoch eine Veränderung.
Sie sind widerstandsfähiger und am äußeren Rande finden sich
kurze Papillen und die Oberfläche ist gefeldert, wie von Papillen.
Die Zahl der Segmente bleibt auch in den beiden nächsten Stadien,
die wir kennen bestehen, und ich glaube, daß bei dieser Segment-
zahl das Tier im großen und ganzen vollkommen ausgebildet
wird, und daß dann erst eine Vermehrung der Segmente eintritt.
Der Körper selbst ist im vorderen Teil noch frei und geht nach
hinten zu im Bogen schmal zu. Im ersten Parapod bemerkt
man nur ein deutliches Asiculum und zwei gebogene Borsten.
. Die anderen Parapodien enthalten im dorsalen und im ventralen
Ast Borsten, von denen der dorsale feine dünne enthält, während
der ventrale kräftige und mehr gesägte aufweist. Der Kopf ist
breit, jedoch bemerkt man an ihm accessorische Augenflecke,
Pigmentflecke in den vorderen äußeren Teilen des Kopfes und
die Anlage der Palpen. In dem anderen Stadium bemerkt man,
daß der Kopf sich deutlich vom Körper abgesetzt hat. Er ist
rundlich und durch eine mediane Längsfurche, die im hinteren
Be
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 13
Teil deutlich zu sehen ist, in zwei Teile geteilt. Die vorderen
seitlichen Ränder laufen in zwei Spitzen aus, die Anfänge der
Lateraltentakel. Unter dem Kopf ragen die dicken kräftigen
Palpen hervor, die konisch sind. Im hinteren Teil des Kopfes
bemerkt man zwei Paar Augen. Die Ränder des Körpers selbst
gehen zunächst parallel, dann aber konvergieren sie gegen das
Ende hin. Die Dorsalborsten sind fein und lang und mit deutlichen
Borstenreihen versehen; die Ventralborsten sind kräftig, einspitzig,
und die Region der Zähnchenreihen ist kürzer als bei den dorsalen.
Es fehlen jetzt nur noch der Mediantentakel und die Dorsal-
und Ventraleirren. Ein späteres Larvenstadium dieser Art ist
leider nicht bekannt. :
Phylogenie.
Da uns sehr viele Faktoren, die zur Aufstellung eines natür-
lichen Systems der Polynoiden notwendig sind, fehlen, so darf
das System, das ich im folgenden aufstellen will, keinen Anspruch
darauf erheben, ein solches zu sein. Es fehlen uns die Palaeonto-
logie, die Ontogenie, die Biologie, die Anatomie.
Die Polychaeta elytrophora, wie ich die Polychaeten nennen
will, die früher zur Familie der Aphroditidae zusammengefaßt
wurden, sind sicherlich aus Formen hervorgegangen, die das
Bestreben hatten, irgend etwas auszubilden, daß dem Tier einen
gewissen Schutz bot, und zwar, da die Ventralseite durch das
Aufliegen auf dem Boden und durch das Kriechen sowieso schon
kräftig genug sein mußte, dies darin versuchten, Schuppen auf
dem Rücken zu bilden, die dem Tiere aber noch die Möglichkeit
ließen, die Rückenhaut, die sie dann weniger kräftig ausbildeten,
als Atmungsorgan zu gebrauchen. Auf diese Weise entstand
diese Gruppe. Als ein Zweig, vielleicht als ältester, sind die
Polynoidae zu betrachten, denn die anderen Familien zeigen
schon Merkmale, die auf eine höhere Entwicklungsstufe schließen
lassen. Als ursprünglich betrachte ich nun die Formen, die wenig-
segmentig sind und sich dadurch nur sehr langsam mit Hilfe
ihrer Parapodien fortbewegen können. Es ist also zu natürlich,
daß dann die Parapodien eine starke, kräftige Ausbildung erfahren
müssen. Später versuchten dann die Lepidonotinen sich in
einer Richtung weiter auszubilden, und zwar verlängerten sie
ihren Körper, um nicht allein auf das Kriechen als Bewegungsart
angewiesen zu sein, sondern mit Hilfe einer großen Segmentzahl
eine im Wasser schlängelnde Bewegung zu erhalten. Es mußte
sich aber auch zu gleicher Zeit erwiesen haben, daß der Schutz,
den die Elytren dem Rücken boten, doch wenig Zweck hat, denn
sie werden mehr und mehr rudimentär. Dadurch aber, daß die
Tiere sich teilweise im Wasser schlängelnd fortbewegen, werden
auch die Parapodien rückgebildet, da sie doch nicht mehr den
Zweck erfüllen, wie bei den phylogenetisch älteren Formen.
Es ergibt sich dadurch eine deutliche und gut erkennbare Reihe,
11. Heft
14 Hans J. Seidler:
die in den Haupttypen Lepidonotus- Halosydna- Lepidasthenia
zum Ausdruck gebracht wird.
Für die ursprünglichste Gattung halte ich also Lepidonotus,
einerseits wegen der Einfachheit desäußeren Aufbaues, andererseits
aber auch wegen ihrer weiten Verbreitung. Die beiden Para-
podialäste sind nur mit wenigen Ausnahmen (2) mit Borsten
versehen, die einfach gestaltet sind; die Segmentzahl ist eine kleine,
und die Elytren sind auch hier das, was sie sein sollen, ein Schutz
des Rückens.
Von dieser Gattung gingen dann mehrere Zweige ab, und
zwar legte der eine Zweig Wert auf die Ausbildung eines starken
Dorsalastes, der andere dagegen auf die Ausbildung von Respi-
rationsorganen, der dritte legte Wert auf Ausbildung des Inte-
guments, der vierte dagegen auf eine andere Fortbewegungsart
und mithin auf Verlängerung des Körpers. — Der erste Zweig
mit der Untergattung Thormora bildet neben den gewöhnlichen
Dorsalborsten noch eine zweite Art. Der Zweck ist unbekannt.
— Der zweite Zweig.bildete Kiemen, Branchialfortsätze, die sich
am Rücken finden, jedoch vollkommen anders gestaltet sind,
als die der anderen Familien, also mit diesen gar nichts zu tun
haben. Es ist die Gattung C'haetacanthus. Darüber hinaus
bildete sich noch eine Untergattung aus, die Wert auf kräftige
Elytren legte und außerdem die Borsten, sowohl die ventralen
als auch die dorsalen etwas modifizierte, Euphione. — Den
dritten Weg schlug die jetzige Gattung Hermenia ein, indem sie
die Rückenhaut so auszubilden versuchte, daß sie keinerlei
Schutzes mehr bedarf; die Elytren verloren dadurch an Wert
und wurden rudimentär. Zugleich aber gingen die Dorsalborsten
verloren, und die Ventralborsten wandelten sich etwas um. —
Der vierte Zweig ist ein Hauptzweig, den alle anderen Gattungen
gegangen sind, besser gesagt, eine Gattung, aus der heraus sich
die anderen entwickelt haben.
Als nächst älteste Gruppe gilt die Halosydna-Gruppe, zu
denen ich die Gattungen Parahalosydna, Halosydna, Halosyd-
noides, Hyperhalosydna, Hololepida und Alentia rechne. Para-
halosydna und Halosydna hängen etwas enger zusammen und
gelten als älteste Gattungen dieser Gruppe. Parahalosydna
scheint den Übergang von Lepidonotus zu Halosydna zu bilden,
da sie 34 Segmente und 15 Elytrenpaare besitz... Der dorsale
Parapodialast ist nicht sehr gut entwickelt. Halosydna mit
37 bezw. 45 Segmenten und 18 bezw. 21 Elytrenpaaren zeigt
auch in anderer Hinsicht eine Weiterentwicklung, nämlich darin,
daß der Dorsalast rudimentär wird, jedoch immer noch Borsten
enthält. Halosydnoides und Hyperhalosydna sind
Gattungen, die den Übergang von Halosydna zu Lepidasthenia
bilden. Während bei der ersteren noch in den vorderen Para-
podien Dorsalborsten vorhanden sind, fehlen sie bei der anderen
schon vollkommen. Die Segmentzahl schwankt zwischen 45
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 15
und 60. Etwas aus dem Rahmen fällt Hololep:da und die mit
ihr nahe verwandte GattungAlentia. DieBorsten dieser Gattungen
sind vollkommen verschieden von allen anderen dieser Gruppe.
Ebenso ist der Kopf stark in die Breite gezogen und ist von einem
großen halbkreisförmigen Nuchallappen bedeckt. Die Gattungen
unterscheiden sich in ihrer Segment- und Elytrenzabl, denn
‘ Hololepida besitzt 120 Segmente, während Alentia nur 45 auf-
weist. Hololepida hat vielleicht erst später diese hohe Segment-
zahl ausgebildet. In dieser Zeit muß sich auch eine andere Gattung
abgespalten haben, Gastrolepidia. Diese Gattung versucht
auf der Ventralseite Respirationsorgane (?) zu bilden, die denen
der Phyllodociden etwas ähnlich sind. Zugleich trat eine Ver-
änderung der Borsten ein.
Als jüngste Gruppe gilt die Zepidastenia-Gruppe. Die Segment-
zahl erhöht sich, die Elytren werden noch kleiner und verlieren
ihre ursprüngliche Bedeutung vollkommen, denn sie sind zu zart,
um noch als Schutzorgan zu fungieren. Außerdem bilden sich
noch die Parapodien um, die inbezug auf den Dorsalast von
Lepidonotus über Halosydna nach Lepidasthenia eine Linie bilden,
und zwar dadurch, daß die Parapodien nur sehr wenige oder gar
keine Dorsalborsten zeigen. Lepidametria zeigt dies nicht
in solche starken Maße wie Lepidasthenia, da in jener Gattung
noch Dorsalborsten in geringerer Anzahl in den ersten Para-
podien vorhanden sind, und außerdem die Elytren nicht so klein
sind, wie es bei der anderen Gattung der Fall ist.
Ein weiteres Glied dieser Gruppe ist die Gattung Perolepis,
deren Elytren mit Ausnahme des ersten so klein geworden sind,
daß sie kaum bemerkt werden.
Unberücksichtigt bleiben hierbei zwei Gattungen, Pseudo-
halosydna und Bathynoe, die sich durch das Leben in der
Tiefsee stark verändert haben, und die ich nicht in das System
einordnen möchte, bevor sie nicht genauer bekannt sind.
System.
1. 27 Segmente, 12 Elytrenpaare.
2. Elytren normal, meist dekussat, immer imbrikat.
3. Rücken ohne Kiemenfortsätze |
4. Dorsalast nur eine Borstenart enthaltend 1. Lepidbnotus
4' Dorsalast mit zwei Borstenarten 2. Thormora
3° Rücken mit Kiemenfortsätzen
5. Ventralborsten gezähnt, keine Paraelytrophoren
3. Chaetacanthus n. g.
5° Ventralborsten gefranst, mit Paraelytrophoren
4. Euphione
2' Elytren weder dekussat noch imbrikat, Ventralborsten nur
mit einem paarigen Zahn 5. Hermena
11, Heft
16 Hans J. Seidler:
1’ Mehr als 27 Segmente und 12 Elytrenpaare.
6. 30—55 Segmente (selten mehr). Dorsalast rudimentär
werdend.
7. 15 Elytrenpaare und 34 Segmente 6. Parahalosydna
7' Mehr als 34 Segmente
8. ohne Ventrallamellen
9. nur eine Art Ventralborsten
10. 37 oder 45 Segmente mit 18 oder 21 Elytren-
paaren 7. Halosydna
10° mehr als 45 Segmente
11. Ventralborsten sehr undeutlich gezähnt,
einspitzig, scharf nach vorn gebogen;
Dorsalborsten noch in den ersten Segmenten
vorhanden 8. Halosydnoides n. g.
11’ Ventralborsten deutlich gezähnt und zwei-
spitzig; keine Dorsalborsten
9. Hyperhalosydna
9’ Mehr als eine Art Ventralborsten. Hinterkopf
von einem großen Nuchallappen bedeckt
12. aus etwa 120 Segmenten bestehend
10. Hololepida
12° Aus 45 Segmenten bestehend 11. Alentia
8’ mit Ventrallamellen 12. Gastrolepidia
6’ mehr als 60 Segmente, selten weniger; Dorsalast
rudimentär oder fehlend, Elytren sehr klein
13. Dorsalbündel rudimentär, noch in den
ersten Segmenten erhalten
13. Lepidametria
13° Dorsalbündel vollkommen fehlend
14. Elytrophoren kurz, sämtliche Era
phoren ungefähr gleich groß
14. Lepidasthenia
14' Erstes Elytrenpaar größer als die
anderen, den Kopf bedeckend. Die
übrigen winzig klein, die Elytrophoren
außer dem ersten Paar sehr lang
15. Perolepis
Unberücksichtigt bleiben die Gatlungen Bathynoe und
Pseudohalosydna als Abyssal-Formen.
| Die Familie der Polynoiden fasse ich mit anderen Familien,
wie Sigalioniden, Aphroditiden und anderen zur Gruppe der
Polychaeta elytrophora zusammen.
Die Familie teile ich nun in drei Unterfamilien, der Lepi-
donotinae, der Harmothoinae und der Iphioninae. Die letztere
unterscheidet sich von der anderen dadurch, daß der Kopf nur
zwei Tentakel trägt; es fehlt der Mediantentakel. Die Harmo-
thoinen unterscheiden sich von den Lepidonotinen durch die
Beiträge zur Kenntnis der,.Polynoiden I. At
Stellung ihrer Lateraltentakel, denn diese entspringen bei jenen
unterhalb des Vorderrandes, während sie bei den anderen direkt
aus den vorderen seitlichen Partien des Kopflappens hervorgehen.
Bestimmungstabelle der Unterfamilien.
1. zwei Tentakel. Der Mediantentakel fehlt DU. F. Iphioninae
1‘ 3 Tentakel
2. Die Lateraltentakel gehen direkt aus den vorderen seitlichen
Partieen des Kopflappens hervor U. F. Lepidonotinae
2' die Lateraltentakel entspringen unterhalb des vorderen
Kopfrandes U. F. Harmothoinae
Das Allgemeine über die Unterfamilie habe ich bereits in den
vorhergehenden Abschnitten behandelt und ich lasse jetzt die
Bestimmungstabelle der Gattungen folgen.
l. mit Bauchlamellen 12. Gastrolepidia
1’ ohne Bauchlamellen
2. 27 Segmente, 12 Elytrenpaare.
3. ohne Branchialfortsätze
4. Elytren sehr klein, Ventralborsten ohne Ornamentierung,
nur ein kräftiger, paariger Zahn 5. Hermenia
4‘ Elytren inbrikat, meist dekussat; Ventralborsten mehr-
fach gezähnt
5. Dorsalast mit glatten Thormora-Borsten 2. Thormora
5° Dorsalast ohne Thormora-Borsten 1. Lepidonotus
3‘ mit Branchilafortsätzen
6. Ventralborsten gezähnt, Rücken ohne Paraelytro-
phoren 3. Chaetacanthus n. g.
6’ Ventralborsten gefranst, Rücken mit Paraelytro-
phoren 4. Euphione
2' mehr als 27 Segmente
7. höchstens 45 Segmente
8. 34 Segmente und 15 Elytrenpaare
DETTEETHG 6. Parahalosydna
8' mehr als 34 Segmente
9. 18 Elytrenpaare
10. 37 Segmente 7. Halosydna
10’ 45 Segmente 11. Alentia
9' 21 Elytrenpaare 7. Halosydna
7‘ mehr als 45 Segmente
11. Kopflappen ohne Augen
12. Parapodien kurz mit nur wenigen haken-
förmigen Borsten ? Bathynoe
12’ Parapodien gewöhnlich mit vielen Borsten
? Pseudohalos ydna
11’ Kopflappen mit Augen ef
Archiv für Naturgeschichte °- I DS
1925. A. 11, 2 11. Heft
18 Hans J. Seidler:
13. Kopflappen in die Breite gezogen.
Großer Nuchallappen 10. Hololepida
13’ Kopflappen gewöhnlich
14. Dorsaläste ohne Borsten
15. Elytrophoren kurz
16. Ventraläste aller Parapodien mit
nur einer Borstenart
9. H yperhalosydna
16’ Ventraläste mit mehreren Borsten-
arten 14. Lepidastenia
15’ Elytrophoren lang 15. Perolepis
14° Dorsalborsten in den ersten Parapodien
noch vorhanden
17. eine Art Ventralborsten in allen
Parapodien 8. Halosydnovdes n.
17’ mehrere Arten Ventralborsten
13. Lepidametria
Bestimmungstabelle der Lepidonotus-Arten.
1. Atlantik.
1. Ventralborsten einspitzig.
2. Elytren gefranst.
3. Mit Fazıaltuberkel citrifrons Aug. (Westindien)
3° Ohne Fazialtuberkel.
4. Dorsalborsten kräftig, fein geringelt
lacteus (Ehl.) (Westindien)
4' Dorsalborsten fein.
‚5. Elytren bedornt brasiliensis (Qfg.) (Bahia)
5‘ Elytren nicht bedornt.
6. Elytren fast glatt sublaevis Ver. (Nordamerika)
- 6° Elytren tuberkuliert squamatus (L.) (Nordatlantik)
2' Elytren glattrandig.
7. Elytren mit gebogenen Dornen
semitectus Stimps. (Südafrika)
7' Elytren mit runden Tuberkeln
clava (Mont.) (Mittelmeer, Vormittelmeer, Kanal)
1’ Ventralborsten zweispitzig.
8. Palpen rauh, behaart caeruleus Kbg. (Rio de Janeiro)
8‘ Palpen glatt.
9. Elytren durch Papillen gefeldert
hupferi Aug. (trop. Westaf:ika)
9' Elytren fast «latt varsabilis Webst. (Nordamerika)
| 2. undik.
‚1. Mit Dorsalborsten.
2. Ventralborsten einspitzig.
‘3. Elytren gefranst.
4. Dorsalborsten äußerst fein und lang.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 19
5. Spitze der Ventralborsten scharf und kräftig nach vorn
gebogen; Ornamentierung lang (10—13 Reihen)
vandersander Horst (Mal. Archipel)
5’ Spitze stumpf, gerade; Ornamentierung kurz (3—5 Reihen)
h cryptocephalus Gr. (Philippinen)
4' Dorsalborsten etwa !/, so stark wie die Ventralborsten
6. Dorsalborsten mit breiten Zähnen (ähnlich Iphione)
dictyolepis Hasw. (Südaustr. Port Jackson)
6° Dorsalborsten mit schmalen Zähnen.
7. Elytren mit großen kugeligen bis zylindrischen Tuberkeln
contaminatus Gr. (Cap York)
7' Elytrentuberkeln klein.
8. Elytren mit einem auf der Oberfläche liegenden
Fransenfleck pelosella Gr. (Philippinen)
8° Elytren ohne Fransenfleck
tenuisetosus (Grav.) (Rotes Meer)
3‘ Elytren glattrandig.
9. 2 Arten Dorsalborsten argus (Qfg.) (Südwestau:tralien)
9° 1 Act Dorsalborsten.
10. Ventralborsten mit sehr vielen feinen Dörnchenreihen
javanicus Horst (Mal. Archipel)
10‘ Ventralborsten mit wenigen kräftigen Dornenreihen.
11. Dorsalborsten kräftig mit sehr vielen feinen Dörnchen-
reihen, die jedoch die etwas nach vorn gebogene Spitze
glatt lassen.
12. Elytren am Rande mit vielen pilzförmigen Tuberkeln,
an der Oberfläche mit Dornen bedeckt, die in eine oder
zwei gerade Spitzen auslaufen
australiensis n. sp. (Meermaidstr.)
12‘ Elytren mit Tuberkeln bedeckt, die in 2—5 gebogene
scharfe Spitzen auslaufen.
13. Elytren mit ein oder zwei sackförmigen Ausstülpungen
oculatus Baird (trop. Indik)
13‘ Elytren ohne diese.
14. Elytren mit großen chitinigen ovalen Flecken.
15. Auf jedem Elytron zwei
oculatus Baird var. echinatus (Mauritius)
15° Auf jedem Elytron drei |
| oculatus Baird var. ornatus (Salomon Ins.)
14. Elytren ohne Flecken
vmpatiens (Sav.) (Rotes Meer bis Südwestaustralien)
11° Dorsalborsten fein.
16. Basalglied des Dorsaleirrus mit Hautausstülpungen
austera Gr. (Philippinen)
16° Basalglied ohne diese .
aeololepis Hasw. (Thursday Isl.)
2' Ventralborsten zweispitzig.
17. Elytren gefranst.
2* 11.Heft
90 Hans J. Seidler:
18. Palpen gewimpert jacksoni Kbg. (Port Jackson)
18’ Palpen glatt.
19. Dorsalborsten sehr kräftig
fureillatus Ehl. (Südwestaustr.)
19° Dorsalborsten fein.
20. Elytren durch große und kleine Tuberkel gefeldert
carinulatus Gr. (Trop. Indik)
20° Elytren nicht gefeldert, die Tuberkel stehen unregel-
mäßig.
21. Vordere Elytren mit steifen, kräftigen Fransen
Ri ruber Horst (Mal. Archipel)
21’ Vordere Elytren mit schwachen Fransen
adspersus Gr. (Philippinen)
17° Elytren glattrandig.
22. Elytren mit zwei Längskielen
glaucus Ptrs. (Rotes Meer bis Südwestaustralien)
22' Elytren ohne Kiele.
23. Ventralborsten mit vielen sehr feinen Dörnchenreihen
malayanus Horst (Mal. Archipel)
23° Ventralborsten mit wenigen kräftigen Dornenreihen.
24. Elytren mit in der Mitte stehenden dreieckigen Dornen
albo-pustulatus Horst (Mal. Archipel)
24' Elytren ohne diese.
25. Elytren rot; Dorsalborsten mit schlanker glatter Spitze
purpureus Potts (Sansibar)
25’ Elytren schwarz; Spitze der Dorsalborsten gezähnt
onisciformis Ehl. (Aru-Inseln)
1’ Parapodien ohne Dorsalborsten.
26. Ventralseite mit vier Reihen von braunen Punkten
melanogrammus Hasw. (Port Jackson)
26‘ Ventralseite ohne diese
simplicipes Hasw. (Western Port)
3 Bacidık,
1. Ventralborsten einspitzig.
2. Elytren gefranst.
3. Elytren am Außen- und Hinterrand'gefranst.
4. Palpen gewimpert pomareae Kbg. (Tahiti)
4‘ Palpen glatt.
5. Elytrentuberkel sehr groß
castriensis n.sp. (de Castries-Bay)
5’ Elytrentuberkel klein, Elytren durch sie gefeldert
Al squamatus (L.) (Nordpaeifik)
3’ Elytren nur am Außenrand kurz gefranst.
6. Nur sehr wenige Randpapillen (5—7)
| pleiolepis Marenz. (Südjapan)
6' Viele Randpapillen.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 21
7. Dorsaleirren sehr kurz, etwa ebensolang wie sein mächtig
angeschwollenes Basalglied elongatus Marenz. (Südjapan)
7' Dorsaleirren lang.
8. Dorsalast rudimentär, nur mit ein oder zwei Borsten
märgaritaceus Kbg. (Guayaquil)
8' Dorsalast kräftig entwickelt
polychromus (Schm.) (Neuseeland)
2’ Elytren glattrandig.
9. 2 Arten Dorsalborsten argus (Qfg.) (Südpacifik)
9‘ 1 Art Dorsalborsten helotypus (Gr.) (Nordpacifik)
1°’ Ventralborsten zweispitzig.
10. Elytren gefranst.
11. Elytren fein tuberkaliert havascus Kbg. (Honolulu)
11’ Elytren kräftig tuberkuliert.
12. Elytren durch große und kleine Tuberkel gefeldert
carınulatus Gr. (Südjapan)
12‘ Elytren nicht gefeldert.
13. Elytrentuberkel in spitze Dornen auslaufend
willeyi Benh. (Tasmanien)
13° Elytrentuberkel abgerundet.
14. Elytrentuberkel fast glatt furcillatus Ehl. (Südamerika)
14' Elytrentuberkel mit Dörnchen versehen
arenosus Ehl. (Südamerika)
10° Elytren glattrandig.
15. Elytren hart, gefärbt lssolepis Hasw. (Port Stephens)
15’ Elytren dünn, durchsichtig, zerknittert
hedleyi Benh. (Kingston, Südaustralien)
Lepidonotus Leach
Diagnose: 27 Segmente, 12 Elytrenpaare, Ventralborsten
gezähnt.
Bei dieser Gattung ist der Kopf meist etwas in die Breite
gezogen; an den seitlichen Rändern konvex, am hinteren Rande
konkav gebogen. Däs Grundglied des Mediantentakels ist meist
kräftiger und länger, als die aus den seitlichen Partieen des Kopf-
lappens entspringenden Basalglieder der Lateraltentakel. Die
Palpen sind kräftig und länglich konisch. Auf dem Kopflappen
bemerkt man stets 2 Paar Augen, von denen das vordere meist
das kleinere ist und etwa in der queren Mittellinie liegt, während
das andere Paar am hinteren Rande gelegen ist. Die Grund-
glieder der Tentakulareirren sind lang und überragen noch die
der Tentakel. Im Inneren tragen sie eine Stützborste, aber meist
keine anderen Borsten. — Der Körper besteht aus 27 Segmenten
einschließlich Analsegment. Das zweite, das erste elytrentragende
Segment, zeigt Ventralborsten, die anders geformt, als die der
übrigen Segmente und einen Übergang von den Ventral- zu den
Dorsalborsten zu bilden scheinen. Die Parapodien sind mit
11. Heft
22 Hans J. Seidler:
Ausnahme weniger Arten zweiästig oder besser gesagt, der Dorsal-
ast trägt Borsten, und zwar sind die Dorsalborsten feiner als die
ventralen. Die Borsten sind gesägt, gezähnt oder selten mit
feinen Härchen besetzt (zweite Art der Dorsalborsten von Lepi-
donotus argus (Qfg.)). Am Körperende finden sich 2 Analeirren,
die länger sind als die Dorsalceırren der anstoßenden Segmente.
Die Elytren, die in 12 Paaren vorhanden sind und auf den Seg-
menten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23 inseriert sind, sind
rundlich oder nierenförmig, glattrandig oder gefranst, mit oder
ohne Tuberkeln besetzt. Meistens sind sie imbrikat und dekussat,
d.h. sie decken sich in der Längs- und Querrichtung. Das erstere
ist jedoch immer der Falle Kiemenausstülpungen finden sich
bei Arten dieser Gattung nicht.
I. Elytren gefranst, Ventralborsten einzähnig.
Lepidonotus vandersandei Horst
Syn. 1917 Lepidonotus vandersandei Horst, ‚‚Siboga“
Exp. Monogr. XXIV p. 139 Textf.1, 2.
Diese Art mißt 20 mm in der Länge, während ihre Breite,
die der ganzen Länge nach fast gleich bleibt, sich auf 5 mm außer
den Borsten beläuft. Der Wurm ist außer den Elytren, die
schwärzlich sind, fast farblos. In der vorderen Körperregion
überdecken sich die Elytren einander, aber bei den hinteren
Segmenten lassen sie den medianen Rückenteil frei. Jedes
Elytron ist nierenförmig oder oval, an ihrem äußeren Rande
mit kurzen, ziemlich kräftigen, zylindrischen Cilien besetzt;
der innere Teil der Oberfläche ist mit kleinen Tuberkeln spärlich
bedeckt, während der übrige Teil won ziemlich starken, stumpf
konischen Papillen besetzt ist, welchein der Nähe der Anheftungs-
stelle eine bleiche Farbe haben. Die Ventralborsten sind stark
mit einer hakenförmigen Spitze wie bei Halosydna nebulosa (Gr.)
(Marenzeller, Südjapanische Anneliden II, pl. I fig. 1d);
10—12 leicht gedrängte, gezähnte Reihen kommen an dem
kurzen, verbreiterten distalen Teil vor. — Der Kopf ist rundlich
sechseckig, breiter als lang mit einer flachen medianen Rinne
versehen; von dem vorderen Teil dieser Rinne erhebt sich der
'Tentakel. Sein Basalglied ist fast so lang wie der Kopf, während
sein spitz zugehendes Distalglied fast dreimal so lang ist. Die
frontalen Verlängerungen, von denen sich die lateralen Tentakel
erheben, haben dieselbe Länge wie das Basalglied des Median-
tentakels, und die Lateraltentakel reichen nach vorn soweit
wie der mediane. Die Tentakel zeigen an ihrem spitz zugehenden
distalen‘ Ende einen schwarzen Ring und in ihrem Basalteil
zeigen sie auch etwas schwarzes Pigment. Die Palpen sind in
ihrem Basalteil ziemlich kräftig und endigen in einer fadenförmigen
Spitze; sie sind etwas länger als die Lateraltentakel und sind
vollkommen mit schwarzem Pigment versehen. Zwei große
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 23
Augen liegen am lateralen Teil des Kopfes dicht aneinander.
Die Tentakulareirren unterscheiden sich an Länge sehr; der.
dorsale ist um eine Kleinigkeit länger als die Lateraltentakel,
während der Ventralcirrus halb so lang wie der Dorsaleirrus ist.
: (Horst).
Verbr. Malayischer Archipel (Südwestküste von
Sumba).
Durch das Entgegenkommen von Herrn Dr. Horst-Leiden
erhielt ich ein Parapodium dieser Art. Ich konnte daher die
Dorsalborsten studieren und fand, daß sie äußerst fein sind,
ähnlich denen von Z. cryptocephalus (Gr.). Die beiden Arten unter-
scheiden sich aber in der Ausbildung der Ventralborsten, die bei
dieser Art scharf nach vorn gebogen und spitz sind und mit
kräftigeren Zähnchenreihen versehen sind als die Grube’sche Art.
Ich lasse daher die Horst’sche Art bestehen.
Lepidonotus eryptocephalus (6r.)
Syn. 1878 Polynoe (Lepidonotus) ceryptocephalus Grube
Annulata Semperiana p. 32 taf. III fig. 3. — 1920 Lepidonotus
Ehlers, Abh. Kgl. Ges. Wiss. Göttingen N. F. X No.7 Math.
Nat. Kl.
Der Kopf ist von dem ersten Segment vollständig bedeckt,
sodaß nur die Tentakel herausragen. Er ist klein, rundlich. Die
Basalglieder der Tentakel erreichen etwa ein- und dieselbe Länge,
jedoch ist das des Mediantentakels etwas stärker als die anderen.
Der Mediantentakel ist merklich länger als die lateralen, allmählich
der Spitze zugehend; vor der Spitze zeigt er eine schwache An-
schwellung. Die Lateraltentakel ähneln im Habitus dem medianen.
Die Palpen sind kräftig, länglich konisch und erreichen etwa die
l!/,fache Länge des Mediantentakels. Auf dem Kopflappen
bemerkt man mit einiger Mühe zwei Augenpaare, die im Trapez
stehen.
Die Tentakulareirren, deren Grundglieder noch die der
Tentakel überragen ähneln im Habitus den Tentakeln und erreichen
etwa die Spitze des Mediantentakels.
Die mediane Rückenpartie des Körpers wird von den Elytren
nicht bedeckt. Die Elytren sind so klein, daß sie sich eben in der
Längslinie bedecken. Ihre Gestalt ist rundlich bis eiförmig oval.
Am äußeren und dem äußeren Hinterrande ist das Elytron mit
Fransen besetzt. Die Oberfläche ist mit kleinen Tuberkeln bedeckt,
die unten rundlich sind, nach oben aber spitz zugehen oder ab-
geflacht sind. Das erste Elytron ist stärker mit Papillen versehen
als die letzten, auf denen sie mehr und mehr verschwinden.
Die Parapodien sind zweiästig. Der Ventralast zeigt kräftige
Borsten, die schwach gebogen sind, und deren etwas nach vorn
gekrümmte einzähnige Spitze äußerst stumpf ist. Unterhalb
der glatten Spitze zeigen sich nur wenige gleichartige gebaute
11. Heft
24 © Hans J. Seidler:
sehr dünne fadenförmige Zähnchen. — Die Borsten des Dorsal-
astes sind äußerst fein und nur bei starker Vergrößerung in ihren
Einzelheiten zu erkennen. Sie gehen allmählich und gleichmäßig
der Spitze zu und sind mit weit auseinanderstehenden Dörnchen
besetzt, die im distalen Teil ganz fein werden. — Der Dorsal-
eirrus sitzt auf einem mächtigem großen Grundglied, der fast
dieselbe Länge besitzt wie der Cirrus selbst. Dieser geht allmählig
der Spitze zu und zeigt unterhalb dieser nur eine sehr schwache
Anschwellung. Die Spitze endigt in einem Faden. Der Ventral-
eirrus ist kurz und konisch.
Verbr.: Malayischer Archipel (Philippinen, Bohol).
Lepidonotus polychromus (Schm.)
Syn. 1861 Polynoe polychroma Schmarda, Neue wirbel-
lose Thiere p. 153 tab. XXXVI Fig. 307, 18. — 1865 Lepidonotus
Sinclaire Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII p. 184.
— 1865 (66) Polynoe polychroma Quatrefages, Hist. nat.
d. Ann. t. Ip. 248. — 1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 62.
— 1878 Hutton, Trans. N. Z. Inst. X. — 1878 P. Sinclairv
Hutton, ibid. —1904 Lepidonotus polychromus Ehlers, Abhandl.
Ges. Wiss. Göttingen, N. F. III p.7 Taf. I Fig. 1—6. — 1905
Augener, Fauna Südwest-Australiens.. Polychaeta, Errantia
p. 101. — 1909 Benham, Records of Canterbury Museum I. p. 72.
Der Kopf ist etwas breiter als lang und durch eine mediane
Längsfurche, die sich vom vorderen bis zum hinteren Rande
hinzieht, in zwei Hälften geteilt. Die Basalglieder der Tentakel
sind fast zylindrisch, die lateralen eıreichen etwa einhalb bis
dreiviertel der Länge des Kopflappens, während das mediane
etwas länger und auch um eine Kleinigkeit stärker ist. Der
Mediantentakel ist etwa doppelt so lang, wie der Kopflappen,
zunächst zylindrisch oder langsam spitz zugehend, vor der Spitze
schwillt er etwas an und geht dann in einen langen Endfaden aus.
Die Lateraltentäkel zeigen den gleichen Bau wie der mediane,
sind aber kürzer als dieser. Die Palpen sind kräftig und erreichen
nicht die Spitze der Lateraltentakel. Ihre Spitze ist stumpf und
endigt in einen kurzen Faden. Auf dem Kopflappen bemerkt
man zwei Augenpaare, die ziemlich in der Mitte des Kopflappens
dicht beieinander liegen und im Rechteck stehen. — Die Grund-
lieder der Tentakulareirren erreichen meist nicht die Tentakel.
PiesCiiren selbst ähneln den Tentakeln im Habitus und sind
so lang wie die Lateraltentakel. — Die Elytren sind imbrikat
und dekussat. Sie sind rund bis oval und an ihrem äußeren und
hinteren Rand mit kurzen Fransen dicht besetzt. Die Oberfläche
der Elytren ist dicht mit kleinen Papillen besetzt, zwischen denen
, eingestreut sind. Es sind gebogene Dornen, die auf
runder ‘Basis sitzen. Zwischen diesen finden sich noch kleinere
'halbkugelförmige Papillen. An der Anheftungsstelle stehen
’
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 95
die Dornen sehr gedrängt. — Der Ventralast der Parapodien
enthält lange kräftige Borsten, die mehr oder weniger kräftig
gebogen sind, und deren nach vorn gebogene Spitze äußerst
scharfist. Vor der glattenSpitze zeigen sich zahlreicheDornenreihen,
von denen die ersten blattförmige Dornen enthält, während die
anderen mehr fadenförmig sind. Die Borsten des Dorsalastes
sind kräftig und gehen allmählich und gleichmäßig der Spitze
zu und sind mit relativ kräftigen aber kurzen Dörnchen besetzt,
die sich bis zur Spitze hinziehen. — Der Dorsaleirrus ähnelt den
Tentakeln sehr und erreicht etwa die Spitze der Ventralborsten.
Der Ventraleirrus ist länglich konisch und erreicht nicht das
Ende des .Parapvds.
Fundort: Neuseeland, Süd- und Südwestaustralien.
Lepidonotus dietyolepis Haswell
Syn. 1883 Lepidonotus EAeEuDlapit Haswell, Proc. Lin.
Soc. N. 8S..W. VII. p. 287 pl. IX, figs. 7, 8. — 1889 Whitelegge,
Journ. and Proc. Roy. Soc. N. 8. W. XXIII. I.
Es sind 25 borstentragende Segmente und 12 Paar Elytren
vorhanden. Die Tentakel sind nahezu gleich, in einer Höhe
inseriert, der mediane etwas länger, doppelt so lang wie der Kopf,
die Basalhälfte ziemlich kräftig, die Distalhälfte schlanker,
ziemlich keulenförmig an der Spitze und subterminal nicht auf-
getrieben. Die Palpen sind sehr kräftig, fast konisch, so lang
wie die Tentakel, transversal geringelt; die Tentakulareirren
besitzen ein sehr langes ungeteiltes Basalglied, das so lang wie
der .Kopf ist; die Cirren selbst sind ungefähr von derselben Länge
und der Gestalt der Tentakel. Dorsaleiıren ziemlich kurz, im
Habitus den Tentakeln ähnlich, aber deutlicher keulenförmig.
Die Elytrentuberkel sind ziemlich deutlich. Iminneren und äußeren
Teil der Elytren ist die Oberfläche durch schmale Cuticularleisten
in polygonale Felder geteilt; vorn und außen ragen die Zentren
dieser Felder als runde Erhebungen hervor und am Rande rings-
herum sind sie von einer Reihe sehr kräftiger zylindrischer ‚Zilien‘
besetzt. Die Ventraltuberkel sind undeutlich. Die Ventralborsten
sind ähnlich denen von Lepidonotus argus, an der Spitze gebogen
und ziemlich scharf, mit 4 Zähnen in jeder lateralen Reihe, der
letzte Zahn ist länger als die übrigen, dreieckig und spitz. Die
Dorsalborsten sind sehr schlank, ähnlich wie die von Iphione
murtcata, mit breiten lateralen Zähnen gefiedert. Der Körper ist
im großen ganzen farblos; der Kopf ist rot mit schwarzen Flecken
in der Nähe der Basalglieder der Tentakel. (Haswell)
Verbr.: Port Jacksen (Watson’s Bay).
Lepidonotus tenuisetosus (Gravier)
Syn. 1901 Euphione tenwisetosa Gravier, Nouv. Arch.
‚Mus. Paris (4) III p. 222 pl. VIII figs. 123—126. — 1911 Fauvel,
11. Hett
26 Hans J Seidler:
Arch. Zool. exp. et gener. (5) VI p. 353. — 1920 Lepidonotus
tenuisetosus Fauvel, Arch. Zool. exp. et gener. T.58 p. 315.
Die Länge des. Körpers beträgt 12 mm; die größte Breite
(Parapodien und Borsten einbegriffen) 6mm. Die Zahl der
Segmente ist 26; die letzten 13 sind regeneriert, dergestalt, daß
vom 14. Segment an die Breite des Körpers sich plötzlich ver-
mindert. Die Elytren bedecken den Körper vollständig; allein
der terminale Teil der Ventralborsten ist auf jeder Seite des
Körpers sichtbar. — Das Prostomium ist breiter als Jang. Der
Mediantentakel ruht auf einem sehr starken Grundglied; fast
cylindrisch auf ?/, seiner Länge von der Insertion abgerechnet,
schwillt er leicht an, bevor es sich plötzlich verdünnt. Die beiden
Lateraltentakel, die am vorderen Rand des Prostomiums befestigt
sind, das jedem Tentakel ein Basalglied bildet, das kleiner ist
als das des Mediantentakels, sind ein wenig kürzer als dieses.
Sie sind alle in ihrem basalen Teil und bis zur Hälfte des End-
gliedes stark pigmentiert. Die Pigmentierung dehnt sich übrigens
auf die ganze vordere Region des Kopflappens aus. Die beiden
Augen liegen auf jeder Seite dicht beieinander, im Teil der größten
Breite des Kopflappens; sie stellen zwei etwas verlängerte Flecken
dar, die deutlich von derselben Ausdehnung sind. Diese Anordnung
der Augen ist eine Ausnahme. — Die Palpen sind sehr kräftig
und konisch; ihre Spitze erreicht fast die des Mediantentakels.
— Die Tentakulareirren, die auf einer gemeinsamen mäßig ent-
'wickelten Basis inseriert sind, haben deutlich dieselbe Länge
wie die Lateraltentakel; sie sind pigmentieıt, aber schwächer
als jene. — Die 12 Paar Elytren sınd auf den Segmenten 2, 4,
5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23 inseriert. Sie sind von ovaler
Gestalt, vorn leicht eingebuchtet, jedes von ihnen zeigt in der
zentralen Region einen sehr dunklen Fleck, der zum Teil von dem
vorhergehenden Elytron bedeckt wird; außerdem findet man
hier und dort noch Flecken von dunkler Farbe. Auf der ganzen
Oberfläche bemerkt man rundliche Granula, von 2 Größenarten.
Die kleineren sind viel zahlreicher, und die anderen sind ziemlich
unregelmäßig verteilt. Der äußere Rand trägt einfache Fransen,
die in der Mehrzahl mit Schlamm bedeckt sind. Im hinteren
Teil existieren außerdem noch sehr verstreute Papillen, die die
Form einer Vase mit Deckel haben. Die Wandung dieser hohlen
Papillen, die in der basalen Region dick ist, verdünnt sich stark
in der oberen Hälfte. In der Nähe des hinteren Randes stehen
sie dient gedrängt, während sie auf dem Rest der Oberfläche
viel dünner verstreut sind. — Der Dorsalciırus ist wie gewöhnlich
auf dem hinteren Teil des Parapods inseriert. Sein sehr kräftiges
Basalglied ist zum Teil durch den Dorsalast verdickt. Die Spitze
des Endgliedes, das konisch ist, und von der Basis aus gleich-
mäßig spitz zugeht, überragt nicht deutlich die vorstehenden
Borsten. — Der Dorsalast, im vorderen Teil des Parapods gelegen,
hat den Anschein eines einfachen Anhangs des Ventralastes.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I, 97
Er besitzt ein Bündel von fächerförmig gestellten Borsten, deren
Form sich sehr von denen entfernt, die man bei den Lepidonotus-
Arten bemerkt. Diese feinen, deutlich gradlinigen, der Spitze
gleichmäßig zugehenden quergestreiften Borsten tragen auf
jeder Seite an ihren Rändern geschlitzte Blättchen, die gegen
die Spitze eingebogen sind und mehr oder weniger die einen
in die anderen einschachteln. Die längsten unter ihnen erreichen
den Rand des Ventralastes. — Der Ventralast, welcher fast
allein das Parapod bildet, endigt in zwei Lippen, deren vordere
die Form einer wenig vorragenden Spitze hat; die Spitze des
Aciculums überragt ein wenig diese Spitze. Die Borsten dieses
Astes sind zahlreich, in ihrer terminalen Region ein wenig gebogen
und besitzen ein stumpfes Ende; in einiger Entfernung von ihnen
bemerkt man gelappte Membranen, die einander parallel an-
geordnet sind und durch eine feine Querstreifung markiert sind.
Am Rand, in derselben Höhe, befindet sich noch eine Reihe
von einander sich bedeckenden Zähnchen, mit gelapptem Rand,
deren Gestalt immer kleiner wird, je mehr sie sich von der Spitze
entfernen. — Die Ventralborsten des 2. Segments sind sehr
verschieden von denen, die man an derselben Stelle der anderen
Segmente beobachtet Kat. Ihre Form entfernt sich nicht sehr
von der der Dorsalborsten. Sie tragen wie sie eine doppelte
Zähnchenreihe, die sich gegenseitig bedecken. Unterhalb der
fadenförmigen und ein wenig zurückgebogenen Spitze sieht
man. ein Büschel von fadenförmigen langen und gedrängten
Verlängerungen. — Der ziemlich dicke, röhrenförmige Ventral-
eirrus erreicht ‘nicht den äußeren Rand des Ventralastes. Ein
wenig einwärts und völlig im hinteren Teil des Parapods sieht
man die Nephridialpapillen. — Die Analeirren sind besser ent-
wickelt als die Dorsalcirren der letzten regenerieıten Segmente,
deren Form sie haben. Es ist übrigens oft so bei den Polychaeten,
deren hinterer Teil regeneriert ist. Die Analeirren des regenerierten
Teils gewinnen viel schneller ihre normale Größe, als die übrigen
Anhänge der regeneriertten Segmente. — Der Rüssel, dessen
Öffnung von einer doppelten Lippe gebildet wird und von 20
großen blättrigen Papillen umgeben wird, besitzt 4 Kiefer vom
gewöhnlichen Typ, 2 dorsale und 2 ventrale. (Gravier)
Verbr.: Rotes Meer.
Lepidonotus pleiolepis (v. Marenz.)
Syn. 1879 Polynoe (Lepidonotus) plevolepis v. Marenzeller,
Denkschrift Ak. Wiss. Wien Math. Nat. Kla. 41 p. 6. — 1912
Po®ynoe clava Izuka, Journ. of the cullege of Japan. XXX
Art.2 p. 15 pl. III fig. 10—11. — 1912 non. Polynoe pleiolepis
Izuka, Journ. ofthe college of Japan XXX Art. 2 p. 25 pl. XII.
fig. 12—14. — 1912 Pol. sagamıana Izuka, Journ. of the
college of Japan. XXX Art.2 p. 17 pl. IV fig. 11—15.
11. Heft
28 Hans J. Seidler:
Der Kopf des Tieres ist abgerundet, die beiden marginalen
Ränder sind konvex, und er ist breiter als lang. In der medianen
Längslinie des Kopflappens findet sich eine Furche, die sich
vom vorderen Kopfrande nicht bis ganz zur Mitte hin erstreckt.
Das Basalglied des Mediantentakels ist kräftig, fast zylindrisch
und erreicht etwa ?/, der Länge des Kopflappens. Der Median-
tentakel selbst erreicht etwa dıe doppelte Länge des Kopflappens.
Er ist zunächst zylindrisch, geht dann plötzlich spitz zu und
zieht sich in einen Jangen dünnen Endfaden aus. Die Basalglieder
derLateraltentakel erreichen etwa ?/; derLänge desMediantentakels.
Sie sind an ihrem distalen Ende etwas verbreitert und erreichen
im ganzen nicht die Dicke des medianen Grundgliedes. Die
Lateraltentakel selbst sind von demselben Habitus wie der mediane,
jedoch etwas kürzer als dieser selbst. Die Palpen sind kräftig,
länger als der Mediantentakel und erreichen etwa die doppelte
Länge der Lateralen. Sie sind zunächst vollkommen konısch,
zeigen dann eine kleine Anschwellung und an der Spitze einen
kurzen Endfaden. An Augen finden wir zwei Paar, die bei dieser
Art auf der vorderen Kopfhälfte liegen. Sie stehen im
Rechteck, eine Eigentümlichkeit einiger Arten dieser Gattung,
während sie sonst in Form eines Trapezes stehen. Das
hintere Paar liegt in der Mitte des Kopflappens, während
das andere sehr wenig von diesem entfernt davor gelegen ist.
— Die Tentakulareirren sitzen auf langen Basalgliedern, die die
der Tentakel noch überragen. Die Cirren selbst, von denen die
oberen länger als die unteren sind, kommen den Palpen an Länge
ziemlich gleich, sind also länger als der Mediantentakel. Der
hintere Teil des Kopflappens wird von dem überragenden Segment
bedeckt. — Der Körper des Tieres ist schlank und wird von den
Elytren teils nackt gelassen und teils vollkommen bedeckt.
Am Ende befinden sich zwei Analeirren, die ungefähr die gleiche
Länge wie die nächsten dorsalen besitzen. — Die Elytren haben
eine runde bis ovale Gestalt und sind äußerst widerstandsfähig.
Sie sind vollkommen mit kugelförmigen bis zylindrischen Pa-
pillen besetzt, die besonders bei dem ersten Elytrenpaar deutlich
zutage treten und schon mit dem bloßen Auge sichtbar sind.
Bei den anderen Paaren nimmt die Größe der Papillen nach dem
Innenrande zu ab, und sie sind auch am Außenrande nur mit
bewaffnetem Auge sichtbar. Am Außenrande befinden sich
Fransen, die jedoch ziemlich kurz und an Zahl sehr klein sind.
- Die Elytren zeigen eine unregelmäßige grünliche Färbung, die
aus großen und kleinen, jedoch nicht am Innenrande auftretenden
Flecken besteht. — Das erste Parapod zeigt im Ventralast dünne,
schlanke und schwach gebogene Borsten, die mit transversalen
Zähnchenreihen versehen sind. Die Zähnchen sind besonders
an den Seiten stark und sägeblättrig. Im Dorsalast finden sich
meist kräftige nach rückwärts gebogene Borsten, die mit Zähnchen-
reihen versehen sind. Diese Zähne sind besonders an der konvexen
Beiträge zur Kenntnis. der Pclynoiden I. 29
Seite stark. Die anderen Parapodien zeigen im Dorsalast feine
Borsten, die sich nach dem Austritt aus dem Parapod etwas
verdicken und dann allmählich und gleichmäßig der Spitze
zugehen. Von der Verdickungsstelle an zeigen die Borsten bis zur
Spitze hin feine transversale Dornenreihen. Die Ventralborsten
sind vor der Spitze schwach rückwärts gebogen und zu Beginn
der Ornamentierung fast garnicht verdickt. Die Borste endigt
mit einer sehr schwach nach vorn gebogenen einfachen scharfen
Spitze. Von den Zähnchenreihen ist die erste stark ausgeprägt,
während die anderen klein sind und unter sich die gleiche Größe
haben. — Der Dorsaleirrus ruht auf einem ziemlich kräftigen
Grundglied, das dieselbe Länge besitzt, wie der Cirrus selbst.
Dieser ist einfach konisch ohne jede Verdickung. Der Ventral-
eirrus ist kurz und konisch.
Fundort: Südjapan.
Daß von Marenzeller in seiner Beschreibnug angibt,
daß das Tier 30 Segmente und 15 Elytrenpaare hat, beruht
sicherlich auf einen Irrtum oder es ist ein Druckfehler, da ich
selbst ein Exemplar von 27 Segmenten und 12 Elytrenpaaren
untersuchte, das von Marenzeller selbst bestimmt hat.
Lepidonotus elongatus v. Marenz.
Syn. 1902 Lepidonotus elongatus v. Marenzeller, Denk-
ron Ak. Wiss. Wien. Math. Nat. Kl. Bd. LXXI p. 9 Taf. I,
ig. 5.
Der Körper des einzigen Exemplares ist gestreckt, in der
Mitte nicht wesentlich verbreitert, 22 mm lang, mit den Borsten
5 mm breit, hoch, ungefärbt. — Der Kopflappen mit den Fort-
sätzen für die paarigen Tentakel ist etwas länger als breit, grau
pigmentiert, mit einer hellen Mittelfurche. Das vordere kleine
Augenpaar liegt in der Mitte des Seitenrandes, das größere hintere,
dieht daran. Der Mediantentakel war verloren gegangen, die
lateralen nicht gleich lang, der linke war etwa so lang wie der
Kopflappen, der rechte etwas länger. Die Palpen sind etwa
dreimal so lang, wie der Kopflappen, glatt. — Der dorsale Ten-
takulareirrus ist 1!/;mal länger als der Kopflappen, der ventrale
wenig kürzer, etwas länger als die Lateraltentakel. Tentakel
und Tentakularcirren sind zylindrisch und gehen dann in eine
dünne Spitze über, vor dieser und an. der Basis sind sie pig-
mentiert. — Die Ruder zeigen auffallend wenig vorstehende
Borsten, und sind dick, kürzer als die Hälfte der Segmentbreite
an der Ventralseite, quer abgestutzt. Die Hinterlippe in ihrer
unteren Paıtie ist etwas kürzer als die vordere. Der Dorsalast
ist sehr unansehnlich und die Borsten erreichen kaum das Ende
des Ventralastes. Diein der Gestalt den Tentakeln gleichkommenden
Dorsaleirren werden von einer starken auffallenden Hervor-
wölbung des Rückens getragen. Sie sind an sich kurz, überragen
11. Heft
30 Hans J. Seidler:
aber das Parapodium beträchtlich. — Die zwölf (nur zum Teil
erhaltenen) Elytren kreuzen sich in der Mittellinie, höchstens
am zweiten Segment und überdecken sich auch nicht in der
Längsrichtung. Sie sind dunkelolivgrün pigmentiert. Die Träger
der Elytren sind in saggitaler Richtung an und für sich schmal
mit derben Rändern. Auf der Rückenfläche der Elytren erscheint
die Insertionsstelle nur als weißlicher Streifen, indem das Pigment
sich teilweise über dieselbe ausbreitet. Nach innen und unten
von der Insertionsstelle erscheint ein kleiner und nach oben ein
größerer heller Fleck. Das Pigment lagert sich hauptsächlich
auf der Fläche nach innen von der Insertionsstelle ab, nach außen
ist das Elytron heller und nur gesprenkelt. Am Außenrande
finden sich schlanke, nicht zu lange Fadenpapillen. Die Ober-
fläche ist mit größeren und kleineren stumpfkegelförmigen bis
abgerundeten zylindrischen Papillen reichlich versehen. In der
hellen Zone und dem Außenrande zu, sind die Papillen spitz,
dornig. — Die Borsten des oberen Astes sind sehr spärlich. Neben
längeren, in ein dünnes Ende auslaufenden sich allmählich ver-
jüngenden finden sich einige kürzere, in einer nackten Spitze
endigende. Beide Arten sind nur schwach gekrümmt. Sie sind
mit vorspringenden weit voneinander abstehenden Plättchen
besetzt. An den kleineren Borsten sind nur etwa zwölf vorhanden
und sie gehen nicht bis an das Ende. Die kräftigen ventralen
Borsten ragen nur wenig aus dem Ruder heraus. Sie bilden
zwei durch das Aciculum getrennte Bündel, die des oberen sind
stärker und mit einer reichlichen Anzahl von Plättehen besetzt.
— Der erste Ventraleirrus ist tentakelähnlich, lang; die übrigen
sind klein und ihre Spitze ist um ihre eigene Länge von dem
Ende des Parapodiums entfernt. — Vom achten Segment an
findet sich eine kleine Nephridialpapille. (v. Marenz.)
Fundort: Kachigama, in einer Tiefe von 20-40 m.
Lepidonotus contaminatus (Gr.)
. Syn. 1875 Polynoe contaminatus Grube, Jahresbericht Schles.
Ges. 1875 p. 62.
Der Kopflappen ist sechseckig, bei einem anderen Exemplar
abgerundet, breiter als lang. Am vorderen Rande, in der Median-
linie findet sich ein kurzer Einschnitt. Die Basalglieder der
Tentakel haben alle fast die gleiche Länge und sind etwa !/s
solang wie der Kopflappen. Das Grundglied des Mediantentakels
ist jedoch etwas stärker als die der Lateraltentakel. Die Tentakel
sind vollkommen glatt und gehen allmählich und gleichmäßig
ohne merkliche Anschwellung der Spitze zu. Der Mediantentakel
ist etwa doppelt so lang wie der Kopflappen, die Lateraltentakel
nur etwa 11/,mal so lang. Die Palpen überragen noch um ein
beträchtliches den Mediantentakel und sind kräftig und länglich
konisch. Von Augen war bei beiden Exemplaren nichts zu sehen.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 3
Ob diese Art überhaupt keine Augen hat, oder die Unsichtbarkeit
an dem Erhaltungszustand liegt, bleibt dahingestellt. — Die
Tentakulareirren sind tentakelähnlich und erreichen mit ihrer
Spitze die des Mediantentakels.. — Der Körper wird von den
Elytren nicht vollständig bedeckt. Irgend eine Zeichnung ist
nicht zu bemerken. Die Elytren sind rund bis oval und mit
kleinen Papillen wollkommen bedeckt. Es sind kleine runde
Höcker, die sehr dicht stehen. Außer diesen finden sich noch
am Hinter- und Außenrande große Papillen. ‚Sie gleichen Halb-
kugeln, deren Oberfläche aus polygonalen Feldern besteht.
Zwischen diesen großen Papillen, die besonders am hinteren
Außenrande sehr dicht stehen, bemerkt man noch eigentümliche
Bildungen. Man findet dort nämlich zwei Stäbchen, die an beiden
Enden zugespitzt sind und miteinander fest verbunden sind;
denn alle zeigen dieselbe gegenseitige Lage. Sie liegen so, daß an
der einen Seite die Spitzen sehr genähert sind, sich jedoch nicht
berühren und nach der andern Seite hin divergieren. Regelmäßig
liegen auch die weit auseinanderliegenden Spitzen höher als
die anderen, sodaß es den Anschein hat, als bilden sie eine Art
Trichter. Im äußeren Teil befinden sich noch große zylinderische
Papillen, die dicht aneinander liegen und dieselbe Struktur
wie die übrigen Papillen aufweisen. Am Innenrande des Elytrons
finden sich noch kleine Papillen, mit unregelmäßig gewellter
Oberfläche. Am Außenrande bemerkt man lange Fransen. —
Die Parapodien sind deutlich zweiästig, und zwar findet man
im Dorsalast feine schlanke Borsten, die gleichmäßig der scharfen
Spitze zugehen und bis zu dieser hin gesägt sind. Die Ventral-
borsten sind unterhalb der Spitze verdickt, die kaum nach vorn
gebogene Spitze ist einzähnig und fast vollkommen gerade.
Bei den unteren Ventralborsten ist die Verdickung etwas stärker
und näher an die Spitze gerückt. Die Ornamentierung ist sehr
schwach. Die Zähne sind haarförmig und untereinander gleich
und stehen in großen Abständen. Bei den mittleren ventralen
Borsten finden sich noch weniger Zähne und bei den unteren
fehlen sie vollkommen. — Das Grundzlied des Dorsalcirrus ist
kräftig undabgestumpft kegelförmig. Der Cirrus selbst ist tentakel-
ähnlich, er geht allmählich der Spitze gleichmäßig zu und erreicht
mit dieser die der Ventralborsten. Die Ventralcirren sind kegel-
förmig und überiagen noch den Ventralast ohne Borsten.
Fundort: Cap York (Australien!.
Lepidonotus pilosella (6r.)
Syn. 1878 Polynoe (Lepidonotus) pilosella Grube, Annulata
Semperiana, Petersburg 1878 p. 31 tab. II Fig. 8.
Der Körper ist länglich, an den beiden Enden fast gleich
und leicht verschmälert, oben fleischfarben, geperlt, quer blaß
gestreift, unten sehr glänzend, violettblau mit einer mittleren
11. Heft
32 Hans J. Seidler:
blassen, weniger glänzenden Binde. Die Elytren sind braun,
sandfarben, schön irrisierend und bedecken den Rücken voll-
kommen. Der Körper besteht aus 27 Segmenten, von denen
die mittleren fast dreimal breiter sind als lang. — Der Kopflappen
ist fast kreisförmig, leicht zweigeteilt, mit kaum unterscheidbaren
Augen. Die Tentakel, die ebenso wie die Tentakular- und Dorsal-
cirren glatt sind, sind unterhalb der Spitze mit einem weniger
abgegrenzten Ring versehen. Der. Mediantentakel ist fast doppelt
so lang wie der Kopflappen, überragt die Tentakulareirren und
. Palpen nur wenig, die Lateraltentakel dagegen sehr und ist
ein wenig dicker als diese. Die Palpen sind glatt, konisch, unten
sehr diek und gehen allmählich spitz zu. Die Dorsaleirren über-
ragen die Ventralborsten sehr, die Ventralen dagegen erreichen
nur die Spitze der Ruder und die Analcirren sind nicht länger
als die nächsten dorsalen. Die Dorsalborsten sind zart, leicht
gekrümmt, fein zugespitzt, dicht geringelt und mit Stacheln
besetzt; die ventralen sind viel stärker, gelb, unterhalb der
gekrümmten Spitze verbreitert und jederseits mit 6 Zähnchen
versehen. — Die Elytren sind schräg orientiert, fast oval, innen
verschmälert, länger als breit, ziemlich weich, mit mikroskopischen,
länglichen aufgerichteten Papillen besetzt, welche in dem mittleren
Teil und am äußeren Rande viel länger fadenförmig und geschlängelt
sind. Mit Ausnahme der drei letzten decken sie den Rücken
und die Ventralborsten vollständig. (Grube)
Fundort: Philippinen.
Lepidonotus pomareae Kbg.
Syn. 1856 Lepidonotus pomareae Kinberg, Öfv. af Kongl.
Vetensk.-Ak. Förh. 1855 p. 383. — 1858 Kinberg, Freg. Eug.
Resa. p. 10 tab. III fig. 9 tab. X fig. 48 E, E“ — 1865 Baird,
Journ. Proc. Lin. Soc. London Zool. VIII p. 182. — 1865 (66)
Polynoe pomareae Quatrefages, Hist. nat pt.I p.223. —
1875 Lepidonotus pomareae Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 61.
Die Lateraltentakel sind etwa doppelt so lang wie der Kopf-
lappen. Der Mediantentakel, die Tentakular- und Dorsaleirren
sind unter der verschmälerten Spitze aufgeblasen. Die Palpen
sind kräftig, kegelförmig, gekielt, rauh und erreichen etwa die
Länge der Lateraltentakel. Die Ventralborsten sind lang, unterhalb
der Spitze gezähnt. Die Elytren sind mit keulenförmigen Fransen
. versehen. — Der Körper ıst 13 mm lang, 5 mm breit, länglich,
oben konvex. Der Kopflappen ist konvex und zeigt abgerundete
Seiten. Der Mediantentakel erreicht etwa die Länge der Palpen;
sein Basalglied überragt die der Lateraltentakel. Die Tentakel,
die Tentakular-, Dorsal- und Ventralecirren sind glatt. Die Ventral-
cirren des ersten Parapods sind etwa so lang wie der Median-
tentakel, die Ventraleirren der übrigen Parapodien von der
Länge der Füße und erreichen die Spitze derselben. Der Rüssel
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 33
ist ausstülpbar und zeigt an seinem vorderen Ende z Papillen,
von denen die seitlichen dünner sind. Der Dorsalast der Para-
podienist klein, dem Ventralast aufgesetzt und besitzt vorstehende
dünne gesägte Borsten. Der Ventralast zeigt lange Borsten,
welche unterhalb der ein wenig gekrümmten Spitze verdickt
und wenig bedornt sind. Die Elytren sind groß, neben den auf-
liegenden Rändern mit Dornen von verschiedener Größe besetzt,
die spitz und gekrümmt sind; am äußeren und hinteren Rande
sind die Elytren mit langen Fransen besetzt, die an der Spitze
aufgeblasen sind. Die Analöffnung liegt dorsal neben dem hinteren
Rande des letzten Elytrenpaares. Die Analeirren sind sehr
lang, dünn und ähneln im Habitus den Tentakeln. (Kinberg)
Fundort: Pazifisches Meer, bei der Stadt Papiti auf
der Insel Tahiti.
Lepidonotus margaritaceus Kbg.
Syn. 1856 Lepidonotus margaritaceus Kinberg, Öfv. af
Kongl. Vetensk.-Ak. Förh. 1855 p. 383. — 1858 Kinberg, Freg.
Eug. Resa p. 11 tab. III fig. 12. — 1865 Baird, Journ. Lin.
Soc. London Zool. VIII p. 182. — 1865 (66) Polynoe. marga-
ritacea Quatrefages, Hist. nat. t. Ip. 223. — 1875 Lepidonotus
margaritaceus Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 62.
Die Lateraltentakel sind wenig länger als der Kopflappen;
der mediane ist ebenso lang wie die glatten Palpen; die Basal-
glieder der Dorsaleirren sind gleich der Länge der Parapodien.
Die Ventralborsten sind sehr kurz und unterhalb der Spitze
gezähnt. Die zwölf Paar Elytren sind am Rande gewimpert. —
Der Körper ist verlängert, niedergedrückt, geperlt und gefleckt.
Der Kopflappen ist konvex mit abgerundeten Seiten. Das Basal-
glied des Mediantentakels ist größer als die der lateralen. Der
Tentakel selbst ist zylindrisch, kaum verdickt, mit dünner Spitze,
glatt. Die Lateralen ähneln im Habitus dem. Medianen, sind
aber kürzer. Die Palpen sind dick, unterhalb der scharfen dünnen
Spitze ein wenig aufgeblasen, von der Länge des Mediantentakels.
Die Tentakulareirren ähneln in Form und Länge dem Median-
tentakel, sind aber dünner. Der Rüssel ist ausstülpbar und mit
kegelförmigen = Papillen versehen, die Maxillen besitzen einen
abgenutzten Zahn und zeigen eine kurze Spitze. Der Dorsalast
der Parapodien ist kaum erkennbar und mit einer Stützborste
und wenigen sehr dünnen, linearen gesägten Borsten versehen.
Die Ventraläste sind dick und tragen. gelbe, kurze, unter der
kurzen wenig gekrümmten Spitze verdickte und gesägte Borsten.
Die Dorsaleirren besitzen ein Basalglied von der Länge der
Ventraläste und sind viel länger als die Borsten und unterhalb
der langen Spitze verdickt und gefleckt. Die Ventraleirren
sind kurz, griffelförmig, und erreichen nicht die Spitze der Füße.
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 11. 3 11.Heft
34 Hans J. Seidler:
Die Elytren sind an den aufliegenden Rändern außen und hinten
dicht gefranst, glatt, schräg vorn und nach innen zu verlängert.
Die Elytren des ersten Paares sind am äußeren Rand gerade,
leicht granuliert, und mit langen Wimpern versehen. Bei allen
bemerkt man, bei einer 233fachen Vergrößerung, daß die Zellen
oval sind und außerdem sieht man einen Fleck, der aus eckigen
Pigmentkörpern gebildet ist. Die Analcirren sind kaum länger
als die Dorsalen. (Kinberg)
Fundort: Meerbusen von Guayaquil, Südamerika.
Lepidonotus lacteus (Ehl.)
Syn. 1887 Polynoe lactes Ehlers, Mem. Mus. of Comp.
Zool. vol. XV p.52 Taf. IX Fig. 1—7. — 1905 Lepidonotus
lacteus Augener, Bull. Mus. of Comp. Zocl. vol. XLIII, p. 115.
Der Kopf des Tieres ist breiter als lang und durch eine Median-
furche, die sich vom vorderen Rande bis fast zum hinteren hin-
zieht, in zwei Hälften geteilt. Die Basalglieder der Tentakel
erreichen alle drei dieselbe Länge, jedoch unterscheidet sich der
mediane von den lateralen dadurch, daß er etwas stärker ist
als die anderen, Anihrem distalen Ende sind sie nicht verbreitert.
Der Mediantentakel ist etwa 2!1/,—3mal so lang wie der Kopf-
lappen. Er geht zunächst spitz zu, verdickt sich dann aber
subterminal und geht dann plötzlich ın einen langen dünnen
Endfaden aus. Die Lateraltentakel verhalten sich im Habitus
genau so wie der mediane, nur mit dem Unterschied, daß sie
nur etwa zweimal so lang wie der Kopflappen sind. ‚Die konischen
Palpen den Lateraltentakeln an Länge kaum gleichkommend“
(Ehlers). Der Kopflappen trägt zwei Paar Augen, die an den
hinteren äußeren Seiten des Kopflappens zu finden sind. Sie
liegen ganz dicht aneinander und werden von dem überragenden
Segment vollkommen bedeckt. — Die Tentakularzirren sitzen
auf langen Grundgliedern, welche die der Tentakel noch über-
ragen. Die Cirren gleichen im Habitus den Tentakeln. Der
obere Cirrus erreicht etwa die Länge des Mediantentakels, während
der untere etwas länger als die Lateraltentakel ist. — Der Körper
ist kurz, gedrungen. Seine Färbung ist hell, weißlich, nur in der
dorsalen Medianlinie zeigt sich ein dunkler Streifen. — Die
Elytren bedecken den Körper vollkommen. Sie haben eine
rundliche bis ovale Gestalt. Die Anheftungsstelle liegt stark
. exzentrisch in der Nähe des äußeren Randes. Am äußeren und
etwas am hinteren Rand ist das Elytron mit sehr kurzen Fransen
besetzt, die sehr spärlich stehen. Die Oberfläche des Elytrons
ist mit kleinen zerstreuten Tuberkeln gleichmäßig bedeckt.
Von oben gesehen haben diese eine abgerundet 5—6eckige Gestalt,
deren Seiten an einigen Stellen schwach eingebuchtet sind.
Die Wand ist nicht sehr diek und in der Mitte findet sich ein
Hohlraum (?). Von der Seite gesehen ist der Tuberkel unten
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 35
breit und geht dann allmählich und ziemlich gleichmäßig der
sehr scharfen, schwach gebogenen Spitze zu. Der Hohlraum
setzt sich auch noch in die Spitze fort. — Die Parapodien sind
zweiästig. Der Ventralast ist kegelförmig und bis in die Spitzen
des Kegels ragt das ventrale Aciculum hinein. Der Dorsalast
ist nur klein, schwach ausgebildet. Das dorsale Aciculum ragt
noch ein beträchtliches Stück hinaus und wird von einem Muskel-
mantel umgeben. — Die Ventralborsten unterscheiden sich ganz
scharf von den Ventralborsten der anderen Lepidonotus-Arten.
Sie sind zunächst eylindrisch, verdicken sich dann etwas und
gehen dann der einfachen Spitze allmählig und gleichmäßig zu,
indem sie sich gleichzeitig etwas nach rückwärts biegen. Von der
Verdickungsstelle an bis fast zur Spitze hin, ist die Borste mit
sehr zahlreichen, äußerst feinen, dicht nebeneinanderstehenden
Dörnchenreihen besetzt. — Die Dorsalborsten sehen den Ventral-
borsten sehr ähnlich, sind aber feiner als sie und zeigen die Ver-
diekungsstelle schon kurz nach dem Austritt aus dem Parapod.
Gebogen sind die Borsten erst etwas in ihrem oberen Teil. —
Das Grundglied des Dorsaleirrus ist fast eylindrisch und reicht
fast bis zur Höhe der Spitze des Ventralastes. Der Cirrus selbst
ist tentakelähnlich und überragt die Ventralborsten. Die Ventral-
eirren sind mit Ausnahme des 2. Segments, der tentakelähnlich ist,
länglich konisch, ziemlich schmächtig und mit einem langen
Endfaden versehen. Sie erreichen etwa die Spitze des Parapods.
Verbr.: Westindien.
Lepidonotus eitrifrons Aug,
Syn. 1906 Lepidonotus citrifrons Augener, Bull. Mus. of
Comp. Zool. at Harvard College vol. XLIII p. 113 Taf. 2 fig. 31
—38, Taf. 3, fig. 39 —40.
Der Kopflappen ist quer breiter, an der Basis hinten 1 mm
breit, etwa zweimal breiter als lang und im Umriß undeutlich
6eckig; die hinteren Ecken des Kopflappensechseckes werden
durch 2 Paar Augen markiert von dunkler Farbe, von denen
die vorderen die größeren sind. Von den drei in gleicher Höhe
entspringenden Fühlern (der unpaare war verloren gegangen),
welche wie die Cirren, die bei Lepidonotus bekannte Form mit
keuligem Ende haben, sind die paarigen wie die Palpen und
Cirren . glatt, mindestens dreimal länger als der Kopflappen,
ihr Basalglied ist etwa halb so dick wie das des Mittelfühlers;
die Fühler sind von Farbe braun wie die Palpen, an der verdickten
Partie weißlich gefärbt. — Die kräftigen kegelfadenförmigen
Palpen reichen soweit wie die paarigen Fühler nach vorn. —
Unterhalb des unpaaren Fühlers über dem Munde entspringt
das Basalglied des Fühlers etwa zur Hälfte überragend, vom
Grunde des Kopflappens der braune, glatte, zitronen- oder kegel-
förmige Facialtuberkel. Von hinten her wird ein Teil des Kopf-
3*+ 11. Heft
36 Hans J. Seidler:
lappens und damit das hintere Augenpaar mehr oder minder
verdeckt durch einen vorn flach convexen etwas kapuzenartig
vorspringenden, dicken nuchalen Lappen der medianen Partie des
ersten Segments. Das die Mundöffnung von unten her begrenzende
Mundpolster ist von quadratischem bis rechteckigem Umriß
und wird nach hinten vom vierten seitwärts vom ersten bis
dritten Segment begrenzt. — Das erste Ruder trägt ein kleines
Borstenbündel und zwei Tentakularcirren, von denen der dorsale
etwa dreimal, der ventrale etwa viermal länger ist als das Ruder.
Die Tentakulareirren sind wie die Dorsaleirren der mittleren
Segmente weißlich und braun gebändert. — An den mittleren
zweiästigen Rudern, deren Äste beide in eine kurze kegelförmige
Spitze endigen, ragt der Ventralast etwa um ein Drittel weiter
vor, als der Dorsalast und ist etwa ein Drittel, mit Borsten halb
solang, wie der Körper breit ist. Der Dorsaleirrus nimmt bezüglich .
seiner Länge und seines Ursprunges etwa das mittlere Drittel
am ventralen Ruderaste ein, mit Ausnahme des 2. Segments,
wo er doppelt so lang wie das Ruder ist. — Die Elytren sınd mit
Ausnahme der vordersten mehr eiförmigen, nierenförmig begrenzt,
am Hinter- und Seitenrande durch ziemlich lange Fadenpapillen
gefranst und auf ihrer Oberfläche mit zahlreichen Papillen ver-
schiedener Form besetzt. Die Hauptmasse der Elytronflächen-
papillen besteht aus kleineren gestielten Papillen, deren kugeliger
Kopf mit ziemlich langen spitzen, Stachelchen bedeckt ist. —
Die in geringer Zahl vorhandenen (namentlich auf dem
hinteren Teil des Elytrons) großen Papillen erscheinen in der
Ansicht von oben kreisförmig und haben etwa die Form eines
Pilzes, dessen Oberfläche am Ende wieder in der Form eines
flachen Kegels .vorgewölbt ist; spitzige Stachelchen bedecken
auch den verdickten Teil dieser Papillen. Eine %. Form von
Papillen, wohl eine Modifikation der ersten, findet sich vor dem
Innenrande des Elytrons und ist mehr oder minder schlank
kegelförmig, am Ende ein- oder zweispitzig und an der Oberfläche
mit kurzen stumpfen Stacheln bedeckt. Eine 4. Form von Papillen,
die abweichend von den übrigen braungefärbten farblos, faden-
förmig mit kopfig verdiektem Ende ist, findet sich noch am
konvexen Elytrenrande. — Von den Borsten, welche in beiden
Ruderästen in größerer Zahl vorhanden sind, bilden aie schwächeren
und kürzeren Dorsalborsten ein kegelförmiges Bündel, das etwa
halb so: weit reicht wie die längsten Ventralborsten; die Dorsal-
borsten sind am Ende einspitzig, nur schwach gebogen und in
ihrer Außenhälfte mit Querreihen feiner Sägezähne besetzt.
Die Ventralborsten bilden einen breiten senkrechten, seitlich
zusammengedrückten Fächer, sind ebenfalls einspitzig und
wenig gebogen, sind in ihrer Endhälfte schwach verbreitert
und tragen hier an der konvexen Seite Querreihen ziemlich
langer scharfer Dornen. — Am hinteren Rande finden sich
zwei’ schwach’ keulig-fadenförmig braungebänderte Analcirren,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 37
welche so lang sind, wie die letzten 6—7 Segmente.
(Augener)
Verbr.: Westindien (Barbados).
Lepidonotus brasiliensis (@Qig.)
Syn. 1865 (66) Polynoe brasiliensis Quatrefages, Hist.
Nat. I p. 246.
Kopf klein, von den Elytren bedeckt, rundlich. Tentakel
fast gleich lang. Palpen sehr dick, besonders am basalen Teil,
länger als die Tentakel. Körper aus 26 Segmenten zusammen-
gesetzt, mit zwei pfriemförmigen Analcirren versehen. Elytren
rund, von mittlerer Größe, runzlig, dornig, sehr gefranst, die
vorderen größer, stark imbrikat und dekussat; die mittleren
kleiner, kaum imbrikat, nicht dekussat; die hinteren imbrikat.
Alle Anhänger mit Ausnahme der Ventralcirren gegen das Ende
hin angeschwollen. — Diese Art hat einen kurzen, dicken, robusten
und nur 20—22 mm langen Körper. Der sehr kleine Kopf ist
unter einer von den drei ersten Elytrenpaare gebildeten Wölbung
geborgen. Er trägt fast gleiche, ziemlich schlanke, wenig ver-
längerte Tentakel. Die Palpen dagegen sind sehr dick, besonders
am basalen Teil, dessen Länge der des eigentlichen Palpus gleicht.
— Der Körper zählt nur 26 Segmente, dessen letztes zwei ziemlich
lange pfriemförmige Cirren trägt. Vorn ist er vollständig von dem
imbrikaten und dekussaten Elytren bedeckt; aber vom 5. Segment
an werden die Elytren plötzlich kleiner und lassen die Medianlinie
unbedeckt. Gegen die Mitte des Körpers sind sie noch kleiner,
sodaß diejenigen derselben Seite sich kaum bedecken können.
Endlich hinten decken sie sich von neuem in der Längsrichtung
sehr gut. Alle Elytren sind dick, runzelig und tragen in ihrem
hinteren Drittel kleine schwarze, wenig zahlreiche Dornen. Die
Fransen sind lang und stehen sehr dicht. — Die Parapodien sind
dick und kurz; die beiden Äste sind sehr deutlich. Der obere
trägt eine ziemlich starke Erhöhung, von der aus ein Bündel
hellfarbiger, zahlreicher, nach allen Seiten gerichteter, kurzer,
gebogener, schlanker und sehr fein geringelter Borsten ausgeht.
Der untere Ast ist mit zwei Bündeln vonähnlichen, fast schwarzen,
wenig zahlreichen, aber sehr dicken, leicht gebogenen und an der
Spitze zurückgebogenen Borsten versehen, deren Enden außerdem
verdickt sind und an der konvexen Seite eine kleine Anzahl
von starken Dornen tragen. — Die Dorsaleirren überragen, aller-
dings nur wenig, die Spitze der Parapodien. Sowie alle anderen
ähnlichen Anhänge, von denen wir gesprochen haben, sind sie
leicht verdickt und ein wenig vor der Spitze, die in einem Faden
endigt, dunkelbraun geringelt. Die Ventraleirren sind sehr klein,
pfriemenförmig und in der Mitte des gemeinsamen Trägers der
zwei Äste inseriert. (Quatrefages)
Verbr.: Bahia.
11. Heft
38 Hans J. Seidler:
Lepidonotus squamatus (L.)
Syn. 1766 Aphrodita squamata Linne, Syst. nat. ed. XII.
p. 1084. — 1765 Baster, Opusc. subsec. p. 66 tab. VI figs. 5A
—5D. — 1766 Pallas, Miscell. Zoolog. p. 91tab. VII figs. 14a —d.
— 1768 Pennant, Brit. Zoolog. IV, tab. XXIII, fig. 26. —
1776 Aphr. punctata O. F. Müller, Prod. Zool. Dan. p. 218.
— 1789 Abildgaard, Zool. Dan. III p. 25 Tab. XCVI figs. 1 —4.
— 1800 Die gedüpfelte Aphrodite O. F. Müller, Naturgesch.
einiger Wurmarten p. 170 Taf. XIII. — 1816 Aphrodıta squamata
Cuvier, Dict. des Sci. nat. t. II p. 283. — 1818 Polynoe squamata
Savigny in Lamarck Hist. nat. d. anim. sans vert t. V, p. 309.
— 1820 Savigny, Systeme des Annel. p. 22. — 1828 Eumolpe
squamata Blainville, Diet. des Sci. nat. LVII p. 458, tab. XI,
fig. 2. — 1834 Polynoe sguamata Audouin et Milne-Edwards,
Annel. p. 80, tab. I, figs. 10—16. — 1843 Lepidonote punctata
Oersted, Annulatorum Danicorum consp. Fase. I Maricolae
p. 12 figs. 2, 5, 39, 41, 47, 48. — 1843 Lepidonotus squamatus
Rathke, Nova Acta Acad. Caes. Nat. Curios. XX, 1, p. 149.
— 1851 Lepidonote punctata M. Sars, Nyt Mag. f. Naturvid.
VI, p. 210. — 1855 Lep. armadillo Leidy, Mar. Invertebr. Rh.
Isl. and N. J. p. 16 tab. II fig. 54. — 1858 Lepidonotus sguamatus
Kinberg, Freg. Eug. Resa. p. 13 tab. IV. fig. 15. — 1859 Polynoe
punctata Danielsen, Kgl. Norske Vid. Sels. Skr. Throndhjem
1859. — 1860 Pol. sguamata Sars, Vidensk. Selsk. Forh. p. 57.
— 1861 Pol. punctata Danielsen, Nyt Mag. f. Naturvid. 1861
p. 49. — 1865 Lepidonotus squamatus Johnston, Cat. of the
Brit. non-paras. Worms p. 109, tab. VIII, fig. 1. — 1865 Malm-
gren, Nordiska Hafsannulater p.56. — 1865 Baird, Journ.
Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 173. — 1865 (66) Polynoe sguamata
Quatrefages, Hist. Nat. des An. p. 218. — 1865 (66) Pol.
dorsalis l.c. p. 245. — 1865 (66) Pol. dasypus 1.c. p. 266. —
1867 Lepidonotus squamatus Malmgren, Öfv. Sv. Vet.- Ak.
Förh. XXIV No.4, p. 130. — 1868 Mac Intosh, Rep. of the
Brit. Assoc. of adv. of Sci. p. 338. — 1873 Verrill, Unit. Stat.
Fish. Com. I p. 501, tab. X, figs. 40, 41. — 1873 Willemoes-
Suhm, Zeitschr. Wiss. Zool. XXIII, p. 347. — 1873 Sars, G. O.,
Nyt Mag. f. Naturvidensk. p. 202. — 1874 Mac Intosh, Ann.
Nat. Hist. (4) XIII p. 261. — 1874 Möbius, Unters. d. Ostsee
p. 112. — 1874 Malm, Kongel. Vetensk. o Vitt. Samhällets
ı Götborg Handl. 1874 aft XIV, p. 73. — 1874 Mac Intosh,
The Mar. Invertebr. and Fishes of St. Andrews p. 115. —
1875 Aphrodita sgquamata Grube., J B. schles. Ges. p. 61. —
1875 Polynoe squam. Möbius, J. B. Komm. wiss. Unters. d.
deutsch. Meere 1872—1873, p. 167. — 1879 Lepidonotus sqguamatus
Huxley, Mar. Invertebr. p. 227. — 1877 Mac Intosh,
Trans. Zool. Soc. IX, p. 396. — 1879 Storm, Det Kongel
Norske Vidensk. Selsk. Skrift. p. 27. — 1879 Webster,
Trans. Albany Inst. vol. IX p.4. — 1879 Tauber, Annul,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 39
Dan. p.79. -— 1879 Webster, 32. Rep. N. Y. St. Mus. 1879
p. 110. — 1881 Leslie-Herdman, The Invertebr. Fauna
of the Firth of Forth. — 1883 Levinsen, Vidensk. Med. fra
den nat. hist. Forening i Kjöbenhavn p. 194. — 1884 Polynoe
squamata Beltremieux, Ann. d. Sci. nat. de la Char. Inf. XX
p. 43. — 1884 Bourne, Trans. Lin. Soc. Zool. II p. 349. —
1884 Lepidonotus squamatus Webster u. Benedict, Bulletin
U. S. Fish. Comm. No. 25 p. 699. — 1885 Mac Intosh, Report
ofthe „Challenger“ Exp.t. XII, p. 64. — 1886 Harvey-Gibson,
Proc. of the Litterary and Philosophical Soc. of Liverpool XL,
p. 150. — 1888 Polynoe squamata St. Joseph, Ann. d. Sci.
nat. (7) 5 p. 151. — 1889 Braun, Arch. Freunde Naturgesch.
Mecklbg. Jahrg. 42 p. 72. — 1889 Pol. clava Dalla Torre,
Die Fauna von Helgoland p. 87. — 1890 Lepidonotus sguamatus
Malagquin, Rev. biol. du Nord de la France No.2 p. 277. —
1893 Levinsen, Det videnskabelige udbytte af kanonbaaden
„Hauchs“ togter i de danske have indenfor Skagen 1883,
Annulata p. 324. — 1894 Bidenkap, Christ. Vid. Selsk.
Forh. No.10 p.60. — 1896 Herdman, Rep. 66, Meet. Brit
Assoc. f. Advs. Sei. London. — 1896 Horst, Tıjdschı.
Nederl. Dierkundige Vereenig. 1896 p.17. — 1897 Polynoe
squamata Johnson, Proc. Calif. Ac. I p. 166. — 1897 Lepido- .
notus sgquamatus Mac Intosh, Ann. Mag. Nat. Hist. (6) 20 p. 173.
— 1899 St. Joseph, Ann. Sci., Nat. (8) 10 p. 162 u. 164 —
1900 Mac Intosh, A Monogr. ofthe Brit. Annel. p. 274 pl. XXV
fg8.1772; pl: XXXRIH, fig. 1; pl: XXXVIL, fies. 955.10,12,13,
pl. XLII, fig. 25. — 1901 Polynoe squamata Johnson, Proc.
Boston Soc. Nat. Hist. XXIX p. 386. — 1902 Lepidonotus squa-
matus v. Marenzeller, Denkschr. Math. Nat. Kl. K. Ak. Wien
LXXII p. 12. — 1907 Bidenkap, Kongl. Norske Vid. Selsk.
Skr. Throndhjem 1906 No. 10 p. 7. — 1907 Wilson, The Irish
Naturalist XVI. — 1902 Small, Ann. Mag. Nat. Hist. (8) X
p. 168. — 1912 Polynoe squamata Izuka, Journ. of the College
of Japan, Tokyo vol. XXX art.2 p.12 pl. III figs. 7-9. —
1914 Lepidonotus squamatus Fauvel, Bull. de lI’Inst. Oceanogr.
— 1916 Frickhinger, Zool. Anz. 46 p. 233. — 1917 Ditlevsen,
The Danish Ingolf Exp. vol. IV.
Kopf rundlich; in der medianen Längslinie findet sich eine
Furche, die vom vorderen Rande bis etwa zur Mitte reicht. Das
Grundglied des Mediantentakels ist konisch und erreicht etwa
die Länge des Kopflappens. Der Mediantentakel selbst ist
2—2!/,mal so lang wie sein Grundglied, geht zunächst allmählich
spitz zu, schwillt dann kugelförmig an, und endigt mit einem
Faden. Vor der subterminalen Verdickung zeigt sich ein schwarzer
Ring. Die Basalglieder der Lateraltentakel sind etwa ?/, so lang
wie der Kopf, sind aber am distalen Ende veıbreitert. Die Lateral-
tentakel erreichen nur die 1!/,fache Länge des Kopflappens,
zeigen nur eine schwache subterminale Anschwellung und einen
11. Heft
40 Hans T. Seidler:
Endfaden. An der Verdickung findet man hier keinen Ring.
Die Palpen sind kräftig, kürzer als die Lateraltentakel und
geringelt. An die stumpfe Spitze setzt sich noch ein Endfaden.
Auf dem Kopf befinden sich noch zwei Paar Augen, von denen
das eine Paar ganz am hinteren Rande, während das andere
an der breitesten Stelle, ungefähr in der queren Mittellinie des
Kopfes liegt. — Die Basalglieder der Tentakularcirren sind
länger als die der Tentakel, und die Cirren überragen noch den
Mediantentakel und gleichen ihm in Habitus und Färbung. —
Der Körper wird oft von den Elytren vollkommen bedeckt,
jedoch bleibt auch manchmal die Medianpartie des Rückens
nackt. Das erste Elytron ist rundlich oder sehr wenig in die
Breite gezogen und stark mit Warzen bedeckt. Die darauf folgenden
zeigen fast dieselbe Gestalt, zeigen aber nicht so viel Tuberkel
wie das erste. Diese verlieren sich auch, so daß die letzten
Elytren fast gar keine Tuberkel aufweisen. Die Warzen sind
halbkugelförmig und mit kleinen Schüppchen bedeckt. Am Außen-
rande sind die Elytren gefranst. — Beim ersten Parapodium
sind die Dorsalborsten kräftiger als die ventralen, mehr oder
weniger stark gebogen und mit kräftigen Dornenringen versehen.
Die Ventralborsten sind schwach gebogen und ungefähr in der
Mitte schwach verdickt, von wo aus sie allmählich und gleich-
mäßig der Spitze zugehen und mit Dornenreihen versehen sind.
Die Dorsalborsten der anderen Parapodien verdicken sich etwas
kurz nach ihrem Austritt aus den Parapodien, sind dann mehr
oder weniger gebogen und mit relativ feineren Dornenreihen
als im ersten Parapod versehen. Die Ventralborsten sind zunächst
cylindrisch, dann mehr oder weniger nach rückwärts und an der
Spitze nach vorwärts gebogen. Zwischen diesen beiden Biegungen
findet sich die Ornamentierung. Der erste, am distalen Ende der
Borste stehende Zahn ist stärker als die übrigen, die unter-
einander ziemlich die gleiche Stärke aufweisen. Man findet
an den Ventralborsten etwa 7—10 Dornenreihen. — Der Dorsal-
eirrus ist ziemlich lang, er überragt noch die Ventralborsten,
zeigt aber selten eine subterminale Verdickung, jedoch vor der
Spitze einen dunkelbraunen bis schwarzen Ring. Der Ventral-
eirrus des ersten Parapods gleicht den Dorsaleirren, die der
übrigen Parapodien sind kurz, länglich konisch.
Verbr.: Westliche Ostsee, Nordsee, nördlicher
atlantischer und pazifischer Ocean; im Norden bis
Spitzbergen (nur West- und Südküste).
Lepidonotus squamatus (L.) var. angustus Verrill
Syn. 1873 Lepidonotus angustus Verrill, Rep. U. S. Fish. Com.
.581. — 1879 L. squamatus var. angustus Webster, Trans.
Albany Inst. vol. IX p.5.
Der Körper ist schmal und überall von fast gleichmäßiger
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 41
Breite. Die Elytren- sind nur wenig imbrikat und bedecken
den Rücken kaum vollständig, dadurch daß sie oft auf dem
Rücken einen schmalen Spalt nackt lassen. Die Elytren sind
ziemlich klein, regelmäßig oval, außer den terminal stehenden
Paaren; der äußere Rand ist unregelmäßig gefranst, die Ober-
fläche ist mit kleinen, wenig hervorragenden, runden Tuberkeln
bedeckt. Die hinteren Elytren sind mit einer tiefen Einbuchtung
an inneren Rand versehen. Der Kopf ist größer und relativ
breiter als bei Z. sguamatus, konvex, mit wohlgerundeten Seiten.
Die Augen sind größer und weiter getrennt. Die Tentakel sind
ziemlich kurz. Die Borsten sind kürzer als bei L. squamatus
und L. sublaevis, von fast gleichmäßiger Länge, ziemlich starr,
hell amberfarben und bilden kurze dichte Bündel. Die Färbung
ist variabel; bei einem Exemplar waren die Elytren gelblichgrau
und bräunlich, dunkel gefleckt und mit einem zentralen fast
runden oder etwas halbmondförmigen weißen Fleck, der von
einem Kreis dunkelbrauner Flecken umgeben ist, welche einen
unregelmäßigen dunklen Fleck am inneren Rand des fahlen
zentralen Flecken bilden. (Verrill)
Fundort: Rhode-Isl. 4—5 Faden.
Lepidonotus sublaevis Verrill
Syn. 1873 Lepidonotus sublaevis Verrill, Rep. of Comiss.
of Fish and Fisher., p. 581 pl. X fig. 42.
Der Körper ist oval, gegen die Enden hin verschmälert,
von 12 Paar Elytren vollständig bedeckt, welche mit Ausnahme
des ersten und letzten Päares breit oval, hinten abgerundet
und an der äußeren lateralen Seite mit feinen Fransen versehen
sind. Der Hinterrand ist glatt. Ihre Oberfläche ist irrisierend
und fast vollständig glatt und frei von Tuberkeln, aber sie zeigt
kleine runde Warzen und erscheint unter einer Linse punktiert.
Das letzte Elytrenpaar ist verlängert, und der Innenrand ist
einwärts gebogen aber ohne deutliche Einbuchtung, so wie bei
L. squamatus. Die Borsten sind zahlreich, schlank, aber starr
ambergelb. Die Elytren sind rötlich oder grünlich-braun, dunkel-
braun gefleckt. Die Länge beträgt 30 mm, die Breite 8 mm.
Diese Art ist von L. squamatus leicht zu unterscheiden durch
seine fast glatten Elytren, der Form des letzten Paares und den
hellfarbenen und schlankeren Borsten. (Verrill)
Fundort: Savin Rock bei New Haven; Vineyard
Sound.
Lepidonotus castriensis n. sp.
Der Kopf dieser Art ist ebenso breit wie lang und mit einem
medianen Längseinschnitt versehen, der vom vorderen Rande
bis etwa zur Mitte reicht. Die Form des Kopfes ist: abgerundet
viereckig, vorn breiter als hinten. Das Grundglied des Median-
11. Heft
493 Hans J. Seidler:
tentakels ist kräftig, cylindrisch und etwa halb so lang wie der
Kopflappen. Die Grundglieder der Lateraltentakel sind schwächer
und auch kürzer als das des medianen. Der Mediantentakel fehlt,
ebenso die Palpen und die Tentakulareirren. Die Lateraltentakel
sind kurz, höchstens so lang wie der Kopflappen und gehen
allmählich und gleichmäßig der Spitze zu. Auf dem Kopflappen,
und zwar nur auf der hinteren Hälfte desselben bemerkt man
2 Paar Augen, die im Trapez stehen. — Die Elytren decken den
Körper vollkommen. Das erste Elytron ist rundlich und etwa
3/, seines ganzen Umfanges mit Fransen besetzt. Die anderen
Elytren, die eine längliche mehr eiförmige Gestalt haben, sind
nur am äußeren und nur etwas am hinteren und vorderen Rand
gefranst (Fig.1). Das Elytron selbst ist mit großen Schuppen besetzt,
die jede in der Mitte einen Höcker zeigt, Eine Schuppe besteht
hier aus einem Basalstück, das vollkommen unregelmäßig geformt
ist, und zwar je nach ihrer Lage inbezug auf die umliegenden.
Sie selbst bedecken sich nicht gegenseitig, sondern lassen noch
zwischen sich einen mehr oder weniger breiten Spalt übrig. In
der Mitte der Schuppe erhebt sich der unregelmäßig geformte
und auch sehr verschieden lange Höcker. Verschiedene Elytren
zeigen keine Höcker auf den Schuppen, sondern nur einen Fleck,
Fig.1. Fig. 2,
‘wo sie gestanden haben. Es können diese Tuberkel also sehr
leicht abgerieben werden. Dann können diese eine sehr verschiedene
Länge haben. Auf den Elytren bemerkte ich am Ende nur sehr
kleine, in der Mitte jedoch, in der Nähe der Anheftungsstelle,
die nebenbei bemerkt etwas exzentrisch, nach außen verschoben
liegt, erreichen sie eine ziemliche Größe. Bei diesen kann man
sogar bemerken, daß auf ihnen noch kleine Tuberkeln sitzen,
die ebenfalls eine sehr verschiedene Form annehmen können.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 43
Das Parapodium besteht aus zwei deutlichen Asten. Der
Dorsalast enthält etwa 8—10 feine und ziemlich lange Borsten,
und etwa 6—8 Borsten, die dieselbe Dicke wie die anderen haben,
jedoch sehr kurz und stark gebogen sind. Die ersteren gehen
von Anfang an allmählich und gleichmäßig dem Ende spitz zu
und sind mit transversalen Dornenreihen versehen. Die anderen
sind stark nach rückwärts gebogen, ebenfalls mit transversalen
Dornenreihen versehen, doch sind die an der konvexen Seite
liegenden Zähne sehr stark. Die Ventralborsten sind zunächst
im Stamm mehr oder weniger gebogen und vollkommen gleich-
mäßig dick. Vor der Spitze zeigen sie eine Verdickung und zugleich
eine schwache Rückwärtsbiegung der Borste (Fig.2). Von hier aus
strebt die Borste rasch der etwas nach vorn gebogenen einfachen
Spitze zu. Unterhalb dieser finden sich noch Zähne, wovon der
distalste der stärkste ist, auf den etwa 5—6 untereinander gleich
große kleinere folgen. — Der Dorsaleirrus ist tentakelähnlich.
Der Ventraleirrus ist kurz und konisch.
Verbr.: Nördliches Ostasien (de Castries-Bay).
I. Elytren glattirandig, Ventralborsten einzähnig.
Lepidonotus oculatus Baird
Syn. 1865 Lepidonotus oculatus Baird, Journ. Lin. Soc.
Zool. VIII London p.181. — 1875 Polynoe ceristata Grube,
J. B. schles. Ges. 1875 p. 62. — 1875 Pol. tumorifera, 1. c. p. 62.
— 1878 Pol (Lepidonotus) cristate Grube, Annulata Semperiana
p-27 tab. II fig. 3. — 1883 Lepidonotus oculatus Haswell,
Proe. Lin. Soc. N. S. W. VII p. 281. — 1885 Lep. cristatus Mac
Intosh, Report of the „Challenger“ Zoology XII, p. 67, pl. XI,
fig. 2, 3, pl. XVII, fig. 1, pl. XI, figs. 10, 11. — 1885 Polynoe
(Lepidonotus) vphionides Mac Intosh, Report ofthe „Challenger ‘‘
Zoology XII p. 116, pl. X, fig.1, 2, pl. XA, fig.1, 2. — 1901
Lepidonotus cristatus Gravier, Nouv. Arch. Mus. Paris (IV) 3,
p. 210, pl. VII, fig. 104—110, pl. IX, fig. 136. — 1905 Willey,
Ceyl. Pearl Oyster Fish Report 1905 p. 149. — 1907 Malagquın
und Dehorne, Revue Suisse Zool. 15 p. 70. — 1910 Potts,
Trans. Lin. Soc. Zool. (2) 13 p. 332. — 1917 Horst, ,„Siboga‘“
Exp. Monogr. XXIV, 1, p. 70, pl. XV, fig. 8. — 1920 Fauvel,
Arch. de Zool. Exp. et gener. T. 58. — 1920 Ehlers, Abh. Ges.
Wiss. Göttingen N. F. 10. Math. Nat. Kl.
Der Kopf des Tieres ist rundlich, etwas länger als breit;
der hintere Teil ist von einem Buckallappen bedeckt. In der
medianen Längslinie des Kopflappens findet sich eine Furche,
die sich vom vorderen Kopfrande bis zum hinteren hinzieht,
sodaß der Kopflappen in zwei birnenförmige Hälften geteilt ist.
Das Basalglied des Mediantentakels ist kräftig, eylindrisch und
erreicht ziemlich die Länge des Koptlappens. Der Mediantentakel
11. Heft
44 Hans J. Seidler:
selbst erreicht etwa die dreifache Länge des Kopfes. Er geht
zunächst dem Ende langsam spitz zu, verdickt sich äber vor
diesem kugelförmig und endigt mit einem kurzen Faden. Die
Grundgiieder der Lateraltentakel sind dünner als das des medianen,
sind um eine Kleinigkeit länger und erreichen fast die Länge
des Kopflappens. Am distalen Ende sind sie ebenso wie das des
Mediantentakels nicht angeschwollen. Die Lateraltentakel
selbst erreichen dieselbe Länge wie der Mediantentakel und
gleichen diesem in Form und Färbung. Die Palpen sind hier
äußerst dick und konisch und erreichen nicht einmal die Spitze
der Tentakel. Sie haben etwa die doppelte Länge des Kopflappens,
sind am Grunde sehr kräftig und gehen rasch und gleichmäßig
dem Ende spitz zu, an das sich noch ein kurzer Endfaden ansetzt.
Auf den Palpen sind bei starker Vergrößerung mehrere Längs-
reihen von kleineren Papillen zu bemerken, die sich von Anfang
bis zur Spitze hinziehen, den Endfaden jedoch freilassen und
eine kegelförmige Gestalt haben. Auf dem Kopflappen bemerkt
man gewöhnlich zwei Paar Augen, die beide auf der hinteren
Hälfte gelegen sind. Das vordere Paar liegt in der größten Breite
des Kopflappens, die noch hinter der queren Mittellinie des
Kopfes liegt und zwar dicht am Rand, während das andere Paar
dicht dahinter liegt. Es können auch Mißbildungen bei den
Augen vorkommen, wie ich es bei dem Berliner Exemplar sah,
das auf dem hinteren Teil des Kopflappens 5 Paar Augen oder
besser gesagt 10 Augen, da sie nicht in Paaren stehen, unregel-
mäßig- verstreut sind. Dies ist wohl durch Teilung der 2 Paar
Augen zurückzuführen. — Die Tentakulareirren sitzen auf langen
Grundgliedern, die die der Tentakel noch überragen. Die Cirren
selbst verhalten sich in Form und Färbung wie die Tentakel,
sind aber länger als sie. Wie im allgemeinen ist auch hier der
obere Cirrus um eine Kleinigkeit länger als der untere. Über
dem hinteren Teil des Kopflappens legt sich der sehr verschieden
geformte Buckallappen. Bei dem Berliner Exemplar ist er breiter
alslang und an seiner Unterseite festgewachsen, sodaß die 4 Ränder
vollkommen frei sind. Die seitlichen Ränder divergieren nach
vorn zu, und der vordere Rand ist etwas konkav, während der
hintere Rand vollkommen gerade ist. Bei dem Hamburger
Exemplar dagegen ist der Buckallappen länger als breit und reicht
etwa bis zum Beginn des vierten Segments. Die seitlichen Ränder
sind einander parallel, und der vordere Rand läuft in 3 Zipfel
aus, von denen der mittlere den größten Teil einnimmt und besser
als konvexer Rand bezeichnet wird, während die beiden Seiten-
zipfel sehr klein bleiben. Auf die Form kann also kein Wert
gelegt werden, jedoch bleibt die Hauptsache bestehen, daß ein
gr Buckallappen vorhanden ist, der den hinteren Teil des
Kopflappens bedeckt. — Der Körper - wird von den Elytren
vollständig bedeckt, jedoch tritt an einigen Teilen der Rücken
nackt zutage. Am Körperende bemerkt man 2 Analcirren, die
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 45
etwa die gleiche Länge wie die übrigen Dorsaleirren haben. Die
Elytren geben dem Tiere ein ganz charakteristisches Aussehen.
Etwas merkwürdiges zeigen sie, nämlich Aussackungen, die teils
einzipfelig, teils deutlich zweizipfelig sind, einige mit vielen
kräftigen Dornen bewehrt, andere dagegen zeigen weniger. Be-
sonders ist es das erste Elytrenpaar, daß die Dornen ganz deutlich
zeigt, jedoch weisen
auch die anderen
Elytren diese Dornen kr
auf wenn auch nicht _
insolch starkem Maße. :
Diese Aussackungen
zeigt L. vmpatiens
(Sav) nicht, und das Fig. 3.
ist der Hauptunter-
schied zwischen den
beiden Arten. Die (£ A \
Elytren zeigen bei MR (N
dieser Art meist ein
rotbraunes oder ein
schwarzes Pigment, A
sei es nur ein Toter <>
bezw. schwarzer Fleck YA
in der Nähe der An- a —
heftungsstelle, sei es,
daß die ganze Aus-
sackung das Pigment
enthält. Das erste
Elytrenpaar ist rund und zeigt eine zweizipflige Aussackung. In
der Nähe dieser Aussackung findet sich außer dem Pigment noch
ein Fleck in der Nähe der Anheftungsstelle. Die gleichen Dornen,
die sich auf den Aussackungen befinden, sind auch am Elytren-
rand anzutreffen. Es sind große kräftige Spitzen, die auf einer
verbreiterten Basis sitzen und einer Zwiebel ähnlich sehen. Neben
diesen findet man aber noch über das Elytron verstreut klein
Dörnchen, die kugelförmig sind undin 3, ja sogar in 4 Spitzen aus-
gehen (Fig.3u.4). Bei denanderenElytren bemerkt mangroßeDornen
weniger, und zwar sitzen sie selten auf den Aussackungen, hier
und dort jedoch noch am Rand. — Die Parapodien sind deutlich
zweiästig. Das erste Parapodium ist sehr schmal und besteht
hauptsächlich nur aus dem Ventralast. Dieser geht zunächst
spitz zu, verbreitert sich aber bald und endigt dann sehr rasch
in einer Spitze, in der das Aciculum des Ventralastes hineinragt.
Der Dorsalast ist nur ein sehr kleiner Lappen und wird haupt-
sächlich aus dem dorsalen Aciculum, das mit Muskeln umgeben ist,
gebildet. Man findet in diesem Ast nur etwa 5 kräftige schwach
gebogene bei schwacher Vergrößerung glatt erscheinende Borsten.
Sie sehen denen der anderen Parapodien sehr ähnlich,. sodaß
11. Heft
46 Hans J. Seidler:
ich hier auf eine Beschreibung verzichte. Größeres Interesse
erregen die Borsten des Ventralastes, die von denen der anderen
Parapodien vollkommen verschieden sind. Es sind lange feine
biegsame Borsten, die dünner sind als die des Dorsalastes. Nach
dem Austritt aus dem Parapodium sind sie noch vollkommen
glatt und bewahren ziemlich die gleiche Stärke, dann aber ver-
dicken sie sich etwas und gehen von dort aus allmählich und gleich-
mäßig der Spitze zu. Von der Verdickungsstelle an sind sie mit
sehr feinen transversalen Dörnchenreihen besetzt, die ziemlich
Fig. 8.
Fig. 5.
weit hinaufreichen, die Spitze jedoch glatt lassen. Es befinden
sich etwa 15—20 solcher Borsten im Ventralast. Betrachtet
man dagegen ein Parapodium eines anderen Segments, so bemerkt
man schon einen ganz gewaltigen Unterschied in der Ausbildung
der Ventralborsten. Die Dorsalborsten sind ungefähr dieselben
‚geblieben, jedoch sind sie etwas stärker. Es sind Borsten, die
sich bald nach dem Austritt aus dem Ast etwas verdicken, und
dann dem Ende allmählich und gleichmäßig spitz zugehen; bis
zum Ende sind sie mit engen transversalen, bei schwacher Ver-
größerung schwer sichtbaren Zähnchenreihen versehen. Man
findet N 7—8 solcher Borsten. Die Borsten des Ventral-
astes dagegen sind stärker, länger und viel zahlreicher, etwa
25—30. Es sind Borsten, die im großen ganzen den anderen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden TI. 47
Ventralborsten der Gattung Lepidonotus ähneln. Sie sind wenig
gebogen, vor der Spitze verdicken sie sich, biegen sich nach hinten,
gehen dann rasch dem Ende zu und endigen in einer einfachen
stark nach vorn gebogenen Spitze. Unterhalb der Spitze zeigen
sie mehrere Zähnchenreihen, von denen die ersten distalwärts
gelegenen die stärksten sind, während dieanderen weit hinter ihnen
zurückstehen. An den unteren Ventralborsten bemerkt man etwa
12 Dornenreihen (Fig.6u.7), anden mehr obengelegenen etwa 18—25
(Fig.5 u.8). Auchist die Verdiekung nicht sostark, und ich glaube,
daß hier Übergänge von den Dorsalborsten zu den Ventralborsten
zu suchen sind. Der Dorsaleirrus sitzt auf einem kurzen aber
kräftigem Basalglied und ist selbst ähnlich den Tentakeln. Er
ist ziemlich lang und überragt den ventralen Ruderast. Der
Ventraleirrus des 2. und 3. Körpersegments erreicht eine beträcht-
liche Länge und gleicht in allen Stücken den unteren Tentakular-
ciıren. Die Ventraleirren der übrigen Segmente sind kurz und
konisch mit einem kurzen Endfaden versehen.
Verbr.: Rotes Meer, Indischer Ocean, Malayischer
Archipel.
Lepidonotus oculatus Baird var. echinatus Potts
Syn. 1910 Lepidonotus cristatus var. echinatus Potts, Trans.
Lin. Soc. London Zool. (2) 13, p. 325. — 1917 Horst, ‚‚Siboga‘“-
Exp. Monogr. XXIV p. 71.
Maße: Länge 19 mm, Breite mit Borsten 8 mm.
Median- und Lateraltentakel von gleicher Länge, Palpen
etwas länger als bei L. oculatus. 2 Paar gleiche Augen und Nuchal-
lappen mit 2 lateralen Papillen. Elytren ohne Crista, aber mit
2 chitinigen Verzierungen, groß, von ovaler Gestalt und mit
einem Saum von konischen Papillen, die an ihrer Basis ver-
schmolzen sind. Kleine Tuberkeln von röhrenförmiger Gestalt
mit ungefähr 12 angehefteten Dörnchen. Der vordere Rand
trägt zahlreiche große konische Dornen mit Dörnchen, die zu
einer engen Basalzone zusammengeschlossen sind. Mittelformen
zeigen eine kugelförmige Basis, die mit Dörnchen und Enddornen
von kleiner Gestalt besetzt sind. Ventralborsten ohne Zahn
unter der Spitze, aber Zähnchen zwischen Spitze und Dornen-
reihen zeigen die beginnende Ornamentierung an. Keine Modi-
fikation der Borsten des 2. Segments. (Potts)
Verbr.: Indischer Ozean (Mauritius).
Lepidonotus oculatus Baird var. ornatus Potts
Syn. 1910 Lepidonotus crsstatus var. ornatus Potts, Trans.
Lin. Soc. London Zool. (2) 13 p. 325. — 1917 Horst, „Siboga‘*-
Exp. Monogr. XXIV p. 71.
Maße: Länge 21 mm, Breite 10 mm mit Borsten, 6 mm
ohne diese.
11. Heft
48 Hans J. Seidler:
Mediantentakel etwas länger als dielateralen. 2 Paar deutliche
Augen und deutlicher Buckallappen wie bei Lepidonotus oculatus.
Elytren derber als bei L. oculatus, von bepudertem Aussehen,
das von kleinen Tuberkeln herrührt,. Keine Crista, sondern ovale
chitinige Flecken, gewöhnlich drei auf jedem Elytıon, an-
scheinend von verschmolzenen Dornen oder Tuberkeln gebildet.
Am Rande der #lecken ist die Form von zusammengesetzten
Dornen deutlich zu sehen und außerdem Dörnchen, die sich rund
um ihre Basis zusammenhäufen. Kleine Typen sind von röhren-
förmiger Gestalt mit Dörnchen an der Spitze, große Typen von
kugelförmiger Gestalt mit kleinen Doınen auf der ganzen Ober-
fläche. Die Dornen ähneln denen von L. oculatus; die Ventral-
borsten sind einspitzig. Keine Modifikation der Ventralborsten
des zweiten Segments. (Potts)
Verbr.: Indischer Ocean (Salomon-Ins.).
Lepidonotus impatiens (Sav.)
Syn. 1818 Polynoe impatiens Savigny in Lamarck, Hist.
nat. p. 309. — 1820 Eumolpe impatiens Blainville, Diet. Sci.
nat. t. 57, p. 458. — 1834 Polynoe smpatiens Audouin-
Miine Edwards, Hist. nat. — 1836 Savigny, Deser.
de ’Egypte p.350 Ann. grav. pl.3 fig.2. — 1850 Grube,
Arch. f. Naturg. XVI. p. 284. — 1865 Lepidonotus vmpatiens
Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 184. — 1865 (66)
Polynoe impatiens Quatrefages, Hist. ‚nat. t.1 P, 2212 =
1869 Pol. (Lepidonotus) impatiens Grube, Mon. Ber. d. K. Ak.
d. Wiss. Berlin p. 488. — 1875 Pol. impatiens Grube, J. B.
schles. Ges. 1875 p. 61. — 1905 Lepidonotus impatiens var. merv-
dionalis Augener, Fauna Südwest-Australiens Polychaeta I
p. 103. ob
Der Kopflappen ist klein, breiter als lang undin der, medianen
Längslinie mit einer vom vorderen bis fast zum hinteren Rande
sich erstreckenden Furche versehen. Die Grundglieder der Tentakel
sind gleich lang, das mediane etwas stärker und am distalen
Ende wenig verbreitert. Sie erreichen etwa !/, bis ®/, der Länge
des Kopflappens. Der Mediantentakel ist etwa so lang wie der
Kopflappen, schlank, dünn, zunächst ein wenig spitz zugehend,
vor der Spitze jedoch schwillt er kugelförmig an und geht dann
in einen langen Endfaden aus. Die Lateraltentakel gleichen im
Habitus dem medianen, sind aber um eine Kleinigkeit kürzer.
Die Palpen sind länglich konisch, wenig kürzer als der Median-
tentakel und mit Reihen von kleinen Papillen besetzt. Auf dem
Kopflappen befinden sich 2 Paar Augen, von denen das vordere
Paar an der Stelle der größten Breite des Kopflappens, ungefähr
in der queren Mittellinie, das andere am Hinteren Kopfrande
liegt, sodaß die vier Augen die Ecken eines gleichseitigen Trapezes
bilden. — Die Tentakulareirren sitzen auf langen Grundgliedern,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 49
die die der Tentakel überragen und erreichen etwa die Länge
der Palpen. Im Habitus ähneln sie den Tentakeln. Der hintere
Teil des Kopflappens wird von einem Nuchallappen teilweise
bedeckt. — Die Elytren decken den Körper teilweise vollständig,
an anderen Stellen jedoch, besonders in der vorderen Region,
lassen sie den medianen Rückenteil frei.‘ Sie sind von rundlicher,
eiförmiger bis nierenförmiger Gestalt, am Rande vollkommen
glatt, fransenlos und ebenfalls frei von größeren Papillen. Da-
gegen ist das ganze Elytron übersät von zahlreichen winzigen
Tuberkeln, die eine abgestumpft kegelförmige Gestalt haben
und an der Spitze in meist 4 gebogene, nach verschiedenen Seiten
gerichteten Dornen ausgehen. An den Rändern findet man noch
einzelne kräftige plattgedrückte, breite große Dornen, die ein-
manchmal auch zweispitzig sind. — Die Parapodien sind deutlich
zweiästig und mit je einer kräftigen Stützborste versehen. Im
ventralen Parapodialast zeigen sich Borsten, die fast garnicht
gebogen sind; ihre Verdickungsstelle liegt sehr proximal, sodaß
die Ornamentierung, wenigstens an den oberen ventralen Borsten
fast die Hälfte des herausragenden Teiles der Borste einnimmt.
Bei den unteren ist die Ornamentierung wesentlich kürzer. Die
schwach nach vorn gebogene Spitze ist einzähnig. Die Zähnchen
sind schwach, nicht sehr lang und liegen der Borste sehr an.
Die Borsten des Dorsalastes sind ziemlich kräftig, schwächer
als die des ventralen, gebogen und mit Ausnahme der sehr kurzen
schwach nach vorn gebogenen Spitze mit äußerst schwachen,
nur bei sehr starker Vergrößeruhg deutlich sichtbaren Dornen-
reihen versehen, deren Zähnchen winzig klein sind. — Die Dorsal-
eirren sind lang und ähneln im Habitus den Tentakeln. Die
Ventraleirren sind kurz, konisch, an der Spitze mit einem dünnen
Endfaden versehen und erreichen die Spitze des Parapods.
Vetbr.: Rotes Meer bis Südwestaustralien.
Lepidonotus australiensis n. Sp.
Syn. 1877 Polynoe (Lepidonotus) striata Grube, Monatsber.
d. Kgl. Ak. d. Wiss. Berl. 1877 p. 509.
Der Kopf des Tieres ist sechseckig, etwa doppelt so breit
wie.-lang. Die Grundglieder der Tentakel erreichen etwa dieselbe
Länge und sind etwa ?/, so lang wie der Kopf. Die Tentakel,
die ebenfalls sämtlich gleich lang sind, sind zunächst zylindrisch,
dann aber vor der Spitze schwellen sie kugelförmig an, woran
sich ein kurzer, dünner Endfaden anschließt. Sie erreichen etwa
die dreifache Länge des Kopfes. Die Palpen sind sehr lang und
erreichen etwa die dreifache Länge der ‚Tontakel, Das vordere
Augenpaar liegt in der queren Mittellinie, an der Stelle der größten
Breite, in den beiden sich gegenüberliegenden Ecken. Das andere
Paar ist durch den Alkohol leider ausgezogen. — Die Grund-
glieder der -Tentakulareirren überragen noch die der Tentakel.
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 11. 4 11. Heft
50 Hans J. Seidler:
Die Cirren selbst ähneln im Habitus den Tentakeln und erreichen
auch deren Länge. — Die Elytren lassen den Rücken in der
Mitte unbedeckt. Sie sind rund bis oval und am Rande nieht
gefranst. Die Oberfläche ist vollkommen mit kleinen Tuberkeln
bedeckt, die von verschiedener Gestalt sind. In der Mitte finden
sich Papillen mit polygonaler Basis, und auf dieser erhebt sich
ein einfacher Dorn. Eine zweite Art besteht aus einfachen
stumpfen Höckern, die an anderen Stellen spitzer oder auch
zweispitzig sein können, deren Ende stumpf oder spitz ist. Eine
Fig. 10,
dritte Art ist becherförmig. Die Basis ist breit, dann folgt ein
schmaler Stiel, an dem sich eine breite Wölbung ansetzt. Die
Grundplatten der ersten Dornen sitzen oft schuppenförmig über-
einander. — In den Borsten ähnelt diese Art sehr der L. smpatiens
(Sav.) und L. oculatus Baird. Die Dorsalborsten sind ziemlich
kräftig, garnicht gebogen. Von dem Austritt aus dem Parapodium
bis fast zur Spitze hin, die glatt bleibt. sind die Borsten mit
sehr feinen, schwach sichtbaren Dörnchenquerreihen besetzt,
gleich denen, von den oben angeführten Arten. Die Ventral-
" borsten sind äußerst kräftig, unterhalb der Spitze verdickt und
nach rückwärts, die Spitze selbst, die einzähnig und sehr stark ist,
kräftig nach vorn gebogen. Die Ornamentierung besteht aus 10
(unten) bis 20 (oben) Dörnchenquerreihen, von denen die
distalsten sehr kräftige blattartige Zähne aufweisen. Die nächsten
Reihen sind schwächer und von der 5. bezw. 10. Reihe an bemerkt
man nur eine Andeutung der Zähnchen. — Der Dorsaleirrus
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 51
ist tentakelähnlich und überragt noch die Ventralborsten. Der
Ventraleirrus ist zunächst zylindrisch und endigt dann plötzlich
in einem Faden. Er erreicht nicht die Spitze des Parapods.
Fundort: Meermaidstreet (Gazelleexp.). | |
Lepidonotus Semiteetus Stimps.
Syn. 1855 Lepidonota Semitecta Stimpson, Proc. Acad.
Sci. Philad. 1855, P. 393. — 1856 Lepidonotus Wahlbergi Kinberg,
Öfv. af Kongl. Vetensk.-Ak. Förh. 1855 p. 384. — 1858 Kin-
berg, Freg. Eug. Resa, p. 12 tab. IV, fig. 14. — 1861 Polynoe
trochiscophora Schmarda, Neue wirbellose Thiere I, II, p. 151,
tab. XXXVI, fig. 310, 310a und b. — 1865 Lepidonotus Wahl-
berg Baird, Proc. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 182. —
1865 Lep. semitectus Baird, Proc. Lin. Soc. London Zool. VIII,
p. 184. — 1865 (?) Hermadion trochiscophorum Baird, Proc.
Lin. Soc. London Zool. VIII p. 197. — 1865 (66) Polynoe Wahl-
berg, Quatrefages, Hist. nat. pt. I, p. 224. — 1865 (66) Pol.
trochiscophora Quatrefages, Hist. nat. pt.I, p.249. — 1875
Lepidonotus Wahlbergi Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 61.
1875 Polynoe trochiscophora Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p- 61.
— 1885 Lepsidonotus Wahlbergi Me Intosh, ‚Challenger‘ Rep.
Zool. vol. XII, p.66, pl.XI, fig.I, pl. XVII, fig.8, pl.X,
fig. 15/16. — 1888 Lep. semitectus v. Marenzeller, Zool. Jahrb.
Bd. 3, p. 3. — 1898 Lep. Wahlberg: Me Intosh, Marine Investig.
in South-Africa, vol. III, p. 21. — 1907 Malaquin et Dehorne,
Rev. Suisse Zool. 15, p. 344. — 1908 Lep. semitectus Ehlers,
„Valdivia“-Exp. Bd. 16 Annel. p. 47. — 1913 Ehlers, Deutsche
Südpol. Exp. Bd. XIII, Zool. V, p. 447, Taf. XXVIIL, fig. 1—6.
Der Kopf ist klein; eine mediane Längsfurche teilt den
Kopf in zweı Hälften. Der Querdurchmesser ist größer als die
Längslinien des Kopfes. Das Grundglied des Mediantentakels
ist kräftig, konisch, am distalen Ende etwas verbreitert und etwa
!/, bis ebenso lang wie der Kopflappen. Der Mediantentakel
selbst erreicht etwa die zweieinhalbfache Länge des Kopfes.
Er geht zunächst allmählich spitz zu, verdickt sich aber subterminal
und verdünnt sich dann plötzlich zu einem Endfaden. Der Tentakel
ist etwa zur Hälfte dunkel gefärbt, und dann findet sich noch
vor der Spitze an der subterminalen Anschwellung ein dunkler
Ring. Die Grundglieder der Lateraltentakel ähneln dem des
medianen, sind aber schwächer und um eine Kleinigkeit kürzer
als dieser. Die Tentakel selbst zeigen den gleichen Habitus und
die gleiche Färbung wie der mediane, erreichen aber nur etwa
die eineinhalbfache bis doppelte Länge des Kopflappens. Die
Palpen sind kräftig, länglich konisch, etwa ebenso lang wie der
Mediantentakel und mit mehreren Längsreihen von kleinen
konischen Papillen besetzt. Auf dem Kopflappen bemerkt man
zwei Paar Augen, von denen das vordere Paar in der größten
4* 11. Heft
52 Hans J. Seidler:
Breite des Kopflappens, ungefähr in der queren Mittellinie, an
den seitlichen Rändern des Kopflappens liegt, während das
andere Paar in den hinteren äußeren Ecken zu finden ist. —
Die Tentakulareirren, die auf langen Grundgliedern inseriert
sind, welche die der Tentakel noch überrragen, ähneln im Habitus
und Färbung den: Tentakeln und erreichen noch die Spitze des
Mediantentakels. Am Grunde findet sich noch vor der Pig-
mentierung ein farbloser Ring. — Die Färbung des Körpers ist
eine sehr verschiedene, man findet solche, die vollkommen blau-
schwarz, solche die grün sind und andere, deren Körperoberfläche
und Elytren hellblau gefleckt und die Ventralseite weißlich ist.
Bei den beiden ersten Typen sind die Borsten ganz dunkelgelb,
man kann sie als braun bezeichnen, bei dem letzteren dagegen
zeigen sie die gewöhnliche gelbe Farbe. Der Körper wird von
den Elytren nicht vollständig bedeckt, sondern sie lassen die
mediane Rückenpartie nackt. Sie sind meist von rundlicher
bis schwach nierenförmiger Gestalt, am Rande vollkommen glatt,
fransenlos. Auf dem hinteren Teil des Elytrons bemerkt man,
besonders auf den vorderen, kräftige, an der Spitze gebogene
Dornen, die bei den hinteren Elytren verschwinden und dort
nur als runde Höcker zu sehen sind. Außerdem sind die Elytren
mit zahlreichen kleinen Papillen übersät, die besonders dicht
am äußeren Rande stehen. — Die Ventraläste der Parapodien
sind konisch und enthalten zahlreiche kräftige, mehr oder
weniger stark gebogene Borsten. Die Ornamentierung ist
ziemlich kurz und besteht nur aus wenigen schwachen Zähnen,
von denen der am distalen Ende stehende durch seine Größe.
von den anderen stark abweicht. Die scharf nach vorn gebogene
Spitze ist einfach. Die Dorsalborsten sind kräftig, zunächst
zylindrisch und verdicken sich im Verhältnis zu den Dorsal-
borsten der anderen Arten sehr spät. Sie sind stark rückwärts
gebogen und von der Verdickungsstelle.an bis fast zu der nach
vorn gebogenen Spitze, die glatt bleibt, mit Dörnchenreihen
versehen. Der Dorsaleirrus ist kurz und kräftig und ähnelt den
Tentakeln, zeigt aber nur eine sehr schwache subterminale Ver-
diekung und nur einen Pigmentring unter derselben. Am Ende
findet sich ein fadenförmiger Anhang. Der Ventraleirrus ist kurz,
konisch und geht in einen Endfaden aus. Er erreicht nicht das
Ende des Parapods.
Verbr.: Natal, Kap der guten Hoffnung, Lüderitz-
bucht. |
Lepidonotus elava (Mont.)
Syn. 1808 Aphrodita clava Montagu, Trans. Lin. Soc.
IX, p. 108, tab. VII, fig. 3. — 1824 Lepidonotus clavatus Leach,
Suppl. Encyclopaedia Brit. vol. 1, p. 452. — 1826 Polinoe scu-
tellata Risso, Hist. nat. Europ. merid. IV, p. 414. — 1828 Eumolpe
elava Blainville, Diet. d. Sei. nat. LVII, p. 458. — 1829. Eum.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 53
squamata Delle Chiaje, Mem. sulla Storia IV, p. 155, tab. LVII,
figs.8 u. 17. — 1836 Halithea clava Templeton, Lond. Mag.
Nat. Hist. IX, p. 234. —1838 Polynoe sgquamata Grube, Anatomie
u. Phys. d. Kiemenwürmer p. 60., Taf II, Fig. 13. — 1840 Grube,
Act., Echin. u. Würm. d. adriat. u. Mittelm. p. 87. — 1841 Pol.
(Polinoa) sguamosa (sguamata) Delle Chiaje, Descriz. et Notomia
degli Anımali Invertebrati, p. 106. — 1850 Pol. scutellata Grube,
Arch. f. Naturg. p. 37. — 1860 Pol. clypeata Grube, l.c. XXVI,
p-. 71, tab. III, fig. 1. — 1861 Grube, Ausfl. nach Triest u. d.
Quarnero, p. 138, tab. III, fig. 1. — 1864 Grube, J. B. schles.
Ges. p. 77. — 1865 Lepidonotus clava Johnston, Catal. of the
Brit. non-paras. Worms p. 111, tab. IV, figs. 5, 6. — 1865 (66)
Polynoe modesta Quatrefages, Hist. nat. d. Ann. t.], p. 243.
— 1865 (66) Pol. scutellata Quatrefages, l.c. t. I, p.248. —
1865 (66) Pol. clypeata Quadrefages, 1.c. t.I, p.249. —
1865 (66) Pol. fuscescens Quatrefages, l.c. t.I, p.242. —
1867 Lepidonotus clava Malmgren, Öfv. Sv. Vet.-Ak. Förh.
XXIV, No.4, p. 130. — 1867 Lep. clypeatus Malmgren, |.c.
p. 130. — 1870 Polynoe grubiana Clapare&de, Ann. chet. d.
Golfe de Napl. Suppl. p. 9, pl. I, fig. 2. — 1875 Aphrodita clava
Grube, J. B. schles. Ges. p. 61.°— 1875 Aphrodita clava Grube,
J. B. schles. Ges. p. 61. — 1875 Polynoe clypeata Panceri,
Atti Soc. Ital. Sci. Natur. Milano vol. 18, p. 213. — 1875 Pol.
grubiana Panceri, l.c. vol.18, p. 213. — 1876 Lepidonotus
clava Mac Intosh, Trans. Zool. Soc. IX, p.374. — 1880
Langerhans, Zeitschr. wiss. Zool. XXXIII p.273, Taf. 14,
fig.2. — 1881 Polynoe clava Langerhans, Nova Acta 42,
III, p. 108. — 1884 Bourne, Trans. Lin. Soc. London Zool. II,
p- 347, pl. XXIV—XXVI — 1884 Lepidonotus clava Carus,
Prodr. Faun. Med. pars I, p. 202. — 1885 Polynoe clava Jourdan,
Zool. Anz. VIII, p. 128, figs.1, 2. — 1887 Jourdan, Arch.
Zool. exp. et gener. V, p. 115, pl. IV, figs. 11, 12, 16, 17. —
1888 Lepidonotus pleiolepis de St. Joseph, Ann. Sci. nat.
(7) V, p. 152, pl. VI, figs. 1—5. — 1898 Lep. clava Mac Intosh,
Ann. Mag. Nat. Hist. (VII) 2, p. 108. — 1900 Mac Intosh, Ann.
Monogr. of the Brit. Annel. p. 280, pl. XXVI, fig. 1, pl. XXVII,
fig. 4, pl. XXXILI, fig. 2, 14, pl. XXXVIJ, fig. 11, 15, pl. XLII,
fig.26. — 1914 Fauvel, Bullet. de L’Inst. Ocean. — 1917
Augener, Polych. von Westafrika, p. 132.
Der Kopf des Tieres ist rundlich, oft fast sechseckig, und zwar
bildet dann je eine Seite den vorderen und hinteren Kopfrand
und je zwei die seitlichen Ränder und formen so etwa in der Mitte
eine größte Breite des Kopfes. In der medianen Längslinie des
Kopfes befindet sich eine Furche, die sich vom vorderen Kopf-
rande bis etwa zur Mitte hinzieht. Das Grundglied des Median-
tentakels ist kräftig, fast cylindrisch und besitzt etwa die Länge
des Kopflappens. Der Mediantentakel selbst ist ziemlich schlank
und besitzt etwa eine Länge von 3!/,mal der Kopflänge. Er geht
11. Heft
54 Hans J. Seidler:
zunächst langsam der Spitze zu, erweitert sich dann aber am Ende
zu einer Art Keule, an der distal ein kurzer Faden hängt. Der
Kopflappen selbst ist farblos. Das Basalglied zeigt ein sehr
schwaches dunkles Pigment. Der Tentakel ist am Grunde, aller-
dings nur ein sehr schmaler Streifen farblos; bis zu etwa ein
Drittel der ganzen Länge ist der Tentakel mit einem dunklen
Pigment versehen, und eine ähnliche Färbung sieht man an
der subterminalen Verdickung. Die Basalglieder der Lateral-
tentakel unterscheiden sich von dem des medianen durch ihre
Kürze und ihre Dicke. Sie sind etwa nur °/, so lang wie das des
medianen und ungefähr nur 1/, so dick wie dieses. Auch die
Tentakel unterscheiden sich von dem Mediantentakel. An Länge
erreichen sie nur etwa die Hälfte dieses, sind aber im Habitus
gleich dem Mediantentakel. Der schwarze Ring am Grunde
des Tentakels ist nicht so breit wie der bei dem medianen. Diese
Wahrnehmung, daß der erste Ring bei den Lateraltentakeln
schmäler ist, hatte ich schon öfters gemacht ; so daß es mir erscheint,
als ob nur der Mediantentakel diesen breiten schwarzen Ring
hat, während die lateralen nur einen schmalen zeigen. Die Palpen
sind lang und kräftig und erreichen etwa die doppelte Länge
des Mediantentakels. Sie sind länglich konrisch und gehen all-
mählich und gleichmäßig der stumpfen Spitze zu, an die sich
noch ein dünner Endfaden anschließt. Auf den Palpen befinden
sich mehrere Längsreihen kleiner winziger Papillen. Auf dem
Kopflappen bemerkt man 2 Paar Augen, von denen das vordere
Paar in der größten Breite des Kopflappens, in den gegenüber-
liegenden Ecken des Sechsecks liegt. Das hintere Paar liegt
dicht an den seitlichen Rändern, etwas vom Hinterrande des
Kopflappens entfernt. — Seitlich vom Kopflappen erheben sich
die Tentakularcirren, deren Grundglieder noch die der Tentakel
übertreffen. Die Cirren selbst ähneln im Habitus und Färbung
sehr den Tentakeln, sind jedoch etwas kürzer als der Median-
tentakel und etwas länger als die lateralen. Die oberen Cirren,
die um eine Kleinigkeit länger sind als die unteren, unterscheiden
sich von den anderen auch durch ihre Färbung. Sie ähneln in
der Färbung dem Mediantentakel, während die unteren in der
Färbung sich den lateralen nähern. — Der Körper wird von
den Elytren teilweise bedeckt. In der medianen Körperlängslinie
findet man auf jedem Segment einen großen braunen Fleck.
Am Ende des Körpers findet man 2 Analcirren, die etwas länger
sind als die benachbarten Dorsaleirren. — Betrachtet man die
Elytren der Reihe nach, so bemerkt man, daß die vorderen Elytren
‘viel mehr Papillen zeigen als die hinteren, die oft gänzlich von
diesen entblößt sind. Die mittleren Elytren zeigen folgenden Bau.
Sie sind fast rundlich, vollkommen glattrandig, ohne Fransen
und große Randpapillen. Am Rande ringsherum finden sich
in mehreren Reihen kleine Papillen, die hier und da mit etwas
größeren vermischt sind. Mehr in der Mitte befinden sich größere
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 55
Papillen, die genau denselben Bau wie die kleineren aufweisen.
Es sind einfache Erhöhungen, die in der Mitte eine schwache
Vertiefung zeigen. — Die Parapodien sind zweiästig, wenn auch
in einigen die Dorsalborsten fehlen. Im Dorsalast finden sich
kurze, stark gebogene Borsten, die mit transversalen Quer-
reihen von feinen Dornen besetzt sind, die an der konvexen
Seite ziemlich stark sind. Es sind etwa bis 20 solcher Borsten
vorhanden. Im Ventralast findet man 20—25 starke kräftige
lange Borsten, die zunächst vollkommen cylindrisch und wenig
gebogen sind. Vor der Spitze verdicken sich die Borsten und
biegen sich zugleich etwas nach rückwärts. Dann gehen sie spitz
zu und endigen in einer einfachen, stumpfen, nach vorn gebogenen
Spitze. Unterhalb dieser finden sich etwa 12—15 Zähnchen-
reihen, von denen die distalste Reihe stärker als die übrigen
ausgebildet ist, die nur fadenförmig sind. — Der Dorsalcirrus
ist kurz und reicht knapp über das ventrale Borstenbündel hinweg.
Er ist genau so gebaut wie die Tentakel, zeigt jedoch nur einen
schwarzen Ring an der subterminalen Verdickung. Der Ventral-
eirrus ist konisch und zeigt an der Spitze einen kurzen Endfaden.
Verbı.: Mittelmeer, Südwestküste Europas, Nord-
westküste Afrikas. -
Lepidonotus javanicus Horst
Syn.: 1917 Lepidonotus javanicus Horst, ‚Siboga“-Exp.
Monogr. XXIV, p. 72 pl. XVIJ, figs. 1 u. 2.
Der Kopf ist breiter als lang, mit 2 großen Augen, die auf
seiner hinteren Hälfte dicht aneinander liegen, halb bedeckt
durch den Nuchallappen, der mit 2 seitlichen Papillen versehen ist.
Die Lateraltentakel, die zweimal so lang wie der Kopf sind, sind
mit einer fadenförmigen Spitze versehen; der Mediantentakel
ist etwas länger. Die Palpen sind schlank, fast so lang wie die
Tentakel. Von den Tentakulareirren ist der dorsale der längste.
Die Elytren sind eliiptisch oder schwach nierenförmig ohne
irgend welche Randanhänge, mit einer etwas exzentrisch gelegenen
Anheftungsstelle; ihr unbedeckter Teil ist mit einer großen Anzahl
von ziemlich großen stumpfkonischen Papillen besetzt, die schon
bei schwacher Vergrößerung sichtbar sind, während am bedeckten
Teil sich ein Streifen von kleinen Tuberkeln befindet. Jedoch
sind bei einem anderen Exemplar von demselben Ort diese
Papillen gänzlich abwesend und an der granulierten Oberfläche
sind nur einige sich verästelnde Nervenstämme sichtbar. Beide
Parapodiallappen zeigen einen verlängerten Anhang, der das
Aciculum einschließt. Der ventrale ist der größere. Die Ventral-
borsten haben ein keilförmiges aufgeblasenes Distalende, mit
schwachen transversalen Streifen, jedoch ohne sekundäre Spitze;
die Dorsalborsten sind schwach gebogen, mit feinen Transversal-
streifen und einer stumpfen Spitze. — Der Ventraleirrus erreicht
11. Heft
56 Hans J. Seidler:
nicht das Distalende des Ventrallappens; der Dorsaleirrus ist
sehr lang und reicht noch über das Ende des Dorsalbündels. —
Diese Art ist leicht an den deutlichen Papillen ihrer Elytren
und der Gestalt ihrer Borsten erkennbar. (Horst)
'Verbr.: Malayischer Archipel (7° 2,6° S, 115% 23,6° O).
Lepidonotus helotypus (6r.).
Syn.: 1877 Polynoe (Lepidonotus) helotypus, Grube, J. B.
schles. Ges. 1876 (77) p. 49. — 1877 Pol. (Lep.) phaeophyllus
Grube, J.B. schles. Ges. 1876 (77) p. 49. — 1879 Pol. (Lep.)
gymnonota v. Marenzeller, Denkschr. Ak. Wiss. Wien Math.
Nat. Kl. 41, p. 4, Taf. 1, Fig. 3. — 1885 Lepidonotus gymnonotus
Mac Intosh, Rep. ‚Challenger‘ Exp. Zool. XII, p. 64, pl. X,
fig. 4, pl. XVII, fig. 5, pl. IX A, fig. 2, 3. — 1905 ? Lep. robustus
Moore, Proc. Ac. Nat. Sci. Philad. 1905, p. 544, pl. XXXVI,
figs. 32—35. — 1908 ? Moore, Proc. Ac. Nat. Sci. Philad. 1908
p. 330. — 1912 Polynoe gymnonotus Izuka, Journ. of the Coll.
of Sci. Tokyo vol. XXX, art.2, p.8 Y pl. III, figs. 1—4. — 1912
Pol. ijimaı Izuka, Journ. of the Coll. of Sci. Tokyo vol. XXX
art.2, p. 11, pl. III, figs.5, 6. — 1916 Lepidonotus gymnonotus
Frickhinger, Zool. Anz. XLVI, p. 234. — 1916 Lep. dofleini
Frickhinger, Zool. Anz. XLVI, p. 234.
Der Kopf des Tieres ist rundlich sechseckig. In der medianen
Längslinie findet sich eine furchenähnliche Vertiefung, die sich
vom vorderen Kopfrande bis fast zum hinteren erstreckt. Das
Grundglied des Mediantentakels ist kräftig und erreicht etwa
die Länge des Kopflappens. Nach dem distalen Ende hin divergiert
es so, daß es an diesem Teil ziemlich 1!/,mal so breit ist als am
proximalen Ende. Der Mediantentakel erreicht etwa die doppelte
Kopflappenlänge. Er ist an seinem unteren Ende ziemlich breit
und geht zunächst der Spitze ziemlich rasch, dann langsamer zu;
vor der Spitze jedoch schwillt der Tentakel wieder zu einer Keule
an. Den Schluß bildet ein dünner Endfaden. Der Kopflappen
und das Grundglied zeigen bei der Type eine gelbliche Färbung;
der Tentakel jedoch besitzt ein bräunliches Pigment, von dem
einzig und allein nur das fadenförmige Ende frei ist. Die Färbung
variiert jedoch sehr bedeutend, denn ich fand Exemplare, deren
Tentakelfärbung rot und bei anderen schwarz ist. Die Grund-
glieder der Lateraltentakel, die nur etwa 3/, der Länge des medianen
einnehmen, sind einfach cylindrisch, fast ohne Erweiterung am
distalen Ende. Die Lateraltentakel selbst, die dem Mediantentakel
sehr ähnlich sind, sowohl im Habitus als auch in der Färbung,
unterscheiden sich von diesen dadurch, daß sie etwa nur 3,
der Länge des Mediantentakels einnehmen. Die Palpen sind
kräftig und gehen von Anfang an gleichmäßig und allmählich
dem Ende spitz zu, ohne irgend welche Papillen, Verdiekungen
oder auch Wimpern zu zeigen; sie sind vollkommen glatt. Am
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 57
Ende zeigt sich ein kurzer Endfaden. Sie sind äußerst lang und
überragen noch die Tentakel. Auf dem Kopflappen bemerkt
man 2 Paar Augen, von denen das erste an der Stelle größter
Breite liegt, in den beiden sich gegenüberliegenden Ecken, die
sich ungefähr in der Mitte des Kopflappens befinden. Das andere
Paar liegt weiter dem hinteren Rande zu, jedöch nicht dicht
an diesem. Beide Augenpaare liegen aber hart an den seitlichen
Rändern des Kopflappens. — Die Tentakulareirren, die auf
langen Grundgliedern sitzen, sind im Habitus und Färbung den
Tentakeln sehr ähnlich. Der obere Cirrus erreicht etwa die Länge
des Mediantentakels, während der untere
an Länge zwischen dem medianen, und den
lateralen steht. Das Girundglied_ zeigt
dieselbe Färbung wie der Kopflappen. —
Der Körper ist platt, breitgedrückt, vorn
schmäler als hinten. Er wird von vorn an-
gefangen immer breiter bis etwa ?/, seiner
Länge, dann bleibt er sich an Breite gleich
und geht dann erst dem Ende zu, daß
ziemlich rund ist. Außer dem ersten und ° H
letzten Elytrenpaar decken sich die Elytren
desselben Segments nicht gegenseitig. In
der nackten medianen Rückenpartie be-
merktman eine Zeichnung, und zwar inter-
segmentale Querstreifen von :bräunlicher
oder schwarzer Farbe, meistens 3, in der
hinteren Region jedoch nur 2. Am Körper-
ende bemerkt man 2 Analcirren, die etwas
kürzer als die nächsten Dorsülcirren sind.
— Die Elytren sind rundlich bis oval. Ihre
Anheftungsstelleliegt etwas exzentrisch und
ist als farblose Stelle gekennzeichnet. Von
dieser gehen bei den Elytren der Type be-
sonders nach dem äußeren und hinteren Si
Rand deutliche Gefäße aus, die sich dann X“
noch weiter verästeln. Siefehlen beianderen |
Exemplaren, die mir zur Untersuchung zur .
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Verfügung standen. Der Rand ist voll-
kommen glatt ohne Papillen oder Fransen.
Auf den Elytren bemerkt man am hinteren
Rand dornenähnliche Gebilde, die schon mit N
bloßem Auge deutlich sichtbar sind. Bei N
stärkerer Vergrößerung bemerkt man, daß N
es kielartige dunkelbraune Dornen sind, die Fig.l
in der Gestalt etwas varlieren; bald sind . |!
sie schlanker, bald plumper im Bau. Die Farbe der Elytren
ist braun bis schwarz, im vorderen Teil ganz hell, ja fast
farblos, während nach hinten, also dem unbedeckten Teil zu
11. Heft
DOSE SERRER
58 Hans J. Seidler:
das ‘Pigment zunimmt. Außer den großen Dornen findet
man noch kleine rundliche Papillen. Auf den Elytren anderer
Exemplare findet man keine große Dornen, sondern nur die
kleinen. — Im Dorsalast des ersten Parapods sieht man nur
wenige Borsten, die den andern Dorsalborsten ähnlich sind.
Es sind schlanke, schwach gebogene, die sich kurz nach ihrem
Austritt etwas verdicken und dann langsam und gleichmäßig
dem Ende spitz zugehen. Sie sind mit transversalen Dornenreihen
versehen und zeigen an der konvexen Seite ziemlich starke Zähne.
Die Borsten des Ventralastes sind leider alle abgebrochen. Es
sind aber wahrscheinlich gerade Borsten, die ohne eine Verdiekung
aufzuweisen, allmählich der Spitze zugehen undtransversaleDornen-
reihen zeigen, die schon ziemlich am Grunde der Borste beginnen.
Der Ventraleirrus ähnelt in jeder Beziehung dem Dorsaleirrus
der übrigen Parapodien. Im Dorsalast der anderen Parapodien
finden sich die gleichen Borsten wie in dem ersten, jedoch größer
an Zahl. Im Ventralast findet man lange Borsten, die sich vor
der Spitze verdicken und dann allmählich der nach vorn ge-
bogenen einfachen Spitze zugehen. Es finden sich an den unteren
Ventralborsten etwa 15, an den oberen etwa 20 Dornenreihen
mit einfachen haarförmigen Dornen, von denen die mittleren
die größten sind und nach den beiden Enden hin sehr wenig an
Größe abnehmen, also ungefähr alle ziemlich gleich groß sind.
Der Dorsaleirrus sitzt auf einem kurzen kräftigem Basalglied.
Er ist ähnlich den Tentakulareirren, zeigt aber nur einen Pigment-
ring an der subterminalen Verdickung. Er überragt das ventrale
Borstenbündel. Der Ventraleiırus ist kurz und länglich konisch
zugespitzt.
Verbr.: Japan und Nordamerika (?).
Von Marenzeller sagt bei der Beschreibung seines Lep:-
donotus gymmonotus, daß die Elytren vollkommen glatt sind.
Ich glaube, daß die Ornamentierung der Elytren bei dieser Art
außerordentlichen Schwankungen unterliegt, und daß wir es bei
L. helotypus (Type) mit dem einen Extrem und bei L. gymnonotus
(Type) mit dem anderen Extrem zu tun haben, wie mir
Dr. Augener schrieb. Exemplare, die sich im Zool. Mus. Berlin
fanden, und die von Kob& stammen, hatten Elytren, die mit
kleinen Tuberkeln versehen sind, also solchen, die zwischen den
beiden genannten Typen stehen.
Lepidonotus austera (Gr.).
Syn.: 1878 Polynoe (Lepidonotus) austera Grube, Annulata
Semperiana p. 29, Tat. I, fig. 6.
Der Kopf ist länger als breit und an den Seiten abgerundet.
Der hintere Kopfrand ist etwas konkav gebogen. In der medialen
Längslinie befindet sich eine Furche, die sich vom vorderen bis
hinteren Rand hinzieht und so den Kopflappen in 2 Hälften teilt.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. ‘59
‚Das Grundglied des Mediantentakels ist kräftig, fast eylindrisch
‚und erreicht etwa die halbe Länge des Kopflappens. In der Mitte
ist er farblos, während er an den Seiten ein schwärzliches Pigment
aufweist. Der Tentakel selbst ist abgebrochen und ich füge
hier die Beschreibung von Grube zu: ‚„Tentacula sub apice
haud inflata ut cirri laevia, lurida, medio fumigata, impar parıbus
longius, 4-pla fere lobi capitalis longitudine, cum subtentaculis
pallide umbrinis cirrisque tentacularibus aeque prominens“.
Die Grundglieder der Lateraltentakel sind um ein kleines Stück
kürzer, aber um die Hälfte schwächer als das des Mediantentakels.
Was Grube über die Lateraltentakel sagt, hörten wir schon.
Sie erreichen etwa die doppelte Länge des Kopflappens. Von der
subterminalen Verdickung konnte ich jedoch nichts bemerken,
oder sie ist so gering, daß sie übersehen werden kann. Der Tentakel
‘selbst ist an seinem unteren Teil dunkel pigmentiert, an seinem
oberen dagegen farblos. Die Palpen sind kräftig, konisch, ohne
irgend welche Anschwellung gehen sie allmählich und gleich-
‚mäßig dem Ende spitz zu. Sie erreichen etwa die 4—Öfache
Länge des Kopflappens. Sie sind vollkommen glatt ohne Wimpern
und Tuberkel. Auf dem Kopflappen bemerkt man noch 2 Paar
versteckte Augen. Sie sind alle von dem überragenden Segment
verdeckt. Das vordere Paar liegt etwa an der breitesten Stelle
des Kopflappens, die etwa in der queren Mittellinie liegt. Die
hinteren Augen, die ziemlich am hinteren Rande liegen, sind
unmerklich kleiner als die vorderen. Die Tentakularcirren, die
etwa die Spitze der Palpen erreichen, sitzen auf Grundgliedern,
-die bis in die Höhe der Basalglieder der Tentakel reichen. Die
Cirren selbst sind glatt, ohne Anschwellung gehen sie allmählich
dem Ende spitz zu. Siesind am Grunde und an der Spitze farblos,
während die Mitte, etwa !/, der ganzen Länge schwarzes Pigment
aufweist. — Der Rücken ıst bei den mir vorliegenden Tier nicht
an allen Teilen bedeckt. Am Ende des Körpers finden sich 2 Anal-
eirren, die den gleichen Bau, wie die benachbarten Dorsalcirren
haben, jedoch länger sind. — Die Elytren sind ziemlich derb und
sitzen sehr fest. Sie haben eine länglich runde, eiförmige Gestalt.
Die Anheftungsstelle liegt etwas exzentrisch und zwar mehr nach
außen gerückt. In der Mitte, in der Nähe der Anheftungsstelle
findet sich ein heller. Fleck, während der übrige Teil unregelmäßig
mit olivgrünen Pigment befleckt ist. An der Außenseite findet
man nur einzelne Stellen mit diesem Pigment versehen, während
an der Innen- und Hinterseite das farblose mehr zurücktritt.
Dieses Pigment ist hier in kleinen polygonalen Feldern enthalten,
die sich zu größeren Flecken zusammenschließen, also anders
als bei L. adspersus (Gr.), bei der das Pigment in Stäbchenform
enthalten ist, die sich zu Sternchen zusammenschließen und dann
größere Flecken bilden. Es finden sich dann noch über das ganze
Elytron verstreut kleine Papillen, die ebenfalls hin und wieder
etwas Pigment enthalten. — Das Parapodium ist im ‘dorsalen
11. Het
60 Hans J. Seidler:
Ast sehr wenig ausgebildet. Esfinden sich dort nur etwa 15 Borsten,
die äußerst fein und sehr kurz sind. Sie gehen von unten an bis
zum Ende allmählich und gleichmäßig spitz zu, sind nur sehr
wenig gebogen, schlank und mit äußerst wenig Zähnchen versehen.
Sie sind zunächst bis fast zur Spitze gleich dick und erweitern
sich dann etwas an der Stelle, an der auch die ersten Zähnchen
sich ansetzen. Eine Biegung ist hier fast garnicht zu bemerken.
Dann verdünnt sich die Borste und spitzt sich zu dem etwas
nach vorn gebogenen Ende zu. Im ganzen finden sich nur etwa
4—5 fadenförmige Zähne an der Borste. — Der Dorsaleirrus
sitzt auf einem ziemlich dicken Grundglied, das seiner Struktur
zufolge eine gewisse Bedeutung haben muß. Es findet sich nämlich
rings um das Grundglied herum, jedoch noch mit einer Haut
umgebene Wülste, Aussackungen, wie man ähnliches bei C'haeta-
canthus und Euphione sehen kann, nur daß bei diesen diese Wülste
freiliegen und hier noch von einer Haut umgeben sind. Ich glaube
nicht fehl zu gehen, wenn ich diese mit den Kiemenfortsätzen
von Chaetacanthus und Euphione in Beziehung bringe, und sie
auch hier als Atmungsorgane betrachte. Der Cirrus selbst ist
lang, ohne irgend eine Anschwellung geht er gleichmäßig der
Spitze zu, die die Ventralborsten noch überragt. Der Ventral-
eirrus ist kurz und konisch.
i Verbr.: Philippinen.
Lepidonotus aeololepis Hasw.,
Syn. 1883 Lepidonotus aeololepis Haswell, Proc. Lin. Soc.
N. S. W. VIII, p. 286, pl. IX, figs. 3—5.
Die Tentakel sind schlank, und zwar ist der mediane fast
zweimal so lang wie der laterale; ebenso wie die anderen Tentakel
und Dorsalcirren besitzen sie in der Nähe der Spitze eine leichte
Anschwellung, auf welche ein schlanker, spitz zugehender Teil
folgt. Die Palpen sind länger als die Tentakulareirren, kürzer
als der Mediantentakel, aber länger als die lateralen Tentakel,
glatt, eylindrisch. Die Tentakulareirren sind kürzer und schlanker
als die Palpen. Die Ventraleirren sind kurz und konisch, die
Ventraltuberkel hervortretend. Die Analeirren sind länger als
die Tentakel. Die Parapodien sind geteilt, und der Ventralast
ist größer als der dorsale. Die Ventralborsten sind an Zahl etwa
15—20, Yıooo Zoll breit und !/,, lang und sind von einem Typ
wie sie von Lepidonotus argus dargestellt wurden; die Spitze
ist gebogen und ziemlich scharf, und an seitlichen Dornen findet
man 5 oder 6 in jeder Reihe. Die Dorsalborsten sind einfach
und äußerst schlank, gerade, mit Ausnahme einer leichten Biegung
in der Nähe der Spitze — an der Biegung ist die Borste etwas
verdickt. Die Elytren sind zart, gefranst und mit zahlreichen
fast rundlichen oder polygonalen Figuren versehen. Die Elytren
und die Dorsalseite unter ihnen ist mit dunkelblauen Flecken
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 61
versehen, außerdem findet man Bänder von ähnlicher Farbe
an den Tentakeln und 2 dunkelblaue Flecke an der Ventralseite
jedes Segments . Länge ungefähr 3/; Zoll; Breite !/);. (Hasw.).
Fundort: Thursday Island.
Lepidonotus argus (@fg.).
Syn. 1865 (66) Polynoe argus Quatrefages, Hist. nat.
des Ann. t. I, p. 247. — 1875 Grube, J. B. Schles. Ges. 1875
p. 61. — 1883 Thormora argus Haswell, Proc. Lin. Soc. N. S. W.
VII, p. 278, pl. VIII, fig. 5—12. — 1889 Whitelegge, Journ.
Proc. Roy. Soc. N. S. W. XXIII. — 1901 Lepidonotus versicolor
Ehlers, Zool. Jahrb. Supl. V Plate. Fauna chiliensis Bd. 2,
1901. — 1901 Ehlers, Polych d. mag. u. chil. Strandes p. 50,
Taf. III, fig. 1—9. — 1905 Lep. (Thormora) vers. Augener,
Fauna Südwest-Australiens Polychaeta I Errantia p. 106.
‘Der Kopf des Tieres ist ebenso breit wie lang und fast qua-
dratisch, an den Seiten wenig abgerundet. Die Grundglieder
der Tentakel sind fast eylindrisch und etwa so lang wie der Kopf-
lappen. Jedoch überragt das Basalglied des Mediantentakels
um ein kleines Stück die der lateralen. Die Tentakel selbst sind
zunächst fast cylindrisch, gehen dann allmählich spitz zu, schwellen
vor der Spitze an und endigen in einem kurzen Faden. Die Lateral-
tentakel sind etwa doppelt so lang wie der Kopflappen, der
Mediantentakel überragt diese noch um eine Kleinigkeit. Die
Palpen sind kräftig, geringelt und endigen plötzlich in einem
Endfaden. Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei Paar Augen,
von denen das Vordere in der queren Mittellinie, das andere
am hinteren Rande des Kopflappens liegt. Die Grundglieder
der Tentaculareirren sindlang und überragen noch die der Tentakel;
die Cirren selbst sind tentakelähnlich. — Die Elytren decken
den Körper in der hinteren Region vollständig, in der vordern
lassen sie den medianen Teil frei. Die Gestalt der Elytren ist
rundlich bis oal, am Rande vollkommen ungefranst. Auf ihnen
bemerkt man große kugelförmige bis birnförmige Papillen, die
mit kleinen Papillchen vollkommen besetzt sind. Oft sind die
Elytren von diesen Papillen so übersät, daß sich eine neben der
anderen findet, bei anderen Exemplaren stehen sie wiederum
weiter auseinander. Die Zilien auf den Papillen, die Haswell
gesehen haben will, sind sicherlich Fremdkörper; ich selbst
bemerkte sie auch auf einigen Papillen eines Exemplars vom
Port Jackson. — Die Parapodien sind deutlich zweiästig.
Der Dorsalast enthält zwei Arten von Borsten, von denen die
eine Art den Thormora-Borsten von Lepidonotus (Thormora)
jukesi Baird sehr ähnlich sehen. Sie sind ebenso wie diese lanzett-
förmig, sind aber nicht glatt, sondern mit feinen Härchen besetzt,
wie sie Haswell abbildet, und die sehr spärlich stehen. Diese
haben Ehlers und Augener sicherlich übersehen. Die anderen
11. Heft
62 Hans J. Seidler:
Börsten sind mit feinen dichtstehenden Dornenreihen ornamentiert.
Die Ventralborsten sind einspitzig schwach gebogen und zeigen
unter- der glatten Spitze mehrere Dornenreihen, wovon die
distalste Reihe große blattartige Zähne aufweist. — Der Dorsal-
cirrus ähnelt den Tentakeln. Der Ventralcirrus ist kurz, konisch
und erreicht nicht die Spitze des Parapods.
Verbr.: Juan Fernandez, Port Jackson, Fremantle
(Südwest-Australien).
IH. Elytren gefranst, Venträlborsten zweizähnig.
Lepidonotus adspersus (6r.).
Syn.: 1878 Polynoe (Lepidonotus) adspersa: Grube, Annulata
Semperiana p. 30, Taf. II, Fig. 7. — 1917? Lepidonotus adspersus
Horst, „Siboga‘“‘ Exp. Monogr. XXIV, 1, p. 68, pl. XIV, Fig. 14.
Eine Färbung des Tieres ist garnicht wahrzunehmen; es
ist wohl alles vom Alkohol ausgezogen. Unglücklicher weise
fehlen auch die Tentakel, sodaß es mir nicht möglich ist, über
deren Beschaffenheit etwas zu sagen. — Der Kopf des Tieres
ist etwa zweimal so breit wie lang und ist an den beiden Lateral-
seiten rund. Die hintere Seite, die nur schwach gebogen ist, ist
durch das Buckalsegment bedeckt. Der Kopf ist durch eine
mediane Längslinie, die von vorn bis über die Mitte des Kopf-
lappens reicht, in zwei deutliche Hälften geteilt. Das Basalglied
des Mediantentakels ist kurz und erreicht etwa ?/, der Länge
des Kopflappens, ist aber ziemlich kräftig und fast cylindrisch.
Die Grundglieder der Lateraltentakel sind nur um ein sehr
geringes länger und vor allen Dingen viel schwächer. Inbezug
auf die Tentakel und Palpen muß ich mich auf die Grube’sche
Originalbeschreibung berufen, in der er ja auch schon anführt:
„Nicht bloß die Fühler, sondern auch die Unterfühler lösten
sich bald ab, .. ..“. Über die Tentakel und Palpen schreibt er:
„Tentakula...laevia, sub apice seposito annulo brunneo ornata,
impar dupla fere lobi capitalıs longitudine, sub-tentaculis cirrique
tentacularibus paulo, tentaculis paribus satis magis prominens.
Subtentaeula laevia, conoidea“. Auf dem Kopflappen bemerkt
man 2 Paar Augen. Das vordere Paar liegt seitlich an den Rändern
etwa in der größten Breite des Kopfes, die noch vor der queren
Mittellinie liegt. Das hintere Paar liegt am hinteren Rande
und ebenso wie das vordere an den beiden seitlichen Rändern.
Die Basalglieder der Tentakulareirren überragen noch die der
Tentakel. Die Cirren selbst, die eine Länge von etwa 11/, der
Kopflänge besitzen, sind zunächst vollkommen cylindrisch;
vor der Spitze jedoch zeigen sie eine Anschwellung, nach der
sie plötzlich in eine feine ziemlich lange Spitze ausgezogen werden.
An der Anschwellungsstelle ungefähr zeigt sich auch der von
Grube bei den Tentakeln erwähnte braune Ring, den wir bei
den Dorsaleirren wieder treffen werden. — Der Rücken wird
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 63
von den Elytren, die eine ziemliche Größe erreichen, vollkommen
bedeckt. Das Analsegment trägt 2 Analcirren, die den gleichen
Bau und den gleichen Habitus wie die Dorsaleirren haben, jedoch
etwas länger sind als diese. In der mittleren und hinteren Körper-
region bemerkt man noch Nephridialpapillen, die nach hinten
zu an Größe zunehmen. — Die Elytren sınd von ziemlich derber
Beschaffenheit. Sie sind breiter als lang und haben etwa eine
eiförmige Gestalt. An der Außenseite sind sie mit gleich langen
und gleich starken Fransen besetzt. Die Oberfläche der Elytren
ist braun gesprenkelt. Sieht man sich diese Sprenkelung näher an,
so bemerkt man zunächst, daß diese nicht nur auf der einen
Seite der Elytren auftritt, sondern auf beiden, also auch auf
der Unterseite. Außerdem bemerkt man, daß die braunen Flecke
aus vielen kleinen Fleckchen bestehen, die die Form von Sternchen
haben. Dann ist die ganze Oberfläche bestreut mit kleinen Pa-
pillen,. die meist dieselbe Größe haben, doch vollkommen ver-
schieden gestaltet sind; entweder sind sie rund oder dreieckig,
andere viereckig usf. Außer diesen kleinen Papillen kommen
noch größere vor, die spärlicher verstreut sind als die anderen.
Dornen finden sich auf den Elytren nicht. — Die Dorsalborsten,
die etwa 18 an Zahl sind, sind kurz und fein. Sie sind wenig
gebogen und gehen direkt und allmählich dem Ende spitz zu.
Sie sind sehr fein gesägt und mit feinen transversalen Dörnchen-
reihen besetzt. Das untere Borstenbündel, daß etwas kräftiger
ist als das dorsale, enthält etwa 28 Borsten und ist zu beiden Seiten
des Aciculums angeordnet. Die Borsten sind schwach zweizähnig.
Sie sind zunächst garnicht gebogen und an Dicke vollkommen
gleichmäßig. Erst in der Nähe der Spitze biegen sie sich sehr
schwach nach hinten, werden zunächst etwas dicker, verdünnen
sich danach ziemlich rasch zu der nach vorn gebogenen Spitze.
Unterhalb der Spitze finden sich noch einige Zahnreihen, von
denen die erste, die distale, die stärkste ist; die zweite Reihe
ist ganz deutlich kleiner und die anderen bleiben dieser an Größe
ziemlich gleich. — Die Dorsaleirren sitzen auf einem kurzen,
kräftigen, eylindrischen Grundgliede.. Der Cirrus selbst ragt
noch über die Ventralborsten hinweg und zeigt die subterminale
Anschwellung und an dieser den dunklen Ring. Der Ventraleirrus
ist sehr kurz und konisch.
Verbr.: Philippinen, Malayischer Archipel.
Lepidonotus havaicus Kbg.
Syn. 1855 Lepidonotus havascus Kinberg, Ann. nova p. 384.
— 1857 Kinberg, Freg. Eug. Resa p. 14, tab. IV, fig. 17. —
1865 Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 183. —
1865 (66) Polynoe havaica Quatrefages, Hist. nat. d. Ann.
t. I, p. 225. — 1875 Lepidonotus havascus Grube, J. B. schles.
Ges. 1875, p. 65.
11. Heft
64 Hans J. Seidler:
Lateraltentakel kürzer als der Kopflappen, die Spitzen
der Palpen erreichend, mit längerem Mediantentakel, der ebenso
wie alle Anhänge neben der pfriemförmigen Spitze kaum an-
geschwollen ist; 12 Paar Elytren mit einem großen Fleck bezeichnet,
am Rande gewimpert; Ventraleirrus die Spitze der Füße nicht
erreichend, untere Borsten unter der Spitze mit einem sehr kleinen
Zahn deutlich gesägt. — Körperlänge ll mm, Breite mit den
Borsten 3mm; 27 Segmente, Kopflappen abgerundet. Das
Grundglied des Mediantentakels kaum länger als der Lateral-
tentakel. Mediantentakel eylindrisch, an der Spitze verschmälert,
die Palpen überragend. Lateraltentakel kurz, konisch, spitz,
verschmälert. Palpen kurz und die Lateraltentakel nicht über-
ragend, mit verlängerter Spitze. Ventraleirren des ersten Segments
an Form und Länge den Tentakulareirren gleichkommend,
Ausstülpbarer Pharynx mit " kurzen konischen Papillen. Dorsal-
äste der Parapodien niedrig, mit kurzen gesägten Borsten. Ventral-
äste kräftig mit Borsten, welche unterhalb der Spitze mit einem
kleinen Zahn versehen und deutlich gesägt sind. Dorsaleirrus
mit verlängerter Basis, unterhalb der pfriemförmigen Spitze
ein wenig aufgeblasen. Ventraleirren kürzer als die Parapodien,
griffelförmig glatt. Analeirren den dorsalen gleichkommend.
Elytren glatt erscheinend, bei 300facher Vergrößerung jedoch
sind große eiförmige Zellen und Pigmentkörperchen zu beob-
achten; am äußeren Rande gewimpert. (Kinberg)
Verbr.: Pacifischer Ozean (Honolulu).
Lepidonotus arenosus Ehlers
Syn. 1901 Lepidonotus arenosus Ehlers, Zool. Jahrbücher.
Suppl. V Plate Fauna chiliensis Bd. 2, p. 253. — 1901 Ehlers,
Polych. d. mag. u. chil. Strandes p. 49, Taf. II, Fig. 9—12.
Diese Art, die mit L. furesllatus Ehl. in einem Lande, bei
Chile, wenn auch an verschiedenen Orten angetroffen und von
Ehlers als zwei Arten getrennt beschrieben wurden, wurden
von Augener zusammengezogen. Ich kann mich dieser Meinung
nicht anschließen, trotzdem die Tiere sehr ähnlich aussehen.
Die Merkmale, die sie trennen, scheinen mir doch nicht so un-
bedeutend zu sein, daß sie übergangen werden können, vor allen
Dingen, da doch Merkmale vorhanden sind, wenn die Tiere so
dicht beieinander vorkommen. Ich lasse also trotz der Ähnlichkeit
die beiden Arten bestehen. — Der Kopf des Tieres ist rundlich,
nur um ein sehr kleines Stück breiter als lang. An den beiden
Seiten ist der Kopflappen abgerundet, ebenso hinten, jedoch
nur schwach. In der medianen Längslinie des Kopflappens
findet sich ein Einschnitt, der aber nur etwa ein Drittel der ganzen
Kopflänge einnimmt. Das Basalglied des Mediantentakels
ist kräftig, fast eylindrisch und besitzt etwa dieselbe Länge
wie der Kopflappen. An seinem distalen Ende ist er etwas ver-
Beiträge zur Kenninis der Polynoiden I. 65
breitert. Das Basalglied ist vollkommen farblos, genau so wie der
Kopflappen. Der Tentakel selbst ist etwa doppelt so lang wie der
Kopflappen. Am Grunde ist er ziemlich stark, geht dann spitz zu,
vor der Spitze jedoch zeigt er eine Anschwellung, um dann in
einen Faden auszugehen. Am Grunde ist der Tentakel farblos,
allerdings nur ein schmaler Ring, dann folgt ein breiterer dunkel
pigmentieıter Ring von ziemlicher Breite, denn er zieht sich bis
in die Nähe der Anschwellung und dann findet sich noch ein
Ring von dunklem Pigment zu Beginn der Anschwellung. Jedoch
willich hinzufügen, daß es sich hier nicht um ‚‚Ringe“ in strengem
Sinne handelt, sondern es gehen hier pigmentierter Teil und farb-
loser Teil allmählich ineinander über. Die Spitze des Median-
tentakels ist wieder farblos. Die Basalglieder der Lateraltentakel
sind schwächer und auch kürzer als das des medianen. Sie sind
an der Spitze etwas breiter als am Grunde. Die Lateraltentakel
sind sehr viel kürzer als der Mediantentakel. Im großen ganzen
zeigen sie aber denselben Habitus wie dieser. Auch die Färbung
ist dieselbe, nur ist der erste schwarze Teil nicht von der Breite
wie bei dem Mediantentakel. Die Lateraltentakel sind etwa
nur ebenso lang wie der Kopflappen. Die Palpen sind kräftig
und gehen gleichmäßig und allmählich der Spitze zu, die dann
in einem kurzen Faden endigt. Sie sind länger als die Lateral-
tentakel, jedoch kürzer als der mediane, also etwa 1!/, Kopflänge.
Auf dem Kopflappen bemerkt man 2 Paar Augen, die in Form
eines Trapezes angeordnet sind. Das vordere größere Paar liegt
an den Seiten, etwa in der größten Breite des Kopflappens, die
noch vor der Mitte liegt. Das hintere Augenpaar liegt ebenfalls
dicht am seitlichen Kopfrand, fast an den hinteren Rand gerückt.
— Die Basalglieder der Tentaculareirren überragen noch die
der Tentakel. Die Cirren selbst sind von verschiedener Länge,
und zwar sind die oberen Cirren etwa so lang wie der Median-
tentakel, während die unteren etwas länger als die Lateraltentakel
sind. In der Färbung gleichen die oberen dem medianen, die unteren
den Lateraltentakeln. Der Körper wird von den Elytren voll-
kommen bedeckt. Die Elytren sind von gelber Farbe und ungefähr
von eiförmiger Gestalt, und zwar so orientiert, daß die schmälere
Seite zugleich die Innenseite ist. Am Außenrande und im äußeren
Hinterrande sind sie mit gleich langen Fransen besetzt. Beim
ersten Anblick der Elytren bemerkt man auf diesen verschiedene
Arten von Papillen. Zunächst am äußeren vordern Rand große
eiförmige, mit ihrer Spitze nach innen, dem Mittelpunkt des
Elytrons zeigende, dann am inneren vorderen Rand, dem äußeren
und dem hinteren Rand und in der Mitte runde kleinere Papillen
und schließlich am Innen- und dem inneren Hinterrande ganz
kleine Papillen. Betrachtet man diese Papillen genauer, so bemerkt
man, daß sie alle nach ein und demselben Typus gebaut sind,
daß sie nur auf verschiedenen Entwickelungsstufen stehen
geblieben sind. Ich will hier die Beschreibung der einzelnen
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A, 11. 5 11.Heft
66 Hans J. Seidler:
Papillen geben: Die kleinen Papillen sind nichts weiter als kleine
Höcker, die gar keine weitere Differenzierung zeigen, höchstens,
und das fällt auf, ein schuppenartiges Gebildee An manchen
bemerkt man schon 2 solche. Betrachten wir die kleineren Papillen,
die den mittelgroßen näher liegen, so sehen wir, daß sich noch
mehr solche Schüppchen ausgebildet haben, und wir finden so
Übergänge von den kleineren zu den mittelgroßen Papillen, bei
denen man neben den Schuppen noch Stacheln bemerkt. Die
ganz großen Papillen zeigen nur ganz kleine Schuppen, jedoch sind
die Stacheln, die ich auf den mittelgroßen Papillen bemerkte,
hier sehr zahlreich geworden. Man sieht also, daß zwischen den
Papillen ein Zusammenhang besteht und zwar folgender. Das
Elytron zeigte vielleicht früher überall ein und dieselbe Form
von Papillen. Nun sind aber die Papillen, die unter den
anderen Elytren verborgen liegen, also vor allem die Inneren
als Schutz überflüssig, oder besser gesagt weniger wichtig geworden,
denn das Elytron soll ja ein Schutz des Rückens sein, und die
Papillen sind zur Verstärkung dieses Schutzes da, und sie sind
in der Entwickelung zurückgeblieben. Daß die einzelnen Papillen-
typen in entwicklungsgeschichtlichem Zusammenhang stehen,
ist sofort für jeden klar, der sie betrachtet. Die Anheftungsstelle
liegt ziemlich im Zentrum des Elytrons. — Das Parapodium ist
in zwei ziemlich deutliche Äste geteilt. Der Dorsalast, der ziemlich
schwach ist, enthält nur etwa 10—12 kurze, schwach gebogene
Borsten, die im Verhältnis zu ihrer Länge ziemlich dick sind;
kurz nach ihrer Austrittsstelle aus dem Parapodium verbreitern
sie sich etwas und gehen von dort aus gleichmäßig und allmählich
der Spitze zu, und von dieser Stelle bis zur Spitze sind sie mit
transversalen Dornenreihen, die sehr fein sind, versehen. Die
Ventralborsten sind viel länger und bis zu ihrer Ornamentierungs-
stelle sehr schwach, ja fast garnicht gebogen. Zu Beginn dieser
sind die Borsten etwas nach rückwärts gebogen und zugleich
etwas verdickt. Dann aber geht die Borste allmählich und gleich-
mäßig dem etwas nach vorn gebogenen 2 spitzigen Ende zu.
Die Ornamentierung besteht aus etwa 12 Dornenreihen, von denen
der erste und zweite der distalen Reihe außerordentlich stark ist,
während die übrigen an Größe untereinander gleich bleiben und
weit hinter dem ersten zurückstehen. — Der Dorsaleirrus sitzt
auf einem kräftigen Grundglied; der Cirrus selbst ist schlank
und ragt noch über das ventrale Borstenbündel hinweg. Sein
. Bau ist der gleiche wie der der Tentakel, jedoch ist die An-
schwellung nur schwach und ebenso der nur an dieser Stelle
vorkommende dunkle Ring. Der Ventralcirrus ist kurz, konisch
und mit einem Endfaden versehen.
Verbr.: Küste von Chile.
„alez
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 67
Lepidonotus fureillatus Ehl.
Syn. 1901 Lepidonotus furcillatus Ehlers, Zool. Jahrbücher
Suppl. V. Plate, Fauna Chiliensis Bd.2, Heft 2, p. 254. —
1901 Ehlers, Polych. d. mag. u. chil. Strandes p. 52, Taf. 2,
fig. 1—8. — 1912 Augener, Fauna Südwest-Australiens Bd. IV
Polychaeten p. 102.
Der Kopflappen ist rund, etwa so breit wielang. Die seitlichen
Ränder sind konvex ziemlich stark gebogen. In der medianen
Längslinie findet sich, allerdings nur im vorderen Kopfteil eine
furchenähnliche Vertiefung. Das Basalglied des Mediantentakels
ist kräftig, fast zylindrisch, an seinem distalen Ende wenig ver-
breitert und erreicht etwa °/, der Länge des Kopflappens. Der
Tentakel selbst ist dick, kräftig und erreicht etwa die doppelte
Länge des Kopfes. Er ist zunächst vollkommen cylindrisch,
kurz hinter der Mitte verjüngt er sich plötzlich und endigt mit
einem langen Faden. Eine Anschwellung ist garnicht oder nur
wenig zu bemerken. Auch die Färbung ist verschieden. Bei
einigen Exemplaren sind die Tentakel nur sehr schwach, ja
garnicht gefärbt, während bei andern Exemplaren das Grund-
glied grau ist, der untere Teil des Tentakels etwa !/, der Länge
schwarz und der übrige Teil farblos ist. Die Grundglieder der
Lateraltentakel erreichen fast dieselbe Länge wie das des medianen,
sind aber schwächer als dieses und mit einer distalen Verbreiterung
versehen. Die Tentakel selbst gleichen dem Mediantentakel
in allen Stücken, sind aber nur etwa 11/,mal so lang wie der
Kopflappen. Ihre Färbung ist die gleiche wie bei dem Median-
tentakel. Das Grundglied ist farblos mit einem unregelmäßig
geformten größeren schwarzen Fleck. Die Palpen sind kräftig,
dick und konisch. Sie gehen ohne Anschwellung gleichmäßig
und allmählich der Spitze zu, die stumpf ist und mit einem kurzen
Endfaden schließt. Die Palpen überragen die Lateraltentakel
etwa um die Hälfte ihrer Länge Am Grunde sind sie dunkel
gefärbt. Je schwächer sie aber werden, je mehr sie der Spitze
zugehen, desto heller werden sie und verlieren das Pigment
schließlich vollkommen. Auf dem Kopflappen bemerkt man
2 Paar Augen, die in einem Trapez stehen, und zwar liegt das
vordere in der größten Breite des Kopflappens, die etwas vor
der Mitte liegt, während sich das hintere Augenpaar ziemlich
dicht am hinteren Rande des Kopflappens befindet. — Die
Basalglieder der Tentakulareirren überragen noch die der Tentakel;
die Tentakulareirren selbst sind kürzer als die Palpen, jedoch
länger als die Tentakel. Im Habitus ähneln sie sehr den Ten-
takeln. Der hintere Teil des Kopflappens wird vom einen Buckal-
lappen bedeckt. Während dieser bei Lepidonotus arenosus nur
sehr klein ist, kaum zu bemerken, so ist dieser, wenn auch nicht
groß, so doch aber so auffällig, daß er bemerkt werden muß.
Die Ränder konvergieren zunächst, gehen dann aber auseinander
5* 11, Ieft
68 Hans J. Seidler:
und bilden 2 Zipfel, die den Kopflappen nur wenig bedecken.
— Der Körper wird von den Elytren nicht an allen Stellen bedeckt,
sondern läßt einige Teile nackt. Am Ende finden sich 2 Anal-
eirren, die ungefähr die Länge der Dorsaleirren und auch deren
Bau und Färbung zeigen. — Die Elytren sind rundlich bis eiförmig,
am Außenrande mit ziemlich kurzen Fransen besetzt. Die An-
heftungsstellle liegt ziemlich im Zentrum des Elytrons. Sie sind
an einigen Stellen mit braunem bis grauem Pigment versehen,
das man am Innenrand findet, von wo aus es sich weiter am
inneren Hinter- und Vorderrand hinzieht und sich dann wieder
vereinigt, den Außenrand aber vollkommen farblos läßt. Es
bildet dadurch einen Kreis, der den einen Teil des Elytrons
einnimmt. In der Mitte des farblosen Kreises befindet sich ein
kleiner unregelmäßig geformter dunkler Fleck, zwischen welchem
und dem Rand des Kreises das Elytron schwach pigmentiert
ist; die Anheftungsstelle, die ebenfalls innerhalb des Kreises
liegt, bleibt vollkommen pigmentlos, Die Elytren sind mit Papillen
vollkommen übersät. Jedoch fand ich die Papillen, wie ich sie
bei L. arenosus bemerkte, nicht. Es sind die auf den Elytren
vorkommenden gewöhnlichen Papillen ohne Dornen und ohne
Schuppen. Ich fand keine Papillen, die nur im entferntesten
denen von L. arenosus gleichen, die dicht mit Schuppen und Dornen
besetzt waren, oder kleinerer Papillen, auf denen man 2, 3, 4,
oder mehr Schüppchen bemerkte. — Die Parapodien sind deutlich
zweiästig. Im Dorsalast des ersten Parapods findet man Borsten,
die schwach gebogen sind, kurz und staır, aber im großen ganzen
den Dorsalborsten der übrigen Parapodien ähneln. Im Ventıalast
bemerkte ich solche, die man als Überleitung von den dorsalen
zu den Ventralborsten bezeichnen könnte. Es sind schwach
gebogene zu Beginn der sich früh ansetzenden Ornamentierung
schwach verdickten Borsten, mit einer wenig nach vorn gebogenen
zweizähnigen Spitze. Die Ornamentierung ähnelt der der andern
Ventralborsten. Der Ventraleirrus dieses Parapods ist außer-
ordentlich lang und ähnelt vollkommen den Tentakularcirren.
Bei den übrigen Parapodien sind die Dorsalborsten schwach
gebogene, kräftige kurze Borsten, die von Anfang bis zur Spitze
mit transversalen Querreihen, die kleine Dornen tragen, versehen
sind. Es sind etwa 6—8 solcher Borsten vorhanden. Im Ventral-
ast findet man etwa 25—30 kräftiger, langer, nur an der Spitze
ornamentierter Borsten, die rudimentär zweizähnig sind. Ich
habe an verschiedenen Parapodien überhaupt keine zweizähnigen
Borsten wahrgenommen. Die Ornamentierung besteht aus etwa
8—12 Dornenreihen, die bei den unteren Borsten mehr säge-
blättrige Form annehmen, bei den oberen dagegen mehr dornen-
artig sınd. — Der Dorsaleirrus ruht auf einem konischen Grund-
glied, das die Dorsalborsten noch überragt; der Cirrus selbst
ist den Tentakeln sehr ähnlich, schwach verdickt und mit einem
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 69
langen Endfaden versehen. Der Ventraleirrus ist kurz, konisch
und ebenfalls mit einem Endfaden versehen.
Verbr.: Chile, Südwest-Australien.
Lepidonotus eaeruleus Kbg.
Syn. 1855 Lepidonotus caeruleus Kinberg, Annulata nova
p- 384. — 1857 Kinberg, Freg. Eug. Resa p. 13 Tab. IV, fig. 16,
tab. X, fig. 51. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc. Zool. London
VIII, p.183. — 1865 (66) Polynoe caerulea Quatrefages,
Hist. nat. t.I, p. 224. — 1875 Lepidonotus caeruleus Grube,
J. B. schles. Ges. 1875 p. 61.
Lateraltentakel wenig länger als der Kopflappen, kürzer
als die rauhen kräftigen Palpen; untere Borsten zweigezähnt,
unterhalb der Spitze reihenweise querdornig; Elytren 12 Paar
mit konischen Papillen besetzt; Ventraleirrus die Spitze der
Füße erreichend. — Körper 11,5 mm lang, mit den Borsten
2,5 mm breit, länglich mit 27 Segmenten. Kopflappen schmal,
abgerundet mit großen Augen. Basis des Mediantentakels kaum
länger als die Basis der Lateraltentakel. Lateraltentakel mit
der Spitze länger als der Kopflappen, unterhalb der Spitze ein
wenig aufgeblasen. Palpen, die Lateraltentakel um die Hälfte
derselben überragend, dick, rauh, mit kurzer Spitze. Ventral-
eirren des ersten Parapods den Lateraltentakeln gleichkommend.
Pharynx ausstülpbar mit 3 fast gleichen Papillen. Maxillen
an der Schneide mit abgenutzten Zähnen, die Spitze der unteren
Maxillen länger als die der oberen. Dorsaläste der Parapodien
klein, mit dünnen gesägten Borsten, von der Länge der Ventraläste.
Ventraläste kräftig, mıt langen, unterhalb der zweizähnigen Spitze
reihenweise quergesägt dornigen Borsten. Dorsaleirrus mit
niedriger Basis, kurz, mit langer dünner Spitze, die Ventralborsten
überragend, cylindrisch. Ventraleirrus länger als die Füße, konisch,
spitz, glatt. Analeirren kurz, an Form den Dorsaleirren gleich.
(Kinberg)
Verbr.: Atlantik, Höhe von Rio de Janeiro (40°
55° W, 22° 30° 8).
Lepidonotus hupferi Aug.
Syn. 1917 Lepidonotus hupferi Augener, Polychaeten von
Westafrika p. 133, taf. II, fig. 7—11.
Der Kopf des Tieres ist rundlich; in der medianen Längs-
linie findet sich eine Furche, die bis zu etwa 2/;, der Länge des
Kopfes vom vorderen Rande reicht. Das Basalglied des Median-
tentakels, das etwa die halbe Länge des Kopflappens erreicht,
ist kräftig und fast eylindrisch. Die Grundglieder der Lateral-
tentakel haben etwa dieselbe Länge wie das des Mediantentakels,
sind aber dünner als dieses. Die Lateraltentakel selbst sind etwa
11. Heft
70 Hans J. Seidler:
so lang wie der Kopf, gehen zunächst langsam, dann rasch der
Spitze zu und sind in einen feinen Endfaden ausgezogen, ohne
eine merkliche Anschwellung zu zeigen. Es findet sich aber ein
subterminaler schwarzer Ring. An der Anschwellung sind die
- Tentakel sehr papillös. Die Palpen sind kräftig, länglich konisch
und mit mehreren Papillenlängsreihen versehen; sie sind länger
als die Lateraltentakel. An Augen finden wir 2 Paar, die in Form
eines Trapezes stehen. Das vordere liegt in der größten Breite
des Kopfes, die etwa in der queren Mittellinie liegt, während
das andere am hinteren Rande zu finden ist. — Die Tentakular-
cirren sitzen auf langen Grundgliedern, die die der Tentakel
erreichen. Die Cirren selbst sind im Habitus den Tentakeln
ähnlich und überragen noch die Palpen. — Die Elytrensindrundlich
bis oval, eiförmig. Am Außenrande sind sie mit Fransen besetzt.
Auf der Oberfläche finden sich Papillen, die in Feldern zusammen-
stehen, d.h. es stehen 2-3 größere Papillen zusammen, und
diese sind von kleineren umgeben. Am hinteren Rand ist die
Felderung: schwächer und schwer sichtbar. Die Anheftung ist
exzentrisch. — Die Ventralborsten sind mehr oder weniger schwach
gebogen, und zwar zu Beginn der Ornamentierung nach rück-
wärts und an der zweizähnigen Spitze nach vorn. Die Ornamen-
mentierung ist ziemlich kurz, etwa ebenso lang wie das zähnchen-
freie distale Ende der Borste. Der erste Zahn am distalen Ende
der Ornamentierung ist stärker als die übrigen. Die Dorsalborsten
sind dünner als die ventralen, in eine feine Spitze auslaufend,
sehr grob gesägt, und zwar fast von Anfang an bis zur Spitze hin.
— Der Ventraleirrus ist sehr kurz und erreicht nicht die Spitze
des Parapods. Er ist konisch mit etwas verlängerter Spitze.
Der Dorsaleirrus gleicht den Tentakeln. Das Grundglied ist
kräftig. Die subterminale Anschwellung ist kaum bemerkbar.
Die Analeirren sind den Dorsaleirren ähnlich, jedoch etwas länger.
Verbr.: Guinea- Küste.
Diese Art ähnelt etwas dem nördlicher vorkommenden
L. squamatus (L.), ist jedoch von diesem durch die zweizähnige
Spitze der Ventralborsten unterschieden.
Lepidonotus variabilis Webst.
Syn. 1879 Lepidonotus variabihis Webster, Trans. Albany
Inst. vol. IX, p.5, pl.IL, fig. 6—11, pl. II, fig. 12—14. — 1880
Webster, Rep. N. Y. State Museum.
Der Körper ist schmal, von fast gleichmäßiger Breite, oben
und unten leicht konvex. Der Kopf ist lateral konvex, mit einer
sehr gut markierten Einsenkung, die von der Basis des Median-
tentakels bis fast zum hinteren Rande geht. Die Augen sind rund
und lateralwärts gelegen; das vordere Paar liegt ein wenig hinter
der Mitte und ist etwas größer als das hintere. Der Mediantentakel
ist etwa doppelt so lang wie die lateralen, fast dreimal so lang
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 71
wie der Kopf, in seinem Enddrittel etwas angeschwollen, dann
plötzlich zu einem fadenförmigen Ende spitz zugehend. Die
Lateraltentakel besitzen eine leichte Anschwellung in der Mitte
und ähneln sonst dem Mediantentakel. Die Palpen sind ein
wenig kürzer als der Mediantentakel, an der Basis angeschwollen
und gehen schnell und gleichmäßig der Spitzezu. — Die Tentakular-
eirren besitzen verlängerte Grundglieder, die unteren haben etwa
die Länge der Lateraltentakel, die oberen sind etwas länger.
Im Habitus ähneln sie dem Mediantentakel. — Die Elytren
bedecken den Rücken vollständig. Das erste Paar ist fast rund,
die anderen oval; sie sind hinten etwas breiter als vorn. Der
hintere und äußere Rand ist grob gefranst; an der Oberfläche
des Elytrons in der Nähe des Randes bemerkt man einen isolierten
Fransenfleck, der nicht vom Rande aus geht. Längs des inneren
Randes, an dem keine Fransen vorhanden sind, befindet sich
eine Reihe von kleinen Papillen. Ohne Vergrößerung erscheinen
die Elytren glatt. In Wirklichkeit sind sie mit kleinen, spitzen,
dornenähnlichen Tuberkeln bedeckt. Die Farbe dieser kleinen
Dornen ist rötlich braun, obgleich sie eine kleine braune oder
weißliche Schattierung haben können. — Die Dorsaleirren haben
etwa die halbe Länge des Mediantentakels und zeigen dieselbe
Form. Sie erheben sich von einem kräftigen Basalglied, das
an seiner inneren Hälfte sehr angeschwollen ist. Die äußere
Hälfte ist zylindrisch. Sie ragen ungefähr um ein Drittel ihrer
Länge über die Borsten. Die Parapodien sind groß, an Länge
ungefähr gleich der Körperbreite, etwas zusammengedrückt und
außen abgestumpft. Der Diameter verringert sich plötzlich im
äußeren Drittel. Die Borsten des dorsalen Astes sind zahlreich,
zart und gewöhnlich mit einer einzigen Reihe von ziemlich groben
Zähnen bedeckt. Die des Ventralastes sind kräftig, zweizähnig;
der obere Zahn ist wenig gekrümmt und überragt etwas den
unteren. Unter der Spitze befinden sich einige kräftige Zähne.
Von den Endzähnen ist der untere oft abgenutzt. Die Borsten
des Ventralastes sind in ihrer Gestalt sehr variabel. Die des
ersten Parapods sind nicht zweizähnig,. — Der Ventraleirrus
erhebt sich ungefähr im inneren Drittel der Parapodien von
einem kleinen runden Basalglied; sie sind klein und länglich
konisch. Am Körperende befinden sich zwei lange Analecirren,
welche länger als der Mediantentakel sind. Die Dorsaleirren des
letzten Segments drehen sich direkt nach hinten und erreichen
ungefähr die halbe Länge der Analeirren und geben so den
Anschein von #4 Analcirren. Die Färbung ist sehr variabel. Der
Kopf kann hell oder mit dunkelbraunen Punkten versehen sein.
Die Tentakel und alle Dorsaleirren sind weiß mit einem schwarzen
oder dunkelbraunen Ring an den verdickten Teilen. Die Palpen
sind gewöhnlich an der Basis dunkelbraun, dann zur Spitze
werden sie heller und sind mit weißen Flecken versehen, oder
sie können im ganzen weiß sein. — Die Hauptfarbe des Rückens
11. Heft
72 Hans J. Seidler:
ist bräunlich, aber die Elytren variieren in ihrer Zeichnung. Oft
ist ein großer weißer Fleck mit zahlreichen kleinen braunen
Flecken vorhanden, oder der weiße Fleck ist verschwunden.
Die braunen werden öfters ganz schwarz. In ein paar Exemplaren
kommt die schwarze Färbung in großen Tuberkeln vor, oder der
Raum, der durch den weißen Fleck eingenommen wird, kann
schwarz sein. Der Körper unter den Elytren ist gänzlich weiß.
Das Analsegment ist braun oder schwarz, und die zwei oder
drei dem Analsegment vorhergehenden Segmente haben trans-
versale Zeichnungen von derselben Farbe wie das Analsegment.
Die Ventralseite ist in ihren Zeichnungen fast dieselbe wie die
dorsale. Die Hauptfarbe ist gelblich weiß. Die Ränder jedes
Segments sind mit einem unregelmäßig geformten braunen Fleck
versehen. . Die Analeirren sind gewöhnlich vollkommen dunkel
gefärbt und die äußere Erweiterung ist kaum wahrnehmbar.
| (Webster)
Fundort: Küste von Virginia (Ostküste von Nord-
amerika).
Lepidonotus carinulatus (Gr.).
Syn. 1869 Polynoe (Lepidonotus) carinulatus Grube, Mon.
Ber. Ak. Wiss. Berlin 1869 p. 487. — 1875 Grube, J.B. schles.
Ges. 1875 p. 62. — 1878: Grube, Annulata Semperiana p. 26
Taf. III, Fig. 2. — 1902 Lepidonotus carınulatus v. Marenzeller,
Denkschr. Ak. Wiss. Wien Math. Nat. Kl. LXXII, Bd. p. 9,
Taf. I, Fig. 4. — 1907 Malaquin u. Dehorne, Revue Suisse
Zool. 15, p. 344. — 1911 Fauvel, Arch. de Zool. exp. et gen£r.
(5) VI, p. 364. — 1916 Frickhinger, Zool. Anz. XLVI, p. 233.
— 1917 Horst, ‚‚Siboga‘“‘ Exp. Monogr. XXIV, 1, p. 69, pl. XV,
fig. 10. — 1920 Fauvel, Arch. de Zool. exp. et gener. t. 58.
Der Kopf ist rundlich, vorn schmaler als hinten. In der Mitte
ist die Breite des Kopfes ungefähr gleich der Länge. In der
medianen Längslinie des Kopfes befindet sich eine von vorn
ausgehende bis etwa zur Mitte reichende Furche. Das Basal-
glied des Mediantentakels ist kurz und erreicht etwa 1/; der
ganzen Kopflänge, ist jedoch kräftig und fast cylindrisch. Der
Mediantentakel selbst ist etwa 1'/,mal so lang wie der Kopf.
Vor der Spitze schwillt er ein wenig an, um dann dem Ende
plötzlich spitz zuzugehen. Die un delieder der Lateraltentakel
erreichen dieselbe Länge wie das des medianen, oder sie sind
etwas kürzer, jedoch dünner als dieses. Je nachdem nun das
Grundglied ebenso lang oder kürzer ist, so ist auch der Lateral-
tentakel mehr oder weniger kürzer als der Mediantentakel. Ein
Unterschied zwischen den beiden im Habitus besteht nicht.
Die Palpen, die etwa um ein Viertel länger sind als der Median-
tentakel, sind kräftig, konisch, ohne Anschwellung, mit einer
zu einem Faden ausgezogenen Spitze. Die Augen sind in zwei
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 73
Paaren vorhanden. Das vordere Paar liegt dicht am Rande,
etwa an der breitesten Stelle des Kopflappens, während das
andere Paar ganz dicht am hinteren Rande liegt. Seitlich vom
Kopf erheben sich die Tentakulareirren, die auf Grundgliedern
sitzen, welche die der Tentakel noch überragen. Die Tentakular-
eirren selbst gleichen im Habitus vollkommen den Tentakeln.
An Länge überragen sie die Tentakel, sind aber kürzer als die
Palpen. Der Buckallappen überdeckt hinten nur einen kleinen -
Teil des Kopflappens. Er ist hier verschieden gestaltet, ein-
oder zweilappig. — Der Körper wird von den Elytren vollständig
bedeckt. Das Analsegment zeigt noch zwei Analcirren, die den-
selben Bau haben wie die Dorsalcirren, jedoch etwas länger sind.
Die Elytren sind rund bis oval und elliptisch und besitzen am
Außen- und dem äußeren Hinterrande Fransen. Das ganze
Elytron ist vollkommen mit Tuberkeln bedeckt, die in der Mitte
eine ansehnliche Größe haben, nach den Rändern zu jedoch
kleiner werden. Zwischen den größeren in der Mitte befinden
sich noch kleinere längliche. Das erste Elytrenpaar ist rund
und so mit Tuberkeln besetzt, daß man sie schon mit dem bloßen
Auge bemerkt. — Die Parapodien sind zweiästig. Im Dorsalast
bemerkt man etwa 12—15 feine kurze Borsten, die zunächst
zylindrisch sind, dann ohne Anschwellung plötzlich spitz zugehen.
Die Borsten sind von Anfang bis Ende mit feinen Zähnchenreihen,
die transversal angeordnet sind, besetzt. Die Ventralborsten,
die viel stärker als die Dorsalborsten sind, sind etwa 30 an der
Zahl. Sie sind zunächst vollkommen zylindrisch, ohne eine
Krümmung, oder höchstens nur eine sehr schwache zu zeigen,
Dann folgt vor der Spitze eine schwache Verdickung der Borste
und zugleich eine schwache Krümmung nach hinten und von
hier aus geht die Borste rasch dem nach vorn gebogenen Ende
spitz zu, daß zweizähnig ist Die Zweizähnigkeit der Spitze
ist hier schlecht nachzuweisen, da die meisten Spitzen abgeschliffen
sind. Vor der Spitze finden sich Zähne, von denen die distalen
die stärksten, während die proximalen Zähnchen äußerst schwach
sind, im ganzen etwa 5—6. Die unteren Ventralborsten, die also
dem Abschleifen am meisten ausgesetzt sind, zeigen keinen
Sekundärzahn und sind außerdem ziemlich stark nach hinten
gebogen. — Der Dorsalcirrus ruht auf einem verbreiterten Grund-
glied, das dieselbe Bildung aufweist, wie L. austera (Gr.), die
Kiemenbüschelbildung. Der Cirrus selbst ist zunächst vollkommen
eylindrisch, und erst kurz vor der Spitze bemerkt man eine
schwache Anschwellung, von der aus der Cirrus der Spitze rasch
zugeht, und die Spitzen der Ventralborsten noch überragen.
Der Ventraleirrus ist äußerst kurz und zuerst konisch, dann in
einem Endfaden ausgehend.
Verbr.: Rotes Meer und Indischer Ozean (Bohol).
11. Heft
74 Hans J. Seidler:
Lepidonotus willeyi Benh,
Syn. 1905? Lepidonotus carinulatus Willey, Ceylon Pearl
Oyster Fisher pt. IV, Suppl. Rep. XXX, p. 248. — 1910 Potts,
Trans. Lin. Soc. Zool. (2) XILL, 1910 p. 331. — 1915 Lep. willeyi
Benham, Biol. Res. of the Fish. Exp. Car. on by the F. I. S.
„Endeavour‘“ 1909—14, p. 183, pl. XXXVIII, fig. 8—15.
Der Kopf ist relativ lang, hinten verschmälert, das vordere
‘ Augenpaar liegt in der queren Mittellinie an der Stelle der
größten Breite; das andere liegt zwischen diesem und dem hinteren
Rand. Der Mediantentakel ist abgebrochen. Die Lateralen
sind relativ kurz und ohne Basis gleich der Länge des Kopfes;
eine subterminale Anschwellung war nicht vorhanden; sie sind
glatt und farblos. Die Palpen sind fahlbraun mit weißer Spitze.
— Die farblosen Elytren sind in ihrem unbedeckten Teil von
relativ großen hellbraunen rundlichen Tuberkeln an den lateralen
Teilen bedeckt. Ein rötlich brauner Fleck findet sich über der An-
heftung. — Der vordere bedeckte Teil trägt kleine halbkugelförmige
Tuberkel.e Die größeren erscheinen rund und sind polygonal
an der Basis und in eine verschiedene Anzahl und verschieden
angeordnete stumpfe kurze Fortsätze ausgezogen. Am äußeren
Rand finden sich einige Reihen von dornigen Tuberkeln, kurze
Säulen von verschiedener Gestalt, diein eine verschiedene Anzahl
von scharfen Dornen endigen. Die Elytren sind nur am Außen-
rand mit groben relativ langen zylindrischen Fortsätzen gefranst.
— Der Dorsaleirrus ist unterhalb der Spitze schwach angeschwollen
und mit einem schwarzen Ring versehen. Im Dorsalast bemerkt
man zwei Arten von Borsten, die sich etwas von einander unter-
scheiden. Die oberen sind etwa 12 an der Zahl, kürzer als die
anderen, aber von ungleicher Länge; sie sind im Halbkreis um die
Basis orientiert. Jede endigt in einer stumpfen glatten Spitze.
Von den anderen sind ungefähr sieben vorhanden, länger, jedoch
ebenso stark. Die Spitze ist fein und scheint biegsam zu sein;
die Transversalreihen finden sich bis zur Spitze. — An Ventral-
borsten finden sich 24 mit einem sekundären Zahn und ungefähr
5 Dornenquerreihen, von denen die obersten kräftigere Zähne
als die übrigen haben. (Benham)
Fundort: Tasmanien (Maria Isl.).
Lepidonotus jacksoni Kbg.
. Syn 1856 Lepidonotus jacksons Kinberg, Öfv. af K. Vet.
Ak. Forh. 1855 p. 383. — 1858 Kinberg, Freg. Eug. Resa
p. 11, tab. III, fig. 11, tab. X, fig. 48. — 1865 Baird, Journ.
Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 182. — 1865 (66) Polynoe jacks.
Quatrefages, Hist. nat. t.I, p.223. — 1875 Lepidonotus
jacks. Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 61. — 1883 Haswell,
Pro>. Lin. Soc. N. $S. W. p. 282. — 1889 Whitelegge, Journ.
Proc. Roy. Soc. N. 8. W. XXIII, p. 206.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 75
Lateraltentakel länger als der Kopflappen; der Mediantentakel
überragt die kıäftigen, rauhen, und wie die übrigen Anhänge
und Dorsaleirren unterhalb der Spitze angeschwollenen Palpen;
untere Borsten unterhalb der Spitze tief gesägt; die 12 Paar
Elytren am Rande gewimpert. — Körper 13 mm lang, mit Borsten
5 mm breit, linear, schmal, aus 27 Segmenten zusammengesetzt.
Kopflappen abgerundet an den Seiten in der Mitte stumpfwinklig,
Augen klein. Die Palpen sind unterhalb der Spitze angeschwollen,
dick, mit sehr kleinen Wimpern besetzt. Der Mediantentakel
ist länger als die Palpen, unterhalb der langen Spitze stark an-
geschwollen, glatt. Die Lateraltentakel ähneln im Habitus
dem medianen, sind aber kürzer. Die Tentakularcirrten sind kürzer
als die Lateraltentakel. Das erste Parapodium ist lang, mit
einigen Borsten versehen. Die Ventraleirren des ersten Segments
sind lang, kaum kürzer als die Tentakulareirren und subterminal
angeschwollen. Die Maxillen sind mit verlängerten Fortsätzen
und mit einer einzigen Schneide versehen. — Der Dorsalast
der Parapodien ist niedrig und mit Borsten versehen, welche
kräftig, kurz, weißlich, zahlreich und gesägt sind und die Spitze
der Füße kaum erreichen. Die Ventraläste zeigen lange gelbe
unter der wenig gekrümmten Spitze mit wenigen Dornen ver-
sehenen tief gesägte Borsten. er Dorsaleirrus ist unterhalb
der langen Spitze angeschwollen, kurz und glatt. Die Elytren
sind granuliert, dreieckig, am Rande mit langen Fransen versehen;
bei durchfallendem Licht bemerkt man eiförmige oder viereckig
abgerundete Zellen. Die Analeirren sind lang, dick, tentakel-
ähnlich. P (Kinbers)
Verbr.: Südaustralien (Port Jackson).
Kinberg bildet die Borsten des Ventralastes mit einfacher
Spitze ab. Wie mir Herr Dr. Augener, der die Type selbst
gesehen hat, mitteilte, besitzen die Ventralborsten eine doppel-
zähnige Spitze.
Lepidonotus ruber Horst
Syn. 1917 Lepidonotus ruber Horst, ‚‚Siboga‘“‘ Exp. monogr.
XXIV, p. 73, pl. XVII, figs. 6—7.
Der Kopf ist fast so lang wie breit. Beide Augenpaate liegen
auf seiner hinteren Hälfte. Das vordere Paar befindet sich binter
den seitlichen Kopfspitzen, das andere vor dem hinteren Rande.
Die Basalglieder der Tentakel sind schwarz, die distalen Teile
der Lateraltentakel sind zweimal so lang wie der Kopf, mit einem
‘ schwarzen Ring an den verdickten Teilen vor der fadenförmigen
Spitze. Der distale Teil des Mediantentakels ist nur wenig a
Die Palpen sind an der Basis kräftig, dann spitz zugehend. Die
Elytren berühren sich einander in der medianen Dorsallinie;
sie sind länglich oval, mit einem Besatz mit ziemlich langen
Fasern an ihrem hinteren und dem größten Teil ihres inneren
und äußeren Randes. Ihre Oberflächeist fast ganz mit rötlichen
11. Heft
76 | Hans J. Seidler:
Tuberkeln bedeckt. Einige von ihnen, besonders an der Be-
festigungsstelle und in deren Nähe sind groß, kegelförmig und
stachelig; diejenigen am bedeekten Teil des Elytrons, vor der
Befestigungsstelle, sind kleiner, kielförmig, diejenigen in der
Region hinter der Befestigungsstelle sind klein und dornig. Das
vordere Elytrenpaar ist elliptisch und über die Hälfte ihres Randes
ist von steifen fast langen Cilien besetzt. Ihre Oberfläche zeigt
runde Areolen, von deren Mittelpunkt sich ein Dorn erhebt.
Besonders diejenigen in der Mitte der Elytren sind groß, während
längs des Randes sie einen cylindrischen Stamm haben und eine
Krone von drei oder mehr Dörnchen. — Der Ventralast der
Parapodien ist stärker entwickelt als der dorsale. Die Ventral-
borsten zeigen einen rudimentären Zahn unter der Spitze oder
der Zahn fehlt vollkommen. An ihrem verbreiterten subterminalen
Teil findet man vier oder fünf geschlitzte Fransen, schwach
entwickelt, mit einigen stärkeren Zähnen in der distalen Reihe.
DieNotopodialborsten sind schlank, schwach, mit feinen gedrängten
mit Fıansen besetzten Reihen versehen. Die Dorsaleirren haben
einen schwarzen Ring an ihrem verdiekten subterminalen Teil,
und reichen noch über das Dorsalbündel. Die Ventraleirren
sind kurz, konisch und reichen kaum bis zum‘Beginn des Ventral-
bündels. (Horst.)
Fundort: Rotti Island; Sumbava (Mal. Arch.).
IV, Elytren glattrandig, Ventralborsten zweizähnig.
Lepidonotus albo-pustulatus Horst
Syn.: 1916 Lepidonotus albo-pustulatus Horst, Zool. Mededeel.
R. Mus. v. Naturl. Hist. Leiden, Deel I, p. 4. — 1917 Horst,
„Siboga“ Exp. Monogr. XXIV, p. 68, pl. XIV, figs. 15, 16.
Diese Art ist charakterisiert durch das sonderbare Aussehen
der Elytren und durch die Struktur ihrer Parapodien. Das einzige
Exemplar mißt fast 25 mm in der Länge, während seine Breite
ungefähr 10 mm beträgt. Die Elytren, die sich in der medianen
Rückenlinie überdecken, sind oval, mit einem glatten Rand,
der freie Teil ihrer Oberfläche ist braunrot, während der bedeckte
Teil ebenso wie die Anheftungsstelle weiß ist. Hinter der letzteren
trifft man eine Gruppe von großen weißen Dornen, die in ein
Band von stumpfen warzenähnlichen Papillen übergehen, die
Jängs des inneren Randes liegen und bei schwacher Vergrößerung
sichtbar sind; bei stärkerer Vergrößerung beobachtet, erscheint °
die ganze Oberfläche des Elytrons mit kleinen Tuberkeln bedeckt,
und das braune Pigment über ein feinmaschiges Netz verstreut
zu sein. Die Tentakel sind ungefähr von der gleichen Länge
mit weißer fadenförmiger Spitze und einer subterminalen Ver-
diekung. Die Augen liegen auf jeder Seite dicht aneinander,
die vorderen von ihnen liegen an den lateralen Hervorragungen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 717
des Kopfes. Bei den Parapodien ist der Notopodialast rudimentär,
der nur einige wenige steife Borsten enthält, die mit spiralig
angeordneten gefransten Reihen und einer glatten Spitze ver-
sehen sind; der starke Neuropodialast ist mit einer stumpfen
konischen hinteren Lippe versehen, während die vordere Lippe
durch eine Einschnürung in einen starken trapezoidalen ventralen
Teil und einen papillenförmigen dorsalen geteilt ist. Seine Borsten
sind lang mit einem kurzen subterminal verbreiterten Teil, einem
zahnähnlichen sekundären Fortsatz unter der Spitze und un-
gefähr 10 undeutlich gezähnten Reihen; in dem dorsalen Teil
dieses Bündels findet man einige Borsten, deren subterminaler
Teil leicht verdickt ist, mit einigen Fransen jedoch ohne Zahn
unter der scharfen Spitze.
Verbr.: Malayischer Archipel (Solorstrait).
Lepidonotus malayanus Horst
Syn.: 1916 Lepidonotus malayanus Horst, Zool. R. Mus.
v. Natuurl. Hist. Leiden, Deel I, p. 7. — 1917 Horst, ‚Siboga‘
Exp. Monogr. XXIV.
Der Kopf ist abgerundet, fast so breit wie lang, mit in seiner
hinteren Hälfte gelegenen Augen, die wie bei Polynoe crinoidicola
Potts dicht aneinander gerückt sind. Am hinteren Kopfrand
befindet sich ein breiter Nuchallappen mit zwei Papillen. Die
Elytren sind ohıförmig, mit einer hervortretenden Anhefiungs-
stelle, die exzentrisch in ihrer vorderen Hälfte liegt, von der aus
einige sich verästelnde Nervenstämme ausgehen; ihre Ober-
fläche ist, glatt, ausgenommen ein Band längs ihres Randes,
besonders an der Außenseite, das mit kleinen knopfförmigen
Papillen bedeckt ist. Der Rand ist ohne Cilien. Das Dorsal-
bündel besteht aus einem Dutzend kurzer, leicht gebogener
Borsten mit einer glatten gebogenen Spitze und schwachen,
leicht gedrängten, kıeisrunden Furchen; die Ventralborsten
. sind ungefähr zweimal so lang wie die Dorsalborsten, mit einem
subterminal verbreitertem Teil, der schwache transversale Reihen
und einen deutlichen sekundären Zahn unter der zahnähnlichen
Spitze zeigt. (Horst)
Verbr.: Malayischer Archipel (Waigoe-Ins., West].
Groß-Kei-Ins.).
Lepidonotus hedleyi Benh.
Syn.: 1915 Lepidonotus hedleyi Benham, Biol. Res. of the
Fishing experiments carsied on by the F. I. 8. „Endeavour“:
1909—1914, Vol. 3, p. t.4, P. 181, pl. XXX VII], figs. 1—7.
Der Kopf ist so lang wie breit. Das vordere Augenpaar liegt
an der Stelle der größten Breite. Das Hintere dieht am Nuchal-
lappen. Die Tentakel sind glatt, jedoch fehlt der mediane. Die
Lateralen sind schlank und farblos, jedoch findet sich ein hell-
11. Heft
78 Hans J. Seidler:
grauer Ring unterhalb der subterminalen Verdiekung. — Der
Rücken des Tieres ist quer gestreift. Diese Streifen sind wiederum
aus einzelnen dicht nebeneinander liegenden Linien gebildet
und sind ungefähr von derselben Breite wie die dazwischen
liegenden farblosen Teile. — Die Elytren sind einförmig fahlgrau,
durchsichtig, oval, dünn und sehr zerknittert; sie überdecken
sich etwas vorn und hinten und bedecken den Rücken nicht
vollständig. Sie erscheinen unter der Linse glatt, sind aber in
Wirklichkeit mit niedrigen konischen Tuberkeln besetzt, die
länglich und mit einem Längsschlitz versehen sind. — Jedes
Elytron ist oval mit einer leichten vorderen Einbuchtung und
ist außen etwas breiter. Die vordere Region ist farblos und
durchsichtig; das Pigment ist dunkler an dem im zentralen Teile
liegenden weißen Fleck, und zwar besonders im hinteren Teile.
Es finden sich dann noch kleine schwarze Flecke in ziemlich
weit auseinander liegenden Zellen. Der Rand ist fransenlos.
— Der Dorsalast ist klein und enthält etwa zwölf helle fast farb-
lose Borsten, mit unvollständigen Querreihen; denn in manchen
Ansichten scheinen diese Reihen auf die eine Seite beschränkt
zu sein. — Der Ventralast ist abgestumpft, mit diekeren Borsten
als der dorsale versehen, die gelb und ungefähr 24—25 an Zahl
sind. Sie sind zweizähnig und je nach ihrer Lage mit neun bis
fünfzehn Querreihen versehen, von denen die distalsten große
Zähne haben. — Der Dorsaleirrus ist in seiner ersten Hälfte
hellbraun, dann weiß, mit einem dunklen Ring unterhalb der
Spitze, den Anschein einer subterminalen Anschwellung gebend.
(Benham)
Fundort: Kingston (Südaustralien). ’
Lepidonotus lissolepis Hasw.
Syn.: 1883 Lepidonotus lissolepis Haswell, Proc. L. Soc.
N. $. W. VII, p. 285, pl. VII, fig. 3, 4.
Der Körper besteht aus 25 borstentragenden Segmenten,
mit 12 Paaren Elytren. Die Tentakel sind fast gleich lang, schlank,
spitz zugehend, glatt. Die Tentakulareirren und die Palpen sind
fast gleichlang. Die Letzteren sind jedoch kräftiger als dieanderen;
diese sind ebenso wie die Cirren in der Nähe der Spitze leicht
angeschwollen, welche verdünnt ist. Die Elytren (welche am ersten,
zweiten, dritten, fünften... .. einundzwanzigsten Segment vor-
kommen) sind glatt, ziemlich zart, nicht gefranst, von einer
dunklen schieferbraunen Färbung, wobei das Pigment in kleinen
. dichten gelappten Körperchen anstatt in getrennten Granula
verteilt ist. Die Parapodien sind nicht geteilt. Die Ventralborsten,
ungefähr 25 an der Zahl, sind nach einem ähnlichen Typ gebaut,
wie die von L. argus, haben aber einen kleinen spitzen Zahn
in der Nähe der Spitze. Die Dorsalborsten sind schlank und mit
transversalen Dornenreihen versehen, wobei sie die Ähnlichkeit
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 79
der lateralen Längsreihen der Zähne annehmen. Die Länge ist
gleich ?/, Zoll, die Breite !/, Zoll. (Haswell)
Fundort: Nelson’s Bay, Port Stephens.
Lepidonotus purpureus Potts
Syn.: 1910 Lepidonotus purpureus Potts, Trans. Lin. Soc.
Zool. London 2. Ser., Bd. 13, 1910 p. 334, pl. 18, fig. 3.
Maße: Länge 21 mm, Breite 7,5 mm; ein anderes Exemplar
14 mm bezw. 5 mm. |
Das charakteristische Aussehen wird durch die purpur-
braunen Elytren hervorgerufen, deren Färbung nur durch einen |
weißen Fleck über der Anheftungsstelle unterbrochen wird.
Der Kopf ist ziemlich klein und trägt undeutliche Augen. Die
Palpen sind dreimal so lang wie die Lateraltentakel und letztere
sind halb so lang wie der mediane. Ein deutlicher Nuchallappen
ist vorhanden. Die Dorsaleirren sind lang, purpurbraun, durch
weiße Bänder unterbrochen, gleichförmig dick, aber mit einer
leichten terminalen Anschwellung, auf die eine schlanke faden-
förmige Spitze folgt. Die Elytren sind von regelmäßig ovaler
Gestalt (in Färbung und Form an die von Gastrolepidia ambly-
phyllus erinnernd). Die Ränder sind glatt, und auch die Ober-
fläche erscheint es mit unbewaffnetem Auge; aber eine Ver-
größerung zeigt, daß sie mit kleinen chitinigen Tuberkeln versehen
ist, die am Rande zahlreicher sind und eine leichte mediane
Einsenkung zeigen. Das Pigment ist in kleinen Klumpen ver-
einigt, und zwischen ihnen finden sich oft Ansammlungen von
deutlichen Zellen ohne Pigment, die eine Art wabenartiger Struktur
aufweisen. Eine Art Dorsalborsten ist von gewöhnlicher dorniger
Art, die in eine schlanke glatte Spitze endigt. Die Ventralborsten
sind kräftig ornamentiert, mit einer großen Zahl von Dornenreihen
und mit einem Zahn unterhalb der Spitze. (Potts)
Fundort: Sansibar.
Lepidonotus glaucus (Pirs.)
Syn.: 1854 Polynoe glauca Peters, Mon. Ber. d. Berl. Ak.
d. Wiss. 1854 p. 610. — 1855 Peters, Arch. f. Naturgesch. 1855
p- 38. — 1861 Pol. australis Schmarda, Neue wirbellose Thiere
I, II, p. 154. — 1865 Lepidonotus glaucus Baird, Journ. Lin.
Soc. London Zool. VIII, p. 184. — 1865 Lep. stellatus Baird,
Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 185. — 1865? Antinoe
australis Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 193.
— 1865 (66) Polynoe grisea Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 250.
— 1868 Pol. (Lepidonotus) quadricarınata Grube, J. B. Schles.
Ges. 1867 p. 50. — 1868 Grube, Verh. k. k. zool. bot. Ges. in
Wien 1868 p. 629. — 1869 Grube, Mon. Ber. Ak. Wiss. Berlin
p. 486. — 1875 Polynoe glauca Grube, J. B. schles. Ges. 1875
p: 61. — 1875 Pol. quadricarinata Grube, J. B. schles. Ges.
11. Heft
80 Hans J. Seidler:
1875 p. 61. — 1875 Pol. australis Grube, J. B. schles. Ges.
1875 p. 61. — 1883 Antenoe (?) grisea Haswell, Proc. Lin. Soc.
N. 8. W. VIII, p. 288. — 1883 Lepidonotus stellatus Haswell,
Proc. Lin. Soc. N. S. W. VIII, p. 283. — 1889 Polynoe australis
Whitelegge, Journ. Proc. Roy Soc. N. S. W. XXIII, II, p. 206.
— 1897 Pol. (Lepidonotus) quadricarınata Ehlers, Mitt. aus
d. Naturhist. Mus. in Hamb. 14. Jahrg., p. 405. — 1897 Ehlers,
Nachr. d. k. Ges. d. Wiss. Göttingen Math. phys. kl. 1897 p. 164.
— 1897 Pol. sp.? Ehlers, Nachr. d. k. Ges. Wiss. Göttingen
Math. phys. Kl. p. 164. — 1897 non Polynoe glauca Ehlers,
Nachr. d. k. Ges. Wiss. Göttingen Math. phys. Kl. p. 163. —
1901 Lepidonotus obscurus Gravier, Nouv. Arch. Mus. Paris
(IV), 3, p. 218, pl. VIII, fig. 118—122. — 1905 Lep. stellatus
Augener, Fauna Südwestaustraliens Polych. I. Errantia p. 99.
— 1910 Lep. carinatus Potts, Trans. Lin. Soc. London (2) 13,
p. 334, pl. XVIII, fig. 1. — 1917 Horst, ‚„Siboga‘‘ Exp. Monogr.
XXIV, p. 69. — 1920 non Lep. glaucus Ehlers, Abh. Ges. Wiss.
Göttingen N. F. X. — 1920 Lep. stellatus Fauvel, Arch. Zool.
Exp. et gener. t. 58.
Nach einer Untersuchung von Ehlers sollte diese Art
identisch mit L. (Thormora) jukesi Baird sein. Auf meine Bitte
jedoch untersuchte Dr. Augener das Exemplar und fand,
daß es mit der vorher genannten Art garnichts zu tun hat, sondern
daß L. glaucus identisch ist mit der von Baird aufgestellten
Art L. stellatus. Da Polynoe glauca früher aufgestellt wurde,
lasse ich sie trotz der mangelhaften Beschreibung bestehen. —
Der Kopf ist rundlich, eigentlich mehr sechseckig, doch sind
die Ecken ziemlich stark abgerundet. In der medianen Längs-
linie des Kopflappens findet sich eine Furche, die nur bis zur
Mitte des Kopflappens reicht. Das Grundglied des Median-
tentakels ist kräftig, fast zylindrisch, an seinem distalen Ende
nicht verbreitert und besitzt eine Länge von etwa 2/; der Kopf-
länge. Der Mediantentakel selbst ist bei der Type leider ab-
gebrochen, doch ist er bei anderen Exemplaren etwa zweimal
so lang wie der Kopflappen. Er geht zunächst der Spitze allmählich
zu, verdickt sich dann aber vor dieser und endigt plötzlich in
einem Faden, der dieselbe Länge wie die Verdickung hat. Die
Grundglieder der Lateraltentakel erreichen etwa dieselbe Länge
wie das des Mediantentakels, sind jedoch nicht so stark und ebenso
wie dieses an seinem distalen Ende nicht verbreitert. Die Lateral-
tentakel selbst erreichen etwa 1!/; der Länge des Kopflappens
und gleichen im Habitus dem medianen. Die Palpen, die eine
beträchtliche Länge erreichen, sind etwa 2—2!/,ma]l so lang wie
der Kopf. Sie sind konisch und gehen allmählich und gleichmäßig
der Spitze zu, ohneirgend eine Verdickung, Papillen oder Wimpern
aufzuweisen. Am Ende der Palpen findet sich noch ein kurzer
Faden. Auf dem Kopflappen bemerkt man 2 Paar Augen in
trapezoider Stellung. Sie sind schlecht sichtbar, ziemlich blaß.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 81
Das vordere Paar liegt in der größten Breite des Kopflappens,
die ziemlich in der Mitte liegt, während das hintere Paar an den
hinteren Ecken des Kopflappens liegen, gegenüber. den Grund-
gliedern der Lateraltentakel. — Die Tentakulareirren sitzen auf
langen Grundgliedern, die noch die der Tentakel überragen.
Sie ähneln im Habitus dem Lateraltentakel, sind länger als diese
und kürzer als die Palpen. Der Körper wird von den Elytren nicht
vollständig bedeckt, sondern läßt in der medianen Längslinie
den Rücken nackt. Nur der vordere Teil, der Kopflappen und die
ersten Segmente werden vollständig bedeckt. Am Körperende
stehen 2 Analeirren, die denselben Habitus wie die Dorsalceirren
aufweisen. — Die Elytren sind fransenlos und beim ersten Anblick
auch vollkommen glatt. Bei genauerer Untersuchung aber finden
sich kleine winzige Tuberkel. Sie sind rund und besitzen in der
Mitte einen kleinen Dorn, der auch zweigespalten sein kann.
Außerdem finden sich noch kleine Zellen, die in dichteren oder
weiteren Zwischenräumen stehen und mit Pigment versehen
sind und so den Elytren die Färbung geben. Charakteristisch
für diese Art sind die Längskiele auf den Elytren, von denen sich
zwei auf jedem finden und nach denen Grube seine Tiere als
P. quadricarinata benannte. Auf den Elytren der Type sind die
Kiele leider nicht mehr. zu sehen. — Die Parapodien bestehen
aus einem ziemlich starken Ventralast und einem sehr schwachen
dorsalen. Im ersten Parapodium bemerkt man Borsten von sehr
verschiedener Form und zwar Dorsalborsten, wie man sie in den
anderen Parapodien findet, dann im Ventralast Borsten, die
man leicht mit den Ventralborsten der anderen Parapodien in
Beziehung bringen kann, die jedoch nicht zweispitzig, sondern
einspitzig sind, und Borsten, die einen Übergang von den einen
zu den andern bilden. Der Ventraleirrus ist ziemlich lang und
ähnelt den unteren Tentaculareirren. Bei den anderen Parapodien
finden sich im Dorsalast etwa 6—8 schwach gebogene allmählich
spitz zulaufende, von unten bis oben mit transversalen Dornen-
reihen versehene Borsten. Im Ventralast dagegen finden sich
etwa 35 kräftige Borsten, die den übrigen Lepidonotus- Ventral-
borsten ähnlich sehen und eine ziemlich lange Ornamentierungs-
reihe besitzen, die sich in verschiedener Länge findet. Bei den
unteren Borsten zählt man etwa 12 bei den oberen etwa 25 Quer-
reihen. Die Borsten sind sehr schwach gebogen, zu Beginn der
Örnamentierung kaum verdickt, und die etwas nach vorn gebogene
Spitze deutlich zweizähnig. Die ÖOrnamentierung besteht aus
sehr dünnen Zähnchen, die außer den ersten, die stärker sind,
ungefähr die gleiche Größe besitzen. Der Dorsaleirrus sitzt
auf einem kräftigen langen Grundglied; der Cirrus selbst ragt
noch über das ventrale Borstenbündel hinweg. Der Ventral-
eirrus ist länglich konisch mit einem Endfaden.
Verbr.: Indischer Ozean, Rotes Meer, Malayischer
Archipel.
Archiv tür Naturgeschichte
1928. A.11. 6 1. Heit
82 Hans J. Seidler:.
Lepidonotus onisciformis Ehl.,
Syn.: 1918 Lepidonotus onisciformis Ehlers: Abh. der
Senckenb. Naturf. Ges. 35. Bd. p.233, Taf. XV, fig. 8-11,
Taf. XV], fig. 1—4.
Der dorsoventral abgeplattete ovale, nach vorn etwas stärker
als nach hinten verschmälerte Körper ist 15 mm lang, auf der
halben Körperlänge mit 7 mm am breitesten, auf der Bauchfläche
zwischen den Ruderbasen 4mm breit, hat 25 rudertragende
Segmente und 12 Paar die Rückenfläche und die Ruder völlig
deckende Elytren; über den Seitenrand der Elytren ragen die
Rückencirren vor. Die von den dachziegelförmig übereinander
greifenden Elytren gebildete Rückenfläche ist schiefergrau mit
einer Doppelreihe hellerer Flecke je im Zentrum des einzelnen
Elytron. Unter den Elytren hat die Rückenfläche der einzelnen
Segmente zwei mediane helle Flecke oder eine durch deren
Zusammenfluß gebildete kurze Querbinde; die Seitenteile des
Segments tragen ein dunkelfarbiges, hell umrandetes Feld. Die
Bauchfläche ist allgemein hellfarbiger. — Der Kopflappen ist
eine auf der dorsalen Fläche breit eiförmige erscheinend Platte,
deren größter in der hinteren Hälfte gelegener Querdurchmesser
fast doppelt so lang als der Längsdurchmesser ist. Von einem
medianen Einschnitt des Vorderrandes zieht sich eine Längs-
furche über die halbe Länge des Kopflappens nach hinten. Am
Seitenrande der hinteren Kopflappenhälfte steht jederseits
ein Paar dunkle, sich berührende Augen, die vorderen etwas
weiter nach außen als die hinteren. Aus dem medianen Einschnitt
des Vorderrandes des Kopflappens entspringt/mit kurzem Wurzel-
. gliede der unpaare Fühler, der kürzer ist als die paarigen, die
jederseits neben ihm auf stielartigen Verlängerungen der Vorder-
ecken des Kopflappens getragen werden. Alle Fühler sind glatt,
ihre walzenförmige basale Strecke läuft in eine dünne Endspitze aus.
Die großen, von der Unterfläche des Kopflappens kommenden
Palpen ragen weit über die Fühler hinaus, sind kegelförmig,
im Grundteile mit schwach prismatischer dorsaler und ventraler
Kante und kurzem, fast stielförmigem Endstüc«. Papillen habe
ich nicht an ihnen gesehen. — Das erste Segment ist auf: der
Rückfläche verdeckt, an seinen Seitenflächen stehen auf einem
gabelig gepaltenen Grundglied jederseits zwei glatte Fühlercirren,
die wenig länger als die paarigen Fühler und bedeutend kleiner
als die Rückeneirren der Ruder sind. Vom ersten Segment geht
ein großes postorales Polster aus, das vom Mundeingang aus sich,
an Breite etwa um ein Drittel abnehmend, bis über die ventrale
Fläche des dritten Segmentes erstreckt. Im Mundeingang liegen
zum Rüssel gehörige Wülste; von ihnen erstreckt sich eine schmale
Leiste zum Vorderrand des Kopflappens. Die rudertragenden
Segmente sind etwa viermal. breiter als lang; das erste ist auf
der Rückenfläche zu einem kurzen lappenförmigen Höcker
“It
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 853
erweitert, der auf die Kopflappenfläche zwischen den hinteren
Augen hinübergreift. Die ventrale Fläche dieser Segmente hat
eine hinter dem postoralen Polster beginnende subneurale Furche.
— Die zweiästigen Ruder nehmen mit ihrer Basis die Seitenfläche
der Segmente ein. Ihr dorsaler Ast ist ein niedriger, der basalen
Hälfte des unteren Astes aufsitzender Höcker, der ein kleines
von wenig Borsten gebildetes Bündel trägt; die Borsten sind
glashell, etwa 0,01 mm breit, fein, linear, in ihrer spitz aus-
laufenden Endstrecke auf einer Fläche mit schräg quergestellten
feinen Blättchen sägeartig besetzt, die in einer Flächenansicht
einen doppelseitigen Besatz von feinen Härchen vortäuschen.
Der ventrale Ast ist ein starker, schwach kegelförmig verdünnter
Fortsatz mit niedriger, dünner, hautartiger Lippe, vor der das
etwa 20 Borsten führende Bündel austritt. Die etwa 0,25 mm dicken
Borsten sind vor der zweizähnigen Endspitze auf kurzer Strecke
verdickt und hier mit einer kleinen Zahl (etwa sechs) Blättern
sägeartig besetzt. Über den Rudern entspringen in gleicher
Höheintypischer Weise alternierend die Rückenecirren und Elytren.
Die von einem Cirrophor ausgehenden Rückencirren sind glatte
walzenförmige, ohne subterminale Anschwellung zugespitzt aus-
laufende Fäden, farblos, aber mit subterminaler dunkler Binde;
sie ragen über den Rand der Elytren hervor. — Die Elytren
werden von einem Elytrophor getragen, der bedeutend dicker
als der Cirrophor ist. Der Elytrophor ist fast zentral mit dem
Elytron verbunden, die Anheftungsfläche ist oval. Die scheiben-
törmigen Elytren sind am zweiten Segment kreisförmig, die
folgenden sind oval, am Vorderrande schwach nierenföl mig
ausgerandet. Bei ihrer imbrican-decussaten Stellung überlagern
sie je drei Segmente. Die dunkle Färbung der fein chagrinierten
Rückenfläche in der Umgebung des hellen zentralen Fleckes
rührt von feinen, unter der Oberfläche liegenden, schwarzen
Pigmentkörnchen her, die in netzförmiger Verteilung dichter
oder weitläufiger helle Räume zwischen sich lassen. Auf der
ganzen Oberfläche stehen zerstreute, kleine, harte, niedrig drei-
eckige Papillen. Randpapillen fehlen. Die Unterfläche des
Elytrons ist glatt, weißlich, glänzend. — Die Baucheirren sind
schlank kegelförmige, auf dem ventralen Umfange der Ruder-
basis sitzende Fäden, der des ersten Ruders ist so lang wie die
vor ihm stehenden Fühlereirren und ragt über das Ruder und.
den Rand des Elytron hinaus, die Baucheirren der folgenden
Ruder sind viel kleiner und erreichen nicht die Spitze des ventralen
Ruderastes. — Kurze cylindrische Genitalpapillen stehen median-
wärts der Basen des 8.—23. Ruders. — Äftereirren habe ich
nicht gesehen. (Ehlers).
Fundort: Aru-Inseln, Sungi-Manumbai, Grober
Muschelsand.
6* 11. Heft
84 Hans J. Seidler:
V. Parapodien ohne Dorsalborsten.
Lepidonotus simplicipes Hasw.
Syn. 1883 Lepidonotus simplicipes Haswell, Proc. Lin.
Soc. N. S. W. VII, p. 285, pl. IX, fig. 1, 2.
Der Körper ist wie der von L. kssolepis Hasw. aus
25 Segmenten zusammengesetzt, die zwölf Elytrenpaare tragen.
Die Tentakel sind fast gleich lang, von einem ähnlichen
Aussehen, wie die der obengenannten Art und mit schwarz
und braun gebändert, ebenso wie die anderen Tentakel und
Cirren. Die Palpen sind sehr dick, nicht pfriemenförmig, braun.
Die Tentakulareirren sind etwa so lang wie die Tentakel
und von ähnlicher Gestalt. Die Analeirren sind sehr lang. Die
Parapodien sind ungeteilt und es fehlen die Dorsalborsten. Die
Ventralborsten sind von einem ähnlichen Typ wie die von L.
argus, aber in der Nähe der Spitze befindet sich ein kleiner Zahn,
welcher eher den Anschein einer Stufe hat, als eines vorstehenden
Zahnes. Die Elytren sind zart, nicht gefranst, mit einem Band
von sehr kleinen Fortsätzen in der Nähe des äußeren Randes
geschmückt. (Haswell)
Fundort: Griffith’s Point, Western Port.
Lepidonotus melanogrammus Hasw.
Syn.: 1883 Lepidonotus melanogrammus Haswell, Proc.
Lin. Soc. N. S. W. VII, p. 284, pl. VIII, fig. 13.
Diese Art ist durch folgende Merkmale unschwer zu identi-
fizieren, und zwar ist es das Fehlen des dorsalen Borstenbündels
und besonders die eigentümliche Zeichnung an der Ventralseite.
— Ein von mir untersuchtes Exemplar hat eine Länge von 32 mm,
eine größte Breite von Il mm mit und 5 mm ohne Borsten und
Parapodien. — Der Kopflappen ist ungefähr doppelt so breit
wie lang und an den seitlichen Rändern schwach konvex. Die
Basalglieder der Tentakel sind alle gleich lang und besitzen
etwa dieselbe Länge wie der Kopflappen. Das Basalglied des
Mediantentakels ist jedoch etwas dicker als die der Lateral-
tentakel. Die Tentakel sind ebenfalls alle gleich lang und weisen
etwa die doppelte Länge des Kopflappens auf. Subterminal
sind sie etwas verdickt und gehen dann rasch in eine fadenförmige
“lange Spitze über. Die Zeichnung der von mir untersuchten
‚Exemplare ist von der Beschreibung Haswells etwas verschieden.
Die Tentakel zeigen zwei schwärzliche Ringe, von denen der
erste ein Drittel des Tentakels am proximalen Ende einnimmt,
und der zweite sich an der Anschwellung befindet, die Spitze
jedoch freiläßt. Die Palpen überragen die Tentakel etwa um die
Hälfte und gehen gleichförmig der Spitze zu, die in einem feinen
Faden ausläuft. Sie sind vollkommen glatt. Auf dem Kopflappen
bemerkt man zwei Paar Augen, von denen das vordere das
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 85
größere ist und an den Seitenrändern etwas vor der queren
Mittellinie, während das andere am hinteren Rande versteckt
liegt. — Die Basalglieder der Tentakularcirren überragen noch
die der Tentakel, ebenso überragen die Cirren die Tentakel und
ähneln ihnen in Habitus und Färbung. — Die Elytren lassen die
mediane Längslinie des Rückens unbedeckt; sie fallen äußerst
leicht von den runden Elytrophoren ab und sind sehr fest, leder-
artig und am Rande vollkommen glatt. Papillen fehlen ihnen
vollkommen. Ihre Gestalt ist rundlich, bis eiförmig oval. An
einzelnen Stellen, besonders dem unbedeckten Teil, findet man
unregelmäßige dunkle Flecken, die ein wolkenähnliches Aussehen
haben und dem Tiere einen ganz bestimmten Anblick geben.
Bei stärkerer Vergrößerung bemerkt man auf den Elytren eine
deutliche Felderung, die wohl von schwachen chitinigen Leisten
herrührt, welche den Elytren eine größere Festigkeit geben sollen.
Ihre Anheftung ist exzentrisch. — In den Parapodien fehlen die
Dorsalborsten vollkommen, jedoch ist ein schwaches dorsales
Aciculum vorhanden. Im Ventralast des zweiten Segments
befinden sich zwei Arten von Borsten von denen die oberen
denen der anderen Parapodien gleichen, während die unteren
viel feiner sind und eine lange Ornamentierung zeigen. Die
Borsten der übrigen Parapodien sind mehr oder weniger stark
gebogen und zweispitzig. Die Ornamentierung beginnt am distalen
Ende mit zwei ziemlich starken blattartigen Zähnen, denen
etwa 10 schwächerefolgen. — Der Ventraleirrus des ersten Segments
und die Dorsaleirren sind den Tentakeln sehr ähnlich. Die Ventral-
eirren der übrigen Parapodien sind sehr kurz und länglich konisch.
— Der Körper des Tieres ist flach zusammengedrückt. An der
Ventralseite finden sich vier Längsreihen von braunen Punkten.
Die beiden äußeren liegen dicht am Parapod und umgeben die
Nephridialpapillen, während die beiden anderen in der Nähe
der Medianlinie liegen. Die äußeren Flecke sind groß und braun,
während die inneren kleiner und heller sind und bisweilen zu
Längslinien zusammenfließen können.
Fundort: Port Jackson.
VL Species incertae sedis.
Lepidonotus fusieirrus (Schm.).
Syn.: 1861 Polynoe fusicirra Schmarda, Neue wirbellose
Thiere I, II, p. 152, tab. XXXVL, fig. 311. — 1865 Lepidonotus
fusveorrus Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 183.
— 1865 (66) Polynoe fusicirra Quatrefages, Hist. nat. t. 1,
p. 248. — 1875 Lepidonotus fusicirrus Grube, J.B. schles.
Ges. 1875 p. 61. —
Körper rot, Rücken konvex, Ventralseite eben. 12 Paar
Elytren, fast rund, rot, mit braunen und schwarzen Punkten.
Tentakel und Cirren glatt, spindelförmig, rot, mit spindelförmigem
11. Heft
86 Hans J. Seidler:
Teil braun. Borsten kaum vorragend; die oberen gegen das
Ende hin breit, an der Spitze gezähnt; die unteren dünn, haar-
förmig, mit einem Zahn. — Die Länge des Körpers beträgt 12 mm,
davon 1,5 mm die Schwanzeirren, die Breite 2,5 mm. Er zählt
26 Körperringe. Der Rücken ist gewölbi, der Bauch flach. Die
Färbung ist rot, mit Ausnahme von braunen und schwarzen
Punkten in den Elytren und den knotenartigen Auftreibungen
der Cirren. Die Borsten sind nur wenig vorragend. Das Tier
besitzt 12 Paar Elytren von rundlicher Form. Die oberen Borsten!)
werden am Rande breit, die äußerste Spitze ist geteilt und hat
2—3 spitzige Zähne am Rande. Die unteren Borsten sind lang,
haarförmig und zugespitzt mit einem Zahn. (Schmarda)
Verbr.: Indischer Ocean (Ceylon).
Lepidonotus Bowerbanki Baird
Syn. 1865 Lepidonotus Bowerbanki Baird, Journ. Lin.
Soc. London Zool. VIII, p. 185. — 1883 Haswell, Proc. Lin.
Soc. N. S. W. VII, p. 284.
Tier 6 Linien lang und ungefähr 2 breit. Die Färbung ist
grau auf dem Rücken und ventral gelb. Kopf, Tentakel und
Palpen wie in der vorhergehenden Art.?) Die Borsten des Ventral-
astes sind an der Spitze nicht zweizähnig, sind aber unter der
Spitze unzusammenhängend lang gezähnt oder gesägt. Die Borsten
des Dorsalastes sind schlank und fein gesägt und mit Querstreifen
versehen. Die Elytren sind an Zahl 12 Paar, von denen die
vorderen fast rund sind, nach hinten zu jedoch mehr oval werden.
Durch das Mikroskop betrachtet ist die Oberfläche mit kleinen
Tuberkeln bedeckt, und der äußere Rand ist leicht gefranst.
Sie sind von heller Farbe, aber überall mit hellen rehfarbenen
Flecken versehen. (Baird)
Verbr.: Australien.
Lepidonotus antillarum (Sch m.)
Syn. 1861 Polynoe antillarum Schmarda, Neue wirbellose
Thiere I, II p. 158 Textfig. a, b. — 1865 Lepidonotus antillarum
Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. XIII, p. 133.
Körper eben, braun. 12 Paar Elytren, fast oval, braun,
mit wenigen Fransen und kugelförmigen Dornen. Einige Borsten
gegen das Ende hin breit abgestumpft gezähnt, die übrigen
zweizähnig. — Der Körper ist flach braun. 10 mm lang und 3 mm
breit. Er zählt 27 Ringe. Die Fühler waren bei der Untersuchung
schon in einem defekten Zustand, sodaß ich über ihre Beschaffenheit
im Unklaren bin. Das Thier besitzt 12 Paar Elytren, welche
1) Hier hat sich Schmarda geirrt, denn die dünneren Borsten sind
sicherlich die dorsalen, und die diekeren zweizähnigen die ventralen.
2) Lepidonötus stellatus Baird (= Lep. glaucus Ptıs.).
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I, 87
braun, unregelmäßig oval, mit wenigen Fransen und schwarz-
braunen, kugeligen Höckern auf kreisrunden Feldern besetzt
sind. Diese Polynoe hat zweierlei Borsten, von denen die einen
dick sind. Das breite Ende dieser Borsten ist kurz, fast dreieckig,
mit nur wenigen kleinen Zähnen. Die übrigen Borsten sind viel
dünner und haben unten einen Zahn. (Schmarda)
Verbr.: Westindien.
Lepidonotus tomentosus (Gr.)
Syn. 1857 Polynoe tomentosa Grube, Meddelelser nat. foren.
Kjöbenhavn for 1856 p.45. — 1865 Lepidonotus tomentosus
Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 183. — 1865/(66)
Polynoe tomentosa Quatrefages, Hist. nat. t.I, p.225. —
1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1875, p. 61.
Die Elytren decken den Rücken vollständig oder zum größten
Teil. Der Kopf trägt 5 Tentakel. Der Körper ist blaß-fleischfarben,
ziemlich kurz; die Elytren sind fast oval, grau-bräunlich, am
freien Ende mit kleinen linearen Papillen versehen, sodaß sie
einen wolligen Anblick gewähren, und am äußeren Rand lang
gefranst. Der Mediantentakel ist um !/, länger als die lateralen,
ebenso wie diese, die Tentakular- und Dorsaleirren schlank,
unterhalb der Spitze nicht angeschwollen. Die Palpen sind
kegelförmig, unten vier bis fünfmal dieker als der Mediantentakel,
mit den Tentakulareirren gleich weit hervorragend, das erste
Elytron überragend.. Die Dorsaleirren sind glatt, überragen
die Ventralborsten und besitzen ein kurzes dickes Basalglied. —
Länge 5 Linien, größte Breite mit Borsten 1,7 5Linien. (Grube)
Fundort: Puntarenas in Costa Rica.
Lepidonotus torresiensis Hasw.
Syn. 1883 Lepidonotus torresiensis Haswell, Proc. Lin. Soc.
N. S. W. VIII p. 287, pl. IX, fig. 6.
Die Elytren sind imbrikat und dekussat. Der Mediantentakel
ist ungefähr zweimal so lang wie der Kopf mit einer subterminalen
Anschwellung und einer fadenförmigen Spitze; die Lateraltentakel
sind ein wenig kürzer als der mediane und von ähnlicher Gestalt.
Die Palpen sind bei einem Exemplar kaum kürzer als die Tentakular-
eirren, bei einem anderen ein wenig länger, am Grunde dick,
am Ende zugespitzt. Die Tentakularcirren sind ebensolang
wie die Tentakel und von ähnlicher Gestalt. Die Elytrentuberkel
sind sehr deutlich. Die Ventralborsten sind sehr ähnlich denen
von L. simplieipes; die Dorsalborsten sind kurz mit zwei Längs-
reihen von kurzen Dornen. Die Elytren sind fast nierenförmig,
dick, gefranst, an der Oberfläche mit wenigen konischen und
keulenförmigen Fortsätzen besetzt. Die Farbe ist hellgrau,
mit einem dunklen Fleck an der Anheftungsstelle jedes Elytrons.
Fundort: Thursday Island. (Haswell)
11. Heft
88 Hans J. Seidler:
Lepidonotus Savignyi (Gr.)
Syn. 1857 Polynoe Savignyi Grube, Vid. Med. nat. Foren.
Kjöbenhavn for 1856 p. 45. — 1865 Lepidonotus Savignyi Baird,
Journ. Proc. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 183. — 1865 (66)
Polynoe Savignyi Quatrefages, Hist. nat. t.], p. 225. —
1875 Lepidonotus Savignyı Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 61.
Die Elytren bedecken den Rücken vollständig oder zum
größten Teile. Sie sind fast oval, gelblich, grauwarzıg punktiert,
mit einem mittleren gelben Fleck versehen und am äußeren
Rande kurz gefranst. Der Mediantentakel ist unterhalb der
Spitze angeschwollen, ein wenig kürzer als die lateralen, das
erste Elytron kaum überragend, fast zweimal so lang wie die
Palpen, und die Tentakulareirren ein wenig überragend. Die
Dorsaleirren sind glatt, fast spindelförmig und ragen ebenso
weit wie die Ventralborsten vor. Ihr Basalglied ist diek und so
lang wie der Cirrus selbst. Die Dorsalborsten sind sehr zart,
etwas rauh. — Länge bis 0,5 Zoll, Breite mit den Borsten bis
3 Linien. (Grube)
Fundort: Callao.
Wie mir Herr Dr. Augener mitteilte, besitzt dies Tier,
das er selbst gesehen hat, zweispitzige Ventralborsten.
Bestimmungstabelle der Thormora-Arten.
Pacifik.
1. Palpen gewimpert soctalis Kbg. (Ins. Eimeo)
1’ Palpen glatt Johnstoni Kbg. (Panama)
Lepidonotus (Thormora) Baird
Diese Gattung unterscheidet sich von Lepidonotus nur
durch die Borsten des Dorsalastes.. Neben diesen einfachen
gezähnten oder gesägten dünnen Borsten finden sich noch andere,
die lanzettförmig sind und vollkommen glatt sind, ohne irgend
eine Spur von Zähnchen oder Härchen.
Lepidonotus (Thormora) jukesi (Baird).
Syn. 1865 Thormora jukess Baird, Proc. Lin. Soc. London
Zool. VIII, p. 199. — 1869 Polynoe (Lepidonotus) trissochaetus
Grube, Mon. Ber. d. kgl. Ak. d. Wiss. Berl. 1869 p. 485. —
1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 61. — 1877 Grube,
Mon. Ber. d. kgl. Ak. d. Wiss. Berl. 1877 p. 509. — 1878 Grube,
Annulata Semperiana p. 25, tab. II, fig. 4. — 1883 Thormora
jukesi Haswell, Proc. Lin. Soc. N. S. W. VIII, p. 277. — 1897
Polynoe glauca Ehlers, Ges. Wiss. Göttingen 1897, p. 163.
— 1902 Thormora (Lepidonotus) jukesi Marb nella
schriften K. W. Ak. Wiss. Wien, Math. Nat. Kl. Bd.72, p. 9,
tab. II, fig. 6. — 1905 Lepidonotus (Thormora) jukesi var. rubra
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 89
Augener, Fauna $S. W. Australiens. Polychaeta I. Errantia
.p. 107. — 1910 Lep. pustulatus Potts, Trans. Lin. Soc. ser. II,
13. 1909/10, p. 335. — 1910 Thormora trissochaeta Potts, Trans.
Lin. Soc. ser. II, 13 1909/10 p. 331. — 1917 Horst, „Siboga‘“
Exp. Monogr. XXIV, 1, p.75. — 1920 Lepidonotus glaucus
Ehlers, Abh. Ges. Wiss. Göttingen, N. F. X. Math. Nat. Kl.
p. 18. — 1920 Lep. trissohaetus Fauvel, Arch. de Zool. exp.
rs t. 58, 19. — 1905 Willey, Ceylon Pearl Oyster Fisher.,
IV, p. 249.
Der Kopf ist breiter als lang. Er wird durch eine mediane
Längsfurche, die sich von dem vorderen Rande bis fast an den
hinteren zieht in zwei Hälften geteilt. Die beiden vorderen
seitlichen Partieen des Kopfes sind in die Basalglieder der Lateral-
tentakel ausgezogen. Das Basalglied des Mediantentakels ist
stark, dick, an seinem distalen Ende nur unmerklich verbreitert
:und erreicht etwa die Länge des Kopflappens. Der Tentakel
selbst erreicht etwa die vierfache Länge des Grundgliedes. Er
geht zunächst langsam der Spitze zu, um vor dieser eine kräftige
keulenförmige Anschwellung zu zeigen und dann plötzlich in
einen feinen, ziemlich langen Endfaden auszugehen. Die Grund-
glieder der Lateraltentakel sind schwächer und nur eine Kleinigkeit
kürzer als das des Mediantentakels und zeigt die Erweiterung
am distalen Ende deutlicher. Die Tentakel selbst gleichen dem
Mediantentakel sehr, sie sind schlank, zeigen die deutliche kugel-
förmige subterminale Anschwellung und den ziemlich langen
Endfaden. Sie unterscheiden sich aber von dem Mediantentakel
durch ıhre Länge, denn sie erreichen nur etwas mehr als die halbe
Länge dieses Wöntakele, Die Palpen sind kräftig, konisch und
überragen die Lateraltentakel, erreichen aber nicht die Spitze
des medianen. Sie gehen dem Ende gleichmäßig spitz zu, ohne
eine Verdiekung oder einen Endfaden zu zeigen. Die Palpen
scheinen bei schwacher Vergrößerung ganz glatt zu sein, bei
stärkerer dagegen bemerkt man feine Cilien, die die Oberfläche
der Palpen bedecken. Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei
Paar sehr gut sichtbarer schwarzer Augen. Das hintere Paar
liegt ganz dicht am hinteren Rande, während das vordere etwa
an der breitesten Stelle des Kopflappens liegt, die sich noch
vor der Kopfmitte befindet. Der hintere Teil des Kopflappens
ist mit einem dunklen Pigment versehen, während der vordere
Teil mit den Basalgliedern der Lateral- und des Median-
tentakels vollkommen farblos ist. Die Tentakel selbst zeigen
in der Färbung dasselbe Prinzip. Sie sind etwa bis zur
Hälfte dunkel, dann folgt eine farblose Paıtie, um dann
wieder vor der subterminalen Verdickung, die selbst farblos
bleibt, einen dunklen Ring aufzuweisen. Die Palpen sind voll-
kommen farblos. — Die Tentakulareirren sitzen auf langen
Basalgliedern, die das desMediantentakels weit überragen. DieCirren
selbst gleichen im Habitus den Tentakeln vollkommen. Die
11. Hett
90 Hans J. Seidler:
oberen erreichen die Länge des Mediantentakels, während die
unteren kürzer als diese sind, jedoch die Palpen noch überragen.
Auch in der Färbung zeigen die Cirren nichts besonderes. Die
Basalglieder weisen nur ein sehr schwaches Pigment auf,
während die Cirren dieselbe Färbung wie die Tentakel zeigen.
— In der Medianlinie des Körpers bemerkt man auf jedem
Segment einen dunklen Fleck und nach jeder Seite von diesem
verschwindet das Pigment mehr und mehr um an dem Para-
podium nichts mehr aufzuweisen. Dies Pigment ist besonders
stark an den Stellen, die von Elytren freigelassen werden. Wie
schon gesagt wird der Rücken nicht an allen Stellen von den
Elytren bedeckt. Die Elytren selbst sind rundlich, nierenförmig
oder eiförmig. Sie sind glattrandig. Das erste Elytrenpaar ist
klein und rundlich, das zweite und dritte nierenförmig, während
die nächsten mehr eiförmig sind. Das erste Paar unterscheidet
sich von dem anderen auch dadurch, daß es die Pigmentierung
nicht in dem Maße aufweist wie die anderen. Es findet sich
nur an einer Stelle, der Anheftungsstelle und in deren Nähe
ein dunkler Fleck. Auch das zweite Paar zeigt nur die eine Hälfte
gefärbt und zwar ist es der hintere und äußere Teil, der innere
und vordere Teil bleibt farblos. Bei den anderen Elytren tritt
nur an einigen Stellen die Pigmentierung nicht auf, und zwar
am hinteren und äußeren Rande. Innerhalb dieser farblosen
Stellen finden sich immer noch farbige Flecken. Die Elytren.
sind mit kleinen Tuberkeln bedeckt, die sich am Rande und in
der Mitte befinden. Die Anheftungsstelle liegt exzentrisch in
der Nähe des äußeren Randes. Außer den kleinen Tuberkeln,
die sich in großer Anzahl längs des Randes finden, bemerkt
man noch größere Papillen in der Mitte und am Rande der Elytren.
Es sind einfache halbkugelförmige Erhöhungen. — Die Parapodien
besitzen im dorsalen Ast ein kräftiges Bündel von farblosen
feinen Borsten, die von zwei Sorten sınd, während im ventralen
Ast kräftige Borsten zu bemerken sind, die eine gelbe Farbe
aufweisen. Die Ventralborsten sind deutlich einspitzig. Ihr
Stamm ist von Grund auf gleichmäßig stark; vor der Spitze
zeigt die Borste etwa 6 Örnamentierungsreihen, wovon die
distalen die stärksten Zähne aufweisen. Am proximalen Teil
der Ornamentierung biegt sich die Borste etwas nach hinten,
während sich die Spitze wieder nach vorn biegt. — Im dorsalen
Ast befinden sich neben den langen feinen „Thormoraborsten“
noch kurze aber kräftige. Diese sind schwach gebogen und mit
feinen Zähnchenreihen versehen. Die feinen Borsten, die etwa
nur einhalb bis einviertel der Dicke der ersteren erreichen, sind
viel länger und ohne eine Spur von Zähnchen. Sie behalten
von Anfang bis fast zur Spitze ziemlich die gleiche Dicke, erweitern
sich dann plötzlich und gehen dann ziemlich rasch der Spitze zu.
— Die Dorsaleirren sitzen auf einem ziemlich kräftigen Basalglied,
dessen Ursprung mit den Elytrophoren nicht in einer Linie liegt.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 91
Der Cirrus selbst ist den Tentakeln im Habitus ähnlich, zeigt
aber in der Färbung nur den dunklen Ring an der subterminalen
Verdickung, der aber hier viel deutlicher ist als bei den Tentakeln.
Er überragt die Ventralborsten um etwa einviertel seiner Länge.
Die Ventraleirren sind kurz, sie erreichen nicht das Ende des
Parapodiums. Zunächst gehen sie nur allmählich spitz zu, dann
aber plötzlich verjüngen sie sich und endigen mit einem feinen
Faden, der etwa ein Viertel seiner ganzen Länge einnimmt. Der
Ventraleirrus des zweiten Segments ist länger als die übrigen
und zeigt außerdem noch eine schwache subterminale Verdickung.
Am Körperende befinden sich zwei Analcirren, die ebenso gebaut
und gefärbt sind wie die Dorsalcirren. |
Verbr.: Rotes Meer, Indischer Ozean, Mal Archipel,
Süd- und Südwestaustralien.
Lepidonotus (Thormora) socialis Khg.
Syn. 1856 Lepidonotus socialis Kinberg, Öfv. af Kongl.
Vetensk.-Ak. Förh. 1855 p. 383. — 1858 Kinberg, Freg. Eug.
Resa p. 10, tab. III, fig. 10. — 1865 Baird, Proc. Lin. Soc.
London Zool. VIII, p. 182. — 1865 (66) Polynoe sociahis Quatre-
fages, Hist. nat. t. I, p. 223. — 1875 Lepidonotus socialis Grube,
J. B. schles. Ges. 1875, p. 62.
Die Lateraltentakel sind ein wenig länger als der Kopflappen.
Die Tentakular- und Dorsaleirren sind unterhalb der pfriemen-
förmigen Spitze angeschwollen; die Palpen sind kräftig, gekielt,
gewimpert und zugespitzt; die Ventralborsten sind lang, unter-
halb der Spitze gesägt; 12 (?) Paar Elytren mit dünnen Fransen.
— Der Körper ist 7 mm breit, schmal, die 18 vorderen Segmente
13mm lang. Der Kopflappen ist konvex mit abgerundeten
Seiten. Die Palpen sind dick, gekielt, mit dünner Spitze und mit
langen in Längsreihen gestellten Wimpern. Die Basis des Median-
tentakels ist länger als jene der lateralen. Die Lateraltentakel
sind etwas unter der langen Spitze angeschwollen und glatt.
Die Tentakularcirren ähneln im Habitus den Lateraltentakeln,
sind aber länger und glatt. Die Ventraleirren des ersten Parapods
sind lang und von derselben Form. Der Dorsalast der Parapodien
bildet einen kleinen Tuberkel mit kurzen, ahgestumpften, dicken
und gesägten Borsten. Der Ventralast zeigt lange, unterhalb
der gekrümmten kurzen Spitze gesägte Borsten. Die Dorsal-
cirren sind dick, unterhalb der Spitze kaum angeschwollen.
Die Ventraleirren sind konisch, zugespitzt, glatt und erreichen
die Spitzen der Parapodien. Die Elytren zeigen am äußeren
Teil dünne Fransen. (Kinber;,)
Fundort: Pazifischer Ozean, Insel Eimeo.
In den Tafeln bildet Kinberg für diese Art noch eine
zweite Art von Borsten ab, außer den gewöhnlichen Dorsal-
und Ventralborsten und rechnet sie zu den letzteren. Im Text
11. Heft
92 Hans J. Seidler:
erwähnt er nichts davon. Diese Art sind Thormoraborsten,
werden also zum dorsalen Ast gehören. Ich stelle diese Art daher
zur Untergatttung Thormora.
Lepidonotus (Thormora) Johnstoni Kbg.
Syn.: 1856 Lepidonotus Johnstoni Kinberg, Öfv. af K.
Vet.-Ak. Förh. 1855 p. 384. — 1858 Freg. Eugenies Resa p. 12,
tab. IV, fig. 13. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool.
VIII, p. 182. — 1865 (66) Polynoe Johnstonn Quatrefages,
Hist. nat. t. I, p. 224. — 1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p.61.
Lateraltentakel länger als der Kopflappen; Ventralborsten
1 mm lang, kürzer als die dorsalen, unterhalb der Spitze scharf
gesägt, 12 Paar Elytren, am Rande glatt, am äußeren Teil in die
Höhe gebogen. — Der Kopflappen ist konvex, mit abgerundeten
Seiten. Der Mediantentakel ist ungefähr gleich der doppelten
Länge des Kopflappens, unterhalb der dünnen Spizte verdickt,
gefleckt. Die Lateraltentakel ähneln im Habitus dem medianen,
sind aber etwas kürzer. Die Palpen sind dick, länglich konisch,
unterhalb der kurzen Spitze ein wenig angeschwollen, ungefähr
von der Länge des Mediantentakels, glatt. Die Grundglieder
der Tentakulareirren sind länger als der Kopflappen, die (irren
selbst ähneln im Habitus den Tentakeln, sind aber viel kürzer
als dielateralen. Die Ventraleirren des ersten Parapodien ähneln im
Habitus den Tentakeln und erreichen die Länge der Lateral-
tentakel. Der Pharynx ist ausstülpbar und mit konischen £
Papillen besetzt, von denen die seitlichen sehr klein sind. Die
Maxillen sind an der Schneide mit einem kleinen Zahn versehen.
Die Dorsaläste der Parapodien enthalten kürzere gesägte Borsten,
die Ventraläste zeigen in 2 Bündeln geordnete, lange, unterhalb
der fast geraden Spitze verdiekte Borsten mit wenigen gesägten
Dornen. — Die Ventraleirren sind zylindrisch, mit dünner Spitze,
das Ende der Parapodien erreichend. Die Elytren sind groß,
eiförmig, glatt, am Rande nackt, mit äußeren erhobenem Rande,
mit kleinen Zellen neben dem Rande, deren mittlere größer sind,
und mit eckigen Pigmentkörperchen gefleckt sind. — Die Anal-
eirren sind lang, tentakelähnich. (Kinberg)
Verbr.: Pazifik (Küsten der Inseln bei Panama).
Kinberg bildet in den Tafeln für diese Art eine zweite
Art von Dorsalborsten ab, die für die Untergatttung Thkormora
charakteristisch sind. Ich stelle sie, trotzdem Kinberg diese
'Borsten in seinem Text nicht erwähnt hat, diese Spezies zu der
genannten Untergattung.
Lepidonotus (Thormora) taeniatus (Ehl).
Syn.: 1887 Polynoe taeniata Ehlers, Mem. Mus. of Comp.
Zool. vol. XV, p.5l, Taf. 10, Fig. 1—8. — 1900 Gastroceratella
taeniata Darboux, Bull. Sei. France et Belg. t. XXXIII, p. 105.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 93
Der Kopf ist klein, etwas breiter als lang und mit einer
deutlichen medianen Längsfurche versehen, die den hinteren
Rand des Kopflappens nicht erreicht. Die Basalglieder der
Tentakel sind etwa ®/, so lang wie der Kopflappen und am distalen
Ende mit Ausnahme des medianen, der auch etwas stärker ist
als die lateralen etwas verbreitert. Da die Tentakel bei meinem
Exemplar fehlen, gebe ich sie nach der Beschreibung Ehlers
wieder. Der Mediantentakel erreicht etwa die dreifache Länge
des Kopflappens, ist am Ende angeschwollen und endigt dann
plötzlich in einem dünnen Faden. Die Lateraltentakel ähneln
dem Mediantentakel, sind aber kürzer als dieser. Sie sind mit
nicht zahlreichen Wimpern versehen und braun gebändert.
Die Grundglieder der Lateraltentakel sind bei meinem Exemplar
braun, das des medianen farblos. An Augen bemerkt man 2 Paar,
von denen das vordere mächtig entwickelt ist und an den vorderen
seitlichen Rändern des Kopflappens liegt. Die Augen nehmen
fast !/, der ganzen Länge des seitlichen Kopfrandes ein. Das
hintere Paar ist viel kleiner und liegt ganz versteckt am hinteren
Rande des Kopfes. Die Palpen sind kräftig, länglich konisch
und mit Längsreihen von konischen Papillen versehen. An der
stumpfen Spitze befindet sich ein kurzer Endfaden. — Die
Tentakularcirren sitzen auf langen Grundgliedern, welche die der
Tentakel weit überragen. Die Cirren selbst ähneln den Tentakeln
in Form und Färbung. Am Grunde befindet sich ein roter Ring
und dann ein ebensolcher vor der Verdickungsstelle.e. — Der
Rücken des Tieres wird von den Elytren vollständig bedeckt.
Vom 5. Segment an befindet sich an der Dorsalseite in der Mitte
eines jeden Segments ein hellbrauner Fleck. Die Ventralseite
ist farblos. — Die Elytren sind rund bis schwach nierenförmig.
Von Fransen ist nichts zu bemerken. Der hintere Teil und auch
der äußere des Elytrons ist mit schwach gesäten, aber kräftigen,
dornenähnlichen Papillen besetzt, die besonders an der im äußeren
Teil gelegenen Anheftungsstelle eine starke Ausbildung erlangen.
Im vorderen, inneren und auch im äußeren Teil findet man kleine
runde Papillen, die viel dichter stehen als dieanderen. Die Färbung
der Elytren ist braun bis rotbraun, jedoch bleibt der vordere
Teil und meist auch ein Fleck im äußeren Teil farblos. Das Pigment
ist in Körnchenform in kleinen polygonalen Zellen enthalten. —
Die Parapodien sind deutlich zweiästig. Die ventralen Borsten
sind kräftig, kaum gebogen und die schwach nach vorn gebogene
Spitze einzähnig und ziemlich stumpf. Die Ornamentierung
ist ziemlich kurz; es finden sich nur etwa fünf Dornenreihen,
die sich außer der ersten distalen wenig unterscheiden. Die
Borsten des dorsalen Astes sind zweierleı Art. Die einen, die
stärkeren sind von Anfang bis fast zur Spitze hin mit feinen
Querreihen von Dornen besetzt, während die anderen lanzett-
förmig und glatt sind (Thormoraborsten). — Der Ventraleirrus
ist kurz und erreicht gerade die Spitze des Parapodiums ohne
11. Heft
94 Hans J. Seidler:
Borsten. Er ist länglich konisch und mit einem Endfaden ver-
sehen. Der Dorsaleirrus ist tentakelähnlich und überragt noch
das ventrale Borstenbündel.
Verbr.: Westindien.
Durch die Abbildung von Ehlers vom Kopf des Tiere
und auch durch die Beschreibung (juxta impar longius infra
marginem rectum lobi cephalici productis) wurde Darboux
irregeführt und stellte daraufhin die Gattung Gastroceratella
auf und stellte sie zu den Harmothoinae. Die Basalglieder der
Tentakel gehen jedoch direkt aus den vorderen seitlichen Rändern
des Kopflappens hervor.
Hermenia Gr.
Die Gattung besitzt ebenso wie Lepidonotus 27 Segmente
und 12 Elytrenpaare mit derselben Verteilung. Jedoch sind die
Elytren rudimentär geworden, sie sind weder imbrikat noch
dekussat und sind mit kräftigen braunen Tuberkeln besetzt.
Der Rücken des Tieres ist hart, widerstandsfähig und entweder
mit Tuberkeln besetzt oder stark runzlig. Der Dorsalast der
Parapodien ist rudimentär oder fehlt vollkommen. Der Ventral-
ast enthält Borsten, die keine Ornamentierung aufweisen, sondern
nur einen paarigen Zahn in der Nähe der Spitze (keine sekundäre
Spitze).
Hermenia acantholepis (Gr.)
Syn.: 1875 Polynoe acantholepis Gtube, J. B. schles. Ges.
1875, p.61. — 1878 Pol. (Lepidonotus) acantholepis Grube,
Annulata Semperiana p. 24, tab. II, fig. 1. — 1891 Lepidonotus
acantholepis Michaelsen, J. B. d. Hamb. Wiss. Anst. IX, IL,
p. 95. — 1917 Horst, „Siboga‘‘ Exp. Monogr. XXIV, 1, p. 67,
pl.15, figs.3, 4 — 1920 Ehlers, Abhandl. Kgl. Ges. Wiss.
Göttingen, N. F. X. No.7, Math. Nat. XI. p. 18.
Der Kopf dieser Art ist rundlich bis sechseckig, breiter
als lang. Eine mediane Längsfurche zieht sich vom vorderen
Kopfrand bis fast zur Mitte hin. Das Grundglied des Median-
tentakels ist kräftig, fast zylindrisch und erreicht etwa !/, der
Länge des Kopflappens (bei einem anderen Exemplar ist das
Grundglied dreiviertel so lang wie der Kopf, ein Zeichen der
Kontraktilität). Der Tentakel ist etwa dreimal so lang wie der
Kopf, schlank, mit keulenförmig verdicktem Ende, an das sich
ein Endfaden anschließt. Die Grundglieder der Lateraltentakel
sind kürzer und schwächer als das des medianen. Alle Basal-
glieder sind anihrem distalen Ende etwas verbreitert. Die Tentakel
ähneln im Habitus dem Mediantentakel, sind aber bedeutend
kürzer als dieser, etwa doppelt so lang wie der Kopf. Die Palpen
sind kräftig, länglich konisch und überragen noch die Tentakel.
Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei Paar Augen, von denen
das vordere in der queren Mittellinie an der Stelle der größten
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 95
Breite liegt, während das andere zwischen diesem und dem hinteren
Rande liegt. — Die Grundglieder der Tentakularcirren über-
ragen noch die der Tentakel. Die Cirren verhalten sich im Habitus
wie die Tentakel. — Der Körper wird von den Elytren nicht
vollständig bedeckt. Deshalb ist der Rücken äußerst widerstands-
fähig gebaut und mit zahlreichen Querrunzeln versehen. —
Ein charakteristisches Aussehen geben dem Tiere die Elytren.
Nur das erste Paar ist dekussat und die ersten drei Paare imbrikat.
Die übrigen sind so klein, daß sie zwischen sich immer einen
Raum übrig lassen. Das erste Elytrenpaar ist rundlich. Am
Rande ist es ringsherum mit großen rundlichen bis eiförmigen
Papillen versehen, die in verschiedener Zahl auftreten können.
Auf den Elytren selbst bemerkt man ebenfalls große runde Tu-
berkel, daneben aber noch kleinere. Das zweite und dritte
Elytron besitzt nur am hinteren und seitlichen Rande die großen
Randpapillen, die großen Tuberkel nur in ihrem hinteren Teil,
während der vordere Rand eingebuchtet ist und nur mit kleinen
Tuberkeln versehen ist, da an dieser Stelle die Elytren von den
vorhergehenden bedeckt werden. Die nächsten Elytren ähneln
dem ersten. Das letzte Paar berührt sich wieder in der Median-
linie. — Die Parapodien sind zweiästig. Im Ventralast finden
sich die in der Gattungsdiagnose beschriebenen Borsten, solche,
die nur außer der Spitze einen paarigen Zinken besitzen, ohne
jegliche andere Ornamentierung. Michaelsen beschreibt von
einem Exemplar die Ventralborsten als dreizinkig. Im Dorsal-
ast findet man wenige, schwache, fein quergestreifte Borsten.
— Der Dorsaleirrus, der auf einem kurzen Grundgliede ruht,
ist tentakelähnlich. Der Ventraleirrus ist kurz und länglich
“ konisch. on
Verbreitung: Madagaskar, Indischer Ozean, Mal.
Arebruel:,
Hermenia verruculosa Gr.
Syn.: 1857 Hermenia verruculosa Grube, Vidensk. Meddel.
nat. Foren. Kjöbenhaven for 1856 p. 44. — 1865 (66) Herm.
verrucosa Quatrefages, Hist. nat. p. 288. — 1865 Herm. verru-
culosa Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 200. —
1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1875, p. 61.
Diese Art zeichnet sich hauptsächlich durch die winzig
kleinen Elytren aus. Ihre Struktur stimmt so mit der des Rückens
überein, daß man sie erst bei genauerem Zusehen bemerkt. —
Der Kopf, der von dem zweiten Segment fast vollkommen bedeckt
wird, ist etwa so breit wie lang. Das Grundglied des Median-
tentakels ist kräftig, fast zylindrisch und etwa einhalb so lang
wie der Kopf. Der Tentakel selbst ist etwa 3—4mal so lang
wie der Kopflappen, schlank und zeigt eine schwache subterminale
Verdickung, an die sich ein Endfaden anschließt. Die Färbung
11. Heft
96 Hans J. Seidler:
ist rötlich, jedoch zeigt der Tentakel in der Mitte und in der
Nähe der Verdickung einen weißen Ring. Die Basalglieder der
Lateraltentakel sind kürzer und dünner als das des medianen
und zeigen eine konische Gestalt. Die Tentakel selbst sind halb
so lang wie der Mediantentakel. Die Färbung ist die gleiche.
Oft jedoch bemerkt man bei anderen Exemplaren das umgekehrte
Verhältnis von weiß und rot. Die Basalglieder sind rot. Die
Palpen sind länger als die Lateraltentakel jedoch kürzer als der
mediane, länglich konisch, kräftig, rötlich und am Ende plötzlich
zugespitzt. Auf dem Kopf sind 2 Paar deutliche schwarze Augen
zu bemerken, von denen das erste vor der Mitte, das andere
am hinteren Rande liegt. — Die Tentakularcirren sind den Ten-
takeln im Habitus und der Färbung ähnlich. Die Grundglieder
sind lang und überragen die der Tentakel. — Von den Elytren
wird nur der Kopflappen, von dem ersten Paar, das wesentlich
größer als die anderen ist, vollkommen bedeckt.. Der ganze
Rücken ist mit winzigen Tuberkeln besetzt, die von äußerst fester
Beschaffenheit sind und so dem Körper genügend Schutz erteilen.
Die Färbung des Tieres ist weiß und braun, und zwar sind die
ersten 5 Segmente weiß, nur an den Seiten findet man auf jedem
Segment vom dritten ab einen braunen Fleck, und dann ab-
wechselnd braune und weiße Querbinden, die in der dorsalen
Medianlinie ihre größte Länge erfahren und zwar so, daß ein
Segment in der Mitte vollkommen braun ist, das Pigment aber
noch auf das nächste übergreift, während es auf den seitlichen
Partieen des Segments nicht so stark verteilt ist, also heller
erscheint und nur auf dem einen Segment zu finden ist. Auf
diesen Segmenten findet man außerdem noch einen dunklen
Fleck in den seitlichen Partien, die Elytren. An der Ventral-
seite ist der Körper farblos. — Die Elytren sind rundlich und mit
kräftigen rundlichen Tuberkeln besetzt, die denen des Körpers
gleichen. Nach der Mitte des Elytrons zu werden die Tuberkel
kleiner. Der Rand ist dicht besetzt mit länglichen Papillen,
die eine kleine Insertionsstelle besitzen und dann nach außen zu
stärker werden. — In den Parapodien fehlen die Dorsalborsten.
Die Ventralborsten sind kräftig, vor der Spitze nach rückwärts,
diese selbst aber nach vorn gebogen. An der ersten Biegung
findet sich an der Vorderseite ein kräftiger Zahn. Jede andere
ÖOrnamentierung fehlt. Man müßte eine paarige Ausbildung des
Zahns erwarten. Dies ist hier jedoch nur insofern der Fall, als der
zweite Zahn nur sehr unvollkommen ausgebildet und als einfacher
Höcker vorhanden ist. — Die Dorsaleirren gleichen den Tentakeln,
sie sind dünn und gehen gleichmäßig der Spitze zu, ohne eine
merkliche Anschwellung zu zeigen. Die Ventraleirren sind kurz
und länglich konisch.
Fundort: St. Jan, Barbados, St. Thomas (West-
indien).
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 97
Chaetacanthus n. g.
Diese Gattung gleicht der Gattung Lepidonotus in der
Segment- und Elytrenzahl und der Verteilung der letzteren.
Jedoch finden sich an den Elytrophoren und den an den cirren-
tragenden Segmenten entsprechenden Stellen und an den In-
sertionsstellen der Parapodien Hautausstülpungen, die ich als
Branchialfortsätze deute.e Die Ventralborsten sind gezähnt
und die Dorsalborsten ähneln denen der Gattung Iphione. Die
Elytrophoren sind rundlich. Die Elytren bedecken den Körper
vollkommen.
Chaetacanthus magnificus (Gr.)
Syn.: 1875 Iphione magnifica Grube, J. B. schles. Ges.
1875, p. 51. — 1902 Polynoe branchiata Treadwell, Bull. U. S.
Fis. Com. XX, pt. II, p. 185. — 1910 Lepsdonotus (Physalidonotus)
barbatus Augener, Zool. Anz. Bd. XXXIV, p. 244. — 1921
Physalidonotus magnificus Seidler, Ber. der Ges. natur-
forschender Freunde Berlin 1921.
Der Kopflappen ist etwa 1/, so breit als lang. Die Grund-
glieder der Lateraltentakel sind so lang wie der Kopflappen
und die Tentakel viermal so lang wie dieser. Die Palpen sind
äußerst diek und glatt und erreichen dieselbe Länge wie die
Lateraltentakel. Diese sind schwarz, von der Insertionsstelle
mit dem Basalglied bis zur Hälfte ihrer ganzen Länge, und
besitzen außerdem kurz vor der Anschwellung noch einen
schwarzen Ring. — Die Tentakulareirren erreichen
die Länge der Lateraltentakel; sie sind schlank, mit
einem schwarzen Ring versehen und besitzen eine
ziemlich starke kugelrunde subterminale Anschwellung.
— Die Elytren bedecken den Körper vollständig und
sitzen äußerst fest, sodaß man sie schwer von den
rundlichen Elytrophoren ablösen kann. Auch die
Elytren sind äußerst widerstandsfähig und geben dem
Körper einen vorzüglichen Schutz. Dem Beobachter
fällt bei den Elytren die lange Fransung auf, die sich
an allen Seiten außer dem Innenrande befinden. In
der Mitte, die Insertionsstelle andeutend, findet sich
ein dreieckiges Feld, daß aus hellbraunen glänzenden Fig. 14.
polygonalen Platten zusammengesetzt ist, die an-
scheinend aus demselben Stoff bestehen, wie die Borsten und
Kiefer, und der chitiniger Natur zu sein scheint. Außerdem
finden sich auf den Elytren verschiedene "Arten Papillen, von
denen einige kugelförmige die anderen mehr kegelförmige Gestalt
haben. — Die Parapodien werden von zwei starken Borsten-
bündeln gebildet. Die Dorsalborsten sind auf beiden Seiten
mit sägeblattähnlichen Bildungen versehen und besitzen eine
glatte Endspitze (Fig.14). Die Bildung der Vielecke auf den Elytren
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A.1l,
7 11. Heft
98 Hans J. Seidler:
ist wohl eine Sekundärbildung und hat mit der Felderung der
Elytren von Iphione nichts gemein.
Augener gibt die Länge seines Tieres mit 35mm an. Es
wird wohl im Leben diese Länge kaum gehabt haben, da es sich
in einem sehr aufgeweichten Zustande befindet. Das andere
Exemplar ist vorzüglich erhalten, nur fehlt der Mediantentakel,
einschließlich Basalglied, was Grube neben der Zeichnung der
Elytren dazu bewog, das Tier der Gattung Iphione zuzuteilen.
Auch tritt noch dazu, daß die Dorsalborsten ähnlich denen von
Iphione sind. Die Länge der Typen ist 30 mm, die Breite mit
Parapodien und Borsten 16 mm, ohne diese 8 mm am 15. Segment.
Fundort: Trinidad (Westindien).
Bestimmungstabelle der Euphione-Arten.
Indik.
1. Elytren mit kräftigen chitinösen Auflagerungen
elisabethae M’Int. (Südafrika)
1‘ Elytren ohne diese suluensis (Horst) (Mal. Archipel)
Paoifik.
1. Mit Pseudoelytren lobulatus (Seidl.) (Callao)
1’ Ohne diese.
2. Ventralborsten mit einem unterhalb der ÖOrnamentierung
befindlichen Knick paucibranchiata (Benh.)
2' Ventralborsten ohne diesen.
3. Außenrand der Elytren wird von den großen Tuberkeln
nicht überragt thomsoni (Benh.) (Neuseeland)
3° Außenrand überragt von Tuberkeln.
4. Die Fransen überragen die Tuberkel laevis (Benh.) (Vietoria)
4' Die Fransen überragen die Tuberkel nicht.
5. Hinterrand mit großen Tuberkeln besetzt.
6. Außenrand nur mit wenigen großen Tuberkeln
turrita (Benh.) (Baßstr.)
6° Außenrand mit vielen großen Tuberkeln
chitoniformis (Moore) (Südjapan)
5° Hinterrand nur mit kleinen Tuberkeln besetzt.
7. Am Innenrande der Anheftungsstelle stehen mehrere
große Tuberkel rugosa (Benh.) (Baßstr.)
7' Ohne diese Tuberkel squamosus (Qfg.) (Neuseeland)
Euphione.
Diese Gattung ähnelt in seiner Segment- und Elytren-
zahl und der Stellung der Elytren der Gattung Lepidonotus.
Unterschieden von dieser ist sie durch die Dorsal- und Ventral-
borsten, den Elytren und den Elytrophoren. Die Form des
Körpers ist eirund, relativ sehr breit. Von den Elytren wird der
Körper vollständig bedeckt. Die Elytren sind rund bis nieren-
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 99
förmig. Anihren Rändern sind sie lang gefranst und mit vielen
kräftigen oft sonderbare Formen annehmende Tuberkeln besetzt.
Die Anheftungsstelle der Elytren ist breit, und ebenso sind die
Elytrophoren stark in die Breite gezogen. An den eirrentragenden
Segmenten befindet sich eine Hautausstülpung, die den Elytro-
phoren sehr ähnlich ist (‚„flattend parapodıal ridge“ [Thomson],
„Paraelytrophoren“ [Seidler]). An diesen und den Elytro-
phoren setzen sich die Branchialfortsätze an. Die Dorsalborsten
sind sehr fein und äußerst zahlreich. Die Ventralborsten sind
sehr kräftig, an der Spitze stark gebogen und anstatt mit Zähnchen
mit sehr feinen langen Härchen besetzt. Auf dem Rücken finden
sich in der Längsmedianlinie Tuberkel, die sich in der vorderen
Region meist in zwei teilen, die auseinander gehen, in der Mitte
des Körpers aber wieder verschmelzen.
Euphione lobulata (Seidler).
Syn.: 1921 Physalidonotus lobulatus ;Seidler, Berichte d.
Ges. Nat. forsch. Freunde, Berlin 1921.
Das Tier stammt aus der Sammlung Plate, die von Ehlers
bearbeitet wurde. Es ist allerdings nur der vordere Teil des Tieres
vorhanden, sodaß es mir unmöglich ist, anzugeben, wie der hintere
Teil inbezug auf Borsten, Elytren, Branchialfortsätzen usw.
aussieht,
Der Kopf des Tieres ist fast quadratisch, an den seitlichen
Rändern nur wenig gebogen, und die Oberfläche ist sehr wenig
gewölbt. Eine mediane Längsfurche auf dem Kopf, die bei ver-
schiedenen Polynoiden sehr gut ausgebildet ist, findet man hier
nur angedeutet. Das Grundglied des Mediantentakels ist kräftig,
fast zylindrisch und erreicht etwa !/, der Länge des Kopflappens.
Es ist ziemlich stark quergefaltet, sodaß daraus zu schließen ist,
daß dieses sich eventuell noch mehr ausdehnen könnte. Der
Mediantentakel selbst ist sehr schlank; er ist am Grunde gleich
dünner als das Basalglied, geht dann langsam spitz zu, verdickt
sich dann und endigt in einem Endfaden. Die Verdickung ist
hier jedoch keine kugelförmige, sondern hat mehr die Gestalt
eines Ellipsoids. Die Grundglieder der Lateraltentakel sind kürzer
und schwächer als das des medianen. Die Tentakel selbst sind
nur etwa zweimal so lang wie der Kopflappen, gleichen aber
im Habitus dem Mediantentakel. Im Gegensatz zu diesem, der
vollkommen farblos ist, zeigen die Lateraltentakel vor der sub-
terminalen Verdieckung einen dunkelbraunen Ring. Die Palpen,
die den Mediantentakel noch um ein beträchtliches Stück über-
ragen, gehen ohne Anschwellung allmählich der Spitze zu. Auf
den Palpen bemerkt man mehrere sich fast bis zur Spitze hin-
ziehende Längslinien von kleinen fadenförmigen Papillen. An
der oberen Seite sind die Palpen etwas dunkler als die vollkommen
farblose Unterseite und mit einem braunen Streifen versehen.
7* 11. Heft
100 Hans J. Seidler:
Auf dem Kopflappen befinden sich zwei Paar Augen, die jeder-
seits dieht aneinander am Außenrand etwa in der queren Mittel-
linie liegen. Das vordere Paar ist etwas größer als das hintere.
— Die Tentakulareirren ähneln im Habitus den Tentakeln sehr.
Für diese Gattung ist es ja charakteristisch, daß das erste Para-
podium Borstenträgt. Es sind feine, lange Borsten, die vollkommen
glatt sind und etwa die Form einer Nadel haben, das heißt sie
sind zunächst zylindrisch, erst kurz vor der Spitze endigen sie
sehr scharf. — Die Elytren bedecken den Körper vollkommen
und liegen diesem sehr fest auf. Die Elytrophoren sind sehr
breit und kurz, ähnlich denen von E. squamosa und E. Elsa-
bethuae. Das erste Elytron ist kurz, eiförmig, an der vorderen
äußeren Seite abgerundet, an der entgegengesetzten spitz zulaufend.
Ringsum ist das Elytron mit langen Fransen besetzt, die überall
die gleiche Länge besitzen. Außerdem ist das Elytron, das eine
weißliche Färbung besitzt, mit gelben Papillen, die sich besonders
stark in der Mitte, weniger an den Rändern finden und sehr
spärlich zwischen diesen beiden Regionen zerstreut sind besetzt.
Es sind Papillen, die länglich, an den beiden Enden verdickt
sind, so also eine hantelförmige Gestalt aufweisen. Das eine
Ende, mit dem die Papillen befestigt sind, ist zu einer Scheibe
geworden, während das andere eine kugelförmige Gestalt hat,
das längliche Papillen aufweist, die nach allen Richtungen hin-
zeigen. Sie sehen denen von E. squamosa ähnlich, doch sind
die von E. lobulata schlanker und viel kleiner und deshalb auch
in viel größerer Anzahl vorhanden. Im Innern befindet sich
ein Hohlraum (?), der ungefähr dieselbe Gestalt hat, wie die
Papille selbst. Diese Papillen setzen sich sogar an den Rand
an und wirken so als Randpapillen. Die anderen Elytren sind
nierenförmig, jedoch ist der innere Teil schmäler als der äußere.
Außer am Innenrand ist das Elytron mit Fransen besetzt, die
sehr fein und lang sind. Die Anheftungsstelle liegt im vorderen
äußeren Teil. Von vorderen äußeren Rand zieht sich über die
Anheftungsstelle nach dem inneren ‚hinteren ein Band von läng-
lichen Papillen hin, die einfach zylindrisch und oben abgerundet
sind. Ihre obere Hälfte ist mit kleinen kugeligen Papillen besetzt.
Der äußere Teil des Elytrons zeigt ebenfalls solche Papillen,
die aber viel kleiner sind; sonst ist das Elytron und zwar innerhalb
des Papillenbandes mit kleinen rundlichen Papillen besetzt,
von denen aber der Innenrand frei bleibt. — Das erste Parapod
‚zeigt von Ventralborsten nur einige wenige, die einfach der Spitze
zugehen und nur Andeutungen von Dornen zeigen. Die Dorsal-
borsten sind äußerst fein und weisen feine Zähnchen auf, die
etwa die Länge des Durchmessers der Borsten an der betreffenden
Stelle besitzt. — Die Ventralborsten der übrigen Parapodien
sind zunächst zylindrisch und gehen dann allmählich der Spitze
zu, wobei dieser Teil etwas nach rückwärts gebogen ist. Diese
Borsten zeigen nicht die geringste Spur von ÖOrnamentierung.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 101
Aus Analogie mit den anderen Arten der Untergattung Euphione
schließe ich, daß diese Art, trotzdem die Ventralborsten ohne
jede Ornamentierung sind, dech dieser Untergattung gehört.
Die feinen Härchen, die ein Charakteristikum dieser bilden, sind
hier abgerieben worden, wie es ja auch schon bei verschiedenen
andern Arten der Fall war. Die Dorsalborsten sind äußerst
fein und ähneln denen des ersten Parapods sehr, jedoch sind die
Zähnchen hier deutlicher und länger. — Der Ventraleirrus des
ersten Parapods erreicht nicht ganz das dorsale Borstenbündel.
Es sitzt auf einem kurzen zylindrischen Grundglied und ähnelt
im Habitus den Tentakulareirren. Die Ventraleirren der übrigen
“Parapodien sind länglich konisch und mit einem kurzen Endfaden
versehen. Die Dorsaleirren ähneln dem Ventraleirrus des ersten
Parapods, sind aber länger und überragen noch das ventrale
Borstenbündel. — In der Medianebene des Rückens finden sich
Erhöhungen, die auf den verschiedenen Segmenten eine ver-
schiedene Form annehmen. Auf dem zweiten Segment findet
sich nur ein einfacher Höcker, der oben spitz zuläuft. Das dritte
Segment zeigt einen solchen, bei dem die Spitze gespalten ist.
Vom vierten Segment an befinden sich auf jedem Segment zwei
hintereinander liegende Papillen. Bei dem nächsten zeigen die
beiden Papillen in der Mitte eine breite Vertiefung, jedoch hängen
sie in der Mitte noch zusammen. Beim sechsten Segment finden
wir nur einfache Erhebungen, die nur die Andeutung eines Ein-
schnittes tragen. Beim siebenten Segment sind die Papillen
stark in die Breite gezogen und die vordere umgibt etwas die
hintere des vorhergehenden Segmentes. Die Papillen des achten
Segments sind sehr schmal, während die des neunten wieder
breiter sind. Leider sind bloß diese neun Segmente erhalten,
sodaß ich über den Verlauf der Papillen an den anderen Segmenten
nichts sagen kann. Jedoch glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn
ich behaupte, daß an den elytrentragenden Segmenten die Papillen
breiter und an den cirrentragenden schmäler sind. Es ist dies
eine ähnliche Bildung wie die auf dem Rücken von E. squamosa,
nur daß bei dieser Art die Papillen an den vorderen Segmenten
nicht, wie es bei E. sgquamosa der Fall ist, weit auseinander gehen,
sondern auf die Medianlinie des Rückens beschränkt "bleiben.
Daß an den cirrentragenden Segmenten die Papillen schmäler
sind, kommt von eigenartigen Bildungen her, die sich nur auf
diesen Segmenten befinden. Es sind blattartige Ausstülpungen,
die vom Ursprung der Parapodien ihren Ausgang nehmen, wo
sie mit einer relativ breiten Basis befestigt sind. Sie werden
nach innen zu immer breiter und legen sich seitlich an die Elytro-
phoren und innen an den vorher erwähnten Papillen an. Sie
sind platt, auf der Oberseite glatt und auf der Unterseite, ent-
sprechend der Oberseite des Rückens quer geriffelt. Man bemerkt
jedoch im Innern dieses Blattes eine feine Struktur, die ähnlich
der Nervatur eines Laubblattes aussieht, jedoch etwas gröber ist.
11. Heft
102 Hans J. Seidler:
Diese Pseudoelytren befinden sich nur an den cirrentragenden
Segmenten. An den Elytrophoren und den entsprechenden
Körperstellen der eirrentragenden Segmenten finden sich Branchial-
fortsätze, wie sie der Gattung Euphione eigen sind. Jedoch
möchte ich erwähnen, daß sie nicht die Länge der von E. sguamosa
erreichen, sondern kürzer sind und außerdem daß diese Fortsätze
sich weniger an den äußeren Teilen der Elytrophoren finden,
sondern mehr in der dorsalen Medianlinie, an den obenerwähnten
Höckern.
Fundort: Callao.
Euphione squamosa (Qfg.)
Syn.: 1865/66 Aphrodita squamosa Quatrefages, Hist.
nat. p. 201. — 1879 Lepidonotus giganteus Kirk, Trans. New.
Zeal. Inst. XI, p. 399. — 1879 Polynoe squamosus Hutton,
Trans. New. Zeal. Inst. XI, p. 318. — 1900 Lepidonotus giganteus
Benham and Thomson, Proc. Zool. Soc. London 1900 p. 974.
pl. LX/LXII. — 1904 Physalidonotus squamosus Ehlers, Abh.
Ges. Wiss. Göttingen, N. F. III, P. 10. — 1909 Benham, Rec.
Canterbury Mus. I, p. 72. — 1921 Seidler, Ber. nat.forsch. Ges.
Berlin 1921.
Der Kopf des Tieres ist breiter als lang. Der Mediantentakel
ist länger als die beiden anderen und etwa 2—21/,mal so lang
als der Kopf. Die Grundglieder der Tentakel sind kräftig und
etwa 1/,—®/,mal so lang wie der Kopflappen. Der mediane ist
etwas länger und kräftiger als die lateralen. Die Palpen sind
kräftig und länglich konisch. Die Tentakulareirren sitzen auf
langen Grundgliedern, die außer dem Aciculum einige nadel-
förmige Borsten tragen, die keine Ornamentierung aufweisen. —
Der Körper ist etwa !/, so breit wie lang, und zeigt so eine eiförmige
Gestalt. Die Elytren bedecken sich gegenseitig vollkommen
und sind sehr fest, lederartig und mit starken Tuberkeln besetzt.
Die Elytrophoren sind stark ın die Breite gezogen. In der dorsalen
Medianlinie befinden sich Höcker und zwar auf dem 2. Segment
einer, auf dem 3. zwei hintereinander liegende und auf dem 4.
sind sie paarig und zwar zwei Paar. Vom zwölften Segment
an werden diese wieder unpaarig bis zum 19. Segment, wo sie
allmählich verschwinden. Die Branchialfortsätze sind in ziemlich
großer Anzahl vorhanden. — Der Dorsalast ist sehr stark ent-
wickelt und zeigt Borsten, die denen von I/phione ähneln. Sie
sind fein und jederseits mit großen blattartigen Zähnen besetzt,
die ganz dieht stehen. Die Ventralborsten sind schwach gebogen
und an dem oberen Teil, außer der Spitze mit kurzen Stümpfen
von Härchen versehen, die von Euphione bekannt sind.
Fundort: Neuseeland.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 103
Euphione turrita (Benh.)
Syn.: 1916 Physalidonotus turritus Benham, Biol. Rest.
Fish. Exp. ‚„Endeavour“ vol. III, pt. IV, p. 195, pl. XXXIX,
figs. 33/35.
Der Kopf ist breiter als lang, in der Mitte am breitesten,
wo das vordere Augenpaar liegt, während das andere dicht hinter
diesem gelegen ist. Die Tentakel sind einförmig braun, von
denen der Mediane mehr als zweimal so lang als die lateralen
ist. — Die charakteristischen Randpapillen sind für die Größe
des Wurmes relativ groß; sie sind kürzer und breiter als bei
einer der vorhergehenden Arten. Man findet eine Reihe von
3—4 großen zylindrischen Papillen über der Anheftungsstelle;
jede entspringt von einer deutlich sternförmigen Basis und endigt
in einer Krone von runden Lappen. Der Durchmesser dieser
Papillen ist geringer als die Hälfte der Höhe. Längs des hinteren
Randes findet sich eine Reihe sehr unregelmäßiger dorniger
Papillen und am Außenrande ein wenig größere, von denen einige
gegen den vorderen Rand fast zylindrisch sind, andere gegen den
hinteren Rand abgestumpft konisch sind, mit einer sehr schmalen
Anheftung und einer terminalen Erweiterung. Alle diese tragen
stumpfe Dornen. Der größte Teil des Elytrons ist mit dicht
gedrängten sternförmigen Tuberkeln besetzt, die in der vorderen
Region klein, an der Anheftungsstelle größer und am hinteren
Rande noch größer sind, wo sie auch von mehr unregelmäßiger
Größe und Gestalt sind. In der Färbung variieren sie, einige
sind beinahe schwarz. Im bedeckten Teile sind die Tuberkel
alle sehr rund und klein. Der Rand ist mit relativ langen Fransen
besetzt, die am äußeren Rand länger als am inneren sind. — In
der vorderen Region der Parapodien findet man zwei Kiemen
dicht aneinander und eine kurze am Elytrophor und Para-
elytrophor. Am hinteren Rand findet man einen Fortsatz, der
lang ist und vom Elytrophor oder Paraelytrophor ausgeht. Aber
an den cirrentragenden Segmenten findet man noch einen dicht
am Cirrophor. (Benham)
Fundort: Babelinsel, Baß-Straße.
Euphione thomsoni (Benh.).
Syn.: 1916 Physalidonotus thomsoni Benham, Trans. N.
Zeal. Inst. 1915 vol. XLVIII, p. 387, figs. 1—5.
Der Kopf ist ungefähr so breit wie lang, beide Augenpaare
liegen auf dem hinteren Teil des Kopfes, jedoch ist nur das hintere
von oben zusehen. Der Mediantentakel ist etwa 3 mal, dielateralen
21/,mal so lang wie der Kopf. — Die Elytren sind fast weiß, mit
hellbraunen sternförmigen Tuberkeln mit 8—10 Strahlen, die
Spitzen sind flach oder sehwach konvex. Die Tuberkel sind
spärlich über die Oberfläche verstreut. Zahlreicher und größer
sınd sie in der Nähe der Anheftung und eine Reihe von kleinen
11 Heft
“
104 Hans J. Seidler:
befindet sich an dem äußeren und hinteren Rand; zwischen
diesen beiden Reihen finden sich einige, die in der Größe zwischen
diesen Tuberkeln stehen. Die Stelle, die mit bloßem Auge glatt
erscheint, ist mit runden Tuberkeln bedeckt, die an ihrer Basis
schmal sind und in zwei oder drei Spitzen endigen. Außerdem
finden sich noch kleine runde glatte Papillen. Der hintere, äußere
und äußere Vorderrand ist mit Fransen besetzt. — Kiemen
finden sich nur wenig. An den cirrentragenden Segmenten
finden sich vorn eine, an der hinteren Seite zwei, an den elytren-
tragenden Segmenten zwei, bezw. drei Fortsätze. — Die Ventral-
borsten ähneln denen von E. paucibranchiata, jedoch sind die
Haare, ähnlich wie bei E. squamosa abgebrochen. .
Fundort: Otago Harb. (Neuseeland).
Diese Art unterscheidet sich von E. squamosa durch die
Form der Tuberkel, die in jener Spezies lang und fast cylindrisch
und nur in der äußeren Region besonders zahlreich sind.
Euphione laevis (Benh.).
Syn.: 1916 Physalidonotus laevis Benham, Biol. Res.
ofthe Fish. Exp. „Endeavour“ Vol.IIl, pt.4, p.193, pl. XXXVIII,
figs. 26/32.
Der Kopf ist so breit wie lang, am breitesten am hinteren
Rande. Die beiden Augenpaare sind noch weiter nach hinten
gelegen, als bei E. rugosa, liegen dieht aneinander, das vordere
höher als das hintere. Sie sind oval, und zwar ist die vertikale
Axe die längere und sie sind am besten von der Seite zu sehen.
Von den Tentakeln ist nur ein lateraler erhalten, der rotbraun
und an der Anschwellung weiß, während das Basalglied dunkel-
braun ist. — Die Elytren sind hellbraun und scheinen mit bloßem
Auge relativ glatt zu sein. Jedoch ist die freie Oberfläche mit
kleinen farblosen sternförmigen Tuberkeln bedeckt, die im
vorderen Teil ganz klein sind; sie vergrößern sich nach der An-
heftungsstelle und dem hinteren Rande zu, jedoch erreichen sie
nicht die Größe von E. squamosa und E. rugosa. Sogar die des
äußeren Randes sind klein. Am oberen Rand der Anheftungs-
stelle sind die Tuberkel etwas größer und schmäler als in der
hinteren Region. Die Randpapillen ähneln denen von E. rugosa;
sie sind cylindrisch mit ein paar langen Dornen am freien Ende;
der größte Dorn ist gewöhnlich eine Fortsetzung der Papillenaxe,
aber am hinteren Rand haben viele Papillen 5 nahezu gleiche
horizontalstehende Dornen, von denen einer größer als die übrigen
ist. — Im vorderen Teil des Parapods finden sich 3—4 Kiemen
in einer Linie, von denen die proximale am Elytrophor und
Paraelytrophor, die anderen am dorsalen Bündel liegen. An den
eirrentragenden Segmenten kann sich noch weiter unten ein
Fortsatz befinden. Am hinteren Rande finden sich 4—5 Fort-
sätze, von denen der eine, der distal gelegene, länger als die
8
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I, 105
übrigen ist und an den eirrentragenden Segmenten eine keulen-
förmige Gestalt annimmt, Noch weiter unten befindet sich eine
Reihe von kleinen Fortsätzen, von denen an den cirrentragenden
Segmenten zwei, an den elytrentragenden drei vorkommen.
(Benham)
Fundort: Cape Everard (Vietoria), Gabo Island
(Victoria).
Euphione paueibranchiata (Benh.).
Syn.: 1916 Physalidonotus paucibranchiatus Benham, Biol.
Res. of fish. Exp. ‚‚Endeavour“ Vol. III, pt. 4, p. 196, pl. XXXIX,
figs. 36 38, pl. XL, figs. 39 42.
Der Kopf ist so breit wie lang, vielleicht etwas breiter. Die
Tentakel sind abgebrochen. Die Augen liegen an jeder Seite
dicht aneinander, jedoch so, daß das hintere Paar von oben
gesehen werden kann, während das kleine vordere nur von der
Seite sichtbar ist. Die Augen liegen auf dem hinteren Teil des
Kopflappens. — Die Elytren sind weißlich mit einem rötlichen
Schatten auf den hinteren Elytren. Auf dem vorderen Teil sind
die Tuberkel klein und dunkel, manche fast schwarz, sternförmig
und sehr spärlich, wie überhaupt auf dem Elytron. Es sind hier
keine speziellen Papillen der Anheftungsstelle vorhanden, aber
gerade hinter dieser findet sich eine Reihe von größeren, viel-
strahligen Papillen, von denen die meisten dunkelgrün bis schwarz
sind und sich deutlich von dem hellen Untergrund abheben.
Diese großen Papillen finden sich in einer Linie, die in der Längs-
richtung des Elytrons verläuft und fast vom inneren bis zum
äußeren Rande reicht. In der hinteren Region finden sich nur
sehr wenige sternförmige Papillen, die viel kleiner sind als die
vorher erwähnten; aber dicht am hinteren Rand bemerkt man
eine Reihe von Papillen, die halb so groß sind, wie die hinter
der Anheftungsstelle. An der Anheftungsstelle befinden sich
kleine schwarze Dornen. Die Lateralregion, besonders der vordere
Rand zeigt sehr wenige Tuberkel, aber er ist spärlich bedeckt
mit langen Fransen, ähnlich den Randfransen, jedoch länger;
einige kurze finden sich auch im äußeren Teil des hinteren Randes.
Die Papillen sind kürzer als die von E. turrita, sogar die längsten
sind kurze, niedrige cylindrische Säulen, von verschiedener
Dicke, die in eine fast flache Spitze endigen, die breiter als die
Basis ist und deren Rand in eine verschiedene Anzahl von Strahlen
ausgezogenist. — Die Branchialfortsätze sind schwächer entwickelt
als die der anderen Arten. An der vorderen Seite findet man
zwei, an der hinteren nur an den cirrentragenden Segmenten,
am Paraelytrophor, einen einzigen Fortsatz., — Die Ventral-
borsten zeigen unterhalb der gefransten Region eine Ein-
schnürung. (Diese ist jedoch nicht so stark, wie sie die Figur
zeigt.) (Benham)
Fundort: Gabo-Isl., Victoria.
11. Heft
106 Hans J. Seidler:
Euphione rugosa (Benh.).
Syn.: 1916 Physalidonotus rugosus Benham, Biol. Res.
of Fish. Exp. „Endeavour“ Vol. III, pt. 4, p. 189, pl. XXXVIII,
figs. 16—22, pl. XXXIX, figs..23—25. — 1921 Benham,
Australasian Antartic Exp. vol. VI, pt. 3, p. 35.
Der Kopf ist etwa so breit, wie lang. Die breiteste Stelle
liegt etwas hinter der Mitte. Die Augenpaare liegen auf dem
‚hinteren Teil des Kopfes. An den Tentakeln bemerkt man am
Grunde und an der subterminalen Anschwellung je einen braunen
Ring. Der Mediantentakel ist etwa 21/,, die lateralen etwa 11/,mal
so lang als der Kopf. Auf den Palpen befinden sich 7 Reihen
von Cilien. — Das erste Elytron ist fast rund und trägt an seinem
vorderen Rande lange Papillen. Das zweite ist nierenförmig
und besitzt am vorderen Rande eine tiefe Einbuchtung, die sich
dem ersten Elytrophor anpaßt. Zwischen den großen Tuberkeln
auf den Elytren und den langen Papillen finden sich noch kleine
Tuberkel, die sternförmig sind und eine verschiedene Gestalt
und Entwickelungsstadien aufweisen. Viele haben eine runde
Basis, oder sind mit Dornen besetzt; von dieser entspringt eine
Säule, die in 3—5 radiärstehende Dornen endet. Die langen
Marginalpapillen sind umgekehrte Kegel mit einer schmalen
Anheftungsstelle und leicht verbreitertem Ende, das in zwei
oder mehr Dornen ausgezogen ist; die Säulen tragen ebenfalls
Dornen. In der Type sind sie zahlreicher und stumpf. Der Rand
des Elytrons ist mit zarten haarähnlichen Cilien am lateralen,
hinteren und dem äußeren vorderen Rande besetzt. — Die
Branchialfortsätze beginnen am dritten Parapod, wo sich an der
vorderen und hinteren Seite je einer befindet, aber dann bald
zahlreicher werden. Die letzten Fortsätze finden sich am
23. Segment. An der vorderen Seite des Parapods findet sich
eine Reihe von 4 Fortsätzen,. der erste liegt am Elytrophor bezw.
Paraelytrophor, der letzte am Dorsalast des Parapods. An der
hinteren Seite finden sich 3, und zwischen beiden, an der Dorsal-
seite noch zwei Fortsätze. — Die Dorsal- und Ventralborsten
ähneln denen von EZ. elisabethae. Der Dorsaleirrus ist tentakel-
ähnlich. (Benham)
Fundort: Basstraße, Tasmanien, Maria-lIsl.
Diese Art unterscheidet sich von E. squamosa dadurch,
daß bei der letzten Art die supra-areolaren Papillen fehlen, die
bei E. rugosa ein deutlich hervortretendes Büschel bilden.
Euphione elisabethae MW’Int.
Syn.: 1885 Euphione elisabethae Mac Intosh, „Challenger“
Report p. 62, pl. IX, £fi2.3, pl. XVII, fig. 7, pl. XVIII, fig. 10,
pl. VIII, A fig. 3—6. — 1904 Mac Intosh, Mar. Invest. in
South Africa vol. III, 1904, p. 27. — 1908 Ehlers, ‚, Valdivia“
Exp. p. #3.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 107
Der Körper des Tieres ist eiförmig und von den Elytren
vollkommen bedeckt. Der Kopf ist in die Breite gezogen und
etwa doppelt so lang wie breit. Die Grundglieder der Tentakel
sind kräftig und das des Mediantentakels ist etwa doppelt so lang
wie die der Lateraltentakel und erreicht ziemlich dieselbe Länge
wie der Kopflappen. Der Mediantentakel selbst ist sehr schlank
und etwa 3mal so lang wie sein Grundglied. Vor der Spitze zeigt
sich eine kugelförmige Anschwellung, nach welcher der Tentakel
mit einer langen fadenformigen Spitze endigt. Die Lateraltentakel
erreichen etwa die halbe Länge des medianen und zeigen denselben
Habitus. Die Palpen sind kräftig, länglich konisch und sind
länger als der Mediantentakel. Auf ihnen bemerkt man Längs-
reihen von kleinen Papillen. Auf dem Kopf findet man zwei
Paar Augen, von denen das vordere kleiner als das andere ist.
Die beiden Paare liegen auf der hinteren Hälfte ganz dicht bei-
einander an die seitlichen Ränder des Kopflappens gerückt.
14
Der ausgestreckte Rüssel trägt am Ende , Papillen und je
zwei mächtige Zähne von tiefbrauner Farbe, die mit Platten,
welche sich an der Ober- und Unterseite des Rüssels befinden
im Zusammenhang stehen. Diese Platten sind von rundlicher
Form und zeigen eine konzentrische Streifung. — Die Tentakular-
eirren, die auf ziemlich langen Grundgliedern sitzen, welche noch
die der Tentakel überragen, ähneln den Tentakeln in jeder Be-
ziehung, sind aber etwas kürzer als der Mediantentakel.
Die Elytren bedecken den Rücken vollständig und liegen ihm
fest an. Ihre Oberfläche ist mit starken Tuberkeln versehen,
die eine sternartige Form annehmen und aus einer chitinigen
Substanz bestehen, wohl dieselbe, die wir von den Kiefern und
den Borsten kennen. Die Elytren sind mit Ausnahme des vorderen
und inneren Randes lang gefranst. Die Elytrophoren sind stark
in die Breite gezogen ebenso wie die an den cirrentragenden
Segmenten befindlichen Paraelytrophoren. An diese Gebilde
setzen sich die bei dieser Art sehr kurzen und wenigen Branchial-
fortsätze an. In der Medianlinie des Rückens befinden sich Höcker,
die aber sehr schwach ausgebildet sind. Auf dem zweiten Segment
bemerkt man einen größeren unpaaren, das dritte trägt ein Paar
und vom vierten finden sich zwei, manchmal auch drei Paare,
die immer mehr und mehr auseinander rücken, sodaß sie am
neunten Segment am weitesten auseinander stehen. Vom
15. Segment an werden sie, nachdem sie sich wieder genähert
haben, unpaarig und immer kleiner, sodaß sie am 19. Segment
vollkommen verschwunden sind. — Der Dorsalast der Parapodien
ist kräftig und trägt äußerst feine Borsten, die denen der Gattung
Iphione ähnlich sind, aber ihnen nicht gleicher. Es sind feine
Borsten, die ganz dünne feine Härchen tragen, welche von ver-
schiedener Länge sind und einander abwechseln, sodaß diese
Borsten für diese Art als charakteristisch bezeichnet werden
können. Ebenso ist es mit den Ventralborsten, die ein Charakte-
10. Heft
108 Hans J. Seidler:
ristikum der Gattung bilden. Es sind gewöhnliche einspitzige
Lepidonotus-Borsten, die aber anstatt der Zähne ganz feine
dichtstehende Härchen zeigen, die sich an der Spitze, die frei
von Härchen bleibt, nach hinten um diese herumlegen. Der
Ventraleirrus ist kurz und länglich konisch. Die Dorsaleirren
sind hier sehr lang, überragen das Parapodium um ein Beträcht-
liches und gleichen den Tentakeln sehr.
Fundort: Agulhas-Strom.
Euphione suluensis (Horst).
Syn.: 1917 Lepidonotus suluensis Horst, ‚Siboga“ Exp.
Monogr. XXIV, p. 74, pl. XVII, figs. 8, 9.
Die Länge des Tieres beträgt ungefähr 12 mm, seine Breite
mit Borsten 6 mm. Der Kopf ist porzellanähnlich. Die Augen
sind undeutlich und liegen in der vorderen Hälfte dicht an-
einander. Der Mediantentakel ist nicht vorhanden. Die Lateral-
tentakel haben ein schlankes Basalglied, etwa ?/, so lang wie der
Kopf, der Tentakel selbst geht spitz zu und zeigt eine faden-
förmige Spitze; er ist fast so lang wie die Palpen. Eine Verdickung
bei den Tentakeln ist nicht sichtbar. Die Palpen sind ziemlich
kräftig und mit einer kurzen fadenförmigen Spitze versehen.
Am Hinterrand des Kopfes bemerkt man einen deutlich zwei-
geteilten Nuchallappen. — Der Ventralast der Parapodien ist
viel mehr entwickelt als der dorsale und ist mit einer vorstehenden
cylindrischen Spitze versehen; seine Borsten tragen an ihrem
subterminalen verbreiterten Teil Reihen, dielange Dornenzähnchen
tragen, die „‚fast federig‘‘ sind. Jedoch sind sie undeutlich zwei-
spitzig (?), mit einem rudimentären Zahn unter der Spitze. Die
Dorsalborsten haben ein spitzes Ende und sind mit feinen undeut-
lichen Dornenreihen versehen. Die Elytren zeigen eine sehr
charakteristische Gestalt, dadurch, daß sie leicht nierenförmig
sind, mit einer Reihe von starren, schlanken, eylindrischen An-
hängen längs des äußeren Randes. Ihre ganze Oberfläche ist mit
Papillen bedeckt, die größeren in der Nähe des äußeren Randes,
kleinere an der Innenseite; die größten von ihnen bestehen aus
einem Schaft, mit einer Krone von vier oder fünf dreispitzigen
Dornen. (Horst)
Fundort: Sulu-Island 6° 8°’ N. 121° 19’ O., 275 m Tiefe.
Nach den Abbildungen der Borsten und Elytren stelle ich
die Art zu Euphione. Eine Ähnlichkeit mit Lepidonotus iphionides,
wie sie Horst herausfinden will, kann ich nicht erkennen.
vphionides ist meiner Meinung nach ein L. oculatus. Die Branchial-
fortsätze, die der Untergattung Euphione eigen sind, hat Horst
ebenso wie seiner Zeit Mc Intosh übersehen.
Euphione chitoniformis (Moore).
Syn.: 1902 Euphione elisabethae von Marenzeller, Denkschr.
Käiserl. Ak. Wiss. Wien Bd. LXXII, p.5. — 1903 Lepidonotus
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 109
chitonıformis Moore, Proc. Ac. Sci. Philad. p. 405, pl. XXIII,
figs. X, XI. — 1903 Lep. .branchiferus Moore, Proc. Ac. Sci.
Philad. p. 409, pl. XXIII, figs. 7—9. — 1912 Polynoe chitoni-
formis Izuka, Journ. Coll. Sci. Tokyo p. 19. — 1912 Pol. branch:-
ferus Izuka, Journ. Coll. Sci. Tokyo p. 22. — 1916 Lepidonotus
obtectus Frickhinger, Zool. Anz. XLVI, p. 234. — 1921 Euphione
chitoniformis Seidler, Ber. Ges. nat. Freunde, Berlin 1921.
Die Tentakel sind ziemlich dünn und lang, am Ende an-
geschwollen. Die Palpen sind kräftig, dick, länglich konisch,
kürzer als die Tentakel und mit Papillenlängsreihen versehen.
— Der Körper ist eiförmig und von den Elytren vollständig
bedeckt. Die Elytrophoren sind stark in die Breite gezogen
und an den cirrentragenden Segmenten befinden sich Para-
elytrophoren. Die Elytren selbst sind fest, lederartig und mit
starken Tuberkeln versehen, die denen von Euphione elssabethae
ähneln, jedoch eine andere Gestalt aufweisen. Die Elytren
sind rundlich, ei- bis nierenförmig. Die Ränder sind mit Aus-
nahme des vorderen inneren stark gefranst. Die großen Tuberkel
sind 6—7spitzig und von tief brauner Farbe. Die am hinteren
Rande stehenden dagegen sind von mehr eiförmiger Gestalt,
ohne Zacken. Im vorderen Teil befinden sich kleine längliche
Papillen, die meist mit einem dornförmigen Fortsatz versehen
sind. — Die Ventralborsten sind, wie die Gattungsdiagnose
lautet, mit langen Haaren versehen, die sich am Ende nach hinten
legen. Die Dorsalborsten sind fein und gleichen ebenfalls denen
von Euphione elisabethae. — Die Ventraleirren sind sehr kurz
und länglich konisch, die dorsalen dagegen sind sehr lang und
ähneln in jeder Beziehung den Tentakeln. — Die Branchial-
fortsätze sind hier in größerer Anzahl vorhanden, als es bei
E. elisabethae der Fall ist und sitzen wie gewöhnlich an der
Vorder- und Hinterseite des Elytrophors und Paraelytrophors.
Ich ziehe die beiden Arten von Moore Lepidonotus chitonv-
formis und L. branchiferus zusammen, da sie nicht genügend
Merkmale aufweisen, die ein Auseinanderhalten der beiden Arten
rechtfertigen. Ich stelle auch hierzu L. obtectus. Ich habe diese
Art selbst untersucht und es ist vollkommen klar, daß es ein
E. chitonvformis ist. Auch die von Marenzeller angeführte
E. elisabethae stelle ich hierher, da dieser At nur bei Südafrika
vorkommt.
Fundort: Südjapan (Sagamibucht, Eno-shima).
Bestimmungstabelle der Halosydna-Arten.
Atlantik.
1. 18 Elytrenpaare, 37 Segmente.
2. Elytren gefranst pissisi (Qfg.) (Brasilien)
2' Elytren glattrandig.
"1 Heft
110 Hans J. Seidler:
3. Elytren gelbgebändert, schwach tuberkuliert
fuscomarmorata (Gr.) (Westindien)
3' Elytren einheitlich gefärbt, kräftiger tuberkuliert
leucohyba (Schm.) (Westindien)
1‘ 21 Elytrenpaare, 45 Segmente.
4. Elytren gefranst punctulata (Gr.) (Rio de Janeiro)
4' Elytren glattrandig.
5. Elytren bedornt australis Kbg. (La Plata)
5‘ Elytren nicht bedornt.
6. Elytren rings herum mit Tuberkeln besetzt
fusca (Müll.) (Desterro)
6‘ Elytren nur am Vorderrand tuberkuliert
bıasiliensis Kbg. (Rio de Janeiro)
Pacifik.
1. Elytren gefranst.
2. Ventralborsten einspitzig.
3. Distaler Teil der Ventralborsten stark gebogen und die Spitze
sehr scharf brevisetosa Kbg. (Californien).
3' Distaler Teil schwach gebogen und die Spitze ist stumpf
nebulosa (Gr.) (Südjapan)
2' Ventralborsten zweispitzig.
4. Elytren fast glatt.
5. Palpen kegelförmig Virgin: Kbg. (Honolulu)
5' Palpen tentakelähnlich parva Kbg. (Valparaiso)
4' Elytren kräftig bedornt patagonica Kbg. (Südchile)
1’ Elytren glattrandig.
6. Anheftungsstelle des Elytrons am Rande, Rand an dieser
Stelle eingekerbt müller: (Gr.) (Callao)
6° Anheftungsstelle in der Mitte
reticulata (Johns.) (Californien)
Halosydna.
Diese Gattung kann man von vorn herein in zwei Unter-
gruppen teilen, und zwar solche, die 37 Segmente und 18 Elytren-
Bas und solche, die 45 Segmente und 21 Elytrenpaare aufweisen.
er Dorsalast ist weniger entwickelt, als es bei Lepidonotus
der Fall ist. Die Elytren sind verschieden ausgebildet, meist
sind sie zart oder wenigstens nicht so kräftig wie bei der oben-
angeführten Gattung. Sie sind inseriert auf den Segmenten 2, 4,
.5,7,:9, 14,.13, 15,.17,.19,21, 23, 25,.27,.28, 30, 31, 33 bezw os
23, 25, 27, 28, 30, 31, 34, 36, 38, 41.
I. 3% Segmente, 18 Elytrenpaare.
Halosydna nebulosa (6r.).
Syn.: 1877 Polynoe (Halosydna) nebulosa Grube, J. B.
schles. Ges. 1876, p. 49. — 1902 Halosydna nebulosa Maren-
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 111
zeller, Denkschr. Ak. Wiss. Wien. LXXII, p.5, Taf. I, Fig. 1.
— 1903 Lepidonotus (Halosydna) vexillarıus Moore, Proc. Ac.
Philad. 1903 p. 415, tab. XXIH, figs. 13/15. — 1912 Polymoe
vexillaria Izuka, Journ. Coll. Tokyo vol. XXX, art.2, p.27,
pl. I, fig. 2, pl. III, fig. 12114. — 1916 Halosydna nebulosa Frick-
hinger, Zool. Anz. XLVI, p.235. — 1916 Hal. haberiana
Frickhinger,l.c.p. 235. — 1916 Hal. sagamiana Frickhinger,
l. . p. 235.
N Kopf ist breiter als lang, die größte Breite liegt in der
Mitte. In der medianen Längslinie findet sich eine schwache
Vertiefung, die vom vorderen Kopfrande bis fast zur Mitte reicht.
Das Basalglied des Mediantentakels ist kräftig, am distalen Ende
nicht oder sehr wenig verbreitert und erreicht etwa !/,; bis 3/,
der Kopflänge. Der Mediantentakel erreicht etwa die 21/, bis
3fache Länge des Kopflappens. Er geht zunächst allmählich
spitz zu, verbreitert sich dann aber wieder zu einer Kugel, an die
sich ein ziemlich langer Faden anschließt. Die Basalglieder der
Lateraltentakel sind nur wenig kürzer, aber bedeutend schwächer
als das des Mediantentakels und am distalen Ende schwach
verbreitert. Die Lateraltentakel ähneln dem medianen, erreichen
aber nur höchstens die doppelte Länge des Kopfes. Die Basal-
glieder sind mit dunklem Pigment versehen; ebenso zeigt sich
an der subterminalen Verdickung der Tentakel ein dunkler Ring.
Die Palpen überragen die Lateraltentakel, sind kräftig und
länglich konisch. An das stumpfe distale Ende setzt sich noch
ein kurzer Faden an. Auf den Palpen bemerkt man mehrere
Längsreihen von schwachen Papillen. Auf dem Kopflappen
befinden sich zwei Paar Augen, von denen das vordere an der
Stelle größter Breite, etwa in der queren Mittellinie, während
das andere am hinteren Rande des Kopflappens liegt. — Die
Basalglieder der Tentakulareirren sind farblos und überragen
noch die der Lateraltentakel. Die Cirren selbst ähneln im Habitus
sehr den Tentakeln. — Der Körper besteht aus 37 Segmenten.
Auf jedem Segment an der Dorsalseite findet sich eine charakte-
ristische Zeichnung, die sich allerdings auch verwischen kann,
sodaß nur ein in die Länge gezogener dunkler Fleck zu sehen ist.
— Die Elytren bedecken den Körper vollkommen. Ihre Gestalt
ist rund bis oval eiförmig. Das erste Elytron ist rund und am
Hinterrande befinden sich kurze Fransen. An der Oberfläche
bemerkt man an den Rändern kleine Papillen. In der Mitte dagegen
erheben sich kräftige, an der Spitze schwach gebogene Dornen,
ähnlich denen von H. patagonica. Das zweite Elytron ist schwach
nierenförmig, am Außenrande sehr schwach mit kurzen Fransen
besetzt. An den Rändern bemerkt man ähnlich wie bei den
ersten Elytren kleine Dörnchen. Große Dornen findet man meist
nur hinter der Anheftungsstelle und zwar etwa 6. Die Anheftungs-
stelle legt im äußeren Teil. Der Raum zwischen der Anheftungs-
stelle, dem Innen- und Vorderrand ist mit kleinen Dornen besetzt,
il Heft
112 Hans J. Seidler:
die ähnlich denen der Randdornen sind. Das dritte und vierte
Elytron ist nierenförmig, am äußeren Rande stärker als beim
zweiten gefranst, aber auch sehr kurz. Die Anheftung liegt
gerade hinter der Ausbuchtung. Der ganze Rand ist mit kleinen
Dörnchen besetzt, ebenso die beiden vorhergehenden Elytren.
Große Dornen finden sich meist hinter der Anheftungsstelle.
Die’übrigen Elytren sind eiförmig, am Außenrande kurz gefranst
und mit wenigen kleinen Papillen besetzt. Große Dornen findet
man fast gar nieht mehr. Die Ornamentierung der Elytren kann
sehr verschieden sein. Die Dornen können ganz verschwinden,
und es befinden sich auf den ersten Elytren große runde Papillen,
die auf den folgenden kleiner werden und auf den mittleren und
hinteren ganz verschwinden. — Die Parapodien sind deutlich
zweiästig. Beim ersten Parapod gehen die Dorsalborsten von der
kurz nach dem Austritt aus dem Parapod befindlichen Ver-
diekungsstelle allmählich und gleichmäßig der Spitze zu und sind
schwach gebogen. — Die Dörnchen ziehen sich bis zur Spitze
hin und erreichen an Länge etwa 1/,—®/, der Dicke des Stammes.
Die Ventralborsten sind gebogen, etwa in der Mitte schwach
verdickt, von wo aus sie allmählich dem Ende spitz zugehen;
von dieser Stelle an finden sich Zähnchenreihen mit fransen-
artigen Zähnen. Die Dorsalborsten der übrigen Parapodien
sind mehr oder weniger stark gebogen, kurz nach ihrem Austritt
auf dem Parapodium verdickt und dann allmählich der Spitze
zugehend. Ihre Ornamentierung ist äußerst kurz und zieht
sich bis zur Spitze hin. Die Ventralborsten sind mehr oder weniger
stark gebogen, die nach vorn gebogene Spitze ist einzähnig und
an der ersten Biegung schwach verdickt. — Der erste und auch
zweite distal gelegene Zahn ist blattförmig, während die anderen
eine fadenförmige Gestalt annehmen. Das Basalglied des Dorsal-.
eirrus ist kräftig und fast zylindrisch. Der Cirrus selbst ist tentakel-
ähnlich, er zeigt ebenfalls eine subterminale Verdickung und
einen daran anschließenden Endfaden. Der Ventralcirrus ist kurz,
gestreckt kegelförmig und mit einem Endfaden versehen.
Fundort: Süd-Japan.
Halosydna reticulata (Johns.).
Syn.: 1897 Polynoe reticulata Johnson, Proc. Calif. Ac. I,
p- 170, tab. VII, figs. 32, 41, 4la, tab. VIII, figs. 47, 47a, 47b.
— 1901 Pol. californica Johnson, Proc. Boston. Soc. XXIX.
— 1909 Halosydna reticulata Moore, Proc. Ac. Philad. 1909
p. 241. — 1910 Hal. californica Moore, Proc. Ac. Philad. 1910.
Der Kopf des Tieres ist breiter als lang und an den Seiten
stark konvex. Eine mediane Längsfurche, die sich vom vorderen
bis zum hinteren Rande zieht, teilt den Kopflappen in zwei
Hälften. Das Grundglied des Mediantentakels erreicht etwa
die Länge des Kopfes und ist an seinem distalen Ende um eine
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 113
Rleinigkeit breiter als am proximalen. Der Tentakel selbst ist
etwa doppelt so-lang wie der Kopf, er geht zunächst allmählich
spitz zu, verdickt sich aber vor der Spitze und verjüngt sich
dann plötzlich zu einer fadenförmigen Spitze. Die Grundglieder
der Lateraltentakel sind etwa ?/, so lang wie das des medianen,
erreichen nicht die Stärke dieses Gliedes, verbreitern sich aber
vor ihrem distalen Ende plötzlich, nicht allmählich wie bei dem
des medianen. Die Tentakel selbst sind nur um eine Kleinigkeit
länger als der Kopflappen; sie gehen zunächst allmählich der Spitze -
zu, dann aber verdünnen sie sich plötzlich zu einem Endfaden,
ohne vorher eine merkliche Anschwellung zu zeigen, wie dies
bei dem Mediantentakel der Fall ist. Die Grundglieder sind nur
sehr schwach pigmentiert, und die Tentakel zeigen ebenfalls
hier und da eine pigmentierte Stelle. Die Palpen sind äußerst
kräftig. und länglich konisch und endigen mit einem kurzen
Fädchen. An Länge übertreffen sie noch den Mediantentakel.
Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei Paar Augen, von denen
das vordere Paar an der Stelle der größten Breite liegt, die sich
noch vor der Mitte des Kopflappens befindet, während das andere
Paar an den hinteren seitlichen Ecken gelegen ist. — Der aus-
gestülpte Pharynx ist an Länge gleich den ersten neun Segmenten,
mit zwei Paar kräftigen braun und weiß längs gestreiften Kiefern
bewaffnet. An seinem Vorderende ist er mit ; Papillen versehen,
die bei ungenauer Beobachtung eine konische Gestalt haben.
Bei genauerem Zusehen jedoch bemerkt man an ihrem innern
Teil noch eine kleine Papille.. An der Dorsalseite des Pharynx
bemerkt man in der Nähe der Öffnung zwischen dem Kopf und
den Papillen noch vier Längsfalten. — Die Tentakularcirren
sitzen auf langen Grundgliedern, welche die der Tentakel noch
überragen. Die Cirren selbst überragen sogar noch die Palpen,
sind aber im Habitus gleich den Mediantentakeln. — Der Körper
wird von den Elytren vollkommen bedeckt. Die dorsale Median-
linie wird durch eine dunkle Linie, die sich vom vorderen bis
hinteren Körperende hinzieht, gekennzeichnet. Auf der Dorsal-
seite jedes Segments befinden sich mehrere rein weiße Streifen.
Am Analsegment befinden sich zwei Analeirren, die etwas länger
als die benachbarten Dorsaleirren und auch beträchtlich dicker
als diese sind. Vor der fadenförmigen Spitze ist eine schwache
Anschwellung zu bemerken. An der Ventralseite bemerkt man
vom neunten Segment an bis an das Hinterende Nephridial-
papillen, die an den vorderen Segmenten äußerst klein sind,
an den hinteren aber eine röhrenförmige Gestalt annehmen.
Die Elytren haben eine runde bis eiförmige Gestalt. Sie sind
vollkommen farblos, weißlich, halb durchsichtig. An ihrem
vorderen Rand findet man kleine -mikroskopische Papillen. Die
Anheftungsstelle liegt im äußeren Teil des Elytrons und ist stark
in die Länge gezogen. Schon bei schwacher Vergrößerung bemerkt
Archiv für Naturgeschichte ü
1923 A. Il. 8 11. Heft
114 Hans J. Seidler:
man, daß das Elytron in kleine Zellen aufgeteilt ist. Bei stärkerer
Vergrößerung kann man sehen, daß diese Zellen von ganz unregel-
mäßiger Gestalt sind. Die Zellwände sind an den verschiedenen
Stellen dick und nicht gerade, sondern gewunden. — Die Para-
podien sind deutlich zweiästig. Die Ventralborsten sind wenig
gebogen und die sehr scharfe Spitze ist zweizähnig. Unterhalb
der Spitze finden sich mehrere Reihen von fast gleich langen
Zähnchen. Nur der am distalen Ende der Ornamentierung stehende
ist stärker als die anderen. Im Dorsalast finden sich zwei Arten
von Borsten. Die einen sind ziemlich lang und dünn, wenig
gebogen und von Anfang bis Ende mit feinen Dörnchenquerreihen
besetzt. Die andere Art dagegen ist sehr kurz, stark gebogen
und mit Ausnahme der glatten Spitze mit kräftigen Dornenreihen
versehen. Kurz nach dem Austritt aus dem Parapod verdicken
sie sich und gehen dann allmählich der Spitze zu. — Der Dorsal-
eirrus überragt noch den Ventralast. Er ist tentakelförmig, geht
zunächst spitz zu, verdickt sich dann sehr wenig und läuft in
einen Endfaden aus. An der Verdickungsstelle, die man oft
gar nicht bemerkt, befindet sich ein dunkler Pigmentring. Der
Ventraleirrus ist kurz, länglich konisch und mit einem Endfaden
versehen.
Fundort: Santa Barbara (Californien).
Halosydna Mülleri (Gr.).
Syn.: 1857 Polynoe Mülleri Grube, Vid. Med. nat. Foren,
Kjöbenhavn for 1856 p. 48. — 1857 Pol. clavata Grube, ].c.
p- 47. — 1865 Halosydna Mülleri Baird, Journ. Lin. Soc. London
Zool. XVIII, p. 187. — 1865 Hal. clavata Baird, l.c. p. 187.
— 1865/66 Polynoe Müllerı Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 253.
— 1865/66 Pol. clavata Quatrefages, 1l.c. p.239. — 1875
Pol. Müller Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 62. — 1875 Pol.
clavata Grube, l.c. p. 62.
Die Type selbst ist in einem schlechten Erhaltungszustand.
Ich habe deshalb andere Exemplare zur Beschreibung zur Hilfe
genommen.
Der Kopf des Tieres ist rundlich bis sechseckig, etwa so lang
wie breit. In der medianen Längslinie befindet sich eine Furche,
die sich vom vorderen bis zum hinteren Rand hinzieht. Das
Grundglied des Mediantentakels ist kräftig, als fast zylindrisch
zu bezeichnen und an seinem distalen Ende nicht verbreitert.
Seine Länge ist etwa gleich der halben Länge des Kopflappens.
Der Mediantentakel ist kräftig, dick; er geht zunächst nur sehr
langsam spitz zu, verdickt sich dann aber etwas und endigt
dann plötzlich in einem kurzen Faden. Er erreicht etwas mehr
als die doppelte Länge des Kopflappens. Die Basalglieder der
Lateraltentakel sind an ihrem basalen Teil schmal, verdicken
sich dann aber. An ihrem distalen Ende sind sie etwas verbreitert.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 115
Sie sind nicht so stark und auch nicht so lang wie das des Median-
tentakels. Die Lateraltentakel zeigen denselben Habitus wie
der mediane, sind aber nur etwas über ein halb so lang wie dieser,
also etwas länger als der Kopflappen. Die Palpen sind kräftig,
verlängert kegelförmig. Am distalen Ende sind sie ziemlich
stumpf und mit einem kurzen Fädchen versehen. Sie sind länger
als die Lateraltentakel, aber kürzer als der mediane. Auf dem
Kopflappen findet man zwei Paar Augen, von denen das vordere
Paar noch vor der queren Mittellinie liegt, während das andere
unfern des hinteren Randes gelegen ist. — Der Kopflappen
an sich ist vollkommen farblos. Dagegen sind die Grundglieder
mit einem blauschwarzen Pigment versehen. Dasselbe Pigment,
jedoch nicht in solch starkem Maße, zeigen auch die Tentakel,
und zwar der mediane nur am basalen Teil, während die lateralen
außerdem noch einen Ring in der Nähe der sub-
terminalen Verdiekung aufweisen. — Die Grund-
glieder der Tentakulareirren erreichen die der
Tentakel. Die Cirren selbst sind im Habitus die
gleichen wie die Tentakel, und der obere erreicht
auch die Spitze des Mediantentakels, während der
untere etwas kürzer ist. Das Grundglied zeigt an
seinem distalen Ende etwas Pigment, das sehr
dünn verteilt ist. Außerdem bemerkt man noch
auf den Cirren selbst am basalen Teil eine dunkle
Färbung. Der Ring an der subterminalen Ver-
diekung ist ebenfalls vorhanden. — Der Körper
besteht aus 37 Segmenten. Auf dem Rücken be-
merkt man auf jedem Segment einen queren Streifen
von blauschwarzer Farbe. Die Ventralseite ist
farblos. — Die Elytren, an Zahl 18 Paar, decken
den Rücken ziemlich vollständig. Die Form der
Elytren ist rundlich bis eiförmig oval. Der Rand
ist vollkommen glatt, ungefranst. Rings herum
am Rande finden sich mehrere unregelmäßige Reihen
kleiner halbkugelförmiger Papillen. Der innere
Rand ist fast frei davon. Sonst ist die Oberfläche
glatt. Die Anheftungsstelle ist oval. Die Farbe
der Elytren ist eine blauschwarze, mit einigen
wenigen farblosen Flecken durchsetzt. Dadurch hat der
Rücken des Tieres eine blauschwarze Färbung, von der sich
die gelben Borsten und die farblose Ventralleiste deutlich ab-
heben. — Die Parapodien sind zweiästig. Im Ventralast finden
sich kräftige Borsten, die an der kaum wahrnehmbaren
Verdickungsstelle schwach nach rückwärts gebogen sind und
eine kräftignach vorn gebogene scharfe zweizähnige Spitze zeigen
(Fig.15). Die Ornamentierung ist gleich der von H. fusca (Müll.).
Die Dorsalborsten sind fein, schwach gebogen und von Anfang
bis Ende mit ziemlich kräftigen Zähnchenreihen versehen. —
8F 11. Heft
116 Hans’ J. Seidler:
Der Dorsaleirrus ist tentakelähnlich und ragt über die Ventral-
borsten hinweg, während der Ventraleirrus kurz, zunächst kräftig
ist, dann aber rasch der fadenförmigen Spitze zugeht.
Fundort: Callao (Chile).
Halosydna parva Kbg.
Syn.: 1856 Halosydna parva Kinberg, Öfv. af Kongl.
Vet.-Ak. Förh. 1855 p. 385. — 1858 Kinberg, Freg. Eug. Resa
p. 17, tab..V, fig. 24. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc. London
Zool. VIII, p. 186. — 1865 (66) Polynoe parva Quatrefages,
Hist. nat. p. 1, p. 255. — 1875 Halosydna parva Grube, J. B.
schles. Ges. 1875 p. 62.
Die Lateraltentakel kommen dem medianen an Länge gleich
und sind wenig kürzer als die Palpen. Die Tentakularcirren sind
lang, unterhalb der pfriemförmigen Spitze angeschwollen. Die
18 Paar Elytren sind kurz gefranst. Die unteren Borsten zeigen
eine zweizähnige Spitze und sind unterhalb dieser gedrängt,
gesägt und dornig. — Der Körper ist 20 mm lang, mit den Borsten
6 mm breit, und besteht aus 37 Segmenten. Der Kopflappen
#st abgerundet und mit gleich großen Augen versehen. Die Basal-
glieder der Tentakel sind kurz und gleich lang. Der Median-
tentakel ist mit der Basis ein wenig länger als der Kopflappen,
zylindrisch, mit kurzer verdünnter Spitze. Die lateralen gleichen
dem medianen, sind aber etwas kürzer, etwa so lang wie der Kopf-
lappen. Die Tentakulareirren überragen die Tentakel. Die Ventral-
cirren des zweiten Segments gleichen in Form und Länge den
Lateraltentakeln. Der Pharynx ist ausstülpbar und mit n Pa-
pillen versehen. Die Maxillen besitzen eine zahnlose Schneide
mit einem kürzeren Fortsatz und Spitze als bei H. patagonica.
Die Dorsaläste der Parapodien, die wie Tuberkel aussehen,
zeigen sehr viel gesägte Borsten, von denen die einen lang ver-
schmälert, die anderen kurz gekrümmt sind.. Die Ventraläste
sind kräftig, mit langen, dicken zweizähnigen, unterhalb der
Spitze dicht gesägten und dornigen Borsten versehen. Die
Dorsaleirren, die auf einem konischen niedrigen Basalglied sitzen,
ähneln in der Form den Tentakulareirren. Die Ventraleirren
erreichen die Spitze der Füße kaum und sind länglich konisch.
Die Analeirren ähneln den dorsalen und sind wenig länger. Die
Elytren sind glatt, am äußeren Rande mit kurzen Fransen, mit
.großen abgerundeten Zellen und Pigmentkörperchen versehen.
(Kinberg)
Fundort: Valparaiso, Insel Chincha, St. Lorenz bei
Callao.
Halosydna patagonica Kbg.
Syn.: 1856 Halosydna patagonica Kinberg, Öfv. af K.
Vet. Ak. Förh. 1855 p. 385. — 1858 Kinberg, Freg. Eug. Resa
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 117
p. 17, tab. V, fig. 23. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc. London
Zool. VIII, p. 186. — 1865(/66) Polynoe chiliensis Quatrefages,
Hist. nat. t. I, p. 238. — 1865 (66) Pol. patagonica Quatrefages,
l. c. p. 255. — 1875 Halosydna patagonica Grube, J. B. schles.
Ges. 1875 p. 62. — 1875 Polynoe chiliensis Grube, 1.c. p. 62.
— 1901 Halosydna patagonica Ehlers, Zool. J. B. Suppl. Fauna
Chiliensis, II, p. 256. — 1901 Ehlers, Die Polych. d. mag. u.
chil. Strandes, p. 45.
Der Kopf ist abgerundet quadratisch, etwa ebenso breit
wie lang. In der medianen Längslinie findet man eine flache
Furche, die sich vom vorderen bis hinteren Kopfrande hinzieht.
Das Grundglied des Mediantentakels ist kräftig und am distalen
Ende etwas verbreitert. Es ist etwa halb bis ganz sc lang wie der
Kopflappen. Der Mediantentakel selbst ist kräftig und erreicht
etwa die doppelte Länge des Kopfes. Der Tentakel geht zunächst
allmählich spitz zu, schwillt dann an, und spitzt sich daraufhin
plötzlich zu einem ziemlich langen Endfaden zu. Die Grund-
glieder der Lateraltentakel sind etwas schwä.her und kürzer
als das des medianen und «ind ebenso wie dieser am distalen
Ende etwas verbreitert. Die Lateraltentakel selbst haben den-
selben Habitus wie der mediane ‚erreichen aber nur die Länge
des Kopflappens. Die Basalglieder der Tentakel sind am Grunde
dunkel gefärbt. Die Tentakel selbst zeigen am Grunde einen
dunklen Ring; an der Anschwellung befindet sich noch ein solcher,
aber schwächerer. Die Palpen sind kräftig und kurz; sie erreichen
nicht die Länge des Mediantentakels, sind aber länger als die
lateralen. Sie sind länglich konisch und mit kleinen Papillen
besetzt. Auf dem Kopflappen befinden sich zwei Paar Augen, die
im Trapez stehen. Das vordere Paar befindet sich noch vor der
Mitte, während das andere am hinteren Rande des Kopfes liegt.
— Die Basalglieder der Tentakulareirren überragen die der Tentakel
und sind vollkommen farblos. Die Cirren selbst ähneln in Gestalt
und Färbung den Tentakeln vollkommen und überragen noch
den Mediantentakel. Der untere Cirrus ist um vine Kleinigkeit
kürzer als der obere. — Diese Art besitzt 37 Segmente. In der
Medianlinie auf dem Rücken befinden sich auf jedem Segment
Querstreifen, die bisweilen wenig hervortreten, auf den vorderen
Segmenten dunkelbraun sind und nach hinten zu verschwinden,
A.m Ende befinden sich zwei Analcirren, die länger als dienächsten
Dorsal:irren sind. — Die Elytren bedecken den Körper vollständig
oder berühren sich wenigstens in.der Medianlinie. Sie sind rund,
nieren-, oder eiförmig, je nach ihrer Lage. Es sind im ganzen
18 Paar vorhanden. Das erste Elytron ist breit eiförmig, und trägt
am Außen- und Hinterrand ganz kurze Fransen, die man fast
als Randpapillen bezeichnen kann. Ringsherum, ziemlich dicht
am Rande, befinden sich kleine Papillen, die dornenähnlich sind.
In der Mitte erheben sich große, starke Dornen. Sie sitzen auf
einer großen ovalen bis runden Grundplatte, von der aus sie
11 Heft
118 Hans J. Seidler:
zunächst schnell, dann aber sehr langsam dem stumpfen Ende
zugehen. Außen sind diese Dornen vollkommen glatt. Innen
bemerkt man einen Hohlraum, der sehr oft schmal ist, sich bis
fast zur Spitze hinzieht und nur durch eine Linie gekennzeichnet
ist. Die Färbung ist gelblich, etwas ins braune schimmernd
und dann finden sich wolkenartige unregelmäßige dunkle, graue
Flecke. Die Anheftung ist exzentrisch und vollkommen farblos.
Das zweite Elytron hat eine nierenförmige Gestalt und ist an der
Außenseite leicht gefranst. Die Anheftungsstelle liegt ebenso
wie beim ersten Elytron exzentrisch. Am vorderen und innern
Teil des Elytrons findet man kleine runde Papillen. Am Außen-
rande finden sich kleine, dornenartige Papillen, die etwas anders
aussehen, wie die am Vorder- und Innenrande. Ungefähr in der
Mitte des Elytrons und besonders in der Nähe der Anheftungs-
stelle bemerkt man kräftige Dornen, die denen des ersten Elytrons
gleichen. Dann trifft man noch Übergänge von den Papillen an,
die am Außenrande liegen zu denen am Innenrande. Der Hohl-
raum ın den starken Dornen unterscheidet sich von dem der des
ersten Elytrons durch seine stärkere Ausbildung. Die Färbung
ist die gleiche, wie beim ersten. Das dritte Elytron ist nieren-
förmig, jedoch ist die Längsachse im Verhältnis zur Querachse
größer, als beim zweiten Elytron. Am Außenrande ist die Schuppe
gefranst, und zwar länger als die zweite. Die Anheftungsstelle
liegt in der Nähe des Außenrandes.. Am äußeren, innern und
vorderen Rande, von denen der letztere eingebuchtet ist, befinden
sich kleine Papillen, die selbst bei ziemlich starker Vergrößerung
nicht gut erkennbar sind. Es ist eine runde, manchmal ovale
Basalplatte vorhanden, auf der sich eine mehrhöckerige Erhebung
befindet. Im hinteren Teil und in der Mitte des Elytrons befinden
sich Tuberkel, zuckerhutähnlich, gleich den starken Dornen,
wie sie bei den beiden ersten Elytren vorkommen, nur mit dem
Unterschied, daß der Hohlraum im Innern noch größer und damit
die Wand ziemlich dünn geworden ist. Weißlich, oder besser
gesagt unpigmentiert ist der äußere und der vordere Rand und
die Änheftungsstelle, die im vorderen, äußeren Teil liegt, weiterhin
die Mitte und eine zur Anheftungsstelle korrespondierende Stelle
im innern vorderen Teil; diese beiden sind durch einen gebogenen
farblosen Streifen miteinander verbunden. Vor der farblosen
Stelle am Vorderrand findet sich ein schmaler dunkler Streifen.
Sonst ist das Innere und der dunkle Rand dunkel pigmentiert.
Nur einzelne helle Flecke befinden sich an den Stellen, an denen
sich Dornen befinden. Die andern Elytren sind eiförmig und am
Außenrande gefranst. Die Anheftungsstelle liegt in der Nähe
des äußeren Randes. Die ganze Oberfläche des Elytrons ist mit
den oben besprochenen kleinen Papillen besetzt; dagegen findet
man nur sehr wenig große Dornen, die dann am Hinterrande
liegen. Eine Fleckung, wie man sie bei den ersten Elytren bemerkt,
findet man nur wenig; sie sind einheitlich braun. Man darf jedoch
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 119
nicht allzuviel Wert auf die Färbung legen, denn es können die
allerverschiedensten Variationen in der Färbung auftreten.
Die Parapodien sind zweiästig. Das erste Parapod unter-
scheidet sich von den übrigen durch seine Borsten. Die Dorsal-
borsten sind mehr oder weniger stark gebogen und kurz nach
ihrem Austritt aus dem Parapod etwas verdickt. Dann gehen
sie gleichmäßig und allmählich der Spitzezu. Von der Verdickungs-
stelle an zeigen die Borsten auch transversale Dornenreihen,
die besonders an der Konvexseite gut zu sehen sind. Zu Beginn
der Dornenreihen sind die an der konvexen Seite liegenden
etwa 1/,—!/; so lang wie die Dicke der Borste an dieser Stelle.
Etwas hinter der Mitte der Borste nach der Spitze zu erreichen
die Zähne ihre größte Länge. Sie sind dort etwas länger, als die
Dicke der Borsten beträgt. Von dort ab erreichen die Zähne
an Länge etwa die Dicke des Stammes. Die Ventralborsten sind
feiner und länger als die dorsalen. Sie sind zunächst zylindrisch,
erfahren aber in der distalen Hälfte eine leichte Verdickung
und gehen dann gleichmäßig der Spitze zu. Von der Verdickung
an sind die Borsten mehr oder weniger gebogen und in äußerst
feine glatte Spitzen ausgezogen. Von der Verdickung an finden
sich nach der Spitze zu feine Dornenreihen, deren Dornen am
proximalen Ende an Länge der Dicke der Borste gleich kommen,
ın der Mitte der Ornamentierung länger und am distalen Ende
kürzer sind als die Dicke an der betreffenden Stelle. Die Dorsal-
borsten der übrigen Parapodien gleichen denen des ersten Parapods
sehr. Sie sind schlank, mehr oder weniger stark gebogen und fast
von Anfang an mit transversalen Dornenreihen versehen, deren
Dornen fast durchweg etwa !/;—!/, so lang sind, wie die Dicke
der Borste beträgt. Die Ventralborsten dagegen sind von denen
des ersten Parapods sehr verschieden; man kann sie jedoch
von diesem mit wenig Mühe ableiten, wenn man mit denen des
ersten Parapods die oberen ventralen der übrigen Füße vergleicht.
Sie sind sehr viel kräftiger und zunächst zylindrisch. Erst kurz
vor der Spitze biegen sie sich etwas nach rückwärts und verdicken
sich ein wenig. Die Spitze, die hier zweizähnig ist, ist wieder
nach vorn gebogen. An der erstgenannten Krümmungsstelle
beginnt die Ornamentierung und reicht fast bis zur zweiten
Krümmung. Es sind Dornenreihen, die die Rückseite der Borste
freilassen. Die distalsten Dornen sind kräftig, blattartig, werden
aber an Länge von den in der Mitte stehenden übertroffen, während
die am proximalen Ende sichtbaren sehr klein sind. Die unteren
wentralen Borsten zeigen stärkere Krümmungen und auch eine
kürzere Ornamentierung als die oberen, denn diese zeigen etwa 18,
während bei den unteren nur ungefähr 12 Dornenreihen vorhanden
sind. Das Basalglied des Dorsaleirrus ist kräftig, kurz, fast
ceylindrisch. Der Cirrus selbst ist ziemlich lang, er reicht über das
ventrale Borstenbündel hinweg. Vor der Spitze bemerkt man
eine schwache Anschwellung, an die sich ein Endfaden anschließt.
11. Heft
120 Hans J. Seidler:
Vor der subterminalen Verdiekung befindet sich ein schwarzer
Ring. Der Ventraleirrus des ersten Parapods gleicht den Dorsal-
cirren, während die der übrigen kurz sind, zunächst der Spitze
gleichmäßig zugehen, an die sich ein Endfaden anschließt.
Fundort: Küsten von Südchile.
Halosydna Virgini Kbg.
Syn.: 1856 Halosydna virgini Kinberg, Öfv. af K. Vet.-
Ak. Förh. 1855 p. 384. — 1858 Kinberg, Freg. Eug. Resa
p. 15, tab. V, fig. 20, tab. X, fig. 53. — 1865 (66) Polynoe virgini
Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 255. — 1875 Halosydna virgims
Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 62.
Die Lateraltentakel sind etwa so lang wie der Kopflappen,
konisch mit verdünnter Spitze. Der Mediantentakel dagegen
erreicht die Spitze der Palpen und ist unterhalb der pfriemförmigen
Spitze angeschwollen. Die 18 Paar Elytren sind am Rande kurz
gefranst; die Dorsalborsten sind lang, gesägt, die ventralen sind
zweizähnig, unterhalb der Spitze gesägt und reihenweise quer-
dornig. — Der Körper des wahrscheinlich jungen Exemplars
ist 8mm lang, mit den Borsten 2,5 mm breit und besteht aus
35 Segmenten. Der mittlere Rückenteil wird von den Elytren
nicht bedeckt. Der Kopflappen ist abgerundet, die hinteren Augen
sind kleiner als die anderen. Die Lateraltentakel sind klein und
glatt. Die Palpen sind kurz, kräftig, rauh und mit kurzer Spitze
versehen. Die Tentakulareirren ähneln in Größe und Form
dem Mediantentakel. Die Ventraleirren des zweiten Segments
erreichen die Länge der Lateraltentakel. Die Kiefer besitzen
eine zahnlose Schneide, die einen verlängerten Fortsatz mit
scharfer Spitze aufweist. Die Ventraläste der Parapodien sind
kräftig, mit langen, ein großes Bündel bildenden Borsten. Die
Dorsaläste dagegen sind klein mit wenigen langen gesägten
Borsten. Die Dorsaleirren überragen die Borsten, die Ventral-
cirren sind klein und erreichen den unteren Rand der Spitze
der Füße. Die Elytren: befinden sich auf den Segmenten 2, 4,
1,9.2...23, 25, 27, 28, 30, 32, 33; sie sind gefleckt, das erste
Paar ist abgerundet und mit Tuberkeln besetzt, die übrigen
sind eiförmig glatt, die letzten sind sehr klein; bei 300facher
Vergrößerung bemerkt man große Zellen und ovale große Pigment-
körperchen. | (Kinberg)
Fundort: Honolulu.
Halosydna fuscomarmorata (6r.).
Syn.: 1875 Polynoe fuscomarmorata Grube, J. B. schles. Ges.
1875, p. 62. — 1906 Halosydna fuscomarmorata Augener, Bull.
Comp. Zool. vol. XLIII, 1906 p. 117, tab. 3, Fig. 41144.
Ich gebe zunächst die Grube’sche Beschreibung hier wieder:
„Die Form hat einen blaßgelb und schwarz querbandierten
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 121
Rücken und gelb und schwarzwolkig gefleckte schwarzgesäumte
glatte Elytren.‘“
Zufälligerweise fand sich unter den Polynoiden des Zoologischen
Museums Berlin noch ein Parapodium und zwei Elytren der Type,
die nach Augener’s Angaben nicht mehr vorhanden ist (]. c. p.119).
Nach diesem konnte ich feststellen, daß das von Augener be-
schriebene Exemplar wirklich ein FH. fuscomarmorata ist. Über
die Körpergestalt sagt Augener: Das Tier hat bei vollständiger
Erhaltung eine Zahl von 37 Segmenten und eine grau-gelbliche
Färbung, auf der Dorsalseite macht sich an einigen Stellen noch
eine verloschene Querbänderung der Segmente bemerkbar. Die
Dorsalseite wurde von den Eontzom welche größtenteils verloren
gegangen sind, wohl gerade eben bedeckt. Die größte Körper-
breite des Tieres beträgt mit Rudern 0,55 cm und die mittleren
Segmente sind (ohne Ruder), ungefähr sechsmal breiter als lang.
Der Kopflappen von grau-rötlicher Färbung ist etwa vier-
eckig kreisförmig, so lang wie breit, in der Mitte am breitesten
und wird durch eine Längsmedianfurche in zwei Hälften geteilt.
Der Kopflappen trägt zwei Paar Augenflecke, von denen die
vorderen größeren in der Mitte des Seitenrandes, die hinteren
an den Hinterecken des Kopflappens stehen. Das erste Segment
ragt dorsalmedian in einer schwach konvexen Falte auf den
Kopflappen hinauf, die hinteren Augen fast verdeckend. - Die
Basalglieder der verlorenen Fühler sind von gleicher Länge, die
seitlichen etwa halb so dick, als das des unpaaren Fühlers. —
Die Palpen sind wie die Cirren glatt, kräftig kegelförmig, doppelt
so lang wie der Kopflappen, mit einem dorsalmedianen Längswulst
versehen, wie die Fühlerbasalglieder bräunlich schwärzlich gefärbt
und mit weißer Spitze endigend. — Die Ruder sind ohne Borsten
etwa halb so lang, wie der Körper breit ist, mit den Ventralborsten
etwa °/, so lang. Die Dorsalcirren sind an der Wurzel bräunlich,
übrigens weiß gefärbt und tragen etwas distalwärts von ihrer
Mitte einen schwarzen Pigmentring. Der fadenförmige Ventral-
cirrusist etwa halb so lang wie der ventrale Ruderast. (Augener.)
— Der Dorsalast enthält nur wenige schlanke, mehr oder
weniger schwach gebogene Borsten, deren Spitzen sämtlich
abgebrochen sind, sodaß ich hierin auf die Abbildung Augeners
verweisen muß. Die Verdickungsstelle liegt etwa zu Beskin des
zweiten Drittels des frei herausragenden Teils der Borsten. Von
dieser Stelle an sind die Borsten mit kräftigen Dornenreihen
versehen. Die Ventralborsten sind bei der Type nicht so stark
gebogen, wie sie Augener angibt, die nach vorn gebogene Spitze
ist etwas stumpf und kräftig zweizähnig. Die Ornamentierung
ist ziemlich kurz. — Die Elytren sind oval eiförmig, am Rande
vollkommen glatt, ohne eine Spur von Fransen. Die Färbung
der Elytren war bei den typischen Exemplaren nicht nachzuweisen,
jedoch kann man so viel erkenner, daß helle und dunkle Stellen,
die ganz unregelmäßige Gestalt annehmen, abwechseln. Am Rande
11. Heft
122 Hans J. Seidler:
und an der Anheftungsstelle findet sich ein schwarzer Saum.
Im Gegensatz zu Augener möchte ich darauf hinweisen, daß
sich Papillen nicht nur am Rande, sondern auch in der Mitte
ja über das ganze Elytron zerstreut finden. Die Rand-
papillen sind von den in der Mitte liegenden nur durch einen
schmalen, wenig oder gar keine Papillen enthaltenen Streifen
getrennt. Dann aber nach innen zu finden sich die Papillen
ın derselben dichten Verteilung, wie am Rande. Diese Papillen
sind kleine rundliche Erhebungen, die nach oben spitz zugehen.
Fundort: Westindien.
Halosydna leucohyba (Schm.).
Syn.: 1861 Polynoe leucohyba Schmarda, Neue wirbel-
lose Thiere I, II, p. 153, tab. XXX VL], fıg. 308. — 1865 ? Antinoe
leucohyba Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 193.
— 1865 (66) Polynoe leucohyba Quatrefages, Hist. nat I, p. 251.
— 1884 Halosydna leucohyba Webster, Bull. U. S. Nat. Mus.
24/26, p. 309, pl. VII, figs. 16/18, pl. VIII, figs. 19/20. — 1885
Polynoe pustulata Me Intosh, ‚‚Challenger‘‘ Exp. XII, p. 115,
pl. X, Fig. 3, pl. XVII, fig. 2, pl. IX, A, figs. 6, 7.. — 1887 ‚Pol,
granulata Ehlers, Report onthe Annelids, p. 50, Taf. XI, fig. 2/7.
Der Kopf des Tieres ist rund, breiter als lang, oben schwach
konvex. Die Seitenränder sind schwach gebogen. In der medianen
Längslinie befindet sich eine furchenähnliche Vertiefung, die
vom vorderen Rande bis etwa zur Mitte des Kopflappens reicht.
Das Basalglied des Mediantentakels ist stark, fast zylindrisch
und erreicht etwa °/, der Kopflänge. Der Tentakel selbst ist
etwa dreimal so lang, wie seinGrundglied, geht zunächst allmählich
spitz zu, verdickt sich dann ein wenig, verjüngt sich dann aber
plötzlich und geht in einen ziemlich langen Endfaden aus. Die
Basalglieder der Lateraltentakel sind kürzer und dünner als
das des Mediantentakels und besitzen etwa die halbe Länge
des Kopflappens. Die Tentakel sind selbst ebenfalls kürzer als
der Mediantentakel, ähneln diesem aber im Habitus vollkommen.
Die Palpen, die unterhalb der Tentakel entspringen, sind kräftig
und konisch. Sie gehen langsam spitz zu und endigen dann
plötzlich in einem kurzen Endfaden, der beträchtlich kürzer ist,
als der der Tentakel. Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei
Paar deutliche schwarze Augen, die trapezartig angeordnet sind.
Das vordere Augenpaar liegt an der breitesten Stelle des Kopf-
lappens, das hintere ziemlich dieht am Hinterrande; beide liegen
dicht an den äußeren Rändern. Der Kopflappen selbst ist farblos,
die Basalglieder besitzen ein dunkles Pigment, das sich auch auf
die Tentakel fortsetzt, jedoch innerhalb der Art variiert. Ein
Exemplar besitzt schwarze Tentakel, bei denen nur die Spitzen
weiß bleiben. Die anderen jedoch zeigen dies Pigment nur am
Grunde der Tentakel und an der subterminalen Verdickung in
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 123
Form eines Ringes. — Die Tentakulareirren sitzen auf langen
Basalgliedern, die noch die der Tentakel überragen. Die Cirren
selbst sind sehr lang, und zwar erreichen die oberen die Spitzen
der Palpen, während die unteren etwas kürzer sind. Im Habitus
ähneln sie vollkommen den Tentakeln, ebenso in der Färbung,
jedoch mit der Ausnahme, daß die Grundglieder farblos bleiben.
— Der Körper besteht aus 37 Segmenten, einschließlich Tentakular-
cirren- und Analsegment. In der Medianlinie des Rückens, die
von den Elytren nicht bedeckt wird, sieht man auf jedem Segment
mehrere dunkle Querstreifen, die sich auch so verwischen können,
daß man nur unregelmäßige dunkle Flecke sieht. Die Zeichnung
ist so, daß am Vorderrande des Segments sich ein kleiner Fleck,
am Hinterrande dagegen ein großer Fleck befindet. Am Hinter-
ende des Körpers befinden sich zwei Analeirren, die im Habitus
den Tentakeln gleichkommen, jedoch eine andere Färbung be-
sitzen, die gleich der der Dorsaleirren ist. Das Grundglied ist
farblos. Das erste Viertel etwa ist dunkel pigmentiert, das zweite
farblos, das dritte, das noch die Hälfte der subterminalen Ver-
diekung einnimmt, dunkel und das letzte Viertel, daß die faden-
förmige Spitze einschließt, ist wieder farblos. — Im vorderen
Körperteil ist der Rücken gewöhnlich nackt, jedoch kommen
auch hier Schwankungen vor. Dagegen ist die hintere Region
der medialen Rückenlinie selten unbedeckt. Auch die Elytren
unterliegen individuellen Schwankungen. Sie sind alle glatt-
randig, ohne irgend welche Fransung und besitzen eine eiförmige
Gestalt. Die Anheftungsstelle liegt exzentrisch. Auf verschiedenen
Elytren bemerkt man große, weiße Papillen, die schon mit bloßem
Auge zu sehen sind, jedoch fand ich bei einigen Exemplaren,
daß die vorderen Elytren papillenfrei sind und braun und weiß
oder schwarz und weiß gefleckt sind; die Stelle, die von dem
anderen Elytron bedeckt wird, ist farblos. Die mittleren Elytren
sind einheitlich braun und durchsichtig. Wir finden schon bei
diesen, allerdings sehr verstreut, auf der Oberfläche Papillen,
die erst auf den hinteren Elytrenpaaren deutlich hervortreten;
zunächst nur schwach am Hinterrande, 3—5 auf jedem Elytron,
sodaß man sie ohne Vergrößerung nicht bemerkt, treten sie bei
den hinteren Elytrenpaaren in größerer Zahl und Form auf.
Bei anderen Exemplaren dagegen findet man zwar auch, daß die
Papillen auf den vorderen Eiytren nicht so dicht stehen und
deutlich zu erkennen sind, wie auf den hinteren, aber es ist kein
deutlicher Unterschied vorhanden. Die Elytren haben eine
dunkelgrüne Farbe, und die Stelle, die unter dem vorhergehenden
liegt, ist papillenfrei und farblos. Ebenso ist auch die Anheftungs-
stelle auf der Oberfläche durch einen weißen Fleck gekennzeichnet.
— Der dorsale Parapodialast ist ziemlich klein und besitzt nur
wenige, etwa 6—8, Borsten, die sehr kurz und fein sind, gleich-
mäßig der Spitze zugehen und mit transversalen Reihen von
kleinen Dornen versehen sind. Der Ventralast dagegen ist sehr
11. Heft
124 Hans J. Seidler:
stark und besteht aus etwa dreißig kräftigen zweispitzigen Borsten.
Sie sind stark gebogen und besitzen eine ziemlich lange Orna-
mentierung. Der erste distale Zahn ist besonders stark ausgebildet.
Die Ornamentierung reicht etwa bis zur Biegung der. Borste.
— Der Dorsaleirrus ruht auf einem ziemlich starken konischen
Grundglied, das ungefähr in der Reihe der Elytrophoren inseriert
ist. Der Cirrophor erreicht nicht ganz die Spitze des Parapods.
Der Cirrus jedoch, der dieselbe Form und Färbung wie der Änal-
eirrus hat, nur etwas kürzer als dieser ist, überragt die Borsten
des Ventralastes. Die Ventraleirren, die einfach konisch sind,
erreichen nicht ganz die Spitze des Parapods.
Fundort: Tortugas, La Guayana (Westindien).
Halosydna Pissisi (@fg.).
Syn.: 1865 (66) Polynoe Pissise Quatrefages, Hist. nat.
t. 1; p.251.
Der Kopf ist sehr klein und von den Elytren bedeckt. Die
Tentakel sind ziemlich klein und fast gleich (?). Die Palpen
sind doppelt so lang und dick, mittelmäßig. Der Körper besteht
aus 37 Segmenten und ist von 18 Elytrenpaaren bedeckt. Das
erste Paar ist dekussat, die übrigen nur imbrikat. Die Elytren
sind abgerundet, glatt, am äußeren Rande kurz gefranst. Am
Ende befinden sich kurze Analeirren. Die Tentakel und Dorsal-
eirren sind gegen die Spitze hin etwas angeschwollen. — Die
Länge dieser Art beträgt ungefähr 22—23 mm. Der Kopf ist
sehr klein und vom ersten Elytrenpaar verdeckt. Der Median-
tentakel fehlt, aber nach dem vorhandenen Basalglied zu urteilen,
kann er weder viel stärker noch viel länger als die lateralen gewesen
sein. Diese sind schlank und sehr kurz. Die Palpen, die kaum
(das doppelte an Länge und Dicke erreichen, können fast als klein
ER werden. — Der Körper besteht aus 37 kräftigen Seg-
menten und wird auf den Seiten von den Elytren vollkommen
bedeckt, welche vom zweiten Segment an gerechnet den mit.leren
Rücken nackt lassen. Diejenigen des ersten Paars allein sind
so groß, daß sie sich in der Medianlinie kreuzen; aber alle anderen
sind imbrikat und hinten berühren sie sich kaum. Diese Elytren
sind abgerundet, und die der Mitte besonders sind fast rund.
Übrigens haben sie eine glatte Oberfläche und am äußeren Rand
findet man einen kurzen und wenig ausgedehnten Fransenbesatz.
— Die Parapodien sind konisch und kurz. Die zwei Äste, oder
um genauer zu sprechen, ihre Borstenerhebungen sind einander
sehr genähert. Diejenige des oberen Astes hat nur ein kleines
Bündel von kurzen, gebogenen an der konvexen Seite sehr fein
gesägten Borsten. Im unteren Ast findet man zwei Bündel;
das eine mit 4—5, das andere mit 15—18 Borsten. Die Borsten
sind übrigens einander ähnlich, lang, gerade, mit einem gebogenen,
spitzen, zurückgebogenen und an der äußeren Seite der Biegung
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 135
gezähnten Ende. — Die Dorsaleirren sind pfriemförmig, gegen
das Ende hin leicht verdickt und überragen die Spitzen der
Borsten. Diejenigen der vier letzten Segmente sind in Form
der Analcirren verlängert. Die ventralen sind sehr klein und
in der Mitte des Ventralastes inseriert. ( Quatrefages)
Fundort: Brasilien.
Halosydna samoensis (Gr.).
Syn.: 1875 Polynoe samoensis Grube, J. B. schles. Ges.
1875, p. 62. |
Diese Form hat eisengraue, weiß getüpfelte, dunkelgesäumte,
glatte, mit mikroskopischen, an manchen Stellen fadenförmig
verlängerten Papillchen besetzte, glattrandige Elytren. 18 Paare
Elytren und 37 Segmente. (Grube)
Fundoıt: Samoainseln.
Halosydna marginata (Gr.).
Syr.: 1857 Polynoe marginata Grube, Vid. Med. nat. Foren.
Kjöbenhavn for 1856 p. 48. — 1865 Antinoe marginata Baird,
Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII p. 194. — 1865 (66) Polynoe
marginata Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 239. — 1875 Grube,
J. B. schles! Ges. 1875 p. 62.
Der Körper besteht aus 37 Segmenten und besitzt an der
Dorsalseite eine rosaweiße Färbung. Seitlich ist der Rücken
mit einem schwarzen Streifen versehen. Der Körper ist an den
beiden Enden verschmälert. Jederseits finden sich 18 Elytren,
die eine ovale Gestalt haben. Ihre Färbung ist eisengrau, mit
weißen Streifen, während der Rand s:hwarz ist. Sie bedecken
den Rücken vollkommen. Der Mediantentakel, die Lateral-
tentakel und die oberen Tentakularcirren sind fast gleich lang
und überragen das erste Elytron weit. Der Mediantentakel
und die Tentakularcirren sind unter der Spitze angeschwollen.
Die Palpen sind konisch und an der Basis fast dreimal dicker
als jene. Die Lateraltentakel sind etwa halb so lang wie der
mediane und ebenso zugespitzt. Die Dorsaleirren sind glatt,
grau und unterhalb der Spitze verdickt. An der Verdiekungs-
stelle findet sich eine schwärzliche Binde. Sie überragen die
Borsten ein wenig. — Länge fast 9 Linien, größte Breite mit den
Borsten 2,5 Linien. (Grube)
Fundort: Callao.
Halosydna brevisetosa Kbg.
Syn.: 1856 Halosydna brevisetosa RKinberg, Öfv. af Kong].
Vetensk.- Ak. Förh. 1855 p. 385. — 1858 Kinberg, Freg. Eug.
Resa p.18, tab. V, fig.25. — 1863 Lepidonotus grubeı Baird,
Proc. Zool. Soc. London 1863 p. 107. — 1865 Halosydna grube:
11. Teft
126 Hans J. Seidler:
Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII p. 189. — 1865
Hal. brevisetosa Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII,
p. 186. — 1865 (66) Polynoe brevisetosa Quatrefages, Hist.
nat. t. I, p. 256. — 1875 Halosydna brevisetosaGrube, J. B.
schles. Ges. 1875 p. 62. — 1875 Lepidonotus insignis Grube,
J. B. schles. Ges. 1875 p. 63. — 1875 Lep. grubei Grube, J. B.
schles. Ges. 1875 p. 63. — 1879 Polynoe brevisetosa Johnson,
Calif. Ac. of Sei. III, 1, 1879, p. 167, tab. VI, fig. 24, tab. VII,
fig. 31, 40, 40a, tab. VIII, fig. 46, 46a. — 1901 Polynoe insignis
Johnson, Proc. Bost. Soc. Nat. Hist. XXIX, p.387. —
1902 Pol. brevisetosa Treadwell, Bull. Unit. St. Com. of Fish.
XX, pt. II. — 1908 Halosydna insignis Moore, Proc. Ac. Nat.
Hist. Philad. 1908, p. 330. — 1909 Hal. brevisetosa Moore,
Pro:. Ac. Nat. Hist. Philad. 1909 p. 240. — 1910 Hal. insignis
Moore, Proc. Ac. Nat. Hist. Philad. 1910 p. 329. —
Die Lateraltentakel sind länger als die Hälfte der Palpen.
Der kräftige Mediantentakel, dielangen Palpen und die Tentakular-
eirren sind verdickt und mit einer dünnen Spitze versehen. Die
18 Paar Elytren zeigen wenig runde Tuberkel und sind mit kurzen
Fransen verseher. Die Ventralborsten sind sehr kurz und unter-
halb der Spitze gesägt. Die Körperlänge beträgt 40 mm, die
Breite Smm. Der Kopflappen ist abgerundet und länglıch.
Die Augen sind gleich groß. Das Basalglied des Mediantentapels
ist länger als die der lateralen. Die Tentakel sind gleich der
doppelten Länge des Kopflappens, vor der dünnen Spitze ein
wenıg angeschwollen. Die Länge der Lateraltentakel ıst gleich
2/, der des medianen, mit einer dünnen Spitze und länger als der
Koptlappen. Die Palpen sind ein wenig kürzer als der Median-
tentakel, unterhalb der scharfen und langen Spitze verdickt
und vollkommen glatt. Die Tentakularcirren entspringen vom
ersten verlängerten Parapodienpaar und erreichen die Spitze
9
der Palpen. Der ausstülpbare Pharynx zeigt „ gleiche Papillen
und zwei Paar kräftige Maxillen mit Fortsätzen, welche ein wenig
kürzer sind als bei den übrigen zu dieser Gattung gehörigen
Arten. Die Schneide der unteren Maxillen zeigt einen schwachen
Zahn. Die Dorsaläste der Parapodien sind klein mit kürzeren
und einigen längeren gesägten Borsten. Die Ventraläste sind
kräftig mit kurzen Borsten, welche unterhalb der einfachen
Spitze wenig, aber tief gesägt sind. Die Dorsaleirren besitzen
eine kräftige Basis; sie selbst sind lang, zylindrisch und mit
‘einer dünnen langen Spitze versehen. Die Ventraleirren sind
dünn, scharf und erreichen die Spitze der Füße. Die Analcirren
ähneln den dorsalen. Die Analöffnung ist dorsal gelegen und
von den Elytren nicht bedeckt. Die Elytren sind oval, mit
wenigen runden Tuberkeln, mit großen abgerundeten Zellen
und am äußeren Rande mit kurzen Fransen versehen, während
die drei vorderen Paare mit größeren Tuberkeln besetzt sind.
(Kinberg)
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 127
Fundort: Sausolita-Bay, in der Nähe von S9an
Franzisko. Kalifornien, 8—10 Klafter Tiefe.
II. 45 Segmente, 21 Elytrenpaare.
Halosydna fusca (Johs. Müll.).
Syn.: 1858 Polynoe fusca Jobs. Müller, Arch. Nat. Gesch.
24, I, p. 212. — 1875 Grube, J. B. schles. Ges. 1877, p. 63.
Der Kopf des Tieres ist rundlich, fast ebenso lang wie breit
und mit einer Furche in der Längsmedianlinie versehen. Diese
Furche greift vom vorderen bis zum hinteren Kopfrande. Das
Grundglied des Mediantentakels ist kräftig, fast zylindrisch,
etwa 2/;—?/, so lang wie der Kopflappen. und an seinem distalen
Ende nicht verbreitert. Der Mediantentakel selbst ist schlank,
er geht zunächst der Spitze allmählich zu, verdickt sich dann
aber und läuft schließlich in einen ziemlich langen Endfaden aus.
Der Tentakel erreicht etwa die 3—3!/,fache Länge des Kopf-
lappens. Die Grundglieder der Lateraltentakel sind ebenso
lang wie der des medianen, jedoch schwächer und an ihrem distalen
Ende verbreitert. Die Lateraltentakel verhalten sich in der
Form wie der Mediantentakel, sind aber beträchtlich kürzer
als dieser; sie sind nur etwa 1?/, bis zweimal so lang wie
der Kopflappen. Die Palpen sind kräftig, länglich konisch
und überragen noch die Lateraltentakel. Die Spitze ist stumpf
und mit einem kurzen Endfaden versehen. Auf dem Kopflappen
bemerkt man zwei Augenpaare, von denen das vordere in der
queren Mittellinie des Kopfes an die seitlichen Ränder gerückt
liegt, während das andere an den hinteren seitlichen Rändern
zu suchen ist. Die Augen stehen also in Trapezform. — Die
Grundglieder der Tentakel und auch einige Stellen in der Nähe
der Längsmedianlinie des Kopflappens sind mit einem dunklen
Pigment versehen. Dasselbe zeigt sich am Grunde der Tentakel
und auch vor der subterminalen Verdickung, wo sich das Pigment
in Form eines Ringes zeigt. Die Palpen sind hellbraun gefärbt,
jedoch finden sich einige dunkelbraune Längslinien und die
Spitze bleibt vollkommen farblos. — Die Basalglieder der Ten-
takulareirren endigen in gleicher Höhe mit denen der Tentakel.
Die Cirren selbst sind beträchtlich länger als die Lateraltentakel,
etwa von der Länge des medianen. In Form und Färbung ver-
halten sie sich wie die Tentakel. — Der Körper besteht aus
45 Segmenten. Der mediane Teil des Rückens ist hellbraun
pigmentiert, während die lateralen Teile und die Parapodien
farblos bleiben. Die Ventralseite ist vollkommen farblos. —
Die Elytren, an Zahl 21 Paar, bedecken teilweise den Körper
vollständig, teilweise lassen sie den medianen Teil nackt. ie
Form der Elytren ist rundlich bis eiförmig oval. Der Rand ist
vollkommen glatt, fransenlos. Papillen bemerkt man ringsherum
in einiger Entfernung vom Rande mit Ausnahme des inneren
11. Heft
128 Hans J. Seidler:
Teils; diese haben eine halbkugelähnliche Gestalt. Die An-
heftungsstelle liegt im äußeren Teil des Elytrons und besitzt
eine ovale Gestalt. Die Färbung ist ein helles Braun, die nach
innen zu mehr und mehr verblaßt, nach der Anheftungs-
stelle dagegen etwas dunkler wird. Es finden sich
dann aber noch einige farblose Flecke. — Der ventrale
Parapodialast enthält kräftige Borsten, die vor der
Spitze schwach nach rückwärts gebogen und nur äußerst
wenig verdickt sind und dann sich allmählich verdünnend
in eine scharfe zweizähnige nach vorn gebogene Spitze
auslaufen. Die Ornamentierung besteht aus etwa 10 bis
12 Dornenreihen, die außer der ersten einander ähnlich
und fast gleich lang sind (Fig. 16). Im Dorsalast finden
sich dünne, nach rückwärts gebogene und langsam und
gleichmäßig der Spitze zugehende Borsten, die von
Anfang bis Ende mit Dornenquerreihen versehen sind,
— Die Dorsaleirren sind tentakelähnlich und überragen
noch die Ventralborsten. Die Ventraleirren dagegen
sind kurz und länglich konisch.
Fundort: Desterro (Brasilien).
Halosydna australis Kbg.
Syn.: 1856 Halosydna austrais Kinberg, Öfv. af Kongl.
Vetensk.-Ak. Förh. 1855 p. 385. — 1858 Kinberg, Freg. Eug.
Res. p. 16, tab. V, fig.21, tab. X, Fig.54. — 1865 Baird,
Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 186. — 1865 (66) Polynoe
australis Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 255. — 1875 Halo-
sydna australiss Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 63.
Die Lateraltentakel sind kürzer als die ‚Hälfte der Palpen,
und der Mediantentakel überragt sie.. Die Tentakular- und Dorsal-
cirren sind vor der pfriemförmigen. Spitze aufgeblasen. Die
einundzwanzig Paar Elytren sind glatt. Die unteren Borsten
zeigen eine zweizähnige Spitze und sind unterhalb dieser gezähnt.
— Der Körper ist 30 mm lang, mit Borsten 6mm breit und
besitzt 45 Segmente. Der Kopflappen ist breit mit abgerundeten
Seiten und vier gleichgroßen Augen. Die Basis des Mediantentakels
ist kaum länger als die der lateralen. Die Palpen sind länglich
konisch, vor der kurzen Spitze aufgeblasen und rauh. Die Ten-
takularcirren ähneln im Habitus den Tentakeln, sind aber dünner.
Die Ventraleirren des zweiten, Segments erreichen die Länge
der Lateıaltentakel. Der ‚ausstülpbare Pharynx zeigt = Papillen,
von denen die seitlichen kleiner sind. Die Dorsaläste der Para-
podien sind klein und mit Borsten versehen, welche die Spitze
des Fußes nicht erreichen und dünn und gesägt sind. Die Ventral-
äste sind kräftig, konisch und mit zweigezähnten unterhalb
der Spitze dornigen Borsten versehen. Die Dorsaleirren erreichen
die Länge der Tentakulareirren. Die Ventraleirren sind länglich
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 129
konisch und erreichen die Spitzen der Parapodien. Die Anal-
cirren überragen an Länge noch die benachbarten Dorsaleirren.
Die Elytren sind auf den Segmenten 2, 4,5, 7,9........ 23, 25,
27, 28, 30, 31, 34, 36, 38, 41 inseriert, glatt erscheinend, aber bei
dreihundertfacher Vergrößerung bemerkt man gekrümmte Dornen
und spitze verlängerte Zellen und Flecken von kleinen Pigment-
körnchen. (Kinberg)
Fundort: Atlantischer Ozean, Am La Plata.
Halosydna brasiliensis Kbg.
Syn.: 1857 Halosydna brassliensis Kinberg, Freg. Eug.
Resa p.16, tab. V, fig.22. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc.
London Zool. VIII, p. 186. — 1865 (66) Polynoe janeirensis
Quatrefages, Hist. nat. t.I, p. 255. — 1875 Halosydna. bre-
siliensis Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p.63. — 1881 Hal.
janeirensiss Hansen, Recherches sur les Ann. rec. par E. v.
Beneden Brasil. La Plata p. 4.
Die Lateraltentakel überragen die Hälfte der Palpen, während
der Mediantentakel etwa zweimal so lang wie die Lateralen ist.
Die Tentakulareirren und Dorsaleirren sind unterhalb der pfriem-
förmigen Spitze aufgeblasen. Den Körper bedecken 21 Paar
Elytren; die Ventralborsten sind zweizähnig und unterhalb
der Spitze gesägt. — Der Körper erreicht eine Länge von 34 mm,
eine Breite mit den Borsten von 7 mm und besteht aus 45 Seg-
menten. Der Kopflappen ist abgerundet, mit gleichgroßen
Augen. Die Basen der Tentakel sind fast gleich lang. Die Basen
der lateralen sind länglich und divergierend. Der Mediantentakel
ist mit der Basis dreimal so lang wie der Kopflappen und überragt
noch die Palpen. Diese sind unterhalb der Spitze aufgeblasen,
kräftig und rauh. Die Tentakulareirren ähneln im Habıtus dem
Mediantentakel, sind aber viel dünner und kürzer und etwa so
lang wie die Ventraleirren des zweiten Segments. Der. aus-
stülpbare Pharynx besitzt an seinem Vorderende fast gleiche.
Papillen. Die Maxillen ähneln denen von Halosydna australis.:
Die Dorsaläste der Parapodien sind klein und mit Borsten versehen,
welche die Spitze des Fußes nicht erreichen und gesägt und
spitz sind. Die Ventraläste sind kräftig, konisch mit zweizähnigen
Borsten bewaffnet, von denen der größere Zahn gekrümmt ist.
Die Dorsaleirren erreichen die Länge der Tentakulareirren. —
Die Ventraleirren erreichen die Spitze der Parapodien. Die
Elytren sind glatt, aber das erste Paar ist mit niedrigen konischen.
Tuberkeln versehen. Bei starker Vergrößerung bemerkt man
auf ihnen abgerundete Tuberkel und große ovale Zellen. mit
großen Pigmentkörpern. (Kinberg)
Fundort: Rio de Janeiro. N
Archiv ae 9 Den
130 Hans J. Seidler:
Halosydna punetulata (Gr.).
Syn.: 1858 Polynoe punctulata Grube, Vid. Med. 1856 p.49.
Der Rücken ist blaugrau, quer gestreift, in der Mitte mit
einzelnen oder zusammengehefteten papillenförmigen Körperchen
versehen. Der Körper besteht aus 45 Segmenten. Jederseits
sind 21 Elytren vorhanden, die vorn den mittleren Rücken nicht
bedecken, fast oval, glänzend, braun violett, ein wenig marmoriert
sind, deren Insertionsstelle weiß ist, und die am äußeren Rand
sehr kurz gefranst sind, während die vorderen am Rande mit
sehr kleinen weißlichen Papillen versehen sind. Die Palpen sind
nicht dick und kürzer als der obere Tentakulareirrus. Die Dorsal-
cirren ähneln denen von H. Mülleri. Die Borsten stehen gedrängt.
Die Länge beträgt fast 12 Linien, die größte Breite mit den
Borsten #, ohne dieselben 2,5 Linien. (Grube)
Fundort: Rio de Janeiro.
III. Speeies incertae sedis.
Halosydna (?) elegans Kbg.
Syn.: 1858 Halosydna elegans Kinberg, Freg. Eug. Resa
p. 18. — 1865 (66) Polynoe jucunda Quatrefages, Hist. nat.
t. I, p. 256. — 1875 Halosydna elegans Grube, J. B. schles. Ges.
1875 p. 63.
Die Lateraltentakel sind gleich der halben Länge des medianen
und länger als der Kopflappen, während die Palpen kürzer sind.
Die Tentakular- und Dorsaleirren sind glatt. Die Ventralbrosten
sind unterhalb der Spitze gesägt. — Die Länge des nur 37 Segmente
umfassenden Körpers beträgt 15 mm, die Breite mit den Borsten
4mm. Der Kopflappen ist abgerundet, die Grundglieder der
Lateraltentakel und des medianen sind gleich lang. Dieser ist
mit Grundglied mehr als doppelt so lang wie der Kopflappen,
etwa gleich der doppelten Länge der Lateraltentakel. Diese
ähneln im Habitus dem medianen und sind ein wenig länger
als der Kopflappen. Die Palpen gehen der Spitze allmählich
spitz zu, sind aber kürzer als der Mediantentakel. Der Pharynx
ist ausstülpbar und mit + Papillen versehen, die Maxillen sind
an der Schneide zahnlos. Die Dorsaläste der Parapodien tragen
sehr viele gesägte Borsten, welche an Länge den Borsten der.
Ventraläste gleich kommen. Die Ventralborsten sind unterhalb
der Spitze gesägt. Der Dorsaleirrus sitzt auf einem hohen Grund-
glied und ist spitz, kurz und glatt. Die vorhandenen 19 Paar
Elytren befinden sich auf den Segmenten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13,
15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 28, 30, 31, 33, 34; sie sind glatt, gefleckt,
am Rande fransenlos und bei starker Vergrößerung betrachtet
mit großen ovalen Zellen versehen. (Kinberg)
Fundort: Chataminseln ( Galapagos).
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 131
Nach der Beschreibung Kinbergs ist das Tier nicht voll-
ständig. Ob es also zur Gattung Halosydna gehört, ist, zweifelhaft.
Ich stelle diese Art daher mit (?) zu dieser Gattung..
Halosydna (?) batheia Horst
Syn.:1917 Halosydna batheia Horst, ‚„Siboga“ Exp. Monogr.
XXIV, p. 82, pl. XIX, figs. 3/5.
Das Tier hat eine Länge von fast 15 mm und besteht 'aus
ungefähr 48 Segmenten. Der Kopf ist rund, etwas breiter als lang,
durch eine schwache Medianfurche in zwei Hälften geteilt; Augen
sind nicht sichtbar. Der Mediantentakel ist lang und schlank,
distalwärts spitz zugehend; er besitzt ungefähr die vierfache
Länge des Kopfes. Die Palpen, die fast so lang wie die Tentakel
sind, haben eine plötzliche fadenförmige Spitze. Man findet
20 Paar Elytren, die den Mittelrücken unbedeckt lassen; jedes
Elytron ist oval, durchsichtig, granuliert, glatt, mit einer etwas
exzentrisch gelegenen Anheftungsstelle, von der einige verzweigte
Nervenstämme ausgehen. Das Parapodium besteht aus einem
verkleinerten papillenförmigen Dorsalast, das nur das Aciculum
enthält und einem größeren verlängerten dreieckigen Ventralast;
seine vordere Lippe ist stumpf, oval, kürzer als die hintere, die
spitz und papillenförmig ist. Die Lippen bestehen aus einem
losen durchsichtigen Gewebe, das aus großen Zellen zusammen-
gesetzt ist, das auch in dem Basalteil des Dorsaleirrus vorkommt.
Bei den Ventralborsten ist das distale Ende verbreitert, mit
einer zweigespaltenen Spitze und einem Dutzend gefranster
Lamellen; jedoch sind in dem Dorsalteil des Bündels die Borsten
länger, schlanker und distal kaum verbreitert. Der Dorsaleirrus
ist lang, das distale Ende des Ventralbündels überragend; der
ventrale ist kaum ein drittel so lang wie der dorsale, an seinem
Basalteil verbreitert und hat eine fadenförmige Spitze. (Horst.)
Fundort: Sumba Insel. 9° 3,4‘ S., 119° 56,7‘ O., 959 m
Tiefe. Da diese Art 48 Segmente aufweist, so gehört sie nicht
in die Gattung Halosydna. Ich stelle sie, da ich die Art nicht
nach der Beschreibung erkennen kann, vorläufig mit (?) zu
Halosydna.
Halosydna (?) willeyi Potts
Syn.: 1910 Halosydna (?) willeyi Potts, Trans. Lin. Soc.
London (2) 13, 1909/10 p. 340, pl. 21, figs. 44, 45. Ä
Maße: Länge 21mm, Breite 'mit Borsten 4 mm; Zahl der
Elytrenpaare 28; Zahl der Segmente 61. — Diese Art ist eine
kleine Form, mit schwach gebogenem Rücken. Der Kopf ist
klein, rund und durch eine Medianfurche in zwei Hälften geteilt.
Die Augen fehlen. Die Tentakel sind sehr kurz und abgestumpft
und sitzen auf breiten Basalgliedern, die sich am Kopf in ein
und derselben Höhe erheben. Der Mediantentakel ist etwas
9* 11. Hett
132 Hans J. Seidler:
länger als die lateralen. Die Palpen sind kräftig, konisch und
erreichen die Länge des Mediantentakels. Die Elytren befinden
sich auf den Segmenten 2, 4,5,7....23, 26, 29, 32, 33, 35, 37...
den Rücken vollständig bedeckend, glatt, farblos und fallen
von den Elytrophoren sehr leicht ab. Die Oberfläche ist un-
deutlich geädert und mit sehr kleinen, hufeisenförmigen chitinigen
Tuberkeln bestreut. — Die Parapodien sind denen von H. zeylanica
sehr ähnlich. Der Dorsalast ist klein, mit einem starken Aciculum
und wenigen ziemlich kurzen Borsten versehen, die leicht gebogen
mit zahlreichen Dörnchenreihen versehen sind und mit einer
ziemlich scharfen Spitze endigen. Die Ventralborsten sind denen
der oben genannten Art ähnlich, mit scharfer kräftig gebogener
Spitze; zwischen der Spitze und dem halbmondförmigen Horn
befindet sich eine Anzahl kurzer Dornen, an deren Grund parallele
Reihen von welligen Linien rund um die Borste laufen. An der
Seite des Horns ist bei allen Exemplaren eine kleine Stelle mit
feinen parallelen Streifen besetzt. (Potts)
Fundort: Amirante.
Da diese Art der Beschreibung nach nicht zur Halosydna
gehört und ich sie auch nicht in eine der bestehenden Gattungen
unterbringen kann, bevor ich die Art nicht gesehen habe, lasse
ich sie mit (?) hier stehen.
Halosydna (?) pilosa Horst
Syn.: 1917 Halosydna pelosa Horst, „Siboga“ Exp. Monogr.
XXIV, p. 81, pl. XIX, figs. 1, 2.
Der Körper besteht aus etwa 40 Segmenten und trägt 17 Paare
Elytren, die sich in der medianen Rückenlinie überdecken. Sie
sind schwarz marmoriert und haben einen schwarzen Fleck
an der Befestigungsstelle, die fast in der Mitte liegt. Ihre Gestalt
ist ohrförmig und ihr Habitus ähnelt den Elytren von Gattyana
cirrosa, da der hintere und äußere Teil ihres Randes mit einer
Reihe von schlanken, fadenförmigen Anhängen besetzt ist;
seitlich alternieren diese Wimpern mit kurzen Papillen, die mit
einem distalen Knopf versehen sind, die man auch an der Ober-
fläche der Elytren trifft. Daneben ist die Oberfläche mit kleinen
Papillen bedeckt, die in dem hinteren Teil des Elytrons ein ge-
kieltes Aussehen bekommen. Der Kopf ist etwas länger als breit,
rund, rechtwinklig, durch eine flache Rinne in zwei Hälften
geteilt; er trägt die beiden undeutlichen Augenpaare an der
Lateralseite ihres hinteren Teils. Von den Tentakeln ist der
mediane sehr lang, die lateralen an Länge um ein Drittel über-
treffend. Er hat eine fadenförmige Spitze und ist davor an-
geschwollen. Die Lateraltentakel sind distal ebenfalls fadenförmig
und etwas länger als die Palpen. Alle Tentakel sind mit Papillen
besetzt, und ihre Basalglieder sind schwarz gefleckt. Die Palpen
sind ebenfalls papillös, mit. einer plötzlichen fadenförmigen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I 183
Spitze. Die Parapodien sind mit schlanken Papillen versehen;
ihr Ventralast besteht aus kräftigen, dunkelgelben Borsten
mit einer einfach gebogenen Spitze und nur mit zwei oder drei
Zähnen an jeder Seite. Das Dorsalbündel enthält einige schlanke,
fadenförmige Borsten, die anihrer Kante gesägt sind. Der Dorsal-
eirrus ist sehr lang, mit seiner schlanken Spitze das Ende des
Ventralbündels überragend. Der ventrale jedoch ist ziemlich.
kurz und erreicht kaum den Anfang des Bündels.. (Horst)
Fundort: Malakka-Straße 5° 8‘ N., 100° 11° ©.
Da Horst mitteilt, das Tier besitze 40 Segmente und
17 Elytrenpaare, gehört es eigentlich nicht in die Gattung Halo-
sydna. Es ist nur zu bedauern, daß Horst die Elytrenstellung
nicht angegeben hat. Ich stelle sie mit (?) zu dieser Gattung.
Parahalosydna Horst
Diese Gattung unterscheidet sich von Halosydna in der
Segment- und Elytrenzahl. Der Körper ist nur aus 34 Segmenten
zusammengesetzt und den Rücken bedecken vollständig
15 Elytrenpaare. Der Dorsalast der Parapodien ist ebenso wie
der von Halosydna rudimentär.
Parahalosydna sibogae Horst
Syn.: 1915 Parahalosydna sibogae Horst, Zool. Med. Rijks.
Mus. v. Naturl. Hist. Leiden p. 11. — 1917 Horst, „Siboga“
Exp. Monogr. XXIV.
Inbezug auf die Gestalt des Kopfes und das rudimentäre
Aussehen des Dorsalbündels stimmt diese Art sehr m t Halosydna
überein, besitzt aber nur 15 Elytrenpaare. Das Exemplar ist
farblos und hat eine Länge von 12mm. Der Kopf ist an jeder
Seite mit einem Paar großer Augen versehen, dıe lateralwärts
vor seinem hinteren Rand dicht aneinander liegen. Die Elytren
bedecken den Rücken vollständig und überdecken sich in der
medianen Rückenlinie. Sie sind stark befestigt, schwach nieren-
förmig, mit einer glatten Oberfläche, ausgenommen einer Gruppe
von kleinen Tuberkeln längst ihrer konkaven Seite. Ihr Rand
ist ohne Anhänge und die Befestigungsstelle liegt exzentrisch
und ist mit einem Nervenganglion und zahlreichen von ıhm
ausstrahlenden, sich verzweigenden Ästen versehen. In dem
Parapodium ist der Dorsalast rudimentär und enthält drei kleine
schwach gesägte Borsten. Die ventralen Borsten haben einen
glatten Schaft und einen verbreiterten kegelförmigen Endteil,
der schwach gebogen und längs der beiden Kanten gesägt ist.
Der Dorsaleirrus ist sehr lang, ungefähr viermal so lang wie das
Ventralbündel. Diese Art kann nicht in die Gattung Halosydna
eingereiht werden, die nach Kinbergs Diagnose durch einen
11. Heft
134 Hans J, Seidler:
verlängerten Körper charakterisiert ist, mit mindestens 18 Elytren-
paaren ‚„‚dorsum non omnino tegentia‘“. (Horst)
Fundort: Soeloe-Inseln.
Halosydnoides n. g.
Diese Gattung betrachte ich ebenso wie Hyperhalosydna
als ein Bindeglied zwischen Halosydna und Lepidasthenia. Die
Segmentzahl schwankt zwischen 48 und 60, ebenso: natürlich
die Elytrenzahl, von denen 22—30 Paar vorhanden sind. Die
Dorsalborsten sind fast vollkommen verschwunden, es finden *
sich höchstens nur noch bis zum 15. Segment einige wenige.
Die Ventralborsten zeigen fast gar keine Ornamentierung, und
die scharfe, einzähnige Spitze ist stark nach vorn gebogen. Die
Elytren bedecken den Körper vollkommen und sind weißlich,
fast durchsichtig. Die Tentakel sind sämtlich sehr kurz und mit
einem relativ langen Endfaden versehen.
Halosydnoides vittata (Gr.).
Syn.: 1855 Polynoe vittata Grube, Arch. Nat. Gesch. XXI,
1, Zool. — 1863 Lepidonotus lordi Baird, Proc. Zool. Soc.
p. 107. — 1863 Lep. fragilis Baird, l.c. p. 108. — 1865 Halo-
sydna lordi Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 190.
— 1865 H. vittata Baird, l.c. p. 189. — 1865 Hal. fragels
Baird, l.c. p. 191. — 1865 (66) Polynoe fraglis Quatrefages,
Hist. Nat. #. I. — 1897. Pol. lord. Johnson, Cal. Ag.
Sei. I, p. 175, tab. VII, figs. 35, 44, tab. VIII, figs. 51, 5la, 5lb.
— 1897 Pol. fragilis Johnson, ].c. p. 179, tab. VII, figs. 36, 45,
tab. VIII, figs. 52, 52a, 52b. — 1902 Acholoe vittata Maren-
zeller, Denkschr. k. Ak. Wien LX, p.14, Taf. III, Fig. 13.
Der Kopf des Tieres ist breiter als lang und durch eine
mediane Längsfurche, die vom vorderen bis zum hinteren Rande
reicht, in zwei gleiche Teile geteilt, die ohne die aus ihnen hervor-
ragenden Basalglieder der Lateraltentakel eine birnförmige
Gestalt aufweisen. Das Vorderende ist also viel schmäler als das
hintere. Das Grundglied des Mediantentakels liegt zwischen
den beiden Ropfspitzen und erreicht fast die Länge des Kopf-
lappens ohne Kopfspitzen, d.h. also desjenigen Stückes, das
direkt hinter dem Basalglied des Mediantentakels liegt. Der
Tentakel selbst ist etwas länger als der Kopf (nach der Angabe
Johnsons 1897. Der Tentakel bei meinem Exemplar ist ab-
gebrochen). Die Grundglieder der Lateraltentakel sind vom
Kopf deutlich abgesetzt und erreichen etwa die halbe Länge
des Grundgliedes des Mediantentakels. Die Tentakel selbst
sind etwa so lang wie der Kopf. Sie gehen zunächst langsam,
dann plötzlich der Spitze zu und endigen in einem Faden. Die
Palpen sind beträchtlich länger als die Tentakel, sehr kräftig
und länglich konisch; die Spitze ist mit einem kurzen Endfaden
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 135
versehen. Vor der Spitze zeigt sich ein kräftiger, brauner Ring.
Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei Paar Augen, von denen
das vordere sich an der Stelle der größten Breite befindet, die noch
hinter der Mitte des Kopflappens liegt, während das andere Paar
in den hinteren seitlichen Ecken des Kopfes zu suchen ist. Der
ausgestülpte Rüssel trägt an seinem vorderen Rand N konische
zweilappige Papillen und zwei paar kräftige, braun und hell
längsgestreifte Kiefer. — Die Grundglieder der Tentakularciıren
sind kurz und dick und erreichen die Höhe der Grundglieder
der Lateraltentakel.e. Die Cirren selbst sind tentakelähnlich.
— Der Körper besteht aus etwa 60 Segmenten. Am Rücken
ist er mit Ausnahme einer schwachen dunklen dorsalen Median-
linie vollkommen farblos; ebenso ist die Ventralseite pigmentlos.
Der Nephridialpapillen sind sehr klein und oft kaum sichtbar.
— Die Elytren bedecken den Körper nicht vollständig. Es sind
von diesen 28 Paare vorhanden, die an den Segmenten 2, 4, 5,
1,9.... 21, 23, 26, 28, 29, 31, 33, 34, 36, 38, 40, .... 50, 52, 54
inseriert sind. Sie sind rundlich bis nierenförmig und vollkommen
slattrandig ohne Fransenanhang. Die Oberfläche ist ebenfalls
vollkommen glatt, ohne Tuberkelbesatz. — Die Parapodien sind
sämtlich zweiästig, jedoch enthält nur der ventrale Ast aus-
genommen bis zum 15. Segment, wo auch noch Dorsalborsten
vorhanden sind, Borsten. ie Dorsalborsten sind kurz, kräftig,
mehr oder weniger gebogen. Die Spitze ist deutlich zweizähnig,
jedoch sind die Zähne äußerst klein und stehen fast in gleicher
Höhe. Ungefähr von der Mitte bis zur Spitze hin sind sie mit
feinen transversalen Dörnchenreihen versehen. Die Ventral-
borsten sind kräftig und oft an der Verdickungsstelle, die sich
kurz vor der Spitze befindet, gebogen. Die einzähnige, sehr scharfe
und lange Spitze ist stark nach vorn gebogen. Die Ornamentierung
ist äußerst kurz und sehr schwach. — Die Dorsaleirren sind sehr
- diek, tentakelähnlich, fast zylindrisch und mit einem Endfaden
versehen. Einen ähnlichen Habitus weist der Ventraleirrus des
zweiten Segments auf. Die übrigen Ventraleirren sind kurz,
konisch und mit einem kurzen Endfaden versehen. — Da diese
Art eine Lepidonotine ist, kann für sie die Gattung Polynoe
nicht in Betracht kommen. Zur Gattung Halosydna zu der
Moore diese Art stellt, kann sie auch nicht gerechnet werden,
da Halosydna nur solche Formen umfaßt, deren Segmentzahl
37 oder 45 und deren Elytrenzahl 18 oder 21 beträgt. Die Gattung
Lepidasthenia kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es sind die
Ventralborsten ganz verschieden und die Elytren haben nicht
die Kleinheit der Gattung. Ich stelle deshalb eine neue Gattung
mit den oben genannten Merkmalen auf.
Fundort: Westküste von Nordamerika nördlich von
San Franzisko, Jesso (Japan).
11 Hett
156 | Hans J. Seidler:
Halosydnoides vittata (Gr.) var. pulchra.
Syn.: 1897 Polynoe pulchra Johnson, Proc. Cal. Ac. 3
Zool. vol.I, p. 177, pl. VII, figs. 34, 43, 43a, pl. VIII, figs. 50,
50a, 50b. — 1901 Johnson, Proc. Bost. Soc. XXIX, p. 390.
— 1908 Halosydna pulchra Moore, Proc. Ac. Philad. 1908,
p. 329. — 1909 Moore, 1.c. 1909 p. 240. — 1910 Moore,|.c.
1910 p. 328.
Im großen Ganzen ähnelt diese Varietät der Art H. vittata,
unterscheidet sich aber von dieser dadurch, daß die Elytren
in der Nähe der Anheftungsstelle oder direkt auf dieser einen
rötlichen Fleck zeigen, andererseits aber auch dadurch, daß die
Parapodien mit Ausnahme der ersten 3—5 die Dorsalborsten
verloren haben.
Fundort: Westküste von M.-Amerika, nördlich von
San Franzisko.
Hyperhalosydna Aug.
Die Segmentzahl dieser Gattung beträgt etwa 50, und die
Elytrenzahl etwa 22 Paar, die auf den Segmenten 2, 4, 5, 7, 9,
11. 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39, 41, 43 in-
seriert sind. Im Dorsalast finden sich keine Borsten, und die
Ventralborsten sind zweizähnig.
Hyperhalosydna striata (Kbg.).
Syn.: 1856 Lepidonotus striatus Kinberg, Öfv. af Kgl.
Vet.-Ak. Förh. p. 381. — 1858 Kinberg, Freg. Eug. Resa p. 14,
tab. IV, fig. 18. — 1865 Baird, Journ. Lin. Soc. London Zool.
VIII, p. 183. — 1865 (66) Polynoe striata Quatrefages, Hist.
nat. t. I, p. 227. — 1875 Lepidonotus striatus Grube, J. B. schles.
Ges. 1875 p. 61. — 1875 Polynoe fulvovittats Grube, 1.c. p. 63.
— 1878 Grube, Annulata Semperiana p. 33, tab. III, fig.1.
— 1883 Lepidonotus striatus Haswell, Proc. Lin. Soc. N. S. W.
VII, p. 281. — 1885 Polynoe platycırrus Mc Intosh, ‚Challenger‘
Rept. XII, p. 111, pl. III, fig. 4, pl. XVI, fig. 2, pl. XIX, fig. 3,
pl. VIII, A, fig. sl4, 15, pl. IX, A, fig. 1. — 1889 Lepidonotus
striatus Whitelegge, Journ. Proc. Roy. Soc. N.S. W. XXIII,
t. Il, p. 206. — 1902 Halosydna fulWvovittata v. Marenzeller,
Denkschr. K. Ak. Wien LXXIIL, p. 7. — 1903 Hylosydna carınata
Moore, Proc. Ac. Philad. 1903 p. 417, pl. XXIII, figs. 16, 17.
— 1910 Polynoe platycirrus Potts, Trans. Lin. Soc. (2) 13, p. 336,
pl. 18, fig. 8, pl. 20, fig. 28. — 1912 Pol. carinata Izuka, Journ.
Ac. Sci. Tokyo p. 38. — 1917 Halosydna Julwovittata Horst,
„Siboga“ Exp. Monogr. XXIV, p. 80. — 1920 Polynoe platy-
cırrus Ehlers, Nachr. Ak. Wiss. Göttingen p. 19.
Der Kopf des Tieres ist rundlich, etwas breiter als lang
und wird durch die Medianfurche in zwei kleine gleiche Teile
geteilt. Er ist mit zwei gleichen Augenpaaren versehen, von denen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 7
das vordere und zugleich größere Paar an der Stelle der größten
Breite in der queren Mittellinie liegt, während das andere in der
Nähe des Hinterrandes zu suchen ist. Das Grundglied des Median-
tentakels ist kräftig, fast zylindrisch und erreicht etwa die halbe
Länge des Kopflappens. Der Mediantentakel selbst ist abgebrochen,
undich füge deshalb die Bemerkung Kinbergs hier ein: „Lateral-
tentakel an Länge gleich den medianen, um das doppelte länger
als der Kopflappen, die Hälfte der Palpenlänge erreichend
glatt mit verdünnter Spitze.“
Grube dagegen erwähnt, daß der Mediantentakel dreimal
so lang wie der Kopflappen ist und die Lateraltentakel etwas
überragt. Die Basalglieder der Lateraltentakel sind etwas kürzer
als das des medianen und auch bedeutend schwächer als dieses.
Sie besitzen eine abgestumpft konische Gestalt. Die Tentakel
selbst erreichen etwa die 2!/,fache Länge des Kopflappens und
gehen allmählich und fast gleichmäßig der Spitze zu, ohne eine
merkliche Anschwellung zu zeigen. Sie sind vollkommen glatt.
Die Palpen sind im Verhältnis zu den Tentakeln ziemlich schwach.
Sie erreichen die doppelte Länge der Lateraltentakel und sind
nur etwa !/, so dick, wie die Breite des Kopflappens beträgt.
Bei einem anderen Exemplar sind die Palpen 4—4!/,mal so lang,
sind aber am Grunde halb so dick, wie der Kopflappen breit ist.
Auch die Palpen sind vollkommen glatt, ohne Papillen oder
Härchen. An der Spitze zeigen sie einen kurzen Endfaden. —
Die Tentakulareirren sitzen auf langen Grundgliedern, die etwa
bis zur Höhe der Basalglieder der Lateraltentakel reichen. Die
Cirren selbst sind sehr lang, sie überragen noch die Lateraltentakel,
sind zunächst vollkommen zylindrischh dann aber. verdünnen
sie sich plötzlich und endigen in einem Faden. — Der Körper
besteht aus 50 Segmenten. Auf der Rücken- wie auch auf der
Ventralseite ist keine Zeichnung vorhanden. — Die Elytren,
an Zahl 21 Paar, sind an der vorderen äußeren Seite mit kleinen,
etwasin die Länge gestreckten Papillchen besetzt. Charakteristisch
für die Art aber sind die zwei Längskiele, ähnlich denen von
Lepidonotus glaucus (Ptrs.) und außerdem die streifenförmige
Zeichnung, die längs verläuft und ziemlich schwach ist, aber doch
auf den hellen, fast durchsichtigen Elytren deutlich zu sehen ist.
Sonst findet man keine Papillen. — Die Parapodien sind sämtlich
zweiästig, jedoch enthalten die Dorsaläste nur ein Aciculum
aber keine Borsten. Die Borsten des Ventralastes der ersten
Parapodien sind schlank, an ihrer fast in der Mitte des freien
Teils liegenden, nur schwach angedeuteten Verdickungsstelle
wenig nach hinten gebogen. Die an dieser Stelle beginnende
Ornamentierung ist fein, dünn und wird nach der Spitze zu immer
kürzer. Die Spitze ist sehr scharf, schwach nach vorn gebogen
und einzähnig. Die Ventralborsten der anderen Parapodien sind
kräftig. Die Verdickungsstelle liegt ziemlich nahe an der Spitze.
.Die Ornamentierung besteht aus kurzen Härchen und sie lassen
11. Heft
138 Hans J. Seidler:
die Spitze und einen Teil davor frei. Die Spitze ist nach vorn
gebogen und deutlich zweizähnig. — Die Dorsaleirren sind
tentakelähnlich, fast eylindrisch, und mit einem kurzen Endfaden
versehen. Die Ventraleirren sind kurz, länglich konisch.
Fundort: Indomalayischer Archipel, Süaustralien,
Südjapan.
Hololepida Moore
Diese Gattung besteht aus etwa 120 Segmenten. Der Kopf
ist sehr breit und der hintere Teil wird durch einen Nackenlappen
überdeckt. Die Borsten, die der Gattung eigentümlich sind,
sind bei der einzigen Art beschrieben. Die Elytıen sind auf den
Segmenten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 26, 29, 32, 33,
35, 36, 38 und jedem folgenden Segment inseriert.
Hololepida magna Moore
Syn.: 1905 Hololepida magna Moore, Proc. Ac. Nat. Sci.
Philad. LVII, p. 541, pl. XXXV, figs. 24/29.
Moore beschrieb diese Art nach einem einzigen, in drei
Teile zerbrochenen Stück, das eine Länge von 250 mm und eine
Segmentzahl von 120 besaß.
Der Kopf ist doppelt so breit wie lang, ausgenommen die
Basalglieder der Tentakel, durch einen vorderen Einschnitt
und eine mediane Dorsalfurche geteilt. Die Basalglieder der
Lateraltentakel liegen wenig tiefer als das des medianen. Die
beiden blauschwarzen und mit deutlichen Linsen versehenen
Augen sind sehr groß, nehmen den ganzen postero-lateralen
Teil des Kopfes ein und ihre Pigmentbecher sind verschmolz n.
Das Grundglied des Mediantentakels ist groß, kräftig und füllt
den vorderen Kopfeinschnitt aus. Der Tentakel ist verloren ge-
gangen. Die Lateraltentakel sind schlank, etwa 21/,mal so lang
wie die Kopfbreite und gehen der Spitze allmählich ohne sub-
terminale Verdiekung zu. Die Palpen sind kräftig, an ihrer Basis
zusammengedrückt, dann angeschwollen und wieder der scharfen
Spitze zugehend: sie sind etwa 1!/,mal so lang wie die Lateral-
tentakel und mit einer deutlichen breiten Längsfurche und lateralen
eingedrückten Linien versehen. — Die Tentakularcirren zeigen
eine deutliche subterminale Verdiekung und endigen mit einem
Faden. Sie überragen etwas die Lateraltentakel. Die Oberfläche
‚des ausgestreckten Rüssels ist runzlig und trägt = weiche
Papillen, die fast fächerförmig und blattartig und zusammen-
gedrückt sind. Die Kiefer sind fast dreieckig, an der vorderen
Ecke mit einem Zahn versehen, an den sich an der Lateralseite
eine Zahnreihe ansetzt. An der Basis des Rüssels zwischen den
Basen der Palpen befindet sich ein einziger deutlicher Tuberkel.
Der hintere Teil des Kopfes wird von einem großen Buckallappen
überdeckt, der ähnlich dem von Alentia gelatinosa ist. — Die
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 139
Parapodien sind stark verlöngert,’etwa ?/, so lang wie der Körper
breit. Der Ventralast ist vorherrschend, breit und am Ende
abgestutzt. Der Dorsalast ist klein und sehr schmal: er erhebt
sich von der Mitte des Ventralastes und schließt ein Aciculum
in sich ein. Die Dorsaleirren, die auf großen Basalgliedern sitzen,
sind etwa so lang, wie die Breite des Körpers ohne Parapodien
beträgt. Sie gehen zunächst allmählich spitz zu, endigen dann
plötzlich in einem Faden und reichen bis zu den Borstenspitzen;
Cilien oder Papillen sind nicht zu bemerken. Die Ventraleirren
sind ziemlich kräftig, konisch, mit einem Endfaden versehen
und erreichen -fast die Spitze der Parapodien. Die Analcirren
ähneln den Dorsaleirren und sind an Länge gleich den letzten
9 Segmenten. — Die Elytren sind von einem weichen gelatinösem
Gewebe, groß, mit fast zentraler Anheftung, und der Rand ist
breit, gelappt, und trichterartig gefaltet. — Der Rücken, der
Kopf und seine Anhänge und der Rüssel sind rosinenfarbig. Die
Elytren sind mehr oder weniger ebenso pigmentiert. Die Ventral-
seite ist weißlich. — Die Borsten sind von gelblicher Farbe. Die
dorsalen sind lang, schlank, haarförmig, fast gerade, gleichmäßig
spitz zugehend und glatt oder mit kaum sichtbaren Zähnchen-
reihen und Querstreifen. Die oberen Ventralborsten sind schlank,
mit haarförmiger Spitze und sehr feinen Zähnchenreihen. Die
unteren sind kräftiger, mit kurzer und deutlich gezähnter Spitze.
Die Subacicularborsten sind zweispitzig. Sie sind an der Spitze
plötzlich verbreitert, ziemlich kräftig, stark gebogen und
deutlich gezähnt. | (Moore)
Fundort: Halibut Bank, Golf von Georgia (Alaska).
Alentia Megrn.
Diese Gattung gehört wegen der gleichen Ausbildung der
Elytren und Borsten mit Hololepida in eine Gruppe. Sie unter-
scheiden sich in der Segmentzahl, Alentia besitzt nur 45 Segmente
und 18 Elytrenpaare, die auf den Segmenten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13,
15, 17, 19, 21, 23, 26, 29, 32, 35, 238, 39 inseriert sind. Der Kopf-
lappen ist breit und mit einem großen Nuchallappen bedeckt.
Alentia gelatinosa (M. Sars).
Syn.: 1820 Polynoe foliosa Savigny, Syst. des Ann.
p- 23. — 1826 Polinoe foliosa Risso, L’Europe meridion p. 414.
— 1834 Polynoe foliosa Audouin et Milne-Edwards, Annel.
p. 89. — 1835 Pol. gelatinosa M. Sars, Beskr. og lagtt. p. 63,
tab. 9, fig. 23. — 1851 Pol. foliosa Grube, Arch. f. Natur-
gesch. 1851. — 1853 Aphrodita cirrosa Dalyell, Powrs.
Creator. II, p. 164, pl. XXIV, figs.1, 2. — 1858 Halosydna
gelatinosa Kinberg, Freg. Eug. Resa p,.19 tab. V, fig. 26.
— 1860 Polynoe gelatinosa M. Sars, Christ. Vidensk. Selsk. Forh,
1860 p.58. — 1855 Lepidonotus imbricatus Johnston, Catal,
1', Heft
140 : Hans J. Seidler:
Brit. non.-paras. Worms p.118. — 1865 Baird, Suppl. zu
Johnstons Catal. p. 340. — 1865 Halosydna gelatınosa Baird,
Journ. Lin. Soe. London Zool. VIIp. 187. — 1865 Alentia gelatinosa
Malmgren, Öfv. af K. Vet.-Akad. Förh. 1865 No.I, p. 80. —
1865/66 Polynoe gelatinosa Quatrefages, Hist. nat. t. I, p. 249.
— 1868 Halosydna (Alentia) Jeffreysii Lankester, Trans.
Lin. Soc. vol. 25, p. 377, pl. LI, figs. 12, 19—21, 26, 27. — 1867
Alentia gelatinosa Malmgren, Öfv. Sv. Vet.-Ak. Förh. XXIV,
p. 138. — 1869 Halosydna gelatinosa Mc Intosh, Trans. R. Soc.
Ed. 25, p. 408, pl. 25, fig. 6. — 1870 Polynoe foliosa Grube,
Arch. Naturgesch. 1870 p.288. — 1871 Halosydna gelatınosa
Grube, J. B. schles. Ges. 1871 p. 107. — 1874 Alentia gelatınosa
Malm, Kongl. Vet. o. Vitt. Samhällets i. Goeteborg. Handl.
p. 76. — 1875 Ehlers, Zeitschr. wiss. Zool. XXV p.34. —
1875 Halosydna gelatinosa Mc Intosh, Invertebr. and Fishes
of St. Andrews p. 117. — 1875 Polynoe gelatinosa Grube, J. B.
schles. Ges. 1875 p. 63. — 1875 Halosydna Jeffreysi, Grube,
J. B. schles. Ges. 1875 p. 63. — 1877 Hal. gelatinosa Mc Intosh,
Trans. Zool. Soc. IX p. 388. — 1879 Tauber, Annul. danie.
p- 82. — 1879 Alentia gelatinosa Storm, Det Kg]. norske Vidensk.
Selsk. Skrifter 1878 p. 34. — 1881 Halosydna gelatinosa Leslie
and Herdman, The invert. Fauna of the Firth of Forth. —
1883 Alentia gelatinosa Levinsen, Vid. Medd. fra den nat. hist.
Foren. i Kjöbenhavn p. 196. — 1886 Langerhans, Zeitschr,
Wiss. Zool. XL, p. 251, Taf. 15, fig. 6. — 1888 Halosydna gelatinosa
St. Joseph, Ann. Sei. nat. (7) V, p.154, pl. VI, fig. 6—21.
— 1891 Hal. (Alentia) gelatinosa Hornell, Trans. Liverp. p. 237.
— 1894 Alentia gelatinosa Bidenkap, Christ. Vid.-Selsk. Forh.
1894 p.62. — 1896 Halosydna gelatinosa Herdmann, Rep.
66. Meet. Brit. assoc. adv. Sci. London, p. 434. — .1900
Mc Intosh, A Monograph Brit. Annel. pt. II, p. 384, pl. XXV,
fig. 5, pl. XXVIIL, fig. 11, pl. XXXIIL, fig. 12, pl. XXX, fig. 11,
pl. XLI, fig. 1—3. — 1906 Alentia gelatinosa Augener, Bull.
Mus. Comp. Zool. XLIII p. 121. — 1907 Bidenkap, Kgl. Norske
Vid. Selsk. Skr. (Trondhj.) 1906 p. 8. — 1912 Halosydna gelatinosa
Small, Ann. Mag. Nat. Hist. (8) X, p. 180. — 1914 Fauvel,
Bull. de I’Instit. Oc&anogr. — 1917 Alentia gelatinosa Ditlevsen,
The Danish Ingolf Exp. vol. IV.
Der Kopf des Tieres besteht aus zwei kugeligen Teilen, die
in ihrer hinteren Hälfte durch eine schmale Brücke mit einander
verbunden sind. An diese setzt sich das Basalglied des Median-
tentakels an, daß etwa dieselbe Länge wie der Kopflappen erreicht.
‚Er ist abgestumpft, länglich kegelförmig und an seinem distalen
Ende nicht verbreitert. Der Tentakel selbst ist etwa dreimal
so lang wie der Kopf.‘ Er ist zunächst vollkommen zylindrisch,
verdickt sich vor dem Ende sehr schwach und geht dann plötzlich
in einen dünnen Faden aus. Die Grundglieder der Lateraltentakel
entspringen am inneren Teil der Kopfhälften und erreichen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 141
dieselbe Länge, wie das Grundglied des Mediantentakels, über-
ragen es aber, da es mit den Basalgliedern der lateralen nicht in
einer Höhe, sondern schon vorher entspringt. Ihre Gestalt ist
dieselbe wie das des medianen und auch
nur wenig schwächer. Die Tentakel selbst
ähneln in der Form vollkommen dem
medianen, sind aber um eine Kleinigkeit
kürzer. Die Palpen sind äußerst kräftig,
länglich konisch und endigen mit einem
kurzen dünnen Fädehen. An Länge über-
ragen sie noch den Mediantentakel. Auf
dem Kopflappen bemerkt man zwei Augen-
paare, von denen das vordere an der Stelle
der größten Breite liegt, die sich ungefähr
in der queren Mittellinie befindet, während
das andere in der Mitte zwischen dem
hinteren Rand und dem vorderen Augen-
paare liegt. — Die Grundglieder der Ten-
takularcirren überragen weit die der Tentakel
und sind ziemlich schlank; die Cirren selbst
verhalten sich in der Form wie die Tentakel,
überragen an Länge aber noch den medianen.
Ein Teil des hinteren Kopfes wird von einem
Nackenlappen bedeckt, der hinten sehr breit
und etwas zugespitzt ist. In der Mitte des
hinteren Randes findet sich ein Einschnitt,
der etwa bis zur Mitte des Lappens reicht.
— Die Elytrenstellung ist in der Gattungs-
diagnose angegeben. Die Elytren decken
den Körper fast vollständig; hier und dort
bleibt noch eine Stelle nackt. Die Elytren
selbst sind von rundlicher Gestalt, hell halb-
durchsichtig und am Rande vollkommen
glatt, ungefranst. Bei stärkerer Ver-
größerung bemerkt man auf den Elytren
kleine Papillen, die eine eiförmige Gestalt
aufweisen. An ihrem breiteren Teil gehen
die Papillen in 3 scharfe Spitzen aus. Im
Innern sind die Papillen hohl (?). — Die
Parapodien sind zweiästig. Der Dorsalast |
ragt kaum hervor, während der ventrale fie. 17. Fig. 18.
Ast gleichmäßig breit ist, vorn rund ab-
geschnitten. Das Aciculum ragt jedoch noch weiter hervor und
wird an diesem Teil von Muskeln umgeben, sodaß das Parapod
dort in eine Spitze ausläuft. — Die unteren ventralen Borsten
sind kräftig, zunächst zylindrisch, vor der Spitze schwellen sie
jedoch an, biegen sich dabei schwach nach rückwärts und gehen
dann der zweizähnigen Spitze gleichmäßig zu. Der primäre
y Äre:77
=
1
Er!
—_— {1 Anjsso
11. Heft
142 Hans J. Seidler:
Zahn der Spitze ist kräftig und nach vorn gebogen, während der
sekundäre fein und nicht begogen ist und oft beinahe dieselbe
Länge erreicht, wie der primäre. Die Ornamentierung besteht
aus 7-—-9 weit auseinanderstehenden Zähnchenreihen, deren
Zähne sehr kurz sind. Verfolgt man sie weiter nach oben, so ändert
sich die Länge der Ornamentierung. Im oberen Teil finden sich
Borsten, die viel feiner sind als die anderen und mehr proximal
die Verdickungsstelle zeigen. Die Spitze ist einzähnig und die
Ornamentierung ist zunächst weit auseinanderstehend, mehr
distal stehen sie dichter und die Zähnchen sind sehr kurz (Fig.18).
Die Dorsalborsten sind küızer als die ventralen und viel feiner. Sie
gehen allmählich und gleichmäßig der Spitze zu und sind mit
schwer sichtbaren transversalen Dornenreihen versehen (Fig. 17).
— Der Dorsaleirrus sitzt auf einem kräftigen, abgestutzt kegel-
förmigen Grundglied und hat die Form des Tentakels. Der Ventral-
eirrus ist länglich kegelförmig und zugespitzt.
Fundort: Nordsee, Nordatlantik, Westindien.
Gastrolepidia Schm.
Der Körper besteht aus etwa 50 Segmenten. Die Elytren-
stellung ist im vorderen Teil die gewöhnliche. Die Borsten sind
. für die Gattung charakteristisch und sind bei der Aıtbeschreibung
angeführt. An der Ventralseite, proximal von den Ventralcirren,
finden sich an jedem Segment feine Lamellen, die eine herzförmige
Gestalt haben.
Gastrolepidia elavigera Schm.
Syn.: 1861 Gastrolepidia clavigera Schmarda, Neue wirbel-
lose Thiere II, I, p. 159, tab. XXXVL, fig. 315. — 1865 Baird,
Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 173. — 1865 (66) Quatre-
fages, Hist. nat. t.I, p.287. — 1875 Grube, J. B. schles.
Ges. 1875 p. 69. — 1875 Gastr. amblyphyllus Grube, l.c. p. 69.
— 1878 Grube, Annulata Semperiana p.46, tab. III, fig. 7.
— 1905 Gastr. clavigera Willey, Ceylon Pearl. Oyster Fish. Rep.
1905 p. 253. — 1910 Potts, Trans. Lin. Soc. Zool. (2) 13 1909/10
p. 341. — 1917 Horst, „Siboga““ Exp. Monogr. XXIV p. 84.
— 71920 Fauvel, Arch. Zool. exp. et general, T.58, p. 315.
Dieses Tier ist sehr auffällig durch die an der Ventralseite
sich befindlichen Lamellen. Andererseits aber auch durch die
_ Tentakel und Dorsaleirren, die eine seltsame Form aufweisen.
— Der Kopf ist breiter als lang und mit einem breiten medianen
Einschnitt versehen, sodaß er in zwei birnförmige Teile zerlegt
wird. Die Grundglieder der Tentakel haben alle ein und dieselbe
Länge, jedoch ist das des Mediantentakels stärker als die beiden
anderen. Die Tentakel selbst haben eine ganz eigenartige Gestalt.
Sie sind zunächst zylindrisch, verdicken sich aber dann immer
mehr, um dann schließlich plötzlich in einem dünnen Faden
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 143
zu endigen. Sie werden etwas länger als der Kopflappen. Die
Palpen sind kürzer, als die Tentakel, kräftig und länglich konisch.
Auf dem Kopflappen bemerkt man zwei Augenpaare, von denen
das hintere größer als das vordere Paar ist. Die Tentakularzirren
sitzen auf langen Basalgliedern, die noch die der Tentakel über-
ragen. Die Cirren selbst gleichen den Tentakeln. — Die Segment-
zahl beträgt nach Schmarda 53. Es stand mir leider kein
vollständiges Exemplar zur Verfügung, um
dies nachzuprüfen. Die Elytren, die in der
vorderen Region die gewöhnliche Stellung
haben, bedecken den Körper vollkommen.
Der Rücken ist von dunkler, oft brauner
Farbe und zeigt außerdem auf jedem
Segment eine geschlossene weiße Linie. An
beiden Seiten finden sich zahlreiche weiße
Punkte. Der Elytrophor ist rund und von
weißer Farbe, an der Stelle, an der sich
das Elytron ansetzt. Die Elytron sind
rundlich, ei- bis nierenförmig und ziemlich
schwach und zart. Papillen finden sich
nicht. Der Rand ist vollkommen fransenlos.
DieFärbungist dieselbe wie die des Rückens,
dunkelbraun bis hellbraun, manchmal in
die graue Färbung übergehend. — An der
Ventralseite finden sich kleine Lamellen,
die man als den Elytren homologe Organe
ansprechen könnte. Es sind flachge- Fig. 19. Fig. 20.
drückte, farblose Plättchen, die mit breiter
Basis der Ventralseite des Tieres anliegen. — In den dorsalen
Parapodialästen finden sich schwach gebogene Borsten, die mit
mehreren Reihen feiner Dörnchen versehen sind, die sich bis zur
Spitze hinauf erstrecken (Fig. 19). DieVentralborsten dagegen sind
von zweierlei Art. Die unteren sind kaum merklich nach rückwärts
gebogen und sind zunächst vollkommen zylindrisch. Vor der
Spitze verdicken sie sich jedoch und gehen dann der nach vorn
gebogenen Spitze rasch zu. An der Verdickungsstelle finden
sich einige Reihen feiner Börstchen, die Spitze jedoch bleibt
glatt. Die oberen ventralen dagegen sind viel schwächer als die
unteren und sogar dünner als die Dorsalborsten. Ihre Ver-
dickungsstelle zeigt sich früher und ist auch nicht so stark, wie
die der unteren Borsten. Die Spitze dieser Borsten ist zweizähnig,
jedoch sind die einzelnen Zähne so gebogen, daß sie eine halb-
kugelförmige Öffnung abgeben (Fig. 20). — Der Dorsaleirrus
gleicht den Tentakeln in jeder Beziehung. Die Ventralcirren,
ausgenommen der des zweiten Segments, der den Dorsaleirren
gleicht, sind kurz und länglich konisch.
Fundort: Indischer Ozean.
11. Heft
144 Hans J. Seidler:
Bestimmungstabelle der Lepidametria-Arten.
Pacifik.
1. Elytren mit wenigen Tuberkeln am Hinterrand
irregularıs (Ehl.) (Calbuco)
1’ Elytren glatt.
2. Elytren kreisrund, durchsichtig, Lepidasthenia-artig
digueti (Grav.) (Mittelamerika)
2' Elytren länglich, gefärbt.
3. Keine Differenzierung der Ventralborsten
comma (Thoms.) (Neuseeland)
3' Im Ventralast verschiedene Borsten.
4. Im Ventralast ein- und zweispitzige Borsten
gigas (Johns.) (Californien)
4' Im Ventralast nur einspitzige Borsten
microsetosa (1z.) (Südjapan)
Lepidametria Webst.
In Hinsicht der Segmentzahl und der Ventralborsten stimmt
diese Gattung mit Lepidasthenia überein. Sie unterscheidet sich
aber scharf von dieser dadurch, daß in der vorderen Körperregion
die Dorsaläste der Parapodien Borsten tragen. Die Elytren stehen
in der hinteren Region meist nicht in Paaren, sondern unregelmäßig.
Sie sind pigmentiert und von festerer Konsistenz als die von
Lepidasthenia. Die Rückenoberfläche zeigt oft eineintersegmentale
dunkelbraune Querstreifung.
Lepidametria (?) microsetosa (Iz.).
Syn.: 1912 Polynoe microsetosa Izuka, Journ. Coll. Sci.
Tokyo vol. XXX, pt. 2, p. 31, pl. IV, Fig. 6/10.
Es ist eine lange schlanke Art. Das einzige vorhandene
Exemplar hat folgende Abmessungen: vollständige Lönge 4] mm;
größte Breite des Körpers am 15. Segment 3 mm. — Der Kopf
ist so breit wie lang, die größte Breite liegt ungefähr in der Mitte
zwischen dem hinteren Rand und der vorderen Spitze der Grund-
glieder der Lateraltentakel. Die Augen sind rund und schwarz.
Das vordere Paar befindet sich an den lateralen Kopffortsätzen,
während das hintere kleiner ist und an den posterolateralen
Rändern des Kopfes liegt. Der Mediantentakel mit Basalglied
ist länger als dasselbe der Lateraltentakel. Der. Tentakel ist
ungefähr 21/,mal so lang wie die größte Breite des Kopfes beträgt;
diesubterminale Verdickung und der schlanke Endfaden zusammen
nehmen etwa ?/, der ganzen Länge des Tentakels ein. Die Lateral-
tentakel sind kurz. Der Tentakel selbst reicht mit der Spitze
bis zum Beginn der subterminalen Verdickung des Mediantentakels.
Beide Tentakel sind glatt, von einer bräunlichen Farbe, die
am dunkelsten an der Basis der subterminalen Verdickung ist,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 145
während die Spitze farblos bleibt; ein dunkelbrauner Ring findet
sich noch an der Basis des Endfadens des Mediantentakels. Der
Körper besteht aus 66 Segmenten, ausschließlich des Analsegments;
an der Dorsal- und Ventralseite sind sie vollkommen glatt. Die
Nephridialpapillen beginnen am 8. Segment und hören am 62. auf.
Die Ventralseite zeigt vorn eine hellrote Färbung mit schwach
metallischer Irideszenz; hinten ist sie farblos. Der Rücken ist
vorn hellbraun und hinten farblos. — An Elytren finden sich
37 Paar an den Segmenten 2, 4,5, 7...... 29430, 32, 34, ne)
44, 45, 46, 48, 50, 51, 53, 54, 56, 57, 59, 60, 62, 63, 64. Sie sind
alle von mehr oder weniger elliptischer Gestalt. Im vorderen
Teil überdecken sie sich so, daß der ganze Körper bedeckt ist.
Im mittleren Teil lassen sie von letzterem rhomboide Stellen
zwischen sich nackt, im hinteren Teil lassen sie einen medianen
Längsraum vollkommen unbedeckt. Die dorsale Oberfläche
als auch der Rand der Elytren ist ganz glatt; das erste Elytron
ist braun gefleckt ; dieAnheftungist durch einen kleinen elliptischen
weißen Fleck gekennzeichnet und ist ganz lateral gelegen. —
Das typische Parapod ist lang; der Dorsalast wird durch eine
kleine konische Papille mit einem Aciculum dargestellt und ist
mit einer (selten zwei) kleinen und scharf zugespitzten Borste
mit 12 Reihen von subterminalen Dornen versehen. Der Ventral-
ast ist etwas konisch, ventralwärts gedreht; seine Spitze ist
in einem Pro- und Postsetallappen geteilt, von denen der erstere
länger als der andere ist. An Ventralborsten finden sich ungefähr
10, mit glatten, verhältnismäßig langen Endteil mit zwei Reihen
von etwa 9 Zähnen. — Der Dorsaleirrus zeigt ein deutliches
Grundglied, das über die Spitzen der Borsten hinausragt. Der
Cirrus geht gleichmäßig der subterminalen Verdickung spitz zu,
deren basale Hälfte braun ist und dann sich zu einem Endfaden
verdünnt. Das braune Pigment der Dorsaleirren wird nach den
hinteren Teilen des Körpers zu heller und heller und geht schließlich
vollkommen verloren. — Der Ventraleirrus sitzt auf einem kurzen
Grundglied, das etwas über die Ventralbasis der Ventralborsten
hinausragt. Der erste Ventralcirrus ist besonders auffällig dadurch,
daß er gerade nach vorn gerichtet ist längs des Mundes und von
derselben Form und Farbe wie die Lateraltentakel nur kürzer ist.
Fundort: Misaki (Japan). (Izuka)
Da diese Art auch im dorsalen Ast Borsten zeigt, kann
sie nicht zur Gattung Lepidasthenia gestellt werden. Ich möchte
aber das Tier, bevor ich es auch nicht gesehen habe, zur Gattung
Lepidametria bestimmt rechnen, und stelle sie hierzu mit (?).
Lepidametria gigas (Johns.)
Syn.: 1897 Polynoe gigas Johnson, Calif. Ac. of Sei. I,
1897 p. 172, pl. VII, figs. 33, 42, 42a, pl. VIII, figs. 48, 48a, 49.
Der Körper ist langgestreckt. Die Zahl der Segmente beträgt
etwa 80—90, die der Elytren 40—50 Paar. Das hintere Ende
Archir für Naturgeschichte
1923. A. 11. 10 11. Heft
146 Hans J. Seidler:
ist von Elytren entblößt. — Der Kopf ist sehr breit, kugelförmig,
die mediane Furche ist schwach und reicht nicht ganz bis zur
Mitte des Kopfes. An Augen bemerkt man vier Paar, von denen
das vordere an der Stelle der größten Breite liegt und größer
als das hintere Paar ist. Die Tentakel sind in gleicher Höhe
inseriert. — Die Tentakular- und Dorsalcirren sind glatt, ebenso
wie die Tentakel unterhalb der Spitze leicht verdickt und an
dieser Stelle mit einem schwarzen Ring versehen. Die Lateral-
tentakel sind kürzer als der mediane und die Tentakulareirren
sind etwa gleich den Ventraleirren des zweiten Segments. Die
Dorsaleirren sind außer den hinteren von gleicher Länge und
überragen die Ventralborsten. Die Ventraleirren sind kurz.
Die Palpen sind kräftig, weiß oder grau, und gehen von einer
verdickten Regionin der Nähe der Basis dem feinen fadenförmigen
Ende gleichmäßig spitz zu. Sie sind außer an der Basis mit kleinen
Papillen vollkommen bedeckt. Die Analeirren sind sehr kurz.
— Die Parapodien sind sehr kräftig, in der Nähe der Basis runzlig.
Der Dorsalast ist konisch, klein, gewöhnlich borstenlos oder mit
ein oder zwei kleinen Borsten versehen. Ein oder zwei der Para-
podien des hinteren Körperteils sind gewöhnlich asymmetrisch,
denn sie zeigen auf der einen Seite ein Elytron, auf der anderen
einen Dorsaleirrus. — Die Ventralborsten sind sehr groß und
kräftig, in der Nähe der Spitze gezähnt und unterhalb der Spitze
gesägt. Die obersten sind die dieksten und dunkelgelb. — Die
Elytren sind im vorderen Körperteil unregelmäßig nierenförmig,
im hinteren und mittleren fast rund. Sie sind glatt und voll-
ständig von Papillen oder Tuberkeln entblößt. In den Epithelien
der beiden Seiten des Elytrons finden sich eisengraue Flecke,
die besonders deutlich beim durchfallenden Lichte sind. —
Die Nephridialpapillen sind ungefähr zweimal so lang wie dick,
am Ende verbreitert, mit einem schwarzen Ring versehen. Si
beginnen am achten Segment. — Der Rücken ist dunkelrot.
die Elytren eisengrau; jedes Elytron zeigt einen undeutlichen
augenartigen Fleck; die Ventralseite ist unpigmentiert. Ein
dunkler Fleck findet sich an der Basis jedes Dorsaleirrus.
(Johnson)
Fundort: San Pedro, San Diego, Commensal einer
großen Amphitrite.
Lepidametria digueti (Grav.)
Syn.: 1905 Lepidasthenia digueii Gravier, Bull. Mus.
d’hist. nat. Paris t. XI, 1905, p. 177. — 1905 Gravier, Bull.
Soc. philom. Paris (9) 7, 1905 p. 160.
Die Form ist sehr lang; der Körper ist zusammengerdrückt.
Auf der Dorsalseite lassen sich in der vorderen Körperregion
die Elytren, die relativ reduzierte Ausdehnungen haben, den
größten Teil des Rückens frei, sind aber imbrikat; im hinteren Teil
dagegen lassen sie einen Raum zwischen sich und verkleinern sich.
Beiträge zur Kenutnis der Polynoiden I. 147
Diese Elytren mit ihrem sehr dunklen Pigment bilden zwei Reihen
von Längsflecken und geben dem Tier ein ganz charakteristisches
Aussehen. Das Exemplar von 20 cm Länge besitzt eine Segment-
zahl von über 200. — Der Kopflappen ist sechseckig; ein vorn
gelegener, bogenförmiger Ausschnitt, der ziemlich tief ist, nimmt
den Mediantentakel auf. Die Augen sind deutlich rund, die
Linse ist lateral orientiert, und zwar nach vorn für die vorderen,
nach hinten für die hinteren Augen. Die Tentakel, die fast
eylindrisch sind, gehen in ihrem Endteil plötzlich spitz zu; sie
sınd vollkommen glatt. Der Mediane, der ein wenig länger als die
lateralen ist, ist an der Spitze einer zusammengedrückten Basis
inseriert, die durch zwei Linien begrenzt ist, welche einen bogen-
förmigen Ausschnitt bezeichnen, deren Spitze in der Höhe der
vorderen Augen liegt. Die Palpen, die von der Basis gleichmäßig
spitz zugehen, endigen in einer schlanken Spitze und sind viel
länger als die Tentakel. — Das erste Segment ist der Träger
zweier Paare von Tentakularcirren, die dıe Form der Tentakel
aufweisen. Die Ventralen sInd ein wenig länger als die dorsalen.
Die Basis der Tentakel, der hintere Teil des Kopfes, die Palpen,
und die Tentakulareirren sind von kleinen dicht gedrängten
Punkten bedeckt, die eine dunkle Farbe haben. — Das erste
Elytrenpaar befindet sich auf dem zweiten Segment und ist
der dorsalen Medianlinie viel näher inseriert als die übrigen
und bedeckt fast den ganzen Kopflappen, die Basis der Palpen
und der Tentakulareirren. — Die zwei ersten Elytren berühren
sich an ihrem inneren Rand. Diese Schuppen sind deutlich rund,
mindestens im mittleren Teil des Körpers; weiter hinten verlängern
siesich parallel der Symmetrieebene. Sie sind sehr dunkel gefärbt,
trotzdem der hintere Rand von dem folgenden Elytron bedeckt
wird, und die Insertionsstelle stellt sich als ein relativ heller
Fleck dar. Bis zum 23. Segment tragen die ungeraden Segmente
Elytren, außer den beiden ersten; danach befinden sich die Elytren
auf jedem dritten Segment bis zum hinteren Ende des Körpers.
— Bei den Parapodien der cirrentragenden Segmente wird der
Dorsaleirrus von einem großen, hervorragenden, konischen und
langen Basalglied getragen. — Der rudimentäre Dorsalast, der
durch ein sehr starkes Aciculum gestützt wird, verrät nach außen
seine Existenz nur durch eine kaum wahrnehmbare Erhöhung;
unterhalb des Aciculums sieht man ein kompaktes Bündel feiner
geradliniger Borsten, welche alle eingeschlossen bleiben. Der
Ventralast, der das Parapod allein zu bilden scheint, ist schräg
abgeschnitten. Die leicht gebogenen und fein längsgestreiften
Borsten tragen an ihrem Endteil eine Reihe sich gegenseitig
und teilweise bedeckender Zähnchen; die Ausdehnung dieser
Region und die Zahl der Zähnchen variiert sehr. Der konische
Ventraleirrus ist wenig entwickelt, ausgenommen der des ersten
Parapods. — Die in den ersten Segmenten wenig markierte
Pigmentierung wird nach hinten zu deutlicher, dadurch daß
10* 11. Heft
148 Hans J. Seidler:
sie ein ziemlich breites kontinuierliches Band bildet. — Vom
zweiten borstentragenden Segment an trägt die Ventralseite
an der Insertion der Parapodien auf einer gut markierten Erhebung
eine kleine Nephridalpapille, welche die schwache Ausdehnung
von einem bis zum anderen Körperende beibehält. — Das Körper-
ende trägt zwei Analcirren von außerordentlicher Länge, indessen
von derselben Gestalt, wie die benachbarten Dorsalcirren. —
Der wohl entwickelte Rüssel öffnet sich durch eine Art trans-
versaler Spalte, dessen zwei Lippen mit je 13 an ihrer Basis
angeschwollenen Papillen besetzt ıst. Entfernt man diese, so sieht
man die beiden dorsalen und ventralen Kiefer, die die Form
von gebogenen Zähnen haben. — Bei dem Exemplar von 20 cm
Länge, von dem oben die Rede gewesen ist, ist die Verteilung
der Elytren eine absolut regelmäßige, vom Anfang bis Ende
mit der angegebenen Verteilungsart; dasselbe findet sich bei
drei anderen Individuen, deren Länge zwischen 12 und 20 cm
variiert. Bei einem anderen Exemplar ist die Verteilung der
Cirren und Elytren in den drei ersten Vierteln regelmäßig, dann
zeigt sich eine Art Auslösung infolge der Gegenwart zweier Elytren
auf zwei aufeinanderfolgenden Segmenten auf einer Körper-
seite; diese Mißbildung hält sich bis zum Körperende aufrecht,
jedoch bleibt das Gesetz der Aufeinanderfolge der Elytren und
Cirren dasselbe auf beiden Seiten des Körpers, sodaß hinten
die Segmente auf der einen Seite einen Cirrus, auf der anderen
ein Elytron tragen. — Bei einem anderen Exemplar in der
hinteren Körperregion im allgemeinen bemerkt man eine Un-
regelmäßigkeit derselben Art, durch Einschaltung eines Elytrons
in der normalen Reihe einer Seite, aber die Unregelmäßigkeit,
die durch diesen Anhang verursacht wurde, wird durch eine
neue Unregelmäßigkeit auf derselben Seite aufgehoben. Es ist
dies ein merkwürdiges Beispiel der Regulation der verstümmelten
Organismen, die Driesch (1897 bis 1902) studierte. (Gravier)
Fundort: Mexiko, Golf von Kalifornien. Commensal
von Balanoglossus.
Lepidametria commensalis Webster
Syn.: 1879 Lepidametria commensalis Webster, Albany
Inst. p. 10, pl. III, figs. 23/31. — 1880 Webster, 32. Report
N. Y. State Museum p. 103.
Der Kopf ist konvex, die Seiten abgerundet, am breitesten
und höchsten im hinteren Drittel, der a, Rand ist leicht
konkav. — Die Augen sind rund, schwarz, lateralwärts gelegen,
klein und bei Spiritusexemplaren schwer sichtbar. Das vordere
Paar ist größer und am breitesten Teil des Kopfes gelegen. Das
hintere Paar ist bloß durch Flecken angedeutet, die in der Mitte
zwischen dem vorderen Paar und dem hinteren Kopfrande liegen.
Die Grundglieder der Lateraltentakel erreichen an Länge etwa
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 149
!/;, des Kopflappens. Die Tentakel sind wenig länger als der Kopf.
Das Grundglied des Mediantentakels ist kräftig, zylindrisch
und ragt etwas über den Beginn der Lateraltentakel heraus.
Der Tentakel selbst ist um !/, länger als die Lateralen. Alle
Tentakel, ebenso die Tentakulareirren und Dorsalcirren sind
bis in die Nähe des Endes zylindrisch, wo sie eine leichte An-
schwellung besitzen, nach der sie plötzlich spitz zugehen und eine
fadenförmige Spitze zeigen. Die Palpen sind kräftig, reichen
über den Mediantentakel hinaus und nehmen dann gleichmäßig
bis ziemlich zur Spitze ab, wo sie plötzlich fadenförmig werden.
Sie sind mit kleinen zylindrischen Papillen bedeckt. — Die Ten-
takulareirren erheben sich von einem langen Basalglied. Der
obere Cirrus ist ein wenig kürzer als der Mediantentakel, der
untere ein wenig kürzer als der obere. — Die Elytren sind glatt,
der Rand ohne Anhänge. Es sind 38—50 an jeder Seite vorhanden.
Sie könnnen nicht in Paaren aufgezählt werden, da von gegen-
überliegenden Seiten desselben Segments die eine ein Elytron,
die andere einen Dorsaleirrus tragen kann. Für die ersten 32
Segmente ist die Anordnung wie gewöhnlich. Nach dem 32.
Segment zeigen nicht zwei Exemplare genau dieselbe Anordnung:
sogar die gegenüberliegenden Seiten desselben Exemplars, wie
oben erwähnt, unterscheiden sich in der Zahl und Anordnung
der Elytren. Z.B. wurde bei einem Exemplar zwischen dem
40. und 45. Segment einschließlich folgende Anordnung getroffen:
Rechte Seite: Elytren am 40. und 45. Segment,
Dorsaleirren am 41., 42., 43., 44.
Linke Seite: Elytren am 40., 42., 43., 45.,
- Dorsaleirren am 41., 44.
Die Elytren erstrecken sich über den ganzen Körper, und
in manchen Fällen bedecken sie den Körper vollkommen, aber
gewöhnlich findet man einen nackten Medianraum von ver-
änderlicher Breite, und sie bedecken sich nicht oder berühren
sich nur einander in jeder Richtung. Das vordere Elytrenpaar
ist rundlich, die anderen oval, die längere Achse ist transversal;
der vordere Rand ist ausgerandet, wenn das vorhergehende
Elytron es überdeckt, sonst abgerundet. Eine sich verändernde
Zahl von hinteren Segmenten sind ohne Elytron. Diese Segmente
sind sehr kurz und immer von dem letzten Paar bedeckt. —
Die Dorsaleirren erheben sich von kräftigen, fast eylindris:hen
Basalgliedern, die !/; so lang wie die Cirren sind. Sie reichen
ein wenig über die Füße. Ihre Struktur ist dieselbe wie die der
Tentakel, ausgenommen, daß die subterminale Anschwellung
nur wenig sichtbar ist. Die Basalglieder entspringen ein wenig
außerhalb und hinter der Anheftung der Elytren. Der Ventralast
der Füße ist kräftig, verlängert, konisch und von oben nach unten
schräg abgestutzt. Der Dorsalast ist eine bloße Papille. Die
Borsten dieses Astes sind wenig, fein und gehen allmählich einem
sehr feinen Ende spitz zu. Die eine Kante ist fein gezähnt. Im
11. Heft
150 Hans J. Seidler:
Dorsalast befindet sich ein kräftiges, verborgenes Aciculum.
Die Ventralborsten stehen in zwei Bündeln. Das obere enthält
ein oder zwei kräftige Borsten, die gewöhnlich eine stumpf
abgerundete Spitze zeigen, unter der ein kurzes Stück der einen
Kante fein gezähnt ist. In dem oberen Bündel findet man auch
1—3 zweispitzige Borsten. Unter der Spitze befindet sich an jeder
Seite eine Reihe von ziemlich langen scharfen Zähnen, 6—8 an
der Zahl. Diese Borsten sind nicht ganz so groß, wie jene oben
erwähnten. In dem unteren Bündel findet man 6—12 zwei-
spitzige Borsten, die in jeder Weise denen des oberen Astes ähneln,
aber ein wenig feiner sind. Alle Borsten sind kräftig und lang,
ausgenommen die feinen der Ventralfüße. — Der erste Ventral-
cirrus ist in jeder Hinsicht dem Dorsaleirrus ähnlich; sein Basal-
glied ist lang und erhebt sich von der Basis des Parapods. Nach
diesem einen entspringen sie an dem inneren Drittel des Fußes
von einer kleinen Papille. Sie sind klein, konisch. In dem äußeren
hinteren Winkel jedes Segments, an der Ventralseite befindet
sich eine kleine zylindrische Papille, die rückwärts und nach
unten zu gerichtet ist und an einigen der vorderen Segmente
nicht sichtbar ist. — Gerade vor dem Munde unter der Basis
des Mediantentakels liegt ein kleiner Facialtuberkel oder eine
Facialpapille, die stumpf nach außen gerundet ist. Am Ende
des Körpers bemerkt man zwei Analcirren, die den Dorsaleirren
ähnlich sind. Der Körper ist oben und unten leicht konvex. —
Von Elytren entkleidet ist die Dorsaloberfläche gewöhnlich
rötlich, purpurn mit schmalen Bändern von dunklerem Purpur
zwischen den Segmenten. Einige Exemplare wieder sind dunkel-
grau, andere fast schwarz. Die Elytren sind durchsichtig, aber
wenn sie vom Körper entfernt werden, zeigen sie ein helles braun
oder grau als Untergrund mit zahlreichen dunkelbraunen oder
schwarzen Flächen und Pusteln. Wenn die Elytren auf dem
Körper bleiben, leuchten ihre runden Befestigungsstellen wie eine
Reihe von wohlmarkierten weißen Pusteln durch. Kopf- und
Facialpapille sind purpurn. Die Tentakel sind an der Basis schwarz,
auf das weiß mit braunen Zeichen folgt, dann kommt an der
Befestigungsstelle ein schwarzer Ring, während der Endteil
wieder weiß ist. Die Palpen sind weiß. Die Tentakulareirren,
der erste Ventraleirrus, die Dorsal- und Analeirrren sind wie die
Tentakel gefärbt; die letzten Dorsaleirren und die Analcirren
sind etwas dunkler, oder fast vollkommen schwarz. Die Ventral-
cirren sind weiß, an der Basis braun gefleckt. Die Ventral-
oberfläche ist so, wie die dorsale gefärbt. Die Dorsalborsten
und die zweispitzigen Borsten des Ventralastes sind bernsteingelb.
Die einspitzigen großen Borsten sind dunkelrotbraun. — Die
Länge beträgt 50—90 mm, die Breite einschließlich Parapodien
5—7 mm, die Zahl der Segmente 60 —80. (Webster)
Fundort: Virginia und New Haven; diese Art lebt
in den Röhren von Amphitrite ornata.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 151
Lepidametria irregularis (Ehl.).
Syn.: 1901 Lepidasthenia vrregularis Ehlers, Zool. Jahrbücher
Suppl. Fauna chiliensis Bd. II, 1901 p. 255. — 1901 Ehlers,
Pol. d. mag. u. chil. Strandes p. 54, Taf. III, Fig. 10 —16.
Der Kopflappen des Tieres ist abgerundet rechteckig, breiter
als lang und durch eine mediane Längsfurche in zwei Hälften
geteilt. Die Seiten sind abgerundet. Die breiteste Stelle befindet
sich in der Mitte, und der hintere Rand wird von dem ersten
Segment überdeckt. Die auf dem Kopflappen liegenden zwei
Paar Augen sind rund und tiefschwarz. Das vordere größere
Paar liegt an der Stelle der größten Breite, ganz an die seitlichen
Ränder gerückt, während das andere Paar in der Mitte zwischen
dem hinteren Rand und dem vorderen Augenpaar liegt. — Das
Grundglied des Mediantentakels ist etwa °/, so lang wie der Kopf
und fast eylindrisch. Der Tentakel selbst ist etwa 2—2!/,mal
solang wie der Kopf. Er geht zunächst langsam spitz zu, verdickt
sich dann vor der Spitze etwas und geht dann rasch einem End-
faden zu. Die Grundglieder der Lateraltentakel sind etwas kürzer
und auch schwächer, als das des medianen. Die Tentakel selbst
verhalten sich im Habitus wie der Mediantentakel, sind jedoch
nur etwa 1!/,mal so lang wie der Kopflappen. Die Anschwellung
ist bei diesem Tentakel sehr schwer zu sehen. Die Palpen sind
kräftig, ziemlich die Spitze erreichend, länglich konisch, gehen
gleichmäßig und allmählich der Spitze zu und endigen dann mit
einem kurzen Faden. — Die Tentakulareirren, die auf langen
Grundgliedern sitzen, sind tentakelähnlich. Der obere Cirrus
steht an Länge zwischen dem Median- und den Lateraltentakeln,
während der untere die Länge der letzteren erreicht. — Der Körper
besteht aus etwa 85 Segmenten. Der Rückenteil, der von den
Elytren nicht bedeckt wird, ist graubraun, während die Para-
podien heller sind. Die Ventralseite ist mit einer tiefen Median-
furche versehen. Die seitlichen Teile und die Parapodien sind
an dieser Seite mit kleinen grauen Flecken versehen. — Die
Elytren bedecken den Körper nicht vollständig, sondern lassen
noch die mediane Rückenpartie nackt. Sie bedecken sich aber
gegenseitig an den Stellen, wo sich nur ein eirrentragendes Segment
zwischen zwei elytrentragende einschiebt. Sıe haben eine rundliche
bis ovale Gestalt und sind vollkommen glattrandig. Bei einem
Exemplar findet man auf der rechten Seite 38, auf der anderen
40 Elytren; man sieht also schon daran, daß man die Elytrenzahl
nicht in Paaren angeben kann. Man findet nämlich Segmente,
auf dessen einer Seite sich ein Elytrophor, während auf der
anderen Seite sich ein Cirrophor befindet. Auf den ersten 46 Seg-
menten ist die Stellung eine paarweise und zwar finden sie sich
auf den Segmenten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27,
28, 30, 31, 34, 35, 36, 40, 41, 42, 45, 46. Man erkennt schon in
dieser Anordnung eine große Unregelmäßigkeit. Noch stärker
11. Heft
152 Hans J. Seidler:
tritt es in den folgenden Segmenten zutage. Ich lasse jetzt die
Segmente folgen, die Elytren tragen.
45 45 58 58 71 71
46 46 60 72 72
47 61 73
49 63 74
50 50 66 66 76
5l 51 67 79
53 68 68 83
54 70
Für systematische Zwecke hat diese Anordnung nichts zu sagen,
da sämtliche Exemplare eine verschiedene Elytrenstellung haben.
Die Parapodien dieser Art sind zweiästig, und zwar enthalten
die ersten auch noch Dorsalborsten. Diese sind kurz, schlank,
der Spitze allmählich und gleichmäßig zugehend und mit
feinen transversalen Dornenreihen versehen. Die Ventralborsten
dieser ersten Parapodien sind kräftig, an der Biegungsstelle
wenig verdickt und die nach vorn gebogene stumpfe Spitze
zweizähnig. Die Ornamentierung ist ziemlich lang. Sogar noch
im 14. Parapod findet man Dorsalborsten, die dieselbe Aus-
bildung zeigen wie dieanderen. Nach hinten zu werden die Borsten
dunkler und stärker. In den hinteren Segmenten finden sich
außer diesen Borsten noch eine sehr kräftige dunkelbraune Borste,
die die anderen an Stärke übertrifft. Die Spitze ist einzähnig und
die Ornamentierung ist kurz und undeutlich. — Die Dorsal-
cirren sitzen auf einem sehr kräftigen Grundglied, das dunkel
gefärbt ist und eine fast cylindrische Gestalt hat. Der Cirrus
selbst geht allmählich und gleichmäßig der Spitze zu, ohne eine
Verdiekung aufzuweisen. Ungefähr in der Mitte findet sich ein
dunkler Ring. Der Ventraleirrus ist kurz, einfach länglich konisch.
Fundort: Westküste Südamerika (Calbuco, Tumbes).
Lepidametria comma (Thoms.)
Syn.: 1902 Polynoe comma Thomson, Trans. Proc. New-
Zeal. Inst. 34, p. 241. — 1907 Ehlers, Abh. Ges. Wiss. Göttingen
N. F. 1907 p. 6.
Der Kopf des Tieres ist klein, rundlich, etwas breiter als lang,
und mit einer medianen Längsfurche versehen, die bis zur Mitte
reicht. Das Grundglied des Mediantentakels ist etwa so lang
wie der Kopf, von oben betrachtet glockenförmig. Der Tentakel
selbst ist etwa 21/,mal so lang wie sein Grundglied. Zunächst
verdünnt er sich sehr langsam, dann aber vor der Spitze schwillt
er etwas an und geht dann rascher der fadenförmigen Spitze zu.
Vor der subterminalen Verdiekung ist der Tentakel etwas dunkel
pigmentiert. Die Grundglieder der Lateraltentakel sind etwas
kürzer und schwächer als das des medianen. Sie sind fast
cylindrisch, an ihrem distalen Ende nicht verbreitert. Die Tentakel
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 153
selbst ähneln im Habitus dem Mediantentakel, sind aber beträchtlich
kürzer als dieser: sie erreichen etwa nur die I!/,fache Länge
des Kopfes. Die Palpen sind kräftig, länglich konisch, am distalen
Ende schwach verdickt und mit einem kurzen Endfaden versehen.
Auf den Palpen bemerkt man mehrere Längsreihen von kleinen
konischen Papillen. Auf dem Kopflappen befinden sich zwei
Paar Augen, von denen das vordere Paar etwa in der queren Mittel-
linie des Körpers liegt, während das andere dicht dahinter zu
suchen ist, also eine von dem gewöhnlichen Typ abweichende
Stellung. — Die Farbe des Kopflappens ist in der hinteren Hälfte
weißlich, in der vorderen dagegen einschließlich den Basal-
gliedern der Lateral- und des Mediantentakels blauschwarz. —
Die Grundglieder der Tentakularcirren sind kräftig und überragen
noch die der Tentakel. Die Cirren selbst entsprechen in Form
und Färbung dem Mediantentakel. — Der Körper besteht aus
83 Segmenten einschließlich Pygidium. Auf dem Rücken bemerkt
man eine für das Tier ganz charakteristische Zeichnung. In der
Mitte jedes Segments zieht sich von der einen Seite zur anderen
ein blauschwarzer Strich, der in dem vorderen und mittleren
Körperteil sehr deutlich ist, im hinteren aber mehr und mehr
verblaßt. An der Ventralseite finden sich Nephridialpapillen,
die bei dieser Art eine keulenförmige Gestalt aufweisen. — Die
Elytren lassen den medianen Rückenteil unbedeckt, sodaß die
Zeichnung deutlich zutage tritt. Es sind 40 Paar vorhanden,
die an den Segmenten 2, 4,5, 7,9,...... 21629,2527.29, 31,
33.:39,,88,,40, 42: 20, '.„ 76, 78, 80, 82 inseriert sind. Ihre Gestalt
ist rundlich bis eiförmig oval, am Rande sind sie vollkommen
glatt ohne Fransenbesatz. Ihre Anheftungsstelle liegt im äußeren
Teil und ist nierenförmig. Ihre Oberfläche ist vollkommen glatt,
ohne Tuberkel. Die Färbung ist grünlich und weiß gefleckt.
Während der Rand vollkommen farblos ist, ist der innere Teil,
mit Ausnahme zweier großer Flecken im inneren und äußeren
Teil grün. Der Farbstoff ist in Körnchenform in kleinen Zellen
enthalten. — Die Parapodien sind zweiästig, jedoch enthalten
nur die ersten Parapodien Dorsalborsten, während bei den anderen
im Dorsalast nur das Aciculum enthalten ist. Die Dorsalborsten
sind fein, ziemlich lang, mehr oder weniger gebogen und mit
feinen transversalen Dörnchenreihen versehen. Die Ventral-
borsten dagegen sind kräftig, zunächst zylindrisch, vor der Spitze
nur sehr schwach verdickt, gar nicht nach rückwärts gebogen,
spitz zugehend, sodaß die Hinterseite dieses Teils mit dem proxi-
malen Teil eine Linie bildet, also nur die Vorderseite sich ab-
schwächt. Die einzähnige Spitze ist sehr scharf und nach vorn
gebogen. Die Ornamentierung ist sehr kurz und schwach und die
einzelnen Zähnchen sind ungefähr von gleicher Größe. — Die
Dorsaleirren sitzen auf einem kräftigen Grundglied. Sie selbst
sind tentakelähnlich und reichen etwa so weit wie die Borsten.
Die Ventraleirren sind sehr kurz, länglich konisch.
Fundort: Neuseeland. Ih Hort
154 Hans J. Seidler:
Bestimmungstabelle der Lepidasthenia-Arten.
Indik.
1. Basalglied des Dorsaleirrus sehr kräftig, ebenso lang wie der
Cirrus. microlepis Potts (Mal. Archipel)
1’ Basalglied klein.
2. Elytren pigmentiert, marmoriert.
3. Im oberen Teil des Ventralastes feine Borsten mit langer
Örnamentierung maculata Potts (Sansibar)
3' Die feinen Borsten fehlen minikoensis Potts (Minikoi)
2’ Elytren glatt, weiß; schwärzlicher Fleck an der Anheftungs-
stelle.
4. Im oberen Teil des Ventralastes feine Borsten mit langer
Ornamentierung michaelseni Aug. (Sundainseln)
4' Die feinen Borsten fehlen.
5. Im oberen Teil der hinteren Parapodien ein oder zwei
kräftige dunkelbraune einspitzige Borsten, im unteren
Teil sehr feine Borsten affinis Horst (Mal. Archipel)
5‘ Borsten fast gleichförmig fallax (Gr.) (Philippinen)
Pacifik.
1. Im dorsalen Teil des Ventralastes sehr feine schlanke Borste
2. Untere Borsten feiner als die mittleren, deren primäre Spitze
rund, keulenförmig ist longissima (Sz.) (Südjapan)
2’ Untere Borsten gleich den mittleren
interrupta (Marenz.) (Südjapan)
1’ Die feinen Borsten im dorsalen Teil fehlen
magnacornuta (Moore) (Südjapan)
Lepidasthenia Mgrn.
Diese Gattung besteht aus 60—150 Segmenten. Die Elytren-
zahl schwankt ebenfalls sehr. Die Elytren sind klein und bedecken
sich nicht in der dorsalen Medianlinie, kaum in der Längslinie.
Sie sind rund, fransen- und tuberkellos, fein, zart, und fast durch-
sichtig. Die Dorsaläste der Parapodien enthalten niemals Borsten,
während die Ventraläste verschiedene Arten zeigen, die sich
auch nach dem Körperende zu etwas umändern. Die Färbung des
Rückens ist für die Gattung charakteristisch und bei Z. elegans
angegeben.
Lepidasthenia microlepis Potts
Syn.: 1910 Lepidasthenia microlepis Potts, Trans. of
Lin. Soc. London Zool. 13 p. 343, tab. 19, Fig. 17, tab. 21, Fig. 52.
— 1917 Horst, ‚Siboga‘“ Exp. Monogr. XXIV, p. 85, tav. XIX,
fig. 9. — 1920 Ehlers, Abh. Senckenb. Ges. Frankfurt 1920.
Der Kopf dieser Art ist abgerundet, etwa so lang wie brei:.
Eine mediane Längsfurche konnte ich nicht bemerken. Das
Basalglied des Mediantentakels ist kräftig und etwa ?/, so lang
wie der Kopflappen. Es hat eine fast cylindrische Gestalt und
ist an seinem oberen Ende nicht verbreitert. Der Tentakel selbst,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 155
der etwa dieselbe Länge wie der Kopf erreicht, geht allmählich
und gleichmäßig der Spitze zu, die in einen kurzen Endfaden
ausläuft. Die Basalglieder der Lateraltentakel sind etwas kürzer,
als das des medianen und erreichen auch nicht seine Stärke.
Die Tentakel gleichen im Habitus dem medianen, sind aber
nur etwa ®/, solang wie der Kopf. Die Palpen sind kräftig und fast
cylindrisch zu nennen, denn eine Verdünnung ist nur an der
Basis und an der Spitze zu erkennen; an der letzteren befindet
sich ein kurzer Endfaden. Auf dem Kopflappen bemerkt man
zwei Augenpaare, von denen das vordere in der queren Mittel-
linie, und das andere nicht weit von diesem entfernt, dahinter steht.
— Die Tentakulareirrenreichen nicht bis zur Höhe der der Tentakel.
Die Cirren selbst verhalten sich in Form und Länge wie die
Tentakel. — Der Körper besteht aus 44 Segmenten. Die Rücken-
zeichnung, die für diese Gattung charakteristisch ist, ist nicht
zu sehen, da das Tier vollkommen ausgebleicht ist. — Die Elytren
weisen die übliche Kleinheit auf. Sie haben eine rundliche Gestalt
und sind vollkommen glattrandig. Ebenso ist ihre Obeıfläche
vullkommen glatt, ohne Tuberkelbesatz. Die Anheftungsstelle
ist rund und liegt im äußeren Teil. — Die Parapodien sind zwei-
ästig, jedoch fehlen die Dorsalborsten, wenn auch das dorsale
‚Acicvlum vorhanden ist. Die Borsten der vorderen Parapodien
sind zunächst cylindrisch, biegen sich dann nach rückwärts
und verdicken sich an dieser Stelle fast unmerklich, gehen dann
spitz zu und endigen in einer nach vorn gebogenen scharfen
zweizähnigen Spitze. Die Ornamentierung beginnt an der ersten
Biegungsstelle und geht fast bis zur Spitze hinauf. Die einzelnen
Zähnchen sind untereinander fast alle gleich. Die Borsten der
hinteren Segmente sind sehr wenig nach rückwärts gebogen
und die einzähnige Spitze ist fast gerade. Die Ornamentierung
ist ziemlich die gleiche. — Die Dorsaleirren sitzen auf mächtigen
großen, glockenförmigen Basalgliedern, die etwa so weit wie das
Parapod reichen. Der Cirrus selbst, der dieselbe Länge aufweist
wie das Basalglied, ist im Gegensatz zu diesem sehr klein und
schwach und reicht etwas über die Borsten hinweg. Die Ventral-
eirren sind kurz und länglich konisch, ohne das Ende des Para-
podiums zu erreichen.
Fundort: Malayischer Archipel.
Lepidasthenia minikoensis Potts
Syn.: 1910 Lepidasthenia ‚minikoensis Potts, Trans. Lin.
Soc. London Zool. (2) 13, 1909/10 p. 344.
Die Maße dieser Art sind: Länge 5l mm, Breite mit Borsten
5 mm, ohne diese 2 mm; Zahl der Segmente 61, Zahl der Elytren-
paare 26. — Der Kopf gleicht dem von Z. elegans, jedoch sind die
Tentakel nicht vorhanden. — Die Elytren bedecken gerade die
Parapodien; sie sind glattrandig und von granuliertem Aussehen,
die auf die Konzentration des Pigments zurückzuführen ist
11. Heft
156 Hans J. Seidler:
(L. maculata). — Die Dorsaleirren sind lang, reichen bis zur
Spitze der Ventralborsten und gehen allmählich der faden-
förmigen Spitze zu. Der Dorsalast ist nur durch das Aciculum
gekennzeichnet. Der Ventralast zeigt Borsten mit einer kurzen
Dornenregion. Die Dornen könnte man hier besser als blättrige
gestreifte Lamellen bezeichnen. Die Borstenspitze ist scharf
und etwas gebogen; bei einigen befindet sich ein scharfer Zahn
unterhalb der Spitze. (Potts)
Fundort: Minikoıi.
Lepidasthenia fallax (Gr.).
Syn.: 1878 Polynoe fallax Grube, Annulata Semperiana
p. 34, Taf. II, Fig. 2.
Der Kopf des Tieres ist etwa sechseckig. Vom vorderen
Rand, der sehr klein ist, entspringen die drei Tentakel von ganz
eng aneinander liegenden Basalgliedern. Nach hinten zu
divergieren die seitlichen Ränder des Kopfes. Die breiteste
Stelle befindet sich etwas hinter der queren Mittellinie. In der
medianen Löngslinie befindet sich eine Furche, die vom vorderen
Kopfrand bis etwa zur Mitte reicht. Die vorderen seitlichen
Rönder sind in Spitzen ausgezugen, ähnlich wie bei Harmothoe,
jedoch setzen sich hier die Lateraltentakel direkt an die Spitze
an. Das Grundglied des Mediantentakels ist kurz, etwa nur
ein Drittel so lang wie der Kopflappen. Der Mediantentakel
selbst dagegen ist etwa doppelt so lang wie der Kopflappen.
Vor der Spitze zeigt er eine schwache Anschwellung, auf die
ein kurzer Endfaden folgt. Die Lateraltentakel gleichen im
Habitus dem medianen, sind aber nur etwa so lang wie der Kopf.
Die Palpen sind äußerst kräftig und erreichen etwa die dreifache
Länge der Lateraltentakel. — Die Tentakulareirren gleichen
in der. Form den Tentakeln, stehen aber inbezug auf ihre Länge
zwischen dem Mediantentakel und den Palpen. — Das Tier
ist nur ein Bruchstück und besitzt 34 Segmente. Die letzten
30 Segmente, denn so viel fehlen sicherlich, sind bei beiden
Exemplaren, die mir zur Untersuchung zur Verfügung standen,
abgebrochen. Eine Zeichnung des Tieres ist weder auf der Dorsal-
noch auf der Ventralseite wahrzunehmen. — Die Elytren sind
sehr klein und vollkommen durchsichtig. Fransen und Papillen
fehlen ihnen. — Die Parapodien sind sämtlich zweiästig, jedoch
fehlen dem Dorsalast die Borsten. Sie sind seitlich zusammen-
gedrückt und ziemlich tief gespalten, sodaß zwei Parapodial-
lappen gebildet werden. Die Ventralborsten der ersten Parapodien
sind sehr fein, nur in ihrem distalen Teil etwas nach rückwärts
und an der Spitze, die deutlich zweizähnig ist, wieder nach
vorwärts gebogen. An der ersten Biegungsstelle ist die Borste
etwas verdickt, und von dieser Stelle an beginnt die feine, ziemlich
lange Ornamentierung. In den nächsten Parapodien teilen sich
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 0 Br
die Ventralborsten in zwei gesonderte Büschel, jedoch bleiben
sie meist untereinander gleich. Sie sind stärker als die vorher
besprochenen, und die Ornamentierung wird kürzer. Die Ver-
dickung an der ersten Biegungsstelle ist kräftiger und rückt
näher an die Spitze heran. Im 30. Parapod befinden sich im
unteren Teil des unteren Borstenbüschels feinere Borsten als die
anderen desselben Parapods. — Aus Analogie schließe ich, daß
etwa ım 50. Parapod ein oder zwei dunkler gefärbte Borsten .
erscheinen, die einspitzig sind und fast gar keine Ornamentierung
zeigen oder sie nur andeuten. — Der Dorsaleirrus sitzt auf einem
kurzen Grundglied, geht der Spitze gleichmäßig zu und erreicht
nicht die Spitze der Ventralborsten. Die Ventraleirren sind sehr
kurz und länglich konisch und erreichen nicht die Spitze des
Parapods.
Fundort: Philippinen (Camiguin).
Lepidasthenia maculata Potts
Syn.: 1910 Lepidasthenia maculata Potts, Trans. Lin. Soe.
(2) 13, 1909/10 p. 344, pl. 20, fig. 33, pl. 21, fig. 51.
Maße: Der Wurm ist vollständig, jedoch ist der hintere
Teil regeneriert. Die Länge beträgt 36 mm, die Breite mit
Borsten 5 mm, die Zahl der Segmente 93, die der Elytrenpaare 31.
— Der Körper ist länglich und schlank, die Segmentringe liegen
sehr dicht und die Parapodien sind schmal. — Der Kopf hat
dieselbe Gestalt wie L. elegans von Wasin, aber die Tentakel
sind schlanker und mit feinen ausgezogenen Spitzen versehen.
Die Palpen sind verloren gegangen. Die Augen liegen wie bei der
oben genannten Art, das vordere nicht so weit lateral gelegen,
sehr groß. Hinter dem Kopf ist ein deutlicher Nuchallappen
entwickelt. Die Elytren sind rundlich, verhältnismäßig größer
als bei den anderen hier beschriebenen Arten dieser Gattung;
auf jedem Elytron befindet sich ein sehr kleiner, dunkler Fleck,
der mit einem von diesem einwärts auf dem Rücken gelegenen
Pigmentfleck korrespondiert; die Oberfläche ist leicht marmoriert
und mit unregelmäßigen Klumpen von hellerem Pigment versehen,
die bei stärkerer Vergrößerung dem Elytron ein ganz besonderes
Aussehen geben. — Die Dorsaleirren sindtentakelähnlich, schlanker
als bei L. elegans und im vorderen Körperteil länger; die der ersten
drei Segmente sind länger, als die der nachfolgenden. — Das
dorsale Borstenbündel ist durch keine Art von Vorsprung gekenn-
zeichnet, die Lage ist nur durch ein Acieulum markiert. Der
Ventralast ragt hervor, die Borsten sind ziemlich schlank und
besitzen die typische zweizähnige Spitze. Am meisten dorsal-
wärts liegen ein oder zwei sehr feine Borsten, die sich von den
anderen durch die große Länge ihres gesägten Teils unterscheiden.
Bei anderen Ventralborsten der vorderen Segmente ist die Dornen-
11. Heft
158 Hans J. Seidler:
region gebogen; die der hinteren Segmente sind von größerer
Dicke und mit einer kurzen Spitze versehen. (Potts)
Fundort: Sansibar.
Lepidasthenia affinis Horst
Syn.: 1917 Lepidasthenia affinis Horst, ‚„Siboga“ Exp.,
Monogr. XXIV p. 85, pl. XIX, fig. 8.
Diese Art ist mit L. elegans sehr nahe verwandt, mit der sie
in der Gegenwart von ein oder zwei kräftigen Borsten mit ein-
facher Spitze und reduzierten Dornenreihen im dorsalen Teil
des Ventralbündels übereinstimmt. Ein typisches Parapodium
(z. B. das 13.) enthält 4 Arten von Ventralborsten:
1. die wahren Lepidastheniaborsten mit zweigespaltener
Spitze und einer Reihe von gestreiften Lamellen auf jeder Seite
des subterminal verbreiterten Teils;
2. die unteren Borsten sind unterschieden von der ersten
Gruppe durch ihr schlankes Aussehen, den gedornten Teil, der
rückwärts gebogen ist und die Spitze, die (oberhalb des zweiten
Zahns) verdickt und stumpf ist;
3% zwei starke Dorsalborsten, die stärker als jene der ersten
Gruppe sind, mit einer einfachen Spitze (oder einem kleinen
sekundären Zahn) und reduzierten Lamellen;
4. zwei schlanke Borsten, die dorsal gelegen, schwach
gebogen sind, mit verlängertem beborstetem Teil und einer
Spitze, die stumpf und kaum zweispitzig ist. In den mehr hinten
liegenden Segmenten verschwinden die oberen schlanken Borsten,
und die zwei kräftigen Borsten der dritten Gruppe, werden stärker
und dicker, während die untere von beiden eine dunkelbraune
Farbe annimmt. Vorn sind jene starken Borsten in der Nähe
des zehnten Segmentes zu sehen, während Potts nach seiner
L. elegans feststellt: ‚Vor dem 29. Segment ist die hinten sehr
deutliche Überlegenheit der obersten Borsten nicht deutlich.“
Die Elytren sind rundlich, ohne Cilien am Rande, mit einem
schwärzlichen Fleck an der Anheftungsstelle, die etwas exzentrisch
liegt; es sind mehr als 40 Paare vorhanden. Sie sind so klein,
wie bei L. elegans und verringern sich nicht nach hinten; deshalb
lassen sie nur einen Teil des Rückens nackt, in der vorderen
Körperregion, und bei den hinteren überdecken sie sich etwas.
Von Marenzeller stellt fest, daß bei einer erwachsenen Z.
elegans Breite 3,9 mm (vom rechten zum linken Elytrophor)
das Elytron 0,75—0,80 mm im Durchmesser mißt, während bei
einem Exemplar von L. affinis Breite 9mm (ohne Bortsen)
das Elytron 1!/, mm breit ist. In den vorderen Segmenten ist
der Dorsaleirrus sehr lang und überragt die Spitze des Borsten-
bündels; weiter hinten werden sie etwas kürzer. Die Tentakel
unseres Exemplars sind kürzer als das von L. elegans von
Sansibar, sie sind fast so lang wie der Kopf mit fadenförmiger
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 159
Spitze und davor mit einer Anschwellung. Die Palpen sind nur
eine Kleinigkeit länger als die Tentakel, mit einem plötzlich
spitz zugehenden Ende. Die Augen sind undeutlich, etwas lateral-
wärts gelegen. Der Körper ist mit einem schwärzlichen Pigment
gefleckt, mit einigen weißen Flecken. — Das vollständige Exemplar
mißt ungefähr 40 mm in der Länge und besitzt fast 110 Segmente.
(Horst
Fundort: Bay von Pidjod, Lombok,. 922 a
Lepidasthenia Michaelseni Aug.
Syn.: 1905 Lepidasthenia Michaelseni Augener, Fauna
SW.-Australiens p. 19, taf. II, fig. 15, 16. — 190 Ehlers,
Abh. Senckenbergischen Ges. p. 177.
Der Kopf dieses Tieres besteht aus zwei birnenförmigen
Teilen, die durch eine Längsmedianfurche gebildet werden.
Der Kopflappen ist breiter als lang und abgerundet. Das Grund-
glied des Mediantentakels ist kräftig und erreicht etwa die halbe
Länge der des Kopflappens. Der Tentakel selbst geht zunächst
allmählich und gleichmäßig spitz zu. Kurz vor der Spitze schwillt
er schwach an und verdünnt sich dann sehr rasch zu einem kurzen
Endfaden. Der Tentakel selbst erreicht etwa die dreifache Länge
des Kopflappens. Die Grundglieder der Lateraltentakel besitzen
dieselbe Länge wie das des medianen, haben aber nicht die Stärke,
wie dieses. Die Tentakel selbst gleichen im Habitus dem Median-
tentakel vollkommen, sind jedoch schlanker und nur etwa
doppelt so lang wie der Kopflappen. Die Palpen sind äußerst
kräftig und länglich konisch. Sie gehen vollkommen gleich-
mäßig ohne irgendwelche Verdickung dem stumpfen Ende zu.
Sie erreichen nicht die Spitze der Lateraltentakell. Auf dem
Kopflappen findet man zwei Augenpaare, die beide auf der hinteren
Hälfte liegen. Das vordere Paar liegt etwas hinter der Mittel-
linie, ganz dicht am Rande des Kopflappens, während das andere
am hinteren Rande liegt und von dem ersten Segment bedeckt
wird. — Die Tentakulareirren sitzen auf verhältnismäßig kurzen
Grundgliedern. Die Cirren selbst sind ziemlich lang und zwar
erreicht der obere Cirrus fast die Länge des Mediantentakels,
während der untere nur die Länge der Lateralen erreicht. Im
Habitus gleichen sie den Tentakeln. Die Farbe des Kopfes und
der Tentakelgrundglieder ist eine hellbraune, die Tentakel selbst
dagegen sind farblos. Die Palpen zeigen nur eine hellbraune
Längsstreifung, die sich auf einem noch helleren Grunde befindet.
Die Spitze ist vollkommen farblos. Die Grundglieder der
Tentakulareirren und die Cirren selbst sind farblos. Das erste
Segment sendet am Rücken noch einen Lappen aus, der über
dem hinteren Rand des Kopflappens liegt. Dieser Lappen ist
hier sehr stark papillös, sodaß der Rand bei stärkerer Vergößerung
wie gekerbt aussieht. Die Papillen setzen sich noch auf das zweite
11. Heft
160 Hans J. Seidler:
Segment fort. Dieser Lappen weist eine dunkelbraune Färbung
auf. — Der Körper besteht aus etwa 140 Segmenten. Man sieht
also, in welchem Maße diese Gattung in der Segmentzahl variiert,
wenn man bedenkt, daß das Grube’sche Original der L. elegans
nur 70 Segmente besitzt. Es ist aber in Hinsicht der Segment-
und demnach auch'der Elytrenzahl selbst für die Art keine Norm
aufzustellen, denn diese variieren auch innerhalb der Spezies
z. B. L. elegans besitzt eine Segmentzahl von 79—90. Die Färbung
des Rückens ist ein dunkles Braun, das nach hinten zu immer
heller wird. Die Zeichinung ist eine ganz eigenartige und erinnert
auf den ersten Blick an L. elegans. Die braune Färbung geht
nämlich nicht über den ganzen Körper fort, sondern wird immer
alle 2 oder 3 Segmente durch einen farblosen Streifen unter-
brochen. Innerhalb der braunen Flecke finden sich aber auch
noch regelmäßig farblose Stellen. Die Ventralseite ist vollkommen
farblos. — Der Körper wird von den Elytren nicht vollständig
bedeckt, sondern sie lassen eine mediane Rückenpartie nackt.
Sie befinden sich auf den Segmenten 2, 4, 5, 7,9... 23, 25, 28,
31, 3& 148 77:82,785,:88, DEIN — Sie sind sehr dünn und zart
und vollkommen durchsichtig; ihre Anheftungsstelle liegt etwas
exzentrisch und zwar dem äußeren Rande zu. Die Form der
Elytren ist rund. Sie sind glatt, ohne Papillen und ohne Fransen.
Die Anheftungsstelle ist durch einen schwarzen Fleck gekenn-
zeichnet. — Die Parapodien sind sämtlich zweiästig, jedoch
sind nur im ventralen Ast Borsten vorhanden. Die Borsten
der ersten 5 Parapodien sind fein, unterhalb der Spitze schwach
verdickt und nur äußerst wenig nach rückwärts gebogen. Die
Spitze ist zweizähnig und der primäre Zahn, der etwas länger
ist als der andere, ist stark nach vorn gebogen, während der
sekundäre gerade ist. Die Ornamentierung, die aus langen,
feinen Härchen besteht, die ziemlich weit auseinanderstehen,
beginnt an der Verdiekung und reicht bis fast zur Spitze hin.
In den folgenden Parapodien finden sich dann im oberen Teil
äußerst feine Borsten, die eine sehr feine Ornamentierung zeigen.
Die anderen Borsten nehmen nach unten beständig an Dicke zu
und ähneln den Borsten der vorher besprochenen Parapodien,
nur wird die Ornamentierung immer kürzer. — Das Parapod
besteht dem Sinne des Wortes nach streng genommen aus einem
Ast, da vom Dorsalast nichts weiter vorhanden ist, als das Aciculum.
Der Ventralast ist kegelförmig, zeigt aber an seiner Ventralseite
eine Knickung. An dieser Knickung spaltet sich das Parapod
vertikal in zwei Lippen, zwischen denen die Borsten liegen. Der
Dorsaleirrus ruht auf einem kräftigen, abgestutzt konischen
Grundglied. Er geht langsam und allmählich der Spitze zu und
reicht etwa bis zur Spitze der Borsten. Der Ventralcirrus ist sehr
kurz und länglich konisch.
Fundort: Sundainseln.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. Be .;u
Lepidasthenia elegans (Gr.).
Syn.: 1840 Polynoe elegans Grube, Actinien, Echinodermen
und Würmer des Adriat. und Mittelmeeres p. 85. — 1865 Baird,
Journ. Lin. Soc. London Zool. VIII, p. 201. — 1865 (66) Quatre-
fages, Hist. nat. t.I, p.275. — 1867 Lepidasthenia elegans
Malmgren, Öfv. Sv. Vet.-Ak. Förh. XXIV (1867) No. 4, p. 139.
— 1875 Polynoe elegans Grube, J. B. schles. Ges. 1875 p. 64.
— 1875 Panceri, Atti Soc. Ital. Sci. nat. vol. 18, Milano 1875
p. 213. — ?1910 Lepidasthenia elegans Potts, Trans. Lin. Soc.
Zool. (2) 13, 1909/10 p. 342, pl. 19, fig. 16, pl. 20, fig. 32.
Der Kopf des Tieres ist breiter als lang und durch eine
mediane Längsfurche, die sich vom vorderen bis hinteren Rand
zieht, in zwei gleiche birnenförmige Teile geteilt. Das Grundglied
des Mediantentakels ist kräftig, etwa 1/,—!/, so breit, wie die
Breite des Kopfes beträgt, zylindrisch und erreicht etwa °/, der
Kopflänge. Der Tentakel selbst ist von Grund auf bis ziemlich
zu seiner Spitze hin fast cylindrisch, man kann an ihm außer
an seinem proximalen Ende eine Verdünnung wahrnehmen,
dann aber verjüngt er sich plötzlich und geht in einen kurzen,
dünnen Endfaden aus. Der Tentakel erreicht etwa die 5—6fache
Länge des Kopflappens. Vor der plötzlichen Verdünnung zum
Endfaden bemerkt man aber noch eine schwache Anschwellung.
Die Grundglieder der Lateraltentakel, die vom Kopf deutlich
abgesetzt sind, sind nur etwa !/, so dick, wie das des medianen
und erreichen auch nur ?2/,—®/, seiner Länge. Im Habitus gleichen
die Tentakel vollkommen dem medianen, sind aber nur etwa
4!/,mal so lang wie der Kopf. Die subterminale Verdickung ist
bei diesen deutlicher als bei dem Mediantentakel. Bei anderen
Exemplaren, die mir zur Untersuchung zur Verfügung standen,
waren die Grundglieder ziemlich gleich groß und erreichten
kaum die Hälfte der Länge des Kopflappens. Die Palpen sind
äußerst kräftig und an ihrem basalen Teil fast so breit wie der
Kopflappen. Sie gehen gleichmäßig spitz zu, vor dem Ende
aber schwellen sie unmerklich an und gehen dann in einen sehr
kurzen, dünnen Faden aus. Auf dem Kopflappen bemerkt man
2 Paar Augen. Das größere vordere Paar liegt noch vor der
Mitte, während das andere nicht weit davon entfernt gelegen ist.
— Der ausgestülpte Rüssel ist mit zwei kräftigen, braun und weiß
längs gestreiften Kiefern bewaffnet. Am vorderen Rande ist
er mit % konischen Papillen versehen. — Die Basalglieder
der Tentakulareirren überragen nicht die der Tentakel. Die
Cirren selbst sind tentakelähnlich und der obere erreicht auch
die Spitze des Mediantentakels, während der untere etwas kürzer
‚ist. — Der Körper besteht aus 70—90 Segmenten. Charakteristisch
für das Tier ist die Rückenzeichnung. Man findet dort vier schwarze
Längslinien, von denen zwei in der Mitte des Körpers liegen und
nur durch einen schmalen hellbraunen Raum getrennt sind
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 11. 11 11.Heft
162° Hans J. Seidler:
und in der Mitte jedes Segments breiter sind, als am Rande,
sodaß sich eine regelrechte Wellenlinie ergibt, während die
beiden anderen mehr den Parapodien zu gelegen sind und ebenfalls
bald breiter bald schmäler werden, jedoch abwechselnd mit den
inneren Pigmentstreifen. Das 10.Segment, also ein cirrentragendes,
ist farblos, ebenso das 14., 18. und 22. Die dazwischen gelagerten
cirrentragenden Segmente zeichnen sich von den elytrentragenden
. dadurch aus, daß die distalen vom seitlichen Pigmentstreifen
liegenden Körperteile fast farblos sind. Auf den vorher erwähnten
farblosen, besser gesagt hellbraunen Segmenten finden sich
weiße Flecken, die an den seitlichen Teilen ganz dicht stehen.
Ich will an dieser Stelle die Stellung der Elytren vorwegnehmen.
Sie befinden sich auf den Segmenten 2, 4, 5, 7,9, 11...... 23,
25, 28, 31, 34... . Man sieht also, daß vom 25. Segment an
jeder dritte Segment ein Elytron trägt, es stehen also zwischen
zwei elytrontragenden zwei cirrentragende. Dies ist auch in der
Färbung zu erkennen. Die ceirrentragenden Segmente 26, 27,
29, 30, 832,83, 35,:36,, Pe sind farblos, während die elytren-
tragenden mit den vorher erwähnten Pigmentstreifen versehen
sind. An der Ventralseite macht sich auch bald eine Pigmentierung
bemerkbar und zwar etwa von der Mitte des Körpers an. Zu-
nächst tauchen an den Nephridialpapillen dunkle Flecke auf,
die sich dann über das Parapod verbreiten und schließlich auf
den Körper übergehen. Hell bleibt nur eine schmale mediane
Partie der Ventralseite und mehrere seitliche davon abgehende »
Zweige. — Die Elytren sind äußerst klein, rundlich, und berühren
sich weder in der Längs- noch in der Querrichtung. Sie sind voll-
kommen durchsichtig, ohne Papillen- und Fransenbesatz. Ihre
Anheftungsstelle ist oval und liegt im äußeren Teil des Elytrons,
ziemlich an den Rand gerückt. Von der Anheftungsstelle gehen
mehrere Äste aus, die sich dann weiter verzweigen. Die ventralen
Parapodialäste enthalten feine, lange schwach gebogene zwei-
spitzige Borsten, die vor ihrem Ende verdickt sind und dann
mehrere Zähnchenreihen zeigen. Das 10. Parapod zeigt schon
in der Einheitlichkeit eine Abweichung. Während im Ventralast
die Borsten von oben nach unten an Stärke zunehmen, wenn auch
unmerklich und die Ornamentierungsreihe kürzer wird, so merkt
man hier im untersten Teil plötzlich feine Borsten, die den oberen
Ventralborsten ziemlich ähnlich sehen. Es tritt dann bald der
Fall ein, daß die feinen oberen Borsten verschwinden und die
Reihenfolge eine umgekehrte ist. In den hinteren Segmenten
erscheinen dann im oberen Teil des Ventralastes ein oder zwei
kräftige dunkelbraune Borsten, deren Zweizähnigkeit und Orna-
mentierung verloren gegeangen ist. — Die Dorsaleirren sind
in den ersten Segmenten mächtig lang und tentakelähnlich.
An den hinteren Segmenten werden sie kürzer. Die Ventral-
cirren sind konisch und mit einem kurzen Endfaden versehen.
Fundort: Mittelmeer und Vormittelmeer.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 163
Lepidasthenia interrupta (v. Marenz.).
Syn.: 1902 Halosydna ünterrupta von Marenzeller,
Denkschr. Ak. Wiss. Wien, Math. Nat. Kl. Bd. LXXII p. 9,
Taf. I, Fig.2. — 1903 Polynoe semierma Moore, Proc. Ac.
Philad. 1903 p. 402, pl. XXIII, Fig. 2, 3. — 1910 Halosydna
interrupta Moore, Proc. Ac. Philad. 1910 p. 331, pl. XXIII,
Fig. 2, 3. — 1912 Polynoe semierma Izuka, Journ. of the College
of Science Tokyo p. 30.
Es ist nur ein einziges in zwei Stücke geteiltes Exemplar
vorhanden. Die Bruchstücke maßen zusammengenommen 12 mm
und waren mit den Rudern und Borsten 4 mm breit. An Segmenten
dürften 46 vorhanden gewesen sein. Der Körper ist ohne besondere
Färbung. Der Kopflappen ist bis auf die0,1 mm langen bräunlichen
Träger der paarigen Stirnfühler farblos, jene eingerechnet,
0,56 mmlang und 0,74 mm breit, mit vorspringenden Seitenrändern
Er trägt 2 Augenpaare. Die vorderen liegen in halber Länge des
Kopflappens, die hinteren etwas vor dem Hinterrande gelagert.
Der Mediantentakel und die Palpen fehlen. Die glatten Lateral-
tentakel sind zweimal so lang wie der Kopflappen. Die dorsalen
Tentakulareirren sind fast zweimal so lang wie die Lateraltentakel,
der ventrale etwas kürzer. Beide sind glatt. — Die Ruder enthalten
keine Dorsalborsten und sind unbedeutend kürzer als der Körper,
breit mit zugespitzten Lippen des ventralen Astes, von welchen
die vordere länger ist. Der dorsale Ast enthält ein Aciculum
aber keine Borsten. Die Insertionsstelle der das Parapodium
überragenden glatten Dorsaleirren ist weit nach außen gerückt
und nimmt beiläufig die Mitte des Ruderrückens ein. Von dem
9. Ruder an bemerkt man kleine Nephridialpapillen. — Die
Zahl der Elytren läßt sich nur mit großer Wahrscheinlichkeit,
aber nicht mit Bestimmtheit angeben. Das vordere Bruchstück
besteht aus 19 Segmenten und trägt 10 Elytrenpaare, an dem
hinteren sind die zwei ersten Segmente ‘mit Cirren, das dritte
mit Elytren versehen. Dann kommen zwei elytrenlose Segmente,
hierauf ein Segment mit Elytren, weiter ein elytrenloses und
wieder ein elytrentragendes, endlichh immer durch zwei mit
Cirren versehendes Segmente getrennt, noch vier Elytren. — Es
wären also 17 Paare vorhanden. Ich vermute jedoch, daß ein aus
den 20—23 Segmenten bestehendes Mittelstück fehlt. Aus Analogie
schließe ich, daß das Segment, dem zuerst zwei cirrentragende
Segmente vorausgehen, mindestens das 26. sein muß wie bei
Halosydna gelatinosa. Die Stellung der Elytren wäre dann am
2.,4.,5.,7.....(21., 23.,) 26., 29., 31., 34., 37., 40., 43. Segmente
und ihre Zahl wäre 19 Paare. Am meisten nähert sich diese
Verteilung bei der eben genannten Art. Auffallend ist, daß auf
das 29. Segment nur ein cirrentragendes Segment folgt. Die
großen rundlichen durchsichtigen Ely:tren sind glatt oder höchstens
mit 1—2 Papillen von 0,024 mm Länge besetzt. Sie sind nahezu
11* 11. Heft
164 Hans J. Seidler:
farblos, nur dem Innenrande zu ist spärliches lichtbräunliches
Pigment in polygonalen Zeilen abgelagert. — Die Borsten des
dorsalen Astes fehlen, wie bereits bemerkt. Die des ventralen
sind zweierlei Art: oberhalb der Acicula finden sich zwei fein
ausdezogene längere und schmälere und unterhalb dieser etwa
15 kurze, breite, an der Spitze zweizähnige Borsten. — Auf das
43. Segment folgen noch zwei, wovon das eine verkümmert war,
und das Aftersegment. (Marenzeller)
Gefunden an Eno-sima in einer Tiefe von 480 m.
Wie Moore bei der Beschreibung von Polynoe semierma
sagt, besitzt das Tier über 60 Segmente, kann also garnicht
zur Gattung Halosydna gestellt werden. Der Segmentzahl nach
und auch der Elytrenverteilung nach kann diese Art zu Lepi-
dasthenia gerechnet werden. Dafür spricht auch die Ausbildung
der Elytren: glatt, ohne Tuberkel, ohne Fransen, halb durch-
sichtig, klein und weiter das Fehlen der Dorsalborsten und
schließlich die Ventralborsten, die typische Lepidasthenia-artig
sind. Ich stelle deshalb das Tier zu dieser Gattung.
Lepidasthenia longissima (I1z.).
Syn.: 1912 Polynoe longissima Izuka, Journ. Coll. Sei.
Tokyo vol. XXX, Art. 2, p. 34, pl. I, fig. 1, pl. IV, fig. 1—5.
Der Körper ist außerordentlich lang gestreckt, 93 mm lang,
während die größte Breite an der Ventralseite 3 mm und zwischen
den Spitzen der Parapodien 7 mm beträgt. — Der Kopfist deutlich
sechseckig, etwas breiter als lang und bildet mit einer Seite den
hinteren Rand und mit zwei gegenüberliegenden lateralen Ecken
Fortsetzungen, an welchen die vorderen Augen liegen. Die
hinteren Augen sind kleiner und liegen an den postero-lateralen
Eckeu. Beide Augenpaare sind schwarz und rund. Das Grund-
glied des Mediantentakels ist etwas stärker als die der lateralen;
der Tentakel zeigt eine basale Verbreiterung, nach welcher er
gleichmäßig spitz zugeht und dann wieder eine subterminale
Verdickung bildet, welche einen Endfaden von ungefähr !/,
der ganzen Länge des Tentakels trägt. Die Farbe des Tentakels
ist bei lebenden Exemplaren rötlichweiß mit einem hellbraunen Ring
an der distalen Hälfte der subterminalen Verdickung; das Grund-
glied zeigt ein bräunliches Pigment. — Die Lateraltentakel
sind etwas kürzer als der mediane, ihre Grundglieder sind ohne
‚basale Verbreiterung; die Grundglieder und Tentakel verhalten
sich in der Färbung wie der Mediantentakel. Die Palpen über-
ragen ein wenig den Endfaden des Mediantentakels, im ersten
Viertel ihrer Länge bleiben sie gleichmäßig breit und gehen dann
dem Ende gleichmäßig spitz zu; die Farbe ist hellgelb mit einem
subterminalen hellbraunen Ring. — Die Tentakularcirren ähneln
den Lateraltentakeln in Form und Färbung, sind aber länger.
Die dorsalen Cirren sind etwas länger als die ventralen. — Der
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 165
Körper besteht aus 129 Segmenten, ausgenommen das Pygidium.
Der Körper ist an der Dorsal- und Ventralseite glatt; die neurale
Einsenkung ist gut markieıt und ist ungefähr im ersten Fünftel
etwas breiter alsin den folgenden vier Fünfteln der ganzen Länge.
Die Nephridialöffnungen beginnen am 18 Segment; ihre Lage
ist durch einen kleinen hellbraunen Fleck gekennzeichnet; vom
34. Segment an bemerkt man kurze aber deutliche weiße Ne-
phridialpapillen, die sich nach hinten zu verlängern; zugleich
wird der Pıgmentfleck an ihrer Basis dunkelbraun. — Die Ventral-
seite ist vorn hellrot und hinten hellbraun. Der Rücken ist dunkel-
braun mit einem heller gefärbten Band längs des hinteren Randes
jedes Segments; in der Mitte jedes Bandes befindet sich ein
dunkelbrauner Fleck. — Die 46 Paar Elytren sind an den Seg-
menten 2,4,5,7...23, 26, 29 und 34 und dann an jedem dritten
Segment bis zum 124. inseriert. Sie sind klein, durchsichtig,
fast rund und lassen einen großen Teil des Rückens glatt. Die
fast zentrale Anheftung ist durch ein weißes rundes Feld gekenn-
zeichnet. Sie sind vollkommen glatt, ohne Papillen und Härchen;
die Färbung ist braun, lateral heller, in der Mitte dunkler. —
Die Parapodien sind lang, der Dorsalast wird nur durch eine
konische Papille mit der Spitze des Aciculums in ihr dargestellt.
Die Dorsalborsten fehlen. Der Ventralast ist etwas konisch,
sein distales Ende ist in einen Pro- und Postsetallappen geteilt,
von denen der erstere etwas länger als der andere ist. Der Dorsal-
eirrus ruht auf einem verhältnismäßig kräftigen Grundglied;
sie haben eine ähnliche Gestalt wie die Tentakulareirren und
überragen noch die Spitzen der Ventralborsten. Der Ventral-
eirrus ist kurz, weniger als !/, der Länge des dorsalen, im basalen
Teil dick, im terminalen schlank und mit einem kurzen Grund-
lied versehen. — Die Ventralborsten stehen in drei Gruppen.
Tre obere Gruppe besteht aus etwa drei Borsten, die die anderen
überragen und mit zahlreichen kurzen Zähnchen versehen sind.
Die mittlere Gruppe besteht aus etwa 24 kräftigen Borsten, die
eine zweizähnige Spitze und etwa 7 Zähnchenreihen aufweisen.
Die untere Gruppe enthält etwa 5 Borsten, die kleiner sind, als
jene der mittleren Gruppe, abgerundeter Spitze, einem kleinen
sekundären Zahn und relativ langen Zähnen. (Izuka)
Fundort: Süd-Japan.
Lepidasthenia magnacornuta (Moore).
Syn.: 1903 Hylosynda magnacornuta Moore, Proc. Ac.
nat. Sci. Philad. vol. 52, ser. 2, p. 419, tab. XXIII, fig. 18. —
1912 Polynoe magn. Izuka, Journ. Coll. Sei. Tokio vol. XXX,
Art.2, p. 40.
Der Kopflappen ist ungefähr 1!/,mal so lang wie breit,
aber die vorragenden Muskelreihen, welche sich von seinen Seiten
zum ersten Parapod hinziehen, lassen ihn breiter erscheinen,
11. Heft
166 Hans J. Seidler:
ungefähr zweimal so breit wie lang, wenn man sie mitrechnet.
Eine mediane Dorsalfurche teilt den vorderen und hinteren
Rand, verschwindet aber in der Mitte. Der vordere Rand ist breit,
abgerundet und geht in die Basalglieder der Lateraltentakel aus.
Auf dem Kopf befinden sich zwei paar kleine schwarze Augen,
die weit auseinanderstehen; das vordere größere Paar, das seitlich
gelegen ist und dem vorderen Rande des Kopfes näher als dem
hinteren liegt, ist von oben kaum sichtbar. Das hintere Paar.
ist ganz dorsal gelegen, ihre Entfernung vom hinteren Rande
ist etwa gleich der Doppelten und die gegenseitige Entfernung
gleich der siebenfachen Länge ihres Durchmessers. Die Endglieder
der Tentakel sind verloren gegangen, ihre Grundglieder sind
klein, die lateralen etwas mehr dorsal gelegen als der mediane
und sie erheben sich ohne eine bestimmte Grenze von den vorderen
Ausläufern des Kopfes; alle sind vom farblosen Kopf scharf
durch eine schokoladenbraune Färbung unterschieden. Die
Palpen sind sehr kräftig, ungefähr 6mal so lang wie der Kopf
und an seinem stärksten Teil dicker als die halbe Breite des Kopfes
beträgt; die Basis ist an seinem Ursprung mit dem Kopf zu-
sammengepreßt, verdickt sich bis zum Ende des ersten Viertels
und verdünnt sich dann nach der schlanken Spitze hin. Der
ausgestülpte Rüssel ist gleich der Länge des Kopfes und der
ersten 11 Segmente. Neben den dunkelbraunen, langen, krallen-
artigen Kiefern findet sich ein kleiner, niedriger, konischer, fast
schwarzer mediandorsaler und ein ähnlicher ventraler Zahn.
Am vorderen Teil des Rüssels finden sich > Papillen, die scharf
zugespitzt und fast zweilappig sind. — Die Tentakularcirren
sind nicht vorhanden. Die Ventralseite des Körpers ist glatt.
Die Neuralgruppe, die vorn etwa ?, der Breite der lateralen
Muskelfelder einnimmt, vermindert sich nach hinten zu !/, dieser
Breite. Die beiden Hälften des Nervenstranges sind bis zum
11. oder 12. Segment sehr weit entfernt, dann nähern sie sich
allmählich, vereinigen sich aber nicht. Die Nephridialpapillen
beginnen am 5. Segment, sie werden bald vorragend und stehen
frei von der Basis der Parapodien. Die letzten 7 vorhandenen
Segmente sind mit weißlichen Eiern angefüllt. — Die Parapodien
sind lang und überragen die dorsale Breite des Körpers, aus-
genommen an seiner breitesten Stelle. Sie sind schlank und gehen
in einer leichten Kurve zur schwach zweilappigen Spitze zu;
das distale Ende ist in einem ziemlich spitzen dorsalen Winkel
'abgestutzt. Der Ventralast, der den größten Teil des eben be-
schriebenen Parapods bildet, wird durch eine vertikale Spalte
in zwei Platten geteilt. Der vordere Lappen ist der größere und
enthält das Ende des ziemlich stark gebogenen Aciculums. Der
Dorsalast ist ein rudimentärer warzenförmiger Fortsatz, welcher
keine Borsten trägt, aber das Ende eines schlanken Aciculums
enthält. Außer der gewöhnlichen Verkleinerung ist in der Gestalt
gegen das Körperende hin keine bedeutende Veränderung zu
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 167
bemerken. — Ausgenommen eines kleinen am 15. Segment
stehenden, sich regenerierenden Elytrons sind alle verloren
gegangen. — Die Ventralborsten sind vollkommen farblos, fein
und zerbrechlich, aber nicht sehr lang im Verhältnis zu ihrer
Länge. Das Ende ist ziemlich plötzlich verbreitert, leicht gebogen
und der zweizähnigen Spitze allmählich zugehend, dessen terminaler
Fortsatz groß und leicht gebogen ist; unmittelbar proximad der
zweiten Spitze oder des Zahns befinden sich 9—14 kurze trans-
versale Dornenreihen, deren distale Zähne kleiner sind, in den
proximalen Reihen jedoch den Durchmesser der Borsten über-
treffen. Die Dorsalborsten fehlen vollkommen. (Moore)
Fundort: Sagami-Bay.
Das Tier ist nach Angabe Moores ein Fragment, das aus
26 Segmenten besteht. Der Beschreibung der Parapodien nach
und der Borsten gehört das Tier nicht in die Halosydna-Gruppe,
sondern ich nehme an, daß das vollständige Tier über 60 Segmente
besessen hat und in die Lepidasthenia-Gruppe gehört. Bei den
Halosydnen findet man regelmäßig Dorsalborsten und keine
tiefgespaltenen zweilappigen Parapodien, welche letzteren gerade
für Lepidasthenia charakteristisch sind. Man kann auch mit
großer Bestimmtheit annehmen, daß das einzige Elytron ein
vollständig ausgebildetes ist und kein sich regenerierendes.
Perolepis Ehl.
Diese Gattung ist sehr ähnlich der Gattung Lepidasthenia.
Sie besitzt mehr als 50 Segmente. Die Elytren sind außer dem
ersten Paar winzig klein und sitzen auf langgestreckten Elytro-
phoren. Das erste Paar bedeckt noch den Kopflappen. Der dorsale
Ruderast ist rudimentär und der ventrale enthält nur sehr wenige
Borsten. Die Elytren sind inseriert auf den Segmenten des 2.,
2799812295 71274284155 171919!) 27.) 23.26.29) 32., 35. 02%
Perolepis regularis Ehl.
Syn.: 1908 Perolepis regularıs Ehlers, Wiss. Erg. Tiefsee-
exp. ,„Valdivia“ p.51, Taf. III, Fig. 6/11. — 1913 Lepidasthenva
sibogae Horst, Notes from the Leiden Museum vol. XXXV,
p. 161. — 1917 Horst, ,„Siboga“ Exp. Monogr. XXIV, p. 86,
pl. XVI, figs. 1—4.
Der Kopf des Tieres ist abgerundet und etwa doppelt so
breit wie lang. Eine mediane Längsfurche ist nur schwach aus-
gebildet und erstreckt sich vom vorderen Kopfrand bis fast zur
Mitte. Die Basalglieder der Tentakel sind alle vollkommen gleich
ausgebildet und zeigen auch dieselbe Länge. Sie sind abgestumpft
länglich konisch. Die Basalglieder der Lateraltentakel mögen
etwas zylindrischer sein. Sie sind etwa 2/, so lang wie der Kopf-
lappen. Die Tentakel erreichen etwa die I!/,fache Länge des
Kopflappens. Sie sind zunächst eylindrisch, schwellen dann
11. Heft
168 Hans J. Seidler:
subterminal leicht an und endigen in einem langen dünnen
Faden. In der basalen Hälfte sind sie mit einem dunklen Pigment
versehen. Der Mediantentakel unterscheidet sich von den anderen
nur daduıch, daß er um eine Kleinigkeit länger ist. Die Palpen
sind äußerst kräftig, länglich konisch und erreichen etwa die
doppelte Länge des Mediantentakels.. Auf den Palpen, die eine
etwas ins bräunliche gehende Färbung aufweisen, bemerkt man
einige helle Längsstreifen. Auf diesen Längsstreifen finden sich
in Reihen stehende längliche kleine Papillen. Der Kopf ist mit
zwei Augenpaaren versehen, von denen das vordere an der Stelle
der größten Breite liegt, die sich ungefähr in der queren Mittel-
linie findet, während das andere zwischen dem Hinterrande
und dem vorderen Augenpaar gelegen ist. — Die Grundglieder
der Tentakulareirren sind hier sehr kurz und erreichen nicht
die der Tentakel. Die Cirren selbst sind tentakelähnlich, über-
ragen aber noch die Tentakel. Der Obere erreicht fast die Spitze
der Palpen. — Der Körper besteht aus mehr als 50 Segmenten.
Die beiden mir vorliegenden Tiere sind Bruchstücke, und zwar
besteht das eine aus 37, das andere aus 35 Segmenten. Die
Färbung ist ein sehr helles braun, das an einigen Stellen dunkler
wird. Am hinteren Teil eines jeden Segments findet sich ein
schmaler Querstreifen, der sich über das Segment hinzieht,
aber sich nicht auf das Parapod fortsetzt. Er ist in der Mitte
am breitesten und geht dann nach beiden Enden spitz zu. An der
Vorderseite des Parapods findet sich ebenfalls ein brauner Streifen,
der aber verschieden ausgebildet ist. An den elytrentragenden
Segmenten ist fast nichts zu sehen, während an den cirrentragenden
Segmenten dieser Streifen gut ausgebildet ist. Auch sind diese
etwas dunkler gefärbt als die anderen und stechen dadurch von
diesen etwas ab. — Das erste Elytron ist im Gegensatz zu den
anderen groß, bedeckt aber nur die seitlichen Kopfteile, die BrRn
Sie sind glattrandig und tuberkellos. Ihre Anheftungsstelle legt
am äußeren Rand. Der Elytrophor ist sehr kurz. Die übrigen
sind ziemlich lang, etwa !/, so lang wie die Parapodien ohne
Borsten, die etwa °/, so lang sind wie die Breite des Körpers
beträgt. Die Elytren sind sehr klein und glatt und zeigen dieselbe
Anheftung. — Die Parapodien sind zweiästig, jedoch enthält
der Dorsalast nur das Aciculum und keine Borsten. Der Dorsal-
ast ist eine einfache warzenförmige Erhöhung des Ventralastes.
Dieser ist lang, eylindrisch. Die Borsten sind zunächst ceylindrisch,
subterminal verdicken sie sich etwas und biegen sich schwach
nach rückwärts. Die wenig nach vorn gebogene stumpfe Spitze
ist einzähnig. Die Ornamentierung besteht aus etwa 12 Quer-
reihen von langen fadenförmigen Zähnen. Im unteren Teil findet
sich noch eine Borstenart, die sich kurz vor der Spitze, wo die
Ornamentierung nicht mehr vorhanden ist, spaltet und einen
langen dünnen Zahn abgibt. — Das Grundglied des Dorsaleirrus
ist ebenso lang wie der Cirrus selbst. Grundglied und Cirrus ist
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 169
länglich kegelförmig. Der Ventralsirrus ist länglich kegelförmig
und waızig.
Verbreitung: Ostafrika (Sansibar), Malayischer
Archipel (Nordostküste von Timor und Lobitobi-
straße).
Bathynoe Dit!l.
Diese Gattung ist eine typische Tiefseeform. Der Kopflappen
trägt keine Augen, sie sind durch den Nichtgebrauch voll-
kommen verschwunden. Die Gattung besteht aus etwa 50 Seg-
menten. Die Elytrenstellung ist in dem vorderen Körperteil
die gewöhnliche. Sie sind inseriert auf den Segmenten 2, 4, 5,
7,19::a 132 17519,.21;:23,.24,,26,.27%.:29,.30, 32. 210000
An Borsten findet man in den Parapodien nur äußerst wenige.
Es sind etwa nur drei bis fünf vorhanden, die kurz, und wenig
ornamentiert sind und am Ende eine hakenförmige scharfe Spitze
aufweisen. |
Bathynoe pustulata (Horst).
‚Syn.: 1915 Weberia pustulata Horst, Zool. Mededeel.
Deel I p. 246. — 1917 Horst, ‚„Siboga“ Exp. Monogr. XXIV
p. 88, pl. XIX, fig. 11, 12.
Der Kopf des Tieres ist rundlich, breiter als lang, vorn in
die zwei kräftigen Basalglieder der Lateraltentakel verlängert,
die fast so lang wie der Kopf sind, während ihr distaler Teil
um eine Kleinigkeit länger ist. Von der Mitte des Kopfes erhebt
sich ein kräftiges Basalglied des Mediantentakels, aber der distale
Teil ist nicht vorhanden. Die Palpen sind kräftig, konisch. Augen
sind nicht sichtbar. Jedes Segment trägt einen papillenartigen
Tuberkel in der Mitte des Rückens. Diese Reihe in Verbindung
mit der Longitudinalreihe vom dorsalen Tuberkel, Elytrophoren,
Cirrophoren und Dorsalästen der Parapodien gibt dem Körper
ein blasiges Aussehen. Die Parapodien sind charakterisiert durch
die totale Abwesenheit eines Ventraleirrus. Dies Organ ist nur
am ersten borstentragenden (zweiten Körper-) Segment vorhanden,
Er besteht aus einem ziemlich kräftigen Grundglied und einem
Distalglied mit fadenförmiger Spitze, die kaum über die Spitze
des Ventralastes hinausreicht. Jedes Parapodium besteht aus
einem papillenförmigen Doısalast, das nur ein Aciculum enthält
und einen stärkeren Ventralast, dessen vordere Lippe rund,
ellipsoid ist, mit einem Einschnitt im äußeren Rand, während
die kleinere hintere mit einigen Papillen versehen ist. Das Ventral-
bündel enthält vier hakenförmige Borsten, welche unter der
gebogenen Spitze verbreitert und hier mit mehreren undeutlichen,
leicht gedrängten Zahnreihen versehen sind. Die Anordnung
der Elytren unterscheidet sich von jenen der anderen Lepidonotinen
am meisten dadurch, daß nach dem 23. Segment die elytrophor-
tragenden Segmente mit zwei cirrophortragenden alternieren.
11. Heft
170 Hans J. Seidler:
Jeder Cirrophor, der auswärts der Elytrophorenreihe liegt,
ist durch eine Erhebung mit einem Dre verbunden.
Unglücklicherweise sind die Tiere etwas unvollständig, denn
die Elytren und ebenso wie die meisten Cirren sind nicht vorhanden.
Ein Exemplar, ein Weibchen, das reife Eier enthält, mißt fast
20 mm in der Länge und hat 40 Segmente. (Horst)
Fundort: Malayisches Archipel.
In den beiden oben angegebenen Literaturstellen beschreibt
Horst eine Art, die sehr nahe mit Balthynoe nodulosus verwandt zu
sein scheint und ihr den Namen Weberia pustulata gibt. Vergleicht
man die beiden Beschreibungen, so ergeben sich so viel Ähnlich-
keiten, daß man geneigt sein könnte, die beiden Arten als identisch
zu erklären. Horst schreibt selbst über die Ähnlichkeit der
beiden Arten und ist der Meinung, daß eine Identifizierung nicht
so leicht stattfinden könnte, da der Weberia pustulata die Elytren
und fast alle anderen Anhänge fehlen. Ich bin der Ansicht, daß
man die Arten nebeneinander bestehen läßt, aus dem genannten
Grunde, sie aber wegen ihrer großen Ähnlichkeit zu einer Gattung
stellt. Daß die Arten in anderen Faunengebieten vorkommen,
spielt vielleicht nur eine kleine Rolle, da es Tiefseeformen sind.
Immerhin ist, falls die Tiere identisch sind, eine ziemlich starke
Verbreitung anzunehmen, denn bis jetzt kennt man nur wenig
Polychaeten, die nur in so wenig Exemplaren und zugleich in
zwei vollkommen verschiedenen Faunengebieten gefunden wurden.
Allem Anschein nach gibt es doch Unterschiede in den Elytren,
die dann die Berechtigung geben, zwei Arten aufzustellen. Sollten
es dennoch identische Arten sein, so ist eine Erklärung, wie die
gleiche Ausbildung der beiden Arten zustandegekommen ist,
nicht leicht zu finden. Bipolarität kann man sich dadurch erklären,
daß Formen der nördlichen Polarzone durch den Atlantie und
durch den Paricific zu südlichen Zonen und umgekehrt gewandert
sind. Hierbei ist es aber immer zu beachten, daß es kalte Regionen
sind, in denen die Tiere hauptsächlich gefunden wurden. Hier
aber handelt es sich um eine Art, die bei Island und eine andere,
die im Indischen Archipel vorkommt. Ich schlage also vor,
die beiden Formen als besondere Arten nebeneinander bestehen
zu lassen, sie aber beide zur Gattung Bathynoe stellen.
Bathynoe nodulosus Ditl.
| Syn.: 1916 Bathynoe nodulosus Ditlevsen, „Ingolf“ Exp.
p. 42, pl. II, fig. 8, pl. II, fig. 12, pl. IV, fig. 2, 5.
Die Gestalt des Tieres ist ziemlich lang gestreckt; wenn das
Tier ausgestreckt ist, wird die Länge fast lcm erreichen. Die
größte Breite, etwa 5mm vom vorderen Ende, beträgt 6 mm.
Das erste Parapodium ist elytrentragend und so weit es möglich
war festzustellen, ist die Anordnung der Elytren die gewöhnliche.
— Der Kopflappen, deren Gestalt breit mit erhobenen Rändern
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 171
ist, ist von lepidonotinem Typ; Stirnfortsätze fehlen. Alle Anhänge
sind übermäßig kurz und in Bezug auf ihre Länge ziemlich dick.
Der Mediantentakel erreicht die Länge von Il mm, die lateralen
sind undeutlich kürzer. Die Tentakel gehen dem Ende spitz zu
und sind mit einem kurzen Endfaden versehen. Die Palpen sind
ganz eigentümlich; sie sind an jeder Seite durch einen warzen-
ähnlichen Fortsatz dargestellt, der an Länge ungefähr die Hälfte
der Tentakel erreicht; ihre Spitze ist stumpf abgerundet. —
In der Rückenmedianlinie findet man eine Reihe von warzigen
Erhöhungen, eine an jedem Segment, und an der Basis eines
jeden Fußes findet man an der Dorsalseite eine ähnliche Er-
höhung, sodaß der Rücken drei Längsreihen von warzigen Er-
höhungen zeigt. — Das Parapodium ist deutlich reduziert, haupt-
sächlich der Dorsalast, der keine Borsten trägt, nur ein schwaches
Aciculum findet man in seinem Innern. Die Ventralborsten sind
kurz und plump, mit einem kurzen, breiten Endblatt, das in einer
stark gebogenen Spitze endigt und vollkommen frei von Zähnen
und Haaren ist. Neben dem Acicultüim sind nur drei oder vier
solcher Borsten in dem Ventralast gefunden worden. — Die
Dorsaleirren sind kurz und keulenföürmig. Die Ventraleirren
fehlen an allen Segmenten, ausgenommen am zweiten Segment.
— Die Elytren sind fast rund oder quadratisch mit abgerundeten
Ecken. Das erste ist hauptsächlich der Fall mit den kleineren
Elytren, die in der hinteren Körperregion gefunden werden.
Längs des Randes der Elytren und über die Oberfläche verstreut
findet man sonderbare kurze, fingerförmige Fortsätze, die an Zahl
verschieden sind und der Größe des Elytrons entsprechen. In
einer der größten sind 12 solcher Erhebungen am Rande und 5
auf ihrer Oberfläche gefunden worden. In den kleineren Elytren
vom hinteren Körperteil findet man am Rande keine Erhebungen
und an der Oberfläche nur zwei oder drei. — Dorsaleirren und
Elytren sind mit kurzen und plumpen Papillen dicht besetzt,
die den Organen ein samtartiges Aussehen verleihen.
(Ditlevsen)
Fundort: Atlantischer Ozean, südlich von Island.
1089 Faden. 2
Pseudohalosydna Fauv.
Diese Gattung unterscheidet sich scharf von Halosydna,
durch seine Elytrenstellung im hinteren Körperteil. Die Segment-
zahl ist größer als 45 und die Elytrenzahl übersteigt 20 Paare.
Sie sind inseriert auf den Segmenten 2, 4, 5, 7, 9, 11, 13, 14, 17,
19, 21, 23, 26, 29, 32 und dann auf jedem Segment.
Pseudohalosydna rosea Fauv.
Syn.: 1913 Pseudohalosydna rosea Fauvel, Bull. l’Inst.
oceanogr. No. 270, p. 5, Textfig. A—D.
11. Heft
172 Haus J. Seidler:
Der Körper ist abgeplattet, hinten unmerklich verschmälert
und von den Elytren vollständig bedeckt. Er besteht aus vierzig
borstentragenden Segmenten. Der Kopf trägt drei Tentakel,
von denen die lateralen lang sind und an der Spitze kreiselförmig
angeschwollen, länger als der Kopf sind und eine marginale
Insertion haben. Die Palpen sind glatt, länglich konisch. Die
Tentakulareirren sitzen auf einem großen Grundglied, das ein
Aciculum und starke Borsten enthält. Der Rüssel trägt 2 Pa-
pillen und 4 braune, kräftige, an den lateralen Kanten nicht
gezähnte Kiefer. Die Elytren, mindestens 20 Paar, sind nicht
gefranst und von zahlreichen kleinen, gelblichen chitinigen,
stachligen Papillen besetzt. Die Parapodien tragen sehr lange
papillenfreie Dorsaleirren und -kurze Ventraleirren, die kürzer
als die Füße sind. Der Dorsalast ist klein, konisch und zeigt
ein vorragendes, in einer Scheide steckendes Aciculum. Die
Dorsalborsten sind sehr lang, fein und dornig. Der Ventralast
ist größer, schräg abgestutzt und an der Spitze verbreitet und
enthält zwei Bündel von Borsten; die oberen Borsten sind haar-
förmig, lang, fein, spiralförmig behaart; die unteren dagegen
sind kurz, aciculumartig und in einer einzigen Vertikalreihe
angeordnet.
Ein einziges Exemplar ist 72 mm lang, ohne den 13 mm langen
ausgestülpten Rüssel zu zählen, die Breite des Körpers beträgt
18 mm, einschließlich Parapodien. (Fauvel)
Fundort: Azoren.
Neetochaeta Grimaldii Marenz.
Syn.: 1892 Nectochaeta Grimaldii v. Marenzeller, Bull.
Soc. Zool. France 17, 1892, p. 183. — 1914 Fauvel, Bull. de
V’Inst. Ocean. No. 287, 1914, p. 4.
Der Körper des einzigen Exemplars ist farblos, durchsichtig,
5 mm lang, 2,24 mm in der Mitte breit, mit Parapodien, aber
ohne Borsten. Der Körper besteht aus 24 Segmenten, von denen
21 vollständig entwickelte Äste haben. Die Elytren waren ab-
gefallen. Es existieren 11 Elytrophoren an den Segmenten 2,
A... Dia. er 20. Der Kopflappen ist länger als breit, mit zwei
kurzen lateralen Verlängerungen. Der Mediantentakel ist etwa
2!/,mal so lang wie der Kopf, während die lateralen nur etwa
halb so lang sind. Die Palpen sind kürzer als der Mediantentakel
und am Grunde kräftig. Der Dorsaleirrus ist kaum kürzer als der
Mediantentakel. Alle Anhänge sind vollkommen glatt. Die Para-
podien erreichen an Länge fast die Breite des Körpers. Der
Dorsalast, der vollkommen rudimentär ist, enthält nur ein Aciculum
und eine einzige kaum hervorragende Borste. Der vordere Lappen
des Ventralastes ist in eine fingerförmige Verlängerung
ausgezogen. Die Elytrophoren und die Dorsaleirren sind
relativ stark. Die Mehrzahl der Dorsalcirren war abgefallen.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 173
Derjenige des zweiten Segments erreicht die Länge des Median-
tentakels, der des 15. ist kürzer. Die schlanken Ventraleirren
überragen noch die Spitze des Parapods. Die einzige Borste
des Dorsalastes ist etwäs hinter der Mitte stärker als die des
Ventralastes. Die Kante ist unregelmäßig gezähnt. Der Ventral-
ast enthält 18 Borsten. Die längste, die sich über dem Aciculum
befindet, ist 1,12 mm lang, sie ist länger als das Parapod selbst;
ihre Länge ist um die Hälfte geringer als die Breite des Körpers.
Die untere Borste ist sehr kurz, zwei andere, darüber liegende
sind etwas länger. Dann bemerkt man eine rasche Verlängerung
der Borsten und diejenigen, die in Bündeln vereint sind, werden
schlanker. Die Borsten sind zweispitzig und mit einer langen,
am Ende leicht gebogenen und mit schwachen Dornen bewaffneten
Spitze versehen. Das Pygidium trägt zwei Cirren. (Marenzeller)
Fundort: Atlant. Ozean, Azoren, Portugiesische
Küste.
Drieschia elegans n. sp.
Syn.: 1908 Drieschia pelagica Ehlers, „Valdivia“ Exp.
Der Kopf dieser Art iss breiter als lang und durch eine mediane
Längsfurche in zwei Teile deutlich geteilt. Das Basalglied des
Mediantentakels ist äußerst kräftig und erreicht die Länge des
Kopflappens. Der Mediantentakel ist leider abgebrochen. Die
Grundglieder der Lateraltentakel sind noch nicht halb so lang
wie der des medianen und auch nicht halb so stark. Die Tentakel
selbst sind einfach länglich konisch und etwa so lang wie der
Kopflappen und das Basalglied zusammen. Auf dem hinteren
Teil des Kopflappens finden sich zwei Paar Augen, die die Ecken
eines Trapezes einnehmen. Die Palpen sind äußerst kräftig und
sehr lang. — Die Tentakulareirren sind ebenfalls abgebrochen.
— Der Körper besteht aus etwa 25 Segmenten. Die Elytren sind
durchsichtig weißlich, und man bemerkt in ihnen einige gelbe
Flecke, die eine rundliche bis eiförmige Gestalt haben. Im Innern
sind noch mehrere das Licht stärker brechende Körper vorhanden,
die deutlich punktiert sind. — Die Parapodien sind zweilippig.
An ihrem distalen Ende laufen sie spitz zu. Der untere Teil des
Ventralastes enthält dieselben starken Borsten wie D. pelagica,
und der obere Teil äußerst feine lange Borsten. Jedoch unter-
scheiden sich die starken Borsten von denen von D. pelagica,
dadurch, daß ihre Spitze nicht die Länge aufweist, und hier
gebogen ist, während sie bei der anderen Art vollkommen gerade ist.
Die Dorsaleirren sind sehr lang, die ventralen äußerst kurz.
Fundort: Kapverden, Porto grande.
Drieschia pelagieca Mich.
Syn.: 1892 Droeschia pelagica Michaelsen, Jb. Hmb. wiss.
Anst. IX.
Der Kopf dieser Art ist von dem von D. elegans insofern
11. Hett
174 Hans J. Seidler:
verschieden, als die mediane Längsfurche sehr tief ist und dadurch
der Kopf aus zwei kugelförmigen Teilen zu bestehen scheint.
Die Grundglieder sind ungefähr gleich lang und die lateralen
gleichen denen der oben genannten Ar;, während der Median-
tentakel abgebrochen ist. Die vorderen Augen liegen in der
vorderen Hälfte des Kopfes. Die Palpen sind kräftig und sehr
lang. — Die Tentakularcirren sind ebenfalls sehr lang und gehen
gleichmäßig der Spitze zu und erreichen fast die Spitze der Palpen.
— Die Elytren sind ebenso wie der Körper vollkommen durch-
sichtig und enthalten keinerlei Pigmente. Sie sind rundlich und
am Rande ungefranst. An einigen Stellen sieht man bei stärkerer
Vergrößerung einige Häufchen das Licht stärker brechende
Körperehen. Die Anheftung ist exzentrisch. — Die Parapodien
enthalten keine Dorsalborsten, sondern nur mehrere Arten im
Ventralast. Das Parapodium selbst besteht aus zwei Lippen,
so wie es bei der Gattung Lepidasthenia der Fall ist. Von vorn
cder hinten betrashtet ist das Parapodium konisch; in die Spitze
der einen Lippe ragt das ventrale Aciculum hinein. Im ventralen
Teil des Parapodıums bemerkt man zwei verschiedene Arten
von Borsten. Die eine Art ist kräftig und am distalen Ende
angeschwollen und geht dann dem Ende spitz zu. Vor der langen
und feinen Spitze finden sich einige Dörnchenreihen. Die andere
Art der Borsten ist äußerst fein und sehr lang und als Schwimm-
borsten eingerichtet. Diese letzte Art findet sich auch im oberen
dorsalen Teil des ventralen Astes. — Das Grundglied des Dorsal-
cirrus ist äußerst kräftig und ebenso stark wie das Parapodium.
Der Cirrus selbst ist sehr lang und überragt das Parapodium weit.
Fundort: Ceylon.
Drieschia pellueida Moore
Syn.: 1903 Drieschia pellucida Moore, Proc. Ac. Sei. Philad.
1903 p. 794, pl. LV, figs. 1/12.
Der Kopf ist 2/; so lang wie breit, an den Seiten konvex,
hinten leicht konkav und vorn tief eingeschnitten; eine breite
mediane Längsfurche erreicht fast den hinteren Rand. Die Augen
sind ziemlich klein, rund und schwarz und wegen der Durch-
sichtigkeit sehr deutlich. Das vordere Paar liegt an der Stelle
der größten Breite, während das andere an den postero-lateralen
Ecken zu finden ist. Die Entfernung von dem vorderen Augen-
paar ist etwa gleich der doppelten Länge des Augendiamters.
Der Mediantentakel ist verloren gegangen. Die Lateraltentakel
erreichen etwa die 1!/,fache Länge des Kopfes, sind sehr schlank
und gehen gleichmäßig dem spitzen Ende ohne Verdiekung oder
Endfaden zu. Die Palpen sind am Grund sehr kräftig, gehen
zunächst bis zum letzten Viertel gleichmäßig und dann rasch
der kurzen fadenförmigen Spitze zu. Sie sind ungefähr 3mal
so lang wie der Kopf und die Dorsalseite ist mit zwei Längsreihen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. | 175
voa Cilien besetzt. Am ersten Segment findet man feine Borsten.
Die Basalglieder der Tentakularcirren überragen noch den Kopf.
Die Cirren sind fast gleich lang, etwa 4mal so lang wie der Kopf
und gehen gleichmäßig dem Ende spitz zu. Zwischen den Basal-
gliedern der Tentakulareirren, dem Kopf und den ersten Elytro-
phoren liegt eingekeilt ein kleiner ovaler Lappen. Der ausgestülpte
Rüssel trägt = spitze ovale Papillen. Gerade proximal von
diesen findet sich eine runde Furche, die jederseits in einen kleinen
Fortsatz endet. — Zwischen dem ersten Segment und den Py-
gidium finde man 25 deutliche borstentragende Segmente.
Nephridialpapillen sind nicht sichtbar. — Alle 25 Parapodien
sind einästig. Sie sind lang, und die mittleren erreichen etwa
an Länge die Breite des Körpers. Sie sind fast eylindrisch, am
Ende verbreitert, wo sie in einen längeren spitzeren präsetalen
und einen kürzeren, dickeren postsetalen Lappen auslaufen.
Ventraleirren finden sich an allen Segmenten, sie sind schlank
und konisch und etwa !/; so lang wie das Parapod. Die Grund-
glieder der Dorsalcirren sind fast cylindrisch, sehr groß und
überragen meist das Parapod. Das zweite (am sechsten Segment)
ist das größte, es ist doppelt so lang und noch dicker als das
Parapod. Die beiden nächsten Cirren sind etwas kleiner und von
hier ab alternieren immer große und kleine Cirren bis fast zum
Ende hin. Kurze mit einem Basalglied, das dam Parapod an
Länge gleicht, finden sich an den Segmenten 12, 16 und 20, lange
mit längeren Basalglieder am 14, 18 und 22. — Elytrophoren
bemerkt man an den Segmenten 2,4,5,7...... 23 und vielleicht
26, da hier nur ein kleiner Tuberkel zu finden ist. Sie sind ziemlich
lang. Die Anheftung der Elytren ist subzentral. Sie sind voll-
kommen glatt, ohne Papillen und Fransen und farblos. Ein
großer Teil des Rückens ist unbedeckt. — Die Parapodien tragen
zwei Borstenarten, von denen die eine lang und schlank, die
anderen kurz und kräftig sind. Von den ersteren ist der proximale
Teil vollkommen glatt. An einer Stellejedoch, diein einer variablen
Entfernung von der Spitze liegt, findet sich eine mehr oder weniger
deutliche Verdickung, jenseits der die Borste gleichmäßig der
feinen etwas nach vorn gebogenen Spitze allmählich zugeht und
in dieser Region mit feinen Schüppchen versehen ist. — Die
kräftigeren Borsten sind etwa 2—3mal so dick und küızer als die
anderen. In der Nähe der Spitze sind sie verdickt und gehen
dann ziemlich unregelmäßig der etwas hakenförmigen Spitze zu.
Zwischen der Spitze und der Verdickung finden sich etwa 5—7
ÖOrnamentierungsreihen, deren Zähnchen aber nur angedeutet
sind. Im Parapod des zweiten Segments findet man Borsten, die
einen Übergang von den feinen zu den kräftigen Borsten bilden.
(Moore)
Fundort: Nomansland, Massachusetts.
11. Heft
176 Hans J. Seidler:
Drieschia melanostoma Ditl.
Syn.: 1917 Drieschia melanostoma Ditlevsen, „Ingolf“
Exp. p. 44, pl. III, fig. 2.
Das Tier ist in der Gestalt schlank, aus wenigen Segmenten
zusammengesetzt und die Parapodien sind klein und lang. Sie
sind milchig weiß. Der Rüssel ist stark dunkelviolett. Die Art
ist anscheinend näher verwandt mit der von Moore beschriebenen
Form D. pellucida, aber auch von dieser Art ist sie in jeder Be-
ziehung spezifisch verschieden. Der Körper ist kurz, aus einer
kleinen Anzahl von Segmenten bestehend. Die Elytren sind auf
den Segmenten 2, 4,5, 7.... 21, 23 und 26 inseriert. In dem
Parapodium ist der Dorsalast unterdrückt oder rudimentär.
Im Ventralast finden sich zwei Sorten von Borsten, von denen
die einen sehr dünn, haarförmig, die anderen dicker mit mehr
oder weniger breitem Endblatt versehen sind. — Der Kopflappen
ist ungefähr ebenso breit wie lang; an der Basis ist er etwas ein-
geschnürt. Die Augen sind von mittlerer Größe, nicht sehr vor-
ragend. Der Mediantentakel ist lang, an der Basis ziemlich
dick und geht allmählich dem Ende spitz zu. Die Lateraltentakel
sind nur halb so lang wie der mediane und etwas schlanker. Die
Palpen sind diek und ziemlich lang, von gewöhnlicher Form;
in der Nähe des Endes gehen sie schnell spitz zu und endigen
mit einem kurzen Endfaden. Die Tentakularceirren sind lang,
fast von derselben Länge wie der Mediantentakel. — Das Parapod
ist lang und ziemlich klein; der Dorsalast ist nur mit einem
Aciculum versehen, das schwächer und schlanker ist als das
im Ventralast. Einige besondere Körper sind in der Cutis der
distalen Hälfte des Fußes gefunden worden; sie sind rund, aber
nicht von sehr regelmäßiger Gestalt, einige von ihnen sind oval
oder eiförmig, andere nierenförmig und etwas in der Gestalt
variierend. Sie erweisen sich als sehr farbenempfänglich, wenn
sie mit Safranin gefärbt werden; während dabei das übrige
Gewebe des Parapods die bekannte weinrote Farbe annimmt,
zeigen die erwähnten Körper ein starkes Gelbrot. Wahrscheinlich
ist es eine Art Sinnesorgan, ein Begleiter des pelagischen Ver-
haltens des Tieres. — Über die Elytren kann nichts gesagt werden;
sie sind alle verloren gegangen. Die Dorsaleirren sind lang, ziemlich
dick und gehen gleichmäßig der Spitze zu; der längste unter
ihnen ist 4 mm lang. — Die kräftigen ventral gelegenen Borsten
sind mit einem kurzen Endblatt versehen. Dieses ist am Grunde
am breitesten und geht allmählich dem Ende spitz zu, das gebogen
ist und unter dem ein starker Zahn liegt. Längs der Kante des
Endblattes sind einige spitze schräg gestellte Zähne gefunden,
von denen der Größte meist proximal liest. Der Schaft ist wegen
seiner seltsamen Dickeim Verhältnis zum Endblatt bemerkenswert.
Die vielen längeren und schlanken haarförmigen Borsten variieren
etwas in der Gestalt und im Aussehen im Verhältnis zu ihrer
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. ra
Lage; diejenigen, die am meisten ventral liegen, nähern sich in
der Gestalt den oben beschriebenen dicken; ihr Endblatt ist
deutlich, sogar wenn sie lang und dünn sind und der Zahn unter
der Spitze ist deutlich ausgesprochen. Die Kante ist mit ziemlich
starken Zähnen besetzt. Die mehr dorsal gelegenen sind deutlich
haarförmig; ihr Endblatt ist undeutlich. Die Borsten sind wenig
und schwach, und man findet keine Spur von einem Zahn unter
der Spitze. (Ditlevsen)
Fundort: Südwestlich von Island.
Geographische Verbreitung.
Bisher fehlte es an einer zusammenfassenden Arbeit der
geographischen Verbreitung der Polynoiden. Jedoch will ich hier
gleich sagen, daß meine Arbeit nicht lückenlos ist und es auch
nicht sein kann, da jederzeit, bei jeder Expedition teils überhaupt,
teils dem Gebiet neue Arten, die aus anderen Gebieten schon
bekannt sind, erbeutet werden. Andererseits liegt aber noch ein
Mangel darin, daß die verschiedenen Faunengebiete verschieden
durchforscht sind. Während Gebiete wie das Nordpolarmeer,
die Europa umgebenden Meere außerordentlich gut bekannt
sind, so kennt man von anderen Teilen wie die Südsee noch
verhöltnismäßig wenig.
Wenn uns auch zusammenfassende Arbeiten fehlen, so be-
sitzen wir doch eine Reihe von geographischen Arbeiten über
einzelne Gebiete. Am besten bekannt ist das arktische Gebiet
und zwar das atlantisch-arktische, also Spitzbergen,
Ostgrönland, Novaja Selmja, Murmanküste, Skandi-
navıen, ein Gebiet, das von älteren Autoren zusammen mit der
nordöstlichen atlantischen Subarktis behandelt wurde. Von den
dieses Gebiet behandelnden Abhandlungen sind zu erwähnen die
Arbeiten von Malmgren, The&el, Levinsen, Augener und
Ditlevsen. Von anderen Gebieten sind zu erwähnen die Arbeiten
von Clapar&ede (Mittelmeer), Grube (Philippinen,
Rotes Meer, Mittelmeer), v. Marenzeller (Japan,
Mittelmeer), Ehlers (Chile), I. P. Moore (Nordpacifie),
Augener (Südwestaustralien und Westafrika) und
Horst (Indo-malayischer Archipel).
Die Familie der Polynoiden ist ausschließlich auf das Meer-
wasser beschränkt, jedoch findet man auch in solchen Meeres-
teilen, die einen geringeren Salzgehalt aufweisen als der offene
Ozean, noch Arten dieser Gruppe. So leben in der Ostsee Lepr-
donotus squamatus, Harmothoe vimbricata und Antinoe sarsi. Die
erstere Art ist allerdings nur im westlichen Teil gefangen worden,
während die anderen Arten auch in dem östlichen Teil vorkommen.
In der Gotlandtiefe wurden bei einer Fahrt der „Kommission
der wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere‘ mit
einem Netzzug über 80 Exemplare von Antinoe sarsi erbeutet,
Archiv für Natuigeschichte i
1923. A. 11. 12 11. Heft
178 Hans J. Seidler:
die sogar eine ansehnliche Größe erreichten. Professor Reibisch-
Kiel ıst nun der Ansicht, daß der Salzgehalt bei der Ausbildung
erst in zweiter Linie in Frage kommt. Gewöhnlich findet man
in der Ostsee nur Exemplare von geringerer Größe. Hier aber,
meint Reibisch, ist das starke Wachstum auf einen anderen
Faktor zurückzuführen, nämlich auf den Sauerstoffgehalt des
Wassers. Die Ostsee hat nicht einen solchen Sauerstoffgehalt
wie die Nordsee. Und wenn nun eine sauerstoffreiche Welle
von der Nordsee durch das Kattegatt in die Ostsee kommt,
so wird dadurch eine viel bessere Existenzmöglichkeit geschaffen,
und dadurch wird auch die Ausbildungsmöglichkeit größer als
es sonst der Fall ist. Dieser Gedanke ist keinesfalls von der Hand
zu weisen, jedoch glaube ich, daß, wenn eine solche Welle einen
größeren Sauerstoffgehalt aufweist, sie auch sicherlich einen
größeren Salzgehalt hat und daß bei der Ausbildung der Tiere
Sauerstoff und Salzgehalt die gleiche Rolle spielen, daß aber
weiter, wie bei allen Meerestieren in Hinsicht des Salzgehaltes
ein Existenzmaximum besteht, das ungefähr bei 45 %/,, liegt.
Verbreitungsmöglichkeiten.
Die Polynoiden sind im ausgebildeten Zustand Bodentiere,
d.h. sie können sich nicht schwimmend, sondern nur mit Hilfe
ihrer Extremitäten, den Parapodien auf dem Boden fortbewegen.
Jedoch finden sich auch einıge Ausnahmen, z. B. die aus über
60 Segmenten bestehenden Lepidasthenia-Arten können sich auch
schlängelnd im Wasser fortbewegen. Dieses Vorwärtskriechen
und Schlängeln kommt wohl wenig für die Verbreitung in Frage,
da in diesem Falle keine bestimmte Richtung eingehalten wird,
sondern die Tiere sich einmal hierhin, das anderemal dorthin
bewegen. Die hauptsächlichste Verbreitungsmöglichkeit ist in
den Larvenstadien gegeben. Wie ich im Anfang meiner Arbeit
ausführte, entwickeln sich die Polynoiden durch die Trochophora-
Larve, bilden dann (bei den Lepidonotinae) ein Nectochaeta- und
Drieschia-Stadium (bei den Harmothoinae: Herdmanella und
Macellicephala), die alle pelagisch leben und keine Eigenbewegung
haben, denn die Bewegung dieser Stadien, die teils durch die
Wimpern, teils durch das Schlagen der Parapodien geschieht,
kann außer Betracht gelassen weıden. Die Larven werden nun
mit Hilfe von Meeresströmungen, denn nur diese allein sind es,
verbreitet. Da das Larvenstadium bald beendet ist, können die
T.ere auch nicht sehr weit fortgetragen werden, denn dann sinken
sie langsam zu Boden und entwickeln sich dort weiter.
Hemmnisse.
Die meisten lepidonotinen Polynoiden sind stenotherm,
d.h. sie vertragen nur geringe Temperaturschwankungen. Mit
den Larvenformen ist es genau so der Fall. Und darin liegt ein
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 179
sehr bedeutsames Hindernis. Denn, gerät eine Larve mit Hilfe
einer warmen Meeresströmung in eine kalte, so geht das Tier
ohne Zweifel zugrunde; und daher erklärt sich die scharfe Grenze
mancher Faunengebiete (Südafrika). Ein zweites Moment,
das als Hemmnis für die Ausbreitung in Frage kommt, ist die
Tiefsee. Diese bildet für Flachseeformen ein unüber windbares
Hindernis. Befindet sich also eine Larve, die am Ende ihrer
Ausbildungszeit steht, gerade auf hoher See, unter sich die Tiefsee,
so geht das Tier, sobald es dort hinabsinkt, natürlich auch zugrunde,
da die Lebensbedingungen dort ganz andere sind alsin der Flachsee.
Die Tiefsee ist nicht zu überbrücken, auch in dem Falle nicht,
wenn schon das frisch befruchtete Ei mit der Meeresströmung
fortgenommen werden würde. Denn so langsam die Entwickelung
auch vor sich geht, so lange auch das pelagische Leben anhält,
so langsam geht auch die Strömung vorwärts.
Ich muß hier jedoch inbezug auf die Ausdehnung der Flachsee,
des Litorals, ein paar Worte sagen. Gewöhnlich rechnet man das
Litoral bis zu einer Tiefe von 400 Metern, wo das Abyssal beginnt.
Für die Polynoiden, vielleicht für die Polychaeten überhaupt,
muß man aber das Litoral, ich behalte den Ausdruck bei, in ge-
wissen Gebieten, z. B. der Arktis bis etwa zu einer Tiefe von
1000 Meternrechnen. Augener fand nämlich, daß bei Spitzbergen
Flachwasser-Polynoiden noch in 1000 Meter Tiefe vorkommen,
ohne irgend welche Unterschiede von den Formen derselben Art,
die im seichten Wasser gefangen wurden, zu zeigen. Ich rechne
zu den Tiefseemerkmalen das Verlieren der Augen, die bei allen
Tiefseepolynoiden fehlen.
Unberührt von den vorstehenden Ausführungen über die
Verbreitungsmöglichkeiten und Hemmnisse bleiben die Tiefsee-
formen, von denen bei den Lepidonotinae nur zwei Gattungen
bekannt sind: Bathynoe Ditl. (Weberia Horst) und Pseudo-
halosydna Fauv. Da diese Formen in einer Tiefe von 3—4000 Metern
leben, kommen naturgemäß die kalten und warmen Meeres-
strömungen, diean derOberfläche bestehen, für sie nicht inBetracht.
Ihrer Ausbreitung über weitere Flächen als den Litoralformen
zustehende, steht ihnen also nicht im Wege. Die Verbreitung
erfolgt sicherlich ebenfalls mit Hilfe der Larvenstadien. Da diese
zweifellos auch stenotherm sind, so müßten sie ebenfalls wie die
Litoralformen in einem Gebiet verbleiben, wenn die Verbreitung
ebenfalls in derselben Höhe erfolgte wie es bei den anderen Formen
der Fall ist. Jedoch muß man berücksichtigen, daß nicht nur an
der Oberfläche, sondern auch in der Tiefsee Strömungen herrschen,
mit deren Hilfe die Larven verbreitet werden können, und daß
diese Strömungen, die sicherlich auch einen anderen Verlauf
haben als die der Oberfläche, nicht so verschieden temperiert
sind wie jene, sondern eine mehr gleichförmige Temperatur
aufweisen.
12* 11. Heft
180 Hans J. Seidler:
Vertreter der Familie sind in allen Meeresteilen zu finden.
Betrachten wir jedoch die Unterfamilie der Lepidonotinae, so
bemerken wir, daß diese nicht kosmopolitisch iss, sondern daß
sie in den nördlichsten undsüdlichsten Gegenden vollkommen fehlt.
Im Nordpolargebiet finden sich Lepidonotinen an der Nordküste
von Europa und an der West- und Südküste Spitzbergens. An
der grönländischen Küste finden sie sich nicht; ebenso kommen
sie nicht an der Noıd- und der nördlichen Ostküste Nordamerikas
vor. An der Nordküste Asiens fehlen sie ebenfalls. Im südlichen
Eismeer fehlen sie vollkommen. Lepidonotinen finden sich also
in den Polargebieten nur dort, wo warme Meeresströmungen
herrschen. Sie kommen also allgemein vor zwischen dem 60°
a. B. und 60° s.B. mit Ausnahme der Ostküste Nordamerikas
vom 45° n.B. an. Außerdem kommen sie nördlicher an der
europäischen Küste vor.
Als Entstehungszentrum der Lepidonotinae kann man den
westlichen Pacifik annehmen, und daß sich von dort aus die
Gattungen verbreitet haben. Jedoch ist es fast unmöglich, hier
etwas ganz Bestimmtes zu sagen, da die Polynciden in jeder
Beziehung wie Biologie, Entwicklungsgeschichte usw. zu wenig
bekannt sind, gerade die Zweige, denen man am meisten entnehmen
könnte.
Die Gattung Lepidonotus besitzt dieselbe Verbreitung
wie dıe Unterfamilie und ich betrachte sie als die urspiürglichste
Gattung, aus der heraus oder aus deren Vorfahren sich die anderen
entwickelt haben. Die Wanderung der einzelnen Arten und deren
Abstammung festzulegen, ist mir unmöglich. Einige Aıten
möchte ich aber doch erwähnen, und zwar zunächst Lepidonotus
squamatus. Diese Art, deren Verbreitungszentrum in der Nordsee
oder auch an der südwestskandinavischen Kü,te liegt, stammt
aller Wahrscheinlichkeit nach von einer westindischen Art ab
und ist dann durch den Golfstrom nach der Nordsee gelangt.
Diese Art findet sich auch im Nordpazifik bei Japan. Es steht
ganz außer Zweifel, daß die Art, die auch noch bei Spitzbergen
vorkommt an der Nordküste Asiens entlang gewandeıit ist. Da
aber L. sguamatus stenotherm ist, sind möglicherweise noch einige
warme Strömungen an der asiatischen Nordküste zu suchen,
die als Ausläufer des Golfstroms zu gelten haben.
Betrachtet man die Westküste Europas und die Afrikas
als eine Linie, so kann man mit Hilfe der an diesen Küsten vor-
kommenden Lepidonotus-Arten vier Regionen unterscheiden:
1. die Region von L. squamatus, die von der Nordspitze Europas
bis Südwestfrankreich reicht, 2. die Region von L. clava von
dort bis zum Kap Verde, 3. die Region von L. hupferi von Kap
Verde bis Angola und 4. die Region von L. semitectus von Angola
bis zur Südspitze Afrikas. Man könnte nun auf den Gedanken
kommen, daß sich die 4 Arten der Reihe nach von Süden nach
Norden entwickelt hätten. Dies kann jedoch nicht der Fall sein,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I 181
da die einzelnen Arten zu verschieden von einander sind; denn die
Fransung der Elytren von L. squamatus und die Doppelzähnigkeit
der Ventralborsten von L. hupferi sind zu tiefgreifende Unter-
schiede, als daß sie für nahe Verwandte erklärt werden können.
Anders liegt es bei den Arten L. clava und L. semitectus,
die viel miteinander gemein haben. Die Einspitzigkeit der Ventral-
borsten, die ungefransten Elytren, die Ausbildung der Tentakel
und Cirren sprechen sehr für eine nahe Verwandtschaft der beiden
Arten. Unterschieden sind sie durch die verschiedene Aus-
bildung der Elytrentuberkel. L. semitectus ist sicherlich die ältere
von den beiden, ist dann später nach Norden gewandert und hat
im Vormittelmeer und dem Mittelmeer selbst dieselben oder
ähnliche Lebensbedingungen gefunden wie sie in Südafrika
bestehen. In dem dazwischen liegenden Teil, in dem ZL. hupfer;
zu finden ist, sind die Lebensbedingungen andere, denen sich
L. semitectus nicht dauernd anpassen konnte und dort wieder
ausstarb, während sie weiter nördlich eine andere Art bildete.
Die Untergattung Thormora findet sich im Indischen,
pazifischen und atlantischen Ozean. Ihr Entstehungszentrum
liegt zweifellos im südöstlichen Teil des indischen Ozeane. Vom
Sundameer aus hat sich die Untergattung einerseits nach dem
Osten hin verbreitet, nach dem Pazifik hin, andererseits nach
dem Süden, der südwestaustralischen Küste und dem Westen,
der afrikanischen Küste. Der Vorläufer dieser Untergattung
ist Lepidonotus argus, der ebenfalls zwei Arten von Dorsalborsten
zeigt; jedoch ist die zweite Art etwas anders gebaut. L. argus
findet sich von der südamerikanrischen Westküste (Juan Fernandez)
kis Südwestaustralien und findet sich auch in Neuseeland und
Port Jackson. Im pazifischen Ozean finden wir noch zwei Arten,
die eine Brücke zwischen der indischen Art und westindischen
bilden. Die eine Art findet sich in Polynesien, die andere direkt
an der westlichen mittelamerikanischen Küste. Die westindische
Art ist jedenfalls durch die pazifisch-atlantische Verbindung in
früheren Erdepochen nach \iestindien gelangt.
D.e Gattung Hermenia findet sich nur in zwei Arten vor:
H. acantholepis und H. verruculosa.. De erstere ist jedenfalls
die ältere, da sie in allen ihren Teilen: Dorsalborsten, Elytren-
ausbildung usw. sich noch nicht so weit von der Uıform entfernt
hat, wie die andere Art. Ich nehme deshalb als Eutstehungs-
zentrum den indomalayischen Archipel an, von wo aus die Art
sich bis zur. ostafiikanischen Küste veıbreitet hat. Die andere
Art muß um das Kap der guten Hoffnung herumgewandert
und dann mit Hilfe der Meeresströmungen nach \ıestindien
gelangt sein.
Die Gattung Chaetacanthus findet sich bis jetzt nur
in Westindien mit der einz gen Art C. magnslicus, die von Augener
und von mir zu Physalidonotus gestellt wurde. Da nur wenige
11. Heft
182 Hans J. Seidler:
Fundorte bekannt sind, unterlasse ich jedwede Erörterung über
diese Gattung.
Mit der vorigen Gattung hängt zweifellos Euphione
zusammen, und ich betrachte diese auch als Untergattung von
der vorigen. Euphione hat sich von dieser an der atlantisch-
pazifischen Verbindung abgespalten und hat bei Callao eine Art
gebildet, E. lobulatus. Von der Verbindung der beiden Ozeane
müssen auch mit Hilfe der dort herrschenden Strömungen
Wanderungen nach dem Westen eingesetzt haben, und zwar
nach Japan, dem malayischen Archipel, Neuseeland und Südost-
australien und von dort aus weiter nach dem östlichen Süd-
afrika. Es ist wohl kaum möglich, daß die Wanderung umgekehrt
einsetzte, von Westindien quer durch den Atlantik nach Süd-
afrıka, da dort Strömungen herrschen, die zu einer solchen Ver-
breitung nicht in Betracht kommen.
Die Gattung Halosydna ist entfernter mit den vorher-
gehenden Gattungen verwandt als diese unter sich, und es fehlen
eigentliche Bindeglieder. Nach den jetzt vorhandenen Arten
müßte die Entwickelung sprungweise erfolgt sein; diesist natürlich
nicht möglich, sondern man ist dabei zu der Annahme gezwungen,
daß die als Bindeglieder funktionierenden Formen ausgestorben
sind. Die Arten dieser Gattung finden sich meist zwischen den
beiden Wendekreisen, außerdem aber noch an der ÖOst- und
Westküste Südamerikas in der gemäßigten Zone. Das Verbreitungs-
zentrum der Gattung liegt wahrscheinlich im malayischen Archipel,
von wo aus die Arten nach Osten gewandert sind. Zwei Arten
finden sich auch in Westindien. Da sie stenotherme Formen
sind, sind sie zweifellos durch die pazıfisch atlantische Verbindung
dorthin gelangt. Die Arten von der südamerikanischen Küste,
der östlichen als auch der westlichen, betrachte ich als Ausläufer
der Arten, die sich an der pazifisch-atlantischen Verbindung
befanden.
Die Gattung Pseudohalosydna wurde von Fauvel
nach einem Exemplar beschrieben, das in der Tiefe des atlantischen
Ozeans gefunden wurde. Da aus der kurzen Beschreibung nichts
über die Abstammung zu entnehmen ist, unterlasse ich jede
Erörterung. Wahrscheinlich hat sich diese Gattung aus Halo-
sydna herausgebildet.
Genau dasselbe ist es mit zwei anderen Gattungen Para-
halosydna und Hololepida. Die erstere wurde im malayischen
Archipel, die andere bei Alaska gefangen.
Eine große Ähnlichkeit mit Hololepida zeigt die Gattung
Alentia mit einer Art. Diese Gattung ist oft zu Halosydna
gestellt worden, unterscheidet sich aber deutlich von dieser
durch die Kopflappen- und Tentakelausbildung und den Borsten.
Ich glaube eher, daß Alentva, die sich in Westindien und an der
europäischen Westküste findet, mit Hololepida in einem innigeren
Verhältnis steht, als mit Halosydna, mit welcher sie nur die
Beitiäge zur Kenntnis der Polynoiden I. 183
Segment- und Elytrenzahl gemeinsam hat. Es fehlt jedoch
eine geographische Verbindung der beiden Gattungen. Holo-
lepida findet sich an der Küste von Alaska, während Alentia
als nächsten Fundort Westindien aufweist. Jedoch glaube ıch
dies dahin erklären zu können, daß an der Westküste Hololepida
bisher nicht gefunden wurde, oder daß die Gattung in dieser
Region ausgestorben ist. Das gleichzeitige Vorkommen von
Alentia in westindien und der Nordsee und der eı.glischen Küste
ist sehr einfach durch den Golfstrom zu erklären. Das Eutstehuu.gs-
zentrum liegt also in Westindien.
Ein Bindeglied zwischen Halosydna und der aus vielen
Segmenten bestehenden Gattung Lepidastenia bildet die Gattung
Hyperhalosydna, die sich mıt einer Aıt im indomalayischen
Archipel, Japan und Südaustralien aufhält. Ihr Ent:tehungs-
zentrum ist zweifellos der malayische Archipel, von wo aus dıe
Verbreitung nach allen Richtungen hin eıfolgte.
Ein anderes Bindeglied zwischen den oben genanntenGattungen
ist Halosydnoides. Während bei Hyperhalosydna sich keıne
Dorsalborsten finden, fehlen sie nur zum Teil bei Halosydnoides
und Hyperhalosydna erweist sich so schon als höher ei.twickelte
Form. Halosydnovdes ist.an der Westküste Nordamenikas in der
Nähe von San Franzisko und bei Japan gefunden worden. Das
etwas entfernte Vorkommen dieser Gattuı.g von den gewöhnlichen
Fundorten der Gattung Lepidasthenia ist nicht zu verwundern,
da wir beder.ken müssen, daß die Gattung Lepidasthenia nicht
von den jetzigen Formen der Gattung Halosydnoides abstammt,
sondern von deren Voıfahren und daß diese sicherlich eine andere
Verbreitung gehabt haben, als es heute der Fall ist.
De Gattung Lepidasthenia findet sich nur mit einer
Ausnahme, ZL. elegans, die im Mittelmeer vorkommt, im Indo-
Pazifik. Hier liegt das Entstehungs- und Verbreitung: zeutrum
im malayischen Archipel. L. elegans ist schon sehr fıüh, als noch
eine Verbindung zwischen dem Ind.k und dem Mediterraneum
bestand dorthin gewandert. Daß sich diese Aıt noch im Atlantik
findet, ist nicht zu ver wundern, da diese nur an der nordwestlichen
Küste Afrikas und an der südwestlichen Europas, also im Vor-
mittelmeer gefunden wurde, und durch die Meerer.ge von
Gibraltar dorthin gelangt ist. Nach dem Osten geht die Gattung
bis Japan, findet sich aber nicht an den amerikanischen Küsten.
In diesem Gebiet findet sich eine auf den ersten Blick der
vorhergehenden nahe verwandte Gattung, Lepidametria, wenn
man alle die Formen, die an der Westküste Amerikas, bei Neu-
seeland und Japan vorkommen, zu dieser Gattung rechnet, die
nach einer im Atlantik gefundenen Art aufgestellt worden ist.
Da ich diese Art nicht kenne, lasse ich sie hier außer Betracht.
Es ist auch leicht möglich, daß sie eine Sonderstellung einnimmt,
vielleicht sogar eine besondere Gattung bildet. Lepidametri«a
unterscheidet sich von der vorigen Gattung hauptsächlich durch
11. Heft
184 Hans J. Seidler:
das Vorhandensein der Dorsalborsten. Die Arten finden sich
an der Westküste Nord-, Mittel- und Südamerikas. Von dort
aus wanderte eine Art nach Neuseeland, während eine andere
Art, die ich mit (?) zu dieser Gattung stelle, sich bei Japan findet.
Sollte Lepidametria commensalis, die im Atlantik an der nord-
amerikanischen Küste gefunden wurde auch in diesen Formen-
kreis gehören, so wäre ihr Vorkommen nur durch eine Ein-
wanderung der Art durch die pazifisch-atlantische Verbindung
zu erklären.
Eine außerordentlich starke Verbreitung im Verhältnis zu
ihrer bisher bekannten Artzahl hat die Gattung Bathynoe,
deren Arten typische Vertreter der Abyssalfauna sind. Es sind
bisher nur zwei Arten bekannt, die sogar vielleicht identisch sind.
Für Tiefseeformen fallen ja so viele Schranken, die für Litoral-
formen unüberwindlich sind, fort, und so ist es nicht zu verwundern,
daß die eine Art südlich von Island, die andere im malayischen
Archipel gefangen wurde. Sollten die beiden Arten identisch
sein, so spricht dies einerseits für eine ungeheure Ausdehnung
der Art, wie man sie bisher noch von keinem Polynoiden kennt,
andererseits aber auch dafür, daß die Lebensbedingungen in
größeren Tiefen vollkommen oder fast die gleichen sind.
Verbreitungsgebiete.
Nachdem ich die Verbreitung der einzelnen Gattungen
besprochen habe, möchte ich noch auf einen anderen Punkt
eingehen. Man kann, wenn man die Abyssalformen ausschaltec,
und nur die litoralen in Betracht zieht, regelrechte Verbreitungs-
gebiete aufstellen, die oft von einander scharf getrennt sind,
manchmal auch ineinander übergehen. Als Grenzen der Ver-
breitungsgebiete rechne ich das Aufeinandertreffen von verschieden
temperierten Meeresströmungen und die Tiefsee.
Ich teile zunächst die Erde in die fünf bekannten Regionen
ein: Arktis, Subarktis, Tropen, Subantarktis und
Antarktis.
Die Südgrenze der Arktis zieht sich im Atlantik von der
Nordspitze über Island ungefähr bis zur Nordspitze Neu-Fundlands.
Im Pazifık beginnt sie an der Westspitze der Alaska-Halbinsel,
zieht sich längs den Aleuten hin bis zur Mitte der Halbinsel
Kamtschatka und endigt dann im nördlichen Teil der Insel
Sachalin, sodaß auch noch das Ochotskische Meer zur Arktis
gehört.
Die Subarktis beginnt im Atlantik an der Nordwest-
spitze Afrikas, sodaß das Mittelmeer noch zur Subarktis gehört.
Die Grenze geht dann den Breitengraden ziemlich parallel bis etwa
zum 65° w.L. und senkt sich dann plötzlich zur Südspitze
Floridas hin. Im Pazifik beginnt die Südgrenze an der nord-
amerikanischen Küste etwa am 35° n. B., senkt sich dann bald
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I, 185
zum 32° hinunter, steigt hierauf jedoch wieder bis zum 35°,
geht längs der südjapanischen Küste bis zum 30 °® hinunter und
endigt in dieser Höhe an der asiatischen Küste. Die Südküste
Japans rechne ich jedoch schon zu den Tropen.
Die Subantarktis beginnt im Atlantik an der afrikanischen
Küste am 15° s.B., wendet sich dann südwestwärts bis zum
50° w.L. und 45°s.B. und wendet sich dann in einem Bogen
nach Rio Grande. An der Westküste Südamerikas beginnt die
Grenze etwa am 20 ° s. B., wendet sich dann südwärts zum 30.°,.
bleibt dann auf diesem bis etwa zum 175.° w.L., und wendet
sich schließlich südwärts nach der Insel Tasmanien hin. Im
indischen Ozean beginnt die Grenze am 25. s. B., wendet sich
allmählich südwärts bis zum 40.°, den sie etwa am 50.° ö6.L.
erreicht und geht dann nordwärts zum Kap der guten Hoffnung.
Die Festlegung der Grenze an der westaustralischen Küste ist
jedoch nicht genau, da an dieser Stelle wie an der Südküste
Japans, Tropen und Subantarktis bezw. Subarktis stark in-
einander übergehen.
Als Nordgrenze der Antarktis kann man den 60. s.B.
annehmen.
Ich lasse bei den folgenden Angaben die Abyssalformen, wie
Bathynoe usw. außer Betracht, da sie ganz andere Verbreitungs-
möglichkeiten und Hemmnisse zeigen als die Litoralformen.
Man kann nun innerhalb der einzelnen Meeresteile bestimmte
Faunengebiete für die Polynoiden aufstellen, wohl gemerkt
nur für die litoralen Formen.
Den subarktischen Teil des Atlantik teile ich in eine
westliche und eine östliche Hälfte, welche letztere wiederum
in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerfällt. Die Nord-
Südlinie, die den westlichen vom östlichen Teil trennt, geht
etwa quer durch nördlichen Atlantık, und zwar ungefähr
an der Westspitze Islands beginnend. Die südliche Grerze des
Nordeuropäischen Gebietes beginnt an der Nordwestsp.tze der
Pyrenäenhalbinsel und wendet sich dann im Bogen nach Süden.
Der südliche Teil dagegen, den icb mit Möbius als Vormittelmeer
bezeichnen möchte, reicht noch in das eigentliche Tropengebiet
hinein, denn Lepidonotus clava geht noch ziemlich weit nach Süden.
Die Nordgrenze dieses Gebietes ist für die eben genannte Aıt
ebenfalls nicht unbedingt gültig, da sie noch im Kanal beobachtet
wird. Mit dem Vormittelmeer in innigem Zusammenhang steht
das Mittelmeer mit dem Schwarzen Meer. Das letztere kommt
hier jedoch nicht in Betracht, da in diesem bisher noch keine
Lepidonotinen gefangen wurden.
Vom tropischen Teil des Atlantik trenne ich zunächst
Westindien ab, das eine ganz spezifische Fauna zeigt, die meist
aus Einwanderern aus dem Pazıfık stammt. Außer diesem Teil
trenne ich die Tropen in einen östlichen, afrikanischen und
einen westlichen, südamerikanischen Teil.
11. Heft
186 Hans J. Seidler:
Ebenso trenne ich auch den subantarktischen Atlantik
in einen westlichen und östlichen Teil.
Den subarktischen Pazifik teile ich ebenfalls durch
eine Nordsüdlinie in zwei Teile, da eine Überquerung des Ozeans
wegen seiner Tıefe kaum möglich ist. Vom tropischen Teil
trenne ich Mittelamerika ab, das von den anderen Teilen voll-
kommen abgeschlossen ist, undzwar durch kalte Meeresströmungen,
die nördlich und südli.h vorkommen und durch die Tiefe des
Ozeans im Westen. Die Polynoidenfauna dieses Teils ist noch
sehr wenig bekannt. Der mittlere, mehr westliche Teil schließt
sich sehr an den tropischen Indik an.
Den subantarktischen Pazifik teile ich in zwei Gebiete,
und zwar das amerikanische Gebiet, das wegen der kalten Meeres-
strömung sehr weit nach Norden reicht und das neuseeländische
Gebiet. Ich rechne zu diesem Gebiet noch Tasmanien, da nach
einer Arbeit Benhams diese beiden Inseln sehr viel gemeinsames
zeigen. Sehr viel Ähnlichkeit mit diesem Gebiet zeigt auch die
Küste Südwestaustraliens. Es ist dies hier dieselbe Erscheinung
wie mit Lepidonotus semitectus an der Südwestküste Afrikas und
L. clava an der Nordküste, Tiere, die sich beide außeroıdentlich
ähneln, sicherlich nahe miteinander verwandt sind, aber in dem
dazwischen liegenden Teil vollkommen fehlen. An der Küste
Australiens haben sich die Arten jedoch nicht verändert (Lepi-
donotus ‚polychromus in Neuseeland und Südwestaustralien).
Bei einer anderen Art L. argus ist der Weg noch ganz deutlich.
Diese findet sich in Juan Fernandez, in Neuseeland, im Port
Jack on und in Südwestaustralien. Bei der erstgenannten Art
ist der Weg zweifellos derselbe.
Der Indik wird vom Pazifik getrennt durch die Phi-
lıppinen, die noch dem ersteren angehören und durch eine Linie,
dıe sich von den Philippinen bis nach der Nordostspitze Australiens
hinunterzieht und zwar in Bogen, sodaß Neuguinea mit dem
Bismarckarchipel noch zum Indik gerechr.et wird. Dentropischen
und auch den subantarktischen Teil dieses Ozeans teile
ich nicht weiter ein, da im tropischen Teil die meisten einzelnen
Arten im Osten wie im Westen zu finden sind, während im wesst-
lichen Teil des subarktischen Indik Lepidonotinen vollkommen
fehlen. Zum subantarktischen Teil rechne ich noch die süd-
australische Küste bis Tasmanien.
Verbreitung der Gattungen.
a) Innerhalb der Ozeane.
Ich möchte hier nochmals darauf aufmerksam machen,
daß bei allen Zusammenstellungen die Gattungen Pseudo-
halosydna und Bathynoe nicht berücksichtigt werden, da es
Abyssalformen sind. Vielleicht ergeben spätere Expeditionen,
daß noch mehr Arten in den größeren Tiefen leben, sodaß dann
Beiträge zur Kenntnis der P\lynoiden 1. 187
auch an eine Geographie der abyssalen Lepidonotinen gedacht
werden kann.
Bisher kennt man 15 wohlbestimmte Lepidonotinengattungen,
von denen die Mehrzahl im Indik zu finden ist, dann folgt der
Pazifik und den Schluß bildet der Atlantik. Es ist in der Anzahl
der Gattungen in den einzelnen Ozeanen kein großer Unterschied
zu bemerken, denn im Indik finden sich 10, im Pazifik 9 und
im Atlantik 8 Gattungen. Eine große Schranke ist dann zwischen
diesen Ozeanen und dem Nordpolarmeer aufgerichtet, in welchem
' sich nur eine Gattung findet, jedoch eine Gattung, die dieses
Meer mit allen anderen Ozeanen gemeinsam hat außer dem
Südpolarmeer, in dem Lepidonotinen vollkommen fehlen.
Um nun einigermaßen ein Bild zu bekommen, wie die einzelnen
Gattungenin den Ozeanen verteilt sind, schließe ich hier bestimmte
Gattungen zu Gruppen zusammen.
1. Solche Gattungen, die nur einem Ozean angehören: 7.
a) Nordpolarmeer: —. b) Atlantik: 2. Alentia, Ohaetacanthus.
c) Indik:3. Paraholosydna, Perolepis, Gastrolepidia. d) Pazifik: 2.
Halosydnovdes, Hololepida.
2. Solche Gattungen die zwei Özeanen angehören: 4.
a) Nordpolarmeer und Atlantik: — b) Nordpolarmeer und
Pazifik: — ce) Atlantik und Indik: 1. Hermenia. d) Atlantik
und Pazifik: 1. Lepidametria. e) Indık und Pazıfık: 2. Euphione,
Hyperhalosydna.
3. Solche Gattungen, die drei Ozeanen angehören: 3. a) Nord-
polarmeer, Atlantik und Indik: — b) Nordpolarmeer, Atlantik
und Pazifik: —. c) Atlantik, Indik, und Pazıfık: 3. Halosydna,
Lepidasthenia, Thormora.
4. Solche Gattungen, die vier Ozeanen angehören: 1.
a) Nordpolarmeer, Atlantik, Indik und Pazifık: 1. Leprdonotus.
Man sieht aus dieser Zusammenstellung, daß die Zahl der
Gattungen, die nur einem Ozean angehören, fast gleich so groß
ist wie die anderen Gruppen zusammen (7:8). Die nur einem
Ozean angehörenden Gattungen sind auch nur wenig artenreich.
Sie enthalten sämtlich nur eine Art. Diezwei Ozeanen angehörenden
Gattungen sind schon artenreicher. So enthalten Euphione 10,
Lepidametria 6 Arten. Leicht verständlich ist das Voıkommen
einer Gattung im Indik und Pazifik, da eine natürliche Grenze
zwischen beiden fehlt und die oben angesetzte Grenze mehr
oder weniger künstlich ist. Ebenso leicht verständlich ist das
gemeinsame Vorkommen im Pazifik und Atlantik, da früher
zwischen diesen beiden Meeren eine Verbindung bestand, die im
heutigen Mittelamerika zu suchen ist. Schwerer verständlich
allein ist das Vorkommen einer Gattung im Atlantik (West-
indien) und dem Indik. Eine Wanderung vom Indik zum Atlantik
ist heute unmöglich, da sich dieser Hindernisse in den Weg stellen,
die nicht fortzusäumen sind. Das erste und hauptsächlichste
Hindernis ist das Aufeinandertreffen zweier ungleich temperierter
11. Heft
188 Hans J. Seidler:
Strömungen, des kalten Benguella-Stroms, der vom Westwind-
Trift abzweigt und an der westafrikanischen Küste nordwärts
zieht und des warmen Agulhas- oder Nadelkap-Stroms, der
vom Südpassat-Trift westlich von Madagaskar an der afrikanischen
Küste nach Süden zieht. Es steht also hier ganz außer Zweifel,
daß früher entweder andere Strömungen geherrscht haben, die
eine solche Verbreitung begünstigten, oder was wohl wahr-
scheinlicher ist, daß eine atlantisch-indische Verbindung bestanden
hat, die südlich vom jetzigen Mittelmeer zu suchen ist.
b) Inneralb der Zonen.
Ich stelle hier ähnliche Gruppen auf wie oben.
l. Solche Gattungen, die nur einer Zone angehören: 8.
a) Arktis: — bb) Subarktis: 2. Halosydnoides, Hololepida.
c) Tropen: 6. Hermenia, Chaetacanthus, Parahalosydna, Pero-
lepis, Gastrolepidia, Hyperhalosydna. d) Subantarktis: —.
2. Solche Gattungen, die zwei Zonen. angehören: 4.
a) Arktis und Subarktis:: — b) Subarktis und Tropen: 2.
Alentia, Lepidasthenia. c) Tropen und Subantarktis: 2. Thor-
mora, Euphione.
3. Solche Gattungen, die drei Zonen angehören: 2. a) Arktis,
Subarktis und Tropen: —. b) Subaıktis, Tropen und Suban-
antarktis: 2. Lepidametria, Halosydna.
4. Solche Gattungen, die vier Zonen angehören: 1. a) Außer
Antarktis: 1. Lepidonotus.
Man sieht daraus, daß auch hier fast dasselbe Verhältnis besteht
zwischen den Gattungen, die nur einer Zone angehören und
denen, die mehreren angehören wie es oben bei den Ozeanen der
Fall war (8:7). An der Spitzestehen die Tropen mit fünf Gattungen.
Wir bemeiken auch hier, daß es solche Gattungen sind, die nur
je eine Art enthalten, außer Hermenva, die auch zwei verschiedenen
Ozeanen angehört, während die anderen auch nur in einem Ozean
vertreten sind. Von den zwei Zonen angehörenden Gattungen
findet sich nur eine in einem Ozean (Alentia im Atlantik), während
die anderen zwei oder drei Ozeanen angehören. Die eine drei
Zonen angehörende Gattung, Lepidametria, findet sich mit einer
Ausnahme, die dem Atlantik angehört, nur im Pazifik, und
sie hat sich dort, ohne in den Indik einzudfingen an allen Seiten
festgesetzt, und zwar meist an der Küste Amerikas, von dort
. aus gelangte sie nach Neuseeland und schließlich nach Südjapan.
Die vier Zonen angehörende Gattung, Lepidonotus, gehört auch
vier Özeanen an.
In den folgenden Abschnitten will ich die Lepidonotinen-
arten in ihrer Verbreitung in den einzelnen Zonen betrachten,
während ich es vorher nach den einzelnen Gattungen tat. Die
Abgrenzung der einzelnen Zonen und Unterzonen habe ich bereits
gegeben, und ich beginne mit der
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 189
Arktis.
In der Arktis findet sich nur eine Gattung mit einer Art,
Lepidonotus squamatus, und zwar an der Ostküste Spitzbergens,
an der Nordküste Skandinaviens und der Murmanküste. Sie ist
dem Gebiet nicht eigentümlich, sondern ist auch in der Subarktis
vorhanden. Da diese Art sich weder an der Nord- und Ostküste
Spitzbergens, noch an der Ost- und Westküste Grönlands findet,
erkennt man, daß es sich um eine typische Warmform handelt.
Sie findet sich dann noch in der Nordsee, um England, an der
französischen Küste, in der westlichen Ostsee. Ihr Verbreitungs-
zentrum liegt zweifellos in der Nordsee, und von dort aus gelangte
sie nach Skandinavien und erst später in die Arktis. Es ist also
einfach eine von der Subarktis in die Arktis eingewanderte Form.
Subarktis.
Von der Subarktis ist: am besten bekannt die Westküste
Europas und das Mittelmeer. Weniger gut bekannt ist die \ est-
küste Nordamerikas und Alaskas (J.P. Moore). In diesem Gebiet
finden sich sieben Gattungen, von denen vier im Atlantik und
fünf im Pazif.k voıkommen, zwei Gattungen also den Teilen
gemeinsam sind. Eine Art, die auch in der Aıktis zu finden ist,
ist beiden Meeren gemeinsam. In Hinsicht auf diese Art sind
Beziehungen zwischen den beiden Teilen nur durch die Aıktis
möglich. Sie kann also nur an der Noraküste Europas und Asiens
entlang gewandert sein. Da dieselbe Aıt auch an der Ostküste
Nordamerikas voıkommt, könnte man auf den Gedanken kommen,
daß die Art über Nordamerika gewandert ist. Jedoch halte ich
dies für vollkommen ausgeschlossen, da eine kalte Strömung,
der Labradorstrom, von Norden her sehr weit nach Süden hinunter-
geht und daher eine Verbreitung in der Richtung von Süden
nach Norden unmöglich ist. Es bleibt also nur der andere Vieg
übrig. Jedoch sind aan der Nordküste Asiens noch keine Exemplare
gefunden worden, die diesen Gedanken bestätigen. Es ist hier.
dieselbe Erscheinung, wie wir sie an zwei anderen Punkten der
Erde gefunden haben, und zwar an der Westküste Afrikas und an
der Südküste Australiens. Auch hier finden wir eine Art an zwei
verschiedenen Orten, während sie in dem dazwischen liegenden
Teil fehlt.
Subarktische Atlantik.
In diesem Gebiet finden sich vier Gattungen: Lepidonotus,
Alentia, Lepidasthenia und Lepidametria, von denen die erste
mit vier Arten und einer Varietät, die anderen mit je einer Art
vertreten sind. Dieses Gebiet teile ich in drei Untergebiete:
1. Die Westküste Europas,
2. Vormittelmeer und Mittelmeer,
3. Ostküste von Nordamerikas.
11. Heft
190 Hans J. Seidler:
Westküste Europas.
Dieses Gebiet wird im Norden durch die Grenze des Arktis.
bessimmt, im Osten von der europäischen Küste, ich rechne
die Ostsee mit ein, im Süden geht dieses Gebiet bis zur Nordwest-
spitze der Pyrenäenhalbinsel, die Südgrenze bildet etwa der
43. Breitengrad, die Westgrenze der 30. Längengrad.
In diesem Teil finden sich zwei Gattungen, Lepidonotus
mit zwei Arten L. squamatus und L. clava und Alentia mit
A. gelatinosa.
Von Lepidonotus sguamatus war oben schon die Rede. Ihr
Verbreitungszentrum liegt in der Nordsee, von wo aus sie nach
allen Seiten hin gewandert ist,. Nach Norden bei Spitzbergen,
nach Osten in die Ostsee hinein, wo man sie noch bis zur Wismarer
Bucht findet (Braun), nach Süden bis Südwestfrankreich und
nach Osten bis Nordamerika. Von Lepidonotus clava soll in dem
nächsten Abschnitt gesprochen werden. Alentia gelatinosa, die
in der Nordsee und dem Kanal sehr oft beobachtet wird, ist
zweifellos ein Einwanderer aus den Tropen (Westindien).
Vormittelmeer und Mittelmeer,
Zum Mittelmeer wird noch das Marmara- und das Schwarze
Meer gerechnet, in welchen jedoch keine Lepidotinen gefunden
worden sind. Als Vormittelmeer rechne ich die Westküste der
Pyrenäenhalbinsel und die Westküste Nordafrikas bis etwa
zum 30. n.B. Als Westgrenze setze ich ungefähr den 20. w. L.,
sodaß Madeira noch zum Vormittelmeer gehört, die Azoren
jedoch nicht mehr dazu gerechnet werden.
In diesem Gebiet finder sich zwei Gattungen mit je einer Art:
Lepidonotus clava und Lepidasthenia elegans. Lepidonotus clava
ist, wie ich schon oben anführte, auch an der französischen W est-
küste anzutreffen. Sie ist vom Vormittelmeer dorthin gewandert.
Sein Verbreitungszentrum liegt im Vormittelmeer, von wo aus
sich die Art nach Norden, nach Osten (Mittelmeer) und so weit
es die Entfernung und die Tiefenverhältnisse gestatteten auch
nach Westen gewandert. Sein Entstehungszentrum muß jedoch
etwas südlicher gelegen haben. Denn die Art zeigt mit einer
anderen in der Subantarktis lebenden, Lepidonotus semitectus,
so viel gemeinsame Merkmale, daß sie als sehr nahe verwandt
bezeichnet werden müssen. Ich führte schon weiter oben dies
etwas näher aus. Die Entstehung der L. clava aus dem L. semitectus
geschah jedenfalls ungefähr zwischen der mittel- und nordwest-
afrikanischen Küste, doıt wo sich zwei verschieden tempeiierte
Meeresströmungen, der Guinea- und Kanarienstrom geltend
machen, möglicherweise auch schon vorher, zwischen Südwest-
afrika und Guinea, wo ebenfalls ein kalter und ein warmer Strom
aufeinander treffen (Benguella- und Guineastrom). Die andere
Art, Lepidasthenia elegans, gehört einer Gattung an, die absolut
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 19]
tropisch ist. Daß sich nun hier im Mittelmeer eine solche Art
findet, ist ein Zeichen eines früheren Zusammenhangs zwischen
dem Indik und dem Mediterraneum. Die Gattung findet sich
nur im Indo-Pazifik, in den Tropen. Es ist also ein Einwanderer
aus dem Indik. Potts will dieselbe Art im Indik, an der Ost-
küste Afrikas gefunden haben. Doch glaube ich, daß es sich dort
nur um eine falsche Bestimmung handelt. Diese Art ist also
auf einem anderen Wege in das Mittelmeer gekommen als Lepi-
donotus clava. Im Vormittelmeer wird sie nur selten angetroffen.
Man sieht also, daß das Mittelmeer in Hinsicht der Lepi-
donotinen-Einwanderung keine Beziehung nach dem Norden hat,
sondern nur nach dem Süden, den Tropen und der Subantarktis.
In Hinsicht der Auswanderung zeigt es nach Norden.
Ostküste Nordamerikas,
“ Dieses Gebiet, das die Küste Nordamerikas von Neufundland
bis zur Halbinsel Florida umfaßt, beherbergt zwei Gattungen,
Lepidonotus und Lepidametria, die erstere mit drei Arten und
einer Varietät, Lepidonotus varvabilis, L. sublaevis, L. sguamatus
und L. sguamatus var. angustus, die andere Gattung mit einer Art
Lepidametria commensalis.
Lepidonotus squamatus ist jedenfalls früher entlang des
nordatlantischen Kontinents nach Amerika gewandert und hat
neben der Stammform noch die Varietät ausgebildet. Über die
anderen Arten vermag ich nichts zu sagen.
Lepidametria commensalis gehört einer Gattung an, die sonst
nur im Pacifik zu finden ist. Sie muß also jedenfalls, wenn diese
Arten alle zu einer Gattung zusammen geschlossen werden können
(vgl. S. 184), durck die pazifisch-atlantische Verbindung
Mittelamerikas hindurchgewandert und so an ihren jetzigen
Fundort gelangt sein. Eine Art dieser Gattung findet sich ja
auch im Pazifik an der Küste Mittelamerikas. Es fehlt nur noch
ein Bindeglied an dieser Kette; und dieses wäre vorhanden, wenn
in Westindien eine Art dieser Gattung gefunden würde.
Nordpazifik.
Entgegen verschiedenen anderen Meinungen möchte ich
die südjapanische Küste schon zu den Tropen rechnen und nicht
zur Subarktis, sodaß also dieses Gebiet erst später zur Besprechung
kommt. Es finden sich hier fünf Gattungen, von denen zwei,
Halosydnoides und Hololepida diesem Gebiet eigentümlich sind,
die beide mit je einer Art, Hal. vittata und Holol. magna an der
amerikanischen Küste gefunden wurden. Es sind dann noch
Halosydna und Lepidametria mit je einer Art und Lepidonotus
mit dıei Arten vertreten.
Ich teile dieses Gepiet in zwei Teile, einen östlichen, amerika-
nischen und einen westlichen asiatischen.
11. Heft
192 Hans J. Seidler:
Nordostküste Asiens.
In diesem Gebiet finden wir nur eine Gattung mit zwei Arten,
Lepidonotus squamatus und L. castriensis. Über die Heıkunft
von L. squamatus schrieb ich schon weiter oben. L. castriensis
ist bisher nur einmal gefunden worden in der de Castriesbay
in der Nähe der Insel Sachalin. Die Bildung und Ornamentierung
der Elytren ist so sonderbar, daß ich mir nicht erklären kann,
woher diese Art stammen könnte. Möglicherweise ist es ein
Verwandter des L. carıinulatus, der im Tropengebiet vorkommt
und bis nach Japan gelangt.
Die Beziehungen dieses Gebietes zu anderen zeigen also
teils nach Norden, der Arktis, teils nach Süden, den Tropen.
Westküste Nordmaerikas und Alaskas.
In diesem Gebiet finden wir vier Gattungen mit je einer Ar;,
außer Lepidonotus, die hier zwei Arten aufweist und Halosydnoides,
die mit einer Art und einer Varietät vertreten ist. Halosydnoides
vittata stammt sicherlich von einer Halosydna-Art ab, und zwar
von einer japanischen Art, Halosydna nebulosa, da H. vittata
verschiedene Merkmale zeigt, die Elytrenstruktur, Ausbildung
der Ventralborsten, die auf die genannte Art hinweisen. Die
Abspaltung der Gattung Halosydnoides muß jedoch schon ziemlich
früh eıfolgt sein, da sie nur ein Bindeglied ist zwischen Halosydna
und Lepidasthenia. Erst nachdem die Gattung entstanden ist,
ist Halosydnoides nach Amerika gekommen, und zwar mit Hilfe
des Kuro-Schiwo-Stromes, oder aber, es befand sich außer der
amerikanischenArt, diesich nicht we.ter entwickelteeinejapanische,
aus der heraus sich die Gattung Lepidasthenia bildete. Holo-
lepida magna ist ebenfalls eine für dieses Gebiet eigentümliche
Form und kommt an der Küste Alaskas vor. Sie zeigt sehr viel
gemeinsame Merkmale mit der Westindien und der nordwest-
europäischen Küste bewohnenden Gattung Alentia mit A. gela-
tınosa. Wie ich schon oben ausführte, halte ich diese beiden
Gattungen für nahe verwandt. Wahrscheinlich haben sich Holo-
lepida und Alentia in der Nähe von Westindien gespalten. und die
erstere ging nach Norden, bis sie ein geeignetes Gebiet fand.
Lepidonotus squamatus findet sich auch hier, ist also eircum-
boreal. L. helps (L. robustus) findet sich ebenfalls hier, eine
A:t, die sonst nur in Südjapan vorkommt. Jedeıfalls ist sie
durch den Kuro-Schiwo-Strom nach Amerika gelangt. Halo-
'sydna findet sich hier mit einer Art, H. brevisetosa. Ehlers
stellte als Synonym unter anderem auch diese Art zu H. pata-
gonica, eine Art, die an der Westküste Südamerikas lebt. Doch
halte ich es für richtig, diese Arten auseinander zu halten. Ihre
Ähnlichkeit aber gibt uns einen Fingerzeig, woher H. brevisetosa
stammt. Wie ich schon oben schrieb, liegt das Verbreitungs-
zentrum von Halosydna im malayischen Archipel. Die Gattung
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 193
ist dann nach Osten gewandert bis an die jetzige Küste Mittel-
amerikas und hat dort eine Art nach Norden abgegeben. Außerdem
findet sich hier noch eine Gattung mit einer Art: Lepidametria
gigas. Daß diese Art ebenfalls von Mittelamerika nach Nord-
amerika hinaufgewandert ist, ist aus der Verbreitung dieser
Gattung längs der westlichen amerikanischen Küste leicht
ersichtlich.
Es ist also nach den Betrachtungen klar, daß die Lepidono-
tinenfauna des westlichen Nordamerika zweifellos aus dem
tropischen Gebiet stammt.
Tropen.
Die Tropen weisen ohne Zweifel den größten Formenreichtum
auf. Während man in den Polargegenden viele Exemplare
einer Art, bezw. Gattung aber wenige Arten findet, so bemerkt
man in den Tropen wenige Vertreter einer Art, dagegen sehr
viele Arten überhaupt. Man sieht aus den Tabellen, daß in der
Subarktis sich sieben Gattungen mit vierzehn Arten finden,
also durchschnittlich auf eine Gattung zwei Arten. Dagegen
kommen in den Tropen dreizehn Gattungen mit neunundsiebzig
Arten vor. Es kommen hier also auf eine Gattung durch-
schnittlich sechs Arten. Die Zahl der Gattungen ist also in den
Tropen noch einmal so groß, die Zahl der Arten etwa fünfeinhalb-
mal so groß als die der in der Subarktis.
Die Tropen teile ich zunächst in die drei Ozeane: Atlantik,
Indik und Pazifik. Ich beginne mit den
Atlantischen Tropen.
In diesem Teil des Atlantik, der im Süden durch die kalten
Meeresströmungen abgegrenzt wird, finden sich sechs Gattungen
mit sechszehn Arten. Die atlantischen Tropen teile ich nochmals
in drei Gebiete: Westindien mit den Bermudas, die Ostküste
Südamerikas und die Westküste Mittelafrikas.
Westindien.
In Westindien finden sich sechs Gattungen, Lepidonotus,
Halosydna, Alentia, Thormora, Hermenia und Chaetacantus mit
neun Arten: Lepidonotus lacteus, L. citrifrons und L. antillarum
(unsicher), Halosydna leucohyba und H. fuscomarmorata, Alentia
gelatinosa, Thormora taeniata, Hermenia veruculosa und Chaeta-
canthus magnificus. Außer Hermenia verruculosa stammt die
Lepidonotinenfauna aus dem Pazifik. Einzig fraglich ist die
Herkunft von Lepidonolus lacteus, der ebenso gut vom Indik,
also über Südafrika, als auch vom Pazifik herstammen kann.
Halosydna und Thormora weisen in ihrer Entstehung und Herkunft
auf den Pazifik hin. Von Halosydna sprach ich ja schon vorhin,
daß eine Verbreitung dieser Gattung im Pazifik bei dem jetzigen
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 11. 13 11.Heft
194 Hans J. Seidler:
Mittelamerika stattgefunden hat, und zwar nach drei Richtungen
hin, nach Norden, Süden und Osten. Von Alentva sprach ich auch
im vorigen Kapitel bei Hololepida. Da Alentia, und zwar dieselbe
Art A. gelatinosa, auch an der westeuropäischen Küste vorkommt,
ist es ganz klar, daß diese Art nur durch den Golfstrom dorthin
gelangt ist. Chaetacanthus mit der einzigen Art Ü. magnsficus
ist eine Art Zwischenstufe von Lepidonotus zu Euphione. Sie
entfernt sich in gleichem Maße von der einen als auch von der
anderen Gattung. Wo das Entstehungszentrum dieser Art liegt,
ist schwer zu sagen, da ich nicht weiß, wo sich die Gattung von
Lepidonotus abzweigt. Daß Euphione von Chaetacanthus abstammt,
ist ganz klar. Und dies fühıt uns w.eder zu der Annahme, daß
eine pazifisch-atlantische Verbindung im heutigen Mittelamerika
bestanden haben muß. Chaetacanthus magnificus hat also sicherlich
in diesem Teil gelebt, ob im Atlantık oder Pazifik ist schwer zu
entscheiden, und ist dann nach Westindien gekommen, während
Euphione im Pazifik verblieb. Ebenso gut möglich ist natürlich
folgende Annahme, daß Euphione erst nach der Entstehung
Mittelamerikas entstanden ist, und daß wir in Chaetacanthus
magnificus eine konservative Form sehen.
Alle Arten, die wir bis jetzt betrachtet haben und in West-
indien leben, stammen aus dem Pazifik. Nur eine Gattung,
Hermenia, deren Entstehungszentrum im Indik liegt, ist sicherlich
nicht durch den Pazifik hindurchgewandert, sondern hat einen
anderen Weg eingeschlagen und zwar den quer durch den Atlantik.
Sicherlich waren die Strömungsverhältnisse damals andere als
heute und ebenso auch die Verteilung der Landmassen. Und
ich glaube, daß die Gattung längst des südatlantischen Fest-
landes an die Ostküste Südamerikas gelangt ist und dann an
seinen jetzigen Fundort kam.
D.e Beziehungen Westindiens zu.anderen Teilen und Ozeanen
weisenin derEinwanderung fast ausschließlich nach demPazifik hin.
Wie steht es mit der Auswanderung? Erstens haben wir
gesehen, daß eine Art, Alentia gelatinosa sich auch nach Norden
hinzieht. Dann aber finden wir vier Halosydna-Arten und zwei
Lepidonotus-Arten an der Ostküste Südamerikas.
Ostküste Südamerikas.
Die aus diesem Gebiet bekannten Halosydna-Arten sind
sicherlich aus den in Westindien lebenden Arten hervorgegangen.
Wenn auch an der Westküste Südamerikas mehrere Arten dieser
Gattung leben, so glaube ich nicht, daß sie von dort aus um das
Kap Horn herumgewandert sind, um bis nach Rio de Janeiro
zu gelangen. Es finden sich hier die Arten Halosydna fusca, H.
punctulata, H. pissisöi und H. brasiliensis. Jedoch sind die drei
letzten ziemlich ungenau beschrieben, sodaß es leicht möglich
ist, daß ein oder zwei Synonyme vorhanden sind. Außerdem
finden sich hier Lepidonotus brasiliensıs und L. caeruleus.
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 195
Westküste Mittelafrikas.
An dieser Küste findet sich nur eine Gattung, Lepidonotus,
mit zwei Arten, L. clava und L. hupferi.. Diese beiden Arten
kommen jedoch nicht gemeinsam vor, sondern vollkommen
von einander getrennt. ZL. clava ist ja eine subarktische Form,
geht aber bis zum Kap Verde hinunter, während L. hupferi
an der Guinea-Küste lebt. Diese letztere Aıt scheint mit L.
caeruleus von Rio de Janeiro nahe verwandt zu sein. Vielleicht
sind durch den Aquatorialstrom Larvenformen hinübergelangt
und haben sich dort zu einer Art entwickelt. Möglicherweise
ist aber auch die Art längs der Küste des südatlantischen Fest-
landes gegangen und gelangte so an die amerikanische Küste;
und des letztere ist vielleicht auch das zutreffendere, da eine
Überquerung des Ozeans wegen seiner Tiefe doch zu schwierig ist,
weil geeignete Ruhepunkte fehlen.
Indische Tropen.
Das Tropengebiet des Indischen Ozeans ist das an Gattungs-
und Artenzahl reichste. Es finden sich nicht weniger als 10 Gat-
tungen mit 41 Arten, d.h. ?2/;sämtlicher Lepidonotinen- Gattungen
und etwa !/, sämtlicher Arten. Es sind die Gattungen Lepidonotus,
Thormora, Hermenia, Euphione, Hoalosydna, Parahalosydna,
Hyperhalosydna, Lepidasthenia, Gastrolepidia und Perolepis.
Eigentümlich sind diesem Gebiet 3: Parahalosydna, Gastrolepidia
und Perolepis. Ich unterlasse eine Einteilung des Gebietes in
Untergebiete, da sich die Arten von der afrikanischen Küste
bis in den Archipel hinziehen, z. B. Lepidonotus glaucus und L.
(Thormora) jukesi finden sich imRoten Meer, an der ostafrikanischen
Küste, im Archipel und an der nord- und westaustralischen Küste.
Die Gattung Lepidonotus hat hier im Archipel wahrscheinlich
ihr Entstehungszentrum, und auch von hier aus ist sicherlich
die Verbreitung vor sich gegangen. Ähnlich liegt es mit den
anderen Gattungen. Das Entstehungszentrum von Hermenia
liegt etwas weiter westlich an der ostafrikanischen Küste. Euphione
findet sich mit einer Art an der südafrikanischen Küsteim Agulhas-
Strom, während eine andere Art im malayischen Archipel gefunden
wurde. Die Gattung Lepidasthenia ist mit einer Ausnahme
absolut tropisch und findet sich nur im Indo-Pazifik, wovon
L. elegans, die im Mediterraneum vorkommt, ebenfalls eine Aus-
nahme macht. L. elegans ist also eine in das Mittelmeer einge-
wanderte und dort eingebürgerte Form, die noch immer weiter
vorzudringen versucht, da man sie schon außerhalb des Mittel-
meers im Vormittelmeer gefunden hat. Halosydna findet sich
in diesem Tropengebiet nur in drei Arten, jedoch glaube ich,
daß hier das Verbreitungszentrum liegt, von wo aus sich die
Arten teils nach Norden (Japan), teils nach Osten (Polynesien)
gewandt haben. Hyperhalosydna hat ebenfalls hier im malayischen
13* 11. Heft
196 Hans J. Seidler:
Archipel sein Entstehungs- und Verbreitungszentrum. Von
Perolepis, eine Gattung, die sich von Lepidasthen’a leicht ableiten
läßt, sind nur zwei Fundorte bekannt: Dar-es-Salam und
malayischer Archipel. Gastrolepidia findet sich im malayischen
Archipel und außerdem etwas weiter östlich in Ralum (Bismarck-
archipel).
Arten: Lepidonotus adspersus (mal. Arch.), L. aeololepis
(Torres-Str.), L. albo-pustwiatus (Mal. Arch.), L. austera (Philipp.),
L. austrawensis (Meermaid-Str.), L. carınulatus (Ostafrika, Mal.
Arch., Philipp.), L. contaminatus (Cap York), L. eryptocephalus
(Philipp.), L. fusicirrus (Ceylon), L. glaucus (Madagaskar, Ost-
afrıka, Rotes Meer, Vorderindien, Mal. Arch.), L. impatiens
(Rotes Meer), L. javanicus (Mal. Arch.), L. malayanus (Mal.
Arch.), L. oculatus (Ostafrika, Vorderindien, Mal. Arch.), L.
onssciformıs (Nordaustralien), L. prlosella (Philipp.), L. purpureus
(Vorderindien), L. ruber (Mal. Arch.), L. tenuisetosus (Rotes Meer),
L. torresiensis (Torres-Stı.), L. vandersandes (Mal. Arch.); L.
(Thormora) jukesi (Rotes Meeı, Ostafrika, Mal. Arch., Vorder-
indien); Hermenia acantholepis (Nordwestmadagaskar, Mal.
Arch.); Ohaetacanthus (Euphione) elisabethae (Agulhas-
Strom), ©. (E.) suluensis (Mal. Arch.); Halosydna batheia
(Mal. Arch.), H. pelosa (Mal. Arch.), H. willeyi (Vorderindien);
Parahalosydna sibogae (Mal. Arch); Hyperhalosydna
striata (Mal. Arch., Philipp.); Lepidasthenia affıinis (Mal.
Arch.), L. elegans (Ostafrika??), L. fallax (Philipp.), L. maculata
(Vorderiniden), L. möichaelseni (Nordaustralien, Amboina), L.
mecrolepis (Vorderindien), L. minikoensis (Vorderindien); G@astro-
lepidia clavigera (Mal. Arch., Bismarck-Arch.); Perolepis
regularıs (Ostafrika, Mal. Arch.).
Man sieht aus diesen Ausführungen, daß das Rote Meer,
der Indik und der malayische Archipel mit Neu-Guinea als ein
Gebiet zu betrachten ist, das in Untergebiete garnicht geteilt
werden kann. Auswanderer finden sich nach allen Seiten hin
nach dem Mittelmeer, nach dem Atlantık, nach dem Pazifik
in zwei Richtungen Japan und Polynesien. Daß der Pazifik
mit dem Indik Formen gemeinsam hat, der Indik mit dem Atlantik
dagegen fast garnicht, kommt daher, daß die Grenze zwischen
Pazifik und Indik nur eine mehr oder weniger künstliche ist.
Der Verkehr vor dem einen Ozean zum anderen kann ungehindert
vonstatten gehen, während dem Verkehr zwischen Indik und
. Atlantik schon dadurch ein kräftiger Riegel vorgeschoben ist,
daß zwei verschieden temperierte Strömungen an der Südspitze
Afrikas aufeinander treffen.
Pazifische Tropen.
Im Pazifik finden wir nicht den Formenreichtum, wie wir
ihn von den indischen Tıopen kennen. Ich muß aber hier gleich
sagen, daß wir auch den Pazifik, ausgenommen Südjapan, nicht
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 197
so gut kennen wie die indischen Tropen. Wir finden in den
pazifischen Tropen 8 Gattungen mit 24 Arten.
Ich teile dıeses Gebiet in vier Untergebiete: 1. Südjapan,
2. Ostaustralien bis zum malayischen Archipel, 3. Polynesien und
4. die Westküste Mittelamerikas, Perus und die Galapagosinseln.
Südjapan.
In diesem Gebiet finden sich 7 Gattungen mit 12 Arten.
Es sind die Gattungen Lepidonotus mit L. carıinularus, L. elon-
gatus, L. helotypus, L. plevolepis, Euphione mit E. chitoniformss,
Halosydna mit H. mebulosa, Hyperhalosydna mit H. striata,
Halosydnosdes mit H. vittata, Lepidasthenia mit L. interrupta,
L. longissima, L. magnacornute und Lep’dametria mit L. (?)
microsetosa. Gemeinsam mit dem malayischen Archipel sind
2 Arten, und zwar Lepidonotus carınulatus und Hyperhalosydna
striata, die also zweifellos längs der chinesischen Küste nach
Japan gelangt sind. Auch von Euphione ist es kaum zweifelhaft,
daß sie von dem Archipel nach Japan gewandeit ist, daß sie von
dem Archipel nach Japan gewandert ist, denn die Aıt zeigt
sehr viele Merkmale, die mit denen von E. suluensis übereinstimmen.
Halosydna und Lepidasthenia sind rein tropische Gattungen,
die von den indischen Tıopen an ihren jetzigen Fundort gelangt
sind. Bei der Gattung Lepidametria lasse ıch die Frage offen,
da es nicht sicher ist, ob die Aıt zu dieser Gattung gehört.
Ostaustralien.
Von Ostaustralien sind 2 Gattungen mit 7 Arten bekannt.
Es sind dies die Gattungen: Lepidonotus mit L. lissolepis, L.
dictyolepis, L. jacksoni, L. melanogrammus, L. simplicipes, L. argus
und Hyperhalosydna mit H.striata. Es ist durch genaue Er-
forschung der Südküste leicht möglich, daß man dort noch
mehrere Arten, die von der Ost- und Westküste bekannt sind,
findet. Sicher wird dieses mit L. argus der Fall sein, der an
beiden Küsten vorkommt. Vielleicht ist es auch möglich, daß
dieses Gebiet mit Neu-Guinea, dem Bismarck-Archipel und
Nordaustralien im Zusammenhang steht, jedoch ist dies nicht
sicher, da sich zwischen beiden Gebieten das Korallengebiet
befindet.
Polynesien.
Aus diesem Gebiet kennen wir nur 3 Gattungen mit 5 Arten,
die aber sämtlich zu schlecht beschrieben sind, um Genaueres
darüber zu sagen. Vier Arten sind von Kinberg beschrieben:
Lepidonotus havaicus, L. pomareae, Thormora socialis und Halo-
sydna virgini, während die fünfte Art Helosydna samoensis von
Grube angeführt wurde. Kinberg gibt bei Thormora sociclıs
die Thormora-Borstenin der Zeichnung an, sagt aber nichts darüber
11. Heft
198 Hans J. Seidler:
im Text. Sollte diese Art wirzlich zu Thomora gehören, so wäre
eine Brücke geschaffen zwischen Thormora jukesi, die im Indik
und im Malayischen Archipel vorkommt und T. taenvata, die
von Westindien bekannt ist. Möglicherweise ist auch T. sociaks
mit T. jukesi identisch, doch läßt sich dies nach der Beschreibung
Kinbergs nicht feststellen.
Westküste Mittelamerikas.
Zu diesem Gebiet rechne ich noch Kalifornien, den nördlichen
Teil von Peru und die Galapagos-Inseln. Es finden sich hier
4 Gattungen mit 6 Arten: Lepidonotus mit L. margarıtaceus und
L. tomentosus (vielleicht mit einander identisch), Thormora
Johnstoni, Halosydna elegans und H. reticulata und Lepidametria
digueti. Von den ersten vier Arten besitzen wir leider keine
genügende Beschreibung. Thormora Johnstoni ist ebenso wie die
im vorigen Kapitel erwähnte T. socialis von Kinberg beschrieben.
Auch hier gilt das bei 7. socialis Gesagte. Man kann also eine
fast lückenlose Brücke von T. jukesi bis T. taeniata schlagen.
Die Gattung Lepidametria zieht sich fast längs der ganzen
amerikanischen Westküste hin, und es ist zweifellos, daß diese
Art von Norden herabgewandert ist und sich dann nach Süden
weiter ausgebreitet hat. Die Gattung Halosydna kam vom Indik
her, und man findet ebenso wie bei Thormora noch Vertreter
dieser Gattung in Polynesien. An der Westküste sind dann die
Arten nach verschiedenen Richtungen hin gewandert.
Die pazifischen Tropen haben also inbezug auf die Ein-
wanderung die meisten Beziehungen zum malayischen Archipel,
inbezug auf die Auswanderung zu Westindien, in zweiter Linie
zu Südamerika.
Subantarktis.
Die Subantarktis ist an den verschiedenen Orten ganz
verschieden durchforscht. Genauere Angaben finden wir von
Chile (Ehlers), von Südwestaustralien (Augener) und
nur wenig von Südwestafrika (v. Marenzeller). Wir finden
in diesem Gebiet 6 Gattungen mit 27 Arten.
Direkte Beziehungen der Subantarktis zu den Tropen finden
wir nur an einer Stelle, und zwar an der Westküste Australiens.
Die anderen Gebiete sind von den Tropen durch kalte Meeres-
strömungen scharf abgesetzt.
Atlantische Subantarktis.
Dieser Teil liegt vollkommen im Gebiet kalter Meeres-
strömungen, die von Süden her an der Ostküste Südamerikas
und der Westküste Südafrikas entlang ziehen. In diesem Gebiete
finden sich zwei Gattungen mit je einer Art: Lepidonotus semitectus
und Halosydna australis. Das Gebiet ist vollkommen abgeschlossen
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1, 199
nach Norden dadurch, daß warme Strömungen angrenzen, ebenso
nach dem Östen.
Ich teile den subantaıktischen Atlantik in einen östlichen
afrikanischen und einen westlichen amerikanischen Teil.
Afrikanischer Teil.
Es findet sich hier nur eine Gattung mit einer Art, Lepi-
donotus semitectus. Diese Art steht, wie ich weiter oben schon
ausführte mit L. clava, die in der Subarktis lebt, in sehr nahen
Beziehungen. Lepidonotus semitectus ist wahrscheinlich vom
Verbreitungszentrum der Gattung Lepidonotus, dem Indik,
direkt hinuntergelangt und hat sich dort festgesetzt. Später ist
die Art nordwärts gewandert bis zum Mittelmeer und hat sich
dort als besondere Art ausgebildet.
Amerikanischer Teil,
Es findet sich hier eine Gattung mit einer Art Halosydna
australis. Wahrscheinlich stammt die Art von einer nördlicher
vorkommenden Art ab. Jedoch ist die sehr unsicher,
Indische Subantarktis,
Von diesem Gebiet kennen wir 2 Gattungen mit 7 Arten:
Lepidonotus mit L. argus, L. fureislatus, L. glaueus, L. umpatiens,
L. oculatus, L.polychromus, Thormora mit T. jukesi. Einige der
Formen, die wir im Westen finden, kommen auch in Neu-
seeland vor oder sogar in Südamerika, wie z. B. Lepidonotus
argus, L, furcillatus; ın Neuseeland und Westaustralien finden wir
L. polychromus. Keine Art an der Westküste Australiens ist dem
Gebiet eigentümlich, denn Lepidonotus glaucus, L. impotiens,
L. oculta und Thomora jukesi, die außer den oben genannten
Arten noch von Südwestaustralien bekannt sind, finden sich
noch in den indischen Tropen.
Pazifische Subantarktis,
Die pazifische Subantarktis hängt mit der eben besprochenen
indischen sehr zusammen, und zwar hauptsächlich dadurch,
daß Neuseeland dicht am australischen Festlande liegt. Aber
such die beiden Untergebiete selbst, Neuseeland und Amerika
sind eich faunistisch sehr ähnlich. Wir finden in dem Gebiet
5 Gattungen mit 21 Arten; von den Gattungen sind 3 beiden
Untergebieten gemein.
Neuseeland und Tasmanien,
Bei Neuseeland und Tasmanien finden wir 4 Gattungen:
Lepidonotus mit L. argus, L. hedleyi, L. polychromus, L. willeyi,
Euphione mit E.laevis, E. paucibronchiata, E.rugosa, E. squamosa,
11, Heft
200 Hans J. Seidler:
E. thomsoni, E. turrita, Hyperhalosydna striata und Lepidametria
comma. Nicht eigentümlich sind dem Gebiet die Arten Lepv-
donotus argus und polychromus und Hyperhalosydna striata.
L. argus, das eine außerordentliche Verbreitung hat, ist von
Juan Fernandez von der südamerikanischen Küste hierher-
gewandert und ist dann nach Westaustralien gelangt. ZL.
polychromus ist ebenfalls von Neuseeland bis Westaustralien
gewandert, findet sich aber ebenso wie L. argus nicht in
Südaustralien. Hyperhalosydna striata hat eine höchst sonderbare
Verbreitung; sie ıst bekannt von Japan, den Philippinen, dem
malayischen Archipel und Tasmanien und Port Jackson. Wahr-
scheinlich ist diese Art an der Ostküste Australiens südwärts
gewandert. Die Untergattung Euphione ist ebenso wie Lepi-
donotus argus von Südamerika nach Australien gewandert. Wie
aus den Beschreibungen der Euphione-Arten zu sehen ist, liegen
die Fundorte der einzelnen Arten dicht aneinander. Die Gattung
hat also an dieser Stelle einen außerordentlichen Formenreichtum
entwickelt. Lepidametria comma gehört einer Gattung an, die
schon mehrfach besprochen wurde.
Westküste Südamerikas.
In diesem Gebiet finden wir vier Gattungen: Lepidonotus
mit L. arenosus, L. argus, L. furcillatus, L. Savignyi, Euphione
mit E. lobulata, Halosydna mit H. marginata, H. mülleri, H.
parva, H. patagonica und Lepidametria mit L. irregularis. Lepi-
donotus arenosus und L. furcillatus sind zwei sehr nahe verwandte
Arten. Die letztere findet sich außer in diesem Gebiet noch in
Südwestaustralien. Wahrscheinlich wird sie auch nicht in den
Zwischengebieten fehlen, ebenso wie es bei L. argus der Fall ist,
wenn diese Gebiete genauer durchforscht werden. Von Euphione
sprach ich schon oben. EZ. lobulata ist sicherlich eine der ältesten
Formen der Gattung, denn die Gattung hat sich ja von Lepi-
donotus über Chaetacanthus herausgebildet, und zwar liegt das
Entstehungszentrum bei Mittelamerika. Während eine andere
Art hier zurückblieb, wanderte Euphione nach Neuseeland und
bildete dort weitere Arten. Halosydna ist hier ebenfalls mit
einigen Arten vertreten. Ich bemerkte schon bei der Besprechung
des pazifischen Mittelamerika, daß Halosydna an der mittel-
merikanischen Küste Arten nach allen Richtungen hin entsandt-
hat und so auch nach Südamerika. Lepidametria ist von Nord-
amerika nach Südamerika längs der Küste gewandert.
Die Einwanderungsrichtung ist also von Norden nach Süden,
während die Auswanderung nach dem Westen, nach Neuseeland
und Australien geht.
Eine eigenartige Tatsache, die in fast allen Tiergruppen
wiederkehrt ist folgende: In der Arktis und Subarktis finden sich
nur wenige Gattungen und Arten, jedoch diese in vielen Exem-
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. »01
plaren, die nebenbei gesagt, auch eine stattliche Größe erreichen
können. In den Tropen dagegen findet man viele Gattungen
und Arten, jedoch diese in wenigen Exemplaren. In der Sub-
antaıktis nimmt dies wieder ab, jedoch finden sich hier noch
meist mehr als in der Subarktis. Dies ist folgendermaßen zu
erklären: In der Arktis, weniger in der Subarktis sind die Lebens-
bedingungen in weiteren Umkreisen dieselben. Dagegen ist dies
nicht in den Tropen der Fall.
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Oceanographique, Monaco. — 1920 Derselbe: Annelides poly-
chetes de Madagascar, de Djibouti et du Golfe Persique. Archives
de Zoologie experimentale et generale T. 58.
1900 Fischli: Polychäten von Ternate in Kückenthal:
Forschungsreisea.. Abhandlungen der Senckenbergschen natur-
forschenden Gesellschaft, Bd. XXV.
1916 Frickhinger, H. W.: Japanische Polychäten. Zoolo-
gischer Anzeiger. XLVI.
1890 Giard, A.:Lelabcrataire deWimereuxen 1889(Recher ches
fauniques). Bulletin scientifique de la France et la Belgique XXII.
1901 Gravier, M. Ch.: Annölides polychetes de la mer rouge.
Nouvelles Archives du Musöe de Paris, IV, 3. — 1905 Derselbe:
Sur un Polynoidien: Bulletin du musee d’histoire naturelletome XI,
1905. — 1911 Derselbe: Expedition antarctique francaise du
„Pourquoipas‘ Bulletin du Mus&e d’histoire naturelle, tome XVII.
1838 Grube, Ed.: Anatomie und Physiologie der Riemen-
würmer. Königsberg 1838. — 1840 Derselbe: Actinien, Echino-
dermen und Würmer des Adriatischen und Mittelmeeres. Königs-
berg 1840. — 1851 Derselbe: Familien der Anneliden. Archiv
für Naturgeschichte 1851. — 1855 Derselbe: Beschreibung
neuer oder wenig bekannter Anneliden. Archiv für Naturgeschichte,
XXL 1. Bd. — 1857 Derselbe: Annulata Oerstediana. Videns-
kabelige Meddelelser naturhistoriske Forenirg Kjobenhavn 1856.
— 1860 Derselbe: Beschreibung neuer oder wenig bekannter
1i. Hett.
204 Hans J. Seidler:
Anneliden V. Archiv für Natrugeschichte XXVI, 1.Bd. —
1861 Derselbe: Ein Ausflug nach Triest und dem Quarnero.
— 1863 Derselbe: Beschreibung neuer oder wenig bekannter
Anneliden VI. Archiv für Naturgeschichte XXIX, 1.Bd. —
1865 Derselbe: Die Insel Lussin und ihre Meeresfauna. Jahres-
bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur,
1864. — 1868 Derselbe: Eine Reihe neuer Anneliden. Jahres-
bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur,
1867. — 1868 Derselbe: Beschreibung einiger von G. Ritter
von Frauenfeld gesammelter Anneliden und Gephyreen. Ver-
handlungen der k. u. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft,
Wien, 1868. — 1869 Derselbe: Beschreibung neuer oder wenig
bekannter von Prof. Ehrenberg gesammelter Anneliden des
rothen Meeres. Moanatsbericht der Königlichen Akademie der
Wissenschaften, Berlin 1869. — 1870 Derselbe: Bemeikungen
über Anneliden des Pariser Museums. Archiv für Naturgeschichte
XXII, 1.Band. — 1871 Derselbe: Mitteilungen über St. Malo
und Roscoff. Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Kultur, 1871. — 1875 Derselbe: Bemerkungen
über die Familie der Aphroditeen (Polynoinae, Acoetinae und
Polylepidinae). Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Kultur 1875. — 1877 Derselbe: Sammlung
wirbelloser Seethiere. Jahresbericht der schlesichen Gesellschaft
für vaterländische Kultur, 1877. — 1877 Derselbe: England-
und Schottlandreise. Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Kultur, 1877. — 1877 Derselbe: Anneliden-
ausbeute von S.M.S. „Gazelle“, Monatsberichte der königl.
Akademie der Wissenschaften, Berlin 1877. — 1878 Derselbe:
Annulata Semperiana. Die Annelidenfauna der Philippinen.
St. Petersburg 1878.
1879 Hansen, 6. A.: Annelida fra den norske Nordhavs-
expedition i 1878. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne XXIV.
— 1879 Derselbe: Annelida fra den norske Nordhavsexpedition
ı 1877. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne XXIV. — 1881
Derselbe: Recherches sur les Annelides recueilles par E. v.
Beneden. Brasil La Plata. — 1882 Derselbe: Annelida Nordhavs-
expedition.
1883 Haswell: A monograph of the Australian Aphroditea.
Proceedings of the Linnean Society of New South Wales, VII.
1896 Herdman, W. A.: The marine Zoology, Botany und
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association for advancing of Science, London.
1884 Horst, R.: Annelees del’Escaut de l’Est (Ooster-Schelde)
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Supplement Deel. 1. — 1896 Derselbe: Naamlijst der tot de
Nederlansche Fauna behoorende Annelide polychaeta. Tijdschrift
der Nederlandsche Dierkundige Vereenrigung 1896. — 1909
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1. 205
Derselbe: De Anneliden des Zuiderzee. Ibid. Deel XI, aft. 2.
— 1913 Derselbe: On two remarkable Species of Aphroditae
of the ‚„‚Sıboga“ Expedition. Notes from the Leyden Museum.
Vol. XXXV. — 1913 Derselbe: On Malayan Species of the
Genus Psammolyce. Ibid. — 1915 Derselbe: On new and little-
known species of Polynoinae from the Netherland-East-Indies.
Zoologische Meddelingens. Rijks Museum for Naturlijke Historie,
Deel 1. — 1916 Derselbe: On a remarkable Polynoid-worm.
Weberia pustulata n.g. n.sp. from the Malayan abyss. Ibid.
— 1916 Derselbe: On a new genus of Aphroditidae from the
Netherlands East-Indianes. Ibid. — 1916 Derselbe: A contri-
bution of our knowlegde of the Sigalion. Ibid. — 1916 Der-
selbe: Malayan Species of the genus Aphroditella, Hermione,
Laetmonice and Aphrogenia. Ibid. — 1917 Derselbe: Poly-
chaeta Errantia of the Siboga-Expedition. Part II. Aphro-
ditidae and Chrysopetalidae. ‚Siboga“-Expedition. Monograph.
XXIV. —1919 Derselbe: A contributiontowards our know-ledge
of the Polychaeta of South-Africa. Zoologische Mededelingen
s.Rijks Museum for Naturlijke Historie Deel III. — 1919
Derselbe: On the supposed Identity of Bathynoe nodulosus
Ditl. and Weberia pustulata Horst. Ibid. Deel IV.
1878 Hutton: Cathalogue of the Worms of New-Zealand.
Transactions and Proceedings of the New-Zealand Institute 11.
1877 Huxley: Marine Invertebrates.
1912 Izuka, Ak.: The errantiate Polychaeta of Japan.
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1897 Johnson, Herb. A preliminary account of the marine
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Proceedings of the California Academy, I. — 1901 Derselbe:
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Boston Society of Natural History XXIX.
1828 Johnston: Contributions to the British Fauna. Zoolo-
gical Journal III. — 1839 Derselbe: On the British Aphro-
ditaceae. Annales and Magazine of Natural History, 2. — 1865
Derselbe: Catalogue of the British non-parasitical worms.
1885 Jourdan: Structure des elytres de quelques Polyno&s.
Zoolog. Anz. V. — 1887 Derselbe: Structure des elytres de
quelque Polynoes. Arch. de Zoologie experim.,et gener. V.
1856 Kinberg: Nya slägten och arter af Annelider. Öfversigt
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1858 Derselbe: Fregatten Eugenies Resa.
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1824 Leach: Artikel: Annulosa. Supplement to the Fourth,
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1855 Leidy: Ma.ine Invertebrate Fauna of Rhode Island
and New Jersey. |
11 Heft!
206 Hans J. Seidler:
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1766 Linne, K. v.: Systema naturae editio 12.
1868 Macintosh, W.C€.: Notes from the Gatty marine
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History, II. — 1868 Derselbe: Report ofthe Annelida dredged
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advancing of Science, 1868. — 1874 Derselbe: Onthe Annelids of
the Golf of St. Lawrence, Canada. Annals and Magazine of
Natural History (4) XIII. — 1875 Derselbe: The marine In-
vertebrates and Fishes of St. Andrews. Edinbourgh and London
1875. — 1876 Derselbe: Description of some new species of
annelids of Kerguelen-island. Annals and magazine of Natural
History (4) XVII. — 1877 Derselbe: On British Annelida.
Transactions of Zoological Soc. — 1877 Derselbe: The Annelida
of the ‚‚Porcupine‘‘ Expedition. Ibid. — 1879 Derselbe: Zoology
of Kerguelenisland. Philosophical Transactions vcl. 168 (extra
volume). — 1879 Derselbe: On the Annelida of the British
North-Polarexpedition. Proceedings of the Linnean Society
London, 14. — 1885 Derselbe: Report on the Annelids of the
„Challenger“ Exped'tion. „Challenger“ Expedition. Zoology
vol. XII. — 1897 Derselbe: Notes from the Gatty Marine
Labor ty St. Andrews. Annals and Magazine of Natural History
(6) 20. — 1898 Derselbe: Notes from the Gatty Marine Laboraty
St. Andrews. Annals and Magazine of Natural History (7) 2. —
1900 Derselbe: A Monograph of the British Annelids, vol. 2.
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1890 Malaquin, A.: Les Annelides polychetes des cötes
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No. 2. — 1894 Derselbe: Ann£lides polychetes. Revue biologique
1893 —94.
1907 Malaquin, A. et Dehorne: Annelides d’Amboine. Revue
Suisse Zoologie.
1874 Malm, A. W.: Zoologiska Observationer. Kongl. Vet.
o. Vitt. Samhällets i Göteborg Handlingar 1874.
1865 Malmgren: Ncordiska Hafsannulater. Öfversigt of
Kongelige Akademiens Förhandlingar 1865. — 1867 Derselbe:
Annulata polychaeta Spetsbergiae, Groenlandiae. Översigt
Svenska Vittensk. Akademiens Förhandl. XXIV.
1874 Marenzeller, E. v.: Zur Kenntins der adriatischen
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schaften, Wien 1873/74. — 1877 Derselbe: Die Coelenteraten,
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. 907
Echinodermen und Würmer der k. k. österreichisch-ungarischen
Nordpolarexpedition 1872/73 k. k. Akademie der Wissenschaften
Wien 1877. — 1870 Derselbe: Südjapanische Anneliden I.
Denkschriften der Akademie der Wissenschaften, Wien. Mathe-
matisch-naturwissenschaftliche Klasse 41. — 1888 Derselbe:
Bericht über die Fortschritte auf dem Gebiete der Systematik,
Biologie und geographischen Verbreitung der Platyhelminthen etc.
Zoolog. Jahrb. Bd. 3, 1888. — 1888 Derselbe: Polychäten der
Angra-Pequenabucht. Ibid. — 1890 Derselbe: Annulaten des
Beringsmeeres. Annalen des k. k. historischen Hofmuseums,
Bd. V. — 1898 Derselbe: Polychäten des Grundes in: Bericht
der Kommission für Eıforschung des östlichen Mittelmeeres.
Denkschriften der k. k. Akademie Wien. Mathem. natur wissen-
schaftliche Klasse Bd. LX. — 1902 Deıselbe: Südjapanische
Anneliden III. Aphroditea, Eunicea. Ibid. Bd. LXXIl. —
1902 Derselbe: Polychäten des Grundes in: Bericht der Kom-
mission für Eıforschung des östlichen Mittelmeeres. Ibid. LXXIV.
1879 Marion: Draguages au large de Marseilles. Annales
des Sciences naturelles Zoologie Serie 6, Tome 8.
1892 Michaelsen: Polychaeten von Ceylon. Jahrbuch der
Hamburger wissenschaftlichen Anstalten, IX. — 1897 Derselbe:
Polychäten der deutschen Meere. Wissensch. Meer. Unters.
ee 1
1874 Möbius: Untersuchungen der Ostsee. — 1875 Der-
selbe: Vermes in: Zoologische Ergebnisse der Nordseefahrt
vom 21. VII.—9. IX. 1872, Jahresberichte d. Kommission zur
wissenschaftlichen Untersuchung der deutischen Meere, 1872/73.
1808 Montagu: Desc. of several marine anımals found in
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London. Zoolo. IX, 1808.
1902 Moore, I. P.: Descriptions of some new Polynoids with
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of the Acad. of natur. sci. of Philadelphia 1902. — 1903 Der-
selbe: Polychaeta from the Coastel slope of Japan and from
Kamchatka and Bearing-Sea. Ibid. 1903. — 1905 Derselbe:
New spesies of Polychaeta from the North Pacific. Ibid. 1905.
— 1908 Derselbe: Some polychatous annelid°s from the north.rn
Pacifie coast of North America. Ibid. 1908. — 1909 Derselbe:
Pulychatous annelids from Monterey Bay and San Diego Cali-
fornia. Ibid. 1909. — 1910 Derselbe: The polychatous annelids
from the coast of south California. Ibid. 1910.
1776 Müller, ©. F.: Prodromus. Zoologica danica.
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1858 Müller, Fritz: Einiges über die Annelidenfauna der
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Naturgeschichte, 24, 1.- |
1896 Murray, F.: On the Deep and Shallow-water marine
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11. Heft
208 Hans J. Seidler:
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selbe: Annulatorum danicorum conspectus. Fasc. I. Maricolae.
Hafniae 1843. ’
1875 Panceri, P.: Catalogo degli Annelidi, Gefirei e Tur-
bellarie d’Italie. Atti Soc. Stab. Scionze natur. Milano vol. 8.
1766 Pallas: Miscellanea zoologica.
1768 Pennant: British Zoology IV.
1854 Peters: Über die Gattung Bonellia und die im Hafen
von Mozambique beobachteten Anneliden. Monatsbe ichte der
Berliner Akademie der Wissenschaften, 1854. — 1855 Derselbe:
Über die Gattung Bonellia und die im Hafen von Mozambique
beobachteten Anneliden. Archiv für Naturgeschichte, 1855.
1910 Potts, F. A.: Polychaeta of the Indian Ocean, pt. II.
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1895 Pruvot, G. et Racovitza, E. G.: Materiaux pour la
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1865 (66) Quatrefages, de: Histoire naturelle des Anneles
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1843 Rathke, H.: Beiträge zur Fauna Norwegens. Nova
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Proceedings of Linnean Society, vol. 25.
1826 Risse: Histoire naturelle de ’Europe meridionale IV.
1907 Roule: Annelides et Gephyriens du ‚Travailleur“
et du ‚„‚Talisman‘.
1860 Sars, M.: Uddrag af en Afhandling om de ved Norges
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Videnskabs-Selkabet Forhandlinger for 1860.
1871 Sars, M.: Diagnoser af nye Annelider fra Christiania-
fjorden. Videnskabs- Selskabest Forhandlinger Christiania.. —
1873 Derselbe: Christianiafjordens Fauna. Nyt Magazin for
Naturvidenskaberne 19. — 1873 Derselbe: Bidrag til Kundskab
om Fauna en.ı Christianiafjorden III. Annul. Christiania 1873.
1818 Savigny: in Lamarck: Histoire naturelle des Anımaux
sans vertebres, t. V. — 1820 Derselbe: Systeme des Annelides.
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1861 Schmarda: Neue wirbellose Thiere I, II.
1904 Schmitt, Jos.: Monographie de l’ile d’Anticosti (Golfe
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history (8) X.
1853 Stimpson, W.: Synopsis of the Invertebrates of Grand
Manan. Washington 1853.
1883 St. Joseph, Baron de: Annelides polyche&tes des cötes
de Dinard. Annales des sciences naturelles 7. serie tome 5. — 1899
Derselbe: Annelides polychetes de la rade de Brest de Paimpol.
Ibid. (8) 10.
1878 Storm, ©.: Bidrag til Kundskaben om Trondhjens-
fjordens Fauna I. Det Kongelige Norske Videnskabs-Selskabs
Skrifter 1878. — 1880 Derselbe: Bidrag til Kundskaben
om Trondhjemsfjordens Fauna II. Ibid. 1879. — 1881
Derselbe: Bidrag til Kundskaben om Trondhjemsfjordens
Fauna IIl.
1879 Tauber: Annulata Danica.
1836 Templeton: A catalogue of the species of annulose
animals. Loudons Magazine «f natural history IX.
1900 Thomson: An account of a large branchiate Polynoide
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1900. — 1902 Derselbe: Ona new Polynoid. Transactions and
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1889 Trautzsch: Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden von
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RT pt Il, i
1880 d’Urban: The Zoology of the Barents-Sea.. Annals
and Magazine of natural history (V) 6.
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Bulletin of the Uni5ed States Commission of Fish and fisheries, 1.
— 1885 Derselbe: Annelida.... Proceed. United Stat. Nation.
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1912 Vigaier: Etudes sur le Plancton de la Baise d’Alger.
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Virginian coast. Transaetions of the Albany Institute vol. IX.
— 1880 Derselbe: Annelida chaetopoda of New Jersey. 32. Report
of the New York State Museum:
1884 Webster, H. E. and Benediet: The Annelida chaetopoda
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the United States Commission of Fish and Fisheries (1881)1884.
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der Faeröer. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie XXIII.
Archiv für Naturgeschichte.
192. A, 11. 14 11.Heft
210 Hans J. Seidler:
1902 Willey, Arth.: Polychaeta. Report on the collection
of Natural History made in the Antarctic Regions during the |
voyage of the ‚Southern Cross“. — 1905 Derselbe: On the
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1907 Wilson, 6.: Contributions to the natural history of
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Beringshaf, insamlade under ‚Vega‘ - Expeditionen 1874—79.
‚‚Vega‘‘-Expeditionens Vetenskapliga Iakttagelser Bd. II, Stock-
holm 1882.
1892 Marenzeller, E. v.: Sur une Polynoide pelagique
(Nectochaeta Grimaldii nov. gen. nov. sp.) recueillie par l’Hirondelle
en 1888. Bulletin de la Societe Zool. de France 17, 1892.
1921 Seidler, H. J.: Über Branchialfortsätze bei Polynoiden
nebst Beschreibung einer neuen Art (Physalidonotus lobulatus).
Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde.
Berlin 1921.
Archiv für Naturgeschich Tafel II
l. G. Lepidonot\
Archiv für Natnrgesehichte 89. Jahrg. 1923 Abt, A (Seidler) Tafel I
5. G Halosydna Klg. 6. G. Parahalosydna Fauv, 7. G. Gastrolepidia Schm.
Hans J. Seidler: Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I.
Archiv für Naturgeschichte 89. Jahrg. 1923 Abt A (Seidler) Tafel II
10.. G. Lepidametria Webst. 11. G. Lepidasthenia Mgın.
12. G. Perolepis Ebl. 13. G. Bathynoe Ditl.
Hans J. Seidler: Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1.
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Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I. Sl
Liste der Arten und deren Verbreitung.
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1) Die mit * versehenen Arten hat Verfasser
2) Die mit j versehenen Arten sind unsicher.
selbst untersucht.
14* 11.Heft
1) Nur ein Parapodium untersucht.
212 Hans J. Seidler:
Atlantık Indik Pazifik
an | Tropisch [Senke] | | „SEb5,| Tropic eilt
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Arten B En 2 ERE E Ber .-
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Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I,
213
Arten
Chaetacanthus (Eu-
phione M'Int.)
*chitoniformis (Moore) .
*elisabethae M’Int.
laevis (Benh.)
*lobulatus (Seidl.)
paucibranchiata( Benh.)
rugosa (Benh.) .
*squamosa (Afg.)
suluensis (Horst)
thomsoni (Benh.)
turrita (Benh.)
Halosydna Kbg.
australis Kbg.
batheia Horst
brasiliensis Kbg.
brevisetosa Kbg.
elegans Kbg. .
*fusca (Müll.) .
fuscomarmorata (Gr.).
*leucohyba (Schm.) .
marginata (GrY.).
*mülleri (Gr.) . .
*nebulosa (Gr.)
parva Kbg.
*patagonica Kbg.
pilosa Horst .
pissisi (Qfg.) .
punctulata (Gr.)
*reticulata (Johns.) .
tsamoensis (Gr.) .
virgini Kbg. .
willeyi Potts .
Parahalosydna
Horst
sibogae Horst
Atlantik
Nordamerikanische
Ostküste
Südamerikanische
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214
Hans J. Seidler:
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Südamerikanische
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Subantarktisch
Nordamarikanische
Westküste
Asiatische Ostküste
Südjapan
Polynesien
Mittelamerika
Neuseeland und
Tasmanien
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arktisch
Stdamerikanische
Westkliste
Pseudohalosydna
Fauv.
rosea Fauv,
Hyperhalosydna
Aug.
striata (Kbg.)
Halosydnoides n.g.
*yittata (Gr.) .
*— — var. pulchra
(Johns.)
Lepidasthenia
Mgrn.
affinis Horst .
*elegans (Gr.) .
*fallax (Gr.)
interrupta (v. Marenz.)
longissima (Jz) .
maculata Potts .
magnacornuta (Moore)
*michaelseni Aug.
*microlepis Potts.
minikoensis Potts
Lepidametria
Webst.
*comma (Thoms.)
commensalis Webst.
*digueti (Grav.) .
gigas (Johns.)
*irregularis (Ehl.)
microsetosa (Jz.)
Hololepida Moore
magna Moore
Alentia Mgrn.
*gelatinosa (Sars)
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215
Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden 1.
Pazifik
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Verbreitung in den Regionen
1) der Gattungen
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11. Heft
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Beiträge zur Kenntnis der Polynoiden I, 917
Verbreitung in den Ozeanen
1) der Gattungen
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Die Vögel der Insel Oesel (Estland).
Von
W. v. Szeliga-Mierzeyewski, Ph. D.
Im Andenken an meine inniggeliebten Eltern
übergebe ich diese Schrift der Mitwelt.
Seit über 24 Jahren mit der Erforschung der Ornis Oesels, meiner
Heimat, beschäftigt, habe ich mich endlich entschlossen, meine zwar
noch lückenhaften Ergebnisse der Wissenschaft zu übergeben und
vor allem, weil es bis jetzt noch keine einzige, einigermaßen ab-
geschlossene Arbeit über die Vögel Oesels gibt.
Im Jahre 1910 habe ich eine kurze Abhandlung über die Wirbel-
tiere der Insel Oesel veröffentlicht, leider enthält sie einige Fehler
und Ungenauigkeiten, welche ich in der vorliegenden berichtigen
möchte. Leider ist auch diese Schrift bloß die konzentrierte Quin-
tessenz einer großen und sehr ausführlichen Arbeit, die ich jetzt, des
sehr teuren Druckes wegen, nicht publizieren kann. Hoffentlich wird
es mir dennoch gegönnt, das Hauptwerk in späteren, besseren Zeiten
herausgeben zu können. Es enthält nämlich eine Menge sehr wertvoller
Beobachtungen meines verstorbenen Vaters, meines ebenfalls ver-
storbenen Vetters Baron H. v. Nolcken (Hasick), A. v. Gülden-
stubbe, H. v. Ekesparre (Mönto), A. Toom (Kielkond), E. Bar.
Nolcken (Hasick), Baron Otto Buxhöweden junior (Murratz)
und noch sehr vieler anderen tüchtigen Faunisten, deren Notizen und
Manuskripte blos mir allein zugänglich waren und die jetzt meist
nicht mehr vorhanden sind.
Außer einigen meist sehr kurzen Berichten und Aufsätzen in ver-
schiedenen Zeitschriften und Fachwerken umfaßt die Litteratur
über die Vogelwelt Oesels nur drei Arbeiten, welche auch noch recht
mangelhaft sind: 1. F. Stoll: Die Küstenornis d. Ins. Oesel.
Korrespbl. d. Natforsch. Ver. Riga, B. LIL 1909. 2. meine Verzeichn.
d. Wirbelt. d. Ins. Oesel. Verh. d. Zool.-bot. Ges. Wien 1910 und
3. F. Stoll: Ornithologie. Die biol. Stat. in Kielkond a. Oesel. Arb.
d. Nat.forsch Ver. Riga, 1911. Das aus Oesel stammende ornithologische
Belegmaterial (Bälge, Eier und Nester) befindet sich in den Museen
zu Arensburg, Riga, Dorpat, Reval sowie im Privatbesitz.
Warnemünde, den 17. Juli 1922.
Erklärung der Abkürzungen.
I., II., III. usw. = Monate.
A. = Anfang, vom 1.—10. des Monats.
M. = Mitte, 10.—20.
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 219
E. = Ende, 20.—30. (31.).
An. = Ankunft.
Rz. = Rückzug.
() = Eingeklammert bedeutet zumBeispiel: An.E.IIL.—E.IV.(A.M.IV.),
daß die betreffende Art normal (gewöhnlich) A.M.IV. auf Oesel
ankommt oder Rz. E.VIIL—E.X. (A.IX.—A.X.), daß von A.IX.
— A.X. diese Vögel am zahlreichesten sind, also, die Zeit des
Hauptzuges oder Durchzuges usw.
Nz. = Nachzug oder Nachzügler, auch Spätlinge.
Dz. = Durchzug oder Durchzügler.
Z. = Zugvogel (Sommervogel).
J. = Jahresvogel.
W. = Wintergast.
Ig. = Irrgast (Ausnahmserscheinung).
n. =nisten und zwar die Zeit, in der ich frische vollzählige Gelege
gefunden habe.
1. B. oder 2. B. = erste und zweite Brut, wenn normal die Art zweimal
brütet. AR:
Ng. = Nachgelege, wenn das Erste oder Zweite verunglückt.
ad. = alter, ausgewachsener Vogel.
juv. = junger Vogel.
. = gemein.
h. = häufig.
ns. = nicht selten.
nh. = nicht häufig.
s. = selten.
ss. = sehr selten.
z. = zerstreut (nicht überall auf Oesel gleichmäßig häufig).
sp. =sporadisch (nicht jedes Jahr vorhanden oder häufig).
ver. = vereinzelt.
Alle Daten nach neuem (gregor.) Stil.
Nomenklatur nach: Reichenow, Die Kennzeichen der Vögel Deutsch-
lands. Neudamm 1920.
Systematisch geordnet nach: Naumann, Naturgesch. d. Vögel Mittel-
europas. Neue Ausg. Gera-Untermhaus, 12 Bände 1897—1903.
1. Erithacus philomela Bech. Sprosser. Z. ns. z. An. A.—E.V.
(M. V.); Rz. E. VIL.—E. VIII; n. M.E. V.—M. VI.
2. E. rubecula L. Rotkehlehen. Z. ver. J. h. An. E. III.—E. IV.
(A.M.IV.); Rz. E. VIIL—E.X. (E.IX.—A.X.), Nz. A.XL, ver.
überw. u. fast jedes Jahr; n. 1B. E. IV—A. V], ver.
2. B. E. VL. Wi
3. E. cyanecula M. W. Weißsterniges Blaukehlchen. Z. ss.
(Jg.?). Bloß zweimal beob. im VI., VII., 1896, 1900 in Karky.
4. E. phoenieurus L. Gartenrotschwanz. Z. nh. z. sp. An. E. IV.,
A, Vi; Bz.\E. VER—ETX. (A. M. IX )zumen1l:B. MM.—A. VE,
ver. 2.B. M. VL.—A. VI. °
11. Heft
2320 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
5. Accentor modularis L. Heckenbrunelle. Z. s. und verborgen.
An. E.IIIl. (1896); Rz. E. IX.—A.XI. (1915); n.M.E.V. (1916).
6. Saxicola oenanthe L. Grauer Steinschmätzer. Z.g. An. A. E.
IV.; Rz. ad. A. VIL.—M. VIII. (M. VIL—A. VIII), Nz. bis E. VII,
juv. E. VIL—A. IX. (A.M. VIII), Nz. bis M.E. IX.; n. 1.B. A.V.
—A. VI. (M. E. V.), 2.B. und Ng. M. VI.—A. VI.
7. Pratincola rubetra L. Wiesenschmätzer. Z. ns. z. An. M. IV.
—M.V. (A.V.); Rz. E.VIL—A.IX (A.—E. VII), Nz. M.IX.;
n.E. V.—M. VI.
8. Turdus merulaL. Amsel. Z. J.g. An. E. III. A. IV.; Rz. E. IX.
—E. XI (A. X.—M. XI), Nz. bis M.E.I., jedes Jahr überwintern
einige d sowie 9; n. 1.B. A. IV.—M. V. (E. IV. A.V.), 2.B. M.V.
—M. VI., 3.B. (einige Paare) und Ng. A.M. VII. Noch in den 80.
u. 90. Jahren wär die Amsel auf Oesel ganz außerordentlich selten,
— am 4. IX. 1896 gelang es mir endlich in Tiekhof aus einer Brut
eine junge zu erlegen — es war die Erste auf Oesel geschossene Amsel.
Am 8. II. 1900 fing ich in Romasaar ein wunderschönes $ und schon
am selben Tage wurde diese Seltenheit von vielen Jägern und
Vogelfreunden bewundert. Von 1900 an wurde die Amsel auf Oesel
immer häufiger: 1901 wurden einige Bruten in Kielkond von meinem
Vater beobachtet, 1904 viele Bruten in Brackelshof, 1905 häufig in
Karmel, Medel, Lulupä, Kölln, Hasick, Parrasmetz usw. Seit 1906
häufiger Brutvogel auf Oesel und seit 1910 überall gemein. Schließlich
wurden die Amseln zu einer Plage, denn nicht nur fast alle Kirschen,
Pflaumen, Erd- und Stachelbeeren, sondern auch viele Birnen, ja
sogar Äpfel wurden von Amseln in Parrasmetz, Hasick, Oıriküll usw.
vernichtet. Kurz in 14 Jahren hat sich die Amsel auf Oesel eingebürgert
und ist zu einem sehr häufigen Vogel geworden. Im Gegenteil ist sie
in den Ostseeprovinzen (Est-, Liv-, Kurland) nicht häufig, in manchen
Gegenden sogar sehr selten. Auf Oesel überwintern jedes Jahr einzelne
d und 9, zuweilen auch kleine Trupps und Flüge, am seltesten sind
sie im II. und III. Normal machen die Amseln zwei Bruten und nur
vereinzelte Paare eine regelrechte dritte. ,
9. T. musieus L. Nordische Singdrossel. Z. h. An. A. IIL—
M.IV. (E.IIL, A.IV.); Rz. E. VIIL—M.X. (A.IX.—A.X.) Nz.
bis A.XL; n. 1.B. E. IV. —E.V. (A.M. V.), 2.B. A. VI.—A. VII.
10. T. pilaris L.. Krammetsvogel. J. Z. Dz. h. (sp.g.). An.
A.—E. III, Dz. in Scharen bis M.E.IV.; Rz. A.X.—E. XL,
Nz. u. Dz. aus dem Norden bis II. u. III., in milderen Jahren überw.
große Scharen; n. 1.B. M. IV.—E. V., 2.B. E.V. —M. VI. (A. VI).
11. T. iliacus L. Weindrossel. Z. h. (g.) An. E. IIL.—M. IV.;
Rz. M. IX.—A. XI. (E. IX.—M.X.), Nz. bis E. XI. sogar A. XHU.;
n. 1.B. M. IV.—A. VI. (A.—E. V.), 2.B. E. VI. A. VII.
12. T. vis:ivorus L. Misteldrossel. Z. ns. An. M.E.Ill., Dz.
bis M.IV.; Rz. E. VIIL—A.XI. (A. IX.—E.X.); n. 1.B. M.IV.
—M. V., 2.B. M.W1.
13. Locustella naevia Bodd. Buschrohrsänger. Z. nh. z. (s.)
An.M. V. BE WIL; 2. mad?
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 331
14. Aecrocephalus schönobaenus L. Schilfrohrsänger. Z. h. (g.)
An. A.M.V.; Rz. M. VIIL—A.IX., Nz. M.IX.; n. 1.B. E.V.—
M. VL, 2.B. u. Ng. E. VI. A. VII.
15. A. arundinaceus L. Rohrdrossel. Z. h. An. M.E.V.; Rz.
M. VIIL.—A.IX.; n. M. VI.
16. A. palustris Bech. Sumpfrohrsänger. Z. s. An. M.E.V.;
Rz. A.—E. VIII.;n.M E. VI. Habe bloß zweimal n stend angetroffen
— 1911, 1918 Schloßgraben.
17. Hippolais ieterina Vieill. Gartenlaubvogel. Z.h. An.M.E. V.;
Rz. E. VIL—M. VIIL, ver. Nz. zuweilen bis A.IX. (4. IX. 1915);
n. E. V.—E. VI. (A.M. V1.).
18. Phylloscopus collybita abietinus Nils. Östlicher Weiden-
laubvogel. Z. g. An. E.IV.; Rz. E. VIIL.—E.IX., Nz. bis M.X.;
n. 1.B. M. V.—M. VL., 2.B. (ver.) A. VII.
19. Ph. trochilus L. Fitislaubvogel. Z. h. A .-E. IV.—M. V.;
Rz. M. VOL—E.IX.; n. 1.B. E.V. —M.Vl., ver. 2.B. BE. VI—
E. VII. (Ng.).
20. Ph. sibilator Bech. Waldlaubvogel. Z. ns. An. A.M.V.;
Rz. A.—E. VII, Nz. A. IX.; n. E. V.—M. VI. (A. VI).
21. Sylvia nisoria Bech. Sperbergraßmücke. Z. h. z. An. E. V.;
Rz. E. VIL—M. VII. (A. VIIL), Nz. E. VIIL;n. A.—E. VI. (M. V1.),
Ne. bisM. VII. In den Ostseeprov. rechts. und sp., auf Oesel dagegen h.,
an manchen Orten sogar g., wie z. B. in meinen Gärten in Romasaar,
wo jedes Jahr 4—6 Paare nisten.
22. 8. atricapilla L. Mönchsgraßmücke. Z. ns. An E. IV.—M.V.
(A. V.); Rz. M. E. VIII, Nz. IX., ver. sogar bis A.X.;n. 1.B. E.V.
—E. VL, 2.B. A. VI.
23. 8. simplex Lath. Gartengraßmücke. Z. ns. z. An. M.E.V.;
Rz. A. VIIL—A. IX. (M.E. VIII), Nz. (ver.) M.IX.; n. A.—E. VL,
Ng. A. VI.
24. 8. eurruca. Zaungraßmücke. Z. ns. z. An. A.—E.V.; Rz.
A VIIL= AIR. (ME. VIIL), Nz; ;M. X. un E Bi, E.,V.—E. VL,
2.B. u. Ng. A.M. VII.
25. 8. communis Lath. Dorngraßmücke. Z. h. An. A.—E. V.
(M. V.); Rz. M. VIIL—A.IX., Nz. M.IX.; n. 1.B. E. V.—E.Vl.,
2.B. A.M. VII, Ng. bis A. VIII. (4. VIII. 1915).
26. Troglodytes troglodytes L.. Zaunkönig. Z. Dz. ver. J. nh.
An. E. UL—E. IV.; Rz. E. IX.—E.X. (A.M.X.), Nz. bis A. XIL,
Dz. aus dem Norden M. XIL.—A. I. (in Scharen 21. XII. 15, 5. 1. 18),
ver. überwintern an Quellen; n. 1.B. E V—M.Vl., 2.B. und Ng.
A. VIE
27. Cinclus einelus L. Schwarzbäuchiger nordischer Wasserstar.
W.s. (J. ss.) An. E.X.—M. XL; Rz. A.M. IV.; n. M..V. (1914, 1915
in Parrasmetz nist. beob.).
28. Regulus regulus L. Gelbköpfiges Goldhähnchen. Z. Dz.
J. h. (g.) An. u. Dz. E.III.—E.IV.; Rz. u. Dz. A. IX. —E. XI.
(A.X,- A. XL); n: 1. B.A.—E. V., 2.B.E:VL A, VII. Ein gewisser
Teil sind typische J.
11. Heft
229 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
29. Aegithalus caudatus L. Weißköpfige Schwanzmeise Dz.
J. ns. An. (Dz.) E. III.—E. IV.; Rz. (Dz.) M. IX.—M. XII. (A.X.
—E. XL), im Winter sp.; n. 1.B. E. IV.—E. V., 2.B. M. E. VI.
30. Parus major L. Kohlmeise. J. Dz. W. g. An. u. Dz. A. II.
—M. IV.; Rz. u. Dz. M. VIIL.—M.X., sogar in sehr kalten Wintern
häufig; n. 1.B. A. V.—A. VL, 2. B. M. VI.—M. VII. (E. VI).
31. P. ater L. Tannenmeise. Z. Dz. ver. J. nh. z. An. E. III.
—M. IV.; Rz. E. IX.—M.XI., Nz. bis M. XII., ver. überwint.; n.
E. IV.—E. \V.
32. P. eristatus L. Nordische Haubenmeise. J. s. (ss.?) Dz.?
An. (Dz.) E. III. —M.IV.; Rz. (Dz.) E.IX.—A.X1?; n. M.E.V.
(1915 riddul), ver. überwintern (1905/6 Karky), überhaupt ss. Nach
Baron Otto Buxhöweden soll sie in Murratz im Herbst ns. sein, ich
selbst habe sie nie angetroffen.
33. P. caeruleus L. Blaumeise. Z. ver. J. nh. An. E. III. A. IV.;
Rz. M. IX.—A. XI, Nz. bis A. XIL., ver. überwintern; n. 1. B. A.V.
—A. VL, 2.B. E. VI.—M. VII.
34. P. palustris L. Schwedische Sumpfmeise (glanzköpfige).
Z.s. An. E. III. A. IV.; Rz. A. IX.—E. X., Nz. bis M. XI., im Winter
habe ich sie nie gesehen; n. 1.B. A.M.V., 2.B. E.V. A.VI. (Ro-
masaar u. Tickhof).
35. P. borealis Selys. Nordische Weidenmeise (mattköpfige).
J. Dz. g. An. (Dz.) A. III.—A.IV.; Rz. (Dz.) A. IX.—A.XL, Xz.
bis A. XIL, auch im Winter; n. 1.B. E. IV.—A.VL, 2.B. M. VI.
—M. VII.
36. Sitta eaesia Homeyeri Hart. Rahmbäuchiger Kleiber. J. ss.
In allen drei Ostseeprov. sind die Kleiber häufig, auf Oesel, merk-
würdigerweise, äußerst selten und bloß dreimal beobachtet — 1. XI
1896 Romasaar, 1914 Thomel, 18. VII. 1919 Arensburg.
37. Certhia familiaris L. Baumläufer. J. Dz. ns. (h.) Dz. M. III.
—M.IV. und A.X.—A. XI. (E.X.—E. XI), auch im Winter;
n. 1.B. A.M. V., 2.B. E. V.—M. VI. Di
38. Eremophila alpestris flava Gm. Alpenlerche. Dz. s. und sp.
Dz. A.IV.—M.V. und A.—E.X.? Ich selbst habe den Vogel nur
einmal beob. — 10. V. 1915 Tickhof. |
39. Alauda arvensis L. Feldlerche. Z. g. An. E. IL.—A.IV.
(A.—E.IIL); Rz. M.IX.—E.X. (A.X.), Nz. bis M.XL; n. 1.B.
E. IV.—E. V., 2.B. A.—E. VL, ver. 3.B. A.M. VII.
40. Lullula arborea L. Heidelerche. Z.h. z. An. M. III. —M. IV.;
Rz. A. IX.—M.X. (E.IX. A. X.) Nz. E.X.; n. 1.B. E. IV.—E.V,,
2.B. M.E. Vl. (Tickhof).
41. Galerita eristataL. Haubenlerche. W. J.ss. (sp. =.)n.M.E. V.?
Überhaupt recht selten, am häufigsten noch im Winter und auch
dann sehr vereinzelt (1894, 1895, 1896, 1899, 1901, 1918), im Sommer
ss. (1908, 1915), brütend habe sie bloß einmal angetroffen (Ladjal 1912).
42. Anthus trivialis L. Baumpieper. Z. ns. An. E. IV. A.V.;
Rz. M. VIIL—M.IX. (E.VIIH. A.IX.); n. 1.B. M. V.—M. VL,
2.B. E. VL—M. VI. (14. VII. 1920).
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 223
43. A. pratensis L. Wiesenpieper. Z.h. (sp. g.) An. E. IIL.—E. IV.
(A.M. IV.); Rz. E. VOL—E.X. (E.IX.); n. 1.B. A. V.—M.VlI,
2.B. M. VL.—A. vll.
44. A. cervinus Pall. Rotkehliger Fieper. Dz. s. Z. ss. Dz. im
V. und IX.; n. E. VI. Nistend habe nur einmal beob. u. zwar fand
ich am 10. VII. 1915 das Nest mit drei noch ganz kleinen Jungen,
es war auf meinem Gute Tiekhof.
45. A. campestrisL. Brachpieper. Z.s.z. An.M. V.?;R-.E. VII.
A. IX. (4. IX. 09); n. M. VI. (Jerwe). Habe ihn ss. beobachtet.
46. Motacilla alba L. Weiße Bachstelze. Z. g. An. E. IIL.—M, IV.
(A. IV.); Rz. ad. A. VIIL—M.IX., juv. E. VIHL—A.X., Nz. bis
E.X. ver. zuweilen bis M. XI. ja sogar E. XII. (kurz früheste An.
— 4. 11I. 1910 u. spät. Verbleiben — 26. XII. 1920); n. 1.B. V.,
2.B. VL, 3.B. oder bloß Ng. A. VII. Volle Gelege habe gefunden
vom 1. V. bis zum 10. VII.
47. Budytes flavusL. Kuhstelze. Z.ns. An. A.M. V.; Rz. A. VIII.
—A.IX. (M.E. VIIL); n. A. VI.—A. VII, ver. Ng. bis E. VII.
48. B. Thunbergi Billb. Nordische Kuhstelze. Z. nh. An. A.V.,
Rz. M.E. VII; n. E.VI. A. VII. Diese Art ist bedeutend s. als
die Vo ige.
49. Passerina nivalis L. Schneeammer. W. Dz.ns. (sp. h.). Dz.
M. X.—M. XI. u. E. IIL.—M. IV., ver. oder kleine Flüge überwintern.
50. Emberiza calandra L. Grauammer. Z. ss. An. E. III. A. IV.;
Rz. A.M. IX.; n. A.—E. V. (1914 Karrishof). Auf Oesel ss. jedoch
dennoch bedeutend häufiger als in den drei Ostseeprov. (Auf Oesel
viermal — einmal nistend, 1914 — beobachtet).
51. E. eitrinella L. Goldammer. J. Dz. Z. h. (g.) Dz. M. II.
—A.IV. u. A.—E.X.; n. 1.B. E. IV.—M.V., 2.B. A.M. VL, 3.B.
(ver.) E. VI. A. VI.
52. E. c. erythrogenys Brehm. Östlicher Goldammer. W. s. sp.
nur im s. strengen Winter 1916/17 massenhaft, An. E. XII.; Rz. E. I.
53. E. hortulana L. Gartenammer. Z. ss. (Ig.?) An. M.V.;
Rz. E. VIII. A. IX.?; n. E.V. A. VI. 1896 u. 1903 in Alt-Karmel
nist. angetroffen.
54. E. schoenielus L. Rohrammer. Z.nh. z. An. E. IIL.—E. IV.,
Dz. bis M. V.; Rz. M. VIIL.—E. IX.;n. E. V.—M. VI., Ng. bis A. VII.
(Padel).
55. Loxia eurvirostra L. Fichtenkreuzschnabel. J. sp. h. Echter
Zigeuner-Vogel — bald h., dann wieder s.; n. habe ihn von E. III.
—E. VI. beobachtet.
56. L. leucoptera bifasciata Brehm. Weißbindiger Kreuzschnabel.
Ig. sp. bloß 1911 habe einige beob. (M. X.—M. XI.), sonst nie gesehen.
57. L. pityopsittacus Borsch. Kiefernkreuzschnabel. J. sp. ne.;
n. beobachtet im III. u. IV. (und V1.?).
58. Pinicola enucleator L. Hakengimpel. Dz. ver. W. sp. nh.
(s.) Dz. M. X.—A. XI. und M. IIı.—A. V., ver. überwintern.
59. Carpodacus erythrinus Pall. Karmingimpel. Z. s. (ss.) An.
E. V. (29. V. 1919); Rz. M. VIIL.?; n. M. E. VI. (1910 Sworbe).
11 Meft
224 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
60. Pyrrhula pyrrhula L. Großer östlicher Dompfaff. W. u.
Dz. g. als J. s. Dz. u. An. M.X.—A. I. (E. XI.—M. XI.) und Rz.
(Dz.) A.IIL—E.IV. (M.IIL—M.IV.); n. E.IV. (24. IV. 1920)
—A. VI., Ng. (ver. 2. B.?) M.E. VI. (21. VI. 1918).
61. Coccothraustes coccothraustes L. Kirschkernbeißer. Z. ver.
J. s. sp. An. E.II. (24. III. 1897); Rz. A. IX.—E.X. (Sworbe),
auch im Winter beob. (18. I. 1916); n. E.V. —E. VI. (1899 Pichtendal).
62. Spinus spinus L. Zeisig. J. Dz. h. Dz. A. IIL.—A. V. (IV.)
und M.IX.—A.XI. (X.), viele überwint.; n. 1.B. E. IV.—E.V.
(AFMEVZFBEBEM. NT:
63. Carduelis carduelis L. (major Tacz.?). Stieglitz (östlicher?).
Die auf Oesel von mir unters. Vögel waren recht groß u. scheinen der
östlichen Form zu gehören. J. Dz. h. Dz. A. II.—A. IV. (M. E. III.)
in strengen Jahren bis E.IV. und wieder E. IX. —E. XII, Nz. u.
Dz. aus dem Norden zuweilen bis A. I., im sehr kalten Winter 1916/17
habe überhaupt keine beobachtet; n.M. V.—M. VI., Ng. E. VI. A. VII.
64. Acanthis linaria L. Leinfink. Dz. W. sp. h. Dz. u. An. E.X.
—A. XII. und Rz. E.II —A.IV. (III.), zuweilen im Winter h.
65 A.1. Holbölli Brehm. Großer Leinfink. W.ss. sp. An. M. XL;
Rz. M. III, nur 1905/06 und 1915/16 beob., vielleicht auch oft
übersehen?
66. A. cannabina L. Hänfling. Z. h. (sp. g.) An. M. III. —M. IV.
(E. III); Rz. E. VIIL—E.X. (M. IX.—M.X.), im Winter habe
nie angetroffen; n. 1.B. M. IV.-E. V., 2.B. A. VL.—A. VIL., 3.B.
E. VO.—M. VII.
67. Fringilla coelebs L. Buchfink. Z. g. ver. J. An. M. III. —
=M.IV. (A.IV.); Rz. A.IX.—A.XI. (M.IX.—M.X.), Nz. bis
M. XII., jedes Jahr überw. ver. $ sowie Q, sogar 1916/17 hat ein 2
in Arensburg überwint.; n. 1.B. E. IV.—E. V., 2.B. M.E. VI., 3.B.
u. Ng. A.M. VII.
68. F. montifringilla L. Bergfink. Dz. s. (W. ss.) Dz. A. X.
—M.XlI. u. E. III. —A. V., ver. $ und 2 überw. jedoch ss.
69. Chloris chloris L. Grünling. Z. Dz. J. h. (g.) An. E. I.
—M. TV. (M. II. =A. IV); Bz 2.%.-M. RE ER
Nz. bis M. I, ver. überwinter °, jedoch nicht jedes Jahr; n. 1B. E. IV
—E. V., 2.B. A.—E. VL, 3.B. M. VIL—A. VII.
70. Passer domesticus L. Haussperling. J. in milderen Wintern,
Z. in strengen, g. An. (Strich?) M. IIL.—A.IV.; Rz. (Strich nach
Süden) E.XIL—E.I.; n. 1.B. M.IV. — E.V., 2.B. A.—E. VI,
3.B. A.M. VII. Ich vermute, daß die Sperlinge, welche auf Inseln
brüten, besonders im Norden, wenigstens in strengen Wintern in
wärmere Gegenden streichen. Vor vielen Jahren bemerkte Gätke,
daß auf Helgoland die Sperlinge nicht überwintern, sondern nach
Süden wandern, neuerdings hat Leege auf den ÖOstfriesischen Inseln
dasselbe konstatiert und nach vieljährigen Beobachtungen konnte
ich ebenfalls feststellen, daß auch auf Oesel die Haussperlinge in strengen
Wintern Strich, wenn nicht gar echteZ. sind, jedenfalls im II. und
III. sind sieimmer am seltensten. In warmen und schneearmen Jahren
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 325
sind sie natürlich J., denn eine merkliche Abnahme konnte ich dann
nicht feststellen. Als Beweis führe an nur folgende Daten aus meinem
Vogeltagebuch vom sehr strengen Winter 1916/17 — Passer: 28. XII.
in enormen Scharen, besonders abends; 30. XII. merklich seltener
geworden; 11.1. viel seltener als im XII.; im II. selten; 8. III. sehr
vereinzelt; 13. III. in der Stadt und Umgegend bloß zwei gesehen;
28. III. etwas häufiger; 2. IV. bedeutend häufiger; 6. IV. überall
zahlreich.
71. P. montanus L. Feldsperling. J. ss. (oder Jg.?). Obgleich
der Feldsperling in allen drei Ostseepr. h., zuweilen sogar g., ist er auf
Oesel, unbegreiflicherweise eine Rarität; ich selbst habe ihn bloß
einmal beobachtet (2. II. 1902 2$ Romasaar) und Dr. Russow in
Arensburg (am 7. XII. 1921) 5 Stück. 1921 hat ein Paar in Arensburg
genistet A.M. V.
72. Sturnus vulgaris L. Star, auf Oesel oft ‚„Sprehe“. Z. g.
(ver. J.) An. E.TI.—A.IV. (M.E. Ill); Rz. M. IX.—A.XI (E..X.
—M.X.), Nz. bis E. XI. ver. zuw. bis E. XII., in milderen Jahren
überw. ver. und auch kleine Scharen wie zum Beispiel 1918/19 u.
1920/21, im ganz besonders milden Winter 1889/90 verblieben auf
Oesel ganze Schwärme; n. E.IV.—M.V., Ng. E.V. A.VI. Eine
regelrechte zweite Brut machen die Stare auf Oesel nie. Als Kuriosum
wurde am 4. II. 1890 ein frisches Ei gefunden!
73 Oriolus oriolus L. Pirol. Z. nh. z. An. M.E. V.; Rz. A.—E.
VIIL; n. A.—E. VI.
74. Nueifraga caryocatactes L. Skandinavischer Tannenhäher.
Dg. W. h. ver. J. Dz. M. IL.—M. V. (IV.) und A. VIIL—M. XI.
(A. IX.—E.X.); n. (ver.) M. IV.- E.V. (Piddul, Hasick).
75. N. e. macrorhynchus Brehm. Sibirischer Tannenhäher.
Dz. s. (sp. ns. 1896, 1900, 1901) Dz. E. VIL—M.X. (E. IX. A. X.).
76. Garrulus glandarius L. Eichelhäher. J. Dz. h. (g.) Dz. M. III.
—M.IV. und E. VOL—A.XL, Nz. bis E.XI., auch im Winter;
n. E. IV.—A. VI, Ng. bis E. VI.
77. Pica pica L. Elster. J. nh. z. n. E. IV.—E. V., Ng. bis M. VI.
78. Lycos monedula Sömmeringi Fschr. Halsbanddohle. J.h.
n. E. IV.—E.V.
79. Corvus corax L. Kolkrabe. J. ns. (h.) n. A. IIL.—M. IV.
80. €. cornix L. Nebelkrähe. Dz. W.g. J. nh. An. u. Dz. A. IX.
— M. XII (X., XL) und Rz. u. Dz. M. II.—A.\. (IV.); n. E. II.
—M. V., Ng. bis A. VI. Von M. VIL.—E. VIII. habe oft große Flüge
auf dem Zuge nach Norden beobachtet und vermute, daß es junge,
die im Süden ausgebrütet waren. Da diese Vögel abends und sehr
hoch fliegen, gelang es mir nicht eine einzige zu erlegen.
81. €. frugilegus L. Saatkrähe. Z. ns. z. ver. J. An. M. E. IIl.,
Rz. M. IX.—E.X. (A. X.), zuweilen überwint. ver., s. gößere Scharen
wie 1886/87; n. E. IV.—E. V.
82. Lanius minor Gm. Grauer Würger. Z. ss. Blos einmal beob.
— M. VIII. 1908 Hasick.
Archiv für Naturgeschichte
1923. A. 11. 15 11. Heft
226 W.v. Szeliga-Mierzeyewski:
83. L. exeubitorL. Raubwürger. W.s. (J.ss.). An. E. IX.—A: XL ,-
Rz. A.M.IV., ver. im Winter; n. A.M. V. (blos zweimal nistend
angetroffen — 1896 Naswa, 1915 Kölln).
84. L. collurio L. Neuntöter. Z. h. An. M.E. V.: ; Rz. M. E. VIII,
Nz. A. IX.; n. E. V.—E. VL, Ng. bis A. VII: (5. vIL. 15).
8. Museicapa grisola Bi: Grauer Fliegenschnäpper. Z. g. An.
A.—E.V.; Rz. A. VIIL.—A. IX. (M. E. VIH); Nz. M. IX.;:n. 1.B.
E. V.—E. Vl., 2.B. A.M. VI.
86. M. atricapilla L. Schwarzer FKliegenschnäpper. 7. ns. (h.)
An. E. IV. A. V.; Rz.E. VIl.—A.IX:; Nz: M. IX.; n. E. V.—M. VI,
N.E.VI
87. M. parva Bech. Zwergfliegenschnäpper. Z. s. z. An. M. v?
Rz. E. VIII A.IX.; n A. VI. (1918 Ti khof).
88. Bombyeilla garıula L. Seidenschwanz. Dz. w. sp ns. Am,
M. X. —M. XI., Dz. zuweil. bis A. 1.; Rz. A. IIL.—M. IV. In manchen
Jahren überw. ganze Scharen, im Sommer nie gesehen.
89. Hirundo rustiea L. Rauchschwalbe. Z. g. An. E. IV.—M. V.
(A. V.); Rz. A. VIIL.—E.1IX. (M.E. VIII), Nz. u. Dz. bis A.X;
ver. bis E. X. sogar A. XI. (3. XI: 1893); n. 1.B. E. V.—E. VL, ver.
2.B. u. Ng. bis M.E. VIII. (28. VIII. 1914). Als ganz besondere
Abnormität v öchte ich noch mitteilen, daß im Jahre 1919 um den
18. Il. (glaube am 16.) eine Rauchschwalbe in Arensburg mitten
am Tage längere Zeit laut piepsend hin und her flog. Allerdings war
der Winter 1918/19 sehr mild u. bis zum Februar hatte es fast gar
nicht gefroren, dennoch ist es fast ganz unwahrscheinlich, eine muntere
Schwalbe auf Oesel im II.!!
90. Delichon urbica L. Mehlschwalbe. Z. h. An. E. IV.—E.V.
(A.M. “ Rz. A. VIIL—A.IX. (M. E. VIII), ver. Nz. bis E. IX.;
mn. AB. V.—A. VIL, ver. 2.B. E. VII. A. VIII, als Ausnahme
eine 3. B. "m (1909).
91. Riparia riparia L. Uferschwalbe. Dz. h. Z.s. sp. An. A.M. V.:
Rz. A. VIIL—A.IX. (M.E. VIIL), Nz, M.IX.; n. E. V.—E.Vl.
(Naswa). ° RE
92. Cypselus apus L. Mauersegler. Z.h. (g.) An. M.E.V. (als
Ausn. 1.V.15 u. 1. VI.07); Rz. A.—E. VIII. (M. VIII), Nz. bis
M. IX. (als Ausn. sogar noch A. u.M. X:! — 6. X. 1899 u. 12. X. 91);
n..A.—B.VI, ss. Ng: bis AV, (1916 Romasaar). Früheste An.
der Segler: auf Oesel — 1. V. u. spät. Verbl. — 12.X.
93. Caprimulgus europaeus L. Ziegenmelker.- Z.-h. An. E. IV:
—E. V. (A.M.\V.); Rz. E. VOL.—A.X.“(IX.); n. A.—E. VL, Ng
‚bis E. VII: |
94. Picus viridis L. Grüns pecht. Dz. Z. s. An. (Dz.) IV.; Rz.
A.IX.—E.XI., im Winter nie beob., vielleicht auch übersehen?;
n.M. E.V. (Tickhof).
- 95. P. canus Gm. 'Skandinavischer. Grauspecht.. Dz. Z..h. (J. ss).
An. A.—E.IV.; Rz. E.IX. —E.X; n M. KV. MM VE Dieser
zen auf Oesel Z u. Da. zu sein, denn sogar in milderen W intern
ist er s., von E. XIL.—M. III. sogar ss.
Rt JE
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 227
96. Dendrocopus major L. Skandinavischer Buntspecht. J. Dz.
g. Dz. A. UL.—E. IV. und A.X.—E. XI; n. A—E.V. Diese Art
ist sehr wetterhart u. die meisten sind echte J.
97. D. leucotos Bech. Elsterspecht. Z. Dz. s. (J. ss.). Dz. A.—E.
IV. u. E. VIIL—E.XI.; n. M.E. V. (Tickhof). Habe diesen Specht
überhaupt ss. gesehen u. erlegt, im Winter blos von E. Baron Toll
einmal beob. — 1919/20.
98. D. minor L. Nordischer Kleinspecht. Dz. J. nh. Dz. A. II.
—E. IV. und A. IX.—A.XL; n. M. V.—M. VI.
99. D. m. transitivus Loud. Baltischer Kleinspecht. Dz. W
8s.5p.. An Eu Rau Hl,
100. Pizoides tridaetylus L. Nordischer Dreizehenspecht. J.s..
Ich selbst habe ihn blos einmal beob. (Tickhof 6. X. 1895), Baron
E. Toll hat ein altes Jin Arensburg (25. XII. 1920) u. einigein Piddul
(Sommer 1920) beob.; n. E. V.—M. VI.? (Piddul).
101. Dryocopus martius L. Schwarzspecht. Z. Dz. J. ns. Dz.
A. TII.—E. IV. u. E. VIIL.—A. XI; im Winter s. und ver.; n. M. IV.
—M.V.
102. Jynx torquilla L. Wendehals. Z. nh. z. An. E. IV.—M.V.
(A. V.), als Ausn. schon am 29. III. 1890; Rz. M. VIIL.—A. IX., Nz.
bis M. IX., als Ausn. 22. IX. 1918; n. E. V.—M. Vl.
103. Alcedo ispida L. Eisvogel. Z. ver. J.s. z. An. A. IV.—A.V.;
Rz. A. VIIL—A.XI., ver. überw. (5., 13.1.68 Paats u. 7. XII. 17
Piddul); n. A.—E. VI. (seit 1911 in Parr: smets).
. 104. Coracias garrulus L. Mandelkrähe. Z. ns. z. An. A.—E.V.
(M. V.); Rz. A. —E.VIIL, Nz. zuw. bis M.IX.; n. E. V.—A. VII.
(VI.). Wird immer s. auf Oesel.
105. Upupa epops L. Wiedehopf. Z. ss. (Ig.?) An. A. V. (3. V
94); Rz. E. VIIL?; n. A.—E. VI. (ein Paar in Sandel 1873).
106. Cueulus ecanorus L. Kuckuck. Z. h. An. A.M. V.; Rz. A.
—E. VIIL., ver. Nz. bis E. IX.; n. eigentlich legt von M. V.—E. VII.
und gew. in d. Nester d. weißen Bachstelze.
107. Glaueidium passerinum L. Sperlingskauz. J. ss. n. E. IV.
A.V. (1884 Töllist).
108. Aegolius funereus L. Rauhfußkauz. Dz. nh. sp. ver. J.
Dz. E. III.—M. IV. und A.X.—E. XL, ver. sollen überw.; n. A. V.
(1917 Sandel?).
109. Surnia ulıla L. Sperbereule. Dz. nh. sp. (ver. W. u. ss. J.)
Dz. A.III. —A. IV. und E.IX.—M.XlL, Nz. bis A. XIL., einzelne
überw.; n. A. V. (1893 Parrasmets).
110. Nyetea nyeteaL. Schneeule. Dz. W. nh. sp. An. A.—E. XI.;
Rz. A.—E.III. Diese prachtvolle Eule erscheint sehr sp., nur im
Winter 1905/06 war sie ns.
111. Syrnium aluco L. Waldkauz. J.h. (g.); n. E. III. —M. IV,,
Ng. A.V.
112. Asio otus = Waldohreule. Z. (ver. J.) nh. z. An. A. III.
—M. IV.;-Rz. A.IX.—A.X., ver. überw. jedoch recht s.; n. A. IV.
um (E. IV.). Die juv. Z. Ar
15% 1178
228 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
113. A. aceipitrinus Pall. Sumpfohreule Z. h. z. An. M.IV.
—M.V.; Rz. E. VIIL—E.X. (A.M.IX.); n. M.V.—A.VI Im
Winter nie gesehen.
114. Bubo bubo L. Uhu. Jg. Der Uhu ist in den Ostseepr. ns.,
auf den Inseln fehlt er gänzlich, auf Oesel seit ung. 1840 ausgestorben.
Verflogene .'g. wurden beob.: VI.1873 Kadfel, VIII. 1900 Laugo
u. endlich ein juv. in Piddul E. IV. 1906 (1908?) erbeutet. Der Uhu
ist im allgemeinen Standvogel wenn ihn nicht Nahrungsmangel zu
weiteren Streifereien zwingt u. meist sind es juv. die herumwandern.
Nach Hartert 4—5mal auf den Schetland- u. Orkney-Inseln, auch
des Öfteren in England erbeutet u. beob.
115. Falco peregrinus Gm. Wanderfalk. Z. nh. (s.) An. A. IV.
—A.V.; Rz. M. IX.—A.X., Nz. M.X.; n. (ver.) A.—E.V. (Kuse-
nömm, Karmel). In den Ostseeprov. n. der Wanderfalk nach Russow,
Löwis u. Baron Krüdener auf dem Boden, auf Oesel dagegen
habe immer blos auf Bäumen ihn n. angetroffen und dreimal in ver-
lassenen Seeadlerhorsten — Karmel, Kusenömm u. Feckerort.
116. F. subbuteo L. Baumfalk. Z. nh. z. An. E. IV.—M. V.;
Rz. E. VOIL.—M.X. (IX.); n. A.M. VI.
117. F.regulus Pall. Merlinfalk. Z. Dz. ns. (ver. J.) An. A.
—E. IV.; Rz. M. VIIL.—E.X. (IX., X.), Nz. bis M. XL, einz. überw.;
n. A. V.—A.VI.
118. Cerchneis tinnuneulus L. Turmfalk. Z. ns. z. An. E. III.
—A.V. (IV.); Rz. E. VIL.—A.X. (IX.); n. E.V. A. VI.
119. €. vespertina L. Rotfußfalk. Dz. s. sp. (Z.?) An. oder Dz.
M.E.IV. (1918)—M.VI. (1914) (A.M.V); Rz. od. Dz. E. VIH.
A. IX (1898); n.?
120. Milvus milvus L. Roter Milan. Dz. ss. Blos fünfmal beob.
(E. VIIL.—A.X.).
121. Pernis apivorus L. Wespenbussard. Dz. ss. (.'g.?). Sicher
nur einmal beob. (4. IX. 1910).
122. Pandion haliaötos L. Fischadler. Dz. s. Z. ss. An. E. IV.;
Rz. E. VIIL—M. IX.; n. A.—E.V. (Ob noch jetzt?) 1886 befand
sich ein Horst in Parrasmets.
123. Haliaötus albieilla L. Seeadler. Dz. Z. nh. (ver. J.). Dz.
E:I.—E. V. und A. IX.—A. XL 3m XT u. T 58.; n. A. II we
(E. III. A. IV.). Ob noch jetzt in der Sworbe horstet?
124. Buteo buteo L. Mäusebussard. Z. nh. (s.) An. u. Dz. E. III.
—A.V. (IV.); Rz. E. VIIL— E.IX.; n. E. IV.—A.Vl (A.M.V.).
Diese Art habe blos dreimal beobachtet.
125. B. b. intermedius Menzb. Nordischer Steppenbussard.
Z. nh. An. E. III. —E. IV.; Rz. E. VIIL—E. IX.; n. E. IV.—A. Vl.
(A.M. V.). Überhaupt sind die Bussarde auf Oesel nh., diese Art
ist dennoch bedeutend h. als die Vorige.
126. Archibuteo lagopus Brün. Rauhfußbussard. Dz. sp. ns.
W. s. Dz. A.IIIL.—E. IV. (M. TIL.—M. IV.). und E. IX.—A. X.
(A. X.—E. XL), im I. u. II. s. u. sp.; n. nie angetroffen.
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 229
127. Aquila chrysa tos L. Steinadler. J.? Dz. sp. s., eigentlich
Wandervogel, denn zu jeder Jahreszeit sind ver. gesehen u. eılegt
worden; n. E. IIL.—E. IV. (IV.). Früher horstete dieser schöne Adler
in Karjalasmaa (1897?), bei Eüküll (1901) u. in Karmel (1910?), jetzt
wohl nicht mehr Brutvogel auf Oesel.
128. A. pomarina Brehm. Schreiadler. Z. s. An. E.IV.; Rz.
M.E.IX.; n. (ver.) M. V.—A.Vl.
129. Aceipiter nisus L. Sperber. Z. h. ver. J. An. M. III. —M. IV.;
Rz. E. VIIL—M.X., Nz bis M XIL., ver. überw.; n. M. V.—M.Vl1l.
. V.).
e 130. Astur palumbarius L. Hühnerhabich:. Z. ns. J. s. An.
M.E. III, Dz. bis E. IV.; Rz. u. Dz. A. IX.—E. XI. (A. X.—A.XL),
im Wint. s.; n. M. IV.—M.V.
131. Circus aeruginosus L. Rohrweihe. Z. ns. An. A. TIV.—A.V.
(M.E. IV.); Rz. E. VIIL—M. IX., Nz. bis A.X.; n. M. V.—A. VI.
132. €. eyaneus L. Kornweihe. Z. ns. z. An. A.—E. IV.; Rz.
A. IX.—E. X. (M. IX. —M.X); n. E.V. A. VI.
133. Vultur monachus L. Mönchgeier. Ig. Um den 7. XII.
1884 wurde ein sehr schönes Exemplar auf dem ‚„Kurre mäggi“ bei
Tiekhof vom Buschwächter M. Röudok erlegt. Soll auch in Karmel
(1898?) u. Sworbe (1900) gesehen worden sein. In den Ostseeprovinzen
im ganzen 6mal erbeutet und zwar: Estland 1, Livland 3 und Kur-
land 2.
134. Columba palumbus L. Ringeltaube. Z. h. (sp. g.) An. M. III.
—A. IV.; Rz. M. IX.—M.X., z. bis A. XL, ss. ver. überw. ( . II. 19.);
n. 1. B. E. IV.—M.V., 2B. M.E.Vl.
135. €. oenasL. Hohltaube. Z. (ver. J.)nh. z. An. A. IIL.—A. IV.;
Rz: B.IX.—M.X., Nz. bis A. XIL, s. überw. ver.;.n: 1-B. A.IV.
—E.V., 2B. M.E.Vl.
136. Lagopus lagopus L. Moorschneehuhn. J. Früher g., seit
1890 nur noch auf den Mooren von Thomel, Koik, Karredal, jetzt
(eigentlich schon 1919) wohl ausgestorben; n. M. V.—A.VI. (bei
Thomel 1913 u. 1914).
137. Lyrurus tetrix L. Birkhuhn. J. nh. u. wird immer seltener.
Balz E. II.—E. VI. (E. IIl.—A. VI) und zuweilen M. IX.—E.XI.,
in milden Jahren sogar an warmen Tagen im Winter; n. A. V.—A. VL,
Ng. bis E. VI.
138. L. lagopoides Nils. Moorbirkhuhn (Bastard vom Birkhahn
u. Schneehenne). Einmal (VIl.? 1905) in Thomel erlegt.
139. Tetrao urogallus L. Auerhuhn. Ig. Im Mittelalter war der
Auerhahn überall auf Oesel g., um 1845 nur noch in gewissen Wäldern
anzutreffen, jetzt gänzlich ausgestorben. In den Jahren 1910 u. 1911
wurde Auerwild (9%, 14 2) importiert und sollen M. III.—E. V. 1914
gebalzt ja sogar genistet (E. IV.—M.V.) haben, scheinen jedoch
wieder eingegangen zu sein. Als s. Ig. (aus Dagö?) wurde dieser Vogel
auf Oesel dreimal beob., einmal sogar erlegt (1887 Orrisaar?).
140. Coturnix coturnix L. Wachtel. Z. s., z. sp. An. M. V.; Rz.
M.E.IX., n. A. VL.—M. VII. (1914 Orriküll).
11. Heft
230 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
141. Perdix perdix L. Feldhuhn. J., früher g., jetzt vielleicht
ausgestorben; n. M. V.—M. VI. 1871 war das Feldhuhn h., nach dem
außerord. kalten Winter 1875/76 gänzlich ausgestorben, 1886 durch
Nieberg u. Relitz importiert, 1892 wieder h. geworden, 1913 geradezu g..,
im außerord. strengen Winter 1916/17 fast vollst. vernichtet, ım
Sommer 1918 blos drei Ketten auf Oesel angetroffen, 1920 nur 5 Stück
in Karrishof und einige in Peude gesehen.
142. Phasianus colchieus L. Jagdfasan. Ig. Dreimal gesehen
u. zweimal erlegt. (VIII. 1912 Orrisaar — sicher aus Moon verflogene).
143. Ardea einerea L. Fischreiher. Dz. nh. (s.) Z.? An. IV.?;
Rz. A. VIIL—M.IX.; n. M.E.V. (um 1895 in Müllershof u. 1918
eine kleine Kolonie (?) in der Sworbe).
144. Herodias alba L. Silberreiher. Ig. Einmal (E. VIII. 1914
Murratz) beobachtet.
145. Ardetta minuta L. Zwergrohrdommel. Ig. Einmal erlegt
(E. V. oder A. VI. 1896 kleine Wiek).
146. Botaurus stellaris L.. Rohrdommel. Z. ns. z. An. M. E. IV.;
Rz. E. VIIIL.—M. IX., Nz. A.X.; n. E.V. A. VI.
147. Ciconia eiconia L. Weißer Storch. Dz. nh. sp. Z. s. Dz.
A.M. IV.—M.E. V. und A.—E. VIII; n. (ver.) A. M. V. (nicht ständig).
148. €. nigra L. Schwarzer Storch. Dz. s. sp. Dz. M. VIIL.—
—A.IX. (Karmel, Sandel, Mönto) und einmal einer im VIJ. 1893?
bei Jerwe.
149. Platalea leucorodia L. Löffelreiher. Ig. Einmal erlegt
(juv. 1.X.1887 an der Peddust).
150. Syrrhaptes paradoxus Pall. Steppenhuhn. Ig. Einmal
erlegt (Q V.1888. Piddul).
151. Otis tetrax L. Zwergtrappe. Ig. Einmal erlegt (E. VII.
oder A. VIII. 1880? in Euküll v. Baron Saß erlegt).
152. Grus grus L. Kranich. Z. g. An. E. III.—M. IV.; Rz.
M. VIIL—A.X., (M.E. IX.), Nz. ver. bis E.X.; n. A. V.—A. VI.
(M.E. V.).
153. Fulica atra L. Bläßhuhn. Z. g. An. E. III.—E. IV.; Rz.
E. VIIL—E.X., Nz. bis E.XI. A.XIL; n. E. IV.—A. VII. (M.V.
—M. VI), Ng. sogar bis A. VIII.
154. Gallinula chloropus L. Teichhuhn. Z.nh. ‘s ). An. E. IV.
A.V.; Rz. M.E. VIII; n. VI. (Wiek).
155. Ortygometra porzana L. Punktiertes Wasserhuhn. Z.h.
An. E. III.—A.V. (IV.); Rz. M. VIIL.—E. IX. (IX.); Nz. bis M.X.;
n. A. VI.—M. VII. Die Behauptung, daß dieser Vogel in Livland
erst M.E. V. ank., ist entschieden falsch.
156. ©. parva Scop. Kleines Sumpfhuhn. Z. ss. (Ig.?). Blos
einmal beob. (16. VIII. 1916 kleine Wiek).
157. Crex erex L. Wachtelkönig, auf Oesel ‚„Schnarrwachtel“.
Z. h. An. M.E.V.; Rz. E. VOIL—E. IX., Nz. bis M.X.; n. E.VI.
—A. VIII. (VII.).
158. Rallus aquaticus L. Wasserralle Z. s. (nh.). An. E. IV.
!.V.; Rz. M. IX.—A.X., n. E. VI.—M. VI.
Die Vögel der Insel Oesel (Estland): 231
159. Vanellus vanellus L. Kiebitz. Z. g. An. E. IL.—M. IV.
(A. IIL.—A. IV.); Rz. E. VL—M. VII. (M. VIL—A. VM.) Nz.
bis E. VIII. A.IX.; n. A. IV.—M.V., Ng..bis E.V. sogar M. VI.
160. Squatarola sqatarola L. Silber oder Kiebitzregenpfeifer.
Dz. nh. (sp. ns.) Dz. A.—E. V. und A. VIIL—A.X. (A.M. IX.).
161. Charadrius apricarius L. Goldregenpfeifer. Dz. nh. (sp. h.)
ver. Z. Dz. M. IV.—E. V. (E. IV.—M. V.) und E. VIIL.—A.X. (E. VII.
—M. IX.), Nz. M.X.; n. E. V. A. Vl. (blos viermal beob.).
162. Ch. morinellus L. Mornellregenpfeifer. Dz. s. sp. Dz. E. IV.
—E. V. u. E. VIIL—E. IX.
163. Ch. hiatiecula L. Halsbandregenpfeifeı. Z. g. Dz. An. E. III.
—E, IV., Dz. bis E.V., Rz. ad. M. VIL—A. VIII, juv. E. VII.
—M. VII., Nz. bis E. VIII. A. IX.; n. E. V.—E. VI.
164. Ch. dubius Scop. Flußhalsbandregenpfeifer. Z. nh. z. An.
A. IV.—A.V.; Rz. A.M. VII. Nz. bis A. IX.; n. M.E. VI. (Padel).
165. Arenaria interpres L. Steinwälzer. Z. Dz. ns. z. An. u. Dz.
A. V.—M.VI. (E.V.); Rz. E. VIL—M. VII, Dz. bis A.IX.; n.
A.—E. VI. (Kielkond, Linnusitt).
166. Haematopus ostralegus L. Austerfischer, auf Oesel ‚‚Seelster“.
Z. g. An. E. III. —M. IV., Dz. bisiE: V.; Rz. E.VL=-M. VIIL-
(E. VII. A. VIII), Nz. bis A.IX.; n. A. V.—M. VL, Ng. bis A. VII.
167. Recurvirostra avosetta L. Avosette. Ig. Blos dreimal beob.
u. erlegt, einmıl sogar nistend angetroffen (1885 Insel Laurilaid bei
Kusenömm). An. A. V. (3. V.02); Rz. E. VIIL?; n. M. VI. (Lauri).
168. Phalaropus lobatus L. Kleiner Wassertreter. Z. ns. z. An.
A.—E. V.; Rz. A. VIIL—M: IX. (M. E. VII); n. A.M. VI. (Padel).
169. Calidris arenaria L. Sanderling. Dz. s. (ss.?). Einmal eılegt
(31. VII. 10 Zerel), Dz. A. VIIL.—A. IX.? vielleicht auch übersehen.
170. Limicola platyrincha Temm. Kleiner Sumpfläufer. Dz. ss.
Habe blos einmal angetroffen (12. V. 15 Persamaa).
171. Tringa Temmincki Leisl. Temminck’s Strandläufer. Dz.
nh. (sp. s.). Dz. M.IV.—E.V. u. E. VIL—M.IX. (M.E. VIEL);
Nz. E.IX. |
172. T. minuta Leis. Zwergstrandläufer. Dz. nh. Dz. V. und
E. VIL.—E. IX. (VIL.).
173. T. alpina L. Alpenstrandläufer. Dz. ns. (h.) Dz. A. IV.
—E.V. u. A. VOL—A.X. (E.VOL—M.R.).
174. T. a. Schinzi Brehm. Schinz’ Strandläufer. Dz. Z. h. (g.)
A .A.—E.IV., Dz. bis A. VI; Rz. M. VIL—E. VII, Dz. bis E.
IX.; n. A. V.—M. VI (E.V A. Vl.).
175. T. ferruginea Brünn. Krummschnabel. Dz. nh. Dz. V.
u. M. E. VIL.—A. IX. (VII).
176. T. canutus L. Isländischer Strandläufer. Dz. sp. ns. Dz.
A. IV.—E.V. u. A. VIIL—M. IX. (E. VIIL A. IX); Nz. bis E. IX.
177. Pavoncella pugnax L. Kampfhahn. Z. Dz. h. An. M. IV.
—M.V. (A: V:); Rz, E. VIL—M. IX. (E. VIII. A. IX.) Nz. E.IX.;
Balz A. V.—E. VI. (M. V.—M. VL), n. A.—E. VL, Ng. bis A.M. VIL.
11 Heft
232 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
178, Tringoides hypoleucos L. Flußuferläufer. Z. Dz. ns. An.
M. IV.ZE.V.; Rz. M. VIL—E.VIII (E. VIL—M. VOL); Nz.
A.M.IX.; n. M: V.—M. Vl.
179. Totanus glareola L. Bruchwasserläufer. Z. Dz. nh. z. An.
A.IV.—A.V.; Dz. bis A.VL; Rz. A. VIL—A.DX. (E. VIL—
M. VII); n. M. V.—M. VI.
180. T. ochropus L. Waldwasserläufer. Z. z. s. Dz. ns. An. A. IV.
—A.V.; Rz. M.VIL—A.IX. (A.M. VIIL); n. E.IV.—M.WV., Ng.
E.V. A.VI. (Tickhof). Am 22. V.1916 beob. mein verst. Vetter
Baron H. v. Noleken in Hasick wie ein Q ihr eben ausgekr. Junges
aus dem Neste in den Zehen forttrug. ' Dieser Vogel hatte in einem
Eichhornneste zwei Meter hoch genistet.
181. T. totanus L. Rotschenkel. Z. g. An. E. III.—E. IV., Dz.
bis E.V.; Rz. M. VIL.—M. VII. (E. VIL), Nz. E. VIII, ver. sog.
bis M. IX.; n. A. V.—M. VL, Ng. bis A. VII, ausnahmsw. bis E. VIL
(1914 Sandel).
182. T. fuseus L. Dunkler Wasserläufer. Dz. ns. Z. ss. Dz. M. IV.
—M. VI. u. E. VIL.—M. IX. (A.M. VII); n. VI. (1915 Sandel).
183. T. nebularius Gun. Heller Wasserläufer. Dz. ns. (ver. Z.).
An.M.E. IV., Dz. bisM. VI.; Rz. M. VIL.—M. IX. (E. VOL.—E. VIII),
Nz. pis E. IX., n. E. V.—M. VI.
184. Limosa limosa L. Schwarzschwänzige Pfuhlschnepfe.
Dz. ns. Z. s. An. E. IV. A.V., Dz. bis A. VI. u. ausnahmsw. schon
at (4. IV.21); Rz. E. VIL—M.IX. (VIIL); n. E. V.—E. Vl.
(V}.).
185. L. lapponica L. Rote Pfuhlschnepfe. Dz. nh. Dz. A.V.
—A. VI. u. A. VIIL.—E. IX. (VIll.); Nz. A.X.
186. Numenius arquatus L. Großer Brachvogel, auf Oesel ‚Kron-
schnepfe“. Z. h. (g.) An. M. IIL.—M. IV. (A. IV.), Dz. bis M.E.V.;
Rz. A. VIL.—A. VII. (VII.) ver. Nz. M. IX. sogar bis A. X.;n. E. IV.
—E. V. (V.), Ng. bis M. VI.
187. N. phaeopus L. Kleiner Brachvogel, bei uns oft ‚‚Blaubeer-
schnepfe“. Dz. ns. Z. ss. Dz. A. IV.—M. VI. u. A. VIL—E. VII,
Nz. A. 1X., ver. zuw. sogar bis M. XI. (12. X1.18); n. A. VI. (blos
ver. u. Ss.).
188. Galinago media Lath. Doppelschnepfe. Z. früher h., seit
1905 recht s. u. jetzt ss. An. u. Dz. E. IV.—E. V.; Rz. A. VIIL—A.X.
(E. VIIL.—M. IX.); Balz A. V.—M. VL, n. E. V.—M. VI. (Persamaa,
Hasick).
189. 6. gallinagoe L. Bekassine Z. h. Dz. g. An. A.M.IV.;
Rz. A. VIIL—A.XI. (E. VIIL.—M.X.), Nz. bis E. XL; Balz A. IV.
—M. V., ver. sog. bis A. VIL., n. E. IV.—A. VI, Ng. bis E. VI. A. VI.
190. 6. gallinula L. Kleine Sumpfschnepfe. Dz. g. Z. ss. Dz.
A.IV.—E.V. u. E. VIH.—E.X. (M.IX.—M.X., Nz. A.XL;
s. ver. n. M. E.V.
191. Scolopax rusticola L. Waldschnepfe. Z. g. (ver. J. ss.).
An. A. III.—E. IV.(A. IV.); Rz.M. IX.—A. XI. (X.), Nz. bisM. E. XL,
in s. milden Jahren ver. XIL, I. (1894 Tickhof) u. II. gesehen u.
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 233
erlegt; Strich (Balz) in Tickhof normal A. IV.—M.V. und M. VI.
—M. VIL, n. 1 B. E.IV.—M.V., 2.B. M.VL—A.VII Ob alle
Waldschnepfen u. überall auf Oesel jährlich zweimal n., kann ich
mit Bestimmtheit nicht sagen, zweifellos aber machen die meisten
in Tickhof eine zweite B., denn Gelege habe daselbst immer zweimal
gefunden u. den Strich jahrelang sehr genau beob. u. notiert. Strich
in Tiekhof: E. III. A. IV.—M. V. bis durchschn. 15 Schnepfen an
einem Abend, M. V.—M. VI. bis 5, M. VI.—M. VII. bis 23, demnach
wäre der Strich E. VI. A. VII. am besten. Nach d. 15. VII. habe nie
eine quarrende Schnepfe mehr angetroffen. Ganz besonders zahlreich
waren die Waldschnepfen im Jahre 1915 — am 20. VI. zogen 29,
am 2. VII. sogar 42 (sag und schreib 42!) und am 9. VII. noch
26 Stück. 1915 sollen die Schnepfen in den Ostseeproy. sehr zahlreich
gewesen sein. Sol te der krieg daran schuld gewesen sein? Ich meine
d e Kanonade in Polen. Genaueres über die Waldschnepfe auf Oesel
vide mein Aufsatz (Anhang) in „Wenn die Schnepfen streichen“
von A. Baron Krüdener 1921. Leipzig, Verl. R. Eckstein-Nachf.
192. Cygnus olor Gm. Höckerschwan. Ig. Blos zweimal und zwar
nistend beob. /n. E. III. (25. IIL.20); Rz. (?); n. A. V. (1920, 1921
kleine Wiek).
193. €. eygnusL. Singschwan. Dz. g. ver. J. u. Z. An. M.E. II.
—M. IV. (E.IIL), Dz. u. Nz. bis A. V.; Rz. E. IX.—A. XI. (X1.),
zuw ilen sogar bis E. XII. und M.1I., ver. L, IL.; n. E.IV. —M.V.
(kleine Wiek). Einzelne treiben sich auf offener See das ganze Jahr
hindurch. Am 10.IV.15 schoß ich ein ganz besonders großes {,
welches 30 Pfd. wog.
194. €. Bewicki Yarr. Zwergschwan. Dz. nh. sp. Dz. M. III.
—M. IV. u. M.X.—E. XI. A. XU.
195. Anser anser L. Graugans. Z. Dz. g. (J. s.). An. M. III.
(s. E. IL)—A.IV. (E. III. A.IV.), Dz. bis E.IV. zuw. bis M.V.;
Rz. A. VIIL—E.X. (M. VIIL—M.X.), Nz. in Ketten bis M.E. XI,
in milderen Jahren überw. ver. Ketten; n. E. IIL.—A.V. (M. IV.
—A. V.), Ng. bis A. VI. Zuweilen habe M. VI. große Scharen auf dem
Zuge beob., versp. Dz.?
196. A. erythropus L. Zwergbläßgans. Dz. ns. sp. Dz. M. IV.
—M. V. u. E. VIIL—A.X. (A.M. IX.). 1910 war diese Gans recht h.
197. A. albifrons Scop. Bläßgans. Dz. ns. (sp. h.) Dz. M. IV.
—E. V. und M. VIIL—A.XI. (IX.).
198. A. fabalis Lath. Saatgans. Dz.h. sp. g. Dz. M. IIl.—A.V.
u. A. IX.—E.X., Nz. bis M. XI.
199. A. f. arvensis Brehm. Ackergans. Dz. ns. sp. Dz. E. IH.
—A.V. u. M.IX.—M.X. Seltener als die Vorige.
200. Branta bernicla L. Ringelgans. Dz. nh. sp. Dz. E. III.
—E. V. u. E.IX.—M. XI.
201. B. leucopsis Bech. Nonnengans. Dz. nh. (sp. ns.) Dz A IV.
—E.V. u. E. IX. —M. X.
11. Heft
234 W.'v. Szeliga-Mierzeyewski:
202. Tadorna tadorna L. Brandgans, bei uns auf Oesel „Kreuz-
ente“. Z.h. An. A.M. IV.; Rz.:M. VIL—M.X,, Nz. E.X. u. XE;
n. M. V.—E. VI. (E.V. A. VL).
203. Anas boschas L. März oder Stockente. Z. Dz. g. J. s. An.
A. IIIL.—M. IV., .Dz. bis M.V.; Rz. M. VIIL—E.XL (IX, X.)
Nz. bis E. XII., ver. überwint. an Quellen; n. A. IV.—M.V. (M. IV.
—A. V.), Ng. bis M. VI.
204. A. penelope L. Pfeifenente. Dz. g. (ver. Z.) An. M.WV.
—M. V.; Rz. M. VIIL—M.X. (IX.); n. (ver.) M.E.V.
205. A. strepera L. Schnatterente. Jg. Sicher blos einmal erlegt
(M. VIII. 1886? Sandel).
206. A. querquedula L. Knäkente. Z. ns. z. An. A. IV.—A.V.;
Rz. A. VIIL.—A.X.; n. M. V.—E. VI. (E. V.—M. V1.).
207. A. erecea L. Krickente. Z. h. ver. J. An. E. III. —E. TV.;
'Rz. A. VIIL.—A. XI. (M. VIIL.—A. X.), Nz. bis A. XII., ver. überwint.
an Quellen; n. M. V.—A. VI.
208. A. acuta L. Spießente, auf Oesel ‚„Zugente“. Dz. Z. h.
(sp. g.) An. E. III, Dz. bis M. V.; Rz. A. VIIL.—M. X., Nz. bis M. XI.;
n. E. VI.
209. Spatula elypeata L. Löffelente. Z. h. An. A. IV.—M.V.
(A. V.); Rz. E. VIL.—E. IX., Nz. bis M.X.; n. M. V.—A. VI
210. Nyroca fuligula L. Reiherente. Dz.Z.g. J.ss. An. A.—E.IV.;
Rz. A. IX.—A. XI. (X.), einzelne Scharen bis E. XIIL., sogar M.1I.,
ver. im Winter; n. E. V.—A. VII. (VL), Ng. bis M. VII.
211. N. marila L. Bergente. Dz. W.h. (Z. s.). An. A.—E. IV.,
Dz. bis E. V.; Rz. E. IX.—E. XL, einige Scharen übeıw. auf hoher
See; n. M. V.—A. VII. (Linnu sitt, Kielkond, Sandel).
212. N. ferina L. Tafelente. .Dz. Z. ns. An. M. E. III. —A.V.,
Dz. bis A. VL; Rz. M. VIIL—E. X; n. M. V.—M.VI An der Ost-
küste Oesels viel h.
213. N. nyroca Güld. Moorente. Ig. Sicher blos einmal geschossen
(Karky, VII. 1907 oder 1908).
214. Harelda hyemalis L. Eisente. Dz. g. Dz. A. IV.—E.V.
und A.X.—A. XII. Auf der See das ganze Jahr hindurch, auf dem
Dz. massenhaft. |
215. laucionetta elangula L. Schellente. Dz. W. g. (ver J.)
Dz. M.HL—A.V. u. E. VIIL—M.XI. (X., XL) sogar A. XII;
n. E. V. (blos zweimal angetroffen — Sandel u. 1913 kleine Wiek).
Vom III. bis tief in d. XI. treiben sich große Scharen auf der See,
auch im Winter, besonders in milden Jahren sh.
216. Oidemia fusca L. Samtente. Dz. Z. g. J. sp. ns. An. A.—EB.
IV., Dz. bisM. VL.; Rz. E. VIIL.—M. XI, zuw.M. XIIL.,auchim Winter;
n. M. VL—A. VI. (E. VI). Wohl die häufigste Ente.
217. ©. nigra L. Trauerente. J.s. Dz. h. (sp. g.). An. u. Dz.
M. IV.—A. VI. (V.); Rz. u. Dz. A. VIIL—E. XI. (X.); ver. Scharen
im Sommer u. auch im Winter auf hoher See; n. E. V.—E. VI. (1920,
1921 Filsand).
Die Vögel der Insel Oesel (Estland). 235
218. Somateria mollissima L. Eiderente. Dz. Z. ns. (ver. J.)
An. A. II. (Kielkond) bis A. III., Dz. bis E. V.; Rz. A. IX.—M. XI,
zuw. im Winter auf offener See; n. M.IV.—E.V. (A.M.V.), Ng.
bis M. VI. Diese Ente brütet nur auf den Inseln der Kielkondschen
Bucht: 1909 bis 5 Nester, 1910 bis 8, 1911 bis 41, 1913 bis 50, 1914
bis 65, 1920 bis 174, 1921 bis 218 Nester u. darunter 2 Gelege von
8 Eiern.
219. 8. spectabilis L. Prachten:e. Ig. Einmal erlegt (2 LI.
1912 Filsand). _
220. Mergus albellus L. Zwergsäger. Dz. ss. (Ig.?). Dz. IV. u.
XI? Sicher blos einmal erlegt (A. IV. 1895 große Wiek).
221. M. serrator L. Mittlerer Säger. Z. h. An. A.M.IV.; Rz.
A TEEN NZ KARL, n.M.V.—A Vo. (VE).
222. M. merganser L. Gänsesäger. Dz. Z. ns. (ver. J.) An. E.Il.
—M. IV. (M: IIL.—A. IV.), Dz. bis M. V.; Rz. M. IX.—M. XI, ver.
überw.; n. E. IV. (zuw. schon M. IV.) bis E. VI (M. V.—A. V1.).
223. Phalacrocorax carbo L. Nordischer Kormoran. Ig. Blos
zweimal erlegt (I. 1904 Leo u. X. oder XI. 1913 Filsand).
224. Hydrochelidon nigra L. Trauerseeschwalbe. Z. nh. z. An.
M.E. V.; Rz. E. VII. A. VIIL, ver. Nz. M. VIII; n. E. V.—E. VL,
Ng. A. VII.
225. Sterna minuta L. Zwergseeschwalbe. Z. ns. An. A.—E. V.;
Rz. E. VIL.—M. VI. (A. VIIL), Nz. (ver.) bis E.VIIL A.IX.;
n. E. V.—A. Vo. (VI).
226. St. hirundo L. Flußseeschwalbe. Z. h. (g.) An. E. IV.—M. V.,
ss. schon A. IV. (2. IV. 1910); Rz. M. VIL.—M. VIII. (E. VII. A. VIII),
ver. Nz. bis A. IX.; n. M. V.—E. VI, Ng. A. VII. Sehr häufig an der
Ostküste.
227. St. ma:rura Naum. Küstenseeschwalbe. Z. h. (g.) An.
M. IV.—M.V., s. schon E. III. (31. III. 1910), jedoch immer etwas
früher als die Vorige; Rz. E. VIL., A. VIIL., ver. Nz. bis A. IX.;
n. E. V.—A. VII. (VI.). Häufiger Brutvogel an der Westküste.
228. St. caspia Pall. Raubseeschwalbe. Z. ss. An. M. IV.; Rz.
M.E. VIIl; n. A.VI. (4. VI.1910 ein Ei auf Pätsu bei Kiel! ond
gefunden). | |
229. Larus minutus Pall. Zwergmöwe. Z. nh. z. sp. An. M. IV.
—A.V., Dz. bis E.V.; Rz. M. VIL—A. VID; n. M.V.—M. vl.
(Padel, Sandel).
230. L. ridibundus L._ Lachmöwe. 7. g. An. E. IIL.—E. IV.
(A.M. IV.), als Ausnahme A. II.; Rz. ad. M. VIL.—A. VIH. (E. VIl.),
Nz. ver. bis M. VIIL, juv. M. VIL.—M. VIII. (A: VII.), Nz. E. VII.
ver. zuw. bis M. IX., als Ausnahme sah ich E.X. A. XI. 1915 noch
eine junge im Hafen v. Arensburg, — früheste An. 9. II. 1894 u. sp.
Verbl. 8. XI. 1915; n. M. IV.—A. V1. (V.), Ng. bis E. VI. Die größte
Brutkolonie befindet sich auf den Inselchen u. Kufen der kleinen
Wiek (Vogelwiek), tausende Eier werden jedes Jahr vom Krähen
und auch Esten vernichtet u. dennoch ist die Lachmöwe auf Oesel
massenhaft.
11. Heft
236 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
231. L. canusL. Sturmmöwe. Z. g. (J. ss.) An. E. IIL.—M. IV.;
Rz. E. VII. —E. VIII. (M. VII), Nz. bis A. IX., zuw. ver. bis M. XL,
ss. überwint. ver. (1911/12 u. 1920/21); n. M. IV.—A. VI (M.E. V.),
Ng. bis E. VI., sogar ver. bis M. VII.
232. L. fuscus L. Heringsmöwe. J. Z. Dz. nh. An. M. IIL.—A. V..
Rz. A. IX.—M.XI., ver. überw. auf offener See; n. M. V.—M. VI;
(Inseln bei Kielkond).
233. L. argentatus L. Silbermöwe. Dz. nh. sp. ver. W. Dz. M. II.
—A.V. (A. IV.) u. E. IX.—E. XI (XL), s. ver. im I. u. I.
234. L. marinus L. Mantelmöwe. Dz. J. nh. Dz. A. IIL.—A.V.
u.ad. A. VIIL.—M. IX., Nz. M. XII., ver. auf der offenen Seeim Winter,
— juv.: A.—E. X1., ver. im Winter; n. A. IV.—M. V., Ng. bis A. VI.
(nur auf ein. Inseln bei Kielkond).
235. L. glaueus Brünn. Eismöwe. Dz. W. nh. sp. Dz. A.M. IV.
u E %.—E.XIL, ver. im I, II. u. III. auf offener See.
236. Stercorarius pomarinus Temm. Mittlere Raubmöwe. Daz.
ss. (Ig.?). Bloß zweimal erlegt (A. X. 1901 Naswa, E. X. 1902 Sandel).
237. St. parasiticus L. Schmarotzerraubmöwe. Dz. ss. (Ig.?).
Blos einige Male gesehen u. eılegt und zwar immer von M. V.—M.X.
238. Diomedea melanophrys. Boie. Schwarzzügelalbatros. Ig.
In den Ostseepr. noch nie beob., jedoch schon öfters in Europa erlegt:
15. VI. 1878 bei Spitzbergen, 1884 in Schotland, 11. V. 1894 Faröer
Inseln u. 9 VII 1897 bei Linton in England. Außer dieser Aıt wurden
noch drei andere in Europa beob. und erlegt. — Am 8. IX. 1911 sah
mein Schwiegervater, Dr. A. Baron v. Sass, am Meeresstrande zwischen
Parrasmetz u. La go einen riesigen möwenartigen Vogel, den er auch
sofort als Schwarzzügeligen Albatros erkannte. Eine Verwechslung
mit irgend einer großen Möwe (alte Mantelmöwe) ist vollständig
ausgeschlossen, da v. Sass erstens die Vögel sehr gut kennt u. zweitens
konnte er den Albatros (es war ein alter Vogel) längere Zeit sehr genau
u. deutlich durchs Fernglas besehen, da er auf einem Steine im Meere
in einer Entfernung von kaum 50—60 m stand.
239. Colymbus eristatus L. Grosser Lappentaucher. Z. g. An.
E. HI.—E. IV. (M. IV.); Rz. A. IX.—E.X.; n. M. V.—E.Vl. Ng.
bis M. E. VII.
240. €. grisegena Bod. Graukehliger Lappentaucher. Z. nh.
z.An.M.E.IV.; Rz.A.IX.—M.X.; n. A.M. V.—M. VI. (KleineWiek).
.. 241. €. auritus L. Gehörnter Lappentaucher. Z. ns. An. E. IV.
—M. V.; Rz. M. IX. —E.X.; n. M. V.—E. VI.
242. €. nigricans Scop. Zwerglappentaucher. Z. ss. (Ig.?) An.
A. V.?; Rz. M. IX.; n. A.M. VI. (Lachentagge 1910).
243. Urinator arcticus L. Polartaucher. Dz. ns. (ver. J.) Dz.
M. IV. —3.V. u. M. IX. —M. XL. (X., XL); n. E. V.—M. VL? Nach
H. v. Ekesparre sollen einigein d. Sworbe genistet haben. Im Winter
treiben sich einzelne auf offener See.
Die Vögel der Insel Oesel (Estland) 2337
244. U. stellatus Brünn. Nordseetaucher. Dz. ns. (ver. J.?).
Dz. M. IV.—A. VI, zuw. im Sommer in Scharen auf der See; Rz.
u. Dz. E. IX.—M.XI., ver. im Winter auf offener See. Einzelne
Paare sollen auf der kleinen Wiek n., ich selbst habe keine Gelege
auf Oesel gefunden.
245. Uria grylle L. Gryllumme. Dz. s. (ss.). Dz. M. III.—A. IV.
u.A.X.—E.XI Ver. im Win5er und Sommer (?) auf der See. M. III.
1913 wurde ein & in Roziküll gefangen.
246. Alca torda L. Tordalk. Dz. s. (ss.). Dz. IV. u. XI, wohl
auch XII., im Winter ss. Zwei s. schöne Exemplare wurden in Murratz
(1893) u. Naswa (1880) erl.
Pastor roseusL. Rosenstar. E. IV. oder A. V. 1911 soll einer!in
Thomel gesehen worden sein.
Parus cyanus Pall. Lasurmeise. Soll in Thomel gesehen worden
sein.
Hierofalco rusticolus L. Norwegischer Jagdfalk. Nach O. v. Löwis
soll einigemale auf Oesel beobachtet, ja sogar erlegt (?) worden sein.
Wahrscheinlich liegt hier eine Verwechslung vor u. zwar mit einem
weißen Bussard.
Bonasia bonasia L. Haselhuhn. Seit 1850 vollständig ausgestorben,
zweimal (1897, 1910) importiert, jedoch ganz erfolglos.
Meleagris gallopavo L. Wilder amerikanischer Puter. 1901 auf
die Insel Abro importiert, 1902 ein verflogenes 3 in Murratz (Oesel)
gesehen, seit 1904 auf Abro ausgestorben, eigentl. spurlos ver-
schwunden.
Phoenicopterus roseus Pall. Flamingo. Soll bestimmt im VIII.
1855(?) an der Peddust gesehen worden sein.
Im Spätherbst auf dem Abendstande in Lode, Naswa u. Romasaar
wurden zuweilen auch einzelne Bastarde der März- u. Hausente eılegt
und zwar flogen sie immer in Gesellschaft von Märzenten, ebenfalls
in der Richtung nach Süden — befanden sich auf dem Zuge.
Als Kuriosum füge ich noch folgendes hinzu, — um 1871 erhielt
Herr v. Rehren von einem kleinen Haushahn u. zwei Birkhennen
24 Bastarde, welche die Merkmale der beiden Eltern aufwiesen. Diese
seltenen Vögel sollen sehr schön gewesen sein u. wurden später für
25 Rubel das Paar verkauft.
11. Heft
Beitrag zur Kenutnis der Fauna Mecklenburgs..
Die Lurche (Amphibia) des Hafenorts Warnemünde.
Von
W. v. Szeliga-Mierzeyewski, Ph. D.
Prof. der Vergleichenden Anatomie an der Universität Wilna.
Während meines zweijährigen Aufenthalts (24. IX. 1920—28. IX.
1922) in Warnemünde habe ich mich gelegentlich mit Beobachtungen
der im Bereiche des Hafenorsts selbst lebenden Lurche beschäftigt
und möchte zur Anregung anderer Faunisten diese durchaus nicht
vollständigen Ergebnisse in der vorliegenden kleinen Abhandlung
schildern. Als Forschungsgebiet diente die Stadt selbst, Promenaden,
Strand, Kirchhof, Gärten an der Diedrichshäger Chaussee, welche
die Fortsetzung der Stadt selbst bilden, und endlich die Anlagen —
der Waldpark mit den Teichen, ausgenommen das Wäldchen auf den
Dünen, gerechnet von der letzten Villa (Hotel Hochenzollern) bis
Stolteraa und die bewachsenen Dünen am anderen Ufer des „Neuen
Stroms,“ „Hoche Düne‘ usw. bis zur Warnow und Breitling. Was
die einzelnen kleinen Teiche und Tümpel der Anlagen (Waldpark)
anbetrifft, so bezeichne ich sie wie folgt: No. 1 = kleiner Teich in der
Nähe des Kinderspielplatzes; No.2 — großer Teich mit Seerosen,
nördlich vom Kirchhof; No.3 = kleiner Teich hart am Kirchhof
und in der Nähe der Diedrichshäger Chaussee; No. 4 = runder Teich
in den Anlagen, westlich vom Kirchhof (nach Stolteraa zu) und No.5
— ovaler Teich, westlich von No.4. Die Pfützen, Teiche,. Gräben
und Sümpfe auf der Weide, südlich von Warnemünde, habe ich ab-
sichtlich nicht berücksichtigt, weil ich nur die Lurche des Hafenorts
selbst beschreiben wollte. Was die Kriechtiere — Reptilia — an-
betrifft, so habe ich bloß eine einzige Art gefunden und zwar die
Zauneidechse (Lacerta agilis Wolf), welche eigentlich nur in der Nähe
des Kirchhofs recht zahlreich ist.
1. Hyla hyla (L.). Laubfrosch.
Scheint nicht besonders häufig zu sein. Habe ihn bloß 5mal
angetroffen: Anfang Oktober 1920 zwei Exemplare in einem Keller,
am 4. IV. 1921 einen im Grase beim Kirchhof, Mitte April 1921 wieder
einen Laubfrosch daselbst und Mitte (um den 15.) April 1922 noch
einen recht jungen ebenfalls beim Kirchhof. Obgleich ich das
Quarren öfters gehört, habe ich die Kaulquappen nie gefunden, wahr-
scheinlich weil die Teiche der Stadt selbst gar keinen Schilf oder Rohr
besitzen. Die Laubfrösche könnten eventuell bei Diedrichshagen oder
überhaupt in den Tümpeln und Gräben südlich und südöstlich von
Warnemünde laichen. Jedenfalls ist dieser Frosch nicht häufig, wahr-
scheinlich sogar selten.
Beitrag zur Kenntnis der Fauna Mecklenburgs. 239
2. Rana temporaria L. Grasfrosch.
Gemein, besonders zahlreich im Frühling, überhaupt der häufigste
Lurch. Zur Paarungszeit ist dieser Frosch in allen 5 Teichen in großen
Mengen vorhanden, besonders viele jedoch im Teiche No.2. Was
das Paaren sowie Laichen anbetrifft, so habe ich die folgenden Beob-
achtungen gemacht.
1921: 13. III. zum erstenmal Grasfrösche im Wasser.
14. III. das erste Paar in Copula.
2. IV. zum erstenmal Laich. :
4. IV. sehr viel Laich, blos2 Paare noch in Copula.
7. IV. viele im Wasser, jedoch nicht in Copula.
Paarungszeit vom 14. III. —4. IV. = 22 Tage. |
Laichzeit 2., 3., 4. IV. =3 Tage.
1922: :12. IV. sehr kalt, zum erstenmal im Wasser.
13. IV. warm, erste _Copula gesehen.
15. IV. warm, viele in Copula, erster Laich.
17. IV. masse. Laich, viele in Copula.
18. IV. wenige in Copula.
20. IV. blos noch ein Paar in Copula.
Paarungszeit vom 13.—20. IV. = 8 Tage.
Laichzeit eigentlich 15.—18. IV. = 4 Tage.
Die Paarungszeit würde demnach 8—22 Tage (1—3 Wochen)
dauern, die Laichzeit dagegen blos 3—4 Tage. Allerdings möchte
ich auch gleich bemerken, daß der Frühling 1921 sehr mild und früh
war, 1922 dagegen ganz besonders spät und kalt, also beides außer-
gewöhnliche Jahre und daß das Richtige wohl in die Mitte käme,
— sagen wir Paarungszeit Ende März, Anfang April, Dauer derselben
etwa 2 Wochen und Laichzeit 3—4 Tage.
Nach dem Laichen verlassen die Frösche nicht sobald das Wasser,
sondern verbleiben darin noch lange, einzelne den ganzen Sommei,
sogar bis in den Herbst herein.
3. 'R. arvalis Nilss. Moorfrosch.
Häufig, jedoch seltener als der Vorige. Am zahlreichsten sind
die jungen halbausgewachsenen, dagegen bedeutend seltener die alten
geschlechtsreifen Tiere. Überhaupt habe recht selten die Copula
dieser Frösche beobachten können. 1921 habe blos einige Paare in
Copula angetroffen, zum erstenmal am 12. IV., also genau ein Monat
nach der ersten Copula der vorigen Art — 14. III. Ins Wasser gehen
sie ebenfalls, wie es mir scheint, ungefähr einen Monat später als die
Grasfrösche: 192] gingen die ersten Grasfrösche ins Wasser am 13. III.
und die ersten Moorfrösche erst am 4. IV. Im Jahre 1922 habe auch
nur einige 10—20 Paare in Copula angetroffen, jedoch eine Menge &
sowie Q frei im Wasser beobachtet, allerdings waren es alles junge,
nicht ganz ausgewachsene Tiere. Im Spätsommer und Herbst habe
jedoch junge Moorfrösche recht häufig angetroffen und hauptsächlich
an der Diedrichshäger Chaussee sowie in den Anlagen (Waldpark)
11. Heft
240 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
der Stadt. Laich dagegen ziemlich selten gefunden und zwar in allen
Teichen, jedoch am häufigsten noch im Teiche No. 5, obgleich auch
dort wenig.
4. Pelobates fuscus (Laur). Knoblauchskröte.
Dieser Lurch scheint recht selten zu sein, ausgewachsene Kröten
habe ich nie angetroffen, dagegen fand ich Mitte August 1922 und im
Sommer 1921 im Teich No.4 eine ganze Menge Kaulquappen, —
das ganze Wasser wimmelte geradezu von diesen Tierchen. Am
30. August 1922 fing ich die ersten drei entwickelten, schwanzlosen
Kröten im Grase am Ufer des Teiche. Am selben Tage fing ich noch
eine große Anzahl Kaulquappen und zwar in fast allen Entwicklungs-
stadien sowie in sehr verschiedenen Größen: ganz fußlose von 7,5cm
Körperlänge; mit winzigen, mm langen Hinterbeinen, =8cm;
mit gut entwickelten Hinterbeinen = 9,7cm; mit kleinen Vorder-
füßen und typischem Kaulquappenkopfe = 8cm; mit gut entwickelten
Vorder- und Hinterbeinen, eigentlich Kröten mit großem, 3 cm langem,
Schwanze, von 5,8cm Gesamtlänge und zuletzt noch, wie im Wasser,
so auch auf dem Lande, richtige kleine Kröten = 2,6—2,8cm mit
einem 3mm langem Stummelschwanze und endlich die 3 ganz
Schwanzlosen 2,5—2,7cm langen Tiere. Als ich am 25. September
zum letztenmale diese Kaulquappen beobachtete, waren schon viele
ganz schwanzlos, die Mehrzahl aber geschwänzt oder noch vollkommen
fußlos. Aus dem Gesagten schließe ich folgendes: 1. daß die Ge-
schwindigkeit der Metamorphose der einzelnen Tiere nicht gleich-
mäßig ist, 2. daß bis zum Eintritt der Kälte nicht alle Kaulquappen
ihre Entwicklung durchmachen können und 3. daß verhältnismäßig
recht viele, welche bis zum Eintritt der Fröste ihre Metamorphosen
nicht beendet haben, umkommen müssen, denn weder im Frühling
1921 noch 1922 habe ich überwinterte Kaulquappen angetroffen.
Im Sommer 1921 habe ich im selben Teiche ebenfalls sehr große
Kaulquappen gesehen, leider damals nicht genauer untersuchen
können. Alles gesagte könnte einigermaßen die verhältnismäßige
Seltenheit dieser Lurche erklären. Außerdem möchte ich noch
auf Folgendes hinweisen: 1. blosim Teich No. 4 habe ich Kaulquappen
der Knoblauchskröte angetroffen, 2. habe im Frühling 1921 u. 1922
im genannten Teiche eine Masse gepaarter Grasfrösche sowie einzelne
Paare der Erdkröte (gemeine Kröte) angetroffen, im Sommer und
Herbst dagegen fast gar keine Kaulquappen der beiden genannten
Arten. Sollten etwa die Kaulköpfe der Knoblauchkröte die der anderen
vernichtet haben oder sollten die Pelobates besser vor Feinden geschützt
sein?
Nach Nikolsky dauert in Rußland die ganze Metamorphose
der Knoblauchkröte 31/,—3!/; Monate, die Tiere laichen von Anlang
bis Ende April, die Kaulquappen sind 10—12cm zuweilen sogar
u cm lang und beenden ihreEntwicklung von Mitte Juli bis Anfang
ugust.
"Nach Udziela dauert in Polen (Galizien) die Metamorphose
31/,—4!/, Monate, laichen im April, Größe der Kaulköpfe 7,7—14,4cm,
Beitrag zur Kenntnis der Fauna Mecklenburgs. 341
Ende der Metamorphose von Ende Juli bis Mitte September, Größe
der kleinen Kröten 2,2 cm. Meine Beobachtungen über die Entwicklung,
Größe usw. der in Warnemünde lebenden Tiere stimmen eher mit den
Angaben Udzielas überein als mit denen Nikolskys, denn erst
Ende August (30. VIII.) sder Anfang September fangen die Kıöten
ihre Metamorphose zu beenden, die alten laichen, meiner Meinung
nach, nicht vor Anfang Mai, vielleicht sogar erst im Mai, und die
Größe der Kaulquappen schwankt zwischen 8—10cm, die der aus-
gebildeten kleinen Kröten ist 2,5—2,7 cm.
5. Bufo vulgaris Laur. Gemeine Kröte.
Gemein und fast so zahlreich wie der Grasfrosch. War mir an den
gepaarten und überhaupt alten Kröten aus Warnemünde in erster
Linie aufgefallen, ist die geringe Körpergröße im Vergleich zu denen
meiner Heimat der Insel Oesel sowie überhaupt des ganzen nördlichen
Baltikums, ich meine das ehemalige Est, Liv- und Kurland.
Die Körpergröße der mitteleuropäischen gemeinen oder Erdkröte
wird von den Autoren folgendermaßen angegeben: Udziela (Kröten
aus Polen) bis 12cm, Schmiedeknecht (Europa) 8—20 cm, die
größten im Süden und Nikolsky (Rußland) 8x6cm bis 12X7 cm,
sogar bis 20cm im Süden. Demnach wäre die normale Länge 8—12
und Breite 6—7 cm. Nach Schmiedeknecht und Nikolsky sollen
die im Süden vorkommenden Tiere am größten sein, allerdings sind
ihre Warzen, besonders auf dem Kopfe und den Vorderbeinen, spitz
kegelförmig oder dornenartig so daß sie von einigen Autoren als
besondere Art aufgefaßt werden, — Bufo spinosus Daud., B. palmarum
Schinz.
Was die Kröten des Baltikums anbetrifft, so sind sie durchweg
sehr groß; geschlechtsreife Weibchen mindestens 15—17cm lang,
oft aber auch bis 18 und darüber, jedenfalls nicht kleiner als die des
Südens, ihre Warzen dagegen immer flach und rund; nie habe ich spitz-
warzige Exemplare angetroffen, obgleich ich sehr viele in den Händen
gehabt hatte. Wegen Mangel an baltischem Material ist es mir heute
nicht möglich, eine genauere Beschreibung der beiden Formen zu geben
sowie einen ausführlichen Vergleich mit denen aus Warnemünde
zu machen um die Identität der Kröten aus den verschiedenen Gegenden
feststellen oder eventuell als besondere Lokalrassen zu beschreiben,
was ich jedoch in kürzester Zeit durchführen möchte. Vorläufig aber
möchte ıch blos, wie schon gesagt, auf die sehr geringe Größe der
Warnemünder Tiere hinweisen. Weibchen: kleinsten 6,2cm lang und
3,8cm breit, größten 6,6x4,4 und am häufigsten vorkommende
6,5x4,4. Männchen: 5,3x2, 6,4X3,6 und häufigsten 54x2,6. Kurz
gesagt schwankt die Körpergröße der Warnemünder zwischen 5,3Xx2
und 6,6x4,4, was im Vergleich zu den mitteleuropäischen 8x6 und
12X7 sehr gering, zu den baltischen geradezu winzig ist.
Was das Laichen dieser Kröten anbetrifft, so habe ich ungefähr
dieselben Beobachtungen gemacht wie beim Grasfrosch. Zur Paarungs-
zeit ist die Erdkröte außer im Teich No. 2, wo sie in großen Mengen
vorkommen, blos noch in No. 4 in einigen Paaren anzutreffen, in den
Archiv fiir Naturgeschichte.
1923. A. 11. 16 11. Heft
9242 W. v. Szeliga-Mierzeyewski:
übrigen habe ich nur ausnahmsweise vereinzelte gesehen, welche
jedoch dort, wie es mir scheint, nicht laichen. Laich in großen Massen
findet sich im Teiche No.2 und in geringer Menge in No.4, in den
übrigen fehlt er gänzlich. Somit beziehen sich alle meine Beobachtungen
über die Paarung und das Laichen immer nur auf den Teich No. 2,
wo die Erdkröten in großer Anzahl vorkommen.
Die Zahl der Q ist entschieden geringer als die der $, denn dreimal
habe ich Männchen der Kröte mit Weibchen des Grasfrosches in
Copula angetroffen, dann wieder zwei $ auf einem $ und einmal sogar
ein Q an dem sich 4 $ angeklammert hatten, — das @ war buchstäblich
von allen Seiten von diesen & beklebt: einer auf dem Rücken, zwei
an den Seiten und einer auf der Unterseite, kurz, das Weibchen konnte
sich nicht im geringsten rühren.
1921: 20. III. die ersten im Wasser.
23. III. erste Copula.
4. IV. viele in Copula, kein Laich.
5. IV. Laich zum erstenmal.
7. IV. viel Laich, blos eine Copula.
12. IV. sehr viel Laich, letzte Copula.
Paarungszeit vom 23. IIIL.—12. IV. = 21 Tage.
Laichzeit 5., 6., 7. IV. =3 Tage.
1922: 12. IV. kalt, zum erstenmal im Wasser.
13. IV. 1 Paar in Copula, Wetter warm.
14. IV. viele in Copula.
17. IV. erster Laich.
19. IV. viel Laich.
20. IV. nur noch 1 Paar in Copula.
Paarungszeit 13.—20. IV. =8 Tage.
Laichzeit 17., 18., 19., 20., =4 Tage. |
Die Paarungszeit dauert 1—3 Wochen, die Laichzeit dagegen
blos 3—4 Tage (vide Grasfrosch). Wie es mir scheint paaren sich die
Erdkröten ungefähr 1 Woche nach den Grasfröschen und laichen
etwa 3 Tage nach den Fröschen. Sobald das Laichen beendet ist,
verlassen die Erdkröten das Wasser und sind dann nur auf dem Lande
anzutreffen.
6. B. variabilis (Pall.). Wechselkröte.
Scheint nicht besonders häufig zu sein, denn blos dreimal habe
ich diese Art in Warnemünde angetroffen: Anfang Oktober 1920
auf der Promenade (Strandweg) in der Nähe der See zwei halbwüchsige
Exemplare und Anfang Juli 1922 in einem Garten unweit der Mühle
' am Abend ein schönes 9. Sonst habe ich die Art nicht angetroffen
und auch keine Kaulquappen gesehen, vielleicht weil die Teiche der
Stadt nicht entsprechend sind. Jedenfalls halte ich die Art für selten
7. B. calamita Laur. Kreuzkröte.
Häufig, jedoch etwas seltener als der Moorfrosch. Diese Art
habeich öfters angetroffen in den Anlagen der Stadt, auf der Promenade,
beim Kirchhof, in vielen Gärten, auf der Chaussee nach Diedrichs-
Beitrag zur Kenntnis der Fauna Mecklenburgs. 243
hagen usw., das Quarren auch regelmäßig gehört, jedoch nie Kaul-
quappen oder gepaarte gefunden, wahrscheinlich laicht diese Art
in den flachen und pflanzenarmen Tümpeln und Gräben auf den
Weiden südlich von Warnemünde, wo ich auch oft das Quarren gehört,
jedenfalls aber nicht in den Teichen der Stadt selbst. Anfang August
1922 fing ich am Tage im Graben der Diedrichshäger Chaussee zwei
schöne Exemplare, welche sehr gewandt sich in den lockeren Boden
eingruben. Überhaupt habe ich diese Kröte oft am Abend aber auch
mitten am Tage angetroffen und zwar am häufigsten noch in der Gegend
des Kirchhofes und bei der Mühle. Zuweilen habe ich die Aıt auch
in Kellern gefunden und meist im Spätherbst oder Winter.
Zusammenfassung.
1. Dem Vorkommen nach würde ich folgendermaßen die Lurche
Warnemündes anführen: Rana temp., Bufo vulg., R. arvalis, B. cala-
mita, Hyla hyla, B. viridis und Pelobates fus«.
2. In den Teichen: No.1: R. temp. viele, R. arv. wenige. No.2:
R. temp., B. vulg., sehr viele, R. arv. wenige. No.3: R. temp. viele,
R arv wenige No 4: R. temp. viele, B. vulg. vereinzelte. . Pelobates
Kaulquappen im Herbst massenhaft. No.5: R. temp. viele, R. arv.
recht wenige.
3. Bei R. temp. beginnt die Paarungszeit normal etwa Ende März
oder Anfang April und dauert 1—3 Wochen, Laichzeit dauert 3—4 Tage.
4. Bei R. arv. beginnt die Paarungszeit etwa 4 Wochen nach
R. temporaria. |
5. Bei Bufo vulg. beginnt die Paarung etwa 1 Woche nach R.
temp., normal wohl Anfang April, Dauer 1—3 Wochen, Laichzeit
Denn ungefähr 3 Tage nach R. temp. und dauert wie bei Rana
3—4 Tage.
6. Die Körpergröße der Bufo vulg. von Warnemündeist sehr gering
& 5,3x2 bis 6,4x3,6 und 9 6,2x3,8 bis 6,6x4,4cm. Schwankt
also zwischen 5,3X2 und 6,6 x4,4cm. Etwa eine Lokalrasse?
7. Die Geschwindigkeit der Metamorphose der einzelnen Pelobates
ist nicht gleichmäßig. Schluß der Metamorphose von Anfang September
bis in den Oktober oder bis zum Froste.
8. Länge der Pelobates Kaulquappen bis 10cm, die der kleinen
Kröten 2,5—2,7 cm. |
Wilna, den 19. Dezember 1922.
16* 11. Heft
Beiträge zur Tiergeographie Polens.
Von
Dr. A. Pongräcz.
(Mit 5 Abbildungen im Text und einer Karte.)
Die faunistischen Verhältnisse von Polen wurden bekanntlich
unlängst-von F. Pax!) beschrieben und auch im allgemeinen durch die
Forschungen mehrerer polnischer Faunisten eingehend behandelt.
Daß ich nun trotzdem die Veröffentlichung folgender Zeilen beschloß,
dazu bewog mich das Resultat meiner während der Kriegsjahre 1916
—1918 in den ziemlich unerforschten Gebieten Polens ausgeführten
Exkursionen, welche mir ganz neue Beiträge zur Kenntnis der Ver-
breitung mancher Arten und zugleich auch biologische Notizen lieferten,
die sich zu einem ansehnlichen Umfange anhäuften.
Die gegenwärtige Fauna von Polen setzt sich, historisch betrachtet,
aus verschiedenen Elementen zusammen, deren Herkunft aus ver-
schiedenen Zeiten datiert. Der Grundstcck der Fauna ist jedenfalls
mitteleuropäischen Ursprungs, obwohl Polen vollkommen im Bereich
des sarmatischen Faunengebietes liegt; diesem gesellen sich
dann teils Relikte aus der Glazialzeit, tell Einwanderer aus den
ostpreußischen Provinzen und aus Sibirien, und endlich eine Anzahl
pontischer Arten, die erst später aus Südrußland vorrückten und
bis in die Sandsteppen des polnischen Flachlandes zu verfolgen sind,
ihre Verbreitung gleichfalls einer Migration verdankend. Dement-
sprechend wird der nördlicheTeil von Polen besonders von ostpreußischen
und sibirischen Einwanderern bevölkert, während in der südlichen
Ebene, außer einigen sibirischen Immigranten, mediterran-
pontische und mitteleuropäische Formen zusammentreffen,
wodurch die genannten Gebiete, besonders die Waldzonen auffallend
an Artenzahl bereichert werden.
Der abweichende faunistische Charakter der einzelnen Gebiete
erfährt weiterhin auch durch das Auftreten einzelner geographischer
Varietäten eine erhebliche Steigerung. Das Eichhörnchen kommt
z.B. in den Waldungen der Lysa Gora und des Gouv. Konsk in der
typischen mitteleuropäischen Form vor, die weiter nördlich, über
Tomaschow, durch mannigfache Übergänge hindurch graduell zur
1) Die Tierwelt Polens. Sonderabdruck aus: Handbuch von Polen, 1917.
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 245
gräulichen und bräunlichen ostpreußischen Form, Sciurus varvius
hinleitet. Auch die Arthropodenwelt erbringt interessante Beweise
für die Bildung geographischer Varietäten. So ist z. B. bekannt, daß
der Flußkrebs Astacus fluvvatilss im westlichen Teile Polens einer
abweichenden grauen Varietät angehört, die den südlichen Gegenden
fehlt. Dasselbe ist auch hinsichtlich der Apus-Arten festzustellen.
Schon vor 30 Jahren hat Fiszer') auf jene Tatsache hingewiesen,
daß die Formen der Gattung Apus in vier Arten einzureihen sind,
die aber wahrscheinlich nur als geographische Formen gelten dürfen.
Auch die Goplana polonicı des Gouv. Warschau ist nicht mit Unrecht
zu einer selbständigen Art erhoben, und von den südlichen Gammarus
pulex abgetrennt worden. Die südlichsten Teile von Polen werden
von der typischen Form der Libelle Calopteryx splendens bewohnt,
dagegen haben die aus den Gouv. Konsk und Plock stammenden
Exemplare breitere und kürzere Flügel mit breiteren Querbinden.
Auch die Köcherfliege Agrypnia pagetana weicht im nördlichen Teile
Polens von der mitteleuropäischen Form ziemlich ab (var. hyperborea)
während sich sämtliche Stücke aus der Lysa Gora als Angehörige
der typischen mitteleuropäischen Form erwiesen. Unter den Am-
phibiean ist noch Rana temporaria zu erwähnen, die an den sandigen
Stellen der polnischen Jura, ferner im Lubliner Hügelland in schön
marmorierten Exemplaren auftritt, die ich weiter nördlich nicht an-
getroffen habe.
Für die historische Erforschung der Fauna sind jedenfalls die
Relikte von größter Bedeutung. Eine eingehendere Untersuchung
der faunissischen Elemente des zur Zeit noch ungenügend erforschten
Fig. 1. Neuronia phalaenoides L., eine Phryganide aus Littauen,
die gegenwärtig in Polen wahrscheinlich erloschen ist.
südpolnischen Flachlandes, scwie der Torfmoore beweist, daß dieses
einstmal vergletscherte Flachland eine Reihe bisher nicht aufgefundener
Glazialrelikten beherbergt. Ein Teil dieser erlosch erst in der Gegen-
1) Przycznek do fauny krajowych skorupiakow liscionoyisch (Phyllopoda).
Spraw. Kom. Fizyogr. Krakow 1893, II. p. 1—7.
11. Heft
246 Dr. A. Pongräcz:
wart, wiez. B. der Bobak (Arctomys bobak), dessen früheres Vorkommen
in Polen unstreitig bewiesen ward. Die zahlreichen, in den Torflagern
aufgefundenen Knochenreste weisen auf eine reichhaltige subfossile
Fauna hin, und wenn sich der interessante Knochenfund vom Jahre
1918 im Gouv. Kielce mit Bos brachyceros identifizieren läßt, so wird
unsere Kenntnis über die Verbreitung des Torfrindes hierdurch um
einen interessanten Fundort bereichert. Der Glazialcharakter der
Tierwelt wird aber besonders durch die Klasse der Insekten ge-
kennzeichnet. Ein Teil derselben ist duıch bereits erloschene Formen
vertreten, während ein anderer Teil im Rahmen einer gewissermaßen
inselförmigen Verbreitung erhalten blieb, eine biologische Erscheinung,
welche die typischen Reliktentiere den aus Sibirien auch gegenwärtig
allmählich vordringenden Einwanderern augenmerklich entgegenstellt.
Diesbezüglich liefert die Ordnung der Netzflügler (Neuroptera) das
reichste und interessanteste Material, dessen Mitglieder vermöge
ihrer minderen Flugfertigkeit nur eine beschränkte Verbreitung
besitzen. So treffen wir die buntgefärbte Neuronia phalaenoides
(s. Figur 1) gegenwärtig nur in Nordsibirien und im Kaukasus, ein
seit langer Zeit in der neuropterologischen Sammlung unseres Museums
aufbewahrtes und leider ziemlich mangelhaft erhaltenes Exemplar
aus Litthauen (aus der Gegend des Juraflusses) deutet jedoch auf eine
einstmalig weitere Verbreitung gegen Ostpreußen zu hin, undrechtfertigt
die diesbezüglichen älteren Angaben Hagen’s.!)
Fig. 2. Neuronia ruficrus Scop.,
eine sulpine Phryganide aus Polen. Vergr.
Ein größerer Teil der sibirischen Neuropteren ist auch gegenwärtig
aufzufinden. Die Trichoptere Agrypnia pieta rückt bis Suwalki vor,
A. pagetana erreicht sogar die Lysa-Gora. Auch Neuronia rufirus
1) Vergl. Beiträge zur Kenntnis der Phryganiden (Verh. zool.-bot. Ges.
Wien 1873, p. 391).
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 247
(vergl. Fig. 2) und die Larven der borealen Anabolia sororcula fand ich
in Waldtümpeln und Wasseradern bei Zagdansk und Svienta Kathar-
zina (Lysa Gora), während Erotesis baltica und die Käfer Dytiscus
lapponicus für die nördliche Hälfte von Polen charakteristisch sind.
Das Erscheinen des skandinavischen Falters Oeneis jutta wurde
schon von Pax festgestellt. Diese Aıt, deren südlichste Veı breitungs-
grenze vermutlich bis Augustow hinabreicht, ist ebenfalls als ein
Glazialrelikt zu betrachten, ebenso wie die Libellen Gomphus pulchellus
(Chodeck) und Aeschna vüidıs (Ciechocinek) welche die Moränenseen
der Alpen bewohnen.
Über das Vorkommen der Klapperheuschrecke (Bryodema tuber-
culata) (Fig.3) in Polen finden wir bisher keine Angaben in der
Litteratur. Ich habe diese Art, die ich an den mit Kicferwäldern
bestandenen Hügeln zwischen Kielce und Diminy und auch bei Konsk
antraf, für einen Eindringling aus dem Osten gehalten, der aus dem
sibirischen Zentrum allmählich des polnischen Flachlandes entlang
nach Westen wanderte. Ihre inselförmige Verbreitung (vergl. geo-
graphische Karte) führte mich jedoch später zu dem Schlusse, daß
Bryodema tuberculata zwar nicht von den neuestens von mir im euro-
päischen Pliozän entdeckte Bryodema abzuleiten ist, wohl abeı als
Überrest° einer, aller Wahrscheinlichkeit nach noch während der
Glazialperiode im polnischen Flachland und zugleich auch in Sibirien
weit verbreiteten Bryodemengruppe gelten dürfte.
Als echtes Glazialrelikt kann endlich eine größere Anzahl von
Mollusken gelten, die aus den Schriften der polnischen Malakologen
schon ziemlich bekannt sind, und demnach einer wiederholten An-
führung nicht bedürfen. Von palaeontologischer Bedeutung ist das
Auftreten gewisser Paludina- und Limnea-Arten, die eine auffallende
Variabilität aufweisen (vergl. forma Dybowski). Es wäre für die
Tiergeographie und Palaeontologie wichtig zu entscheiden, ob die
Paludina vivipara forma 9 Dybowskii von der südrussischen Palu-
dina diluviana abzuleiten ist, und ob auch letztere im Westen die
Bug- und Weichsellinie erreicht, in welchem Falle sie als Mitglied
der polnischen Fauna zu betrachten wäre.
Die vertikale Verbreitung betreffend ist in der polnischen Fauna
fast überall der montane Charakter zu beobachten, der besonders
im Mittelgebirge zum vollen Ausdruck gelangt, aber auch im Flachland
seine unverkennbare Spuren hinterließ.
Von den zahlreichen Insekten, die in den Karpathen nicht unter
6—800 m anzutreffen sind, in Polen jedoch überall auch im Flachland
vorkommen, seien hier nur die wichtigsten, für die Fauna teilweise
neu entdeckten Arten angeführt:
Örthoptera: — pedemontana (Zagdansk,
Podisma pedestre (Zamosce). Zagozdzon).
Odonata: Aeschna juncea (Kielce).
Diplax scotica (Kielce). Cordulegaster bidentatus (Krakau).
11. Heft
248 Dr. A. Pongräez:
Ephemeridae: Chrysopa dorsalis (Kielce, Zag-
Siphlurus lacustris (Busk, Stopnica) dansk) (Fig. 4).
Panorpa alpina(Radom,Skarzysko)
Perloidea:
Leuctra nigra (Svta Katharzina). Hemiptera:
Isopterys tripunctata (Ojcow). Strongylocoris luridus (Zagdansk).
Neuroptera: N ysius jacobei (submontan! Kielce)
Rhyacophıla aurata O;cow). Pinthaeus sanguinipes (submontan!
Inocellia crassicornıs (Kielce). Ojcow).
Hydropsyche nervosa (Ojcow). Salda Müller: (Ojcow).
Fig. 3. Flügel der außerordentlich variierenden Heuschrecke Bryodema tuberculata
(a—g), deren extreme Varietäten sich der ostsibirisehen Bryodema Gebleri nähern.
Coleoptera: — auronitens (Lysa Gora).
Uychrus attenuatus (Ojcow). Pterostychus fossulatus (Ojcow).
Carabus nitens (Lysa Gora, Stop- Carpathophilus Linnei var. polo-
nica). nıcus (Lysa Gora).
— glabratus (Zagdansk). Trechus plicatulus (Ojcow).
— Menetriesi (Zagdansk). Cephennium thoracieum (?).
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 249
Platambus maculatus (submontan! Lepidoptera:
. .Lysa Gora). Hadena adusta (Kielce).
Ligistopterus rubens (Kielce). Endromis versicolora (Kielce).
Oriocephalus polonicus (Kielce). Erebia aethiops (Rabsztyn, Ojeow).
Daseyllus cervinus (Kielce). Parasemia plantaginis (Ojcow).
Rosalia alpina (südliche Abhänge Mamestra cavernosa (Lubliner
der Lysa Gora, Svta Kıyz). Hügelland).
Pachyta 4-maculata (Ojeow). Satyrus Statilinus (an sandigen
Callidium violaceum (Ojeow). Stellen der Kieferwälder bei
Agapantkia cardwi (Lysa Gora). Zagdansk, Kielce, Konsk,
Rhagium indagator (Miechow, Stop- Ojcow; selten).
nica).
Timarcha metallica (submontan! Hymenoptera:
Ojcow, Slovik bei Kielce). Camponotus herculeanus (Zagdansk,
Liparus dirys (Ojcow). Lysa Gora).
Molytes carınarostris (Ojcow). Sapyga clavicornis (submontan!
Apion virens (submontan! Ojcow). Lublin).
Otiorrkynchus fuscipes (Pulawy). Vesparufa (montan, Kielce, Cholm)
Auch die montanen und subalpinen Vertebraten haben
die Gebirgslinie überschritten und das Flachland erreicht. So
begegnen wir die wanderlustige gebirgsbewohnenden Äsche (Thymallus
vulgaris) auch im Lubliner Hügelland und die Groppe (Cottus gobis
var. microstomus) die in Mitteleuropa bis zu einer Höhe von 2200 m
emporsteigt, in den Bächen bei Zagdansk und Suchedniow. Aus der
Reihe der Amphibien hat Rana temporaria eine ungemein weite Ver-
breitung, während ich Salamandra maculosa nur: in Gouv. Zamosce
und den Alpenmolch (Molge alpestris) ausschließlich nur in der Lysa
Gora bei Svta Katharzina in wenigen Exemplaren antraf.
Unverkennbar trägt auch die Vogelwelt das montane Gepräge
ansich. Die in den Karpatben einheimischen Corvus corax, Motacilla
boarula und O'nclus aquat'cus sind in Polen Einwohner des waldigen
Flachlandes. Turdus pilarıs und Fringilla montifringilla nisten fast
überall in den Kieferwäldern der Lysa-Gora und von Konsk, Preus
martius und viridis bevorzugen gleichfalls die Waldungen der Lysa
Gora, während Coracias garrula nur das Lubliner Hügelland bewohnt.
Noch vor einem Jahrzehnt wurden die letzten Stücke des Uhu (.Bubo
masimus) an den felsigen Abhängen des Pradniktales bei Ojcow eılegt.
Ein in dem Gouv. Jedrzejow erlegtes, und im Museum von Kielce
befindliches Exemplar der Aqusla chrysaetos weist auf die Tatsache
hin, daß auch größere Raubvögel ihren ursprünglichen Aufenthalt
im Gebirge mit Waldungen der Ebene vertauschten. Das Eıscheinen
dieser karpathischen Elemente kann nur dadurch erklärt werden,
daß den Zeiten, in denen die Vergletscherung ihren Höhepunkt ın
Polen erreichte, und ein Teil der sibirischen Aıten verdrängt wurde,
aus den Karpathen über das Bergland bei Ojeow und über die Lysa Gora
eine Einwanderung neuerer Bevölkerung folgte. In einer ähnlichen
Weise hat sich bereits Pax, der tüchtige Kenner der polnischen Fauna
11. Heft
250 Dr. A. Pongräez:
geäußert; nichts destoweniger steht diese Äußerung in einem gewissen
Gegensatze zu seiner Schlußbemerkung, wonach das Fehlen montaner
Arten als negatives Merkmal der Fauna zu deuten sei.!)
Zur Zeit der postglazialen Einwanderung setzte sich ein Teil
der Tierwelt auch aus den Provinzen des Schwarzen Meeres in Be-
wegung, wanderte allmählich nach Westen und lieferte die Elemente
der pontischen Fauna. Wie weit die Vorposten derselben nach
ININI_II
Fig. 4. Chrysopa dorsalis Burm.,
eine montane Florfliege der polnischen Ebene, die in
Mitteleuropa unterhalb 5—600 m nicht auftritt.
Polen hineindrangen, ergibt sich aus der Verbreitung der Steppen-
tiere, deren Zahl verhältnismäßig sehr geringist. Unter den Säugetieren
drangen die drei typischen Steppenbewohner, der Hamster (Oricetus
frumentarius), der Perlziesel (Spermophilus guttatus) und der Spalax
bis zu verschiedenen Breitengraden in das Flachland vor. Während
der letzte die Ostgrenze von Polen noch nicht erreicht, wird die Bug-
Linie südlich vom Perlziesel schon überschritten, und die nördliche
Verbreitungsgrenze des Hamsters fällt bereits in die Linie Lodz-
Tomaschow-Kozienice und vielleicht auch darüber. Nach Professor
Pax ist die Streifenmaus (Siessta subtilis) nur auf das Gouv. Plock
beschränkt, ich begegnete diesem interessanten Steppenrelikte jedoch
auch auf dem Lubliner Hügellande im Gouv. Cholm, ein Umstand,
der durch die überaus weite Verbreitung dieser Form in Südrußland
leicht zu erklären ist.
Ein weit ausgedehnteres Verbreitungsareal besitzen die Steppen-
begleiter aus der Reihe der Vögel, von denen die Haubenlerche (Alaud«a
1) Die Tierwelt Polens, p. 220.
Beiträge zur Tiergeographie Polens, 251
cristata) und die große Trappe (Otis tarda) zu erwähnen ist. Erstere
besitzt eine sehr weite Verbreitung, während letztere nordwäıts bis
zum mittleren Laufe der Weichsel und der Bug hinaufzieht, und
somit annähernd denselben nördlichen Breitengrad eır.icht, wie in
Deutschland und in Polen die Wanderheuschrecke (Acridium migra-
torium)!). Diese, von einigen Ornithologen bezeichnete Grenzlinie
scheint aber nicht ganz verläßlich zu sein, nachdem diese Aıt an Zahl
in den letzten Jahren in Polen sehr abnahm und hier nur vereinzelt
erschien (Gouv. Lublin).
Reptilien, die nach Polen wahrscheinlich aus dem Osten ein-
wanderten, weist auch das südpolnische Hügelland auf. Dieses ‚‚unter-
scheidet sich von der Ebene Mittelpolens recht wesentlich duıch das
Auftreten von Tieren, welche die Weichselniederung streng meiden.
Dahin gehören Schlingnatter (Coronella austriaca), Aeskulapschlange
(Coluber longissimus), die Schnecke Limax tenellus, der Käfer Stropho-
somus albolineatus, die Heuschrecke Ephippigera vitium und der
Strudelwurm Plana: va gonocephala“.?) Was die Reptilien anbelangt,
trifft diese Bemerkung von Pax wohl inbezug auf die Aeskulap-
schlange, die im westlichen Polen trotz sorgfältiger Nachforschungen
nicht anzutreffen war, keineswegs aber Coronella austriaca, die in den
Mischwäldern bei Zagdansk keine seltene Erscheinung ist. Dasselbe
bezieht sich auch auf die Kreuzotter (Vipera berus), welche die Weichsel-
linie gleichfalls überschritten hat, und bis 1913 nur aus dem Gouv.
Zamosce bekannt war. Ich begegnete dieser Art nämlich im Gouv.
Olkusz, und halte es nicht als für unmöglich, daß die steinigen Hügel
des westlichen Polen bei Pilica und Wolbrom, zugleich aber auch
die felsigen Gebiete bei Ojcow, die nach Angaben der Einwohnerschaft
durch gıftige Schlangen gefährdet sind, als einzige Zufluchtsorte
dieser Tiere dienen.
Einen montanen Einschlag bedeutet das Auftreten von Lacerta
vivipara auf dem polnischen Flachland, während der im Lubliner
Hügellande vorkommende Pelobates fuscus eher als ein Vertreter der
Tieflandsfauna betrachtet werden dürfte.
Was die Wirbellosen anbelangt, so scheinen die pontischen Arten
eine beschränktere Verbreitung zu haben. Zwar sind die Spinnen:
Lycosa terricola, Sings hamata, Linyphia triangularıs, Misumena
vatıa und Aranea cucurbitina zugleich auch Repräsentanten der
mitteleuropäischen Fauna, des Verbreitungsareals der östlichen
Immigranten Trochosa singoriensis (Fig.5) scheint westlich durch
die Weichsellinie doch völlig abgegrenzt zu sein, so daß wir diese
Art, und ferner auch Trochosa infernalis nur im Lubliner Hügelland,
bei Cholm und südwärts von Zamosce antreffen.°)
!) Diese Art erreicht in Südrußland den 50. Breitegrad.
?®) Vergl. Pax, Die Tierwelt Polens, p. 224.
3) Ob die Malmignatte (Lathrodectes 13-gutiatus) auch in Polen auftritt,
ist zur Zeit nicht einwandsfrei bewiesen.
11. Heft
252 Dr. A. Pongräez:
Von jenen Insekten, welche die Weichsellinie nicht überschritten,
oder sogar nur die Buglinie erreichten, sind die Hymenopteren Scola
haemorrhoidalis (Bilgoraj), Scolia flaviceps? (Bilgoraj), Bombus fragrans
(Cholm), die Käfer @ymnopleurus pallipes (Lubartow), Potosia hun-
garica, Otiorrhynchus Brauneri (Pulawy), Lethrus apterus var. podolvcus
(Bilgoraj), Meloe brevicollis (Zamosce), die Orthopteren Caloptenus
italicus (Lubliner Hügelland), Meconema varıum, Podisma pedestre,
Fig.5. Trochosa singoriensis Laxm.,
eine Charakterspinne des Lubliner Hügellandes.
Chelidura acanthopygia (Zamosce), der Ameisenlöwe Acanthacksıs
oceitanica (Cholmer Plateau), endlich die Steppenbiene Eucera longt-
cornis (Cholm) zu erwähnen. Im Gegensatze zu diesen drangen die
Köfer Hoplia graminscola, Odontaeus armiger, Ceutorrhynchus htura,
Strophosomus albolimeatus, die Falter Colias Myrmidone, die Hemiptere
Phimodera nodicollis und die Wasserjungfer Libella albistyla bis Kielce
und weiter westlich vor.
Bereits aus diesen Beiträgen erhellt zur Genüge, in welch geringer
Zahl die südrussischen Arten die polnische Vorsteppe erreichten,
die Armut der Fauna im Vergleiche zur südrussischen tritt jedoch
noch schärfer zutage, wenn wir die Verbreitung der Orthopteren in
den beiden Faunengebieten verfolgen. Während die Arten Üono-
cephalus mandibularıs, Stenobothrus morio, parallelus, Oedipoda minvata,
Gomphocerus antennatus, Tryxalis nasuta, Arcyptera flavicosta, Epa-
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 253
cromia thalassına, Oedaleus nigrofasciatus in Südrußland überall weit
verbreitet sind, werden sie schon jenseits des Buges vermißt und sind
auch in der Richtung Pinsk-Rowno nur teilweise aufzufinden. Dieses
Ausbleiben der soeben aufgezählten südrussischen Arten in Polen
ist nur dadurch zu erklären, daß während der Präglazialzeit nur ein
Teil der südrussischen Fauna die Vorsteppen von Podolien und
Wolhynien erreichte, wogegen eine größere Schar weiter südwärts
in das rumänische Flachland zog, um von hier aus die balkanischen
Provinzen und auf jenen Wegen, welche sich durch die Flußbette
der Donau und deren Nebenflüssen boten, die ungarische Tiefebere
zu erreichen, wo sie als Steppenrelikte die einzigen Heimatsbedingungen
in Mitteleuropa fanden. Somit wäre das podolische und
wolhynische Hügelland als Vermengungsgebiet der
polnischen Fauna anzusehen. Letztere Annahme wird durch
das Erscheinen von Celes variabilıs und Podisma pedestre bei Pinsk
und Rowno gestützt, während erstere durch den Parallelismus der
südungarischen und südrussischen Orthopterenfauna zum Ausdrucke
gelangt. Die früher angeführten südrussischen, in Polen fehlenden
Orthopteren sind nämlich zugleich auch Bewohner der südungarischen
Ebene (Steppe der Vorzeit), zu denen sich noch die daselbst ein-
heimischen Steppenrelikte Dinarchus dasypus, Onconotus Serviller,
Gampsocleis glabra, Psorodonotus Fieber, Termes lucifugus, verschiedene
Embia- und Myrmecophila-Arten gesellen.
Viel weniger ist für die Begrenzung einzelner Faunengebiete die
Verbreitung der O-lonaten zu verwerten. Diese Tiere verdanken
ihre außerordentlich weite Verbreitung anscheinend ihrem vorzüglichen
Flugvermögen, tatsächlich ist aber das geologische Alter der Fanua
als der Urfaktor zu betrachten. Aus der vergleichenden Statistik
der mitteleuropäischen und russischen Arten geht es ohne weiteres
hervor, daß fast deı */, Teil der europäischen Odonaten auch in Sibirien
einheimisch und nicht nur durch außerordentliches Variationsvermögen,
sondern auch durch weite Verbreitungsgrenzen, wie Archangelsk
und die Mittelmeerküste ausgezeichnet ist. Diesbezüglich ist Aeschna
viridis bemerkenswert, dessen Flugwege fast ganz Europa durchkreuzen.
Es ist also berechtigt, daß das Entwicklungszentrum der Odo-
natenfauna und auch anderer Insektenordnungen, wie
der Orthopteren und Trichopteren in das sibirische
Faunengebiet verlegt werde.!) Aus Sibirien erfolgtenoch während
der Postglazialzeit die Verbreitung der Arten teils nach dem Westen, in
die baltischen Provinzen, teils aber südwestlich, durch das russisch-
polnische Flachland allmählich nach Mitteleuropa. Aus ersteren sind
die in Polen einheimischen baltischen Formen herzuleiten, deren
Zahl jedoch sehr gering ist. Nur ein Teil derselben erreichte südlichere
Gebiete, wie Sphingonotus cyanopterus, den ich nördlich von Kielce
als für die Fauna neu entdeckt habe, ferner Mecostethus grossus, der
die nassen Wiesen der Lysa-Gora bewohnt, Molannodes zelleri aus
1) Vergl. Zacher, Fr., Die .Geradflügier Deutschlands, 1917, p. 20—27.
11. Heft
254 Dr. A, Pongräecz:
Zagdansk, Limnophilus centralis gleichfalls aus Zagdansk und
Dytiscus latissimus westlich von Czenstochau und bei Warschau;
die überwiegende Zahl der Arten, die im Grunde keinem isolierten
Entwicklungszentrum angehören, also schließlich gleichfalls sibirischer
Hei kunft sind, wie Molanna paipata, Erotesis baltica, Platycleis Roeseli,
Tettix Kiefferi u.a. blieb auf das nordpolnische Hügelland beschränkt.
Die Spuren der ostpreußischen Fauna sind besonders
in den Grenzgebieten zu bemerken. Als ostpreußischen Ursprunges
sind wahrscheinlich die Holzlaus Stenopsocus immaculatus (Olkusz,
Kielce, Potok, Zloty) die Falter Argynnis Laodice (Tomaschow),
Synopsia sociaria, Tephroclystia linariata (Tzenstochau), Pamphila
sylvius, Lythria purpuraria ab. sarmatica, Arctia aulica (Czenstochau),
Euchloris pustulata, Lycaena Meleager var. Steeveni Gouv. Petrikau,
die Käfer Rhamnusium bicolor, Hophia subnuda, Geotrupes Typhoeus
(Petrikau), die Köcherfliege Limnophilus ignavus, die Neuroptere
Conwentzia pineticola, die Heuschrecke Psophus stridulus (Gouv.
Petrikau, Kielce) und die Dipteren Hydrophorus balticus und Spilo-
gaster mödlingensis zu betrachten, während der Laufkäfer Carabus
auratus die deutsche Grenze vermutlich nicht überschreitet.
Etliche Elemente der schlesischen Fauna sind im Gouv.
Olkusz aufzufinden, wo .die Falter Zpicnaptera «lieifohia, die Käfer
Polyphyıla fallo und die schädliche Anomalz aenea ihre Heimat finden.
Als Arten sibirischer Heıkunft sind die Goldwespe C%rysis
neglecta (Ugrusk), die Hemiptere Zlasmucha Fieberi, (Ugrusk. Kielce),
die Holzwespe Ophion sibiricum (Cholm) und unter den Vögeln Co-
lymbus arcticus hervorzubeben, (bei Potok Zloty), der aber nur als
Irrgast oder als Strichvogel dem Karmingimpel (Pyrrhula erythrina)
und der Ente Anas acuta gegenübersteht, welch letztere beständige
Mitglieder der polnischen Fauna sind. Aus der Säugetierwelt ist
Vespertilio Nilsson: anzuführen, die sich offenbar aus Rußland ver-
breitend als Wintergast periodisch auch die polnische Ebene betritt.
Ob eine scharfe Unterscheidung der mediterranen und pontischen
Arten berechtigt ist, kann gegenwärtig noch nicht endgültig entschieden
werden, da wir das Entwicklungszentrum der meisten Arten noch nicht
kennen; bemerkenswert ist es aber doch, daß etliche Aıten, wie die
Goldwespen COhrysis sybarita, austriaca, succineta v. bicolor, Holo-
pyga curvata (Kielce, Olkusz). EZllampus bidens und Chrysogona
pumila (Lubartow), die Libelle Crocothemis erythraes (bei Ojcow)
und Diplax meridionahs (bei Kielce), endlich die Käfer Carabus
catenulatus, Clytanthus speciosus, Chlorophanus graminicola, Lydus
syriacus (Bilgoraj), Timarcha coriaria (mediterran!) (Ojeow) eher zur
südeuropäischen Fauna zu rechnen sind. Dasselbe bezieht sich auf
die Mollusken Xerophila obvia und Buliminus detritus, die bis Kielce
und noch darüber hinaufsteigen und wahrscheinlich durch Heu ver-
schleppt wurden.
Die Abhängigkeit der Tierwelt von der Vegetation
macht sich in Polen fast allgemein bemerkbar. Der vorherrschende
Charakter der Nadelholzwälder beeinflußt besonders die Verbreitung
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 255
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14.
Verbreitungsgrenzen einiger Tierarten.
(NB. Das Original dieser Verbreitungskarte wurde mit vier verschiedenen
Farben gezeichnet, die bei der Reproduktion leider nicht zur Geltung gebracht
wurden, ein Umstand, der die Übersichtlichkeit vorliegender Reproduktion nicht
wenig beeinträchtigt. Dies trifft besonders für die südliche Bug-Linie und die
süd-östliche Weichsel-Linie zu, wo die Bezeichnung der politischen Grenze mit
dem Verlaufe der betreffenden Flüsse zusammenfällt.)
1 = Östlichste Verbreitungsgrenze der ostpreußischen Arten.
2 = Nördlichste Verbreitungsgrenze der mediterranen Ausläufer.
— Nördlichste Verbreitungsgrenze der Wanderheuschrecke.
= Fundstellen der Aeschna viridis.
= Fundstellen des Dytiscus latissimus.
= Verbreitungsgrenze von Carabus catenulatus.
7 = Vermutliches Verbreitungsareal der Trochosa singoriensis.
8 = Fundstelle von Sphingonotus cyanopterus.
9 = Fundstelle der Klapperheuschrecke (Bryodema tuberculata).
10 = Nördlichste Verbreitung von Oricetus frumentarius.
11 = Vermutliche Verbreitungslinie von Lacerta viridis.
12 = Verbreitungslinie von Coluber longissimus.
13 = Vermutliche Verbreitungslinie von Vipera berus.
14 = Verbreitungsareal von Bombinator pachypus.
15 = Nördlichste Verbteitungsgrenze der Trappe (Otis tarda).
B)
4
5
6
11. Heft
256 Dr. A. Pongräez:
der Insektenwelt günstig. Die Nadelholz- und Laubwälder der südlichen
Lysa-Gora beherbergen eine interessante Cerambycidenfauna mit den
Waldverderbern Prionus coriarius, Rhagium inquisitor, Leptura rubra,
Acanthocinus reticulatus, Mesosa nebulosa, Monochammus sutor und
Ergatus faber, denen sich anderseits die Myrmeleoniden Myrmeleon
formicarius, Acanthaclsis oceitanica (Cholm, Kovel), die Käfer Melo-
lontha hippocastani, Carabus arvensis (Miechow), Oscindela sylvatica,
die Odonaten Ophiogomphus serpentinus (bei Kielce nicht selten!),
Diplax pedemontana, Agrion lunulatum (nur in Westpolen). Aeschna
grandis (Lubartow, Kielce), die Orthopteren Platycleis grisea (Olkusz,
Kielce), die Neuropteren Chrysopa abbreviata, Glossosoma Boltomi
(Rielce), die Lepidopteren Lycaena Orion (Kielce) und die Hymenopteren
Pezomachus fasciatus (Kielce) und Bombus subterraneus (Kielse) an-
schließen, lauter Formen, deren Erscheinen nur durch die Einschiebung
der Sandhügel in die Waldregion erklärt werden dürfte. Auch die
montane Myrmica rubida und rubra var. ruginodis, die in Mitteleuropa
unterhalb 800—1000 m nicht vorkommen, ferner Leptothoraz acer-
vorum und der seltene Falter Agrotis vestigialis scheinen Bewohner
der südlichsten Kieferwaldregion zu sein, deren Insektenbevölkerung
auch durch die Skorpionsfliege Panorpa cognata (Öjeow), weiterhin
durch die vermutlich auf die karpathische Fauna zurückzuführenden
Lepidopteren Cloantha radiosa, Hesperia serratula, Cochlidion limicodes,
Thyris fenestrella, Larentia tristata, Leucania pallens, Earias clorana,
Scoria lineata, Bapta temerata, Hylophila piasinana, Eucldia mi,
Taeniocampa stabilis, Gnophos furvata (in Eichenwäldern bei Malogose),
Boarmia gemmaria, Selenia lunaria, Erebia lygea, Dichonia aprılina (?),
Cerura bifida, Eubolia arenacervica, Endrosia aurita var. ramosa,
Nemoria pulmentosa, Brephos puella und Mesogona aretosella, endlich
durch die Buprestide Poecilonota rutilans bereichert wird. Dieser
reichhaltigen Cerambyciden- und Lepidopterenfauna gegenüber ist
infolge der beschränkten Verbreitung der Laubwälder
einZurücktreten der Cetoniden u.Lucaniden wahrzunehmen
deren nur wenige Vertreter, namentlich Cetonia marmorata und affinıs
ihren wahrscheinlich einzigen Zufluchtsort in der polnischen Jura
fanden. Demgegenüber erscheint jenseits des Buges Potosia hungarica,
die ebenso, wie Purpuricenus cf. koehleri als südrussische Immigranten
zu betrachten sind. Beide bevorzugen die steppenartige Tertaine
des Cholmer Plateaus, aus dessen sonst einförmiger Tierwelt die farben-
prächtige Calosoma auropunctatum, sycophanta und verschiedene
Goldwespen sich in ziemlichem Gegensatze hervorheben, ein Zeichen,
daß die südrussische Steppenfauna in der polnischen Ebene keine
tiefere Spuren hinterließ. Trotzdem ist ein gewissermaßen
abweichender Charakter der Fauna der Flugsandgebiete
und der Sandsteppen nicht zu leugnen. Dieser Gegensatz
macht sich besonders in dem zwischen Olkusz und Klueze hinziehende
Flugsandgebiete, sowie in den Sandsteppen zwischen a
und bei Cholm bemerkbar. Während ersteres die Laufkäfer Cicindela
hybrida, sylvicola, germanica, die Ameisen Stenamma Westwoodi und
Beiträge zur Tiergeographie Polens. L 257
Solenopsis fugaz, weiterhin den Ohrwurm Zabidura riparia beherbergt,
wird letzteres durch die Flugsandgebiete meidenden Cicindela chrloleuca
(Radom), Liophleus obsequiosus, die Hemiptere Megophthalmus scanicus
und die Heuschrecke Sphingonotus coerulans (Chleiny, Kielce) bewohnt.
Auch die in Polen weit verbreiterte Lößformationen haben ihre
besondere Fauna, dieuns hauptsächlich an den Uferwänden der Weichsel,
ferner an den Lößmauern bei Pulawy entgegentritt. Die hier hausenden
Bienen (Anthophora, Megachyle, Coelioxys, Halyctus, Chalicodoma u. a.)
und Goldwespen sind aus der Fauna schon längst bekannt, bedürfen
somit keiner eingehenden Betrachtung. Auch bei Zycaena corydon und
Zygaena achillewe spielt das physiographische Moment gewisse Rolle,
die nebst Caprimulgus europaeus hauptsächlich die kalkigen Gebiete
bevorzugen. Von größerer tiergeographischen Bedeutung ist das
von mir festgestellte Auftreten der Lacerta muralis an Lößgebieten
bei Busk, deren nördlichste Verbreitungsgrenze sich in Deutschland
nur bis zum Rheingebiet erhebt.
Anpassungen der Tierwelt an die Vegetation sind ferner
in den Begleitern der Heide zu erkennen, dessen weit verbreitete
Charakterpflanze, die Calluna vulgaris als Nahrung der monophagen
Raupen des Falters Pachycnemia hippocastanaria dient. Dieser Art
schließen sich auch andere Lepidopteren an, die teilweise auch das
Heidekraut und Wacholder bevorzugen, wie O’yaniris argiolus, Boarmaa
luridata, consonaria (Kielce), secundaria, cinctaria, weiterhin sogar
die Orthopteren Tettis Kiefferi und Kraussi und endlich der Läufkäfer
Carabus nitens (Busk, Miechow, Stopniza) der im westlichen Flach-
lande von Polen aus bis jetzt noch unbekannten Gründen ebenfalls
an die Verbreitung der Heideformation gebunden ist. |
Auch die in Polen weit verbreitete Torfgebiete gewährten die
Möglichkeit der Entfaltung einer speziellen Fauna, die mit jener
der ostpreußischen Torfmoore, viel gemeinsames an sich hat, und deren
erste Spuren bereits bei Wolbrom bemerkbar sind. Schärfer ausgeprägt
erscheint diese Fauna jedoch nur in den Grenzgebieten, deren einige,
phyletisch ältere Formen, wie Neuronia phalwenordes auf das geologische
hohe Alter der Torfmoore hinweisen. Andere Arten, wie Colas Palaeno,
die südwärts bis Kielce vordringt, weiterhin die Coenonympha oedıpus
und die Crustaceen Alonopsis ambigua, Ceriodaphnia megops, Goplana
polonica (Gammarus?), Alona guttata, Daphne longispina u.a. sind
zugleich Glieder der ostpreußischen Fauna. Auch die Neuroptere
Erotesis baltica und die Libellen Brachytron pratense und Leucorrhinia
dubia finden in moorigen Distrikten ihre Heimat, während aber letztere
in Westfalen als Moorform erscheint, begegnen wir dieselbe in der
Lysa Gora als Glazialrelikt. In den Torfsümpfen Polens ist die rot-
bauchige Unke (Bombinator igneus) weit verbreitet, während ich
Bombinator pachypus, deren Vorkommen bei Krakau bereits von Pax
vermutet wurde, bei Trzebinia vorfand.
Die Süßwasserfauna, sowohl der Stehgewässer als auch der Bäche,
wird infolge des gleichartig verbreiteren Sphagnum uniformisieit.
In den kleineren Bächen treffen wir überall die Larven der Trichopteren-
Archiv tür Naturgeschichte
1923. A. 11. 17 11. Heit
258 Dr. A. Pongräcz:
gattungen Silo, Brachycentrus und Leptocerus, der Dipterengattung
Pericomus, ferner die Fische Cottus gobio var. microstomus (Zagdansk),
Squalius cephalicus, die Gattung Phozinus und Alburnus mento;
aus der Reihe der wasserbewohnenden Säugetiere ist die in den Steh-
gewässern bei Skarzysko und Kielce, wahrscheinlich auch bei Lublin
einheimische Wasserratte (Arvicola amphibius) zu erwähnen, deren
Identicät mit Arvicola terrestris kaum bezweifelt werden kann. Gewisse
Gegensätze in der Fauna der Bergbäche und der Stehgewässer gelangen
besonders in der Verbreitung der Isopoden, Amphipoden, mancher
Insekten und Mollusken zum Vorschein. Während die Gattungen
Ancylus, die Gammariden, die Mücken Clinocera, Liponeura, die
Larven der Neuropteren Philopotamus die Bergbäche und Flüsse
bewohnen, sind für die Tümpel die Gattungen Cloeon, Coryxa, Daphnia
u.a. charakteristisch. In beiden kommen die Larven der Gattung
Mystacides vor. Als für Quellenbewohner sind die Gattungen Nephargus,
Asellus, Bythinellaiund Planaria, ferner auch die Larven der Alpen-
molches (Triton alpestris) zu erkennen.
Diereichhaltige Fischfauna von Polen ist fast vollständig erforscht.
Nur die Aufklärung etlicher Detailfragen die Verbreitung gewisser
Arten betreffend, dürfte noch unsere diesbezüglichen Kenntnisse
bereichern. Ähnlicher Forschungen bedarf z.B. das Sumpfgebiet
des Bug und selbst die Weichsel, deren südlicher Lauf auch für den
Flußaal (Anguilla vulgaris) entsprechende Brutreviere bietet.
Die Erforschung der Höhlenfauna des Pradniktales bei Ojcow
ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Die dort befindliche Fledermaus-
höhle wird auch gegenwärtig von mehreren Arten der Fledermäuse
bewohnt, welche, wie Plecotus auritus, Vesperugo hipposideros und
pipistrellus teilweise auch im Diluvium daselbst einheimisch waren.
Typische Troglobien weist die Höhlenfauna nicht auf,
höchstens troglophile Insekten, darunter die mitteleuropäischen Arten
Sphodrus leucophthalmus, Trechus plicatulus, Scohiopterys libatriz,
Scotosia dubitata und die Trichoptere Micropterna testacea. Dasselbe
bezieht sich auf die Spinnen Meta Menardi, Nesticus fodınarum
und auf die Isopode Porcellio Rathkei (Ojcow).
Die Zahl der allein für Polen charakteristischen Arten ist ver-
hältnismäßig klein, nachdem die Arten Rhyacophila polonica, Crio-
cephalus polonicus, Margarodes polonicus u.a. auch in den Nachbar-
ländern angetroffen wurden. Als endemische Arten dürften eher
Ephippium polonicum, Chrysopa polonica (?) und Chondrula tridens
var. polonica und eine Reihe verschiedener Varietäten angesehen
‘werden, die wahrscheinlich eine weit beschränktere Verbreitung
besitzen als die vorhergehenden.
* *
*
Vorliegende Beiträge verdanken ihr Dasein teils meiner während
den Kriegsjahren 1916—1918 ausgeführten Exkursionen in die bisher
ungenügend erforschten Gebiete der südlichen polnischen Ebene
Beiträge zur Tiergeographie Polens. 259
(Steppenland) bei Olkusz, Radom, Cholm und Ugrusk, in die Wald-
gebiete von Konsk, Zamosce, Potok,-Zloty und der Lysa Gora, und in
das Gebiet der Stehgewässer bei Zagozdzon, Skarzysko, Zagdansk
und Kıelce, teils aber den Erfahrungen und Beobachtungen verschiedener
Fachleute und Naturfreunde, die während der letzten Jahre der
Gestaltung der polnischen Fauna unermüdlich nachforschten und durch
das Resultat ihrer Untersuchungen unsere Kenntnisse gleichfalls
bereicherten. Alle diese Daten dürften zwar nur einen Bruchteil eines
ungeheuren Materials darstellen, dessen weitere Bearbeitung uns
noch bevorsteht, nichtsdestoweniger lieferten sie nicht nur glänzende
Beweise für die Mannigfaltigkeit der Fauna Polens, sondern auch
wichtige Beiträge zur tiergeographischen Stellung derselben einerseits
zu Podolien und Südrußland, und anderseits zu den baltischen Provinzen
und Ostpreußen.
Mögen all diese Erkenntnisse die Zoologen Polens zu weiteren
Spezialforschungen anregen!
Budapest, den 1. Sept. 1921.
Krolls Buchdruckerei, Berlin S 14.
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ARCHIV
FÜR
NATURGESCHICHTE
GEGRÜNDET VON A. F. A. WIEGMANN,
FORTGESETZT VON
W. F. ERICHSON, F. H. TROSCHEL,
E. VON MARTENS, F. HILGENDORF,
W. WELTNER UND E. STRAND
u —
NEUNUNDACHTZIGSTER JAHRGANG
1923
Abteilung A
12. Heft
HERAUSGEGEBEN
VON
EMBRIK STRAND
NICOLAISCHE
VERLAGS-BUCHHANDLUNGR. STRICKER
Berlin
Inhaltsverzeichnis,
+ Viehmeyer. ÜIRAFEERG und Ernährung bei den Ameisen (mit
5 Textfiguren) :
Arndt. Bemerkungen über die Verbreiiang ee Wirbeltiere der
deutschen Fauna
Poche. Ueber einige ang ebie Veen ee in Br ee
Auflage von Dofleins Lehrbuch der Protozoenkunde £
Michael. Ueber den Bau der Geschlechtsapparate und Jie Kopulation \ von
Bombyx mori (mit 26 Textfiguren)
Kröber. Beiträge zur Kenntnis palaearktischer aheniden ci. Teil: Die
Untergattung Therioplectes Zell. nebst Bemerkungen zu den mir be-
kannt gewordenen Bigot’schen Tabaniden-Typen der Kollektionen
Mr. Collin’s in Newmarket)
Schreitmüller. Beiträge zur Fauna Nord- und Nordosiirenkreihe Be
der angrenzenden Gebiete a (mit 28 Va und 9 Karten-
skizzen des Verfassers) . e ;
Laubmann. Ueber die generische "Stellung von Haloyon Te
Fraser .
Seite
190
Polymorphismus und Ernährung
bei den Ameisen.
(Mit 5 Textfiguren.)
Von
7 H. Viehmeyer*), Dresden.
Den gewaltigen Vorsprung, den die Ameisen mit den übrigen so-
zialen Insekten vor den einzellebenden Tieren gewonnen haben, ver-
danken sie der Arbeitsteilung, die ihre morphologische Ausprägung in
dem Polymorphismus gefunden hat. „Unter Polymorphismus versteht
man die Eigentümlichkeit einer Art, in eine Reihe nach Form und Bau
scharf von einander geschiedenen Sorten von Individuen zu zerfallen,
die alle einer besonderen Funktion angepaßt sind und die bei jeder
Generation mehr oder weniger regelmäßig als Kinder der gleichen
Eltern wieder erscheinen.‘ Im Ameisenstaate haben wir en
schiedene Sorten oder Kasten, Männchen, Weibchen und Arbeiterinnen.
Diese drei teilen sich in die zum Fortbestande des Stockes notwendigen
Arbeit‘n derart, dal die ersten beiden, die Geschlechter, die Sorge um
die Fortpflanzung, die Arbeiter alles übrige, wıe Nestbau, Ernährung,
Brutpflege und Verteidigung übernehmen. Der Lebenszweck des Männ-
chens ist mıt der Befruchtung erschöpft. Dem Weibchen fällt die Her-
'vorbringung der Nachkommenschaft und die Koloniegründung zu. Die
Arbeiterinnen sind, phylogenetisch betrachtet, mehr oder weniger sterile
Weibchen, an die die Königin, die Mutter der Kolonie, einen Teil der
ihr ursprünglich zukommenden Pflichten abgegeben hat, und die sich in
diesem Pflichtenkreise selbständig weiterentwickelt haben. Es ist nıcht
angängig, die Angehörigen der neuen Kaste einfach als verkümmerte
Weibchen anzusehen, denn neben die offenbaren Rückbildungen des Ge-
schlechtsapparates, der Flügel und damit auch des Thorax, dann der
Augen treten entsprechend der vielseitigeren Inanspruchnahme die
stärkere Ausbildung des Gehirns und der Erwerb mancher Körpereigen-
tümlichkeiten, die sich unzweifelhaft als Neuerwerbungen dokumentieren.
Die Differenzierung ist aber bei der Aufstellung dieser drei Kasten
nicht stehen geblieben, sondern hat sich innerhalb der einzelnen Gruppen
fortgesetzt, ganz selten im männlichen Geschlechte, häufiger bei den
*) Die Korrektur habe ich gelesen. Strand.
Archiv für EUR
1923. A. 1 1 12. Heft
3 HR. Viehmeyer:
Weibchen und in reichstem Maße bei den Arbeiterinnen. Bei Männchen
und Weibchen zeigt der Vorgang dieselbe Tendenz, nämlich äußer-
iiche Angleichung an die Gestalt der Arbeiterinnen, vor allem unter
Verlust der Flügel. Man kann diese Erscheinung aber nicht einfach als
eine Wiederholung der vor Jahrmillionen erfolgten betrachten, in der
sich die Arbeiterschaft abgespalten hat, denn die Weibchen sollen nicht
etwa zu Arbeiterinnen werden, und bei den Männchen wäre so etwas
ebensowenig zu verstehen. Immerhin handelt es sich um eine durch die
Aufgabe des Hochzeitsfluges bedingte Konvergenz. Der Polymor-
phismus der Arbeiterinnen ist außerordentlich vielgestaltig. Der ur-
sprüngliche Zustand dieser Kaste wird durch eine monomorphe, dem
Weibchen ungefähr gleichgroße Arbeiterschaft dargestellt, wie sie fast
alle Ponerinen haben. Wo es verschieden große Arbeiterinnen gibt,
sind die großen, ihrer Aehnlichkeit mit dem Weibchen halber immer
als die ursprünglichen anzusehen, von denen sich die kleineren
als die phyletisch jüngeren mehr oder weniger entfernt haben.
Die extremen Formen sind entweder durch allmähliche Uebergänge
mit einander verbunden oder scharf dimorph. In letzterem Falle
nennt man die großen Arbeiterinnen Soldaten. Sie sind gewöhn-
lich ganz bestimmten Zwecken, wenn auch durchaus nicht immer
nur der Verteidigung oder der Kriegführung angepaßt. Won diesen
Arten mit dimorpher Arbeiterschaft sind solche abzuleiten, die
bei relativ großen Geschlechtern nur winzige Arbeiterinnen be-
sitzen. Die Soldatenkaste dieser Formen ist ausgestorben. Solche im
Gegensatze zu den Weibchen kleinen Arbeiterinnen können aber noch
eine andere Herkunft haben, sie können ihre primitive Kleinheit bewahrt
haben, während das Weibchen einseitig eine Volumzunahme erfahren
hat. Die klein gebliebenen Männchen der Art oder die kleinen Weib-
chen nahe verwandter Formen sind gewöhnlich die Zeugen für diesen
Vorgang. Phyletisch noch unaufgeklärt ist der Polymorphismus der
Wanderameisen, bei denen Männchen und Weibchen riesig groß und
die wesentlich kleineren Arbeiterinnen meist ganz auffallend polymorph,
alle drei Kasten überhaupt ganz verschieden von einander gebaut sind.
Durch Parasitismus kann die Arbeiterkaste endlich in eine Soldatenform
umgewandelt werden, so daß bei den sogenannten Sklavenhaltern (Poly-
ergus etc.) fremde Ameisen (Formica fusca etc.) die ursprüngliche
Arbeiterschaft ersetzen müssen. Ja, auch dieser letzte Rest der Ar-
beiterinnen kann sekundär wieder aussterben, so dafs die Art nur noch
aus Männchen und Weibchen besteht (Anergates etc.).
Zuletzt müssen wir noch einer anormalen Erscheinung gedenken,
gewisser Zwischenformen zwischen den Weibchen und den Arbeiter-
innen, die bei manchen Ameisenarten auftreten. Das sind die sogenannten
Pseudogynen. Kopf und Gehirn sind bei ihnen wie beim Weib-
chen, also weniger entwickelt als bei der Arbeiterin, der Hinterteil und
der Geschlechtsapparat aber wie beı dieser; der Thorax lehnt sich je
nach dem Anteil, den jede der beiden Kasten an seiner Bildung ge-
nommen, bald mehr an die eine, bald mehr an dıe andere an. Infolge
Polymorphismus und Ernährung bei den Ameisen. 3
dieser eigenartigen Verschmelzung oder Mischung der Charaktere der
'Weibchen- und der Arbeiterinnenkaste sind die Pseudogynen wirkliche
Krüppel, die für keine der beiden Kasten Bedeutung haben. Die bio-
logischen Voraussetzungen ihrer Entstehung, interessieren uns hier nicht,
wir können sie übergehen (Emery 1894).
Es entsteht die Frage, wie dieser das gesamte Ameisengeschlecht
beherrschende Polymorphismus entstanden ist. Wir begeben uns damit in
ein sehr dunkles Gebiet. Schon die Ursachen der Differenzierung von
Männchen und Weibchen sind uns unbekannt. Im allgemeinen ist man
geneigt, die Befruchtung für diese Scheidung haftbar zu machen, indem
man annımmt, daß aus befruchteten Eiern das weibliche, aus unbefruch-
teten das männliche Geschlecht entstehe. Dieser Annahme liegt die viel-
fache Beobachtung zu Grunde, daß aus den gelegentlich von Arbeiter-
innen gelegten, also unbefruchtet gebliebenen Eiern, Männchen hervor-
gehen. Bei den Bienen scheint die genauere Untersuchung dieser Beob-
achtung recht zu geben. Bei den Ameisen darf man sich aber nicht
vorbehaltios auf diesen Standpunkt stellen. Es gibt einige wenige Be-
obachtungen, durch die die Herkunft des weiblichen Geschlechts aus
parthenogenetischen Eiern ziemlich gesichert erscheint. Da: die Ameisen-
weibchen aber ihre Eier nicht wıe die Königinnen der Bienen in ver-
schiedene, nach den Kasten getrennte Zellen legen und negatıv aus-
fallende Experimente mit Arbeiterinnen nicht beweiskräftig sind, so er-
scheinen Kontrollversuche ziemlich aussichtslos, und es bleibt nur übrig,
die Lösung dieser Frage der Zukunft zu überlassen.
Ueber die Ursachen des Polymorphismus des weiblichen Ge-
schlechts, also über den Grund seines Zerfalls in fruchtbare und un-
fruchtbare Weibchen oder Arbeiterinnen und dieser letzteren wieder ın
eigentliche Arbeiterinnen und Soldaten läßt sich schon eher reden.
Emery, der sich ın einer Reihe interessanter Arbeiten mit diesem
Problem eingehend beschäftigt hat, ist der Ansicht, daß dieser Poly-
morphismus alleın durch verschiedene Nahrung zustande komme. Die
Grundlage seiner Hypothese ıst ein Änalogieschluß. Er geht von der
bekannten Tatsache aus, daß die Bienen imstande sind, ım Bedarfsfalle
aus einer zur ÄArbeiterin bestimmten jungen Larve durch Vergrößerung
der Zelle und Darreichung anderer oder reichlicherer Nahrung noch
nachträglich eine Königin zu ziehen. Ferner sieht er als erwiesen an,
daf% die Termiten die Zahlenverhältnisse ihrer Arbeiter und Soldaten
zu regulieren und Soldaten nach Bedürfnis zu züchten vermögen,*) wıe
sie anderseits auch die Geschlechtsreife beschleunigen und Ersatz-
geschlechte- hervorbringen könnten. Die Beeinflussung geschehe bei
Bienen und Termiten offenbar lediglich durch dıe Nahrung, und da der
Polymorphismus aller sozialen Staaten dem Wesen nach gleich sei, so
könne darum jedes weibliche Ei nach der ihm zugeführten Nahrung zu
*) Kürzlich hat aber Bugnion für Eutermes lacustris n. sp. nachgewiesen,
daß die Differenzierung von Arbeitern und Soldaten bereits im Ei geschieht.
(Rev. Suisse Zool. 1912, pp. 487—505, pl. 7 u. 8.)
1* 12. Heft
4 H. Viehmeyer:
einem normalen Geschlechtstier oder zu einer unfruchtbaren Ar-
beiterın werden. Die Differenzierung des weiblichen Geschlechts sei
bei den Ameisen also nicht durch eine verschiedene Keimanlage ge-
geben, sondern beruhe auf somatogenen Einflüssen. Ebenso seien auch
die mannigfaltıgen Formunterschiede zwischen großen und kleinen Ar-
beiterinnen, zwischen Arbeiterinnen und Soldaten ganz allein die Folgen
einer entsprechenden Ernährung der betreffenden Tiere. Zur Er-
klärung der auffallenden morphologischen Verschiedenheiten der weib-
lichen Kasten nımmt er weiter an, daß das Wachstum der einzelnen
Körperteile besonderen Korrelationsgesetzen unterliege; Arbeiterinnen-
nahrung müsse die Kiefer- und Gehirnentwicklung gegen die der Flügel
und der Geschlechtsorgane bevorzugen, Königinnennahrung umgekehrt.
Im Gegensatz hierzu glauben Weismann und Forel, daß nur eine
Abänderung des Keimplasmas die Ursache für die Vielgestaltigkeit des
weiblich-n Geschlechtes bei den Ameisen sein kann. Weismann erinnert
an Zuchtversuche mit „auf Hungerration gesetzten“ Raupen und Schmeiß-
fliegenlarven, in deren Verlauf sich immer gezeigt habe, daß die Tiere
ın allen ihren Teilen wohl kleiner und schwächer ausfielen, aber stets
proportional ‚blieben und kein Teil verkümmere. Der Ausfall eines
typischen Organs, wie z. B. der Flügel oder der Ovarien bei den
Ameisenarbeiterinnen, sei kein ontogenetischer Prozeß, sondern ein phy-
logenetischer, Direlr she Nahrungsunterschiede könne möglicherweise
auch eine Art von Polymorphismus des Staates entstehen, „aber
niemals einc solche auf Anpassung beruhende, scharf funktionelle Schei-
dung der Personen.“
Forel führt außerdem gegen Emerys Ansicht noch eine Reihe mehr
oder weniger schwerwiegender, der Ameisenmorphologie und -biologie
entlehnter Gründe an.
Ursprünglich hatte Weismann den Pseudogynen, jenen krüppel-
haften Mischformen, die wir vorhin schon erwähnten, wenig Beachtung
geschenkt, weil er =. daß sie aus einer pathologisch veränderten
Keimesanlage hervorgingen. Wasmann macht es nun durch die Er-
forschung ihrer biologischen Voraussetzungen wahrscheinlich, daß es
sich bei diesen Tieren um eine ähnliche, aber nur teilweise gelungene
Umzüchtung wie bei den Bienen handle. Den Nachweis für die Rich-
tigkeit dieser Hypothese konnte ich selbst im Jahre 1904 bringen. In
einer meiner Kolonien von Formica sanguinea waren, ohne daf die mut-
maßlichen Erreger darin vorhanden waren, während dreier aufeinander-
folgender Jahre Pseudogynen gezogen worden. Ich trennte im vierten
Jahre die Königin von ihrem Volke und lief sıe von der Arbeiterschaft
einer bisher pseudogynenfreien Raubameisenkolonie aufnehmen. Der
Versuch gelang, und die fremden Arbeiterinnen erzogen die von der
Königin gelegten Eier zu vollkommenen normalen Genossinnen. Die
Pseudogynenzucht hatte gegen alle Erfahrung mit einem Schlage ein
Ende gefunden. Es war also das Ei nicht von Anfang an krankhaft
entartet, und die Mischformen verdankten zweifellos postembryonalen
Einflüssen, im wesentlichen also solchen der Ernährung, ihren Ursprung.
Polymorphismus und Ernährung bei den Ameisen. 5
Daß es sich bei diesem interessanten und wichtigen Resultate nıcht etwa
um einen Zufall handelt, wird durch den gleichen Ausfall eines Kontroll-
versuches bewiesen, den Wasmann anstellte.
Hier haben wır also den gleichen Fall wıe bei.den Bienen. Weis-
mann meint nur, die Bienen zögen eine wirkliche Königin und die
Ameisen eben nur untaugliche Mischformen. Daß die Ameisen das
nur tun, wissen wır aber nicht; die besonderen Umstände des Ameisen-
staates gestatten uns leider nicht den Nachweis der vollendeten Um-
züchtung. Jedenfalls aber verwirft Weismann auch dann noch die Auf-
fassung Emerys, daß der Arbeiterinnenpolymorphismus somatogenen Ur-
sprungs sei. Er setzt im weiblichen Ameisen- und Bienenei zwei Keim-
anlagen, die der Königin und die der Arbeiterin voraus. Diese ver-
schiedenartigen Keime bedingten den Unterschied zwischen den weib-
lichen Kasten und nicht direkt die Larvennahrung. Bei der Pseudo-
gynenzucht kämen eben beide Anlagen, ob gleichzeitig oder nachein-
ander, müsse dahingestellt bleiben, zur Entwicklung.
Um den Unterschied klar hervortreten zu lassen, wollen wir Emerys
Ansicht noch einmal gegenüberstellen. Er meint, Weibchen und Ar-
beiterinnen gingen aus ein und derselben Keimanlage hervor, die nur
durch Unterschiede in der Ernährung verschiedenartig erregt würde.
Welche von beiden Hypothesen die richtige ıst, soll hier nicht ent-
schieden werden; die Frage ist wohl noch nicht spruchreif. Aber ich
möchte zwei bescheidene Beiträge geben, die in dieses Gebiet fallen.
Bei der Gattung Formica besteht im männlichen Geschlecht die
Tenden: der Rückbildung der Mandibelzähne. Mit Ausnahme von F'. san-
guinea besitzen die Mandibeln der Männchen aller Arten einen unge-
zähnten, glatten Kaurand. Je nach dem Alter der Art kommen seltener
oder häufiger Rückschläge auf das früher bezahnte Stadium vor. Bei
F. ruja, der mit trımeicola am weitesten in der Rückbildung fortge-
schrittenn Form beträgt die Zahl der mit Zahnrudimenten versehenen
Individuen noch nicht 20 vom Tausend. Biologisch ıst dieser Vorgang
der Verkümmerung durchaus verständlich; er beschränkt sich nicht bloß
auf die Gattung Formica, sondern ist weit verbreitet und steht in aller-
engster Beziehung zu dem Polymorphismus. Der Kaurand der männ-
lichen Mandibeln stammt aus einer Zeit, in der es'noch keine Arbeiter-
innen gab und in der die Männchen außer der Befruchtung noch aktıven
Anteil am übrigen Leben der Art nahmen. Das ist für die heutigen
Ameisen aber ein längst überwundenes Stadium; die meisten Ameisen-
männchen sind jetzt nicht einmal mehr fähig, selbständig Nahrung zu sich
zu nehmen. F. sanguinea ist also eine sehr alte Art, wenn nicht die
älteste der Gattung; aber auch ihre Männchen zeigen in der Bezahnung
der Mandibeln die Anfänge dieses Rudimentationsprozesses. Normaler-
weise finden sich bei diesen fünf (oder vier?) gut ausgebildete Zähne.
Durch Verschmelzung oder Ausfall kann aber gelegentlich noch eine
weitere Verringerung eintreten. In einer durch Pseudogynenzucht ent-
arteten und dem Aussterben nahen Kolonie fand ich zwei Männchen,
die gleicherweise dreizähnige Mandibeln hatten. Eine größere Zahl
12, Heft
6 H.WViehmeyer:
von Männchen, die bei Kyelang im Himalaya in einer Höhe
von etwa 3000 m gefangen wurde, weist ebenfalls drei Zähne auf.
Bei drei auffallend kleinen, von mir im künstlichen Neste gezogenen
Hungerformen sind schließlich die Zähne bis auf den großen,
3
=
Fig. 1—5. Rechte Mandibel von innen.
Fig. 1—4. Formica sanguinea Latr. J.
Fig. 5. Formica rufa L. 0.
Fig. 1. normal; 2. aus einer durch Pseudogynenzucht degenerierten Kolonie;
3. Kyelang, 3000 m; 4. Hungerform; 5. normal.
stets erhalten bleibenden Endzahn ganz ausgefallen; dabei zeigen
die Mandibeln gegen das Ende noch eine deutliche Verschmälerung,
die durch Abschrägung der inneren Ecke erreicht wird. Damit aber
nähert sıch die Form der Kiefer ganz außerordentlich der von F\. rufa.
Wir sehen hier unverkennbar die einzelnen Phasen der Verkümmerung
Polymorphismus und Ernährung bei den Ameisen. 7
vor uns, die die übrigen Männchen der Gattung mit zahnlosem Kau-
rande bereits durchlaufen haben. Unter vielen Hunderten von Männ-
chen, die ich darauf untersuchte, bin ich aber in der freien Natur
zahnlosen Mandibeln bei F. sanguinea niemals begegnet, überhaupt
sank die Zahl der Zähne nıe unter drei hinab. Diese ungewöhnliche
Beschleunigung des Rudimentationsprozesses ist wohl sicher auf Rech-
nung der Unterernährung zu schieben. Gegen reine Zufälliskeit sprechen
die drei gleichen Fälle. Der große Nahrungsmangel wird durch
die auffallende Kleinheit des Männchens bewiesen. Bezeichnender-
weise lassen sich auch bei den Männchen mit dreizähnigen Mandibeln
Nahrungseinschränkungen annehmen. Die vor dem Aussterben stehende,
degenerierte Kolonie lıtt durch den Arbeiterinnenschwund selbstver-
ständlich an Futtermangel, und ebenso muß man für die Hochgebirgs-
tiere, selbst bei Berücksichtigung der südlichen Lage von Kyelang, auch
allerhand Einschränkungen in der Versorgung voraussetzen. Wir hätten
hier also einen Fall, wo der Nahrungsmangel auf die Bildung der
einzelnen Körperteile ganz verschieden einwirkte.. Der gesamte übrige
Körper dieser Hungerformen zeigte wohl eine ungewöhnliche Kleinheit,
war aber sonst durchaus proportional. Dasselbe mußten wir auch
von den Mandibeln erwarten; einen vollkommenen Ausfall der Zähne
waren wir nach unseren sonstigen Erfahrungen nicht berechtigt anzu-
nehmen. Im übrigen ist es aber wieder sehr verständlich, daß bei
eintretendem Nahrungsmangel der Körper am ehesten bei der Ausbildung
derjenigen Organe Ersparnisse machen kann, die funktionslos geworden
sind.
Ein weiterer Fall, den ich in dieses Gebiet rechne, betrifft eine
Unterart unserer gelben Wiesenameise Lasius flavus myops For.,
deren Arbeiterschaft, mit der Stammart verglichen, eine geringere
Körpergröße hat, ganz oder nahezu ganz monomorph ist und sich
durch außerordentlich winzige Augen, nämlich 15—20 Fazetten gegen
60-80, auszeichnet. Diese Rasse lebt im Gegensatze zu der Art,
die Feuchtigkeit liebt und Wiesen bevorzugt, in trockenem Geröll an
warmen Orten. Ich fand eine Varıetät der Unterart, var, lavo - myops
For., deren Arbeiterinnen einen schwachen Polymorphismus und mittel-
große Augen mit 30—40 Fazetten haben, also einen Uebergang zu
der Art bilden, im Nadelwalde bei Pillnitz (bei Dresden) auf dürrstem
Waldesboden. L. favus lebt rein unterirdisch und nährt sich - fast
ausschließlich durch die Zucht von Wurzelläusen. Es ist ohne weiteres
klar, daß die Unterart in ihrem trockenen und pflanzenarmen Wohn-
gebiete ihren Nahrungsbedarf nur unvollkommen decken kann. Ich habe
sie darunı schon 1915 als eine Hungerform bezeichnet. Auffällig ıst
ja, daß die Größe der Weibchen — die Männchen sind nicht be-
kannt — nicht zurückgegangen ist. Aber das braucht nicht als ein
unbedingter Beweis dafür angesehen zu werden, daß es sich nicht um
Produkte der Unterernährung handeln könne, weil der Nahrungsmangel
gleichermaßen auch die Größe der Geschlechtstiere herabsetzen müsse,
An der Varietät der Unterart konnte ich nämlich beobachten, daß die
12. Heft
8 H. Viehmeyer:
Zahl der hervorgebrachten Geschlechtstiere auffallend gering ist. Die
Hungerwirkung scheint demnach bei den Geschlechtern dieser Art
‚statt in einer Abnahme der Körpergröße zunächst in der Verminderung
der Individuenzahl zum Ausdruck zu kommen. Das entspräche auch
ganz und gar den Erfahrungen, die man über die Aufzucht von
Männchen und Weibchen in den Ameisenkolonien gemacht hat. Sie
geschieht immer nur in solchen Kolonien, die auf einem gewissen
Höhepunkte der Entwicklung und Ernährung stehen. In künstlichen
Nestern werden z. B. nur ganz selten und dann auch nur in einzelnen
Stücken Geschlechtstiere gezogen, da die Versorgung mit Nahrung,
wenigstens mit entsprechender, hinter der in der freien Natur stets
zurückstehen muß.
Rückgang der Körpergröße und damit verbundener Schwund der
Größenunterschiede der Arbeiterinnen als wahrscheinliche Folge von
Nahrungsmangel läßt sich auch bei anderen einheimischen Ameisen
bechachten. Ich fand in der Dippoldiswälder Heide (in der weiteren
Umgebung Dresdens) verschiedene Kolonien von Formica fusca und
Lasius niger, deren Arbeiterinnen bis auf einige wenige größere
Individuen auffallend klein und monomorph waren. Erstere hielt ich
noch aus ziemlicher Nähe für Lasius niger, letztere hätte man der
Größe nach mit Tetramorium verwechseln können. Immer handelte
es sich um ältere und stärkere Kolonien, niemals um solche Jüngeren
Lebensalters. Wenn diese beiden Ämeisenarten auch keine einseitig
Ernährung wie Lasius Aarvıs haben, so ist sie doch ın einem wesentlichen
Teile auf die Zucht von Pflanzenläusen gegründet, zu der in dem
dünnen Stangenholz von ärmlichen Kiefern und auf dem nackten Sand-
boden recht wenig Gelegenheit war. Die wenigen größeren Tiere unter
der gleichförmigen Menge der übrigen erkläre ich mir als die Ueber-
lebenden besserer Jahre.
Auch aus dem unverhältnismäßig starken Rückgang der Augen-
fazetten erwächst der Auffassung der Unterart als Hungerform keine
besondere Schwierigkeit. Ich sehe darin einen ganz analogen Vorgang,
wie wir ıhn bei der Beschleunigung der Rudiımentation der Mandibel-
zähne festgestellt haben. Schon die Entstehung der Arbeiterinnenkaste
der Ameiser, war allgemein mit einer Rückbildung der Augen verknüpft,
Die rein unterirdische Lebensweise unserer Art treibt einer weiteren
Verkümmerung zu. Unsere Diebsameisen, Solenopsis fugax haben
ın der Arbeiterinnenkaste nur noch 9 Fazetten, und die in der Haupt-
sache nächtlich jagenden afrıkanıschen Wander- oder Treiberameisen
sind wie die meisten ihrer Verwandten ganz blind. Wie Formica
sanguinea bezüglich des Verlustes der männlichen Mandibelzähne, so
steht Lasius Aavus mit der Rückbildung der Augen am Anfang der
Entwicklung. Bei eintretendem Nahrungsmangel findet auch hier bei
den nahezu funktionslosen Augen eine unverhältnismäßig größere Er-
sparnis statt, wodurch der Rudimentationsprozeß beschleunigt wird.
Dieselbe Beschleunigung im Rückgange hat endlich auch der Poly-
morphismus der Arbeiterinnen erfahren. Er ıst bei L. flavus ja nicht
Polymorphismus und Ernährung bei den Ameisen. 9
besonders groß, aber man unterscheidet doch deutlich große, mittlere
und kleine Arbeiterinnen mit entsprechenden geringen Formverschieden-
heiten. Die großen Individuen stellen die phyletisch ältesten Formen
dar; die Entwicklung der Körpergröße geht also abwärts. Bei L.
flavıs myops hat sie anscheinend durch den Nahrungsmangel ein
schnelleres Tempo eingeschlagen, das sich wieder an den rückständigsten
Formen am deutlichsten geltend macht.
Man braucht sich den Nahrungsmangel übrigens durchaus nicht
in Form einer plötzlich über den Ameisenstaat hereinbrechenden Hun-
gersnot vorzustellen, es kann auch nur ein Fehlen der geeigneten
Nahrung oder eines augenblicklich zum Aufbau des Körpers benötigten
Nahrvngsmittels sein; jedenfalls scheint mir sehr. wahrscheinlich zu
sein, daß die Ernährung nicht ohne jeden Einfluß auf die Ab-
änderung der Organe ist, wenn ich auch nicht glauben mag, daß
eıne verschiedene Nahrungsmenge oder -art derartige Umbildungen
herverrufen kann. Ich glaube als Ergebnis den Satz aufstellen
zu können: In der Rückbildung begriffene Organe
werden, wenninderÖntogeneseNahrungsmangelein-
tritt, inihrer Rückbildung beschleunigt. -
Dieser Satz bewegt sich den Ansichten WeismannsundEmerys
gegenüber auf einer mittleren Linie. Weismanns monumentales Gesetz:
Der Ausfall eines typischen Organs ist kein ontogenetischer Prozeß,
sondern ein phylogenetischer‘‘ wird damit nicht umgestoßen, aber es
wird gezeigt, daß den Nahrungseinflüssen doch ein gewisser Anteil an
dem schon eingeleiteten Prozeß der Rückbildung zukommt, nämlich
bei Nahrungsmangel die Beschleunigung und als logische Konsequenz
bei Nahrungsüberfluß eine Verzögerung der Rudimentation. Emery
gegenüber wird betont, daß der Ausfall der Flügel, der Fruchtbarkeit
usw. bei den Ameisenarbeiterinnen wahrscheinlich nicht lediglich auf
die Ernährung zurückzuführen ist, sondern daß es sich um phylogene-
tische Vorgänge handelt, die durch Qualität oder Quantität der Nahrung
nur in ihrer Wirkung verstärkt oder geschwächt werden können. Wenn
Weismann in seinen Vorträgen über Deszendenztheorie hervorhebt,
daß er bei seinen Versuchen mit den Maden der Schmeißfliege, die er
unter stärkstmöglicher Einschränkung der Futtermengen aufzog, niemals
Fliegen ohne oder mit rudimentären Flügeln erhalten habe, so ıst das
kein Beweis gegen die Richtigkeit unseres Satzes. Meiner Ansicht
nach ist bei den Fliegen gar kein anderes Resultat zu erwarten, denn
es liegt kein Rückbildungsprozeß vor. Die Flügel der Schmeißfliege
sind ohne Zweifel stabile Organe, die weder in einer abwärts-, noch
in einer Aufwärtsentwicklung stehen. Solche werden aber bekannter-
maßen bei ihrer Ausbildung von der Nahrung nur insoweit berührt, als
ihre Anlage bei Ueberfluß in größeren, bei Mangel in kleineren Aus-
maßen, aber sonst durchaus normal erfolgt und stets proportional den
übrigen Körperdimensionen. Anders liegt die Sache wieder bei den Or-
ganen, die sich in einer Vorwärtsentwicklung befinden. Bei ihnen
wird durch reiche Futtermengen das Tempo der Weiterentwicklung
12. Heft
10 H. Viehmeyer:
. wahrscheinlich beschleunigt, durch Futtermangel aber verlangsamt.
Dieser letzte Satz ıst in gewisser Beziehung nur die Umkehrung des
zuerst von uns gefundenen.
Die erste Schwierigkeit, die sich Emery bei der Aufstellung seiner
Hypothese des Nahrungspolymorphismus der Arbeiterinnenkaste ent-
gegenstellte war die unproportionale Ausbildung gewisser Körperteile.
Bei Arten mit stark polymorpher Arbeiterkaste konnte er ın der
Stufenfolge der Körpergröße zwei „kritische Stellen“ nachweisen, ober-
halb und unterhalb welcher gewisse Körperteile sich unproportional
veränderten. Bei den Arbeiterinnen von Dory’us affinis Shuck..
lag die obere Stelle zwischen 7 und 8 mm, die untere zwischen 2,5 und
2,2 mm. Innerhalb jener Grenzen geht die Größenvariation ohne be-
deutende Veränderungen der Form des Kopfes und anderer Körper-
teile vor sich. Ueber der oberen Grenze wächst der Kopf im: Ver-
hältnıs zur Körperlänge sehr stark und verändert dabei seine Form
(Soldatenbildung); unter der unteren Grenze treten noch bedeutendere
Unterschiede auf: die Pubeszenz wird stärker und reichlicher, der
Clypeus bekommt einen vorragenden Lappen, die Kopfseiten werden
nach vorn konvergent, und die Zahl der Fühlerglieder sinkt von 11
rasch auf 8 und bei einzelnen Arbeiterinnen sogar auf 7 (Pygmäen-
bildung). (1904). Aehnliche Verhältnisse finden sich wohl beı allen
Arten mit extremen, aber durch allmähliche Uebergänge verbundenen
Arbeıterinnen. Besonders schöne Beispiele liefern solche Formen,
deren große Arbeiterinnen durch auffallende Mandibeln ausgezeichnet
sind.
Eine Konvergenzerscheinung zu diesem Mandibelpolymorphismus
haben wir ohne Zweifel bei vielen Männchen der Odontolabini (einer
Unterfamilie der Lucanıdae). Es lassen sich bei vielen dazu gehörigen
Arten drei bis vier stark von einander abweichende Mandibelformen unter-
scheiden, von denen die ursprünglichste, die priodonte, den weiblichen
Oberkıeferr am ähnlichsten und wenig auffallend ıst, während die ex-
tremste Form, die telodonte, eine schöne Geweihbildung zeigt. Die Man-
dibelbilaung geht stets parallel der Körpergröße, immer ıst die telodonte
Form an die größten Individuen der Art, die priodonte; an die kleinsten
gebunden. Es sind aber nicht stets alle Entwicklungs- oder Varıa-
tionsstufen bei jeder Art nebeneinander vorhanden, es können vielmehr
einzelne davon ausfallen. Unser gewöhnlicher Hirschkäfer (Lucanus
cervus), der aber nicht zu den Odontolabini gehört, hat z. B.
rur eine einzige Mandibelform und zwar die telodonte; alle übrigen
sind bereit: geschwunden. Trotz der starken Größenunterschiede der
Art von 25 bis 75 mm bleibt das Geweih stets proportional; die
Mandibelform ist also vollkommen stabil geworden. Ganz ähnlich
ist es bei den Ameisenarten, wo den eigentlichen Arbeiterinnen eine
scharf von ihnen geschiedene Soldatenkaste gegenübersteht. Beide
Kasten sind in sich sehr fest geworden und varııeren gewöhnlich nur
noch nach der Größe.
Emery nimmt, wie wır schon sahen, zur Erklärung aller Ungleich-
Polymorphismus und Ernährung bei den Ameisen. 11
mäßigkeiten, die sich ım Polymorphismus der weiblichen Ameisen zu-
sammenfinden, besondere Wachstumsgesetze an, welche die Größe des
Körpers und seiner Teile, sowie deren Verhältnis zueinander regulieren
sollen. Ein solches Gesetz glaubt er aufgefunden zu haben; er nennt es
das Gesetz des Gegensatzes zwischen Kopf und Hinterleib (1904).
Es will etwa sagen, je größer der Hinterleib einer weiblichen Ameise
bei der Ausbildung der Imago angelegt wird, desto weniger Baustoffe
bleiben für den Kopf und die Mandibeln übrig und umgekehrt. Mein
Satz von der Beschleunigung oder Verzögerung in der Entwicklung
begriffener Organe scheint mir eine weitere Erklärungsmöglichkeit für
die ungleichmäßige Ausbildung gewisser Körperteile zu bringen. Er
betrifft allerdings nur Organe, die sich entweder in einer Aufwärts-
cder Abwärtsentwicklung befinden, aber um diese handelt es sich ja
immer an erster Stelle bei dem Polymorphismus. Die Mehrzahl aller
Organe und Charaktere einer weiblichen Ameise ıst im Fluß, teils auf
dem Wege zu verschwinden, teils einem Höhepunkt der Entwicklung
zustrebend, und nur das Wenigste an ıhr ıst in fester Form .erstarrt.
Auf die festgefügte Erbmasse bezieht sich unser Satz nicht; form-
bildend kann die Nahrung nur auf die flüssigen Charaktere einwirken.
Eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten beim Schwund der typischen
weiblichen Organe und beim Erwerb der eigentlichen Arbeiterinnen-
merkmale werden, wie mir scheint, durch eine Beschleunigung oder
Verzögerung ihrer jeweiligen Entwicklung verständlich, und auch die
meisten Unterschiede zwischen kleinen und großen Arbeiterinnen,
zwischen eigentlichen Arbeiterinnen und Soldaten dürften sich, soweit
sie in einer ungleichmäßigen Ausbildung der Organe bestehen, vielfach
auf dieselbe Weise erklären.
Der Nachweis der Richtigkeit der Hypothese könnte vielleicht
auf dem Wege des Experiments erbracht werden. Man müßte sich aber
nıcht mit Laboratoriumsversuchen begnügen, deren Resultate schon um der
wenig natürlichen Verhältnisse willen, unter denen sie erzielt würden,
oft zweifelhaft bleiben, sondern hinaus in die freie Natur gehen. Forel
hat einmal Formica sanguinea in einer Gegend gefunden, wo die
Art keine Möglichkeit für den Puppenraub hatte und infolgedessen
auch keine Sklaven besaß. Er berichtete auf dem internationalen Ento-
mologenkongreß 1910, daß die Arbeiterinnen der Kolonie anormal klein
waren. Sie hatten also unter einer .kärglichen Ernährung zu leiden,
und das ist ja.auch verständlich, denn es fehlte der Kolonie nicht nur
der gewöhnlich als Beute verzehrte Teil der eingebrachten Puppen,
sondern auch die Verproviantierung durch die aus dem anderen Teil
der Puppen nicht aufgezogenen Hilfsameisen. Diese Kolonie kann man
als ein unfreiwilliges Experiment der Natur ansehen, und sie weist
Wir müssen starke, lebenskräftige Kolonien in Gegenden verpflanzen,
in denen ihr Nahrungserwerb auf die eine oder andere Weise einge-
schränkt ist, also Lasius Aavus in Geröll, oder umgekehrt Hungerformen
wie L. flavus myops zurück ın das Schlaraffenland einer fetten Wiese
12% Heft
12 Walther Arndt:
versetzen und nun sehen, welche Wirkungen dieser Wechsel ihrer
Existenzbedingungen zeitigt. Auf diese Weise werden wir zu exakten
Ergebnissen kommen, die sehr bald unsere Hypothese zur Anerkennung
oder zum Falle bringen können.
Literatur.
Emery, C., 1894, Die Entstehung und Ausbildung des Arbeiterstandes bei
den Ameisen, Biol. Ctrbl. V. 14, p. 53—59. — Derselbe, 1896, Le polymor-
phisme des Fourmis et la castration alimentaire, CR. 3. Congr6s internat. Zool.,
p. 395—410. — Derselbe, 1901, Studie sul polimorfismo e la metamorfosi nel
genere Dorylus, Mem. Accad. Bologna (5) V. 9, p. 415—423, 2 Taf. — Der-
selbe, 1904, Zur Kenntnis des Polymorphismus der Ameisen, Zool. Jahrb.,
Suppl. VII, p. 587—610. — Forel, A., 1894, Verh. Deutsch. Naturforscher-Vers.
1894, Abt. f. Entomologie, p. 141—147. — Derselbe, 1904, Ueber Polymor-
phismus und Variation bei den Ameisen, Zool. Jahrb., Suppl. VII, p. 571—586.
Viehmeyer, H., 1904, Experimente zu Wasmanns Lomechusa-Pseudogynen-
Theorie, Allg. Zeitschr. f. Entom., Neudamm, p. 334—344. — Derselbe, 1915,
Zur sächsischen Ameisenfauna, Abh. naturw. Ges. Isis, Dresden, Il, p. 62. —
— Wasmann, E.. 1895, Die ergatogynen Formen bei den Ameisen und ihre
Erklärung, Biol. Ctrbl. V. 15, p. 606—646. — Weismann, A., 1894, Aeußere
Einflüsse als Entwicklungsreize, Jena. — Derselbe, 1902, Vorträge über
Deszendenztheorie, II, p. 101#f.
Bemerkungen über die Verbreitung nie-
derer Wirbeltiere der deutschen Fauna.
Von Dr. Walther Arndt, Berlin.
I. Aussetzung und Einbürgerung fremder Nutziischarten im
Bobersystem.
Ungleich dem landbewohnenden und marınen Anteil unserer hei-
mischen Tierwelt zeigt die Fischfauna der deutschen Binnengewässer
hinsichtlich ihres Artbestandes unter den geologischen und klimatischen
Verhältnissen der Gegenwart ein ungemein konservatives Gepräge. Wäh-
rend sich in der Zusammensetzung unserer Küstenfauna, unserer In-
sektenwelt, unserer Ornis, ja selbst unseres heimischen Säugetier-
bestandes vor unseren Augen eine stete Umwandlung vollzieht, neue
Arten auftauchen, andere verschwinden, die neueingewanderten sich
zum Teil zu Lokalformen umbilden, ıst für unsere Fischfauna von einer
Bereicherung durch Zuwanderung seit jener Zeit, als unsere Gewässer
nach dem Abschmelzen des Gletscherpanzers der letzten Eiszeit ihre
heutige Gestalt annahmen, nıchts sicheres bekannt geworden. Bedenkt
man die äußerst geringe Eignung unserer Fische zu passiver Aus-
Bemerk. über die Verbreitung niederer Wirbeltiere der deutschen Fauna. 13
breitung mit den für eine Verschleppung in Frage kommenden Mitteln
und weiterhin die Abgeschlossenheit der deutschen Stromsysteme, die
erst in neuer Zeit durch den Bau von Kanälen eine gewisse Durch-
brechung erfuhr, so wird dies verständlich erscheinen.
Eine Aenderung der ursprünglichen Verhältnisse vollzog sich, als
zu stärkerer Ausnutzung der deutschen Gewässer ım letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts erstmalig fremdländische Fischarten in un-
seren Wasserläufen ausgesetzt wurden. — Wie bei allen Versuchen,
fremde Tierarten einzubürgern, war es damals zunächst durchaus nicht
zu übersehen, in welcher Weise sich die Fremdlinge in die neuen
Verhältnisse einfügen, insbesondere, wie sie sich mit ihren bodenständigen
Verwandten abfinden würden. Nachdem sich die anfängliche Be-
geisterung für die Einbürgerung der Ausländer etwas gelegt hatte,
wurden Stimmen laut, die auf die Gefährdung unseres Bestandes
an einheimischen Edelfischen durch die zum mindesten in vielen Fällen
als Nahrungskonkurrenten auftretenden Fremdlinge hinwiesen. Der Ab-
schätzung eben dieser Rolle, die das fremde Element in unserer
heimischen Fischfauna nach einer nun bereits mehrere Jahrzehnte um-
fassenden Einbürgerungsfrist spielt, diene die folgende, auf ein um-
schriebenes Gebiet, den Bober und seine Nebenflüsse, bezügliche
Mitteilung.
Als bedeutendster der schlesischen Oder-Nebenflüsse und als Ge-
wässer mit einer ausgedehnten Salmonidenregion — sein Oberlaufgebiet
umfaßt mehr als ein Drittel der gesamten, 268 km betragenden Lauf-
länge — ist der Bober frühzeitig nicht allein von privater Seite,
sondern auch unter Mitwirkung des Schlesischen Fischereivereins mit
Brut der ın Frage kommenden Fremdfische besetzt worden, die ja
größtenteils zur Lachsfamilie gehören. Mehrere, an Boberzuflüssen
gelegene Salmonidenzuchtanstalten, wie die zur Schaffgotsch-
schen Fischereiverwaltung in Giersdorf (Kreis Hirschberg) gehörige,
die Müllersche in Tschischdorf (Kreis Löwenberg) und die
Martinsche in Grüssau (Kreis Landeshut), haben ihrerseits
viele Jahre hindurch an den Einbürgerungsbestrebungen _teilge-
nommen. Einen besonderen Anlaß zur Aussetzung fremder Fisch-
brut gab die Errichtung der beiden großen Staubecken des Bober-
systems, der Bobertalsperre bei Mauer und der Queistalsperre bei
Marklıssa.
Ausgesetzt wurden ım Bobergebiet in erster Linie der ameri-
kanısche Bachsaibling Salvelinus fontinalis Mitch. und die
amerikanische Regenbogenforelle Trutta iridea (W.
Gibb.), von welchen beiden Fischarten durch den Schlesischen Fischerei-
verein allein von 1902—1911 gegen 20000 bezw. 5000 Stück im
Bober und seinen Nebenflüssen freigelassen wurden. In geringerem
Umfange gelangten Setzlinge und Brut des nordamerikanischen F o-
rellenbarsches Micropterus salmoides (Lac.) hier zur Aus-
setzung, z. B. im Ziederbach! bei Grüssau. Von Versuchen, den gleich-
- falls aus Nordamerika stammenden Schwarzbarschh Mieropterus
12. Heft
14 Walther Arndt:
dolomieu (Lac.) und den amerikanischen Katzenwels Ameiurus
nebulosus (Lsr.), der ın Schlesien mancherorts, z. B. in der Glatzer
Neiße, regelmäßig zur Fortpflanzung schreitet, im Bobergebiet ein-
zuführen, ist mir nichts bekannt geworden.
Nun zu dem Ergebnis dieser Einbürgerungsversuche, wie es sich
gegenwärtig stellt: Gänzlich erfolglos hat sich die Aussetzung der
Forellenbarschsetzlinge im Bobergebiet erwiesen. Die Einbürgerung
der Regenbogenforelle ıst als gelungen zu bezeichnen, ın erster Linie
für den starkgefälligen Vorfluter des westlichen Riesen- und östlichen
Isergebirges, den Zacken und seine rechten Zuflüsse, das Schneegruben-
und besonders das Heide- und Giersdorfer Wasser, sodann für die
Lomnitz, die das Riesengebirge östlich vom Lahnberg nach Norden
entwässert. In geringerer Zahl wird die Regenbogenforelle heute ın
Bächen gefunden, die dem Bober bei Löwenberg zuströmen, sowie
im Mittellauf der Sprotte, im Bereich der Primkenauer Fischzucht-
anstal. Auch der Queisoberlauf beherbergt oberhalb der Marklissaer
Talsperre vereinzelt Regenbogentorellen. Nicht gelungen trotz zahl-
reicher Ansiedlungsversuche ist die Einbürgerung dieses Fisches in
dem bei Landeshut in den obersten Boberabschnitt mündenden Zieder-
bach, sowie ım Kemnitzbach, der den Kemnitzkamm entwässert. -
Auch ın den dem Hügelland und der Ebene angehörenden Strecken
von Queis und Bober und in dessen unterhalb Sagans mündendem linken
Nebenfluß Tschirne, der die Abflüsse der zahlreichen Karpfenteiche
der Niederlausitz aufnimmt, ist, wie es scheint, gegenwärtig von der
Regenbogenforelle nichts mehr zu spüren. Wenn von anderen Fluß-
gebieten berichtet wird, daß sich der amerikanische Fremdling dort
wesentlich in der Barbenregion angesiedelt hat, so kann dies für den
Bober und seine Nebenflüsse nicht bestätigt werden. Die Einbürgerung
der Regenbogenforelle beschränkt sich hier im wesentlichen auf den
unteren Teil der Forellenregion und den angrenzenden Abschnitt der
Aeschenregion. Versuche, das, wie bekannt, durchaus nıcht streng an
strömendes und kaltes Wasser gebundene Tier in Teichen zu züchten,
die mit dem Queis ın Verbindung stehen, verliefen insofern erfolglos,
als die ausgewachsenen Exemplare nach 2—3 Jahren regelmäßig ab-
wanderten. Grade die oft beklagte geringe Bodenständigkeit der Regen-
bogenforelle ist es eben, die auf gewissen Strecken des Bobergebiets
alle Aussetzungsversuche scheitern ließ. Was den Bachsaibling be-
trıfft, so kann auch er heute an einigen Stellen des Boberbeckens
als ständiger Bestandteil der Forellenregion bezeichnet werden: So
nach Mitteilung der Schaffgotschschen Fischereiverwaltung
zu Giersdorf in dem bereits genannten Schneegruben- und Giersdorfer
Wasser, sowie im Queis oberhalb der Marklissaer Talsperre. Weiter
boberwärts wird der Saibling hin und wieder einmal in den Neben-
bächen des Ziederbaches gefangen. Im Langenauer Bach oberhalb
Löwenbergs, in dem schon in den achtziger Jahren mit dem Saibling
erfolgreiche Aussetzungsversuche vorgenommen wurden, ist es angeblich
zu Kreuzungen des Amerikaners und der Bachforelle gekommen, eine .
Bemerk. über die Verbreitung niederer Wirbeltiere der deutschen Fauna. 15
Erscheinung, die wegen der Unfruchtbarkeit der aus dieser Bastardierung
hervorgehenden Tiere den Fischereiinhabern recht unerwünscht ist.
Wenn wir somit wenigstens zwei der amerikanischen Fremdlinge
im Bobergebiet Bürgerrecht einzuräumen haben, so erscheint es hier
ım ganzen doch recht zweifelhaft, ob sich die beiden Fischarten dem
‘Wettbewerb mit den einheimischen Fischen auf die Dauer gewachsen
zeigen würden, wenn sie nıcht ständig durch Neuaussetzungen Nach-
schub erführen. Zu einer merklichen Verdrängung der
bodenständigen Fischarten istesinkeinem der heute
von Regenbogenforelle und Bachsaibling bewohnten
‚ Revieredes Bobergebietsgekommen.*) Der Rückgang des
Bachforellen- und Aeschenbestandes in einigen Gebieten des oberen
Bobers- und Queistals, in denen Saiblinge und Regenbogenforelle aus-
gesetzt wurden, ist lediglich der Verunreinigung der dortigen Wasser-
läufe durch Industrieabwässer, insbesondere solche von Zellulosefabriken,
zur Last zu legen.
Im Anschluß an die Einbürgerungsunternehmungen, ‘die im Bereich
des Bobers mit ausländischen Fischen angestellt wurden, sei hier noch
der Ausgang der Versuche mitgeteilt, die eine Hebung der Bober-
fischerei durch Einführung von in andern deutschen Gewässern hei-
mischen, dem Bober aber fremden Fischarten bezweckten. Unter den
Besatzfischen, mit denen die Provinzialstrombauverwaltung die Mark-
lıssaer Talsperre im Jahre 1910 besiedelte, finden wir auch die
Madümaräne Coregonus maraena (Bl.), und zwar in ihrer, ım
Peipussee beheimateten Form. Die Einbürgerung dieses wertvollen
Speisefisches ist jedoch nach Mitteilung ‘der Talsperrenverwaltung nicht
gelungen, obgleich sie 1912 und 1914 vom Schlesischen Fischerei-
verein mit jeweils 600—800 Setzlingen wiederholt wurde. Dasselbe
gilt für den seinerzeit hier gleichfalls ausgesetzten Zander, der
freilich im untersten, etwa 20 km langen Boberabschnitt als Standfisch
seit alters her bekannt ıst. Zu vereinzelten Erfolgen führten die Ein-
bürgerungsversuche mit der Meerforelle oder Lachsforelle
Trutta trutta L. Die 1000 jungen Exemplare dieser Fischart, die
1910 ım Marklissaer Stauweiher freigelassen wurden, schienen zwar
ın den nächsten Jahren spurlos verschwunden, seit 1914 konnten aber
alljährlich oberhalb der Talsperre in einiger Entfernung von der Aus-
setzungsstelle Lachsforellen beim Laichgeschäft beobachtet werden.
Auch in der Lomnitz sowie ın einigen Bächen der Löwenberger
Boberstrecke sollen regelmäßig L.achsforellen vorkommen. Im
letzteren Gebiet ist vor einer Reihe von Jahren auf Veranlassung des
Schlesischen Fischereivereins auch Lachsbrut ausgesetzt worden,
*) Zu dem gleichen Urteil bezüglich der Regenbogenforelle gelangte
neuerdings Regensburger für die bayerischen Gewässer, die heute auf
einer Gesamtstrecke von 100—1500 km diese Fischart dauernd beherbergen
(A. Regensburger: Die Verbreitung der Regenbogenforelle in den bay-
rischen Fischgewässern. Allg. Fischztg. 1922 p. 118—119).
12 Heft.
16 Walther Arndt:
eine Maßnahme, die 1910 ım Marklissaer Staubecken wiederholt
wurde. Bei der großen Zahl von Wehren und anderen den Bober
und Queis absperrenden Hindernissen war hierbei allerdings wohl kaum
der Gedanke maßgebend, daß die geschlechtsreifen Lachse zum
Laichen an dıe Stätten ihrer Jugend zurückkehren würden. Im Uhnter-
lauf des Bobers bis Christianstadt, also auf einer 40 km langen Strecke,
sind zur Wanderzeit dieses Fisches von jeher Lachse gefangen worden.
II. Die Amphibien- und Reptilienfauna des oberen Bobertals.
Als oberes Bobertal sei hier dasjenige Gebiet bezeichnet, das zu
der oberhalb der Sattlerschlucht gelegenen Boberstrecke abwässert. .
Mit dem Durchströmen dieses tiefeingenagten Engpasses verläßt der
Bober 20 km unterhalb Hirschbergs den Gneiß der Sudeten und tritt
ın das mehr hügeligen Charakter tragende niederschlesische Schiefer-
gebiet ein, um 50 km weiter unten völlig zum Flachlandsgewässer zu
werden. Während die eigentliche Boberquelle — am Osthang des
Kolbenkamms unweit der Liebauer Sudetensenke — nur 780 m hoch
liegt, entspringt die vom Hauptkamm des Riesengebirges her kommende
Lomnitz und der Zacken ın 1420 bzw. 1120 m Höhe. Der tiefste
Punkt des oberen Boberbeckens ıst mit der Stelle des Austritts des
Bobers aus der Sattlerschlucht gegeben.
Es entspricht der Höhenlage des Gebiets, daß die für das Kuna
liche Riesengebirge bezeichnenden Reptilien- und Amphibienarten hier
ganz allgemein verbreitet sin.. Bergmolch, Waldeidechse
und Kreuzotter werden ım oberen Bobertal bis auf den Riesen-
gebirgskamm hinauf nirgends vermißt. Als Maßstab für die Häufig-
keit von Vipera berus in „dieser Gegend weist Dürigen*) auf
die Tatsache hin, daß auf dem Landratsamt zu Landeshut 1891 von
Frühlingsanfang bis Ende Mai 600 Kreuzottern zur Empfangnahme
der Tötungsprämie abgeliefert wurden. Für die Beurteilung der Wir-
kung der durch das Prämiensystem bedingten starken Verfolgung des
gefürchteten Reptils auf dessen Bestand ıst es von Interesse, dieser
Angabe die Fangziffern der letzten Jahre gegenüberzustellen, die ich
ın Tabelle auf S. 17 nach den Abrechnungen des Landeshuter Land-
ratsamts für die Zeit vom 1. April 1911 bis 31. März 1922 wiedergebe.
Die bedeutende Strecke des Jahres 1912: 1098 Tiere läßt es
zum mindesten zweifelhaft erscheinen, ob die sich als Jahresdurchschnitt
für die Umgebung von Landeshut ergebende Tötung von etwa 300
Kreuzottern hier einen merklichen beständigen Rückgang der Öttern-
‘ häufigkeit zur Folge gehabt hat. Das ungewöhnlich geringe Fang-
ergebnis für den Zeitraum vom 1. April 1921 bis zum 31. März 1922
erklärt sich zweifellos aus der starken Markentwertung dieses Jahres
ım Zusammenhang mit dem Umstand, daß die Höhe der behördlichen
Tötungsprämie vor der Vorkriegszeit (die gleiche geblieben ist: 50 Papier-
Pfg. für ein über 50 cm langes Exemplar, 10 Papier-Pfg. für ein
*), W.Dürigen: Deutschlands Amphibien und Reptilien, Magdeburg. 1697.
Bemerk. über die Verbreitung niederer Wirbelticre dcr deufschen Fauna. 17
Abgelieferte Kreuzottern
Jahr j Exemplare Exemplare
Insgesamt über 50 cm unter 50 cm
Länge Länge
1911 310 310 =
1912 1098 938 160
1913 253 231 22
1914 286 132 147
1915 538 507 al
1916 131 9 122
1917 49 41 8
1918 276 224 52
1919 66 66 _
1920 106 106 —
1921 24 23 1
3137
kleineres Stück. Auffallend sind die starken Schwankungen in den
einzelnen Jahren.!)
Da die Tötung und Einlieferung der Ottern im wesentlichen all-
jährlich durch dieselben Personen erfolgt, liegt nahe, anzunehmen,
daß den in der Tabelle zum. Ausdruck kommenden Schwankungen
solche der jeweiligen Bestandziffer entsprechen. Auf das wechselnde
Verhalten der Häufigkeit von Vipera berus in einer und derselben
Gegend ist des öfteren, so unlängst von Zimmermann?) aufmerk-
sam gemacht worden. Für allmählich verlaufende derartige Schwan-
kungen zieht Zimmermann als Ursache umfangreichere Boden-
veränderungen durch Kulturarbeiten in Betracht. Schwankungen dieser
Art gegenüber dürften dıe obigen eher auf wechselnde Nahrungs- und
damit vielleicht auf die Witterungsverhältnisse zurückzuführen sein,
An Individuenzahl den für das Gebirge und andrerseits die moorigen
Landschaften des Tieflands charakteristischen Formen noch überlegen
sind ım oberen Bobertal Blindschleiche, Grasfrosch,
Graue Kröte und Streifenmolch, die Allerweltsbürger unter
den deutschen Kriechtieren und Lurchen, die das schlesische Grenz-
gebirge bis in den Knieholzgürtel hinauf bewohnen. Von der Blind-
schleiche habe ich in unserem Gebiet außer der Stammform auch
die von Jeitteles als var. coeruleo-maculata (s. Düriıgen
l. c. p. 223) bezeichnete Form = var. incerta Kryn. beobachtet.
Zahlreiche, über den braunen Rücken unregelmäßig verstreute,
kornblumenblaue Flecke von Stecknadelkopfgröße lassen diese
Form unschwer erkennen. Wenn Tschudi und Jeitteles
die Blaufleckigkeit als eine pathologische Erscheinung — entstanden
durch Verletzung des Schuppenkleides beim Durchschlüpfen enger
') 1922 wurde die Prämie auf 1 Papiermark erhöht. Abgeliefert wurden
vom 1. 4. 1922 bis 31. 3. 1923 114 große und 177 kleinere Kreuzottern.
®) R. Zimmermann: Kreuzotter und glatte Natter in Sachsen. Bl. f.
Aqu. u. Terr.-Kd. v. 32, 1921.
Archiv für Naturgeschichte. >
1923. A. 12, 2 12. Heft
18 Walther Arndt:
Löcher und Ritzen — deuten zu müssen glaubten, so kann ich aus eigener
Erfahrung die Richtigkeit der Auffassung Schreibers und anderer
Herpetologen bestätigen, die wenigstens für einen Teil der Fälle ın der
abweichenden Färbung ein ım Rahmen des Physiologischen bleibendes
Abändern der Zeichnung sehen. Blaufleckige Exemplare, die ich ın
den Fichtenwäldern der Umgebung Landeshuts fing und einige Zeit
in Terrarien beobachtete, zeigten, wie dies schon Geisenheyner
festgestellt hat, unmittelbar nach der Häutung eine besonders leuch-
tende Buntfärbung. In Deutschland ist nach Dürigen die var.
incerta bisher im Münsterland, sowie bei Kreuznach und Frankfurt
am Main beobachtet, weiterhin von Tirol, Oberungarn und Südrußland
bekannt geworden. Daß es sich bei der Blaufleckigkeit um ein kon-
stantes, regelmäßig vererbtes Merkmal handelt, ıst freilich, soweit ich
sehe, bislang noch nicht erwiesen.')
Einen weiteren Bestandteil der Kriechtier- und Lurchfauna un-
seres Gebiets finden wir unter jenen Tierarten, die das Maximum
ihrer Häufigkeit im Hügelland und in den niederen Vorbergen er-
reichen, größeren Höhen aber fehlen. Als charakteristischen Vertreter
dieses Teils der schlesischen Tierwelt dürfen wır nach Pax?) die
Schlingnatter bezeichnen, die weiter boberabwärts besonders ın der
Löwenberger Gegend beobachtet wird, aber auch noch bei Bunzlau,
ja selbst bei Sprottau vorkommt. Aus dem oberen Bobergebiet ist sie
mir durch Mitteilung von Herrn A. Martini wenigstens von dem
Bergmassiv bekannt geworden, das der Bober unter Bildung der Sattler-
schlucht durchschnitten hat. Sie teilt diesen Standort mit der hier
häufigen Kreuzotter; von dem bis in die neueste Zeit immer wieder
einmal behaupteten strengen Sichausschließen der beiden Schlangen-
arten kann also auch hier keine Rede sein. Oberhalb der Kupferberger
Engschlucht,. durch die sich der 'Bober vor dem Eintritt in den Hırsch-
berger Kessel hindurchzuzwängen hat, scheint dıe Glattnatter nach den
bisherigen Beobachtungen zu fehlen, wogegen \sie im benachbarten Pols-
nıtztal, dessen kohlenschlammbeladene Wässer sıch der Weistritz zu-
wenden, neuerdings von Herrn Dr. Hanke bei Salzbrunn und
Waldenburg festgestellt wurde.
!) Anmerkung bei der Korrektur: In einer soeben veröffentlichten Arbeit
(Zoologica palaearctica Bd. 1, p. 92, 1923), vertritt W. Schreitmüller die
Auffassung, daß es sich bei der Blausprenkelung um eine Alterserscheinung
handelt. Zwei von ihm mitgeteilte Fälle, in denen sich die Tüpfelung bei 11
und 12 Jahre lang in Gefangenschaft gehaltenen bis dahin blaufreien Tieren
nach und nach einstellte, sprechen in der Tat dafür; ebenso die von ihm be-
obachtete Tatsache, daß den von blaugetüpfelten Weibchen geborenen Jungen
die blauen Flecken fehlen, Demgegenüber gibt allerdings Geisenheyner
an, die blauen Flecke nicht nur bei älteren, sondern auch bei jüngeren Tieren
gefunden zu haben (s Dürigen).
”) F. Pax: Die Tierwelt Schlesiens. Jena 1921 p. 263.
Bemerk. über die Verbrei'ung niederer Wirbeitiere der deutschen Fauna. 19
Auch der in den Vorbergen der Sudeten nicht seltene Feuer-
salamander scheint gegenwärtig das Bobertal nicht über die Kupfer-
berger Schlucht hinaus zu begleiten. Während das Tier im Hirsch-
berger Kessel schon an verschiedenen Punkten gefangen worden ist,
habe ich in den Bergwäldern des Landeshuter Kreises stets vergeblich
nach ıhm gesucht. Im Bereich der oberen Polsnitz fand Herr Dr.
Hanke Salamandra maculosa zahlreich am Ochsenkopf und
Schwarzenberg bei Dittersbach, außerdem bei Lomnig und Reims-
bach. Die Sudetenvorberge, die das Oberlaufgebiet der in die Katz-
bach mündenden Wütenden Neiße bilden, bewohnt der Feuersalamander
noch bis Halbendorf aufwärts.
Die klimatische Begünstigung des Hirschberger Kessels gegenüber
dem oberhalb der Kupferberger Schlucht gelegenen Bobergebiet spricht
sich herpetologisch recht auffällig ım Verhalten der Flachlandsformen
aus. Laubfrosch, Grüne Kröte und Zauneidechse, ın
der Umgebung Warmbrunns häufig zu nennende Tiere, fehlen oberhalb
Rudelstadts vollständig. Das Gleiche gilt für die ın Hirschberg hier
und da anzutreffende Rıngelnatter, die nach Dr. Hanke ım
Polsnitztal mit Bufo viridis bis Waldenburg vorgedrungen ist und
ım Oberlaufgebiet der Wütenden Neiße ebenso wie Zauneidechse und
Laubfrosch noch bei Bolkenhain gefunden wird. Bezeichnend ist auch
das Seltenerwerden des Kammmolchs jenseits der Kupferberger
Pforte. Trotz eingehender, eine Reihe von Jahren hindurch wiederholter
Nachforschungen habe ich von Triton cristatus hier ım ganzen nur
drei Exemplare zu Gesicht bekommen, die sämtlich in der Nähe von
Landeshut (465 m) außerhalb des Wassers unter Steinen gefunden
wurden. Die höchstgelegene mir bekannte Fundstelle des Kamm-
molchs im. Riesengebirge ist die zur Lomnitz abwässernde Umgebung
der Schlingelbaude (1067 m), von wo Herr Martini nach freund-
licher Mitteilung ein Exemplar dieses Tieres erhielt. Daß der grüne
Wasserfrosch, der im Riesengebirge noch bei 750 m beobachtet
wurde (Pax, Il. c. p. 184), ım Bobertal oberhalb Rudelstadts vermißt
wird, liegt vielleicht in erster Linie an dem Mangel an stehenden Ge-
wässern und ÄAltwässern boberaufwärts. In dem an Teeichen und natür-
lichen Wasserflächen reicheren Hirschberger Kessel ıst Rana escu-
lenta eine häufige Erscheinung. Dem ganzen oberen Bobergebiet bleiben
nach den bisherigen Beobachtungen fern der Moorfrosch und die Rot-
bauchige Unke. | Ihe;
Ob dies auch von der Knoblauchskröte heute. gilt, ist
bei der versteckten Lebensweise dieses Tieres nicht mit Sicherheit
zu sagen. Der einzige mir von hier bekannt gewordene Nachweis
von Pelobates fuscus ist de von Kundmann*) wiedergegebene
1) J. Ch. Kundmann: Rariora Naturae et Artis item in Re Medica oder
Seltenheiten der Natur und Kunst des Kundmannischen Naturalien-Cabinets wie
auch in der Artzeney-Wissenschait. Breslau 1737.
22 12. Heft.
20 x Franz Poche:
Beobachtung des Landeshuter Konrektors Gottfried Lang-
hanss ,„WVernunftmäßige Untersuchung der wahrscheinlichen Ur-
sachen von den geschwänzten Fröschen, die sich anno 1735 in Schlesien
ın einem Teich befanden“. Gemeint ist der in Schmiedeberg ‚am
äußersten Ende der Stadt nach dem Gebirge zu gelegene Teich“; hier
seı im August genannten Jahres der „geschwänzte Frosch“ in ziemlicher
Menge aufgetreten. Die von Kundmann auf Taf. XIV, Fig, 1,
hierzu abgebildete Kaulquappe ist unverkennbar die der Knoblauchs-
kröte. Das Tier, das damals die Aufmerksamkeit auf sich lenkte,
soll indes auch in früheren Jahren dort vorgekommen sein. Kund-
mann fügt der Langhanssschen Mitteilung hinzu, daß diese durch
den Schmiedeberger Arzt Dr. Friebe bestätigt worden sei.
Über einige angebliche systematische
Neuerungen in der vierten Auflage von
Dofleins Lehrbuch der Protozoenkunde.
Von Dr. Franz Poche, Wien.
Im Vorwort des genannten Werkes sagt Doflein (1916, p. V):
„Welche Fortschritte in den letzten fünf Jahren gemacht worden sind,
zeigt schon ein Blick auf das neue angewandte System. Bei den
Mastigophoren, den Rhizopoden, den Sporozoen haben sich neue
Gruppierungen durchführen lassen, welche gegenüber den früheren den
Vorzug der größeren Uebersichtlichkeit und sicheren Begründung haben
Viele dieser neuen Anordnungen beruhen auf eigenen Forschungen,
weiche zum Teil noch nicht veröffentlicht worden sind.“ — Dazu
ist zu bemerken, daß eine ganze Anzahl der syste-
matischen Aufstellungen, die Doflein weiterhin ın
diesem Werke alsvonihm herrührende systematische
Neuerungen in Anspruch nimmt, dies in Wirklich-
keit keineswegs sind, sondern bereits früher von
anderen Autoren veröffentlicht worden waren.
So sagt Doflein auf p. 397 f.: „Meine eigenen neueren Uhnter-
suchungen haben mich auf eine, wie mir scheint, natürliche Einteilungs-
möglichkeii der ganzen Klasse der Mastigophoren geführt, welche mit
großer Uebersichtlichkeit den Vorzug vereinigt, die natürlichen Be-
ziehungen der einzelnen Gruppen hervortreten zu lassen.
Angebl. system. Neuerungen in Dofleins Lehrbuch der Protozoenkunde. 21
Ich teile die Klasse der Mastigophoren in zwei Uhnterklassen:
1. Unterklasse : Phytomastigina, pflanzliche Geißelinfusorien,
welche folgende Ordnungen. umfaßt:
l. Ordnung: Chrysomonadına,
2: = Cryptomonadına,
3; ; Dinoflagellata,
4, £ Euglenoidina,
5 } Phytomonadiına.
2. Unterklasse :Zoomastigina, tierische Geißelinfusorien, mit
folgenden Ordnungen:
l. Ordnung: Protomonadiına,
2 Bi Polymastigina,
9, r Hypermastigina,
4. R Distomatina,
5% N Cystoflagellata.“
Weiter heißt es: „Die Ordnungen der Phytomastiginen umfassen
vorwiegend autotrophe Mastigophoren, also pflanzlich sich ernährende
Geißelinfusorien. Sie beherbergen aber fast alle einzelne Formen,
welche neben der pflanzlichen Ernährung geformte Nahrung nach Art
von Tieren oder gelöste organısche Substanzen auf osmotischem Wege
aufnehmen, oder ganz ausschließlich eine derartige heterotrophe Er-
nährung aufweisen.“ Und auf p. 400: „Die typischen Vertreter der
Phytomastiginen enthalten in ıhrem Körperprotoplasma als holophytische
Organismen Chromatophoren.“ Und auf p. 462 sagt Doflein
bei Besprechung der Zoomastigina: „Diese Unterklasse umfaßt meist
kleine Formen mit einer bis vielen Geißeln, welche sich entweder aus-
gesprochen tierisch, durch Aufnahme. geformter Nahrung, oder sapros-
misch von organischen Flüssigkeiten ernähren, Keine der hierherge-
hörigen Formen lebt holophytisch oder besitzt Chromatophoren oder
einen Energieumwandlung vermittelnden Farbstoff.“
Das, was Doflein bei dieser Einteilung als neu in Anspruch nımmi,
ist selbstverständlich die Unterscheidung der beiden Uhnterklassen
Phytomastigina und Zoomastigina. (Daß diess, wie Nöller, 1917,
p. 351 bemerkt, „alle natürlichen Zusammenhänge zerreißt und gerade
mit den neueren Ergebnissen, speziell Pascher's, in Widerspruch
steht“, ist hierbei irrelevant.) Nun hatte aber bereits 1908, p. 1318
der vielseitige und ideenreiche Handlırsch die Flagellaten ın zweı
Gruppen zerspalten (anscheinend unter Auflassung der Gruppe Flagel-
lata als solcher), die sıch nach ihrem Umfange, dem der Teilung zu
Grunde liegenden leitenden Gedanken und sogar nach der Wahl der
Namen im wesentlichen vollkommen mit jenen beiden Unterklassen
Dofleins decken. Handlırsch sagt nämlich: Ich schied „die Flagel-
laten in zwei Gruppen, Phytoflagellata und Zooflagellata, von denen
die ersteren alle mit Chromatophoren versehenen Formen enthalten,
wie die Peridineen, Volvoceen etc., während die ausschließlich allo-
trophen, also auf eine Ernährung von bereits fertiger organischer Sub-
12. Heit
22 Franz Poche:
stanz angewiesenen Formen ohne Rücksicht auf ihre sonstige Organi-
sation als Zooflagellata zusammengefaßt wurden.“ Und im [Stamm-
baum| X führt er dann dıe Phytoflagellata und Zooflagellata ohne
Zusammenfassung zu einer höheren Einheit und durch die ‚‚Telosporida“
und ‚‚Neosporida‘ voneinander getrennt an. (Ein wichtiger Uhnter-
schied gegenüber Doflein besteht nur darın, daß Handlırsch die dieser
Einteilung widerstreitenden neueren Forschungsergebnisse [s. oben]
natürlica noch nicht kennen konnte, während Doflein sie wenigstens zum
großen Teil hätte kennen können.) — Selbstverständlich kann Doflein
aus dem Uebersehen dieser Darlegungen Handlırsch’s, die man nach
dem Titel des betreffenden Werkes unmöglich darın suchen konnte,
nıcht der mindeste Vorwurf gemacht werden. Ganz anders verhält
es sıch dagegen in den ım folgenden zu besprechenden Fällen.
Aui p. 667 sagt Doflein: ‚Ich unternehme einen ersten Versuch
einer Einteilung der Amöben in Familien, indem ıch sie ın folgende
drei Gruppen teile:
1. Famillile: Bistadiidae,
jE 1 Amoebidae,
3 7 Paramoebidae.
Im folgenden führt er dann diese drei Familien als Bistadiidae Doflein,
Amoebidae n. fam. (p. 670) und Paramoebidae (p. 702) an. — Un-
berechtigt ıst zunächst überhaupt Dofleins Anspruch, hier einen ersten
Versuch einer Einteilung der Amöben in Familien unternommen zu
haben. Denn bereits 1913, p. 171--173 hatte ıch einen solchen Ver-
such gemacht und innerhalb des von Doflein dieser Gruppe gegebener
Rahmens zwei Familien, Chaidae( - Bistadiidae Dofl. -- Amoebidae
Dofl.) und Paramoebidae, unterschieden. | Meine Meinung über die
von Stiles in geradezu mutwilliger Weise herbeigeführte Aenderung
des Namens Amoeba in Chaos!, die natürlich auch die Aenderung des
Namens Amoebidae in Chaidaezur Folge hatte, habe ich schon |. c, in
unzweideutiger Weise ausgesprochen. | (Die vier anderen von mir
ın der betreffenden, von mir Lobosa Carp. genannten Gruppe unter-
schiedenen Familien kommen hier nicht in Betracht, da Doflein die
bezüglichen Formen nicht zur Ordnung der Amöben rechnet.) - --
Ebenso unzutreffend ıst Dofleins Bezeichnung der Familie Amoebidae
als ‚„‚n. fam.. Denn eine Familie Amoebidae hatte bereits vor mehr
als einem halben Jahrhundert Bronn, 1859, p. 67 u. 68, und ebenso
Claus 1874, p. 152 unterschieden, welche beiden Zitate ich auch
1913, p. 171 angeführt hatte, und zahlreiche andere Autoren
seither. Und daß Doflen den Umfang der Familie enger faßt,
als es die früheren Autoren getan hatten, berechtigt bekanntlich nicht
ım entferntesten dazu, sie etwa deshalb als eine neue solche zu
bezeichnen. — Die Familie Paramoebidae führt Doflein ohne Bei-
fügung eines Autornamens an, was er mit verschwindend wenigen
Ausnahmen nur dort tut, wo er, wie aus dem Text hervorgeht,
die betreffende systematische Einheit als von ihm in dem in Rede
stehenden Werke neu aufgestellt in Anspruch nımmt. Und ganz augen-
Angebl. system. Neuerungen in Dofleins Lehrbuch der Protozoenkunde. 23
scheinlich ist dies auch hier seine Absicht. Denn er spricht nicht
nur vorher, wie wir gesehen haben, ausdrücklich von einem hier von
ihm unternommenen ersten Versuch einer Einteilung der Amöben in
Familien, sondern sagt auch (p. 703) von den Formen der Gattung
Paramoeba: „Jedenfalls darf man sie als besondere Familie vor-
läufig. zusammenfassen.“ Bereits 1913, p. 173, hatte aber ıch eine
Familie Paramoebidae aufgestellt, die zudem ebenfalls ausschließlich
das Genus Paramoeba enthielt, also auch vollkommen umfangsgleich
mit der gleichnamigen Familie Dofleins war.
Auf p. 711 führt Doflein eine als n. f. bezeichnete Familie
der Heliozoen Helioflagellidae an, die die Genera Dimorpha, Cilio-
phrys, Actinomonas und Pteridomonas enthält. Ich hatte jedoch schon
1913, p. 187 in der Ordnung Heliozoa für Ciliophrys die Familie
Ciliophryidae aufgestellt. Die Dofleinsche Familie unterscheidet sich
also von dieser nur durch ihren größeren Umfang, den neuen Namen
sowie dadurch, daß letzterer für sie überhaupt nıcht verfügbar
ist, da er nicht von dem Namen einer in ihr enthaltenen Gattung
gebildet ist. Selbstverständlich berechtigt dies aber ın keiner Weise
dazu, die Familie als eine neue solche anzuführen, sondern handelt
es sich lediglich um einen neuen Namen. Wohin würde es führen,
wenn man immer, sowie der Umfang einer Gruppe in erheblicherem
Maße geändert wird, sie als eine neue solche bezeichnen und mit einem
reuen Namen belegen wollte! Und da der hier von Doflein ein-
seführte, wie erwähnt, für die Familie nicht verfügbar ıst, so ıst er
von vornherein in die Synonymie zu versetzen. (Zusatz bei der Kor-
rektur: Zu demselben Resultat sind ın einer inzwischen erschienenen
Arbeit auch Faria, Cunha und Pinto, 1922, p. 190, gekommen.)
Ebenso bszeichnet Doflein (p. 715) die Familie Vampyrellidae als
n. f Auch dies ist durchaus unrichtig. Denn bereits 1888, p. 453
(cf. p. 454) hatte Berlese dieselbe Familie (wenn auch natürlich
in anderem Umfange) unter dem Namen Vampyrelleae aufgestellt;
und Klebs, 1892, p. 428 hatte den Namen Vampyrellidae für die
Gruppe gebraucht (kein nom. nud., da das Fehlen einer Unterstreichung
des Namens eine „Kennzeichnung“ involviert). Beide Zitate hätte
Doflein leicht in meiner gedachten Arbeit, p. 182, finden können.
(Wollte er aber den Klebs’schen Namen dennoch als nom. nud. und
somit als unzulässig und daher nomenklatorisch nicht in Betracht
kcmmend ansehen, so hatte auf jeden Fall bereits ich |. c. den Namen
Vampyrellidae für die Familie gebraucht. )
Endlich unterscheidet Doflein auf p. 887 auch eine Familie Hae-
moproteidae,die er ebenfalls als n. fam. in Anspruch nımmt und
die ausschließlich das Genus Haemoproteus umfaßt. Auf eben diese
Gattung hatten aber bereits Hartmann und Jollos (1910, p. 102) eine
Familie Halteridiidae gegründet, wie ıch schon 1913, p. 241 ange-
führt hatte. Haemoproteidae Doflein ıst also keineswegs eine neue
Familie, sondern lediglich ein neuer Name für eine schon sechs
Jahre vorher von anderer Seite, und zwar sogar mit genau demselben
12. Heft
24 Franz Poche:
Umfange, aufgestellte Familie — was bekanntlich ein großer Uhnter-
schied ıst. — Die Namensänderung als solche war in diesem Falle bei
Zugrundelegung der von Doflein (in Uebereinstimmung mit Hartmann
und Jollos) vertretenen systematischen Auffassung, wonach Halteri-
dium ein Synonym von Haemoproteus ist, berechtigt und geboten, da
der Name der Familie ja sonst nicht von dem Stamm des giltigen
Namens ihrer typischen Gattung gebildet ıst, wie es die Internatio-
nalen Nomenklaturregeln vorschreiben.
Es begegnet uns also in dem ın Rede stehenden Buche wiederholt,
daß Doflein die Aufstellung von angeblich neuen Familien sich zu-
schreibt, während diese ın Wirklichkeit schen Jahre, zum Teil sogar
Jahrzehnte vorher von anderen Autoren aufgestellt worden waren, Das
könnte nun bei der ungeheuren Zersplitterung und teilweise sehr schwie-
rigen Beschaffung der protozoologischen Literatur an sich gewiß leicht
vorkommen. In den vorstehend angeführten Fällen handelt es sich
jedoch durchwegs um Familien, die in zusammenfassenden, ım
Archiv für Protistenkunde erschienenen Publikationen
aufgestellt oder zum mindesten (mit genauem Hinweis auf den Ort
ihrer Aufstellung) angenommen worden waren. Daß Doflein diese
Publikationen nicht übersehen konnte — die eine davon ist „Das
System der Protozoa“ betitelt und umfaßt beinahe 200 S. — und auch
nicht übersehen hat, istnach der LagedesFalles selbst-
verständlich und steht in vollem Einklang mit der
Vorgangsweise, die er op. c. auch sonst vielfach an-
gewendet hat. Denn ein ganz ähnliches, nur meist nicht ganz so
scharf ausgesprochenes Vorgehen in seinem gedachten Buche ist Dof-
leın auf anderen Gebieten auch schon von Nöller (1917, insbesondere
p. 334, 339 f., 342, 344,346 und 351 £.) und Pascher (1917, p. 80-88)
nachgewieser: worden. Es seı nur ein einschlägiger zusammenfassender
Satz Nöllers (p. 351) angeführt. Er sagt: „Peinlicher noch als diese
sachlichen Mängel erscheint die im ganzen Buch hervortretende geringe
Objektivität des Verfassers in der Beurteilung eigener und fremder
Leistungen: einerseits sein Verhalten, Ideen, die vor ihm andere For-
scher ausgesprochen, unter Nichterwähnung derselben erscheinen zu
lassen, andererseits die geringe Achtung und Einschätzung der Lei-
stungen anderer.” Und der Sache nach hiemit völlig übereinstimmend
ist das Urteil, zu dem Pascher am Schlusse seiner Ausführungen
kommt (p. 87 f.): „Eines möchte ich, und wohl viele andere Flagel-
latenforscher, speziell botanıscher Richtung gerne sehen; daß die Re-
“ sultate oft mühseliger Forschung und die Ideen der einzelnen Forscher
“in den kommenden Arbeiten Doflein’s auch zu ihrem Rechte
kommen und in ihrer historischen, wie materiellen Wertigkeit ent-
sprechend wahrhafter zum Ausdruck kommen, als es ın der jetzigen
Auflage geschah. ... Schließlich werden ja die meisten Uhter-
suchungen und Arbeiten aus einem tieferen Grunde heraus gemacht,
Ideen aus einem anderen Bedürfnisse heraus aufgestellt und aufgebaut,
als um den Verfasser eines Lehrbuches ‚anzuregen‘. Und der Um-
Angebl. system. Neuerungen in Dofleins Lehrbuch der Protozoenkunde. 25
stand, dal schließlich auch der Verfasser eines Lehrbuches sich
moderner: Problemen zuwendet und zu Ideen kommt, schafft die Tat-
sache nicht fort, daß eben bereits vorher analoge Arbeiten ausgeführt
und dieselben Ideen aufgestellt wurden.
Die psychologische Seite des Ganzen auch nur andeutungsweise
zu behandeln, versage ich mır.
Literatur.
Berlese, A.N. (1888), Myxomyceteae Wallr. (In: Sylloge Fungorum
omnium hucusque cognitcrum. Digessit P. A. Saccardo. 7, P.1., 1888, p. 323
bis 492). — Bronn, H. G. (1859), Die Klassen und Ordnungen des Tbier-Reichs,
wissenschaftlich dargestellt in Wort und Bild, 1. — Claus, C. (1874), Grundzüge
der Zoologie. 3. Aufl., 1. Lief. — Doflein, F. (1916), Lehrbuch der Protozoen-
kunde 4. Aufl. — Faria, J.H. de, Cunha, A.M da, e Pinto, C. (1922), Estu-
dios sobre Protozoarios do mar. (Mem. Inst. Oswaldo Cruz 1922, 15, p. 186
—208, tab. 23—25.) — Handlirsch, A. (1908), Die fossilen Insekten und die
Phylogenie der rezenten Formen, Lief. 8—9. — Hartmann, M. und Jollos, V.
(1910), Die Flagellatenordnung „Binucleata*. (Arch. Protistk. 19, p. 8ı—106.) —
Klebs, G. (1892), Flagellatenstudien. (Zeitschr. wiss. Zool. 55, p. 265445,
tab. XII—XVIIL) — Nöller, W. (1917), Kritische Bemerkungen zur 4. Auflage
von Doflein’s Lehrbuch der Protozoenkunde. (Arch. Protisik. 37, p. 332
— 352.) — Pascher, A. (1917), Flagellaten und Rhizopoden in ihren gegen-
seitigen Beziehungen. Versuch einer Ableitung der Rhizopoden. (Arch. Pro-
tistk. 88, p. 1—88.) — Poche, F. (1913), Das System der Protozoa. (Arch.
Protistk. 30, p. 125— 321.)
Über den Bau der Geschlechtsapparate
und die Kopulation von Bombyx mori.
(Mit 26 Textfiguren.)
Von
Herbert Michael, Leipzig.
Inhalts - Verzeichnis,
Einleitung . i L . 4 d 3 F ; : 3 Seite 26
Material und Methode ? ; . e A ; ı F Pie 2. |
Der Bau des männlichen ER 2 I ö + e } 5:28
Das 8. Segment . | { i E i - J h „tiuE9
Das 9. Segment . ; h : ; A } ; P sursl
Das 10. Segment . 2 } - E Ä 5 t s utiBa
Die Penistasche . ß : L i | - 2 : 55)
Der Penis g k k ? . ; ! } ; 4 siarirab
12.0 Kleft
26 - Herbert Michael:
Der Bau des weiblichen Apparates f A 3 F 4 Ä 0
Das 8. Segment . Ä . j i : ; i 1.08
Das 9. und 10. Eee ; i =;
Die Funktion der Geschlechtsapparate antena nr Kan N ..L40
Der Lauf des Spermas im männlichen Genitalapparat während
der Kopulation ; 1 28
Bildung der Sem alophorsnle en 8 eu in die
weibliche Bussa . : aa Wr]
Die Überwanderung der en aus ©. >
in das Receptaculum bis zur Befruchtung des Eies . B „..49
Männliches und weibliches Tier bei doppelter Begattung . . Mo.
Biologie der Kopulation . : : 5 ,
Das Aufsuchen des Weibchens dureh dis Männchen E f u)
Der Paarungsakt ae
Die Eiablage . j s - : : a:
Verzeichnis der Bea 4 ; s ; 2 5 j A:
Literaturverzeichnis . Moe >}
Einleitung.
Obwohl dıe Genitalanhänge der Lepidopteren, besonders der männ-
lichen Tiere, schon früh Gegenstand eingehender Untersuchungen ge-
wesen sınd und erst ın der letzten Zeit vorzügliche Arbeiten, wie die
Zanders, dies Thema behandeln, so stehen doch über die Kopulationen
selbst noch eine Menge Fragen offen. Auch die sehr kritischen Ar-
beiten von B. Klatt behandeln nicht die äußeren Genitalanhänge und
ihre Funktion bei der Kopula. Es ist daher mein Bestreben gewesen,
mit vorliegender Arbeit diese Lücken auszufüllen und einen Versuch zu
machen, das für die Le epidopteren zu schaffen, was für die Coleopteren
schon Zeit, es sei hierbei nur der vorbildlichen Arbeit von
H. Blunck über „Das Geschlechtsleben des Dytiscus marginalis“ Er-
wähnung getan, bestand. Zu den Untersuchungen wurde Bombyx mori,
der chinesische Seidenspinner, gewählt, da seine Zucht sehr einfach und,
was ın diesem Fall dıe Hauptsache war, sein Geschlechtstrieb sehr
stark ıst, so daß äußere Umstände kaum störend wirken konnten.
Ferner bot auch die bestehende Flugunfähigkeit dieser Tiere günstige
Gelegenheit zur genauen Untersuchung aller Kopulationsphasen.
Nun möchte ich aber noch gleichzeitig an dieser Stelle einer ange-
nehmen Pflicht nachkommen und dem Direktor des Leipziger Zoolo-
gischen Instituts; Herrn Professor Dr. Meisenheimer für seine
gütige Anregung zu dieser Arbeit sowie für die allzeitige Unterstützung
und Förderung meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Ferner
schulde ich Dank den Herren Prof. G. Brandes, Dresden, für die
gütige Uebersendung von Untersuchungsmaterial und Herrn Privatdozent
Dr. Wagler für manchen Ratschlag bei der Ueberwindung der oft nicht
unbeträchtlichen technischen Schwierigkeiten.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 27
Material und Methode.
Das zu den vorliegenden Untersuchungen verwendete Material
war größtenteils das Produkt eigener Züchtung. Während die Zucht
im Sommer 1919 einer genauen Kontrolle meinerseits nicht unterliegen
konnte, wurden dıe verschiedenen, für die Metamorphose des Spinners
wichtigen Tage der Zucht 1920 genau registriert.
Etwa am 2. bis 4. Juni begannen dıe Räupchen aus den Eiern,
die von den Schmetterlingen der Zucht des vorhergehenden Jahres
stammten und kühl aber frostfrei aufbewahrt worden waren, zu
schlüpfen. Die Zucht erfolgte bei gewöhnlicher Zimmertemperatur (18 bis
20° Celsius) in großen Gazekästen, doch laufen die Raupen erfahrungs-
gemäß nicht weg, d. h., solange sie genügend Futter haben, so dal man
sie auch aut offenen Gestellen halten kann. Gefüttert wurde täglich
mindestens zweimal und zwar mit dem Laube des weißen Maulbeer-
baumes (Morus alba), das zu diesem Zwecke immer peinlichst von
äußerer Feuchtigkeit befreit werden muß, damit dıe Raupen nicht an
einer der Ruhr ähnlichen Krankheit eingehen.
Eine ausführliche Beschreibung der Zucht zu geben, halte ich an.
dieser Stelle für überflüssig, verweise hierüber auf meine Veröffent-
lichungen in den Mitteilungen des Zoologischen Gartens zu Dresden
(7. Jahrgang 1916 Nr.2) und Handbuch der biologischen Arbeits-
methoden von Abderhalden, Halle (im Erscheinen).
Um eine vorzeitige, nicht kontrollierte Befruchtung der Spinner zu
verhüten, wurden die fertigen Kokons einzeln in Behältern aufbewahrt.
Der dann geschlüpfte Schmetterling konnte jederzeit zu den Uhnter-
suchungen und Experimenten benützt werden ohne Befürchtung, daß das
Tier sich bereits geschlechtlich betätigt habe.
Es traten nun aber grolse Schwierigkeiten auf, als es sich darum
handelte, die Tiere in der Kopula zu ganz gewissen Zeitpunkten abzu-
töten, ohne daß ın der'Lagebeziehung der Tiere zueinander nur die ge-
rıngste Veränderung eintrete, d. h. die Tiere fast augenblicklich zum
Absterben zu bringen. (
Obgleich die Umklammerung während der Kopula bei diesen
Tieren eine sehr feste und ıinnige ist, so lösten sich doch augen-
blicklich die Geschlechter voneinander, wenn die Tiere im Giftglas
oder durch Uebergießen mit heißen oder kalten Fixierungsflüssigkeiten
getötet werden sollten.
Auch das Uebergießen oder Werfen in konzentrierten Aether zeigte
nıcht den gewünschten Erfolg, da die Tiere immer noch einige Zuckungen
ausführten. Die gleiche Behandlung mit Chloroform bewirkte eine
Kontraktion des Abdomens.. Ein Gemisch von °/; Aether und 1/;
Chloroform tötete die Tiere, oder besser gesagt betäubte sie fast
plötzlich. Es geschah dies nun auf folgende Weise: Eine flache
Glasschale wurde bis zum äußersten Rande mit dem Aethergemisch
gefüllt und die Tiere auf einem steifen Karton zur Copula gebracht.
Im gegebenen Augenblicke wurde der Karton mit den Tieren nach
)2. Heit
28 Herbert Michael:
unten auf das Gefäß gelegt, so daß die Tiere allseıtig von dem
Gemisch umgeben wurden. Die Betäubung trat in den meisten Fällen
fast augenblicklich ein.
Zur Fixierung wurde ausschließlich nur Formol-Alkohol-Eisessig
kalt verwendet, in dem die Tiere auch aufbewahrt wurden oder der
später durch 80 prozentigen Alkohol ersetzt wurde.
Die zur Präparation bestimmten Exemplare wurden je’ 12 Stunden
ın einem 20 prozentigen Alkohol, dem 5 Prozent Ammoniak zu-
gegeben war, erweich. Nach diesem wurde etwa 2 bis 3 Stunden
mit Aqua destillata, das mehrfach gewechselt wurde, ausgewaschen.
Die so behandelten Tiere lassen sich fast wie frisches Material be-
handeln, d. h, auch leicht macerieren. Maceriert wurde mit 10 prozentiger
Kalilauge, in der die betreffenden Objekte entweder 10 bis 15 Minuten
vorsichtig gekocht oder 2 bis 3 Tage kalt stehen gelassen wurden. Bei
Totalpräparaten wurden gegebenenfalls chitinige Teile und Membranen
mit-Pyrogallol gebräunt. Gewebe wurden mit Alaun- oder Salzsäure-
Karmin gefärbt. Auch habe ıch, besonders bei Kopulationspräparaten,
‚das Verfahren angewandt, die Präparate durchsichtig zu machen (nach
Spalteholz) durch Einlegen in ein Wintergrün-Nelkenölgemisch 1:1.
Die starken äußerst ungleichen chitinigen Anhänge des Abdomen
splitterten trotz vorherigen Erweichens sehr leicht, wenn sie geschnitten
werden sollten, oder wurden aus dem Paraffınblock herausgerissen.
Es mußte deshalb ein besonderes Verfahren gewählt werden, um dies
zu beseitigen. Der günstigste Erfolg wurde durch das Einbetten mittels
eines kombinierten Paraffin-Celloidin-Verfahrens erzielt. Die be-
treffenden Objekte wurden vier Tage in Seifenspiritus und nachher
zwei Tage in Salpetersäurealkohol erweicht. Gefärbt wurde in toto
mit Hämatoxylin nach Delafield etwa 24 Stunden. Dann wurden die
Objekte bis in 100 prozentigen Alkohol hochgeführt, von wo sıe ın ein
konzentriertes Alkoholäthergemisch kamen, etwa auch 24 Stunden. Hier-
auf wurden sie je zehn Tage ın eine zwei-, vier- und sechsprozentige
Celloidinlösung gebracht; die nun folgende weitere Behandlung wich
von der gewöhnlichen Paraffinmethode nicht ab, d. h. durch Xylol,
Xylolparaffın ın Paraffın. Die so bshandelten Objekte ließen sich
ın der Regel bis auf einige ganz kritische Stellen ohne Mastix-Collo-
diumüberzug schneiden. Da die Schnitte bei der weiteren Behandlung
trotz vorherigen vorsichtigen Aufschmelzens sehr leicht wegschwammen,
so wurden sie mit einer feinen Schicht Photoxylin überzogen. Gegen-
. gefärbt wurde mit Eosın.
Der Bau des männlichen Apparates.
Schon seit den frühesten Zeiten exakter anatomischer Lupen-
forschung ıst der männliche Geschlechtsapparat Gegenstand genauerer
Untersuchungen gewesen, und so findet sich bereits bei Malpıgh ı 1669
eine relativ recht gute Abbildung des Genitalapparates von Bombyx
mori. Auch Swammerdamm 1752 bringt eine Beschreibung und
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 29
Zeichnung von Lepidopterengenitalien. Von den späteren Arbeiten seien
hier nur die von Gosse, Cholodkowsky, White, Stichel,
O. Hoffmann, Peytoureau erwähnt, die, um mit den Worten
von Zander zu reden, für den Morphologen nur von historischem
Interesse sind. Neuere Untersuchungen sind die von Stitz, Klink-
hardt,Poljanec und schließlich vonZander und W.Petersen.
Wie in der Regel bei den Lepidopteren, so wird auch bei Bombyx
mori der männliche Geschlechtsapparat aus den letzten drei der vor-
handenen zehn Abdominalsegmente gebildet, die zu diesem Zwecke
typisch umgeformt sind. Achtes, neuntes und zehntes Abdominal-
segment werden dann unter dem Ausdruck „Kopulationsapparat zu-
sammengefaßt. Gleich jedem der übrigen Abdominalsegmente, lassen
sich auch beı denen des Genitalapparates eine Rückenplatte, Tergit,
und eine Bauchplatte, Sternit, unterscheiden, die entweder nur durch
Membranen mit einander verbunden oder direkt artıkuliert oder ver-
schmolzen sein können. Meist, wie auch ın vorliegendem Falle, pflegt
hierbei das Sternit stärker als das Tergit chitinisiert zu sein. Eine
ausführliche Beschreibung dieser einzelnen Segmente von Bombyx morıi
soll nun die Aufgabe der nächstfolgenden Zeilen sein. Es werden
hierbei größtenteils die Zanderschen Bezeichnungen Anwendung finden,
nur rechnet Zander bei der Zählung der den Kopulationsapparat bil-
denden Segmente die drei Thorakalsegmente mit hinzu, so daß er auf
die Zahlen 11, 12 und 13 kommt.
Das8. Segment.
Tergit und Sternit des 8. Segmentes werden durch je eine breite
mächtige Chitinplatte dargestellt, die auf beiden Seiten miteinander
durch eine Membran, die sogenannte Lateralmembran, verbunden sind.
Wenig differenziert ıst das Tergit (Fig. 1). Es wird im wesentlichen
von einer großen, im Gegensatz zum Sternit weniger stark chitinisierten
Platte gebildet, die sich dachartig über den ganzen Apparat wölbt und
somit die Stelle eines Schutzorganes einnimmt, das in seiner Wirksam-
keit nach”durch einen’ starken, Haarbesatz verstärkt wird. In der Ruhe-
stellung des Apparates werden hierdurch die Genitalanhänge fast völlig
verdeck. Am proximalen Rande dieser Platte befinden sich eine
schwache, in der Mitte ausgebuchtete, Chitinleiste.
Weit stärker als das Tergit ist das Sternit (Fıg. 2) des achten
Segmentes umgebildet, das bereits von Malpighi besonders abgebildet
wurde. Der anale, stark chitinisierte äußere Rand ist fein ausgezackt
und läuft beiderseits in vorspringende Zipfel aus, während eine mediane
Vorwölbung von einer halbkreisförmigen Einbuchtung unterbrochen ist.
Die intersegmentale Membran, die sich vom distalen Rande des 8.
zum 9. Sternit erstreckt, ist bis zu etwa der Stelle, wo sie
das Abdomen frei überragt, chitinisiert und stellt somit ein plattenartiges
Gebilde dar, das mit borstenartigen Haaren besetzt ist. Am proxıi-
malen Rande dieser Chitinplatte findet sich jederseits ein breiter, starker
Chitinzapfen. Die Außenseite des Sternit ist ebenso wie die sich
12. Heft
30 x Herbert Michael:
zwischen Tergit und Sternit ausspannende Membran dicht mit Haaren
besetzt. Das 8. Segment in seiner Gesamtheit überragt röhrenförmig
das Ende des Abdomens.
Auf beiden Seiten trägt die Membran, welche vom 8. und 9,
Segment überleitet, starke Haarbüschel, die wohl mit den zuerst von
Fig. 1. Tergit des 8. männl. Segmentes. Originalzeichn. '/, verkl.
Fig. 2. Steınit des 8. männl. Segmentes. Originalzeichn. '/a verkl.
Burgess an Danais archippus beschriebenen, an gleicher Stelle
gelegenen Gebilden im Zusammenhang stehen mögen und vielleicht als
Sinnesorgane zu deuten sind. Ein Vorstülpen dieser Vorrichtung vor
oder -während der Kopulation habe ıch jedoch in diesem Falle nie
beobachten können.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 31
Das 9. Segment.
Dieses Segment, das den eigentlichen Träger des Penis darstellt,
ıst das wichtigste und komplizierteste des ganzen Kopulationsapparates
und zeigt daher auch besondere typische Differenzierungen. In der
Gesamtheit seiner Gestalt könnte man vielleicht auch hier den tref-
fenden Vergleich von Klınkhardt anwenden, daß es einem Siegel-
ringe nicht unähnlich sehe, dessen von den Anhängen des 10. Seg-
mentes gebildete Sıegelplatte dann dorsal liege. Auch beim 9, Seg-
ment können Tergit und Sternit deutlich unterschieden werden. Das
Tergit, dessen nähere Beschreibung jetzt kommen soll, artikuliert auf
beiden Seiten mittels eines schraubenförmigen Anhanges direkt an dem
Hinterrande der Valven des 9. Sternites.
Als Träger des 10. Segmentes ist das Tergit des 9, Segmentes
(Fig. 3) zu diesem Zwecke besonders umgeformt. An den analen,
Fig. 3. Tergit des 9. männl. Segmentes. Originalzeichn. '/s verkl.
halbkuppelförmigen Teil, der in der Mitte eine tiefe Längsfurche trägt,
schließen sich proximal rechts und links schwachgewölbte Chitinplatten
an, die ihrerseits in die eben erwähnten schraubenförmigen Gebilde
übergehen. Die Außenränder dieser verschiedenen Bildungen werden
von teils schwachen, teils stärkeren Chitinleisten umsäumt, die dem
ganzen Gebilde eine größere Festigkeit verleihen. Starke Chitinwülste
umranden den halbkuppelförmigen Teil; am analen Ende findet sich
eine wulstige Verbreiterung dieser Leiste, die zur Artikulation des
Uncus dient, an den beiden Seiten springen die Chitinleisten stark
hervor. An diesen so gebildeten Chitinzapfen artıkuliert das Sca-
phium. Auch die mittleren schwachgewölbten Chitinplatten werden an
den Außenseiten von Chitinleisten umgeben, die sich proximal bis ın
die schraubenförmigen Anhänge erstrecken. Die Leisten der Ränder,
die an der Medianseite dieser Platten entlang führen, treffen dann zu-
sammen und erstrecken sich, zu einem chitinigen Balken vereint, weit
in die mediane Längsfurche des analen Teiles, wodurch eine große
Versteifung und Festigkeit dieses Tergites erreicht wird.
12. Heft
32 Herbert Michael:
- Die charakteristische Gestalt des 9. Sternites (Fig. 4) wird
durch dessen Anhänge, den Saccus und die Valven gegeben, während
das eigentliche Sternit nur das basale hörnchenförmige kleine Stück
darstellt, an dessen ventral-medianer Partie der Saccus ausgebildet ist.
Dieser ıst ein mächtiger hohler Chitinzapfen, dessen Hohl-
raum nach der Außenseite offen steht. Der Saccus, der sıch tief
ın das Abdomen erstreckt und durch Chitinisierungen der Intersegmen-
talmembran zwischen dem 8. und 9. Sternit gebildet wird, dient dem
Fig. 4. Sternit des 9. männl. Segmentes. Fig. 6. Scaphium.
Originalzeichnungen. Fig. 4 Vz, 5 u. 6 !/s verkl.
Ansatze von Muskeln und der Herstellung einer größeren inneren
Festigkeit mit dem 8. Segment.
Mächtige Anhänge dieses Sternites sind die hakenförmigen Valven,
die bei Bombyx mori beiderseits ziemlich symmetrisch geformt und an
der Unterseite ihrer zapfenartigen Spitzen kleine, nach innen gerichtete
Borsten tragen.
Am basalen Rande sind die Valven keulenförmig erweitert und
auf der Außenseite mit Borsten besetzt: der hierdurch geschaffene Hohl-
raum dient zur Aufnahme der äußerst stark entwickelten Muskulatur.
Ehe nun jedoch die weiteren komplizierten Gebilde des 9. Segmentes
behandelt werden, mag aus Gründen der leichteren Verständlichkeit
erst die Beschreibung des 10. Segmentes folgen. Der Beschreibung
der Penistasche und des Penis sollen noch besondere Kapitel gewidmet
werden.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 33
Das 10. Segment.
‘Wie schon bei der Beschreibung des 9. Tergites, das ja den Träger
des 10. Segmentes darstellt, erwähnt wurde, ist dieses Segment stark
dorsalwärts gerückt. Ueber seinen eigentlichen Aufbau befand man
sich lange im Irrtum und man deutete, wie auch Peytoureau bei Bombyx
mori, das dorsale chitinige 'Gebilde, Uncus, als Tergit und das ven-
trale Scaphium als Sternit des 10. Segmentes. In Wirklichkeit aber
wird, wie Zander durch das Studium der Püuppenstadien einwandfrei
festgestellt hat, dieses Segment durch den häutigen, konischen After-
kegel (Fig. 8) dargestellt, der, da er schützend von Uncus und Sca-
phium überragt wird, ın der Regel nicht ohne weiteres sichtbar ist.
Uncus und Scaphıum sind lediglich nur sekundäre Anhänge.
Sie sind jedoch wichtige Bestandteile des männlichen Kopulations-
apparates und als solche auch stark chitinisiert. Der Uncus (Fig. 5)
ist seitlich stark eingeschnürt und trägt analwärts beiderseits zapfen-
förmige Ausstülpungen, dıe an der Ventralseite mit horizontalen Riefen
überzogen sınd. Der ganze Uncus ist mit Sinnesborsten besetzt, die
sich an der inneren analen Seite zu einem förmlichen‘'Sinnesepithel ver-
dichten (Fig. 8). Weit einfacher ist das Scaphium (Fig. 6) ge-
staltet, das ın seiner Form einem Hufeisen ähnelt. Auf der halbkreis-
förmigen Rundung befindet sich eine stark chitinisierte Erhebung, die
auf Fig. 6, da es sich hier um eine Aufsicht handelt, nicht gut sicht-
bar ist, die sıch wohl aber ohne Schwierigkeiten auf Fig. 8 und 9
erkennen läßt. Diese Erhebung paßt genau in den Zwischenraum der
zwei oben beschriebenen Zapfen des Uncus. Auch das Scaphium ist
an der Analseite fein sägeartig gerieft (Fig. 8), wobei die Zähnchen,
thoracalwärts gerichtet sind. Da Uncus und Scaphium miteinander arti-
kulieren, so ähneln sie, wie sich Poljanec treffend ausdrückt,
einem vogelschnabelartigen Gebilde.
Die Penistasche.
Zwischen den Bögen des 9. Segmentes, dargestellt von dem eigent-
lichen basalen hörnchenförmigen Sternit und den beiden seitlichen
Valven, dem Tergit sowie dem Scaphium, spannt sich eine feine häutige
Chitinmembran aus, die zuerst von Cholodkowsky beschrieben
und als Diaphragma bezeichnet worden ist. Da nun dieses Gebilde
von dem Penis durchbrochen wird, so sind an der Durchbruchsstelle
typische Differenzierungen entstanden, die lange Zeit falsch gedeutet
wurden, bis man durch die Arbeit von Zander völlige Klarheit erhielt.
An der Durchbruchsstelle des Penis nämlich stülpt sich die Membran
trichterförmig in das Abdomen des Tieres ein und bildet eine lockere,
schlauchartige Umhüllung für den Penis, die sich dann dessen Basıs
fest anlegt Diese Bildung in ihrer Gesamtheit wird als die „Penis-
tasche“ bezeichnet. Die an der Umschlagstelle gebildete Haupt-
duplikatur, der sogenannte „Ringwall“, zeigt nun verschiedene Chitini-
sierungen, die dem Tiere eine sichere Führung des Penis ermöglichen.
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 12. 3 12. Heft
34 Herbert Michael;
Es bleibt bei Bombyx mori der innere Teil dieses sich verstülpenden
Ringwalles zart membranös, während der äußere beträchtliche chitinige
Differenzierungen zeigt, die in Gestalt eines Winkels beiderseits hervor-
Fig. 7. Schnitt durch Penistasche mit Penis (Schema).
Originalzeichn. !s verkleinert.
ragen (Fig. 3) und dem Ringwall dadurch die nötige Festigkeit ver-
leihen, wozu sie noch mit besonderen Chitinleisten (Fig. 4) ver-
steift sind. Auf der Dorsalseite wölbt sich dann dachartig zwischen
diesen Chitingebilden eine zarte Membran, die drei deutliche
Querfalten zeigt. Auf der Ven-
tralseite schließt sich diesem
Schutzgebilde eine Hautduplika-
tur von röhrenförmiger Gestalt an,
die biskuitartig eingeschnürt ist. Er NE Au |
Das eben erwähnte Dach und die ren u —
äußeren Membranen der Duplika- Deisi::i:, LH LA,
turen gehen dann in das Diaphrag- “RR PN... _PE
ma über, ‘während die inneren tief EN P
in das Innere des Abdomens als Bl 77T
eigentliche „Penistasche“ führen. a en Er
Dieser Teil, der eine feine faltige
Struktur besitzt, legt sich dann
eng dem verdickten unteren Ab-
‚schnitt des Penis an und überzieht Fig. 8. Schnitt durch das Hinterende
als feine Haut dessen basale Teile des männl. Abdomens.
(Fig. 7» B Originalzeichn. %/s verkleinert.
Wie bereits erwähnt, ıst man sich lange Zeit über die Morphogenese
dieser „Penisarmaturen‘, um mit den Worten von Poljanec zu
reden, d. h. der distalen Gebilde des Ringwalles und der eigentlichen
Penistasche im unklaren gewesen, und so kommt es, daß wir in, der ein-
schlägigen Literatur eine Unmenge von Deutungen und Bezeichnungen
Ueber Bau der Geschlechtsapparate ‚und. Kopulation von Bombyx mori. . 35
‚finden... Unter diesen ‚‚Penisarmaturen würde man die „Harpae“ der
früheren: Autoren, "die Basalfalte. Klinkhardts, das.. von
Schröder. beschrieliene Brachium, dıe Sella Stichels und die In-
„krustation C holodkowskys zu verstehen haben. Von Poljanec
"werden ‘sie. als ‚innere Valven‘. bezeichnet, während Petersen ine
„ Teilbezeichnung Schröders „Faltura“ vorschlägt, wobei er jedoch noch
„eine „faltura inferior. und „faltura superior unterscheidet. _
4 -
; Der Penis.
Unter gewöhnlichen Umständen liegt der Pas Eis 4 und 7} zu
etwa L ; in dem sackförmigen. Abschnitt der. Penistasche verborgen.
Er, wird von einer ziem-
lich stark chitinisierten
Röhre gebildet, dıe axıal.
von dem Ductus ejacula-
torıus durchzogen wird.
Am distalen Ende biegt
dann die Wand des Duc-
tus unter Bildung einer
ausstülpbaren häutigen
Blase, dem sogenannten
Praeputium, von welchem
wir noch ausführlich weı-
ter unten sprechen wer-
den, um und geht in die
chitinisierte- Außsnröhre
über. - Am “ proximalen
Ende verdickt sich ‘das
Penisrohr kolbenförmig,
verengert sich dann wie-
der zu dem Blindsack,
einem geschlossenen, chi-
tinıgen Zapfen. In die-
sem Blindsack setzt der
Retractor an.
In die Verdickung
proximalen Teiles
des Penis mündet dorsal
der Ductus las mit einer besonders differenzierten Auftreibung
ein, die von den meisten Autoren zum Ductus ejaculatorius ge-
e rechnet wurde, von Zander jedoch mit zum Penis. Auch sie ist von
der Penistasche umhüllt. _Wön Ruckes wird diese Auftreibung Ejaku-
- latorybulb genannt, während ich .die Bezeichnung „Penisbulbus“ vor-
schlage und somit glaube, auch der Ansicht von Zander gerecht zu
“werden. Dieser‘ Penisbulbus, ein muskulöses- Gebilde, wird dorsal-
- wärts-.vom: eigentlichen Ductus ejaculatorıus durchzogen, während sein
Lumen mit dem des Penis in Verbindung stel 1.
Fig. 9. Männl. Kopulationsapparat. dee
SEERSESEN. 1/a verkl.
ala 2 oy 376
3* 12 Heft
36 "HerbertMiehael:
Axıal zieht sich dann durch den Penis der Ductus ejaculatorius,
ventral von diesem der Retractormuskel, der einerseits im Blindsacke,
andererseits am distalen Ende des Ductus ejac. ansetzt. Typische
Differenzierungen finden sich an der Penisspitze, die durch
die Duplikatur des Ductus gebildet werden. Das chitinige Penisrohr
läuft auf der dorsalen Seite am distalen Ende in eine schwach nach oben
gekrümmte Spitze aus. Die häutige, vom Ductus ejac. gebildete, stark
ın Falten gelegte Duplikatur geht dann beiderseits in einen fein membra-
nösen flügelartigen Anhang über, der ebenfalls starke Faltung aufweist.
Ventralwärts schließt sıch dann ein großer Endlappen an, der am Ende
eine blasige Auftreibung besitzt und mit kurzen aber starken Borsten!
besetzt ıst. Letzteres Gebilde dürfte wohl das sein, was Petersen als
"Endlappen, lobi apicales, ausspricht. Die ganze Penisspitze findet man
als „Praeputium“ oder „Peniseichel“ bezeichnet.
Der Bau des weiblichen Apparates.
Den zahlreichen Untersuchungen über den Bau des männlichen
Kopulationsapparates der Lepidopteren stehen nur wenige Arbeiten über
den des weiblichen Apparates gegenüber. Von letzteren Autoren seien
an dieser Stelle nur Peytoureau, Hoffmann, Jordan
und Meixner erwähnt. ‘Besonderer Beachtung sind die Arbeiten
von Petersen würdig, der sich große Verdienste durch das genaue Stu-
dıum des Baues der Bursa copulatrıx erworben hat, ferner die von
Freiling über die Duftorgane der weiblichen Schmetterlinge.
Wie bei den männlichen Lepidopteren, so wird auch bei den weib-
lichen der Kopulationsapparat aus den letzten drei der vorhandenen
zehn Abdominalsegmente gebildet, die zu diesem Zwecke ebenfalls
typisch umgebildet sınd. Ein wesentlicher Unterschied in der Organi-
sation des männlichen und weiblichen Apparates besteht nun aber darin,
daß der männliche stets nur eine Geschlechtsöffnung aufweist, während
der weibliche in der Regel deren zwei besitzt. Jedoch ist auch hier
eine Geschlechtsöffnung das Primitive gewesen, wie aus den Arbeiten
von Petersen hervorgeht, auf die an dieser Stelle nochmals ver-
wiesen sei. Die nähere Beschreibung der einzelnen Segmente, die den
weiblichen Kopulationsapparat darstellen, soll in folgenden Zeilen ge-
schehen.
Das 8. Segment.')
‘Während bei dem männlichen Kopulationsapparat das 8. Segment
nur geringfügige Umbildungen aufwies, ist dies beim weiblichen zum
kompliziertesten und wichtigsten geworden. Deutlich können auch hier
Tergit und Sternit unterschieden werden, die mittels einer feinen häu-
tigen Lateralmembran miteinander verbunden sind. Das Tergit (Fig. 10)
ist kein einheitliches Gebilde, sondern wird von zwei schwachgewölbten
!) Das siebente Segment ist, wie auch beim männlichen Tiere von einer
Umbildung völlig unberührt.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 37:
welligen ‚Chitinplatten dargestellt, die nur durch eine zarte Membran
miteinander in Verbindung stehen; auf ihrer Oberfläche sind sie äußerst
ungleichmäßig mit Chitinborsten besetzt. Diese Platten schmiegen sich
nun zu beiden Seiten hülsenartig dem verschmolzenen 9. und 10. Seg-
ment an (Fig. 15), so daß, da letzteres vor- und rückstülpbar ist, hier-
durch ein teleskopartiges Gebilde zustande kommt, wobei die äußere
Fig. 10. Tergit des 8. weibl. Segmentes.
Originalzeichn. 2 verkleinert.
Hülle eben durch dieses Tergit dargestellt wird. Die feine verbindende
Membran der beiden Platten liegt auf der dorsalen Seite.
Typische Differenzierungen der Intersegmentalmembran, die sich
vom 8. Tergit nach dem 9. bis 10. Segment hinzieht, stellen die von
Freiling beschriebenen Duftsäcke oder Sacculi dar. Die betreffende
Membran ist zu diesem Zwecke stark vergrößert und bildet im kolla-
Fig. 11. Sternit des 8. weibl. Segmentes, untere Randplatte entfernt.
Originalzeichn. "az verkleinert.
bierten Zustande mächtige Faltenkomplexe, die sich beiderseits bis tief
in das 7. Abdominalsegment des Tieres erstrecken. Die Oberfläche
dieser Gebilde ist mit kleinen Chitinstacheln besetzt; das Drüsenepithel
wird aus stark flächenhaften Zellen zusammengesetzt. Durch Blut-
druck können diese Faltenkomplexe ausgestülpt werden, so daß sie als
je ein, ziemlich großes, blasiges Gebilde, sogenannte Duftsäckchen,
12. Heft
BBu Herbert Michdkl: "all wen und
unterhalb der beiden Chitinplatten‘ des 8. Tergites sichtbar ‘sind! Be-"
sondere Muskeln dienen dann wieder der‘ Retractiön.
Bedeutend größere Umgestaltung als das Tergit weist das Sternit
auf (Fıg, 11), das den Träger der sich kraterförmig in das Ab-
domen einsenkenden Kopulationsöffnung darstellt. Dorsal und ventral
rahmen mächtige Chitinplatten die Kopulationsöffnung, die auch die Be-
zeichnung Ostium bursae trägt, ein. Die dorsale Platte, ein kamm-
artiges Gebilde, weist hierbei besonders typische Differenzierungen auf,
welche noch später eingehend beschrieben werden sollen. Die ventrale
Platte, die ich Basisplatte nennen möchte, ist bei dem auf Fig. 11 darge-
stellten Objekt abpräpariett, da..durch sie sonst der Einblick in das
Ostium bursae ‚erschwert wird, und auf Figur 12 besenders abgebildet;
ihre natürliche Lage kann aus Figur 14 ersehen werden.:
Dieses achte Sternit ist auch der Träger eines Paares mächtiger
Apophysen, die als lange dünne Chitinstäbe beiderseits dem Sternit an-
sıtzen und sich tief ın das Abdomen erstrecken. Diese Gebilde, die von
Fig. 12. Untere Randplatte des 8. weibl. Sternites.
Qriginalzeichn. 1/2 verkleinert.
t
Peytoureau als baguettes anferieurs bezeichnet werden, dienen dem
Ansatze von Muskeln, die den zum Legegeschäft durch intraabdominalen
Druck vorgestülpten Kopulationsapparat wieder in die normale Lage zu-
rückziehen.
Ein für die Kopulation äußerst wichtiges Gebilde des achten Ster-
niten stellt die schaufelförmig ausgehöhlte Platte mit dem kammartıg
ausgezackten Rande dar, die sich horizontal über dem Ostium bursae
hinzieht und von einer sich vorstülpenden stark chitinisierten Falte
(Fig. 11) gebildet wird. ‚Die dorsale Platte dieser Faltenduplikatur,
der ich aus später zu ea kmen Gründen den Namen ‚Greifplatte“
gebe, setzt sich in die verbindende Membran nach dem verschmolzenen
neunten und zehnten Segment zu fort, während die ventrale nach einer
leichten Auswölbung in das Ostium bursae übergeht. . Eine mediane
Einbuchtung der Greifplatte wird ihrerseits durch einen schmalen Spalt
unterbrochen, der sich senkrecht tief ın dieses Gebilde erstreckt. Nach
den beiden Seiten hın läuft die Platte ın starke Chitinleisten aus, an
denen dann die oben beschriebenen Apophysen ansetzen. Schmale
Chitmplatten umziehen seitlich die kraterförmige Kopulationsöffnung
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 39
und setzen sich in jener einfachen, der Greifplatte parallelen Chitin-
platte fort, die am Außenrande schwach gewellt ist. Ihre natürliche
Lage zeigt Figur 14. BA
Eine stark gefaltete Intersegmentalmembran, die ein Vorstülpen
des ganzen Kopulationsapparates ermöglicht, zieht sich vom achten
zum siebenten Sternit. Zwischen der Greifplatte, der Basısplatte, und
den beiden seitlichen schmalen Chitinplatten stülpt sich die schon’ mehr-
fach erwähnte Kopulationsöffnung in Form eines Trichters ein. Durch
eine dorsal und ventral in den Trichtergrund verlaufende wellige Chitin-
leiste gewinnt dies Gebilde wesentlich an Festigkeit. Das Östıum bursae
Fig. 13. 9. u. 10. weibl. Fig. 14. Schnitt durch das Hinterende des
Segment. weibl. Abdomens.
Originalzeichn. Fig. 13 Ye, 14 23 verkleinert.
verengert sich dann zu einem kurzen Schlauch, dem Ductus bursae,
der in die eigentliche Bursa copulatrıx überleitet.
Die Außenwand des Ductus bursae ist unter normalen Umständen
so stark gefaltet, daß dieser völlig abgedichtet ist und somit auch das
Lumen der Bursa copulatrıx von der Außenwelt abschließt.. Auf seiner
dorsalen Seite, mehr der Bursa zu, mündet der Ductus seminalıs. Die
Bursa copulatrix selbst stellt einen mächtigen, membranösen Chitinsack
dar (Fig. 14 und 17), der eine: netzartige feine Struktur besitzt und auf
der Innenseite mit winzigen Chitinborsten besetzt ist. Eine ausge-
sprochene „Lamina dentata“, d. h. eine stark mit Borsten besetzte Chitin-
platte, wie man sie bei anderen Formen häufig findet, fehlt bei Bombyx
mori völlig. Im ungefüllten Zustande ıst die Bursa stark kollabiert.
"Das 9. und 10. Segment.
Wie mehrfach bereits erwähnt, sind das neunte und zehnte Segment
verschmolzen und zu dem eigentlichen Eilegeapparat umgebildet. Dieses
12. Heft
40 Herbert Michael:
Doppelsegment (Fig. 13) besitzt die Gestalt einer Halbkugel und ist so-
wohl der Träger der Analöffnung als auch der dicht darunter gelegenen
Mündung des Eileiters, der Vagina. An den beiden Seiten wird das
Doppelsegment von je einem Chitinlappen bedeckt, die von Stitz als
„Laminae abdominales“, von Peytoureau als ‚‚Valvae bezeichnet
werden. In dem von beiden Chitinlappen gebildeten, dem halbkuge-
ligen Segment median gelegenen Schlitz münden die beiden oben er-
wähnten Oeffnungen. Beide Chitinlappen sind dicht mit mächtigen
Sinnesborsten überzogen, die dem Tiere zur Untersuchung der Uhnter-
lage beim Legegeschäft dienen. Da auch dieses Doppelsegment, be-
Fig. 15. Weibl. Kopulationsapparat. Originalzeichn. "/» verkl.
sonders bei der Eiablage sehr weit vorgestülpt wird, so sitzen seitlich
am proximalen Rande auch hier ein paar mächtige Apophysen an,
die von Peytoureau ‚„baguettes posterieurs genannt werden.
Die Funktion der Geschlechtsapparate während der Kopula.
Während über die Biologie der Lepidopterenkopulation eine Menge
recht wertvoller Arbeiten bestehen, so sind es fast nur verstreute An-
gaben, die sich mit der eigentlichen Funktion der Geschlechtsapparate
bei der Copula beschäftigen. Von solchen Autoren wäre unter anderem
hier zu nennen Meixner, Jordan und Zander.
[Wie man schon leicht aus der Morphologie des männlichen und
weiblichen Kopulationsapparates hat ersehen können, stellt das männ-
“liche Tier mit seinen mächtigen hakenförmigen Valven und den übrigen
Klammerorganen bei dem Geschlechtsakte den aktiven Partner dar,
während das Weibchen sich völlig passiv verhält oder nur insofern
zur Möglichkeit einer festen Umklammerung beiträgt, als der weibliche
Apparat besondere Chitindifferenzierungen aufweist, in welche die männ-
lichen Greifvorrichtungen genau einpassen. Dies soll nun in folgenden
Zeilen genauer betrachtet werden.
Im Gegensatz zum männlichen Apparat, wo nur die drei letzten
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 4]
Abdominalsegmente bei der Kopula in Tätigkeit treten, ist beim weib-
lichen Tier auch das siebente Segment ın Mitleidenschaft gezogen.
Gänzlich unwichtig ist jedoch die Rolle des siebenten weiblichen und
achten männlichen Tergites, deren Lage bei der Kopula ganz ver-
schieden sein kann. Entweder steht das siebente weibliche weit über
das männliche achte Tergit heraus, oder die beiden stoßen, wie es
auch bei dem der Figur 16 zu Grunde gelegten Objekte der Fall
war, mit ihren Außenrändern zusammen.
Von größerer Bedeutung ist das männliche achte Sternit, das die
eigentliche Unterlage für den hinteren Teil des weiblichen Abdomens
darstellt. Das weibliche siebente Sternit ruht bei der Kopula auf
der früher beschriebenen Chitinplatte des achten männlichen Sternites,
Fig. 16. Schnitt durch den männl. (rechts) und weibl. (links) Apparat in copula.
Originalzeichn. /s verkleinert.
die von der Intersegmentalmembran gebildet wurde. Die beiden breiten
Chitinzapfen am proximalen Rande dieser Platte (Fig. 2) verhindern
ein zu weites Vorgleiten des weiblichen Abdomens.
Die wichtigsten Klammerorgane stellen die Anhänge des zehnten
männlichen Segmentes, Uncus und Scaphium, dar, die mit dem achten
weiblichen Sternit in Verbindung treten. Der Uncus greift mit seinen
beiden seitlichen zapfenartigen Ausstülpungen von der Oberseite derart
ın die schaufelartige Greifplatte des weiblichen achten Sternites eın,
daß der schmale Längsspalt dieser Platte zwischen die beiden Zapfen
des Uncus zu liegen kommt. Von der Unterseite greift nun aber ın
diesen Längsspalt das hakenförmige Scaphium ein. Auf diese Weise
ist ein seitliches Verschieben des weiblichen Abdomens bei der Kopu-
12. Heft
42; Be; | Herbert Michael:
lation unmöglich gemacht und etwaige Befreiungsversuche des Weibchens.
hierdurch sehr erschwert. In diese Greifplatte haken nun auch die‘
. mächtigen Valven des männlichen neunten Sterniten ein, die von beiden’
Seiten (Fig. 17) des Männchens her, beinahe gemeinsam in der Mitte:
der Platte einsetzen und einen Druck auf letztere ausüben, wodurch.
das weibliche Abdomen stark auf die oben erwähnte Chitinplatte des
achten männlichen Sternites gedrückt und somit fest fixiert wird.
Doch darf die Bedeutung der Valven nicht überschätzt werden, .da
Tiere, denen der größte Teil der Valven operativ entfernt worden
war, ‚gleichfalls eine ganz normale Kopulation eingingen, allerdings
zeigten sich diese Tiere beim Ergreifen der Weibchen bedeutend
unsicherer, und ich spreche daher den Valven von Bombyx mori mehr.
die Bedeutung eines Tastorganes zu. Eine Vermutung, für deren
Fig. 17. Männl. u. weibl. Apparat in copula. Originalzeichn. '/s verkl.
Wahrscheinlichkeit auch der Umstand spricht, daß sich an den Spitzen
der Valven. kleine. Sinnesborsten befinden. Auch die Innenseite des
Uncus ist, wie ja bereits bei seiner Beschreibung erwähnt wurde,
stark mit Sinnesborsten überzogen, die gleichfalls zur Untersuchung
der zu ergreifenden Unterlage dienen.
Ist nun eine feste Umklammerung des Weibchens hergestellt, so
erfolgt die Einführung des Penis in das Weibchen durch das Ostıum-
bursae. Zu diesem Zwecke wird der Penis weit aus der Penistasche
'herausgestülpt, die dadurch, da sie ja am Penisgrund fest dem Penis
anliegt, stark zusammengeschoben wird und große Faltenkomplexe
bildet (Fig. 16). Der Penisbulbus wir mächtig in die Länge ge-
zogen, wodurch dessen Volumen beträchtlich verringert wird. Die
Leibesflüssigkeit gelangt, da sein Lumen ja mit dem des Penisrohrs.
in Verbindung steht, in das Penisrohr, und der Ueberdruck bewirkt
hier die kappenartige Ausstülpung des Praeputiums. Bei nor-
maler Kopulation wird der Penis etwa bis zur Mündung des Ductus:
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und ‚Kopulation von Bombyx mori. 43
bursae in die: Bursa copulatrix eingeführt (Fig. 16). Det dorsal
vom Ductus bursae. abgehende Pa Ale rd völlig abgesperrt
und somit ist ausgeschlossen, daß die Spermamassen einen “anderen
Weg als zuerst in die Bursa einnehmen. Der Penisbulbus besorgt
dann auch das Ueberpumpen des Spermas durch das Penisrohr:; wirkt
also wıe das Gummihütchen einer Pipette.
Nach beendeter Kopulation wird der Penis zurückgezogen, wo-
durch das Lumen des Penisbulbus- wieder vergrößert und’ somit auch
der Ueberdruck ım Penisrohr aufgehoben wird. Der ım Blindsacke
des Penis ansıtzende Retraktor des Praeputiums vermag dann dieses
in die normale Lage zurückzuziehen.
Der Lauf des Spermas im männlichen Genitalapparat u
der Kopulation.
Nach der Einführung des Penis in die weibliche Bursa erfolgt
dann die eigentliche Kopulation, deren Untersuchung zu verschiedenen
Zeitpunkten und Phasen nunmehr beschrieben werden soll. Von grund-
legenden Arbeiten, die sıch hiermit befassen, seien die von Petersen
und Klatt emwabit: Ehe jedoch der Lauf des Spermas vom Hoden
bis zum Penis verfolgt werden soll, mag aus Gründen ‚der leichteren
apparates eben werden. An den schon Era Boschtichändi Pam
bulbus schließt sich ein ziemlich langer, stark muskulöser Ductus
ejaculatorius, der sogenannte Ductus ejaculatorius simplex an, der
sıch dann in zwei ÄAeste, den sogenannten Ductus ejaculatorius‘
spaltet. Diese Aeste serdicken sch all Sen Samenblasen,
Vesiculae seminales, die zweı langgestreckte, stark verdickte Gebilde
darstellen und in die Nebendrüsen oder akzessorischen Drüsen, langen,
schlauchförmigen, vielfach’ gewundenen 'Anhängen, übergehen. Beider-
seits, etwa in der Mitte, mündet in die Samenblase je ein langes
Vas deferens, das in den nierenförmigen, viergekammerten Hoden führt.
Es wurden nun Serien von Pärchen ın Kopulationsstellung von
ganz bestimmten Zeitdauern auf Längsschnitten betrachtet und besonders
hier der Inhalt der verschiedenen Teile des männlichen Genitalapparates
einer genauen Untersuchung unterworfen. Zuvor wurde: dies jedoch
erst mit einem männlichen Tier allein vorgenommen, das noch nie
vorher ein Weibchen begattet hatte. Es ergeben sich nun.bei den
verschiedenen Untersuchungen folgende Resultate:
1. Untersuchung. Objekt: Ein männliches Tier allein, das noch
nie kopuliert hatte. Der Genitalapparat wurde herauspräpariert und
die einzelnen Organe quer geschnitten. Die Kammern des Hodens
waren dicht mit lockenförmigen Spermabündeln angefüllt, ebenso die
Samengänge und Samenblasen. Zwischen den Spermabündeln befand
sıch überall ein feinkörniges Sekret, die sogenannte Grundsubstanz, wie
sıe von Klatt auch beim Schwammspinner gefunden und beschrieben
worden ist. Der Ductus ejaculatorıus war mit einem grobkörnigen
12. Heft
44 Herbert Michael:
Fig. 18. Weibchen unbefruchtet.
a Genitalapparat, Kittdrüsen wie auch bei folgenden entfernt.
b Bursaquerschnitt.
Originalzeichn. a ?/s, b Yz verkl.
a b
Fig. 19. Weibchen nach 15 Minuten Copula.
a Genitalapparat. b Bursaquerschnitt.
Originalzeichn. ®s verkl.
a b
Fig. 20. Desgl. nach 45 Min. Copula. a Genitalapparat. b Bursaquerschnitt.
Originalzeichn. ?3 verkl.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 45
Fig. 21. Desgl. nach 4 Std. Copula.
a Genitalapparat. b Bursaquerschnitt
Originalzeichn. °/s verkl.
(x } (ER >
NY,
\ N,
INES
\
Fig. 22. Desgl. nach 4 Std. Copula. a Genitalapparat. b Bursaquerschnitt.
Originalzeichn. ?/s verkl.
a b
Fig. 23. Desgl. nach etwa 24 Std. Copula, Eiablage bereits erfolgt.
a Genitalapparat. b Bursaquerschnitt.
Originalzeichn. ?/s verkl. 12, Heft
46 .hem wıdaal 4 BE :Mischagl:-nidar: 3 10 eff ads)
käsıgen Sekret erfüllt, das von dessen Wänden abgeschieden worden
war und die Substanz der späteren Spermatophorenhülle darstellt.
Der Ductus des Penisbulbus sowie des Penis war völlig leer.
2. Untersuchung. Das Objekt stellte ein Pärchen dar, das
zwei Minuten’ nach erfolgter Umklammerung abgetötet worden war.
Die Untersuchung auf Längsschnitten. Es zeigte sich nun
in diesem Falle, was sich auch bei mehrfach wiederholten Unter-
suchungen bestätigte, daß nämlich die eigentliche Kopulation zu diesem
Zeitpunkte der Umklammerung noch gar nicht eingesetzt hatte, das
heißt, daß der Penis noch gar nicht in die weibliche Burns
geführt war. ‘Die Untersuchung des Inhaltes der verschiedenen Teile
des männlichen Genitalapparates ergab das gleiche Bild wie bei Unter-
suchung 1.
"53. :Untersuchung. Nunmehr wurde ein Pärchen untersucht,
‘ das sich 15 Minuten in Umklammerung befunden hatte (ebenfalls Br
auf Längsschnitten). Hier wurde nun der Penis in das weibliche
Tier eingeführt gefunden. Die eigentliche Kopulation hatte also ein-
gesetzt. Die Kammern des Hodens waren merklich schwächer mit
‘ Sperma gefüllt, die Samenleiter waren fast leer, auch die Samenblasen
zeigten nicht mehr ‘die so pralle Füllung, dafür waren aber sämtliche
ausführende Gänge stark gefüllt.
4. Untersuchung. Hier wurde ebenfalls auf Längsschitten
ein Pärchen nach 30 Minuten Umklammerungsdauer untersucht. Der
“ Penis wurde ımmer noch ganz normal ın den weiblichen Genitalien
eingeführt gefunden. Der Hoden zeigte das gleiche Bild wie beı
der. Untersuchung 3. Der Samengang war fast leer, ebenso war
die Samenblase nur schwach gefüllt. Der Ductus ejaculatorıus wie
auch der Ductus des Penisbulbus und des Penis wies nur vereinzelte
Spermabündel und ganz lockere Sekretspuren von Grundsubstanz auf.
©... Untersuchung. Das Objekt stellte hier ein Pärchen nach
“45 Minuten Umklammerungsdauer dar. Der Penis war nun nicht
mehr eingeführt, sondern befand sich herausgezogen seitlich des Ostium
bursae. Die Hoden und Samengänge. gaben den gleichen Anblick
wie bei der Untersuchung 4. Die Samenblasen wiesen nur noch einzelne
.Spermabündel auf, die in einem flockigen Sekret, der Absonderung
der Nebendrüsen, verstreut lagen. Von diesem Sekret war auch der
Ductus Sasnlatonus erfüllt; es stellt also eine Art Spülmasse.für die
männlichen Gänge des Garen dar. Bei der Kopulation
dürfte ‘es wohl in der Hauptsache das Material für den später zu
besprechenden weiblichen Begattungspfropf darstellen.
Auf folgender Tabelle sind nun die Resultate‘ der vorstehenden
Untersuchungen nochmals in leicht übersichtlicher Art zusammengefaßt.
Un: nun die eigentliche Dauer der Kopulation zu erforschen,
wurde eine große Anzahl von Tieren in Copula präpariert, und es
zeigte sich hierbei, daß in der Regel etwa 3 bis 4 Minuten nach
erfolgter Umklammerung der Penis in die weibliche Bursa eingeführt
Ueber Bau der Geschlechisapparate und Kopulation von Bombyx mori. 47
Männliches Tier
Vas. Ves. Duct. Penis- .
Organ Hoden def. sem. ejac. bulbus Penis
n gefüllt m. | gefüllt m.
Männchen prall gefüllt Spermau.| grobkör-
unkopuliert _ 2 feinem nigem leer leer
7 Sperma | Sperma Sekret Sekret
Umklammerung
nach 2 Minuten, an
Denis nichteie dto. dto. dto. . dto. dto. dto.
geführt
Umklammerung | weniger
nach 15 Minu- dicht en dto gefüllt mit Sperma und
ten, Penis ein- mit Sherika ; feinem Sekret
geführt Sperma P z
Umklammerung Sperma .
nach 30 Minu- schwach fast weniger weniger, feine
ten, Penis ein- u BER Sperma de feine Se. | Sekret-
er Sperma | Sperma p spuren
geführt kretspur.
. Umklammerung lockeres | fast leer,
nach 45 Min. Pe- Sekret.m. | Spuren v.
nis nicht mehr dio. dto, Sperma- | lockerem fast leer leer
eingeführt spuren Sekret
und ganz selten 45 Minuten nach begonnener Umklammerung noch
in ıhr gefunden wurde. Die eigentliche Kopulationsdauer beträgt also
durchschnittlich etwa 30 bis 40 Minuten.
Bildung der Spermatophorenhülle und ihre Übertragung in die
weibliche Bursa.
Bevor auf die Spermatophore und den Verlauf des Spermas
ım ‘weiblichen Körper eingegangen sei, soll erst der weibliche Genital-
apparat, soweit dieses nıcht geschehen ıst und er für die eigentlichen
Kopulationsvorgänge in Frage kommt, kurz geschildert werden. Der
vom Ductus bursae abgehende Ductus seminalis mündet ın den Canalıs
spiralis dicht an dessen Mündung in dem Ovidukt (Fig. 24), der
an dieser Stelle zu dem sogenannten Vestibulum erweitert ist. Der
Canalis spiralis, bei Bombyx mori ein ziemlich kurzer Gang, geht
dann in das kolbenförmige Receptaculum seminis über, das eine lange
Anhangsdrüse, Glandula receptaculi, trägt. Weiter ee air
die beiden mächtigen Kittdrüsen in den Oviduct, die aber auf den vor-
liegenden schematisierten Zeichnungen nicht mit abgebildet wurden, da
sıe für die eigentliche Kopulation ohne Wichtigkeit sind, sondern deren
‚Sekret nur dazu dient, die Eier klebrig zu machen, ee
Unterlage anhaften.
Zur Untersuchung der verschiedenen Füllungsphasen der Bursa
wurde nun der weibliche Genitalapparat aus den betreffenden Tieren
12. Heft
:48 Herbert Michael:
herauspräpariert, gezeichnet und auf Querschnitten der Inhalt der ver-
schiedenen Teile genau betrachtet.
Auch hier wurde, wie bei der Untersuchung des männlichen Tieres,
mit einem jüngferlichen weiblichen Tier allein begonnen. Es zeigte sich
nun folgendes: Die herauspräparierte Bursa war stark kollabiert
(Fig. 18a). Auf dem Schnitt zeigten sich nur ganz schwache Sekret--
massen in ihr (Fig. 18b); ebenso ım Ductus seminalis, der fast leer
war. Der Canalıs spiralis wie das Receptaculum enthielt ein stark
alkalısch reagierendes Sekret, das aus dessen Anhangsdrüse stammte.
Der nächstuntersuchte weibliche Genitalapparat war aus einem
Tiere von vorhergehender Umklammerung von 15 Minuten Dauer
herauspräpariert. Hier zeigte sich bereits in der Bursa die leere
Spermatophorenhülle, d. h. der übergeführte Äusguß des männlichen
Ductus ejaculatorius. Die Ueberleitung war noch nicht ganz durch-
geführt, denn der Hals, von Petersen Collum genannt, des eigentlichen
Spermatophorenkörpers hatte noch weit im Penisrohr gesteckt und ragte.
nun, nachdem der Penis entfernt worden war, weit aus dem Östium
bursae heraus. Auf dem Schnitt durch die Bursa sieht man nun die
lamelläre Struktur der Spermatophorenhülle, ferner auch, daß diese
von keiner einheitlichen homogenen Substanz gebildet wird. Während
die äußere Schicht käsiger und flockiger Zusammensetzung ist und helle
Einschlüsse zeigt, stellt der Kern (auf der Fig. 19b schwarz gezeichnet)
eine helle durchsichtige hyalıne Masse dar. Ueber den sonstigen Che-
mismus der Spermatophorenhülle vermag ich keine weiteren Auskünfte
zu geben; wie es nach meinen Untersuchungen erscheint, besitzt sie stark
sauren Charakter. Die sonstigen Teile des Genitalapparates zeigten
auf diesen Stadium der Befruchtung keine Veränderung. Auch beim
Seidenspinner, dies würde denn auch die Klatt’schen Versuche am.
Schwammspinner bestätigen, kann man den Anfang der Sekretüberwande-
rungen aus dem männlichen Tier etwa 3—5 Minuten nach erfolgter Um-
klammerung ansetzen. Die Füllung der Spermatophore geschieht nun
derart, daß das helle hyalıne Sekret sich sackartig gleichmäßig aus-
dehnt und die Spermamassen aufnimmt, während das käsige Sekret
äußerst ungleichmäßig als große Fetzen der Spermatophore aufliegt.
Wie man auf dem Stadium der Fig. 20 sehen kann, ist das Sperma, noch
unbeweglich und fest in Bündel gepackt.
Auf dem nächst untersuchten Stadium von 45 Minuten Um-
klammerungsdauer ist die eigentliche Kopulation abgeschlossen. Das.
Collum der Spermatophore liegt an der Mündung des Ductus seminalıs.
Im Ostium befindet sich der Begattungspfropf der aus dem lockeren
Sekret der männlichen Nebendrüsen stammt und derart gebildet wird,
daß der Penis nach erfolgter Begattung noch eine Zeit im Trichter des
Ostium bursae bleibt und diesen dann mit dem eben erwähnten Sekret
ausfüll. Auch hier ist das Sperma noch unbeweglich,. Die anderen
Teile des Genitalapparates zeigen keine Veränderung.
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 49
Die Überwanderung der Spermatozoen aus der Spermatophore
in das Receptaculum bis zur Befruchtung des Eies.
Bei den weiteren Untersuchungen nahm es Wunder, daß die Größe
der Spermatophore immer weiter zunahm, obgleich die Kopulation längst
abgeschlossen war. Oft war die Bursa prall von der Spermatophore
ausgefüllt und der Druck konnte, wıe es Petersen bei andern Schmetter-
lingen auch gefunden hat und ausführlich beschreibt, so stark werden,
daf3 die Spermatophore plötzlich, wenn die Bursa angeschnitten wurde,
aus dieser heraussprang. Dies hat nun seine Ursache darın, daß mit
der folgenden Auflockerung der Spermabündel und dem Uebertritt
der Spermatozoen in das Receptaculum eine beträchtliche Schwellung
der ganzen Spermatophore Hand in Hand geht, die durch den
Chemismus, der die Spermatophorenhülle bildenden Sekrete verursacht
wird, wobei besonders das käsige äußere Sekret, wie wir noch sehen
werden, von großer Bedeutung ist. Schon zwei Stunden nach erfolgter
?
?
a.|b.
Fig. 24. Vestibulum. Fig. 25. Kurve des Männchens beim Aufsuchen
Originalzeichn. 1a verkl. des Weibchens.
Umklammerung beginnen die Spermabündel sich zu lockern und das
Sperma sich zu bewegen und zwar flieht es an diesen Stellen, wo die
starken käsiıgen Sekretmassen der Spermatophorenhülle anliegen, es zeigt
also diesem Sekret gegenüber eine starke negative Chemotaxis. Dieses
Verhalten konnte bei allen weiteren Untersuchungen immer wieder
angetroffen werden. Bereits vier Stunden nach der Begattung konnten
ım Ductus seminalis, Canalis spiralis und dem Receptaculum Sperma-
bündel, denn nur diese wandern über, wahrgenommen werden; doch auch
schon zu dieser Zeit gelangt das Sperma in das Vestibulum, in dem die
Befruchtung des Eies geschieht. Fig. 24 zeigt einen Schnitt zu dem
eben besprochenen Zeitpunkt durch dieses Gebilde, und man sieht sehr
deutlich, wie das zu befruchtende Ei von den Spermatozoen um-
schwärmt wird.
Nach erfolgter Eiablage, etwa 24 Stunden nach Beginn der Copula,
befindet sich in der Spermatophore fast kein Sperma mehr; nur noch in
dem unteren Teil sind vereinzelte Spermafäden zu sehen, während ın dem
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A.12. 4 12. Heft
50 Herbert Michael:
Receptaculum noch eine große Menge Spermatozoen, die sich auch
ın dem Sekret des Receptaculums lange lebend erhalten, vorhanden ist.
Männliches und weibliches Tier bei doppelter Begattung.
Oft hat man beobachtet, daß männliche Tiere mehrmals eine Copula
eingingen, ob es hierbei nun aber überhaupt zu einer Begattung kam,
ıst nicht untersucht, oder wenigstens nicht mit erwähnt. Auch das
Bombyx mori Männchen geht ob seines großen Geschlechtstriebes sofort
eine Umklammerung ein, auch wenn es eben erst kopuliert hat. Anders
steht es nun mit der Möglichkeit der Bildung einer neuen Sperma-
tophore. Als den kürzesten Zeitraum, den die Ausbildung einer zweiten
Spermatophore erfordert, habe ich zehn Stunden gefunden, jedoch ist die
zweite Spermatophore lange nıcht so groß und umfänglich, wie die zuerst
abgeschiedene.
Auch beı weiblichen Tieren findet man hier und da eine zweimalige
Begattung Der Begattungspfropf wird von der Chitinspitze des Penis
durchstoßen. Die beiden Spermatophoren verschmelzen dann oft an den
Berührungsstellen durch ihre Hüllsekrete miteinander und stellen dann
ein pfırsichartiges Gebilde dar. Die beiden Hälse der Spermatophoren.
liegen jedoch auch hier am Abgange des Ductus seminalis. Jedoch ist
eine doppelte Kopulation beiBombyx morinicht so häufig und nur ver-
einzelt zu finden.
Biologie der Kopulation.
Das Aufsuchen des Weibchens durch das Männchen.
Meist in den frühesten Morgenstunden beginnen die Falter zu
schlüpfen, entfalten ihre Flügel, die beim Weibchen immer etwas ver-
krüppelt sind. Die männlichen Tiere schlüpfen in der Regel etwas eher
als die weiblichen. Kaum hat das weibliche Tier sich etwas entfaltet,
so kontrahiert es sein Abdomen, wodurch die beiden Duftsäcke ausge-
stülpt werden, und wartet nun, bis sich ein Männchen naht. Kommt
nun ein männliches Tier in die Nähe, so wird dieses letztere plötzlich
unruhig, da es die weiblichen Düfte spürt und beginnt sofort eine tan- _
zende Bewegung in Form einer oder mehrerer Drehungen auszuführen.
Hat es nun gemerkt, aus welcher Richtung die Düfte kommen, so eilt
es surrend, halb laufend, halb fliegend nach dieser Stelle und umkreist,
mit den Flügeln schlagend, ein oder mehrmals das Weibchen, bis es ıhm
gelungen ist, eine feste Umklammerung herbeizuführen. Nicht immer
gelingt ıhm das sofort, wie dies auf Fig. 25 dargestellte Kurven des
Liebesspieles zeigen. Daß der Duft, der den weiblichen Drüsen ent-
strömt, die männlichen Tiere schon erregt, bewies klar ein kleines Ver-
sehen meinerseits. Ich hielt zu meinen Versuchen die männlichen Tiere
getrennt in einem Pappkästchen für sich. Einst verwechselte ich die
Deckel der Kästchen, so dafs auf den mit denImännlichen Insassen der
des „weiblichen Kastens“ kam. Sofort überkam die männlichen Tiere
jene oben beschriebene Erregung. Als ich nach wenigen Minuten den
Ueber Bau der Geschlechtsapparate und Kopulation von Bombyx mori. 51
Kasten wieder öffnete, fand ıch dıe Tiere alle ın „Kopula“, d. h. die
Männchen hatten sıch untereinander paarweise gefaßt, zeigten sich also
völlig homosexuell. Die dem Kastendeckel anhaftenden weiblichen
Düfte konnten also die Tiere bereits schon erregen. An dieser Stelle
möchte ich nochmals auf die Freiling'’sche Arbeit über das Gebiet des
Schmetterlingsduftes verweisen. Oft zeigt sıch nun aber auch ein weib-
liches Tier nicht zur Copula willig; es ıst dies meist der Fall, wenn es
bereits schon einmal begattet worden ıst. Es streckt dann seine Lege-
röhre weit bis auf den Boden heraus und verdeckt damit die Greifplatte,
so dal das Männchen trotz stundenlangen Bemühens keinen Anhalt zur
Fig. 26. Im Augenblick der Umklammerung (Männchen rechts).
Umklammerung finden kann, und dann ermattet das Spiel aufgibt.
Figur 26 zeigt ein männliches Tier ın dem Moment, wie es das Weibchen
ergreift, die dabei getroffene Stellung ıst die typische.
Der Paarungsakt.
Ist die feste Umklammerung hergestellt, so beginnt sofort ein: ganz
charakteristisches Flügelschlagen beider Tiere, das etwa ein bis zwei
Minuten dauert und wohl mit der Einführung des Penis in das weibliche
‚Tier ımm Zusammenhang stehen mag. Die Bewegung ist äußerst ryth-
misch und sollen hier einige Zählungen wiedergegeben werden:
Innerhalb einer Minute 66 Flügelschläge, innerhalb anderthalb
Minuten 130 Flügelschläge, dann Ruhe, innerhalb zwei Minuten
192 Flügelschläge, dann Ruhe.
Ist die Erregung bei den Tieren vorüber, so aitzenn de ganz stumpf,
ohne jede Bewegung, 10 bis 20 Stunden und noch länger in der Um-
klammerung. Man muß also wohl diese Umklammerung von der kurzen
etwa 30 bis 40 Minuten dauernden eigentlichen Kopulation unterscheiden.
Die Eiablage.
Etwa am anderen Morgen nach der Begattung beginnt das
Weibchen, falls es befruchtet war, seine Eier ntenenander ; in einem
4* 12. Heft
52 Herbert Michael:
dichten Gelege zusammen abzulegen. Ein nicht befruchtetes Weibchen
legt die Eier nicht auf einmal und nicht dicht zusammen ab — hierin
stimmen auch meine Beobachtungen mit denen von Klatt völlig überein,
sondern nur hier und da eins zögernd. Es wird'ihierdurch eine größere
Möglichkeit gegeben, daß das Tier doch noch zur Begattung kommen
kann und somit zur Ablage befruchteter Eier. Männliches wie
weibliches Tier nehmen in ihrem, nur einige Tage zählenden, kurzen
Leben keine Nahrung auf, und sind ihre Mundwerkzeuge völlig ver-
kümmert.
Verzeichnis der Abkürzungen.
A. = After Lm. = Lateralmembran
Ap. == Apophysen m. = Muskeln
B.c: == Bursa copulatrix O.b. = Ostium bursae
Bl. = Blindsack des Penis B = Penis
Bspl. = Basisplatte Pt. == Penistasche
C.sp. = Canalis spiralis Pb. == Penisbulbus
C. = Collum Rc. == Receptaculum seminis
D. — Darm Rw. = Ringwall
d. —= Rückenschuppe Sa. = Saccus
D.b. = Ductus bursae Sc. = Scaphium
D.s. = Ductus seminalis Spb. = Spermabündel
D.ej. = Ductus ejaculatorius Sph. = Spermatophorenhülle
Ed. = Enddarm Skr. == Sekret
El. =’Eikiler U. === Uncus
Gl.r. = Glandula receptaculi V. — Valva
Grpl. = Greifplatte v. = Bauchschuppe
Hpd. = Hypodermis v.d. = Vas deferenz
Is. = Intersegmentalmembran vg. = Vagina
L.a. = Laminae abdominales
Zu den Untersuchungen wurde ein Leitzmikroskop verwendet; die Zeich-
nungen wurden mit einem Zeis’schen Zeichenapparat nach ABBE hergestellt
in Objekttischhöhe. Die angewandten Vergrößerungen bei den verschiedenen
Figuren waren: Fig. 1—6 Ob. 2 Ok. 1, Fig. 7 Ob. 3 Ok. 1, Fig. 8—14 Ob.
2 Ok. 1, Fig. 16 Ob. 2 Ok. 2, Fig. 17 Ob. 2 Ok. 2. Bei den Zeichnungen des-
Genitalapparates Ob.3 Ok.2, bei den Bursaschnitten Ob. 3 Ok. 2. Ä
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Bd. 1911.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer
Tabaniden.
(II. Teil: Die Untergattung Therioplectes Zell. nebst Bemerkungen
zu den mir bekannt gewordenen Bigot’schen Tabaniden- Typen
der Collektionen Mr, Collin’s in Newmarket.)
Von
0. Kröber, Hamburg.
Vorwort.
Wenn ich es wage, zunächst über die höchst schwierige Uhnter-
gattung Therioplectes Zell. zu arbeiten, so geschieht es, weil ich einen
großen Teil der Typen bzw. typisch bestimmtes Material in Händen
hatte und weil mich Herr Dr. J. Villeneuve, unser bester Kenner
palaearktischer Tabaniden in reichstem Maße durch Ueberprüfung
meiner Tiere und durch Mitteilungen und Auskünfte unterstützte, wo-
für ich auch an dieser Stelle herzlichen Dank sage. — Trotzdem ich
mehrfach die Unhaltbarkeit der „Untergattungen“ der Riesengattung
Tabanus habe erkennen müssen (es finden sich überall vermittelnde
und zweifelhafte Arten), so möchte ich gleich wohl an denselben fest-
halten, da doch ein großer Teil der Arten auf diese Weise leicht
auseinander gehalten werden kann. Daß sich fragliche Arten finden,
daß z. B. die Behaarung der Augen (oft wohl Folge des Erhaltungs-
zustands) bei manchen Artylotus oder Ochrops- Arten kaum wahr-
nehmbar ist, daß man über das Vorhandensein eines Ozellenhöckers
ım Unklaren sein kann, schafft doch nur den einen Nachteil, daß man
12. Heft
56 O. Kröber:
solcn unsichere Art eben ın zwei oder drei Untergattungen suchen muß.
Ich habe sogar versucht, in den einzelnen Untergattungen noch wieder
Gruppen nach auffälligen Merkmalen aufzustellen, wie schon Brauer
und Loew es unternahmen. Verschiedene Arten haben ıhren Platz
innerhalb der Untergattungen wechseln müssen. Sehr erschwert wird
die Bestimmung der schwierigsten Gruppe fropicus durch die große
Variabilität. Es ıst hier das Bestimmen von Einzeltieren stets eine
mißliche Sache und wird ım allgemeinen erst ein sehr reiches Material
ein klares Verständnis der Merkmale (Taster, Schwielen, Stirn-
striemen, Fühlerbildung) schaffen. Zwischen montanus und fro-
picus glaube ich diverse Kreuzungen gefunden zu haben, Sehr auf-
fallend sind Färbungserscheinungen, die durch lokale Faktoren des
Fundortes bedingt sind: melanistische Formen in Moorgebieten, auf-
fallend helle, gelbliche Farben bei Seestrands- und Steppentieren, —
Die Genitalien der X zur Bestimmung der Arten heranzuziehen, habe
ich unterlassen (ich möchte darüber später gesondert berichten), da
die 5 doch meistens recht selten in die Hände der Sammler fallen und
ich bei mir unbekannten f doch andre Merkmale heranziehen müßte,
wodurch die Bestimmungstabelle an Einheitlichkeit einbüßen würde. —
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Jos. Collin in Newmarket,
ın dessen Besitz die Bigot’sche Sammlung sich befindet, konnte ich
alle vorhandenen Bigot’schen Typen studieren. Herr Major E. E.
Austen sandte mir Vertreter seiner neuen Ärten und vermittelte mir
manche persönlichen Beobachtungen und Aufschlüsse; Herr Dr. ]J.
Villeneuve gab mir Auskunft über von ihm studierte Typen, na-
mentlich der Marquart’schen Sammlung, von Dr. G. Ender-
lein und Dr. K. Kerteß erhielt ich in bekannter Liebenswürdigkeit
alle erbetenen Arten in Typen bzw. typisch bestimmtem Material.
Außerdem erhielt ich von Herrn Dr. Th. Becker-Liegnitz, Herrn
Professor P. Sack-Frankfurt a M., Herrn B. Lichtwardt-
Charlottenburg, Herrm L. Oldenberg- Wilmersdorf, Herrn A.
Bau-Bremen Material ihrer Privatsammlungen, von den Museen Ham-
burg, Dahlem, München, Dresden, Frankfurt a. M., Stuttgart, Stettin,
Paris (Laboratoire Colonial) z. T. das ganze Material, z. T. Auswahl-
sendungen. Früher hatte ich schon die Tabaniden des Museums
Bremen und die des Herrn Lengersdorf-Bonn durchgesehen. Da-
zu kommt das ziemlich reichliche Material meiner eigenen Sammlung.
Auf Durchsicht des Materials außerdeutscher Sammlungen habe ich
aus sehr leicht erklärlichen Gründen diesmal verzichtet! Allen För-
derern auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank auszusprechen,
soll mir eine angenehme Pflicht sein. — Auf Beschreibung neuer
Arten habe ich im allgemeinen gern verzichtet, wenn es sich nicht
um ganz charakteristische Tiere oder um Arten, die ın großer Stück-
zahl vertreten waren, handelte. Ausführliche Beschreibungen sind nur
in Einzelfällen gegeben worden; meistens habe ich mich bei bekannten
Arten auf Hervorheben der markantesten Merkmale beschränkt oder
Ergänzungen zu den bereits vorhandenen sehr ausführlichen Beschrei-
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 57
bungen von Brauer, Verrall, Shirakı und Szilady gegeben.
Von mir ganz. unbekannt gebliebenen Arten gab ich die Original-
diagnosen. — Möge man billige Nachsicht walten lassen, wo die
Arbeit nicht ganz zur Klärung dieser schwierigen Gruppe beiträgt!
Aus den sorgfältig gesammelten Fundorten und Fangdaten der
einzelnen Arten läßt sich erkennen, wie wenig im großen und ganzen
in den einzelnen Gebieten bezw. Faunen zusammengetragen ist. Bei
gründlicher Durchforschung aller Gebiete werden sich die Verbreitungs-
grenzen der meisten Arten sicher ganz bedeutend verschieben. Ich
verweise als ganz besonders überzeugend auf die Funde von Th.
tarandinus und montanus ! Aeltere Fundortangaben der Literatur
habe ıch mit ? versehen oder ausgelassen, da die Bestimmung vieler
Arten nach dem heutigen Stand unseres Wissens wohl einer Revision
bedürfte. |
Hamburg, März 1922.
Verzeichnis der palaearktischen Therioplectes-Arten nebst Ergänzung
der Literaturangaben des Kertöszschen Kataloges pal. Dipteren
von 1903.
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vus Szil. — aethiops Ljungh = aterrimus Meig. — albomacu-
latus Zett.—=lapponicus Wahlb. var. — alpinus Zett. — nigricor-
nis Zett.
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12. Heft
58 } O. Kröber:
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natus Jaenn. = fropicus Pz. var. — borealis F., Fll. = lappo-
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20. longıpalpis n. spec, J. — Sizilia. — Iugubris Zett.
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21. lurıdus Fll, "2 — Dipt. suec, Taban., 5. 4 (1817);
Kriechb., Zeitschr. Ges. Natw. N. F. VII. 11 (1873); Villen., Ann.
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(1907); Aust., Brit. Bloods Flies., p. 40. t. 15 (1906): Wahlgr., Eni.
Tidskr., XXVIII. 148, 149 et 152 (1907): de Meıj., Tijdschr. v. Ent.
L., p. 155 (1907); Sack, Ber. Senck. Nat. Ges. XXX. 39 (1907):
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Feuille ;. Nat., XXXV. 59 (1905) et Wien. Ent. Zeite., XXIX. 85
1910); Schroed., Stett. ent. Zaitg., LXXI. 390 (1910): Frey, Acta
Soc. Fenn., XXXIV. 28 (1911): Verr., Brit. Flies, V. 367 (1909):
Ric., Arch. Natg., LXXX. 130 (1914): Lichtw., Ent. Mitt., III. 276
(1914); Aust., Bull. Ent. Res. XI. 198 (1920); Surc., Theses Faculte
Scı. d’Alger, Taban., p. 74 (1921). — Eur. bor. et centr., Sibirıa.. —
borealis Ztt., Dipt. Scand., I. 113. 13. vatı a et e (1842). — depressus
Walk., List. Dipt. Brit. Mus. I. 167 (1848); Ric., Ann. Mag. Nat.
Hist., ser. VII. 16. 200 (1905). — punctifrons Wahlb., Oefr. Vet.
Akad. Förh. IX. 200 (1848); Frey, Acta Soc. Fenn., XXXIV. 29
(1911); Wahlg., Ent. Tidskr. XXVIII. 150, 152, 154 (1907); Surc.,
12. Heft
60 O. Kröber:
Faculte Sci. d’Alger, Taban., p. 80 (1921). — Eur. sept.,
ıbirıa.
22. macularıs F,, 2 — Ent. syst., IV. 370. 36 (1794); Surc.,
Theses Faculte Scı. diAlgen, Taban., p. 74 (1921). — Afr. sept. —
trichocerus Big., Q — Mem. Soc. Fr EimnceiV. 637 (1892); Sue
Gen. ins,, Taban,, p- 86 (1921). — melas Szil. = sareptanus Sail. var.
23. men daerins Villen, 2 — Bull. Soc. Rouen. XLVII. 41
(aldi Surc., Theses Faculte Sei. d’Alger, Taban., p. 75 (1921).
— Syria.
24. mıcans Meig, ”Q — Klass., I. 167. 5 (1804); ee
Zeitschr. Ges. Natw. N. F. VII. II. (1873): Coucke, Ann. Soc.
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Antl., 96. 17 (1805). — niger Donov., Nat. Hist. Brit. Ins. XVI.
47, 564 (1813). — signatus Pz., Fauna germ., CX. 20 (1809). —
mitidjensis Megu. — Atylotus mitidjensis Megu.
25. montanus Meig., "Q — Syst. Beschr. II. 55. 31 (1820);
Villen, Ann. Soc. Ent. Fr., LXXIV. 308 (1905); Landr., Ber.
Lehrer V. Nat. Brünn. VIII., p. 52 (1906); Wahlg., Ent. Tidskr.
XXVIlIl. 148, 150 et 152 (1907); Lundb., Dipt. Dan. I. 112 f. 33
(1907); Sack, Ber. Senck. Natf. Ges. XXX. 39. (1907): Kröb., Abh.
Frey, Acta Soc. Fenn. XXXIV. 26 (1911); Ric., Arch. Natg. LXXX.
130 (1914); Ringd., Ent. Tidskr., XXXV. 4, 9 et 11 (1915), Aust.,
Ver. Nat. Unterh. Hambg., XIV. 147 f. 28 (1909); Verr., Brit. Flies,
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d’Alger. Taban., p. 76 (1921). — Eur.
26. var. ıimmaculiventris m, @Q — Turkestan. — centr.
bor., Sıbırra. — ?paganus F., Spec. ins., II. 458. 18 (1781).
tropicus Lw., Verh. zool.-bot. Ges. Wien, VIII. 586 p. p. (1858).
27. Mühlfeldi Br, SQ — Denkschr. Ak. Wien. XLII. 149,
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-— Eur., Sıbiria, Asıa min. — ? expollicatus Pand.. Rev. d’Ent.
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Sibirıa. — niger Donov. = micans Meig. — nigerrimus Zett. =
aterrimus Meise.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Täbaniden. 61
29. nıgricornis Zett. J’Q — Dipt. Scand., I. 112. 12 (1842):
Wahlg., Ent. Tidskr. XXVIII. 148, 150 et 152 (1907); Frey, Acta
Soc. Fenn., XXXIV. 25 (1911); Ringd., Ent. Tidskr. XXXV. 10.
(1915); Aust., Bull. ent. Res., XI. 198 (1920); Surc., Theses Faculte
Sci. d’Alger, Taban., p. 77 (1921). — Eur., centr. et bor. -- alpinus
Zett., Dipt. Scand. I. 116. 16 (1842). — engadinensis Jaenn., Berl.
ent. Zeitschr., X. 75. 15 (1866).
30 nıgricorpusn. sp, 0 Q. — Turkestan.
S1.nıtıdıfrons Sazil., O — Ann. Mus. Nat. Hung. XII. 664
(1914); Surc., Theses Faculte = d’Alger, Taban., p. 77 (1921). —
Sıbirıa, Amur. — paganus F. montanus Maig. — pilosus Lv.
— lateralis Meig.
32. pulchriventris Portsch., © — Hor. Soc. Ent. Ross. XXI.
179 (1887); Ric., Rec. Ind. Mus. IV. 241 (1911); Surc., Theses
Facult& Sci. d’Alger, Taban., p. 80 (1921). — Mongolıa.
33.rupium Br. {9 — Denkschr. Akad. Wien. XLII. 163. 26.
c. II. fzb. (1880); Surc., Theses Faculte Scı.. d’Alger, Taban., p. 82
(1921). — Eur. centr. — punctifrons Wahlb. = Iuridus Fll. —
sacchalinensis Mats. = tropicus Pz.
34. sareptanus $zil. 2 — Ann. Mus. Nat. Hung. XII. 662
f. 2 (1914); Surc., Theses Faculte Scı. d’Alger, 'Taban., p. 83 (1921).
OSs, mer,
35. var. melas Sail. 2. — |. c. XII. 664 f. 2 (1914). — Ross.
mer. — signatus Pz. -- micans Meig. in Schin, = fropicus
Meig. Pz. — signatus Meig. - aterrimus Mei
36. solstitialis Schn. ZQ — F. A. Il. 50 oh Walk.,
Dipt. Saund. I. 22. (var. /) (1850); Villen., Ann. Soc. Ent. Er
LXXIV. 307 (1905); Portevin, Feuille j. Nat. XXXV. 41 (1904/05);
Sack, Ber. Senck. Natf. Ges. XXX. 40 (1907) ;'Lundb., Dipt. Dan. I.
119 £. 37 (1907); Kröb., Abh. Ver. nat. Unterh. Haube, XIV. 152;
f. 31 (1909): Schroed., Stett. ent. Zeitg., LXXI. 391 (1910); Villen.,
‚Wien. Ent. Zeitg., XXIX. 82 (1910); A Acta Soc. Fenn. XXXIV,
28 (1911)- de Meij., Tyjdschr. v. Ent. 155 (1907); Aust., Brit.
Bloods. Flies p. 42.1. 17 (1906) ; a Mem. Real. Soc. H. Nat.
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Trab. Mus. Nac. ‚Cie. Nat. Zool, XIX. 90 (1914); Ringd., Ent. Ti
XXXVII. 302 (1917); Aust., Bull. Ent. Res. XI. 198 (1920); Surc.,
Theses Faculte Scı. d’Alger, Taban., p. 84 (1921). — Eur., Sibirıia. —
— tropicus Lw., p. p. Verh. zool.-bot. Ges. Wien. VII. 586. 11.
(1858). — spilopterus Lw. = Astur Erichs.
37. tarandınus L, JQ—-Fauna sulc. 462. 1884 (1761);
Kriechb., Zeitschr. ges. Natw. N. F. VIII. 11 (1873); Villen., Ann.
Soc. Ent. Fr, LXXIV. 309 (1905); Wahlg., Ent. Tidskr. XXVII.
148, 149 et 151 (1907); Strobl, Mitt. V. Steierm. XLVI. 48 (1909/10);
Kröb., Abh. Ver. Nat. Unterh. Hambg. XIV. 144 f. 26 (1909);
Speiser, Phys.-ök. Ges. Königsb. I. 301 et 69 (1909); Schroed., Stett.
ent. Zeitg., LXXI. 391 (1910), Frey, Acta Soc. Fenn. XXXIV, 24 (1911);
12. Heft
62 O. Kröber:
Lichter., Ent. Mitt., III. 276 (1914); Ringd., Ent. Tidskr. XXXVIH.
302 (1917); Binning, Ent. Tiıdskr. XXXIX. 100 (1918): Shir., Bloods,
Ins. Formosa I. 124 t. 3 f. 2 (1918); Aust., Bull. Ent. Res. XI. 198
(1920); Sure., Theses Faculte Sci. d’Alger, Taban., p. 85 (1921). —
Eur. bor. et centr. Sıbir., Japonıa, Formosa. — karafutonis Mats.,
Journ. Coll. Agr. Tohoku Imp. Univ. Sapporo IV. 1. 64. t, 1. £. 14
(1911).
38. tatarıcus Portsch, ”Q — Hor. Soc. Ent. Ross. XXI
178 (1887); Ric., Rec. Ind. Mus. IV. 242 (1911); Surc., Theses Faculte
Scı. dAlber! Tabanl) p. 85 (1921). — Asia centr.
39. tetrıcus Szil, © — Ann. Mus. Nat. 'Hung. XII. 661. £. 1.
(1912), Surc., gen. ins., Taban. p. 86 (1921). — Caucasus, Amur. —
trichocerus Big. = macularis F. -- tropicus Lw. = montanus
Ms. et solstitialis Schin.
40. tropıcus Panz., $ % — Fauna germ., XIII. 22 (1794);
Kriechb., Zeitschr. ges. Natw. N. F. VII. 11 (1873); Coucke, Ann.
Soc. Ent. Belg., XI. 233 (1896); Villen., Ann. Soc. Ent. Fr., LXXIV.
306 (1905); Aust., Brit. Bloods. Flies, p. 41. t. 16 (1906); Wahlg.,
Ent. Tidskr., XXVIII. 148. 150 et 152 (1907); Lundb., Dipt. Dan,
I. 114. £. 34 (1907); Sack, Ber. Senck. Natf. Ges. XXX. 40 (1907);
Verr., Brit. Flies V. 355 et 771 (1909); Kröb., Abh. Vers. Naturw.
Unterh. Hambg., XIV. 149. f. 29 (1909); Strobl, Mitt. V. Steierm,,
XLVI. 48 (1909/10); Villen., Wien ent. Zeitg. XXIX. 82 (1910); Frey,
Acta Soc. Fenni, XXXIV. 98 (1911); Arıas, Trab. Mus. Nac. Cie.
Nat. Zool. XIX. 89 (1914); Ric., Arch. Natg., LXXX. 130 (1914):
Shir., Bloods. Ins. Formosa 1. 137 t3f. 4et 5 (1918), Aust., Bull.
Ent. Res. XI. 198 (1920); Surc., Theses Faculte Sci. d’Alger, Daban!
p. 87 (1921). — Europa, Sıbiria, Japonıa, Formosa. — fropicus L.
p. p. Fauna suec. 463. 1886 (1761). — ? bimaculatus Megu., Soc.
Scı. Lille p. 163. 17 (1826). — borealis Jaenn., Berl. Ent. Zeitschr.
X. 69. 9. (1866). — luridus Lw., Verh. zool.-bot. Ges. Wien, VII.
526. 12. pp. (1858). — ? paganus F., Spec. ins. Il. 458. 18 (1781).
— sacchalinensis Mats., Journ. Coll. Agr. Tohoku Univ. Sapporo,
Japan, IV. 1. 65 (1911). — signatus Schin., F. A. I. 29 (1862).
41. var. bisignatus Jaenn, 9% — Berl. Ent. Zeitschr., X.
74. 14 (1866); Villen., Feuilles, Nat. XXXV. 59 (1904/05); Poce
l. ce. XXXV. 41 (1904/05); Verr.,. Brit. Flies V. 358 (1909); Frey,
Acta Soc. Fenn., XXXIV. 27 (1911): Aust., Brit. Bloods, Flies, p. 40
- t. 16 (1906, et. Bull. Ent. Res. XI. 198 (1920). — Europa.
42.vittatus F, SQ — Ent. syst. IV. 371. 37 (1794); Strobl,
Mem. Real Soc. Esp. Hist. Nat. Madrid, III. 279 (1906); Arıas,
l. c. VII. 187 (1912); Beck., Ann. Mus. Lt. Peterab., XVII. 77
(1913); Arıas, Trab. Mus. Cie. Nac. Nat. Zool. XIX. 108 (1914);
Surc., Theses Facult& Sci. d’Alger, Taban., p. 88 (1921). — Europa
mer. Äfr, sept.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 63
Bestimmungstabelle der Weibchen *).
l. Kopf ohne Schwielen. Thorax und Hinterleib mit gemeinsamer
breiter brauner Mittelstrieme
(Gruppe: vıttatus) l. vittatus.E.
—- Kopf mit glänzenden 'Schwielen 2
2. Beine einfarbig, ganz schwarz. Schwarze Arten, höchstens mit
hellen Haarflecken ‘Gruppe: micans) 3.
Beine zweifarbig, Schienen stets etwas heller, braun oder gelblich 7.
3. Stirndreieck glänzend schwarz, Taster schwarz, Abdomen mit
hellen Haarflecken 2. micans Meig.
— Stirndreieck glanzlos 4.
4. Brustseiten ganz schwarz behaart (cfr. albomaculatus Zett.) 5.
— Brustseiten grau oder gelb behaart 6.
5. Hinterleib rein schwarz ohne helle Haarflecken
3. aterrımus Mg.
— Hinterleib mit heilen, grauen oder gelblichen Hinterranddreiecken.
5. lugubris Zett.
6. Hınterleib mit breiten, goldgelben Hinterrandsäumen.
4, aurıpilus Meig.
—- Hinterleib mit feinen, greisen Säumen und Dreiecken.
6. tetrıcus Szil.
7. Hinterleib mit meistens breiten, sattgoldgelben Säumen, die stets
goldgelb oder messinggelb behaart sind oder ganz goldrot oder blaß-
gelb behaart und dann die Flügel deutlich gefleckt.
(Gruppe: tarandınus) 5
— Hinterleib schwarz, meistens rotgelb gefleckt, nie mit auffallend
sattgelber Behaarung (Gruppe: tropicus) ‚48
8. Augeneckenschwiele glänzend rotgelb. Taster dunkelgelb.
10. tarandınusL.
— Augeneckenschwiele glänzend schwarz. Taster braun oder schwarz. 9.
9. Flügel gelblichgrau, Queradern ungefleckt. Schenkel rotgelb.
Bauch mit breiten, gelben Hinterrändern. 11. flavipes Wind.
— Flügel hyalın oder bräunlichhyalin. Queradern deutlich braun ge-
fleckt. Bauch und Schenkel ganz schwarz. 10.
10. Taster schlank, schwarzbraun, leichtS-förmig gebogen. Flügel-
fleckung sehr kräftig. Stirnstrieme viermal so lang als breit, schwarz
und gelb behaart; am Auge und Scheitel kurz weiß behaart: Stirn-
dreieck matt. 14. Astur' Erichs.
— Taster dick schwarz, innen gelbbraun. Flügelfleckung deutlich, aber
blaß. Stirnstrieme zweimal so lang als breit, nur gelb behaart; am
*) Bei den Beschreibungen verweise ich im allgemeinen auf die sehr
ausführlichen Abhandlungen Brauer’s (Monographie der europäischen
Tabanus-Arten) und Shiraki’s (Bloodsucking Ins. of Formosa pt. 1.),
und begnüge mich bei den meisten Arten mit Zusätzen.
12. Heft
64 O. Kröber:
Auge und Scheitel lang vornübergeneigte schwarze Haare. Untergesicht
am ÄAugenrand glänzend schwarz. Stirndreieck glänzend schwarz.
13. tatarıcus Portsch.
Hierher 12. pulchriventris Portsch.
11. Taster ganz oder z. T. schwarz oder schwarzbraun. 12;
— Taster hell, weißgelb, weißbraun, weiß. 198.
12. Hinterleib größtenteils rotgelb, außerordentlich -breit oval,
Taster sehr lang und schlank (graecus-artig) 16. brevis Loew.
—- Hinterleib vorherrschend schwarz 13.
13. Hinterleib durch Toment grau mit hellgrauen Flecken und
grauen oder milchweifßßen Hinterrandbinden. Beine fast ganz schwarz,
nur die Schienenbasen, vor allem die mittleren, braun.
8. lapponicus Zett.
— Hinterleib schwarzglänzend. 14
14. 1. und 2. Ring grau, Schienen weißgelb, Vorderschienen z. T.
schwarz. gigas- ähnlich. 15. mendicus Villen.
— 1. und 2. Ring schwarz mit dunkelkastanıenbraunem Seitenfleck,
Hinterränder breit milchweiß. 24, borealis Meig.
15. Hinterleib beiderseits ganz rein schwarz, glänzend, ohne helle
Hinterrandsäume. 1., 6. und 7. Ring seidig silbergrau behaart. Flügel
hyalın mit gelblichen Adern. Große, breite Art.
7. nıgricorpusn.sp.
— Hinterleib nie beiderseits ganz schwarz glänzend und stets mit
hellen Hinterrandsäumen.
16. Die letzten Hinterleibringe seitlich auffallend kompreß.
17. acumınatus Loew.
— Hinterleib nie seitlich kompreß, sondern konisch. 12.
17. Flügel dunkelbraun mit schwarzen Adern.
20. nıgellus Sail.
— Flügel hyalın oder ganz blaßgrau oder braun tingıert. 18
18. Stirnstrieme niedrig, kaum doppelt so hoch als breit. Augen
mit drei Binden. Stirnschwiele eine schmale Binde, Hinterleib mit drei
Reihen blaugrauer Flecken. 19. macularıs Wied.
— Stirnstrieme mindestens 21/smal so hoch als breit. 19.
19. Stirnstrieme nur 2!/;mal so hoch. Augen sehr lang und dicht
behaart. 3. Fühlerglied am Oberrand mit winzig kleinem Höcker.
—- Stirnstrieme 3—b mal so hoch. Augen kurz und dicht behaart. 22,
20. Stirndreieck stark vorgewölbt, glänzend schwarz (cfr. luridus !).
23. hirticeps Loew.
— Stirndreieck wenig vorgewölbt, matt gelbgrau bestäubt. 2;
21. Augen grün mit leuchtend blauen Reflexen und 1—3 feinen,
gelben Binden. Hinterleib grau, am Grunde mit gelbgrauen Seitenflecken.
Behaarung lang, greis. 21. decorus Loew.
— Augen mit drei Binden. Hinterleib schwarz mit weißen oder kasta-
nienbraunen Seitenflecken. 22. lateralis Meig.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 65
22. Stirnstrieme kurz und breit, ca. 3—3'/; mal so hoch als breit. 23
—— Stirnstrieme schmal, unten meistens stark verjüngt, ca. 4—$mal
so hoch als breit. 26.
23. Stirndreieck glänzend schwarz oder braun. Taster bräunlichweiß,
sehr breit, am Vorderrand fast halbkreisförmig. 3. Fühlerglied mit
deutlich abgehackter Ecke (cfr. hirticeps, dessen 3. Glied rundlich
vorgewölbt ist). Kleine, gedrungene Art, sehr dunkel und stark glänzend.
Seitenflecken am 2. und 3. Ring klein. 25. lurıdus Fall.
— Stirndreieck stets matt, wenn stark abgescheuert, dann mit unregel-
mäßigen glänzenden Flecken. 24,
24. Hinterleib schwarz, stark glänzend, mit milchweißen Hinter-
rändern, fast bandiert zu nennen. Taster dünn, schlank, braun, Große
kastanienbraune Seitenflecken am 1. und 2. Ring.
24. borealis Meıs.
— Hinterleib breit, ziemlich glanzlos, schwarz mit drei Reihen grauer
Flecken, ohne jede Spur von Rotbraunfärbung. Bauch schwarzgrau.
Taster weißlichbraun, am Grunde etwas verdickt, durchaus dicht schwarz
behaart. 23.
25. Augen mit drei Purpurbinden. 27. nıgricornis Zett.
— AÄugen mit einer rudımentären Binde, die beim Aufweichen nicht
immer wieder zum Vorschein kommt. Hinterleib rein schwarz mit
weißen Reifen und drei Fleckenreihen. 28. rupıum Br.
26. Stirnstrieme 4—4!/;mal so hoch als breit, meistens ziemlich
breiterscheinend (bei fropicus oft unten stark verjüngt). 21.
— Stirnstrieme mindestens 5—® mal so hoch als unten breit, sehr
schmal erscheinend. 36.
27. Tasterendglied dick aufgeblasen. 28.
— Tasterendglied schlank und dünn. 33.
28. Stirnstrieme meistens grau und unten stark verjüngt, daher
schmal erscheinend (manchmal aber fast parallelrandig), 4'/; mal so
hoch als breit. Augeneckenschwiele fast stets etwas höher als breit.
Scheitel mit deutlichem schwarzen Haarbüschel. Mittelbeine auffallend
lang abstehend behaart, vorherrschend schwarz. 29.
— Stirnstrieme gleich breit, ca. viermal so hoch als unten breit,
fast stets gelbgrau gefärbt. 30.
29. Hinterleib rotgelb. Schwarze Mittelstrieme des Hinterleibes
breiter als !/; Ringbreite. 2. Sternit fast immer mit schwarzem Dreieck.
29. tropicus Panz.
— Hinterleib ganz schwarz oder die Rotgelbfleckung auf Ring 1 und 2
beschränkt. 30. bısignatus Jaenn.
30. Stirndreieck matt gelbgrau. a
—- Stirndreieck glänzend schwarz. 32.
31. 1.—3. Tergit seitlich mit gemeinsamem rotgelben Seitenfleck,
4.—6. mit isoliertem rundlichen graubestäubten Fleck. 2.—5. Sternit
vorherrschend rotgelb. 31. sareptanus Sail.
— Nur 1. und 2, Tergit mit kleinem gemeinsamen rotgelben Seitenfleck,
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 12. 5 12. Heft
66 O. Kröber:
3.—-7. mit isolierten graubestäubten Flecken; nur 2. und 3. Sternit vor-
herrschend rotgelb. 32. melas Sail.
32. 4.—7. Tergit schwarz, ohne isolierte graue Seitenflecke.
34. confinis Zett.
- 4-7. Tergit schwarz mit isolierten grauen Seitenflecken.
33. nitıidifrons Sail.
33; Schwiiger weißlich., Fühler schlank, fast ohne Ecke am
Oberrand des 3. Gliedes, tiefschwarz. Hinterleib merkwürdig sandfarben.
35. MühlfeldiBır.
— Schwinger dunkelbraun, Knöpfchenspitze heller, manchmal weiß. 34,
34. Fühler schlank, vorherrschend schwarz. Stirnstrieme nahezu
parallelrandıg; sehr varıabel 3.
— 3, Fühlerglied mit breiter Platte, vorherrschend hell rotgelb. Stirn-
strieme sehr breit, oben stark verbreitert. Hinterleib stets vom 1. bis
3. Ring rotgelb. 37. fulvicornis Meig.
35. 2. Sternit mit quadratischem schwarzen Mittelfleck.
36. montanus Meise.
— 2, Sternit ohne jede Makel. 38. ımmaculiventris M.
36. Schenkel im Enddrittel rotgelb». Bauch rotgelb mit glänzend
schwarzer Mittelstrieme bis Ring 7. 39, Erberi*) Br.
— Schenkei schwarz, nur dıe äußerste Spitze rotgelb. 3
37. Tasterendglied schlank. Hinterleib bis zum dritten Ring seitlich
rotgelb, 4. Tergit vorherrschend schwarz behaart.
40. solstitialis Schin.
— Tasterendglied aufgeblasen, fast wie bei tropıcus. Hinterleib über
den 3. Ring hinaus rotgelb und hier goldgelb behaart. Schwarze Mittel-
strieme weniger als !/s der Ringbreite einnehmend. Stirnstrieme gelb-
grau (cfr. fropicus mit mausgrauer Stirn und über '/; Ringbreite
einnehmender Hinterleibstrieme). 41. distinguendus Verr.
Bestimmungstabelle der Männchen.
1. Thorax und Hinterleib mit gemeinsamer brauner breiter Mittel-
strieme (Gruppe: vittatus) 1. vittatushr:
— Thorax und Hinterleib anders gezeichnet. 2:
2. Beine einfarbig schwarz. Schwarze Arten, höchstens mit hellen
Haarflecken. (Gruppe: micans) 3:
— Beine zweifarbig, Schienen stets heller, braun oder gelbbraun. 8,
3. Vordertarsen mit langabstehenden schwarzen Tasthaaren.
2. micans Meıig.
— Vordertarsen ohne solche Tasthaare.
4. Hinterleib rein schwarz behaart, 2. und 3. Ring seitlich ofi\schön
kastanıenbraun. 3, aterrimus Meıig.
— Hinterleib mit heller behaarten Partien
5. Hinterleib mit starken goldgelben Binden.
4. auripilus Meig.
*) Gehört in die Untergattung Atylotus.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 67
— Hinterleib mit zarten weißliche.: Hinterrändern und Mitteldreiecken 6.
6. Große Arten mit rein schwarzem Hinterleib.
— Kleine Art mit großen rotgelben Seitenflecken am 2. und 3. Tergit;
2. und 3. Sternit fast ganz rotgelb. 8. lapponicus Zett.
7. Tergite nur mit kleinen Mitteldreiecken. Bauch schwarz.
5% lugubris Zett.
— Tergite mit 3 Fleckenreihen. Bauch grau. Hinterkopf mit auf-
fallend langer schwarzer Behaarung. 28. rupium Br.
8. Hinterleib beiderseits rein schwarz. 1., 5. und 6. Tergit mit
Spuren weißer Behaarung. 97. nigricorpusn.sp.
— Hinterleib stets mit hellen Haarflecken und meistens mit heller
Fleckung. 9,
9, Hinterleib mit goldgelben Hinterrändern und sattgoldgelber Be-
haarung oder Flügel mit starker Fleckung der Adern.
(Gruppe: tarandinus l.
- Hinterleib nıe mit auffallend satt goldgelber Behaarung 13:
10. Fühler und Taster hell rotgelb, Flügel ungefleckt. Bauch mit
breiten goldgelben Binden. 10. tarandınus_L.
— Taster schwarz oder schwarzbraun. 11;
11. Flügel gelblichgrau. Queradern ungefleckt. Bauch mit breiten
gelben Hinterrändern. ll. flavıpes Wied.
— Flügel hyalın oder rußigbraun. Queradern deutlich gefleckt. Bauch
ganz schwarz. 12.
12. Flügel rauchig braun, Fleckung sehr deutlich und ausgedehnt.
Schwinger schwarzbraun. 14. Astur Er.
— Flügel hyalın; Fleckung deutlich, aber blaß. Schwinger mit weißer
Knöpfchenspitze. Untergesicht am Augenrand glänzend schwarz. 5. bis
7. Abdominalsegment beiderseits bleichgelb behaart.
13. tatarıcus Portsch.
13. Taster lang und spitz klauenförmig. Bromiusartig
18. longıpalpisn. sp.
- Taster + oval, kurz, stets am Ende abgerundet. 14.
14. Atzenfelder alle nahezu gleichgroß, an der Naht kaum größer,
jedenfalls die kleinen nıe scharf von den größern geschieden. 15.
— Augenfelder auffallend verschieden, scharf getrennt. 25.
15. Sehr lang greis behaarte, ziemlich gedrungene Arten, Seiten-
flecken des Hinterleibes gelbbraun, nicht rotgelb. Be
lang.
- Kurzhaarıge, meist lang gestreckte schwarz und rotgelb gezeichnete
Arten. Augen mit 2 bis 3 Purpurbinden.
16. Augen unbandiert oder mit einer Binde. Ueber den Queradern
eine rauchige Binde. Hüften und Schenkel schwarz, Fühler meistens
schwarz. 21. decorus Lw.
— Augen blaugrün mit einer schmalen gelben Binde und anschließend
darunter eine breite blaue Binde. Schenkel mit Ausnahme der Basıs
gelb, Fühler gelb, Griffel schwarz. ı 22. cyanops--Br.
5* 12. Heft
68 vB | OReoper:.
17. Taster klein, verhältnismäßig schlank, stumpfkegelig oder lang
oval. 18.
— Taster groß, aufgeblasen, meistens + kugelig. 22.
18. Kopf groß, fast halbkugelig. Hinterleib beiderseits mit breiten
milchweißen Hinterrändern, die weißlich behaart sind, fast bandiert er-
scheinend, glänzend schwarz, 1. und 2. Ring (event. 3. mit kleinem
Punkt am Vorderrand, düsterrotbraun; die schwarze Mittelstrieme dieser
Ringe mehr als '/s der Ringbreite einnehmend. Taster dünn, lang,
kegelig, schwarz mit heller Spitze. Augenfazetten oberhalb der 1.
Purpurbinde deutlich größer. Fühler düsterrotbraun. 3. Glied mit
kleiner scharfer Ecke nahe der Basıs. 24.borealis Meig.
— Kopf verhältnismäßig flach, nicht halbkugelig. Hinterleib beider-
seits mit nur sehr feinen hellen Säumen. Fazetten fast alle gleich groß. 19.
19. Fühler tiefschwarz, sehr schlank. 3. Glied an der Basıs +
düster rotbraun mit kaum merklicher Ecke am Oberrand. Griffel fast
so lang wie die Platte. 3. Glied ca. zweimal so lang als breit. Be-
haarung des 1. und 2. Gliedes länger als beide Glieder zusammen.
Taste: stumpfendend, lang abstehend behaart. 27. nıgricornis Zett,
— 3, Fühlerglied mit deutlicher Ecke am Oberrand, +: mondförmig 20.
20. Augenbehaarung in jeder Beleuchtung schwarzbraun, lang und
dicht. 3. Fühlerglied schlank, düster rotbraun oder schwarz. Behaarung
des 1. und 2. Gliedes länger als diese beiden zusammen. Platte des
3. Gliedes ca. dreimal so lang als breit. Taster stumpf endend, lang
behaart. 26. lateralis Meig.
— Augenbehaarung je nach Beleuchtung weil oder hellbraun, kurz aber
sehr dicht. 3. Fühlerglied breit, hellrotgelb, Platte ca. 1'/smal so lang
als breit. mit ziemlich großer Ecke. Behaarung des 1. und 2. Gliedes
kürzer als diese. Taster spitz endend, kurz hell behaart. 21.
21. 2. Sternit mit quadratischem Fleck. 36. montanus Meig.
— 2. Sternit ohne jede Fleckung. 38. immaculiventris m.
22. Fühler lang und schlank, ohne eigentlichen Zahn oder Ecke,
vorherrschend schwarz. 1. und 2. Glied kurz behaart. Tasterendglied
lang oval, bleich gelb, gelb behaart. Abdomen vorherrschend gelb-
braun oder rotgelb. Mittelstrieme schmal, manchmal nur aus einzelnen
kleinen isolierten Dreiecken bestehend. 2. Sternit mit großem + qua-
dratischen Mittelfleck. Präalarbeulen hell rotgelb.
35. Mühlfeldi Br.
— Fühler breit, 3. Glied mit großer Platte. 1. und 2. lang abstehend
schwarz behaart. 23.
23. Augennaht etwa so hoch wie das sehr hohe Stirndreieck. Kopf
verhältnismäßig niedrig. Hinterleib breit, stark glänzend, ohne helle
Mitteldreiecke, wenngleich an dieser Stelle der Hinterrandsaum jeweils
besonders auffällig behaart ist. 2. Sternit mit quadratischem Fleck,
die folgender: meistens mit schwächerem, so daß eine ’Art Mittelstrieme
entsteht. Scheitel stets ohne schwarzes Haarbüschel.
25. lurıdus Fall.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 69
— AÄugennaht ca. doppelt so lang als das Stirndreieck, dadurch der
Kopf höher erscheinend. Bauch hell rotgelb mit einem kleinen Dreieck
am 2, Sternit oder ohne deutliche Fleckung. 24.
24. Zierliche kleine Art. Scheitel mit schwarzem Haarbüschel.
Rotgelbfärbung nur bis Ring 3 einschl., weıß übergossen (selten als
Punkt auf Ring 4 übergehend. Schwarze Mittelstrieme an Ring 1—3,
ca. !/; der Ringbreite. Mittelschiene mit auffallend langer abstehender
sehr zarter Behaarung. 29. tropicus Pz.
— Große breite Tiere ohne schwarzes Haarbüschel am Scheitel. Rot-
gelbfärbung bis Ring 4 einschl., dicht goldgelb behaart. Schwarze .
Mittelstrieme sehr schmal, ca. !/; bis !/, Ringbreite:
41. distinguendus Verr.
25. Hinterleibspitze auffallend seitlich kompreß, wie zusammen-
gezwickt. Kopf nicht sehr groß und nicht stark gewölbt. Fazetten
in den obern ?/, größer. ;: 17. acuminatus Loew
— Hinterleib nie auffallend seitlich kompreß. 26:
26. Schenkel schwarz, höchstens dıe äußerste Spitze gelb. 2I.:
— Schenkei bis zu ?/; rotgelb., Augenfelder in ‚den oberen °/; ca. Omal
so groß» als ım untern Drittel und am Rande. Taster breit, am Ende
abgestutzt. 39, Erberi*)Br.
27. Kopf stark gewölbt, halbkugelig. Hinterleib glänzend schwarz
mit breiten milchweißßfen Hinterrandsäumen. WVorherrschend schwarze
Art mit düsterrotbraunen Flecken. 24. borealis Meıg.
— Kopf flach. Hinterleib vorherrschend rotgelb, ohne deutliche weiße
Hinterrandbinden. i
28. Schwinger weiß. 35. Mühlfeldi Br.
— Schwinger braun. 40. solstitialis Schin.
1, Th. vıttatus Lw.
©: Fast borstig behaart; kurz gedrungen, garnicht Tabanus- artıg.
Therax und Hinterleib mit derselben breiten sattbraunen Mittelstrieme,
die seitlich von einem grünlich weißgrauen Streifen eingefaßt ist, neben
dem wieder ein sattbrauner Strich liegt. — Stirnstrieme etwa 1'/s- bis
2mal sc hoch als breit, grünbraun, glanzlos, ohne jede Spur von
Schwiele. Seitenränder und ein Mittelstrich etwas heller erscheinend.
Behaarung schwarz, lang, zart, dicht, nach vorn gebeugt; besonders lang
am Scheitel. Ozellenhöcker deutlich, lang oval, glänzend rotbraun.
Fühlerhöcker flach, stark von der Stirn abgeschnürt, hell grauweiß.
Augen unbandiert mit bläulichem Schein, lang und dicht gelbweiß be-
haart. Untergesicht grau mit großem tiefen Einstich. Clypeus scharf
abgehoben. Behaarung lang, matt, gelb. 1. und 2. Fühlerglied schwarz,
graugelb bestäubt, lang abstehend schwarz behaart. 1. + kugelig,
2. linsenförmig, 3. hellgelbrot’ (nach Strobl braun mit schwarzbrauner
Spitze), seitlich stark kompreß, oben fast geradrandig, mit kleiner ab-
gehackter Ecke und dickem rotgelben Endgriffel. Taster lang und
*”) Atylotus !
12. Heit
70 O. Kröber:
schlank, leicht gekrümmt, zugespitzt, weißgelb, ebenso behaart, mit ganz
wenigen schwarzen Haaren an der Außenseite. Hinterkopf hellgrau,
gelb behaart. — Thorax mit breiter (ca. !/, Thoraxbreite) sattbrauner
Mittelstrieme, die durch eine fast schwarzbraune Linie geteilt wird.
Dann folgen zwei breitere scharfbegrenzte weißgraue Striemen, in die
vorn 2 sattbraune hineinragen, ohne den Hinterrand des Thorax zu er-
reichen. Diese hellen Striemen sind fast nackt, tragen nur sehr wenige,
lang abstehende, äußerst zarte schwarze Haare. Die braunen Striemen
sind lang und dicht anliegend seidig gelb und lang abstehend schwarz be-
“ haart. Brustseiten dicht gelb und schwarz behaart. Schildchen eigent-
lich sattbraun mit hellgrünen Seiten. — Hinterleib mehr grünlich weiß-
grau, fast glanzlos mit breiter (vorn von Breite des Schildchens) bis zum
7. Ring reichender, immer schmäler werdender brauner Strieme. Die
äußersten Hıinterränder der Ringe sind hell und teilen daher die Strieme,
Säume aber fehlen vollständig. Der Seitenrand aller Ringe ist auch
braun, so daß man auch sagen kann: Hinterleib braun mit zwei konti-
nuierlichen hellgraugrünen Striemen. Behaarung durchaus seidig an-
liegend gelb und abstehend sehr zart und lang schwarz. Bauch grau-
grün, ohne helle Säume, glanzlos, zart gelbbraun behaart und lang ab-
stehend schwarz. Hüften und Schenkel graugrün, Mittelschenkel mit
breiter gelbbrauner Spitze. Schienen und Tarsen bleich gelbbraun.
Hüften lang gelb behaart, Schenkel schwarz und gelb, durch die Be-
leuchtung alteriert.. Schienen anliegend weiß und abstehend schwarz be-
haart. Flügel graulich, Adern braun; Queradern sehr dick; fast fleckig.
Adernanhang fehlt.
Länge 11,5, Breite 5,0, Fühler 1,1, Flügellänge 10, Flügelbreite 4 mm.
Spanien: ÄAlgecıras, Andalusien; Marocco, Tanger.
co: Offenbar dem Weibchen ganz gleich. Becker erwähnt (Ann.
Mus. Zool. St. Petersb. XVII. 1913 p. 77) ein 2 zwei 5 aus Tanger.
Auf Wiesen, Blüten von Anthemis.
2. Th. micans Meıg.
co: Sogleich erkennbar an den langen Tasthaaren, die sich am 1.
bis 4. Glied der Vordertarsen befinden und die bedeutend länger sind
als die Glieder selber. Das Stirndreieck ist glänzend schwarz. Taster
meistens schwarz mit grauem Reif, in 1 2 von Renzel (b. Hamburg)
ganz rötlichbraun, an der Spitze deutlich rotgelb. Flügel ın diesem 7
bräunlich, nicht grau. Hinterleib in gewisser Beleuchtung ganz weißgrau
bestäubt, dadurch bläulich erscheinend, sonst ist die helle Bestäubung
auf Seitenflecke beschränkt.
Länge 14 bis 17, Fühler 1'/;, Flügellänge 12, Flügelbreite 4 mm.
Q: Sofort an dem glänzend *) schwarzen Stirndreieck erkennbar.
Taster schwarz, oft weißgrau bestäubt. * Hinterleib mit großem hellen
*) Daß das glänzende Stirndreieck hier wie bei /uridus, hirticeps etc.
nicht durch Abreibung entstanden, sondern etwas für die Art charakteristisches ist,
beweist mir ein ganz frisch geschlüpftes, noch vollkommen unausgefärbtes ©
von luridus, bei dem gleichwohl das Gesamt-Stirndreieck bis zu den Augen
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 71
Seitenfleck am 2. Ring und kleinem Mitteldreieck am 2. bis 6.
Länge 15 bis 17, Fühler 1'/,, Flügellänge 11,5 bis 14, Flügelbreite
4 bis 45 mm. 11. 4, bis 28. 6. — VIII. Auf Dolden, besonders
Heracleum in den Morgenstunden.
Aus allen Teilen Deutschlands, Böhmen, Oesterreich, Ungarn, Balkan,
Dalmatien, Alpengebiet, Italien, Sizilien, Frankreich, Spanien, England.
Meigens Typen 1% 2% in Paris (s. Villen).
3. Th. aterrıimus Meig.
o’ @: Behaarung des Hinterleibes durchaus schwarz. Helle
Hinterrandsäume und Mitteldreiecke fehlen. 2. und 3. Ring, namentlich
im O0, mit meistens glänzend kastanıenbraunem Seitenfleck, In 1
ıst das Tasterendglied gelbbraun. Kopf schwarz behaart.
Länge 14 bis 15, Fühler 1,2 bis 2, Flügellänge 11 bis 12,5, Flügel-
breite 3,5 bis 4 mm. 18. 7. VI.
Deutschland, Tirol, Schweiz, Frankreich, Steiermark, Dalmatien,
Italien, Sizilien, Norwegen, Lappland, Balkan, Kaukasus.
Meigen s Typen 1Q 1 ın Panıs. -
4. var. lugubris Ztt.
oO 2: Uhnterscheidet sich von der Stammform durch helle weißliche
Behaarung der Hinterränder der Tergite und der Mitteldreiecke am
2. bis 5. Ring. Kopfbehaarung schwarz. 3. Fühlerglied in 1 2 hell-
rotbraun. In manchen Tieren sind die Hinterleibseiten gelblich behaart.
(UÜebergang zu auripilus) 23. 5. bis 27. 7.
Süddeutschland (Schwäbische Alp), Thüringen, Wölfelsgrund, Tirol.
(Pordoi), Sterermark (Admont), Schweiz ch Pontresina) Lapp-
land, Schweden, Norwegen.
5. var, aurıpilus Meig.
& ®: Eine vorherrschend goldgelb behaarte Form des”. Hinterleib
mit breiten messinggelben Haarbinden an den Hinterrändern der Seg-
mente. Die übrige Behaarung ist wenig auffällig, zart. Bauch goldgelb
behaart, besonders dicht an den Hinterrändern. Mittel- und Hinter-
schienen anlıegend gelblich behaart.
Sehr häufig und weit verbreitet. 6. 6. bis 18. 7.
Deutschlana, Tirol, Schweiz, Pyrenäen, Frankreich, Oesterreich, Steier-
mark, Italien, Sizilien, Kärnten, Böhmen, Dalmatien, Norwegen, Lapp-
land, Finnland.
Meıgens Typen 2% in Paris.
und Fühlern gleich der Stirnschwiele glänzend bleich braun ist, während es
im andern Falle doch unter Pubeszenz verborgen sein müßte. Villeneuves
Bemerkung über Meigen’s Type von /uridus (Ann. Soc. France 74 p. 307 1905)
kann sich daher nur auf das ©’ beziehen, niemals auf das 9, das übrigens
solstitialis zu sein scheint: „Il faut noter enfin, que la triangle frontale au-
dessus des antennes est entierement grisätre.*
12. Heft
72 O. Kröber:
6. Th. tetrıcus Sail.
©: Sehr ähnlich lugubris Zett., aber durch Fühler und Behaarung.
der Brustseiten gleich unterscheidbar. — Stirnstrieme parallelrandig,
breit, ca. dreimal so.lang als breit, durch Toment hellgrau, kurz
schwarz behaart. Augeneckenschwiele breit, ca. zweimal so breit als
hoch, glänzend schwarz, querrunzelig mit sehr schmaler linienfeiner, aber
scharf abgehobener Verlängerung, Ozellenhöcker lang oval, braun,
Stirndreieck hellgrau mit auffallend vertiefter Mittellinie, Augen grün-
lichblau mit drei breiten Purpurbinden, die heller gesäumt sınd. Be-
haarung kurz, aber dicht weiß. Hinterhaupt kurz weiß behaart. Die
lange schwarze Behaarung, die Szilady erwähnt, fehlt meinem |.
Untergesicht hellgrau mit dichter weißgelber Behaarung. Wangen kurz
schwarz behaart. Fühler tiefschwarz mit graubrauner Bestäubung (nach
Sziıl. dunkelbraun, Basalrand des 3. Gliedes rotbraun). Beborstung
zart, schwarz. 1. Glied ziemlich groß, 2. sehr klein, oben stark
nagelförmig vorgezogen. 3. Glied mit fast geradem Oberrand, der
nahe der Basıs ganz leicht ausgebuchtet ıst. Griffel stark, fast so
lang wie das 3. Glied selber. Taster hellgelbbraun. Endglied ziemlich
stark, aber nicht blasıg. Vorderrand fast gleichmäßig gerundet, Be-
haarung der Außenseite kurz anliegend schwarz. 1. Glied: lang gelblich
behaart. — Thorax und Schildchen glänzend schwarz, zwischen Flügel-
wurzel und Schildchen matt bräunlich. Behaarung spärlich weißgelb,
an den Brustseiten lang wollig gelb mit vielen schwarzen Haaren
untermischt. Bestäubung hellgrau, Spuren von Längsstriemen bildend.
Hinterleib glänzend schwarz, bei gewisser Beleuchtung durch helle
Bestäubung mattbraun oder graulich erscheinend. Behaarung schwarz,
auf den linienfeinen hellen Säumen und den Mitteldreiecken ganz zart
anliegend weißgelb, ebenfalls da, wo bei andern Arten die hellen
Seitenflecke liegen. Bauch schwarz, weniger glänzend mit gleichen
feinen Säumen, die wenigstens ganz seitlich weiß® behaart sind. Flügel
glashell, die äußerste Basis etwas gelblich. Adern braun, Gabel ohne
rücklaufenden Aderanhang. Schwinger schwarzbraun, Stiel heller,
Schüppchen braunhyalin, weißgelb gewimpert. Beine schwarz, Knie
braun. Behaarung schwarz, an der Basıs der Schienen weißgelb.
Mittel- und Hinterschenkel mit vielen anliegenden gelblichen Haaren.
Innenseite der Tarsen goldbraun behaart.
Länge 15 bis 17, Fühler 1,5, Flügellänge 13, Flügelbreite 4 mm.
Kaukasus, Amur) Alaı mont.
Trotz geringer Differenzen möchte ich mein @ für obige Art halten.
7. Th. nıgricorpus n. spec.
©: Augen blaugrün mit violettem Schimmer und drei ziemlich
dicken schwarzblauen Binden. Stirn ziemlich breit, dunkel graubraun,
matt, ziemlich dicht schwarz behaart. Schwiele klein, fast kreisrund,
schwarzbraun, glanzlos mit unscharfer Verlängerung, die oft isoliert
steht und sich zu einem Oval erweitert. Ozellenhöcker lang oval,
dunkel kastanienbraun, stark glänzend. Fühlerhöcker stark vorgewölbt,
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 173
matt hellgrau, um die Fühler herum hell ockerfarben. Fühler rein
schwarz, grau bestäubt. 1. und 2. Glied kappenförmig, oben stark
vorgezogen; 3. von eigentümlicher Gestalt. Es ist oben an der Basıs
— halbkreisförmig vorgewölbt, ohne eigentlichen Zahn oder Fortsatz.
1. und 2, Glied lang schwarz behaart, Haare z. T. länger als die
Glieder selber. Hinterkopf ziemlich lang und dicht rein weiß behaart;
am Scheiteı selber stehen lange schwarze Haare. Uhntergesicht weiß-
grau, Jang schneeweiß® bshaart, nur die Wangen schwarzhaarıg. Taster
lang und schlank, weißgelb, weißglänzend behaart; in der Spitzenhälfte
der Außenseite mit vielen schwarzen Härchen. Thorax und Schildchen
glänzend blauschwarz mit weißlichem Reif, der den Glanz beein-
trächtigt, lang abstehend zart schwarz und anlıegend weıllichgrau be-
haart, besonders am vorderen Teil. Brustseiten, Randpartie zwischen
Flügelwurzel und Schildchen und der Rand des letzteren lang wollig
greis behaart. Hinterleib beiderseits glänzend rein schwarz, schwarz
behaart. 1. Ring mit glänzender weißsgrauer anliegender Behaarung;;
desgleichen der Hinterrand des 5. bis 7. Helle Säume fehlen voll-
kommen. 6. und 7. Bauchring hell behaart. Flügel durchaus graulich-
hyalın; äußerste Basis und. Vorderrandzelle gelb. Adern sehr zart,
hellbraun. Aderanhang fehlt. Beine schwarz, Schienen mit Ausnahme
der Spitzen hellbraun, durch anlıegende weiße Behaarung noch heller
erscheinend. Sonst ıst die Behaarung tiefschwarz; an den Hinterschienen
gewimpert. Sohlen der Tarsen goldbraun behaart.
©: Länge 17, Fühler 2,1, Flügellänge 15, Flügelbreite 4,7 mm.
": Länge 15, Fühler 2, Flügellänge 14,5, Flügelbreite 4,7 mm.
o: Gleicht dem 9.- Augen groß, der Unterschied der Fazetten
minimal, die Grenze unscharf, die größeren .ca. drei Viertel des Auges
bedeckend. Behaarung sehr dicht, kurz, weißlich. Zwei Binden vor-
handen. Stirndreieck weniger vorgewölbt als beim 9, weißlich tomentiert,
das Dreieck selber vertieft, durch eine schmale Querbinde begrenzt.
Hinterkopt mıt kurzen weißlichen Haaren, die nicht länger sind als die
Augenbehaarung. Fühler schwarz. 3. Glied bedeutend schlanker als
beim ©. 1. und 2. lang abstehend gröis behaart. Untergesicht schwarz,
durch Bestäubung weißgrau. Behaarung lang weißlich, an den Wangen
mit vielen schwarzen Haaren. Taster gelbbraun, unten schwarz, lang
abstehend schwarz und weiß behaart. Endglied lang oval, ziemlich
dick. Rüssel kurz, schwarz, dick. — Thorax und Schildchen stark
blauschwarz glänzend, nur die Beulen zwischen Flügel und Schildchen
mit bräunlichem Ton, ungestriemt. Bzhaarung zart grau, an den Brust-
seiten mit vielen schwarzen Haaren. Hinterleib rein schwarz, seidig
schwarz behaart. Nur den 1. Ring mit kleinem dicht behaarten weißslichen
Mitteldreieck, 4. mit Spuren davon, 5. mit Dreieck, das bis zum Vorder-
rand verlängert ıst und mit weißbehaartem Hinterrand. 6. und 7. Ring
gelbweiß behaart. Helle Hinterrandsäume fehlen. 1. und 2. Ring mit
gemeinsamem düster kastanienbraunem Seitenfleck, der aber kurz schwarz
behaart ist. Schwinger dunkelbraun mit gelblicher Knöpfchenspitze.
Schüppchen bräunlich hyalın. Flügel hyalın mit äußerst zarten gelben
12. Heit
Q.1O
74 O. Kröber:
und braunen Adern. Stigma und Aderanhang fehlen. Beine tiefschwarz,
schwarz behaart, nur die Schienen hellbraun mit kurzer weißlicher
Behaarung. Vorderschienen fast ganz, die andern an der Spitze +
stark verdunkelt.
Alai mont, und Gouldscha Ferghana.. Type SQ: Mus. München.
8. Th. lapponicus Zett.
@: Länge 11 bis 12, Fühler 1,3 bis 1,5, Flügellänge 10,5 bis 11,
Flügelbreite 3,5 bis 4 mm.
Untere Schwiele durch feines Toment vom Augenrand getrennt. Mittel-
schwiele kurz, etwas spindelförmig, in einem breiten, sattbraunen Fleck
liegend. In einem © von der Ruggburg verbindet sie die Augenecken-
schwiele mit dem Ozellenhöcker. Letzterer ist glänzend hellbraun,
Stirnstrieme dicht schwarz behaart. Hinterer Augenrand dicht kurz
weißlich behaart. Scheitel lang schwarz behaart. Augen weißlich
behaart. Thorax mit vielen hellgrauen Haaren. Hinterrandsäume auf-
fallend, fast milchweiß. Hinterleib im Grunde stark glänzend, schwarz.
In tadellosen Exemplaren treten vom 2. bis 4. Ring graue Mitteldreiecke
auf und schräg gestellte, lang ovale, intensiv weıß bestäubte Seiten-
flecken, die mit den Hinterrändern in Verbindung stehen. Am 2, Ring
ıst der Grund seitlich manchmal kastanıenbraun. Die hellen Partien sind
zart gelblichweif behaart.
oJ: Augen weil behaart, mit zwei Dana Ozellenhöcker
kastanıenbraun. Rüssel ziemlich lang, ca. 2'/; mm. 1. Fühlerglied
schwarz, grau bestäubt; 2. rotgelb: vom 3. fast die ganze Platte
rotgelb. In 1% ist auch das 1. Glied unten breit rotgelb. Unter-
gesicht mit vielen gelblichen Haaren. Brustseiten meiner 5 & schwarz-
haarıg. Mittelschienen an der Basıs + dunkelbraun. 2. und 3. Ring
hell kastanıenbraun mit weißem Hauch, besonders auffällig am .2. Ring,
1. Ring ganz schwarz. 2. Tergit z. T., 3. seitlich ganz kastanienbraun
am Vorderrand. Alle Sternite mit breiten milchweißen Hinterrand-
säumen. Behaarung schwarz, abstehend, mäßig lang. Flügel bräunlich
hyalın. Adern stark braun, zuweilen etwas unklar gesäumt. Stigma sehr
grcß, schwarzbraun. Schüppchen bräunlich hyalın,
Länge 12 bis 13,- Fühler 1,5, Flügellänge 11, Flügelbreite 3,5 mm.
Ruggburg bei Bregenz. 9. 5., 8. Oesterreich, Istrien, Finnland, Litauen,
Baikalsee, Lappland, Rußland, Sibirien.
9, var. albonotatus Zett.
©: Aus der Loewschen Sammlung liegt mir ein auffallend hell
gefärbtes 2 vor, das vielleicht durch die Art der Konservierung ver-
ändert ist.
Länge 11, Flügellänge 10, Flügelbreite 3 mm.
Fühler hellrotgelb, der Endgriffel fehlt. Seitenflecken des Hinter-
leıbes mehr rotgelb als grau. Schienen und Schenkel durchaus mit
rotbraunem Ton, nıcht schwarz oder schwarzbraun wie die Stammform.
Flügel heller erscheinend, die Adern bräunlich.
Rußland. Lappland, Sibirien. Europa sept.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 75
10. Th. taranrdınus L.
An der Färbung und Zeichnung des Hinterleibes sogleich zu erkennen.
©: Augen kurz gelbbraun behaart, mit drei Purpurbinden auf
dunkelgrünem Grund. Stirnstrieme breit, gelb, parallelrandig, ca. dreimal
so hoch als breit, gelbbehaart. Untere Schwiele und Stirndreieck gelbrot.
Mittlere Schwiele linear, etwas spindelförrmig, schwarz; Ozellenhöcker
oval, gelbrot, Oberrand des Hinterkopfes kurz gelbhaarıg. Untergesicht
lang goldgelb behaart. Fühler groß, ganz rotgelb, 1. und 2. mit
kurzer schwarzer Beborstung. 3. Glied satter rotgelb, groß und breit,
cben mit rechteckig abgehackter Ecke. Griffel dick, kürzer als das
3. Glied. Taster fast rüssellang, gelb, leicht S-förmig geschwungen,
stumpf endend. Basalglied lang gelbhaarıg, Endglied seidig gelb be-
naart. Thorax schwarzbraun, Schulterbeulen rotgelb. Den gelb
und schwarz. Brusiseiten nach oben zu rotgelb werdend, dicht wollig
goldgelb behaart. Schwinger gelbbraun, Knopf heller. Schüppchen
bräunlich Beine hell rotgelb, Hüften und Schenkelbasis breit schwarz-
braun. Flügel gelblich bis bräunlich, oft die gelben Adern so breit
gelb gesäumt, daß grauliche Zellflecken nachbleiben. Hinterleid schwarz
mit breiten, etwas buchtigen, satt gold- oder messinggelben Binden
cben und unten. In allen mir vorliegenden Exemplaren fehlt ein
Aderanhang.
Länge 19 bis 22, Fühler fast 2, Flügellänge 16 bis 17,5, Flügelbreite
5 bis 6 mm.
o': Gleicht dem 2. Augen auf langer Strecke zusammenstoßend,
sehr dicht, aber kurz gelbbraun behaart. Fazetten fast gleich groß,
im untern Drittel mit zwei schmalen grünen Binden auf dunkelblau-
violettern Grund. Stirndreieck seidig silbergrau. Kopfbehaarung satter
aber kürzer als beim ©. Fühler schlanker als beim ©. Thorax
schwarzbraun, auf der Mitte vorherrschend lang schwarz Ben
und seitlich lang dunkel rotgelb; vor der Flügelwurzel fast goldrot.
Schildchen braunschwarz, fahlgelb behaart. Hinterleib verhältnis-
mäßıg kurz, tief schwarz. Die Binden schmäler und satter, Bauch
gleicht der Oberssite, aber der 1. Ring ganz schwarz. Flügel intensiv
gelblich, an Vorderrand und Basis rostgelb. Längsadern dunkler ge-
säumt. Schenkel fast bis zur Spitze schwarz,
Länge 21, Fühler fast 2, Flügellänge 16, Flügelbreite 5 mm.
18. 4. bis 11. 6. Scheint sich besonders in der Nähe größerer Ge-
wässer aufzuhalten.
Deutschland (Ostpreußen, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg, Lauen-
burg, Hannover, Bayern, Bodenssegebiet). Ostseeprovinzen, Finnland,
Lappland, Norwegen, Schweden, Steiermark, Sibirien, Amur, Sachalın,
Hokkaido, Japan, Formosa, Baikalsee, Rußland.
In Meigens Sammlung in Parıs 1
11. Th. flavipes Wied.
©: Durch die breiten a er Hinterleibbinden dem faran-
dinus L. ähnlich.
12, Heft
76 huniler ss inber:
Stirnstrieme ca. 21/;—3 mal so hoch als breit, dunkelgelb, dicht schwarz
behaart. Scheitel lang und dicht schwarz behaart. Untere Stirn-
schwiele fast quadratisch, den Augenrand nicht ganz erreichend, nach
oben ın eine breite Strieme verlängert, die in einer schwarzen Zone
verläuft. Ozellenhöcker breit, mäßig glänzend. Augen kurz braun
behaart, dunkelblaugrün mit drei schmalen Purpurbinden. Stirndreieck
mit zwei glänzend schwarzen Flecken, die nicht durch Abreibung ent-
a Bogen getrennt
sind. Stirndreieck matt gelb, Untergesicht gleichfalls. Behaarung ziem-
lich dicht und lang, gelb. Fühler rotgelb oder rotbraun, drittes Glied
ın der Endhälfte gleich dem Griffel schwarz. 1. und 2. Glied kurz
schwarz behaart, 1. ziemlich groß, 2. klein, becherförmig, 3. kurz,
fast so breit wie lang. Griffel kurz, dick. Taster schlank, schwarz-
braun, schwarz behaart, deutlich gekniet, fast rüssellang, an der Basıs
nicht aufgeblasen. — Thorax glänzend schwarz, die Mitte und die hintere _
Hälfte schwarz behaart, der Rest lang gelblich, desgleichen Schildchen
und Brustseiten. Hinterleib schwarzglänzend, aber vollkommen dicht
seidig gelb behaart; doch fällt die Behaarung nur auf, wenn man
das Tier hart von vorn betrachtet. Hinterränder der Segmente breit
gelb mit glänzend gelber anlıegender Behaarung. Bauch gleicht der
Oberseite. Beine rotgelb, Basalhälfte der Schenkel schwarz, besonders
stark an der vorderen Seite. Behaarung an diesen Teilen lang ab-
stehend schwarz, sonst glänzend goldgelb. Vordertarsen schwarzbraun.
Basıs des 1. Gliedes bräunlichgelb. Hinterschienen außen lang gelb
bewimpert. Flügel zart gelblich tingiert, besonders an der Basis, mit
+ deutlichen blaßgraulichen Zellflecken. Alle Adern gelb, in der
Spitzenhälfte braun und intensiver braungelb gesäumt, ohne jedoch
gestreift zu erscheinen. Kein Aderanhang oder ein sehr kurzer.
Schwinger schwarzbraun, Schüppchen hell, weiß gewimpert.
Länge 15 bis 18, Fühler fast 2, Flügellänge 13 bıs 14, Flügelbreite
fast 5 mm.
Sibirien: Kureika, Plakina.
Ein © des Berliner Museums zeigte an den Seiten des 1. und 2. Ringes
schwachrötliche Grundfarbe (Labrador 56° 30° NW).
&: Gleicht offenbar dem 9. Hinterleb am 1. und 2. Ring
rötlich, sonst schwarz. Kopf mäßig breit, der Unterschied der Größe
der Augenfelder deutlich, die kleinen von den großen Feldern scharf
geschieden, aber nicht bedeutend kleiner.
Sibirien: Kan, Ussuri. Nordamerika: Labrador, Straits of belle
Isle, Nova Scotia.
In Brauers Zeichnung fehlt die typische Schwiele oberhalb der Fühler.
122,1 een Portsch.
©: Magnitudine, statura et colore corporis haec species 7. fro-
picus sımilis, sed ab eo distinctissima abdomine itoto pilis longis pulchre
rubro aurantiacıs dense hırto, palpıs fuscis etc. — Niger sat longe
hirtus; capite nıgro, cinereo-pruinoso, subtus longe albo barbato, cırca
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 77
oculos parce nigro pilosis, vıtta frontis sat lata cinerea et cum vertice
nigro pilosis; callus frontis non magno, subrotundato, nıgro in lineam
angustam, nıgram continuato; oculis breviter sed distincte pallide hirtis,
trifascıatis; tuberculo ocellarum parvo; palpıs fuscis, in dimidio apıcalı
angustis, apice obtusis et superne (paulloque ıntus) canalıculatis; in
dimidio basali incrassatis et basi cum proboscıide sat longe nıigro pilosis;
antennis nigris; artıculis basalıbus sat longe nigro hırtis; artıculis se-
cundo toto et tertio bası late rufis; articulo tertio bası non furcato.
Thorace nigro, sat longe nıgro hirto pilisque numerosis fulvescentibus
intermixtis, pleuris longe et dense niveo vel albo barbatis; scutello
nigro sat longe fulvescente hirto; abdomine nıgro, segmentis trıbus prımis
laterıbus latissime fulvis et toto pilis rubro — aurentiacıs dense hirto,
ventre nıgro sıngolo segmento in medio nigro piloso, sed apice pilis
fulvescentibus anguste margınato; alıs sub infuscatis, circa, nervos trans-
versos fuscioribus, stigmatoque fusco; squamis cinereis, fusco marginatis;
halterıbus fuscis; pedibus nigris, nigroque hirtis tıbus flavo testaceis
lutescente pilosis, apiceque cum tarsıs fuscis vel infuscatıs.
Long. 7 Iın.
Mongolia chinensis (Etschjin — Choro).
13. Th. tatarıcus Portsch.
Q: Länge 15, Fühler 1,8, Flügellänge 13, Flügelbreite 4,7 mm.
Sehr ähnlich Th. astur Er., aber die Stirnstrieme ist kaum 2 bis 2,
mal so hoch als unten breit, ist braun bestäubt und durchaus lang
braungelb behaart. Am Augenhinterrand und Scheitel stehen sehr lange,
vorn übergeneigte braungelbe Haare. Untere Stirnschwiele glänzend
schwarz, breit, von Auge zu Auge reichend, mit kurzer dicker schwarzer
Längsstrieme. Scheiteldreieck schwarz. Ozellenhöcker schwarz, fasi
glanzlos. Stirndreieck stark vorgewölbt, stark glänzend. Augen mit
drei dicken breiten Purpurbinden. Untergesicht matt braungelb tomen-
tiert, neben den Augen mit einer stark glänzenden schwarzen Strieme.
Behaarung lang und dicht, braungelb. Fühler schwarz. 1. und 2. Glied
mit wenigen kards, schwarzen! HläarebiHBsfoliile Ecke, fast gerade am
Oberrand. 2. und 3. am Grunde mit rotbraunem Fleck. Griffel kurz
und dick, kürzer als die Platte. Taster nicht S-förmig, schwarz, an
der Innenseite hellbraun, an der Basis mit vielen glänzend gelben
langen Haaren, an der Spitzenhälfte kurz schwarz behaart. Sie sınd
ziemlich dick, kaum gekniet, allmählich zugespitzt. Hinterkopf matt
olvbram., Thoras ind’Schildchen schwärz glänzend mit feinem braunen
Reif, dicht abstehend gelbbraun behaart ohne Einmischung schwarzer
Haare. Brustseiten dichter wollig braungelb behaart. Schüppchen weıl-
hyalin, weißlich behaart. Schwinger schwarzbraun, Stiel heller. Hinter-
leib glänzend schwarz; 2. und 3. Ring mit gemeinsamem rotgelben
Seitenfleck. Die Re, ganz goldrot oder bleichgelb, ohne Ein-
mischung schwarzer Haare. Bauch glänzend schwarz, schwarz be-
haart. In der Mitte des 1. und 2. Sternits und am Seitenrand der-
selben etliche gelbe Haare. 4. bis 7. Ring fast ausschließlich goldgelb
12. Heft
78 O. Kröber:
behaart. Schenkel schwarz, ebenso behaart. Schienen weißgelb,
ebenso behaart. Spitzen der Mittel- ‘und Hinterschienen kaum etwas
bräunlich; Hinterschienen fast weißlich gewimpert, Vorderschienen
schwarz, tiefschwarz behaart, in der Basalhälfte vorn hellbraun mit
wenigen weißlichen Haaren. Vordertarsen tiefschwarz und so behaart.
Mittel- und Hintertarsen bräunlich, nach ‘der Spitze zu verdunkelt,
Sohlen goldgelhaarıg. Flügel vollkommen hyalın. ‘° Adern hellbraun.
Queradern und Gabel fein braun gefleckt. Stigma braun,
In einem © war das 2. Fühlerglied rotbraun bezw. rotgelb, schwarz
behaart. das 3. tiefschwarz mit 'unregelmäßigem hellrotem Fleck am
Grunde. Backen durchaus glänzend schwarz.
Von Tian Schan liegen mir zwei sehr blaßgelb gefärbte Stücke vor.
Turkestan, Alai-Gebirge, Usek.
&: Gleicht nach der Beschreibung ‘ganz und gar dem ©’ von
Astur Er. Aber die Flügel 'sind hyalın, wie beim 9, mit zarter, aber
ganz scharf begrenzter Fleckung der Queradern und Gabel. Stigma
braun. Adern zart. Die Augen 'sind eigentlich vollkommen linienfein
getrennt. Am Scheitel stehen lange 'vorgeneigte schwarze Haare.
Backen wie beim Q glänzend schwarz. Augen dicht graubraun behaart.
Thorax durchaus bleichgelb behaart, nur an den äußersten Seitenwänden
schwarz. Schildchen ganz bleichgelb behaart. ' Beide ım Grunde
durchaus schwarz. Schwinger hellbraun, Knöpfchenbasis schwärzlich,
die Spitze fast weißlich. Schüppchen weißlich hyalın, fast weißlich
behaart. Hinterleib im Mitteldrittel des 2. bis 4. Ringes, am ganzen
1. und 5. bis 7. Ring glänzend schwarz. 2. bis 4. Ring seitlich breit
glänzend rotgelb. 1. bis 4. Ring intensiv goldgelb behaart, der 5. bis 7.
bleicher. Bauch am 1. und 2. Ring durchaus schwarz behaart, am
3. und 4. mit ganz vereinzelten bleichgelben Haaren, am 5. bis 7. voll-
kommen bleichgelb behaart. Schenkel glänzend schwarz, ebenso behaart.
Schienen weißgelb, weil behaart; Hlinterschienen fast gewimpert.
Vorderschienen schwarzbraun, schwarz behaart, ım Basaldrittel hell-
braun, langsam dunkler werdend. Vordertarsen 'tiefschwarz, schwarz
behaart. Mittel- und Hintertarsen hellbraun, die Spitzen der Glieder
verdunkell. Behaarung kurz, weißlich und schwarz.
Länge 12, Fühler 1,5, Flügellänge 12, Flügelbreite 4,2 mm.
Alai-Gebirge, Turkestan.
14. Th. Astur Er.
&: Länge 14, Flügellänge 11,5, Kopfbreite 5 mm.
Kopf nicht größer als beim 9, Augen dicht und lang graugelb und
'schwärzlic.ı behaart; blaugrün, unter der Mitte mit drei breiten Purpur-
binden, von denen die unterste am Augenrande liegt. Augenfelder ın
der Mitte an der Naht ‘etwas größer, gegen den Rand allmählich
kleiner. Ozellenhöcker groß, deutlich vorspringend braun mit langen
schwarzen Haaren. Stirndreieck kurz, glänzend schwarz, unten ge-
kerbt, °/; so lang als die Augennaht. Hinterhaupt am Oberrande
ohne längere Haare als jene auf den Augenfeldern. Fühler schwarz.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 79
nur das 2. Glied ıst oft rötlich braun. 1. Glied dick, becherförmig,
nicht kappenförmig vorgezogen; 2. klein, oben spitz rausgezogen,
beide mit langen, buschig gespreizten schwarzen Haaren. 3. Glied
etwa zweimal so lang als breit, der Oberrand rundlich verdickt und
erweitert, nicht eckig. Griffel kürzer als das 3. Glied, dick, schwarz.
Untergesicht und Wangen schwarz und ebenso vorstehend behaart,
ın der Mitte oft wenige gelbliche Haare. Taster ziemlich dick,
schwarz und ebenso ziemlich lang und gespreizt behaart. Endglied
oval, gegen das freie Ende kugelig, stumpfspitzig. Thorax glänzend
schwarz, unten ganz schwarzhaarıg, oben am Rückenschilde längs
den Seiten vehbht schwarz, längs dem mittleren Drittel und am
Schildchei: gelbgreis oder rotgelb behaart und der Rückenschild und
das Schildchen dort bräunlich gefärbt. Schwinger schwarzbraun.
Schüppchen hellgrau oder weißlich, oben schwarz behaart. Vorder-
beine ganz schwarz, nur die Schienen ganz am Grunde gelbbräunlich.
Mittel- und Hinterbeine schwarz, mit hellgelben und so gewimperten
Schienen und gelbbraunen Tarsen. Spitzen der Schienen und Tarsen-
glieder schwärzlich. Flügel wıe beim 9. Hinterleib schwarz. 1. Ring
oben am Hinterrand, 2. und 3. oben an den Seitendritteln gelb- oder
rotbraun. Behaarung überall dicht, oben lang gelb oder fuchsrot, die
Segmentgrenzen deutlich durch Büschel markierend, unten kürzer, tief
schwarz. — Lepsa in der Songareıi.“ Kukunor Geb.
Ich gebe Brauers "Beschreibung des /, da mir nur ein X der Art
vorlag. das vollkommen damit übereinstimmt.
Q: Länge 13 mm, Fühler 1,2 mm, Flügellänge 12 mm, Flügel-
breite 4,2 mm. Stirnstrieme | so hoch als breit, matt grau-
gelb. Augen mit drei breiten Purpurbinden. Augeneckenschwiele
groß, glänzend schwarz, von Auge zu Auge reichend, in eine feine:
spindclförmige Leiste verlängert, die bis zum Ozellenhöcker reicht.
Scheiteldreieck und Ozellenhöcker hell rotbraun. Stirnstrieme zerstreut
behaart, ziemlich lang schwarz und vereinzelt gelblich. Am Scheitel
stehen die Haare etwas dichter. Hinterkopf mit kurzen, weißen
Haaren dicht besetzt. Stirndreieck matt, grau bestäubt, etwas vor-
gewölbt. Fühler kurz, stark. 1. und 2. Glied schwarz, dicht schwarz
beborstet. Die Borsten des 1. Gliedes länger als 1. und 2. Glied zu-
sammen. 3. rotbraun, Oberrand und Griffel schwarz. Eine: Ecke
fehlt, aber der Oberrand ist merklich vorgewölbt. Untergesicht grau-
gelb, dicht wollig gelblich behaart. Taster schwarzbraun, schlank,
eigentümlich s-förmig geschwungen mit vielen gelblich glänzenden
Haaren. Hinterkopf schwarz, gelblich tomentiert, daher fast olıv
schımmernd. Thorax schwarz ohne klare Linien. Bshaarung lang ab-
stehend glanzlos gelblich und sehr zart schwarz. Schildchen mit län-
gerer dichter gelber Behaarung. Brustseiten dicht wollig braungelb
behaart. Alle Beulen schwarz. Schüppchen braunhyalin, Schwinger
schwarzbraun, Knöpfchenspitze hellbraun. Hinterleib glänzend schwarz,
anliegena schwarz behaart. Alle Hinterränder mit breiter, gelbbe-
haarter Binde, die sich in der Mitte + dreieckig erweitert. 2. Ring,
12. Heft
80 i ‘0. Kröber: „Kit
oft auch der dritte an der Vorderecke hellrotgelb glänzend, gelb be-
haart. Nach Brauer können diese Flecken stark reduziert werden,
selbst ganz fehlen. _ Bauch ganz schwarz, mit äußerst feiner anliegender
gelber Behaarung, die aber an den Hinterrändern lang und auffällig
wird, sodaß auch hier deutliche Binden entstehen wıe an der Oberseite,
Schenkei schwarzbraun, Mittel- und Hinterschenkel gelbseidig, Vorder-
schenkel schwarz behaart. Schienen gelbbraun, seidig gelb behaart.
Spitzen der Mittel- und Hinterschienen und fast !/s bis ?/; der Vorder-
schienen schwarzbraun. Diese Teile sind schwarz behaart. Vorder-
tarsen schwarz, Mittel- und Hintertarsen braun bis schwarzbraun.
Flügel bräunlich hyalın, Adern kräftig, braun, Queradern und Gabel
stark braungefleckt. Stigma dunkelbraun.
Transbaikal (Tschita VI.) Sibirien (Udskoj-Ostrog, Bujana, Ussuri.
l 5 vom Amur ım Hamburger ‘Museum weicht etwas von der Brauer-
schen Beschreibung ab. Die Taster sind rein gelb behaart. Der Thorax
anliegend weißßgrau und abstehend schwarz behaart. Mittelschienen
sehr lang abstehend schwarz behaart. Hinterschienen hell behaart,
aber außen deutlich und dicht schwarz gewimpert.
15. Th. mendicus Villen.
9: „Niger, opacus, pilis griseis sat longıs hirtus; ee seg-
mentis 2 primis griseis, ceteris nigro-nitidis, alıs hyalınıs, nervis trans-
versis fuscedine cinctis.
Cette Q unique ä tout l’aspect d’un petit exemplair de Atylotus
gigas Hrbst. dont elle se distingue aussitöt par la presence d’une
eminence ocellaire d’un brun assez brillant et par les palpes noirs.
Tete grise; yeux a poils blancs fournis et longs; front court et large
a cötes paralleles; sa longeur depasse a peine deux foıs la longeur;
la callosıte frontale est rectangulaire et envore au prolongement en
arriere jusquä la moitie de l’espace interoculaire: l’ensemble forme
une __ renverse dun noir assez brillant. Palpes et antennes d’un
noir mat: ces dernieres ont le troisiemie article sans dent ä la base,
les deux premiers articles sont entierement gris avec une longue pilo-
site blanchätre. Les deux premiers segments de l’abdomen sont aussi
tout gris, le deuxieme notoirement plus long que le prec&dent, et comme
denude au milieu ou apparaıt une tache obscure assez large, mal cir-
conscrite, a leger reflect flavescent et herissee de poils grisätres un
peu plus longs que ceux d’alentour. Les autres segments son d’un noır
brillant; ıls sont franges de poils blancs en arriere, d’un blanc jau-
nätre lateralement, et mel&s de poils noirs sur les cötes de troisieme
et quatrieme segments seulement. Pattes noirätres: la moitie basale
des tibias anterieures) et, pour les autres pattes les tıbıas, le protarse
et les premiers articles du tarse d’un blanc jaunätre marqu6s de noır
ä leur terminaison. Ailes hyalınes a leur origine, puis grisätres ä partir
des nervures transversales medianes; celles-cı sombrees de m&me que
le point de bifurcation de la troisieme nervure longitudinale dont la
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 81
branche superieure ne'montre qu’un rudiment de recurrance; le stigmate
obscur. Balanciers noırätres.
L. 12 mm (sans les antennes).
Oasıs de Damas. 15. 4.
Par le ramollissement de l’insecte, j’ai vu apparaitre sur les yeux
troıs bandes pourprees large dont l'inferieure occupe la partie basse
de chaque eil.“
Nach Austen sind die Augen des lebenden Tieres bronzefarben
mit 3 dunklen Purpurbinden. Von der Seite betrachtet erscheint ein
breites schwarzes Band über dem 3. und 4. Tergit, dicht schwarz be-
haart, während die anderen Segmente gelblich behaart sind. Grund-
farbe des 1. und 2. Segmentes neutralgrau oder olivgrau bestäubt.
Ain Sinai (Jerusalem). 18. 4.
16. Th. brevis Lw.
Q: Jch gebe Brauers ausführliche Beschreibung: „Augen grün
mit 3 Purpurbinden, gelbgrau behaart. Stirnstrieme ziemlich breit, ca.
viermal so hoch als unten breit, parallelrandig, graugelbfilzig.. Untere
Augeneckenschwiele quadratisch, groß, braunglänzend; mittlere Schwiele
getrennt davon, linear oder etwas spindelförmig, matt, schwarz. Ozellen-
höcker rundlich, groß, rotbraun, dahinter längere feine vorgekrümmte
schwarze Haare, sonst am Oberrande des Hinterhauptes kurze gelbe
Haare. Stirndreieck graugelb, ebenso die Wangen und das ganze
Untergesicht. Letzteres nur mäßig lang gelb behaart. Taster schwarz.
Endglied schmal hakenförmig, die Beugung weit über der Mitte gelegen,
gegen das Ende sehr wenig und langsam schmäler, das freie Ende
stumpf. Fühler rotgelb, 1. und 2. Glied oben mit wenigen kurzen
schwarzen Bürstchen, nicht kappenförmig vorgezogen; 3. Glied nach
Loew ziemlich stark ausgeschnitten. Thorax schwarzbraun, Rücken-
schild graugelb behaart mit 5 undeutlichen dunkelbraunen Längsstriemen;
Brustseiten grau, unter der Flügelwurzel zwei graugelbe Flecken.
Schwinger schwarzbraun, der Stiel am Grunde gelblich. Vorderbeine
schwarz, Schienen ın der Basalhälfte gelb; Hinterschenkel schwarz,
gelb behaart, Schienen rotgelb, Tarsen braun. Flügel am. Grunde
gelblich, am Hinterrande und der Spitze graulichhyalin, die Adern
gelblich, erst am Hinterrande die feinen Aeste dunkler braun. An
der Gabel der 3. Längsader keine Anhangszinke, aber der vordere
Gabelast am Grunde steil abgehend. Randmal bei Loew’s Exemplar
dunkelbraun. 1. bis 3. Hinterleibring oben rotgelb, längs dem mittleren
rittel eine breite schwarze Strieme, ın welcher vom gelbhaarıgen
Hinterrande her ein am 2. und 3. Ring ziemlich nahe an den Vorderrand
reichendes, graues, gelbfilziges Dreieck einspringt. Die folgenden Ringe
schwarz, oder der 4. noch an der Seite schwarzbraun, am 4. bis 6.
Ring ebenso wie an den vorderen in der Mitte ein graues, gelbfilziges
Dreieck und alle Hinterränder dicht gelbfilzig” Der Bauch erscheint
vorne rotgelb, hinten schwarzgrau, alle Ringe mit gelbgrauen breiten
Hinterrändern. Der 1. Ring ist fast ganz schwarz, nur am Hinter-
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 12. 6 12. Heft
32 OÖ. Kröber:
rande seitlich rot, der 2, ıst am Grunde in der Mitte breit schwarz,
dann tritt vom Hinterrande her ein schwarzgraues Dreieck nach vorne,
Der 3. Ring ist in der ganzen Mitte breit schwarzgrau. Loew’s
Exemplar zeigte nach der Beschreibung einen ganz grauen Bauch mit
gelblichen Säumen der Ringe und einen gelben Fleck an den Hinter-
ecken des 2. Ringes. Im ganzen ist der Hinterleib breit, oval und nur
?/; so lang als die Flügel. Sehr ähnlich Tabanus graecus F. Länge
15, Flügellänge 13, Kopfbreite 5, Hinterleib 7 mm.
Sibirien.
In Loews Type ist die Stirnstrieme oben wenig erweitert.
Das abgescheuerte Stirndreieck erscheint rötlichgelb. Die Behaarung
der sehr langen Taster ist auffällig, seidenartig gelb. Fühler ein-
schließlich Griffel rotgelb. 2. Glied etwas dornförmig oben vorge-
zogen, 3. ohne scharfe Ecke, nur rundlich vorgewölbt. Der Griffel
ist etwa so lang wie der dünne Spitzenteil des 3. Gliedes. Der Bauch
entsprichi genau Loews Beschreibung.‘ Das Exemplar ist ölıg.
Länge 19 mm, Fühler 2,1 mm, Flügelläinge 12 mm, Flügelbreite
4 mm. Länge des Hinterleibes (ab Schildchenspitze) 7,2 mm, Breite
‚2 mm.
Type: 2 Mus. Berol.
17. Th. acumınatus Lw.
©: Unverkennbar durch die seitlich stark zusammengedrückten drei
letzten Hinterleibsringe. Augen mit drei Purpurbinden.
Länge 13 bis 14 mm, Fühler 1,5 mm, Flügellänge 11 bis 12 mm, Flügel-
breite 3 mm. Stirnstrieme ca. drei- bis viermal so hoch als unten breit,
oben ziemlich verbreitert; matt gelbgrau. Augeneckenschwiele groß,
höher als breit, unten gerade abgeschnitten, oben eingeschnitten, durch
zwei convergierende schwarze Strichelchen mit der kleinen Mittel-
schwiele ın Verbindung stehend. Letztere ist kleiner, bald + rund,
bald zackig, schwarz. Özellenhöcker groß, braun, oval. Hinterer
ÄAugenrand ziemlich breit, weißßgrau, weißgelb behaart. Taster lang
weils, seidig weiß behaart, mit einigen schwarzen Haaren untermischt.
Das Endglied leicht S-förmig geschwungen, wenig gekniet, schlank, der
Vorderrand fast gerade. Fühler lang, schlank, schwarz. 3. Glied mit
kleiner Ecke. Thorax schwarzgrau, ziemlich glanzlos, mit 5 hellen
durchgehenden ziemlich breiten Striemen. Behaarung ziemlich lang,
„schwarz, zart. Schildchen schwarzgrau mit vielen hellgelbgrauen
Haaren, desgleichen die Partie vor ıhm, Präalarcallus rotbraun, Brust-
seiten grau, greis behaart. Hinterleib durchscheinend rotgelb mit breiter
(ca, ein Drittel: Ringbreite einnehmender ) grauschwarzer Mittelstrieme an
Ring 1bis 3.. 4..Ring. grauschwarz, jederseits mit kleinen isolierten rot-
gelbem .‚Seitenfleck; 5: bis 7. schwarzgrau. Alle Hinterrandsäume fein
gelblich mit 'heller »Behaarung. 1. Ring ganz seitlich vorn mit einem
grauschwarzen Fleck. © 1. bis 3.:.Bauchring rotgelb, 2. mit breitem
schwärzlichen quadratischen Mittelfleck; 3. ‘mit feiner Querbinde
vor dem Hinterrand. 4. bis 7. schwarzgrau, 4, mit kleinem. isolierten
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 83
rotgelben Seitenfleck. Schenkel grau, Spitzen gelb, Schienen rotgelb,
Tarsen braun, erstes Glied der Mittel- und Hintertarsen heller. Flüge!
hyalın. Kein Aderanhang.
o (nach Brauer): Länge 15 mm, Flügellänge 12 mm.
Augen mit zwei Purpurbinden, die Felder in den zwei oberen Dritteln,
mit Ausnahme des schmalen Randes, viel größer als unten, im ganzen
der Kopt größer als beim 9, vorgewölbt. Antennen schmal und lang,
schwarz, das 3. Glied am Grunde wenig breiter, oben mit sehr kleiner
Ecke und kaum ausgeschnitten, ganz an der Basıs oft rötlich, Taster
weiß, durch das längere Grundglied vorstehend, Endglied länglich eirund,
nicht sehr dick, lang weiß und etwas schwarz gemischt behaart. Hinter-
leib am 1. bis 3. Ring ziegelrot, oben mit breiter, scharf und gerade
begrenzter, unten mit ebensolcher unterbrochener schwarzer Längs-
strieme, die Spitze schwarz. Schienen fast ganz gelb, die hinteren
schwarz gewimpert, Schenkel schwarz.
Sibirien (Nor-Saıssan), Dalmatien 25. 5.
18. Th. longipalpisn. sp.
o: Länge 13 mm, Flügellänge 11 mm, Flügelbreite 4,5 mm.
Die einzige Art, die im © lang zugespitzte, fast klauenförmige
Taster hat.
Stirndreieck etwas vorgewölbt, graugelb, das zwischen die Augen vor-
springende Stück ıst gelb, fast glanzlos.. Augen dicht weißlich' behaart,
Hinterrand kurz gelblich behaart; am Scheitel längere vornübergeneiste
schwarze Haare. Fazetten außerordentlich klein, die der oberen ?',
wenig größer. Erstes und zweites Fühlerglied bleich rotgelb, weiß
bereift, kurz schwarz behaart und beborstet. Uhntergesicht graugelb,
lang greis wollig behaart. Taster lang, weiß, mit langer, zarter, lang
abstehender weißer Behaarung und gleich langen schwarzen Haaren.
Thorax schwarz, wenig glänzend, grau bereift, ohne Striemen. Be-
haarung lang abstehend, zart schwarz; an den Seiten treten schon viele
zarte graue Haare auf. Brustseiten grau, wollig gelbgrau behaart.
Schüppchen bräunlich-hyalın. Schwinger braun, Knöpfchenspitze weiß-
lich. Hinterleib wie bei bromius gezeichnet, am Ende etwas seitlich
kompress. Hinterrand des 1. Ringes, Seiten des 2. und 3. zu etwa ein
Drittel dunkelkastanienbraun. Mitteldreiecke graugelblich, wenig auf-
fallend, bis zum Vorderrand reichend. Schrägliegende Seitenflecken
besonders am 2. und 3. Ring auffällig, am 4. wenig klar, gleich den
Mitteldreiecken weißlich und ebenso behaart; unscharf begrenzt. Be-
haarung des Hinterleibes sonst schwarz, abstehend, bei Betrachtung von
hinten mit grauseidenem Glanz übergossen. Hinterränder hell aber
wenig auffällig, dicht anliegend weißlich seidig behaart. Analsegment
lang und abstehend schwarz behaart. Bauch schwarz, durch Toment
graugrünlich erscheinend, dicht greis behaart, am 6. und 7. Ring lang
abstehend schwarz. Hinterränder gelblich, anliegend seidig weißlich
behaart. Hüften und Schenkel schwarz, durch Toment grau, lang gelb
weil behaart. Schienen bleichbraun, Vorderschienen in der Spitzenhälfte
6* 12. Heft
84 O. Kröber:
dunkelbraun. Behaarung fein schwarz. Tarsen dunkelbraun. Flügel
absolut hyalın,
Sizilien. Type: c. m.
19. Th. macularıs F.
Q: Ich gebe Brauer s ausführliche Beschreibung: Augen grün,
lang zottig und dicht gelblich behaart, mit drei schiefen Purpurbinden,
Kopf breit und niedrig, Stirnstrieme gelbgrau, sehr breit und kurz, nur
noch einmal so hoch als breit. Untere Augeneckenschwiele breiter
als hoch, in der Mitte durch zwei senkrechte Furchen oder Grübchen in
dreı Wülste geteilt, runzlig, durchaus glänzend schwarz, von ihrer Mitte
oben zieht sich eine schwarzgraue Linie bis zum großen rotbraunen
Ozellenhöcker. Stirndreieck gelbgrau, in der Mitte geteilt und von den
Wangen durch eine sehr tiefe Furche getrennt. Wangen und das ganze
Untergesicht grau, mit gelblichem Schimmer, sehr lang zottig graugelb
behaart. Taster schmutzig gelbweiß, lang weißlich behaart mit wenigen
kurzen schwarzen Börstchen, Endglied ziemlich dick, ca. viermal so lang
als am Grunde breit, vom Grunde an wenig und allmählich verdünnt,
sehr schwach gekrümmt, stumpfspitzig. Hinterkopf mit langen auf-
rechten, den oberen Augenrand weit überragenden, gelbgreisen und
gegen den Ozellenhöcker zu schwarzen Haaren. Fühler schwarz-braun,
2. Glied und Basıs des 3. gelbbraun. 1. Glied lang (?/ı so lang als das
4.(?%), zylindrisch, lang schwarz- und greisgemischt behaart; 2. sehr
kurz, napfförmig, 3. oben ganz flach und stumpfwinklig, die stumpfe
Ecke mit einer sehr kleinen Borste. Griffel kürzer als das 3. Glied,
sehr dick. Thorax schwarzgrau, lang zottig, gelbgreis- und etwas
schwarz gemischt behaart. Rückenschild mit vier dunklern, ziemlich
breiten Längsstriemen. Beine schwarzbraun, die Vorderschienen bis
über die Mitte, die Mittelschienen mit Ausnahme der Spitze, die Hinter-
schienen, Mittel- und Hintertarsen ganz gelbbraun. Schenkel und
Schienen mit langen feinen unregelmäßig abstehenden, greisen und
schwärzlichen Haaren. Schwinger schwarzbraun, das Köpfchen am
Ende etwas heller schımmernd. Flügel hyalın, Adern gelbbraun und
fast alle sehr blaßbraun beraucht. 1. Hinterrandzelle weit offen;
vordere Zinke der 3. Längsader ohne oder nur mit der Spur eines
Anhangs. Hinterleib glatt, breiter als der Thorax, nach hinten gleich
breit bleibend, schwarzgrau, bei Beleuchtung von hinten erscheint der-
selbe blaugrau, mit breiter schwarzgrauer Mittellängsstrieme, welche
dunkelgraue Dreiecke einschließt und vom 3. Ring an mit dunkler
schwarzgrauer Seitenrandstrieme. Die Hinterränder der Ringe vom
3. an hellgelblich schmal gesäumt und ebenso kurz behaart. Die Be-
haarung wird nach "hinten zu länger und ist vorne (1. bis 3. Ring) seit-
lich gelbgreis, hinten (3. bis 7. Ring) gegen den Vorderrand zu schwärz-
lich, nach hinten zu gelbgreis, an der Seite lang und zottig, die schwarzen
Haare mit den weißen alternierende Flocken bildend. Bauch einfarbig
schwarzgrau, durchaus, besonders an den Hinterrändern und seitlich,
dicht gelbgreis behaart.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 85
Länge 12 bis 13, Flügellänge 11,5, Kopfbreite 4 mm.
Berberei, Marokko.
Syn. ist ohne Frage Th. frichoceras Big., dessen Type mir vorliegt.
Die Augenzeichnung kann nur andeutungsweise durch Aufweichen her-
vorgerufen werden. Ich kann der Brauerschen Diagnose nur wenig
zur Ergänzung hinzufügen: '
Länge 12, Fühler 1,5, Flügellänge 11, Flügelbreite 3,5 mm.
Basalglied der Taster grau. Die Fühler stehen auf einem ziemlich
hohen mattgrauen Höcker. 1. Fühlerglied ca. '/; länger als breit,
seine Behaarung länger als das 1. und 2. Glied zusammen, schwarz.
2. Glied mit kurzer schwarzer und unten heller Behaarung. Thorax
schwärzlich mit vier hellen blaugrauen Längsstriemen. Brustseiten
wollig gelbgrau behaart. Aderanhang sehr kurz. Hinterleib schwarz-
bräunlich, mattglänzend mit drei Reihen matter hellgrauer, sehr wenig
auffälliger Flecken, die mittleren dreieckig, die seitlichen + oval.
Sie werden eigentlich erst durch die helle Behaarung deutlich. Die
Stirnstrieme bildet ein schmales, glänzend schwarzes Querband, dessen
beide Enden in dem Bigotschen Exemplar dicht anliegend gelb
behaart sind.
20. Th. nıgellus Sail.
©: Länge 17 mm.
Originalbeschreibung: Körperform und Farbe ähnlich T. Erberi Br.
Ausen schwarz, sehr zerstreut behaart, mit zwei Purpurbinden. Stirn
gelbfilzig (in der Mitte etwas abgerieben). Augeneckenschwiele erhaben,
schwarz, glänzend mit schwarzem Spindelfortsatz. Vom rundlichen,
braunen Ozellenhöcker geht ein schwarzer, nach hinten verbreiterter
glatter Fleck aus. Stirndreieck und Uhntergesicht graugelb-filzig,
letzteres mit grausm Barte. Fühler orangerot und schwarz gefärbt
mit schwarzen Haaren. Taster orangerot, schwarz behaart mit grauer
Wurzel. Thorax matt glänzend, schwarz, mit gelblichem Belag, welcher
am Rücken undeutliche Längsstriemen bildet; Haare grau, unter den
Flügelwurzeln mit gelben Flocken. Flügel dunkelbraun mit schwarzen
Adern, ohne Aderanhang. Vorderbeine schwarz mit gelbem Knie. Die
Hüften und Schenkel der Mittel- und Hinterbeine schwarzgrau, letztere
mit gelber Spitze, dıe übrıgen Teile dunkelbraun, nur die Schienen-
wurzel etwas heller. Hinterleib größtenteils glänzend schwarz, schwarz
behaart. Die scharfbegrenzten rotgelben Flecken zeigen in ihrer Mitte
undeutliche graue Seitenflecken.
Ostsibirien, Ussuri. Type 2: Mus. Berlin.
21. Th. decorus Ew.
&: Länge 13, 'Flügellänge 12, Flügelbreite 4 mm.
Die kleinen Augenfazetten gehen ohne jede scharfe Grenze in die
größeren der Mitte über. Die schwarze, glänzende Spitze des Stirn-
dreiecks liegt vertieft. Das ganze Untergesicht ist rein weißgelb behaart
ohne Beimischung schwarzer Haare. Taster mit einer einzigen schwarzen
12. Heft
86 0.Kröber:
Borste. Thorax gelblichbraun behaart. Hinterleib mit großem rotgelben
Seitenfleck am 2. und 3. Ring, ersterer vorherrschend weiß behaart,
letzterer schwarz. Bauch schwarz, durch Bestäubung grau; die dichte
weiße Behaarung der Hinterränder täuscht helle Säume vor.
Syrien? Algier, Jerusalem.
Q: Länge 11 bis 14,5, Fühler 1,5, Flügellänge 10,5 bis 14, Flügel-
breite 3,5 bis 4,5 mm.
Augen blauviolett, mit den Spuren einer gelblichen Binde. Behaarung
lang und dicht weiß). Stirnstrieme parallelrandig, ca. 2!/; mal so hoch
als unten breit. Untere Schwiele fast quadratisch, oben gleichmäßig
abgerundet, glänzend schwarz, vom Augenrand breit durch Toment
getrennt; durch eine feine Leiste, die in der Mitte spindelförmig er-
weitert ıst, mit dem Ozellenhöcker verbunden. Von diesem treten zwei
feine dunkle Linien schräge an den Augenrand, den sie etwa in der
Höhe der Spindelmitte treffen. Ozellenhöcker trapezförmig, stark
glänzend, dunkelkastanienbraun. Behaarung der Stirn lang, vornüber-
geneigt, glänzend gelb. Hinterkopf am Augenrand kurz weißlich gelb
behaart, anı Scheitel mit sehr langen gelblichweißen vornübergeneigten
Haaren. Hinterkopf weißsgrau, Stirndreieck matt weilsgrau, etwas vor-
gewölbt. Untergesicht weıßgrau, lang weißgelb behaart. 1. und 2.
Fühlerglied weißßgrau, weißgelb behaart, 3. tiefschwarz, an der äußersten
Basıs etwas rotbraun, am Oberrand mit etwas stumpfer Ecke. Griffel
etwas kürzer als die kurze Platte. Taster lang, hellgelb mit weißer
seidiger Behaarung; das Ende ıst stark verjüngt. Thorax ım Grunde
glänzend schwarz, grau bestäubt, mit fünf hellen Längsstriemen. Be-
haarung lang, abstehend, zart, gelblich und schwarz. Zwischen Flügel-
wurzel und Schildchen ıst die Grundfarbe etwas rotbraun. Brustseiten
hellgrau, dicht wollig gelbweiß behaart. Schildchen schwarz glänzend,
grau bestäubt, äußerst lang und zart weißlich behaart. Hinterleib
ziemlrch kurz und breit, glänzend schwarz. 1. Ring matt dunkelgrau;
2. ım Mitteldrittel mit zwei glänzend schwarzen rhombischen Flecken,
die bis zum breiten hellgrauen Hinterrandsaum reichen. Die Ringseiten
sind weißgrau, an der Vorderecke ıst der Grundton rotbraun. Von
hinten gesehen, schımmern die hellen Partien des 1. und 2. Tergits
sowie alle klaren Hinterrandsäume bis zum 7. Ring einschließlici
silbergrau. Am 3. Ring sind in der Mitte und an den Seiten Vor-
sprünge der Hinterrandbinde angedeutet. Behaarung der schwarzen
Partien kurz anliegend, schwarz, der hellen lang abstehend, weißlich-
gelb. Bei Betrachtung ganz von hinten verschwinden die Flecken
des 2. Ringes und der ganze Ring erscheint silbergrau. Bauch im Grunde
schwarz, aber dicht weißgrau bestäubt, äußerst zart, lang abstehend,
blaß messinggelb behaart. Hinterrandsäume hell, aber unscharf.
Schenkel schwarz, durch Bestäubung grau, lang und zart blaßgelb
behaart. Schienen bleich rotgelb, dicht seidig anliegend weiß behaart.
Hinterschienen fast gewimpert. Vorderschienen an der Basis schwarz,
an der Unterseite weiter aufwärts steıgend als oben. Vordertarsen
tiefschwarz, (die anderen braun, an der Spitze verdunkelt. Behaarung
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 87
aller dunklen Partien schwarz; die der Sohlen z. T. rotgolden. Flügel
grauhyalin, Adern zart, braun, an Basis und Viorderrand z. T. gelblich.
Queradern durch ihre Stärke auffallend, z. T. leicht, aber unscharf
braun gesäumt. Randmal braun. In einem 2 tritt ın einem Flügel ein
kleiner Aderanhang auf.
Syrien, Libanon, Haifa IV., Ormasıa.
Nach Austen ist das 3. Fühlerglied in einem © breiter. Augen-
zeichnung variabel. Ein 5 und ein © hatten im Leben grüne Augen
mit einer feinen goldenen Querbinde, drei © hatten bronzegrüne Augen
mit drei feinen Querbinden, deren mittlere am deutlichsten war.-. Diese
Tatsache läßt einen wesentlichen Unterschied zwischen decorus und
cyanops verschwinden.
Jericho 26. 4. bis 8. 5. Jerusalem 20. 4.
22. Th. decorus Lw. var. cyanops Brauer
7 ”
„Augen dicht und ziemlich lang gelb behaart, grün mit
blauen Reflexen und einer schmalen, gelben, unten blaugesäumten Binde
und blauem Unterrande. Augenfelder an einer ovalen Stelle in der
Mitte der Augennaht größer als unten und am Rande, die größeren
Felder allmählich in kleinere übergehend. Ozellenhöcker rotbraun, klein,
aber deutlich vortretend. Oberrand des Hinterhauptes kurz und fein
gelbhaarıg, Stirndreieck und Untergesicht grau. Wangen schwärzlich
behaart, Untergesicht greishaarıg. Taster klein, gelblich, goldgelb be-
haart, das Endglied'länglich oval. Fühler rotgelb, der Griffel schwarz.
1. Glied oben kaum erweitert, becherförmig, ziemlich lang, oben kurz
schwarz behaart. 3. Glied mehr als zweimal so lang als am Grunde
breit, schmal, am Oberrande kaum erweitert, am Grunde daselbst mit
ganz niedrigem stumpfen Höcker. — Thorax schwarz, Rückenschild
dicht und lang goldgelb behaart, bei gewisser Beleuchtung . treten
schwarze Längsstriemen, die nıcht durch Haare gebildet werden, vor.
Schwinger schwarzbraun. An den Brustseiten eine hellgelbe Flocke.
Beine rotgelb, dıe Tarsen etwas gebräunt, die Hüften und die Basıs
der Schenkel schwarz. Behaarung der Beine an den Schienen goldgelb,
an jenen des dritten Paares längere schwarze Wimpern, an den Tarsen
kurze schwarze Haare. Flügel etwas graulichhyalin, gegen den Vorder-
rand zu etwas gelblich, die Randader aber braun; 1., 2., 3. und 5.
Ader gelblich, 4. sowie die feineren Aeste schwärzlich. Queradern
in der Mitte des Flügels und die Gabelteilung der 3. Längsader sehr
schwach beraucht, letztere ohne Anhangszinke oder eine kleine Spur
derselben. — Hinterleib rotgelb mit breiter, am 3. Ringe verengter,
gegen die Spitze zu wieder erweiterter schwarzer Mittelstrieme, die
nur durch den schmalen rotgelben Hinterrand aller Ringe etwas unter-
brochen wird. Am 2. und 3. Segment in dieser Strieme ein grauer
Längswisch als Spur von den gewöhnlichen Dorsalflecken. Die Seiten
des 3. bis 6. Ringes zeigen an der vorderen Hälfte einen durch buschigo
Haare gebildeten schwarzen Fleck, der am 5. Ringe beinahe die ganze
12. Heft
88 O. Kröber:
Oberseite bis zur Mitte bedeckt, während er am 3. und 4. Ring all-
mählich weiter nach außen gerückt und ganz seitlich gelegen ist, Die
Hinterränder sowie die Spitze des Leibes sind hellgelb behaart. Bauch
rotgelb, nur die zwei letzten Ringe ganz an der Seite und die Spitze
schwärzlich. Behaarung kurz, gelb, ganz unansehnlich.
Länge 13, Flügellänge 10,5, Kopfbreite 4,5 mm.
Syrien.
Die Farbe der Beine, Fühler und Augen lassen vermuten, daß es
keine bloße Varistät von T. decorus sei.‘ Da der Hauptunterschied,
die Augenzeichnung (S. decorus) nach Major E. E. Austens Bericht
hinfällig ıst, scheint es doch nur eine Varietät zu sein,
BT Kir
©: Länge?, Fühler 1,5, Flügellänge 12, Flügelbreite 4 mm,
Der Hinterleib der Type ist vollständig zertrümmert, —
Stirnstrieme breit, fast dreimal so hoch als breit, dunkelgrau, neben
der Mittelschwiele bräunlich, Ozellenhöcker glänzend kastanienbraun,
ziemlich hoch, in einem schwarzen Felde liegend. Augeneckenschwiele
stark gewölbt, sehr stark glänzend, wie poliert, von Auge bis Auge
reichend, breiter als hoch. Mittelschwiele breit oval, durch einen un-
scharfen matten Kiel mit der untern Schwiele verbunden, Stirndreieck
stark vorgewölbt, sehr stark glänzend, bis zu den Fühlerbögen reichend,
Untergesicht gelblich grau, greis behaart. Fühler kurz, breit und plump,
1. Glied kaum länger als breit, schwarz, mattgrau bestäubt, stark schwarz
beborstet. 2. Glied sehr kurz, schwarz, oben stark vorgezogen, stark
schwarz beborstet. 3. düster rotbraun, gleich dem Griffel, oben rund
vorgewölbt ohne scharfe Ecke, wodurch sich die Art sogleich von
luridus Fll. unterscheidet. Der Griffel ist kurz, sehr stark. Taster
an der Basıs blasıg aufgetrieben, schwach gekniet, in eine scharfe Spitze
ausgezogen, weiß, ebenso behaart mit wenigen schwarzen Borsten;
fast rüssellang. Hinterkopf schwarz, grau bestäubt, am Augenrand fast
weiß. Behaarung der Augen ziemlich kurz, aber dicht. Hinterkopf und
Stirnstrieme mit ganz vereinzelten langen vorgekrümmten schwarzen
Haaren. Thorax und Schildchen glänzend schwarz mit Spuren grauer
Längsstriemen. Schwielen vor der Flügelbasis und an der Schulter
hellgrau bestäubt. Behaarung der Brustseiten lang, greis. Schüppchen
braunhyalın. Schwinger braun. 1. Hinterleibring ganz schwarz, 2,
Ring schwarz mit rundlichem rotbraunen Seitenfleck. Die übrigen Ringe
fehlen. Alle Schenkel schwarz, gelblich behaart. Die zwei basalen
Drittel der Vorderschienen gelbbraun, das Spitzendrittel schwarz.
_Vordertarsen schwarz. Behaarung spärlich, schwarz, an den hellen
Teilen gelblich und schwarz. Mittel- und Hinterschienen gelbbraun,
die Spitze verdunkelt. Flügel graulichhyalin, die Adern sehr stark,
schwarzbraun, daher sehr auffallend. Alle Queradern ganz wenig
bräunlich gesäumt, eine Art schwacher Zickzackbinde bildend. Stiama
stark und groß, dunkelbraun.
Japan, Hokkadaio, Sachalın. Type X: Mus. Berlin.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 89
24. Th. borealis Loew
©: Länge 13 bis 15, Fühler 1,4, Flügellänge 12,5, Flügel-
breite 4,5 mm.
Haupterkennungszeichen sınd die sehr schlanken braunen Taster und
der breite, stark glänzendschwarze Hinterleib mit großen dunkelrot-
braunen Seitenflecken am 1. und 2. Ring und breiten milchweißen
Hinterrandsäumen, die hell behaart sind. Augenbehaarung kurz, weiß-
lich. Augeneckenschwiele groß, fast die Augen berührend, —- quadratisch,
Stirnstrieme kurz und breit, ca. 2!/;,—3 mal so hoch als unten breit,
ziemlich dicht weißlichgelb behaart, mit eingestreuten schwarzen Haaren,
Am Augenhinterrand und Scheitel lange weißliche Haare. Taster sehr
schlank, an der Innenseite hellbraun. Bauch einfarbig schwarzgrau mit
breiten hellen Säumen, höchstens die äußersten Seiten des 2. Ringes
rotbraun. Behaarung sehr dicht, anlıegend seidig gelb, wodurch der
Bauch mehr grau erscheint. Helle Mitteldreiecke treten stets am
{. una ‘2. Ring auf, manchmal am 1. bis 6. einschließlich. Schwinger
dunkelbraun.
Fundorte sehr zerstreut: Deutschland (Hildesheim, Thüringen,
Schreiberhau, Herrenalb, Bayern), Oesterreich (Wien, die Alpenländer,
Böhmen), Lappland, Schweden, England. Tinos. 7. VI.—VII., Finn-
land, Rußland, Sibirien, Kola, Irkutsk.
co: Länge 14 mm, Fühler 1,7 mm, Flügellänge 11 mm, Flügel-
breite 4 mm. Brauer ’s Beschreibung des 5 bszieht sich auf das /
von T. montanus während die des © sıch auf dıe melanochroidale Form
von montanus © bezieht (nach Dr. Villeneuve’s Untersuchungen
der Typen!) —
Sofort erkennbar .an dem fast hellkugeligen Kopf mit deutlich ver-
schieden großen Fazetten und den breiten milchweißen Hinterrand-
säumen des fast ganz schwarz glänzenden Abdomens. —- Behaarung der
Augen kurz, weißlich. Augen dunkelblaugrün, oben mit einer schwachen
Binde, unten mit zwei dicken rotbraunen. Augennaht ca. 1'/smal so
lang als das seidig weißgraue Stirndreieck. Uhntergesicht mausegrau,
lang und dicht gelblich und schwarz behaart. 1. Fühlerglied durch weiße
Bestäubung grau, sehr kurz sparsam schwarz 'beborstet. 2. Glied klein,
gelbbraun; 3. matt rotgelb mit deutlicher Ecke am Öberrand der ziem-
lich breiten Platte, Taster schwarz; Endglied äußerst charakteristisch,
von der Form einer Granate mit heller gelbbrauner Spitze. Am Scheitel
keine langen schwarzen Haare. Rückenschild und Schildchen schwarz,
durch Tomant und Behaarung braunoliv. Behaarung schwarz und gelb-
braun. Keinc Striemung. Brustseiten dichter greis behaart, fast fleckig;
ver der Flügelwurzel schwarze Haare. Schüppchen bräunlich hyalın,
weiß behaart. Schwinger schwarzbraun mit heller Spitze. Hinterleib
walzig rund, tief schwarz, glänzend, mit düsterkastanıenbraunem Fleck
am 1. und 2. Ring, der auch schwarz behaart ist. Nur die breiten
weißen Hinterränder mit auffallend weißglänzender Behaarung. 2. Ring
mit Spuren eines matt grauweißen Mitteldreiecks.. Bauch schwarz,
Hinterränder breit weiß, weiß behaart. Flügel 'bräunlich hyalın, Adern
12. Heft
90 O.Kröber:
zart gelbbraun. Vorderrand gelblich, Beine schwarz, Vorderschienen
basıs, die andern ganz gelbbraun. Behaarung zart, an den Hinterschienen
gewimpert. Die Beleuchtung ändert die Farbe. 1 5 vom Taunus (det.
Villen.).
Nach Villeneuve’s Untersuchungen bestehen Meigens Typen
ın Paris aus einem & und einem ©, während ein zweites Pärchen zu
maculicornis Zett. gehört.
25..Ih. lurıdus Fall
o: Länge 11,5 bis 13 mm, Fühler 1,2 mm, Flügellänge 9,5
bis 11 mm, Flügelbreite 3 bis 45 mm. Kleine gedrungene Art,
erkennbar an der kurzen Stirnstrieme, deren untere stark glän-
zende Schwiele breit beide Augen berührt und mit dem voll-
kommen schwarzen stark glänzenden Stirndreieck ın Verbindung
steht. — Stirnstrieme dreieinhalbmal so hoch als unten breit,
nicht 2!/,- bis 3mal so hoch. Die Mittelschwiele liegt in einem schwärz-
lichen Fleck, der gleich dem Scheitel schwarz behaart ist; sonst ist die
Stirnbehaarung weißgelb. Behaarung der Augen braun, des Hinterkopfes
ziemlich kurz weiß, des Scheitels lang schwarz. Griffel dick und kurz,
ca. ”/s so lang wie die Platte des 3. Gliedes. Thorax, Schildchen und
Hinterleib stark glänzend, vorherrschend schwarz, an den Seiten des 2.
und 3. Ringes kann Rotbraunfärbung auftreten. Bei Betrachtung von
hinten erscheint dieselbe durch graugrünlichen Beleg vollkommen bedeckt,
desgleichen die Hinterränder und die Spuren der Mitteldreiecke. Bauch
schwarz, durch anliegende gelbliche Behaarung grau erscheinend. Rot-
braunfärbung am 2. und 3. Ring ‘läßt eine dunkle Mittelstrieme von ca,
!/; Ringbreite entstehen. Manchmal erscheinen auch am 4. und 5. Ter-
gite graue Seitenflecken, so daß dann der Hinterleib zwei Reihen grauer
Flecken trägt. Ueber die Spitze den Basalzellen zieht sich eine dunkle
Zickzackbinde. Schwinger dunkelbraun. Behaarung der Schenkel lang
abstehend seidig gelb; der Schienen kurz gelb. Hinterschienen zart ge-
“wimpert, ın der Spitzenpartie vorherrschend schwarz behaart. Behaarung
der Mittelschienen entschieden am längsten. — 1 © von Lappland ist
am 2. und 3. Bauchring vollkommen hellrotgelb, am 2. mit undeutlichem
quadratischen Mittelfleck und länglichem Seitenfleck. — 1 2 von Lapp-
land hat schwarze Augenbehaarung.
Fundorte zerstreut: Deutschland (Stettin, Schlesien, Buchholz, Ham-
burg-Fuhlsbüttel, Bayern), Böhmen, Lappland, Schweden, 25. V.
bis 5. VII.
o: Länge 13 bis 16 mm, Fühler 1,7 bis fast 2 mm, Flügellänge
11 bis 14 mm, Flügelbreite 3,5 bis 4,5 mm. Erkennbar an der niedrigen
Augennaht, die kaum länger ıst als das Stirndreieck. Augen mit zwei
oder drei Purpurbinden und rotem Uhnterrand. Tasterendglied groß,
aufgeblasen, grau mit gelbbrauner Spitze. Behaarung mäßig lang, gelb-
lich. Erstes Fühlerglied grau, lang schwarz beborstet. drittes rotgelb,
halbmondförmig. Griffel schwarz oder dunkelbraun. Am Scheitel nie
lange schwarze Haare. Augen kurz braun behaart. Körper tief
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. gL
schwarz, stark glänzend. Hinterleib mit ganz dunkelkastanienbraunen
Seitenflecken an Ring 1 bis 3. Hinterrandsäume und Mitteldreiecke
fehlen, aber an diesen Stellen steht besonders auffällige goldgelbe oder
weiße Behaarung, dieselben vortäuschend. Bauch dunkel rotgelb mit
breiten gelblichen oder weißen Hinterrandsäumen. 2. Ring mit großem
viereckigen Mittelfleck. Auf den folgenden Sterniten trıtt manchmal
eine Mittelstrieme dadurch zu Tage, daß die Seiten weißes Toment
tragen. Schwinger schwarzbraun, Flügel bräunlich, Queradern, Gabel
und Stigma bräunlich, manchmal ziemlich intensiv. Hinterleib etwas
breiter und glatter als bei fropicus.
Deutschland (Boberg 10. VI.), Lappland. — Schottland, Schweden,
Frankreich, Rußland. 5. VI.—VII., Nordsibirien.
Meigen’s Type lo; 1 Weibchen scheint zu solstitialis zu gehören.
26. Th. lateralis Meig.
©: Länge 13 mm, Fühler 1,6 bis 2 mm, rise 12,5 bis 13mm,
Flügelbreite 3,5 bis 45 mm. Erkennbar an dem durchaus schwarz-
glänzenden Hinterleib mit großen weißgrauen Seitenflecken am 2. und
3. Ring. — 1. und 2. Fühlerglied grau, kurz schwarz behaart; 3. tief-
schwarz, an der Basıs + rotbraun. Untere Partie der Stirnstrieme vor-
herrschend gelb behaart. Untere Schwiele haarfein vom Auge getrennt.
Vom Ozellenhöcker gehen zwei feine glänzende schwarze Leisten schräg
nach dem Augenrand zu, den sie etwa in der Mitte der Stirnstrieme er-
reichen. Augen lang und dicht braun behaart. Thorax anliegend grau-
weiß und langabstehend schwarz behaart. Seitenflecken des 3. Ringes
oft klein. 1. Ring seitlich dunkler grau, lang weißlich behaart. Alle
helle Flecken und Säume heli behaart, der Rest schwarz. Bauch ein-
heitlich gelbgrau behaart. Flügel graulich hyalın, über den Queradern
fast mit einer braunen Querbinde, da alle deutlich gesäumt sind. Vorder-
rand gelblich, Stigma groß, hellbraun. Schenkel schwarz, Schienen
dunkelbraun, Vorderschienen an der Spitze breit schwarz. Tarsen
schwarz. Behaarung der Schenkel kurz schwarz und lang weißlıch, der
Schienen gelblich.
Württemberg, München, Altenburg, Machern, Aachen, Bremen 25. VII,
— Griechenland, Korfu, England, Frankreich, Krım, Kroatien, Dal-
matıen.
co: Länge 14 mm, Fühler 1,2 mm, Flügellänge 11 bis 12,5 mm,
Flügelbreite 4 bis 4,5 mm. Augen grün, unten mit zwei Purpurbinden,
dicht und lang schwarzbraun behaart. Kopf wie bei luridus, aber
Taster klein, gut zweimal so lang als breit, hell behaart. i. und 2.
Fühlerglied länger schwarz behaart als beide Glieder zusammen.
1. Glied wulstig, ohne Ecke, 3. mit kleiner deutlicher Ecke, halbmond-
- förmıg. Griffel etwas länger als die halbe Platte. Schienen in einsm
5 sehr hell. Flügel manchmal auffälliger gefärbt als beim 9. Die
Seitenflecken des Hinterleibes variieren; sie sind dunkel rotbraun, aber
mit weißem Reif übergossen, daher + grau erscheinend. Sonst der
12. Heit
92 O. Kröber:
Hinterleib tiefschwarz, glänzend. — Bauch in einem © von Aachen
ganz schwarz.
Bremen.
27. Th. nıgricornis Zett.
©: Länge 12 bis 14,5 mm, Fühler 1,1 bis 1,6 mm, Flügellänge 11,5
bis 13,2 mm, Flügelbreite 4 bis 4,1 mm,
Hauptmerkmale der verhältnismäßig kleine Kopf und der ziemlich
glanzlose, rein schwarze Hinterleib mit drei Reihen grauer Flecken.
Augen sehr kurz braun behaart. Untere Augeneckenschwiele fast qua-
dratisch, oben in eine kleine Spitze ausgezogen, breit vom Augenrand ge-
trennt. Die mittlere Schwiele ist oft vollkommen isoliert. Ozellen-
höcker klein, aber scharf isoliert, braun. Behaarung der Stirn sehr zer-
streut, kurz, schwarz und hell. Augenhinterrand mit kurzen weißlichen
Haaren; am Scheitel stehen kaum längere schwarze. In einem 2 vom
Maloja-Paß sind die Augen schwarzblau mit drei grünen Bänden; 1 2
vom Pordoi-Paß hat blaugrüne Augen mit drei dicken Purpurbinden und
breitem purpurnem Unterrand. — Die Taster sind nicht weiß, sondern
weißlich braun, kurz aber dicht schwarz behaart. Schienen ziemlich
hellbraun, nicht rotgelb. Hinterschienen mit auffälligen schwarzen Wim-
pern. Flügeladern alle braun.
Schweiz (St. Moritz, Ober-Engadin, Maloja), Tirol (Pordoipaß),
Reval, Karagai-Tau (mein größtes 2); Schweden, Lappland, Ungarn,
Böhmen, Rußland. 17. VII. bis 8. VI.
cd: Länge 13 bis 14 mm, Fühler 1,6 bis 1,7 mm, Flügellänge 11,5
bis 12 mm, Flügelbreite 3,5 bis fast 4 mm.
Aeußerst zierlich; erkennbar an den sehr schlanken schwarzen Fühlern.
Augen grün mit 2 oder 3 Purpurbinden und rotem Unterrand; sehr dicht
kurz braun behaart. Am Scheitel ksine langen schwarzen Haare. Basal-
glieder der Fühler sehr lang schwarz behaart. 3. Glied äußerst schlank,
am Oberrand mit kaum merkbarer Ecke fast an dar Basıs, tief schwarz,
nur die Basis etwas düster rotbraun, 1. Glied wulstig, becherförmig,
ohne Ecke. Griffel dick, fast von der Länge der Platte. Tasterendglied
klein, stumpfkegelig, durch Anordnung der Behaarung spitzer er-
scheinend. Behaarung des ganzen Körpers schwarz, länger als bei den
verwandten Arten. Beine sehr dunkel, Schienen manchmal fast schwarz-
braun. Hinterleib schwarz, mit \düsterrotbraunem Seitenfleck am 2. und
3. Ring oder 2. bis 4. Von hinten betrachtet erscheint die Partie nahe
der schwarzen Mittelstrieme silberübergossen. Keine hellen Hinterrand-
‘ säume, aber weiße Behaarung wie bei luridus in der Mitte, an Stelle
der Dreiecke, und an den Seiten bzsonders auffällig. Bauch rotbraun,
5. bis 7. Ring schwarz, 2. mit großem rechteckigem Mittelfleck, 3. bis
4, mit unklarer Mittelstrieme. Schwinger schwarzbraun mit heller Spitze. _
Flügel bräunlich hyalın ohne deutliche Säumung der Queradern.
Alpengebiet (Ober-Engadin, Maloja, Pordoi) und Winsen a. d. L.
20. VII. bis 3. VIII.
Beiträge zur Kenntüis palaearktischer Tabaniden. 93
28. Th. rupıum Br.
Die lang und dicht behaarten Augen und der deutliche, tief eingesenkte
matte Ozellenhöcker weisen der Art m. E. trotz des „falschen Ozellen-
höckers“ des Q@ einen Platz in der Untergattung Therioplectes an,
&: Hinterkopf mit auffallend langen und’ 'dichten, nach vorn über-
geneigten schwarzen Haaren. Augen lang und dicht gelbbraun behaart.
Die Fazetten der obern ?/; wenig aber deutlich größer als ım Rest.
An der Grenze eine unklare dunkle Binde. Stirn matt gelbbraun, das
Dreieck selber matt glänzend, schwarzbraun, die Augennaht sehr vertieft.
Fühler tiefschwarz; 2. klein, becherförmig, 3. schlanker als beim 2.
1. Glied sehr lang abstehend schwarz behaart, länger als das Glied
selber. Untergesicht grau mit gelblicher, sehr lang abstehender Be-
haarung. Taster gelbbraun, Endglied ziemlich groß, oval; aufgeblasen
mit langer gelber, bei bestimmter Beleuchtung schwarz erscheinender Be-
haarung und schwarzer Beborstung, die an der Spitze besonders dicht
steht und das Glied scheinbar mit einer stark ausgezogenen Spitze ver-
sieht. Thorax schwarz, dicht grau bestäubt mit 5 helleren grünen
Striemen. Behaarung lang und zart abstehend graugelb, an den Brust-
seiten wollig, mehr gelb. Vor der Flügelbasis schwarze Haare. Hinter-
leıb ziemlich glänzend, schwarz mit grauem Schimmer, der manchmal
den ganzen Hinterleib aschgrau erscheinen läßt. 2. bis 4. Ring mit rund-
lichem weißgrauen Seitenfleck, der dem Hinterrand anliegt oder
2. Tergit mit rostrotem Seitenfleck. 2. bis 5. mit Mitteldreieck, 1. mit
Spuren davon. Behaarung ziemlich lang, zart, schwarz, an den Hinter-
rändern und Mitteldreiecken weiıßglänzend. 6. bis 7. Ring gleichmäßig
grau mit weißen Haaren am Hinterrand, besonders in der Mittelpartie
des 6. Bauch schiefergrau mit unscharfer, dunklerer Mittelstrieme, sehr
zart und lang weißlich braungelb behaart, am Zusammenschluß
der Tergite und Sternite schwarze Farbe, nur an den weißen
Hinterrandsäumen weiß. Beine schwarz, Mittelschienen mit braunem
Schein. Behaarung greis, Vorderschenkel und Außenseite der Hinter-
schienen schwarz. WVorderschienen in der Basalhälfte weißlich, ım
Endstück anliegend schwarz behaart. Flügel graulich hyalın mit starken
schwarzen Adern und schwarzem Randmal.
1 & Type Koll. Oldenberg. Mehadıa. 3. 7. 1912. Trafoı.
Länge 15 mm, Fühler 1,5 mm, Flügellänge 13 mm, Flügelbreite 4 mm.
Q: Entspricht vollkommen Brauers Beschreibung. Stirnstriemen
schwarz behaart. Tasterendglied schlank, dicht schwarz behaart. Brust-
seiten glanzlos, weißgelbgrau, wollig gelblich behaart. Schwinger schwarz,
weißlich bereift. Hüften grau, lang greis behaart. Sohlen der Tarsen
satt goldgelb behaart. Schienen kurz weiß behaart. Mittel- und Hinter-
schienen dunkelbraun. Flügeladern zart braun gesäumt. Hinterleib je
nach der Beleuchtung glänzend schwarz oder'schieferblaugrau. Hinter-
randsäume sehr zart weiß, gleich den Mitteldreiecken zart weiß behaart.
Länge 14 mm, Fühler 1,7 mm, Flügellänge 12 mm, Flügelbreite fast
4 mm. M.E. sind die Augen unbandiert.
12. Heft
94 O. Kröber:
Salzburg, Geisberg; Krain, Politsch; Mehadıa bei Herkulesbad, Stei-
rische Alpen. VII. bis VIII. Trafoi, Mte. Rosa.
29. Th. tropicus Pz.
Q: Länge 13,5 bis 15 mm, Fühler 1,7 bis 2 mm, Flügellänge 12
bis 13 mm, Flügelbreite 4 bis 4,5 mm. Taster blasıg, am Grunde durch-
aus mit etwas graulichem nicht bräunlichen Ton. Das 9 ist meistens an
der unten ziemlich stark verjüngten (um !/, bis '/,!) grauen nicht gelb-
lichen Stirnstrieme erkennbar (doch kommen © mit fast paralleler
Strieme vor). Die untere Augeneckenschwiele ist in der Regel zierlich,
etwas höher als breit. Oben am Scheitel stehen in allen meinen gut er-
haltenen © lange dichtgedrängte schwarze Haare. Die Mittelbeine
erscheinen auffallend lang abstehend schwarz behaart. Da die Mittel-
strieme des Hinterleibes in allen Fällen breiter ist als !/; der Ringbreite,
so erscheint er vorherrschend rein schwarz. , Behaarung vorherrschend
weiß (bei montanus gelblich!) an den Hinterrandsäumen, Bauch an
der Basıs rötlichgelb, mit oder ohne Mittelfleck am 2. Sternit. Dieser
ist ‚dreieckig, kann aber auch unklar viereckig erscheinen. Bauch mit
weißlichem Reif, der den Farbton eigentümlich rotbläulich erscheinen
läßt,
Aus allen Teilen Deutschlands, Schweiz, Frankreich, Spanien, Eng-
land, Schweden, Norwegen, Rußland, Formosa, Japan, Sibirien. 23. V,
bis 28. VI.
co: Länge 13 bis 14 mm, Fühler 1,5 mm, Flügellänge 12 mm,
Flügelbreite 4,5 mm.
Von den ähnlichen Arten die dunkelste und matteste. Der Scheitel
trägt in meinen sämtlichen 5 ein schwarzes Haarbüschel, Fühler ver-
hältnısmäßig schlank. 3. Glied größtenteils rotgelb. Tasterendglied
ziemlich groß, geschwollen, bleich gelbbraun, die Basıs etwas graulich;
Behaarung ziemlich lang. Mittelschienen auffallend lang abstehend
schwarz behaart. Bauch rotgelb. 2. Ring mit kleinem Dreieck. 5. bis
7. Ring schwarz. Mittelstrieme des Hinterleibes ın allen 5 '/; der
Ringbreite ausmachend.. Manchmal trägt auch der Bauch eine an-.
gedeutete Fleckenstrieme an Ring 1 bis 4. — Ein & hat fast ganz
mausgrauec Taster, deren Spitze allein etwas gelbbraun ist. — Augen-
behaarung kurz, sammetartig, bleichbraun. 16. V. bis 30. VII.
Lundbeck fand die Puppe (20 mm) ım Moos am 5. VI,, geschlüpft
am 13. VI.
30. var. bisıgnatus Jaenn.
©: Länge 13 bis 16 mm, Fühler 1,5 bis 1,7 mm, Flügellänge
11 mm, Fühlerbreite 4 bis 4,2 mm.
Ich halto die Art nur für eine Varietät von fropicus und auch Dr.
Vılleneuve hat Tiere meiner Sammlung also bezeichnet. Die
‚schwarzen Scheitelhaare sind vorhanden; die Stirnstrieme ist grau, fast
stets unten verjüngt,; selten fast gerade. Der Hinterleib ist stark ver-
dunkelt; die rotgelben Seitenflecken sınd stark reduziert oder fehlen
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 95
ganz und sınd dann durch weilsgraues Toment ersetzt. Bauch fast
ganz schwarz mit grauem Schein. Mittelschienen dicht und lang ab-
stehend schwarz behaart. (Zwei © von'Quarrendorf 25. VII. und Osdorf
VIII. mit fast ganz weißgelber Behaarung!)
Verschiedene Orte Deutschlands. 15. V. bis VIII. England, Frank-
reich, Rußland, Tirol. Amur.
o (Villeneuve, Feulles des j. Nat. 1905, p. 59): „Le Ja
les antennes entierement noirätres, ses palpes sont allonges et cylın-
driques, herisses de longs poils noirs; son aspect et sa taille sont
ceux de T. borealis Mg., la coloration de l’abdomen est identique ä
la 9. Il est peutetre tres voisın de T. nigricornis Ztt. que je ne
connais pas, mais, par les caractere enonces plus haut, ıl ne saurait
en aucune facon &tre rapporte a T. fropicus, non plus qua T. luridus.
C’est une espece bien tranchee, et ıl faut savoir infiniment gre a
M. Trionult d’avoir contribu& sı heureusement & depister lidentite
de ce Taon.“
Ueber die Meıigenschen Typen sagt Villeneuve: „La © a les
yeux nus: apricus Meig. 3 JS: 2 d’entre eux ont les palpes globu-
leux; les facettes m&dianes des yeux sensiblement plus grosses que les
inferieures, les poils des yeux longs, serres et roux, les 4 premiers
segments abdominals rougeätres. Le 3. a la t&te petite, les facettes
oculaires. moindres et presque toutes Egales, les palpes subeylindriques,
oblongs; les yeux n’ont que 2 bandes pourprees avec quelques -longs
poils &pars.
31. Th. sareptanus Sail.
©: Länge 17 bis 18 mm. Ich gebe Szılady ’s Originalbeschrei-
bung und Varietät, da etliche Tiere meiner Sammlung nicht ganz
mit den Beschreibungen übereinstimmen und vielleicht einer anderen
Art angehören. Nach der Form der Taster (s. Abb.) zu urteilen,
kann die Art nicht zu Mühlfeldi Br. gehören. — Schwarz mit rot-
gelben Seitenflecken, zweifarbigen Beinen, weißlichen Tastern und
glashellen Flügeln. Augen (im trockenen Zustand) schwarz, etwas
blau glänzend mit drei Purpurbinden und kurzen weißsgelben Haaren.
Hinterhauptrand breit, mit einer Reihe von weißen Haaren. Stirn
gelbfilzig, in der Mitte etwas dunkler gefärbt, schwarzhaarig. Der
braune Ozellenhöcker schwarz gesäumt. Augeneckenschwiele schwarz-
braun, schwach glänzend, mit einer oder zwei Längsfurchen; Spindel-
fortsatz schwarz. Stirndreieck flach, gelblichgrau mit weißgelben)
Fühlergrübchen. Untergesicht weißgrau mit weißem Bart. Fühler
schwarz; die zwei Wurzelglieder aschgrau mit schwarzen Haaren;
3. Glied an der Basıs mit rotem Fleck. Taster fahlgelb, an der Basıs
grau; Behaarung kurz weiß anliegend. Thorax unten durch die weiße
Behaarung und den dichten Belag etwas bläulich., Stigmen und Schulter-
schwielen gelb, letztere mit schwarzen Haaren; unter den Flügelwurzeln
sroße Flecken von weißgelben und beigemischten . grauen Haaren.
Oberseite schwarz, glänzend, jedoch durch den feinen Belag, der auch
12. Heft
n
96 O. Kröber:
drei undeutliche Längsstriemen bildet, etwas matt. Flügel’ hell mit
braunen Adern; WVorderrand gelblich; Gabel ohne Anhang. Beine
schwarz; Schenkel weiß behaart, mit weißem Belag und gelber Spitze;
Schienen etwas gebräunt. Hinterleib rotgelb. Mittelstrieme und End-
segmente schwarz mit weißlichen Säumen. Auf der Oberseite stehen
zerstreute schwarze Haare, an den Rändern und in den 3 Fleckenreihen
weißgelb®e Haare. Der ganze Hinterleib ist von einem weißlich
schimmernden Belag bedeckt, welcher eine Mittelreihe von dreieckigen
und zwei Seitenreihen von rundlichen Flecken bildet. Am Bauch er-
scheinen die dunklen Teile durch den dichteren Belag grau.
Sarepta. Type 9: Mus. Wien.
32. var, melas Sail.
Unterscheidet sich dadurch, daß die schwarze Farbe eine viel
größere Ausdehnung erreicht. 1. und 2. Tergit mit gemeinsamem kleinen
rotgelben Seitenfleck, 3. mit kleinem isolierten.
Sarepta, Type %: Mus. Berlin.
Ich habe von Berlin kein Exemplar erhalten können!
33. Th. nitidifrons Sail.
Q: Originaldiagnose: T. sareptanus ähnlich, aber durch folgende
Merkmale verschieden: Das Stirndreieck ist über den Fühlergrübchen
stark hervorgewölbt, glänzend schwarzbraun, 'mit der Augeneckenschwiele
durch eine seichte Vertiefung verbunden. Das 2. und 3. Fühlerglied
mit Ausnahme des Anhanges gelbrot. |
Amur. Type 9: Mus. Wien.
34. Th. confinis Ztt.
Frey hat den Namen in conformis umgeändert, der aber auch
bereits von Walker vergeben worden ist.
©: Länge 16 bis 17, Fühler fast 2, Flügellänge 13 bis 14, Fühler-
breite 4,5 bis 5 mm.
Wenn die Taster nicht fast von der Form derjenigen von fropicus
wären, möchte ich die Art zu fulvicornis stellen!
Stirndreieck glänzend schwarz mit brauner Mitte von Augen und Fühler
durch gelbgraues Toment fein getrennt. In die Mitte schiebt sich von
unten ein mattes Dreieck hinein. Das Stirndreieck ist von der Augen-
eckenschwiele nur durch eine feine Querfurche geschieden. Taster
dick, fast wie bei fropicus, gelblich; Behaarung weiß und zerstreut
schwarz. Gesicht wollig weißgelb behaart. Stirnstrieme oben etwa
. 1/, breiter als unten, Fühler schwarz, Basis des 3. Gliedes + rotbraun
oder rotgelb. Augen dunkelgrün oder blaugrün mit drei schmalen Purpur-
binden, kurz braun behaart. Ozellenhöcker mit wenigen schwarzen
Haaren. Hinterhaupt gelblich behaart. Hinterleibringe ganz fein hell
gesäumt. Alle Segmente mit kleinem hellbehaarten Mitteldreieck. 1. bis
3. oder 4. Ring mit hellrotgelbem Seitenfleck. Bauch hellrotgelb, am
2. Ring mit großem quadratischen Mittelfleck und unregelmäßigem
Seitenfleck. 3. mit schmalem Querstrich am Hinterrand, der die
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 97
Seitenflecken nicht erreicht. 4. Ring am Vorderrand mit zwei +
halbkreisförmigen Flecken. Alle Hinterränder hell. Wenn die Rotgelb-
färbung bis Ring 5 reicht, trägt dieser die obenbeschriebene Zeichnung
des 4. Ringes, und der 4. Ring trägt drei kleine schwarze Flecken:
Ein Dreieck ın der Mitte und einen + langovalen Seitenfleck. 1., 5. bis
7. oder 6. bis 7. Ring schwarz. Kein Aderanhang. Schenkel schwarz,
grau bestäubt, gelblich behaart. Schienen hellrotgelb, Vorderschienen
nur ım Basaldrittel zart abstehend gelbweiß behaart. Mittelschienen
mit mäßig dicht gestellten lang abstehenden hellen Haaren. Vorder-
tarsen tiefschwarz, die andern bräunlich, nach der Spitze zu verdunkelt.
Unterseite goldrot behaart.
Sibirien, Amur. — Schweden, Lappland, Jämtland.
Frey vergleicht die Art mit tropicus und schreibt: „T. confinis
ist ımmer größer (16 bis 18 mm), auffallend stark glänzend und
von gelbbrauner bis dunkelbrauner Farbe. Die Hauptfarbe von fro-
pieus © ist dagegen gewöhnlich weißgrau. Die Stirn ist fast gleich breit
und deutlich breiter als beı fropicus, etwa 3'/s bis 4mal so hoch
als unten breit. Die Augeneckenschwiele ist in der Regel quadratisch
und berührt nıcht die Augenränder. Das Stirndreieck ist grau und ge-
wöhnlich mit zwei über den Fühlern stehenden schwarzen Striemen
oder Punkten versehen, die oben miteinander und mit der Augenecken-
schwiele verbunden sınd. Sıe können auch fehlen, dann ist das Stirn-
dreieck einfarbig grau oder graugelb. Das Tasterendglied ist ziemlich
kurz, gekrümmt und an der Basıs stark verdickt, gemischt schwarz
und weißgelb behaart. Die Behaarung ist überwiegend braungelb oder
weißgelb.‘“
Die Art scheint hiernach keine Berechtigung zu haben: Da das
glänzende Stirndreieck doch durch Abreibung entstanden wäre, obgleich
die drei mir vorliegenden © (eins aus Koll. Becker, zwei aus
meiner Sammlung) diesen Eindruck nicht erwecken. Nach der Form
der Stirnstrieme müßte es dann zu fulvicornis gehören, davon es
m. E. die dickeren Taster wieder scheiden.
35. Th. Mühlfeldi Br.
©: Länge 13,5 bis 17, Fühler 1,5 bis fast 2, Flügellänge 11 bis
14,5, Flügelbreite 3,5 bis fast 5 mm,
Erkennbar durch die eigentümlich gelbliche Behaarung, die den Hinter-
leıib mehr weißgrau erscheinen läßt, und durch die fast reinweißen
Schwinger. — Stirnstrieme 4 bis 5'/;mal so hoch als unten breit,
meistens fast parallelrandig, in einigen @ aber unten deutlich schmäler;
dann gleicht die Stirnstrieme vollkommen der von solstitialis. Augen-
eckenschwiele breiter als hoch, fast bis zum Auge reichend. Die
spindelförmige Leiste ist oft so mit heller langer Behaarung bedeckt,
daß sie nur angedeutet ist. Fühler schlank, fast stets ganz schwarz,
nur die äußerste Basıs des 3. Gliedes manchmal etwas rotbraun. Die
Platte ist fast !/;mal länger als breit; die Ecke ist ganz unbedeutend.
Tasterendglied in keinem meiner Exemplare so scharf gekniet, wie
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 12. 7 12. Heft
98 O. Kröber:
Brauer zeichnet, aber außen dicht schwarz behaart. Bauch rotgelb;
2. Rıng mit schwarzem quadratischen Mittelfleck, der bis zum Hinter-
rand reicht. In zwei © ist er unscharf bis zum letzten Ring verlängert,
so dal) hier eine hauchzarte Mittelstrieme vorhanden ist. In der ca.
!/; Ringbreite einnehmenden Mittelstrieme der Oberseite liegt eine
Reihe von breiten grauen Dreiecken, die lückenlos aneinanderschließen
und im tadellosen © so dicht anliegend gelbgrau behaart sind, daß
eine breite kontinuierliche helle Mittelstrieme entsteht, die vom 1. bis
7. Ring reicht und die breiter ist, als die begleitenden schwarzen
Reste der Mittelstrieme. In einem © von Turkestan bedecken sie die
ganz unverhältnismäßig schmale Mittelstrieme vollkommen. Gewöhnlich
reichen die mehr gelbbraunen als rotgelben Seitenflecke von Ring 1-4
einschließlich. Hinterrandsäume fein hell, dicht anliegend weißlich
behaart. Schwinger weiß, dıe Basıs des Knöpfchens etwas bräunlich.,
Augen leuchtend blaugrün mit zwei grünen Binden. Ein ‘9 von Kara-
gaitau hat blauviolette Augen mit drei zarten gelben 'Binden. Ein 9
vcm gleichen Fundort mit nur einer klaren zarten Binde. Ein @ von
Turkestar hat leuchtend blaue Augen mit zwei grünen ‘Linien, von
denen eine unklar ıst (det. Vıllen.).
Klein-Asier (Brussa), Karagaitau, Sarepta, Turkestan, Petschanaja
Retschka. 4. — Sibirien, Amur, Korsika, Deutschland, Dänsmark,
Dalmatien.
&: Länge 13 bis 15,5, Fühler 1,5 bis 1,7, Flügellänge 11,5 bis
13, Flügelbreite 3,5 bis fast 4 mm,
Von denselben Fundorten und von Thorda, Usedom, Schleißheim,
Dalmaticn, Djarkent, Usek, 20. V. bis VII.
Augen in den obern zwei Dritteln mit größern, ziemlich deutlich
unterscheidbaren Fazetten; mit zwei Purpurbinden und rotem Schimmer
an der Grenze der Fazetten. Augenhinterrand und Scheitel ohne lange
Haare. Kopf hoch, wie bei fropicus. 1. Fühlerglied grau, wulstig;
2. klein, napfförmig, rotgelb; 3. sehr lang, schwarz, an der Basıs +
rotgelb, mit kleiner, aber deutlicher Ecke sehr nahe der Basıs, Das
Endstück der Platte von der Ecke an ıst so lang wie der ziemlich
starke schwarze Griffel. Stirndreieck silbergrau matt, das äußerste
Spitzchen schwärzlich, etwas glänzend. Taster ziemlich klein, lang
oval mit stumpfer Spitze, lang gelblich behaart. Die Auskerbung an
der Unterseite zeigen meine Exemplare nicht. Untergesicht greis be-
haart. Thorax graugrünlich tomentiert, besonders am Hals. Behaarung
sehr zart, abstehend lang schwarz. Brustseiten sehr dicht bräunlich
behaart. Präalarbeulen gelbbraun, zart schwarz behaart. Schüppchen
braun hyalın, ebenso behaart. Schwinger hellweiß, Basıs des Knöpfchens
etwas braun. Hinterleib vorherrschend rotgelb, da der einheitliche
rotgelbe Seitenfleck bis zum 4. Ring einschließlich reicht und nur
eine schmale schwarzgraue Mittelstrieme von höchstens ein Viertel
Ringbreite nachläßt, die am 3. Ring am schmalsten ist. Hinterrand
des 4, der ganze 5. bis 7. Ring schwarz, durch graue Bestäubung
namentlich bei Betrachtung von hinten, sılbergrau erscheinend. Hinter-
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 99
ränder sehr zart, weißgrau, weil behaart; sonst die Behaarung schwarz.
Bauch am 1. bis 4. Ring hellrotgelb. 1. Sternit in der Mitte und an den
Seiten schwarzfleckig, 2. mit großem viereckigen Mittelfleck, der bis
zum Hinterrand reicht. 5. bis 7. schwarzgrau. Behaarung zart rotgelb.
Hüften una Schenkel grünlichgrau, Vorderschenkel unten der Länge
nach tiefschwarz. Schienen hellbraungelb, hell behaart, die vordern
an der Spitze schwarz, ebenso behaart. Hinterschienen außen schwarz
gewimpert. Vordertarsen schwarz, die andern gelbbraun, 3. bis 5.
Glied dunkler. Sohlen goldrot behaart. Flügel bräunlich hyalın. Adern
manchmal ganz leicht braun gesäumt.
Thorda (Siebenbürgen). 20. VII. Djarkent.
Eine auffallend schlanke Rasse, die vielleicht durch die Tötungs-
oder Konservierungsmittel in der Färbung verändert ıst, liegt mir in
etlichen 5 und 9 aus Djarkent und Umgegend vor.
o'Q9: Länge 14 bis 16, Fühler fast 2, Flügellänge 12, Flügel-
breite 4 mm. Hinterleibslänge 6- bis Yin Tbei "einer Breite von 4 mm,
Augen blaugrün mit zwei blauen Binden ım ‘untere Fazetten schwarz-
braun, obere rotbraun mit Bronzeton. Hinterleib bis Ring 4 vollkommen
intensiv rotgelb, 5. bis 7. rein schwarz. Die 'Mittelstrieme ist in
Einzelflecke aufgelöst, die in einem 5 am 3. ‘und 4. kleine Dreiecke
bilden, die den Hintsrrand nicht erreichen. Bauch am 1. bis 4. ganz
rotgelb, 2. Sternit mit ganz unscharfem dunklen Mittelfleck, 5. bıs 7.
rein schwarz. Bei einem 5 ist der ganze Hinterleib bei Betrachtung
von hinten silbergrau übergossen. In einem & sind Tergit 4—-7 ganz
schwarz, Sternit 4—7 desgleichen und ein breiter Hinterrand am 3.
Turkestan, Jligebist, Djarkent. 22. IV. Pertschanaja Retschka Ende
Aprıl. (Mus. Hamburg.)
36. Th. montanus Me.
@: Länge 12 bis 18, Fühler 1,7 bis 2, Flügellänge 10 bis 16,
Flügelbreite 3,5 bis 5 mm.
Aufßerordentlich varıabel ın Färbung und Größe.
Taster schlank, braun. Scheitel ohne auffälliges langes Haarbüschel,
oft überhaupt ohne schwarze Haare. Stirnstrieme breit, fast parallel-
randıg, gelb, nicht grau tomentiert; Augeneckenschwiele rundlich oder
dreieckig, oft breiter als hoch, stets breiter als bei fropicus. Mittel-
schienen ohne lange schwarze Behaarung. 2. Sternit mit quadratischem
schwarzen Mittelfleck. Schwinger schwarzbraun, Knöpfchenspitze
weißlich. Hinterleib durch viel breitere rotgelbe Flecke und vor-
herrschend gold- oder blaßmessinggelbe Bestäubung mehr gelblich er-
scheinend. Behaarung der Hinterrandsäume fast stets intensiv gelb.
Von tropicus unterscheidet sie auch die Form der Mittelschwiele,
die fast stets + rundlich ist, bei fropicus dagegen mehr leistenförmig,
bei bisignatus eine richtige breite Leiste darstellend. Am meisten
varuert die Färbung der Fühler und des Bauches. Präalarbeule
schwärzlich.
7° 12. Heft
100 O. Kröber:
172 2 meiner Sammlung, 146 aus andern Sammlungen. Aus allen
Teilen Deutschlands, Böhmen, Schweden, Alpenländer, Italien, Schweiz,
Oesterreich, Kroatien, Lappland; Sibirien, Südrußland, England, Yoko-
hama und Iterup in Japan, Amur. 23. V. bis VIII.
Das Material meiner Sammlung enthält folgende Varietäten:
1. Var. Präalarbeule hellgelbbraun. 9 ©. Böhmen, Bitterfeld 8&.,
Quickborn 14, 6., Osdorf 8., Berlin, Pommern 7., Winsen a. L.
5. 6., Buchholz 26. 5.
2.Var. Hinterleib mit gemeinsamem rotgelben Seitenfleck auf Ring
1—4 einschl. 14 ©. Winsen a. L. 6. 6., Ratzeburg 10. 6,.,
Campow 26. 5., Barsbüttel 4. 6., Buchholz 26. 5., Böhmen,
Buchwedel 23. 5., Wengen (Schweiz).
3.Var. Gleich Var. 2, abe Prsalerbäilen hellgelbbraun. 7 2. Buch-
holz 26. 5., ee, 8., Osdorf 7., Böhmen.
4, Var. ee vollkommen alle. Auızen blauviolett mit 2!/;
grünen Binden. Pommern.
5. Var. Klein und zart, auffallend schlank, eigentümlich grünlichgelb
bestäubt. Die helle Behaarung ganz blaß messinggelb, fast
weißlich. 1. bis 3. Tergit mit kleinem, dunkelrehbraunem
Seitenfleck. 1 ©. Oh-Moor 31. 7. (det. Villen.).
6.Var. Sehr dunkel, schlank. Seitenflecken sehr klein, dunkel-
kastanıenbraun. Behaarung des Hinterleibes auch auf den
Mitteldreiecken und Seitenflecken einheitlich schwarz. Bauch
ganz schwarz. Augen leuchtend blauviolett mit drei Binden.
Fühler fast ganz tief schwarz, nur die äußerste Basıs des
3. Gliedes düster rotbraun. 2 2. Schlesien, Schreiberhau 7.
(det. Villen.).
7.Var. Augen grün mit blauen Reflexen und einer feinen Purpur-
binde. 1 ©. Offenbach 29. 6.
8.Var. Gleich 7, aber mit zwei feinen gelben Binden.
9.Var. Wie die vorige, das Braun noch dunkler, kaum auffallend.
Augen grün mit 2!/; Purpurbinden. Fühler ganz schwarz.
29. Seiseralp 23. 7. (det. Villen.).
10.Var. Schlank, klein, der ganze Hinterleib durch Bestäubung braun-
oliv. Die schwarze Mittelbinde in zwei Fleckenstriemen auf-
gelöst, schwarz behaart; sonst die ganze Behaarung zart
gelblich. Bauch durch Toment einfarbig olivgrünlich. Fühler
fast ganz schwarz. Augen blauviolett mit drei zarten gelb-
grünen Binden. 1 2. Memmert 9. 6. (det. Villen.).
il. Var. Hinterleib schwarz, durch Toment bläulichweiß, am 1. und 2.
mit ganz unscheinbaren rehbraunen Seitenflecken. Behaarung
ganz zart anliegend gelbbraun. Bauch ganz schwarz. Fühler
fast ganz schwarz. Augen violett mit grünen Reflexen und
einer feinen hellgrünen Binde. 1 2. Reval (det. Villen.).
12.Var. Klein, breit, daher gedrungen, vollkommen nigricornis in
Form und Hinterleibszeichnung gleichend, aber mit der ty-
pischen Strieme von montanus. Augen blauviolett mit grünen
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 101
Reflexen und drei Purpurbinden. 2. Tergit mit Spuren düster-
roter Seitenflecken. 1 ©. Pordoipaß (det. Vıllen.).
13.Var. Gleicht 10, aber Augen leuchtend grün mit drei feinen gelb-
grünen Binden. 1 @. Memmert 9. 6. (det. Vıllen.).
Auch in andern Sammlungen fanden sich Einzelexemplare, die
+ auffällig vom Typ der Art abweichen und sıch z. T. auch nicht
in die vorgenannten 13 Varıanten einfügen ließen.
Eine sehr feine Varıietät fand ıch in Dr. Th. Beckers Kol-
lektion: Zwei © von Edefors, bei denen alle Hinterrandsäume ziemlich
breit und hell behaart waren, wodurch eine ausnahmsweise scharfs
Zeichnung zustande kam.
Da unter all meinen + melanochroitischen Exemplaren, die ich
Herrn Dr. Villeneuve, unserm besten Kenner pal. Tabanus-
Arten, zur Begutachtung sandte, keine als T. Braueri Vıll. zurück-
kehrte. so bat ich um Aufschluß über diese Art und erhielt im Brief
vom 11. 6. 21 die Antwort: T. Braueri doit donc disparaitre puis-
que synonyme.
Ich glaube, das wäre richtig. Hat man einzelne Tiere der oben
erwähnten Varianten vor sich, so würden sıe sicher Vertreter einer
neuen Spezies sein können. Bei größerem Material finden sich dann
Uebergänge, die selbst eine Hervorhebung sonst ganz aparter Stücke
als benannte Varietät unmöglich machen,
Ein einziges © lag mir vor mit einem ‘Anhang der Gabelader.
Ich halte montanus für eine unserer gemeinsten Arten, die nur
immer mit andern verwechselt worden ist.
199° bıs- 1; 8,
Einige © liegen mir vor, dıe die typische Hinterleibsfärbung und
die Bildung der Stirnstriems von montanus haben, aber gleichzeitig
die dicken aufgeblasenen Taster von fropicus. Ich halte diese Tiere
für Kreuzungen bezw. Mischformen. Untereinander sind sie verschieden,
den verschiedenen Varianten der Stammform montanus entsprechend.
a) 1 © von der Seiseralp 23. 7. Fühler total schwarz. Stirnstrieme
fast parallelrandig. Rotgelbe Szitenflecken bis Ring 4 einschl.
Augen blauviolett mit drei fsinen grünroten Binden. Präalarbeulen
rotgelb. 2. Sternit mit quadratischem Fleck (det. Villen. als
montanus).
b) 1 © von Lille. Fühler normal. 4. Hinterleibsring mit isoliertem
düsterrotgelben kleinen Fleck. Augen dunkelblau mit drei dicken
blauvioletten Binden. Präalarbsulen rotgelb. 2. Sternit mit qua-
dratischem Fleck.
c) 1 2 von Sieversen 24. 7. Fühler normal. Seitenfleck bis Ring 4
einschl. Präalarbeulen rotgelb. 2. Sternit mit kaum erkennbarer
Verdunkelung der Mitte.
d) 12 von Harburg 5. 8. Gleich c, aber 2. Sternit mit dem typischen
Dreieck wie bei fropieus. —
Die folgenden Exemplare sind nur bis Ring 3 einschl. rotgelb.
12. Heft
-
102 O. Kröber:
e) 1 2 von Ratzeburg 31. 5. ‚Mit vollständig grauolivfarbenem Bauch
und dunklen Präalarbeulen. |
f) 3 © von Böhmen und Hannover (Springe 16. 5.). Bauch normal,
Präalarbeulen hell.
g) 1 2 von Böhmen. Gleich f, aber Bauch ganz hell rotgelb. 2. und
3. Ring mit ganz unklaren zerstreuten schwarzen Fleckchen.
2 © liegen mir vor mit der typischen Hinterleibzeichnung von
montanus, der typischen Stirnstrieme und den Tastern von fropicus
und einem ganz schmalen rechteckigen bezw. dreieckigen Mittelfleck
am 2. Sternit. Mittelbeine ohne dichte und lange Behaarung wie bei
fropicus.
h) 1 © von Berchtesgaden 30. 6. Mit dunklen Präalarbeulen.
ı) 1 © von Hamburg mit dreieckigem Fleck am 2. Sternit, hellen
Präalarbeulen, Augen blaugrün mit drei dicken Purpurbinden.
Lundbeck fand die Larve in Erde nahe dem Wasser am 14. 4,
sie verpuppte sich am 1. 5. und schlüpfte am 19, 5. Länge der
Puppc 23 mm.
o: Länge 12 bis 15, Fühler 1,6 bis 1,8, Flügellänge 11 bıs
11,5, Flügelbreite 3,5 bis fast 4 mm.
Hat viel Achnlichkeit mit dem & von nigricornis, ist aber sogleich
durch die Form und Behaarung der Fühler zu unterscheiden. Sie ist
die einzige gemeine Form dieser Gruppe mit kleinem Tasterendglied und
hellrotem 3. Fühlerglied.
Taster klein, gelbbraun, selten graubraun mit mäßig langer heller Bz-
haarung. 1. Fühlerglied grau oder bleich rotgelb, weißlich bestäubt;
2. Glied und die breite Platte des 3. hellrotgelb; Griffel oft ebenso, oft
dunkler. Basalglied mit ganz wenigen kurzen schwarzen Borsten.
3. Glied mit deutlichem Zahn, wodurch der Oberrand + halbmond-
förmig wird. Die Platte selbst ıst etwa um '/, länger als der dicke
Griffel. In einem & sind die Fühler vollkommen dunkel, nur die
Basis des 3. Gliedes ist düster rotbraun. Augen gewöhnlich mit drei
Purpurbinden, in einem 5 mit zwei Binden, während die dritte, obzre,
nur ganz schwach te ist. Schwinger braun. Hinterleib vor-
herrschend hellrotgelb, stark glänzend. Die rotgelbz Farbe reicht bis
Ring 4, und zwar so, daß sie am 3. Ring am Braten n ist; dement-
ee ist die schwarze Söneme am 3. Ring am schmalsten. Zu-
weilen tritt das Rotgelb nur eben als kleines Fleckchen auf den Vorder-
rand des 4. Ringes über. 5. bis 7. Ring tiefschwarz. Hinterränder
sehr schmal weißlich. In einem / wird der 4. Ring von der rotgelben
Farbe nicht erreicht. Bauch hellrotgelb, 5. bis 7. Ring schwarz.
2. Sternit mit klarem quadratischen Mittslfleck. Manchmal tragen
auch die folgenden Sternite eine verdunkelte Mitte, wodurch dann eine
Art Strieme entsteht. — Ein X von St. Moritz hat ziemlich tropieus-
ähnliche Taster. Der 2. Bauchring trägt sin dreieckiges Mittelfleck-
cher. Die Behaarung dsr Mittelschienen wıe bei monfanus.
a
JS von den verschiedensten Teilen Dezutschlands. 10. 5. bis 17. 6.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 103
Meigens Typen sind ein 9; ein zweites © ıst nach Villen.
solstitialis.
3: he: fulvicornis Meig.
: Länge 14,5 bis 16, Fühler 1,5 bis fast 2, Flügellänge 12 bis 14,
Flügelbreit Ms lası mm.
Gleicht meiner Meinung nach in allen ale, der Stammform, nur
das 3. Fühlerglied ist fast ganz hellrotgelb, hat eine breite Platte mt
großer vorstehender Ecke. In einigen © ist der Griffel nicht hell-
rotgelb, sondern leicht verdunkelt. Bei montanus ist der Fühler. ent-
schieden schmäler gebaut. In fünf © reichen die hellen Seitenflecken
des Hinterleibss bis auf Ring 4.
Verschiedene Teile Deutschlands; Italien, Mähren. 23. 5. bis 8.
Meigens Typen in Paris sind zwei 9.
38. var. ıimmaculiventris m.
Gleicht vollkommen montanus oder Mühlfeldi, ıst aber aubßer-
ordentlich robust gebaut und hat Sternit 1—4 vollkommen ungefleckt
hellrotgelb. —
o&: Länge 15 bis 17, Fühler 1,6 bis fast 2, Flügellänge 14,
Fiügelbreite 4,5, Hinterleibslänge 9,5 bis 11, Hinterleibsbreite 6 bis
6,5 mm!
Taster klein, gelbgrau, vorhsrrschend gelb behaart. Augen dicht wsiß-
lich behaart, grün mit zwei Binden. Fühler ganz schwarz oder an
der äußersten Basıs des 3. Gliedes rotgelb. Augenhinterrand ohne
lange Haare. Stirndreieck seidig grau, die äußerste Spitze rötlich-
braun schımmernd. Präalar- und Schulterbeulen schwarz. Schwinger
schwarzbraun, Knöpfchenspitze heller. Die Basalglieder der Hinter-
tarsen hellgelbbraun. Hintsrleib schwarz mit großen rotgelben Seiten-
tlecken vom 1. bis 4. Ring. Die Mittelstrieme ist durch die deut-
lichen breiten hellen Hinterrandsäume in einzelne Quadrate aufgelöst.
Behaarung der Säume sehr dicht hell.
Turkestan, Ili-Gebiet Djarkent, Usek. Anfang August.
Type: Museum Hamburg.
©: Länge 15 bis 19 mm, Fühler 2 bis 2,2 mm, Flügellänge 15
bis 16 mm, Flügelbreite 5 mm, Hinterleibslänge 9 bis 11 mm, Hinter-
leibsbreite 6 bis 6,5 mm.
Gleicht dem 5 vollkommen. Scheitel mit zerstreuten schwarzen Haaren.
Die leistenförmige Verlängerung der Stirnschwiele ist in den meisten 5
vcllkommen unter Toment und Bzhaarung bedeckt. Die Taster sind
weniger gekniet als bei Mühlfeldi. Fühler meistens tiefschwarz.
Beulen des Thorax schwarz. Hinterleib vorherrschend schwarz, mit
silbergrauem Schimmer übergossen. Die rotgelben Seitenflecke sind
auf Ring zwei bis vier beschränkt. An den Seiten derszlben stehen
= deutliche schwarze Flecken, oft auf die Sternite übergreifend.
In die breite Mittelstrieme schieben sich große helle Dreiecke, die
eigentlich keine kontinuierliche Strieme bilden. 1. bis 4. Sternit voll-
12. Heft
104 O. Kröber:
kommen hellrotgelb, ohne jede Fleckung, 5. bis 7. schwarz, durch
Toment silbergrau, gelb behaart. Schwinger wıe beim . Hinter-
schienen gelbweif® und schwarz gewimpert. Mittel- und Hintertarsen
ganz schwarzbraun.
Turkestan: Alaı Mont., Togus Tjurae, Kogard-tau, Karagai-tau, Usek,
Djarkent. Type 9: C. m.
39. Th. Erberi Brauer
co: „Dem T.solstitialis nahe verwandt. Augen mit zwei Purpur-
binden ım untern Drittel, oben bleichgrau. Kopf nicht größer als
beım 9, die Augen gelblich behaart, mit sehr ungleichen Feldern;
diese ın den zwei obern Dritteln mit Ausnahme einer schmalen Rand-
zone viel größer als im untern Drittel (ca. viermal). Augennaht sehr
lang, Ozellenhöcker braun. Taster weiß, kurz, das Endglied klein,
eiförmig, fast walzig, am Ende etwas abgestumpft, fein und lang
weißlich und schwarz gemischt behaart. Wangen weißlich und grau
behaart. Fühler rotgelb, die Basalglieder rot kurz schwarz behaart,
das 3. Glied am Grunde kaum breiter, oben mit sehr kleiner, fast recht-
winklig abgehackter Ecke von dunkler Farbe. Griffel länger als das
3. Glied, schwarz. Stirne und Untergssicht silbergrau, weißhaariıg,
Backen klein. — Thorax gelblich graubraun, an der Seite silber-
schımmernd und weıßgrau behaart. Schulterschwiele und WVorder-
stıgma hellgelbbraun. Rückenschild fast ungestriemt, kurz gelbgrau-
haarıg. Beine rotgelb, die Hüften ganz, die Vorderschenkel in den
drei Basalvierteln, die Mittel- und Hinterschenkel nur ın der Basal-
hälfte und die Vorderschienen ın der Endhälfte schwarzbraun. Vorder-
tarsen ganz, Mittel- und Hintertarsen an der Spitze dunkler braun,
Flügel etwas getrübt, gegen den WVorderrand und am Randmale
gelblich. Alle Adern braungelb, nur die Vorderader dunkler.
Schwinger hellrotgelb. Hinterleib rotgelb, von hinten beleuchtet silber-
schimmernd; die Hinterränder heller gelb gesäumt, fein kurz gelb-
haarıgz. Vom 1. bis 4. Ringe eine linsare ‚graue Längsstrieme in der
Dorsalstrieme; 5. bis 7. Ring graubraun. Die Dorsalstrieme am 3.
Ringe am schmalsten. Bauch ebenso gefärbt, die schwarze lineare
Mittelstrieme reicht nur bis zum 3. Ring exklusive. Form des Hinter-
leıbes kegelförmig, aber nicht so schlank und nicht kompreß wie bei
dem durch die Fühler und Taster verwandten T. acuminatus. —- Die
Fühler dürften übrıgens bei älteren Individuen dunkler werden
(schwarzbraun?). Länge 15mm, Flügellänge 12 mm, Kopfbreite 5 mm,
©: Augen mit drei Purpurbinden, Stirnstrieme schmal und hoch,
_ ca. fünfmaı so hoch als breit, parallelrandig, gelbgrau. Augenecken-
schwiele klein, viereckig, glänzend schwarz, nach oben von ıhr eine
feine schwarze Linie, welche fast bis zum kleinen schwärzlichen
Ozellenhöcker reicht. Stirndreieck gelblichgrau. Antennen fast ganz
schwarz, das 3. Glied am Grunde etwas erweitert, die Ecke am Ober-
rande stumpf, Griffel schwarz, länger als das 3. Glied. Wangen und
das ganze Untergesicht gelblich weiß, weißlich behaart. Taster ‚weiß,
Endglied lang und schmal, vom Grunde an allmählich verdünnt, dort
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden 105
nur etwas verdickt, fast wıe beı montanus, die Ppitze nicht scharf,
etwas durch schwärzliche Borsten markiert; Beugung sehr schwach, am
Oberrande vorgewölbt, die untere Hälfte am Anfang kaum !/, dünner
als die Basis. — Thorax, Schwinger und Flügel genau so gefärbt wie
beim ©, ebenso die Beine mit dem Unterschied, daß die Mittelschenkel
nur ım letzten Drittel gelb sind. — Hinterleib rotgelb und am ersten
Ring breit beginnender, am zweiten in der Mitte stark buchtig ver-
engter, am dritten ziemlich breiter. Dorsalstrieme (!/; der Breite des
Ringes einnehmend); vierter bis sechster Ring an den Seitendrittelm
gelbgrau, in der Mitte mit breiter, schwarzer, vom dritten Ring her
fortgesetzter Dorsalstrieme, in welcher eine gelbgraue Längslinie und
helle Säume der Segmente hervorschimmern. Am 2. und 3. Ring
finden sich Spuren von helleren Dreiecken vor den lichten Randsäumen.
Bauch ziegelrot mit überall gleichbreiter, glänzend schwarzer Längs-
mittelstrieme vom Grunde bis zur Spitze. 4. bis 6. Ring neben der
Strieme grau, gelblich schimmernd; 4. mit je einem roten Punkte vor
dem Hinterrande.
Länge 16 mm, Flügellänge 15 mm, Kopfbreite 6 mm.
Das © unterscheidet sich vom montanus, mıt dem es eine ähnliche
Zeichnung des Bauches gemein hat, sogleich durch die schmälere Stirn-
strieme, die am Enddrittel roten Mittelschenkel, die rotgelben
Schwinger, die viel mehr gelblichen Flügel, die viel schmäleren An-
tennen und den im Verhältnis sehr breiten Kopf.
Corfu.“
Im Berliner Museum befinden sich 2 ©, deren 3. Fühlerglied an der
Basıs hell rotgelb erscheint. Die Augeneckenschwiele ıst unten drei-
spitzig, oben konisch verjüngt, im Umriß fast herzförmig. Die Be-
haarung der Augen ist ganz außerordentlich kurz und zart, weißlich.
Bei heller Beleuchtung erscheinen alle schwarzen Partien des Körpers
bläulich übergossen, wie etwa beı micans. Die Hinterschenkel intensiv
sınd oben fast der ganzen Länge nach, unten gut zur Hälfte hellrot-
gelb. — Die Beinfärbung scheint für die Art sehr charakteristisch zu
sein.
Länge 15 bis 16 mm, Fühler 2 mm, Flügellängs 13 bis 14 mm, Flügel-
breite 4,5 mm.
Sarepta 19. bis 21. VII., Astrachan (Kalmückenbazar) 22. VII.
Ob diese beiden als T. Erberi Br. ausgezeichneten Exemplare wirk-
lich dieser Art angehören, wage ich kaum anzunehmen. Beim Auf-
weichen -kann ich keine Augenbinden erkennen. Der Ozellenhöcker
ıst m. E. nach weniger ausgebildet als bei 7. rupium Br. Da ich
die Type nicht gesshen habe, so muß ich die Klärung dieser Frage
_ andern überlassen. Gehört diese Art aber zu Afylotus, so müßte
sie neben T. peculiaris Szıl, gestellt werden, die gleichfalls ın der
Beinfärbung eine Sonderstellung einnimmt.
Dr. Villeneuve erwähnt in Feuille des jeunes Nat. 35 p. 60 eine
Varietät. „A Palavas, jai apprehende, au bord m&me de la mer, un
Tabanus © qui s’etait jete sur moi. Comme il m’etait inconnu, j atten-
12., Heit
106 O. Kröber:
dis qu’un de ses congeneres, aussı bien inspire, 'vint subir le m&me sort,
Ce fut en vain, et c'est grand dommage. En effet, ce unique individu
verifie bien la description de T. Erberi Br. sauf qu'il ne presentait
qu’une seule bands pourpree, tres &troite, sur les yeux verdätres. Est-ce
une varıet® de T. Erberi ou un2 espöce nouvelle? Je ne puis actuelle-
ment que signaler cette capture dans l’espoir quelle sera reprise, et
quıl sera alors possible d’etablir son identite. 6. 7.”
40. Th. solstitialis Schin. -
©: Länge 13 bis 15 mm, Fühler 1,3 bis 1,5 mm, Flügellänge 11
bis fast 14 mm, Flügelbreite 3,5 bis fast 5 mm.
Erkennbar an der zierlichen, schlanken Form, Stirnstrieme meistens
noch höher und schmäler erscheinend als bei fropicus, von der sich
die Art auch durch eine viel schmälere schwarze Hinterleibstrieme
unterscheidet und durch schlankzre Taster. Augeneckenschwiele höher
als breit. Rotgelbfärbung des Hinterleibes nur bis Ring 3 einschließ-
lich, manchmal auf Ring 4 kleine isolierts rundliche Flecken, die kaum
auffallen. 4. Ring schwarz und schwarz behaart. 2. und 3. auf den
hellen Teilen mit vielen feinen schwarzen Härchen. Bauch bis Ring 4
hellgelbrot, 5. bis 7. Ring schwarz. 1. Sternit oft mit kleinem schwarzeıt
dreieckigen oder viereckigen Mittelfleck. In einem 2 Bauch stark ver-
dunkelt wie bei fropicus. Schwinger braun, Knöpfchenspitze etwas
gelblich. Präalarbeulen dunkel, nur in fünf 2 rötlichgelb. — "Wenn die
Stirnstrieme nicht so ausgeprägt schmal orscheint, haben die Tier?
äußerst große Aehnlichkeit mit tropicus, zumal wenn der Scheitel
lange vorgeneigts schwarze Haare trägt.
Aus allen Teilen Deutschlands, Oesterreich-Ungarn, Böhmen, Alpen-
länder, Tirol, Oberitalien, Corsika, Frankreich, Sibirien (Ussurı),
Amur, Kleinasien, England, Schottland, Dänemark, Lappland,
V. bis VII.
&: Länge 15,5 mm, Flügellänge 12,5 mm, Flügelbreite 4,5 mm,
Sofort an den Augen zu erkennen, deren Fazetten ın den obern ?/; be-
deutend größer sind als im untsren Drittel, wenngleich die Grenze
nicht gerade scharf ıst. Augen dunkelblaugrün mit 2 Purpurbinden,
hellbraun dicht behaart. Uhntergesicht vorherrschend braun behaart.
Tasterendglied fast kugelig, gelbbraun, lang abstehend gelb behaart.
3asalglieder der Fühlsr mit ziemlich langen aber zarten schwarzen
Haaren. Hinterleib bis Ring 3 mit großen gemeinsamen rotgelben
Flecken, die eine schmale schwarze Mittelstrieme einschließen.
4, Ring mit einem kleinen rotgelben Fleckchen am Vorderrand. 1. bis
3. Sternit rotgelb, 4. rotgelb mit breitem schwarzen Vorrand, 1. und
3. mit unscharfem dunklem Mittelflsck. Schwinger braun mit heller
Knöpfchenspitze.
Norwegen, Frankreich, Spanıen, Rußland. Meigen’s Type ist ein Q.
Tundbeck fand die Larven am 22. 5. und 14, 6. Verpuppung am 1. 6.
und 8. 7. Schlüpfen am 16. 6. und 19, 7. Puppe 18 bis 20 mm.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 107
41. Th. distinguendus Verr.
©: Länge 13 bis 17 mm, Fühler 1,5 bis 17 mm, Flügellängs
12,5 bis 14 mm, Flügelbreite 4 bis fast 5 mm.
Gleicht solstitialis ın allen Stücken. Die Stirnstrieme ist unten
weniger verengt, erscheint daher mehr parallel. Die Augenecken-
schwiele ıst mehr quadratisch. Der Hinterleib ist bis auf die schwarze
Mittelstrieme am 1. bis 6. Ring gleichmäßig goldgelb behaart, zu-
weilen ohne jede Einmischung schwarzer Härchen, was bsı solstitialis
stets der Fall ıst. Präalarbeule meistens gelbbraun, vereinzelt schwarz.
1. bis 4. Bauchring hellrotgelb, 5. bis 7. schwarz. 1. manchmal mit
schwarzem Mittelfleck. Das Tastsrendglied ıst nicht immer so stark
aufgeblasen wie bei fropicus; es gleicht oft dem von solstitialis. —
Ein unausgefärbtes, jedenfalls ganz frisch geschlüpftes @ aus Thüringen
von 17 mm Länge ist fast ganz schwarz und ist bis Ring 7 ganz 'auf-
fallend goldgelb behaart (det. Villen.). — Ein © von Alakul an
der südlichen Ecke von Balchach hat Stirn und Uhntergesicht grau,
Fühler schwarz, Basalglieder grau; Rückenschild schiefergrau mit
schwärzlichen Striemen: Hinterleib dunkelbraun mit breiter schwarzer
Mittelstrieme, ın der breite helle Mitteldreiecke liegen. 1. Tergit
ganz schwarz; 4. mit kleinem, rotgelben Fleck. Bauch auf den letzten
Ringen schwarz (det. Vıillen.).
Thüringen, Perleberg, Schwerin, Grönwohld, Boberg, Bergedorf, Os-
dorf. 10. VI. bis 30. VIII. Europa, Japan.
J: Länge 13 bis 16 mm, Fühler fast 2 mm, Flügellänge 12 bis
13 mm, Flügelbreite 4 bis 4,5 mm.
Broenchiedend Augenfazette n sind wohl vorhanden, aber ab-'
solut nicht so auffällig, wie bei solstitialis. Kopfform wie bei fro-
picus aber nie schwarze Haare am Scheitel. Tasterrandglied zıem-
lich aufgeblasen, gelbbraun, an dar Basıs grau, mäßıg lang gelblich
behaart. Basalglieder der Fühler ziemlich lang schwarzborstig. Erstes
Glied schwarzgrau, zweites und drittes rotgelb, Griffel schwarz.
Hinterleib bis Ring 4 einschließlich rotgelb mit schwarzer Mittel-
strieme, die ziemlich schmal ist, besonders am 3. Ring. Helle Hinter-
randsäume fehlen, werden aber durch dichte weißliche Behaarung er-
setzt. Bauch bis Ring 4 einschließlich hellrotgelb. Basıs des ersten
Ringes mit ganz kleinem unscharfen Mittelfleck, 5. bis 7. Ring schwarz.
Das % ist entschieden breiter und plumper gebaut als fropicus.
Harz (Hardenberg), Frankfurt a. M., Osdorf, Winterhude b. Ham-
burg. VI. bis 24. VII.
Geographische Verbreitung,
I. Schweden, Norwegen, Lappland, Finnland.
aterrimus, lugubris, auripilus, lapponicus, nigricornis, faran-
dinus, borealis, luridus, montanus, fulvicornis, confinis, tropicus,
bisignatus, Mühlfeidi, solstitialis.
II. Sibirien, Amur.
tarandinus, flavipes, Astur, tetricus, brevis, lapponicus, albo-
12. Heft
108 O. Kröber:
maculatus, acuminatus, luridus, Tropicus, bisignatus, montanus,
Mühlfeldi, nigellus, nitidifrons, confinis, solstitialis, borealis.
III. Nordamerika.
Astur, flavipes?, distinguendus.
IV. England, Schottland, Irland.
micans, luridus, borealis, tropicus, bisignatus, montanus,
solstitialis, distinguendus?, lateralis.
V. Dänemark.
lapponicus, tarandinus, borealis, luridus, fropicus, montanus,
Mühlfeldi, solstitialis.
VI. Deutschland.
micans, aterrimus, auripilus, lugubris, lapponicus, farandinus,
nigricornis, borealis. lateralis, luridus, tropicus, bisignaftus, mon-
tanus, fulvicornis, Mühlfeldi, solstitialis, distinguendus.
VII Rußland.
nigricornis, sareptanus, melas, montanus, Mühlfeldi, bisig-
natus, borealis, lapponicus, albomaculatus, luridus, solstitialis,
tarandinus, tropicus.
VII. Mongolei, Zentralasien.
pulchriventris, tataricus, solstitialis.
| IX. Japan, Formosa.
hirticeps, tarandinus, tropicus, montanus, distinguendus.
X. Belgien, Niederlande.
micans, borealis, luridus, fropicus.
XI. Frankreich.
micans, aterrimus, auripilus, lugubris, lateralis, nigricornis,
luridus, tropieus, bisignatus, montanus, fulvicornis, solstitialis,
Mühlfeldi?, Erberi.
XI. Schweiz.
micans, aterrimus, auripilus, lugubris, nigricornis, tropicus,
montanus, fulvicornis, distinguendus, confinis,
XII. Tirol (Östalpen).
micans, auripilus, aterrimus, lugubris, nigricornis, bisignatus,
montanus, solstitialis, rupium.
XIV. Oesterreich-Ungarn (Böhmen-Steiermark),
micans, aterrimus, auripilus, lugubris, tarandinus, lateralis,
borealis, nigricornis, tropicus, bisignatus, luridus, montanus,
fulvicornis, solstitialis. |
XV. Südrussische Staaten, Turkestan, Kirgisen-
sieppe.
Astur, tetricus, nigricornis, tataricus, lapponicus, tarandinus,
bisignatus, solstitialis, distinguendus, Mühlfeldi, nigricorpus.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 109
XVI. Spanien.
micans, vittatus, lugubris, tropicus, solstitialis.
XVI Corsica.
Mühlfeldi, solstitialis.
XVII. Sizilien.
micans, auripilus, solstitialis, longipalpis.
XIX. Italien.
micans, aterrimus, lugubris, acuminatus, montanus, fulvi-
cornis, distinguendus.
XX. Bosnien, Harcogewina.
micans, auripilus, lateralis, solstitialis.
XXI. Croatien, Dalmatien, Illyrien.
micans, auripilus, lateralis, acuminatus, Mühlfeldi, lateralis.
XXH. Griechenland und Archipel.
aterrimus, decorus, lateralis, borealis, Erberi.
XXIII. Caucasus.
aterrimus, tetricus.
XXIV. Kleinasien.
decorus, Mühlfeldi, solstitialis.
AÄXV. Syrien, Palästina.
decorus, cyanops, mendicus.
XXVI. Nordafrika (Algier, Marocco).
vittatus, macularis, decorus.
Die mir bekannt gewordenen Typen der Bigot’schen palaeark-
tischen Tabaniden.
ChrysopsMlokosiewiczi Big. @ (= iranensis Big.). Ein
sehr blasses @ mit ganz blaßgelben Schwielen an Stirn und Gesicht aus
Persien.
C. Mlokosiewiczi Big. var. obscura m. ohne Kopf mit vor-
herrschend grauem nicht rotgelbem Hinterleb und einfärbig grauem
Bauch. Bei dieser Var. ist das Tasterglied etwas kürzer, mehr speer-
spitzenförmig. Kaukasus.
Diachlorus barbatus Big. JS ıst Surcoufia paradoxa m., welch
letzterer Artname also fallen muß. Auf einer Etikette findet sich
Pedemont als Fundort, auf einer anderen Alger 1896 (?); letzterer
Fundort dürfte wohl zutreffen, da mir die Art nur aus Nordafrika
vorliegt. Die Behaarung des Uhntergesichts ist außerordentlich lang,
länger als beide Basalglieder der Fühler zusammen. Platte des dritten
Gliedes nur ım Basaldrittel blaßrotgelb, der Rest und der deutlich
viergliedrige Endgriffel sind schwarz. Basalhälfte der Vorderschenkel
schwärzlıch.
12. Heft
110 O. Kröber:
Sılvıius bicolor Big. ıst 8. algirus Meig. Die Type, ein 2
aus Marokko, trägt die Notiz: ? 8. algerus Meg. Die Augen sind
blauviolett ohne erkennbare Zeichnung.
Diachlorus maroccanus Big. ist Mesomyia maroccana Big.
co faus Tanger. Augen dicht weiß bzhaart, aber kurz. Sie sind blau-
rot, die etwas kleinern untern Fazetten sind graulich, mit einem ein-
zigen langovalen roten, hellgrün umrandeten Fleck, genau wie ın 8.
singularis Meig. %, das aber kahle Augen hat. Durchaus Ohry-
sops - artıg. Der Hinterkopf ıst der ganzen Ausdehnung nach mit auf-
fallend langen vornübergeneigten schwarzen Haaren. besetzt, die am
stark vorgewölbten Ozellenhöcker etwas dichter stehen. Drei Ozellen
vorhanden. Die Tiefe des Stirndreiecks ist mattglänzend schwarz;
der Rest ıst etwas seidig gelbgrau, ziemlich stark vorgewölbt. Unten-
gesicht blaß, ısabellenfarben, die Backen ziemlich gewulstet. Fühler
bleich rotgelb. 1. Glied etwa doppelt so lang als breit; die schwarze
Beshaarung so lang wie das Glied selber. 2. Glied fast kubisch; die
schwarze Behaarung doppelt so lang als das Glied selber, 3. so lang
wie das erste; ım Basaldrittel bleich rotgelb, der Rest gleich dem
Griffel schwarz. Taster bleichgelbbraun. 2. Glied lang und schlank,
mindestens fünfmal so lang als dick, ziemlich parallelrandıg, zart,
aber ziemlich lang gelb behaart. Rüssel schwarz, so lang wie der
Kopf hoch. Hinterkopf schwarzgrau. Thorax graugrün, glanzlos mit
3 breiten starkglänzenden schwarzen Längsstriemen. Schildchen glän-
zend schwarz, der Rand breit grau. Brustseiten graugrünlich, Die
Behaarung überall lang abstehend greis. Hinterleib durchaus an Chry-
sops divaricatus Loew erinnernd, hellgelbbraun, mit breiten schwarz-
braunen Vorderrandbinden, die durch eingeschobene helle Mittel-
dreiecke am 1. bis 5. Ring fast ganz geteilt werden. Am 1. bis %3.
Ring erreichen sie den Seitenrand nicht, aber am 2, und 3. finden sie
seitlich eine Verlängerung durch einen bräunlichen Grund. Behaarung
weißgelb, an den dunklen Partien schwarz. 6. Ring mit unscharf be-
grenztem dunklen Mittelfleck am Vorderrand, 5. bis 7. mit breiter
schwärzlicher Vorderrandbinde. Behaarung wie oben. Flügel bräunlich
hyalın, nach dem Vorderrand zu etwas dunkler werdend. Stigma blaß-
braun. Beine bleich gelbbraun, etwas glänzend. Hüften schwarz,
durch Toment mattgrau. Schenkel an beiden Enden, Schienen an den
Spitzen und Tarsen gegen das Ende zu braun. An den Vorderbeinen
ist die Färbung ausgedehnter und dunkler, fast schwarz, Tarsen tief-
schwarz. Behaarung lang zart abstehend hellgelb, an den dunklen
Partien schwärzlich. Schüppchen bleich ockergelb; Schwinger ocker-
gelb, Knöpfchenbasis braun.
Länge 9,2 mm, Fühler 1,5 mm, Flügellänge 8,5 mm, Flügelbreite
2,6 mm,
Tanger.
Da Surcauf die alte Marquart’sche Gattung Mesomyia (=
Veprius Rond.) wieder aufstellt, auf Grund der behaarten Augen
und des länglicheren Hinterleibes, so muß die Art wohl von Silvius
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 111
abgetrennt werden. Ohne die Eigentümlichkeiten des Kopfes würde
man dıe Art ohne weiteres als Chrysops ansprechen.
Corizoneura tigris. Nach Mitteilung Mr. Collin’s befindet
sich die Type nicht in der Sammlung.
Corizoneura annulata Bıg.
©: Länge fast 11 mm, Eihler 1 mm, Rüssel 5 mm, Flügellänge
il mm, Flügelbreite 2,5 mm.
Kopf sehr breit, Stirn oben über !/; kopfbreit, unten gut '/, breiter
als oben, matt; die oberen °/; mit bräunlichem Grundton, das
untere gleich dem Uhntergesicht rötlichbraun mit dichter zarter weißer
Bshaarung. Von dieser Farbe schiebt sich ein ziemlich breites, schwach
glänzendes rotbraunes unbehaartes Dreieck ın die obern °/; hinein.
Diese sind gleich dem Scheitel dicht und ziemlich lang schwarz be-
haart. Ozellenhöcker schwärzlich mit 3 deutlichen Ozellen. Fühler
verhältnismäßig stark. 1. Glied rotbräunlich, ca. 11/;mal länger als
breit; 2. amı breitesten, etwas bauchig ausgeweitet, gleich dem Rest
schwarz glanzlos. Taster sehr klein, braun, stilettförmig. Rüssel sehr
lang, schwarzbraun mit hell braunroter Basalpartie. Augen groß, braun-
schwarz. Hinterkopf graugrünlich mit kurzer, greiser Behaarung. Tho-
rax und Schildchen schwarz mit brauner Behaarung, bei Betrachtung
ven vorn mehr olıv erscheinend. Schüppchen bräunlich hyalın, weiß-
lich behaart. Schwinger weißlich, Knöpfchenbasis braun. Hinterleib
schwarz, schwarz behaart; 1. und 2. Ring seitlich bleich braungelb.
1. bis 7. Ring einschließlich mit breiter (z. T. über '/; Ringbreite ein-
nehmender) weißlich bestäubter und seidigweiß behaarter bleich gelb-
brauner Hinterrandbinde. Am 1. Ring ist sie parallel, verbreitert sich
aber an den Seiten so, daf diese fast ganz hell erscheinen; am 2. bis
5. ist sie in der Mitte + dreieckig vorgegangen, so daß eine Reihe von
Mitteldreiecken auftritt. Die schwarzen Partien sind scharf abgegrenzt,
glänzend. Bauch gleicht der Oberseite, nur sind die hellen Bora,
ihrer Gesamtheit breiter als die schwarzen Partien. 1. und 2. Ring
ganz bleich gelbbraun. Beine hellrotgelb, nur die Vorderhüften
schwärzlich, die Mittel- und Hinterhüften etwas verdunkelt, desgleichen
die einzelner Tarsenglieder an der Basıs. Behaarung der Schenkel
äußerst zart, abstehend weiß, der Schienen und Tarsen kurz schwarz.
Sporen ziemlich lang. Flügel fast hyalın mit zarten in der Basalhälfte
braun gesäumten Adern: Queradern und Gabel nebst Anhang. fast
fleckig gesäumt. Anhang länger als das Basalstück des obern Gabel-
astes. Stigma braun, groß, verschwommen.
Europa mer. Type Q@ in Koll. Collıin.
Corizoneura oritensis Big. (als Tabanus beschrieben),
&: Länge 13,2, Fühler 1,5, Rüssel 1,6, Flügellänge 11,5, Flügel-
breite 3,3 mm,
Fazetten der obern zwei Drittel ziemlich deutlich größer als ım untern
Drittel, dunkelbraun, ohne erkennbare Zeichnung. Bis zum Ozellen-
höcker sind die Augen linienfein tief getrennt. Stirndreieck und vor-
geschobener Keil gelbbraun glanzlos mit tiefer Mittelfurche. Unter-
12. Heft
112 O. Kröber:
gesicht am Augenrand fast zimmtbraun fein eingefaßt, sonst weißgrau
mit langer gelblicher und brauner Behaarung. Hinterkopf grau, am
Augenrand gelb behaart. 1. Fühlerglied etwas geschwollen, gelbbraun
glanzlos, ganz kurz schwarz behaart, an der Unterseite einige weiße
Haare. 2. Glied linsenförmig, gelbbraun; das 8-ringelige Endglied
fast schwarz, glanzlos. 1. Ringel ziemlich groß und wulstig, die andern
gleichmäßig verjüngt und merkwürdig hornartig aufgebogen. Taster
bleich gelbbräunlich. Beide Glieder gleichmäßig wollig braungelb be-
haart; an der Spitze ein Büschel schwarzer Haare. Rüssel kaum länger
als die Taster, schwarz. Thorax dunkellilabraun mit fünf hellgrauen
Längsstriemen, von denen die mittlere fast linienfein ist; die jeweils
zweite verdickt sich vor dem Schildchen knopfförmig und ist durch die
Quernaht gleich den beiden äußern etwas unterbrochen. Behaarung
zart, ziemlich kurz, abstehend, je nach der Beleuchtung gelbbraun oder
schwarz erscheinend. Brustseiten hellgrau bestäubt, ebenso zart be-
haart; unter der Flügelwurzel eine feine schwarze Haarflocke. Schüpp-
chen bräunlichhyalin. Schwinger hellbraun, Knöpfchen dunkelbraun mit
heller Spitze. Schildchen Iılabraun, am Hinterrand lang gelbbraun be-
haart. Hinterleib von eigentümlich dunkelgelbbrauner Farbe, mit eigen-
artig mehligweißem Hauch übergossen, wenn ganz von hinten betrachtet,
so daß er wie verschimmelt aussieht. 1. Ring, 4. bis 7., bis auf einen
feinen Hinterrand, und ein großer Mittelfleck am 2. und 3. Ring
schwärzlich., Behaarung ganz kurz schwarz, nur an den Hinterrändern
und vereinzelt auf den hellen Flecken kurze weißliche Haare. Bauch
gleicht der Oberseite, 1. bis 3. Ring mit gleichem, etwas hellerem
gelbbraunen Ton, der Rest verdunkelt, alles übergossen mit feinem
weißlichen Schimmer, aus dem nur die hellen Hinterränder hervor-
scheinen. Beine dunkelgelbbraun. Hüften und Schenkel lang abstehend
sehr zart weißlich behaart, mit vereinzelten schwarzen Haaren. Schienen
ganz kurz schwarz behaart, Hinterschienen dagegen lang mit dazwischen
gestreuten, ebenso langen zarten weißen Härchen. Flügel braun hyalın,
an der Spitze getrübt. Adern sehr stark, braun. Gabeladeranhang länger
als das Basalstück. Alle Queradern und dıe Gabel zart, aber deutlich
fleckig gesäumt. Die Sporen der Hinterschienen sind nur klein, leicht
übersehbar. Die Ozellen des deutlichen Höckers sind groß, klar,
rotbraun.
Die Type war von Bigot als Tabanus ausgezeichnet.
Kaukasus. Type ©: Koll. Collin.
Chrysozonaobscurata Big.: Type nach Mitteilung Mr. ne
nicht vorhanden.
Chrysozona rufipennis Big.
©: Länge 11,2, Fühler (3. Glied fehlt) 1,1, Taster I Flügel-
länge 11,4, Flügelbreite 3,5 mm.
Es ist eine ganz typische Art aus der Gruppe pluvialis mit keiner
orientalischen Art zu verwechseln; erkennbar an den außerordentlich
dunkelrotbraunen, wenig auffällig gefleckten Flügeln.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 113
Die Type ist sehr schlecht erhalten. Die Stirn ıst breit, ein Drittel
der Kopfbreite einnehmend, graulich, mit drei kleinen Sammetflecken.
Die glänzend schwarze Schwiele breit, stark vorgewölbt, die Augen
berührend. 1. Fühlerglied stark wie bei pluvialis L., nach der Spitze
zu etwas breiter werdend, tief schwarz, dicht schwarz kurz behaart.
Die Spitzenpartie ist glänzend. 2. Glied kurz, tief schwarz, schwarz
behaart. 3. fehlt, nach Bigot rotgelb. Untergesicht lang und dicht
weißgelb behaart. Taster fast rüssellang, schwarz ?, gelblich behaart,
Spitze und Innenseite bräunlich erscheinend. Der ganze Körper scheint
durch Nässe gelitten zu haben; keine Spur von ırgend welcher Zeichnung
erkennbar. Reste der Behaarung überall Bela ieh Zwischen Flügel-
wurzel und Schulterbeule lang abstehend schwarze Haare, an den
Brustseiten gelbliche. Schüppchen braun hyalın. Schwinger bräunlich
mit dunklem Fleck am Knöpfchen. An allen Hinterleibsringen er-
scheinen feine rotgelbe Hinterrandsäume. Bauch scheint der Ober-
seite zu gleichen. Vorderbeine schwarz, ebenso behaart, nur das Basal-
drittel der Vorderschienen rotgelb, scharf begrenzt, weiß behaart.
Tarsen breit. Vorderschienen ım Endstück etwas verbreitert. Mittel-
und Hinterbeine dunkel rotgelb. Mittelschenkel an beiden Enden etwas
verdunkelt. Mittelschienen an beiden Enden und in der Mitte breit
dunkelbraun, so daß zweı helle Ringe entstehen, scharf begrenzt,
gelblich behaart. Mitteltarsen fast ganz rotgelb, hell behaart. Hinter-
schenkel dunkel rotbraun, nach den Enden zu kaum etwas verdunkelt.
Jedenfalls sind sie kein Merkmal zum sofortigen Erkennen der Art!
Behaarung ganz zart, kurz abstehend, weiß. Hinterschienen verbreitert,
beide Enden und ein breiter Ring schwarzbraun, mit lang abstehender
schwarzer Behaarung. Die so entstehenden hellen Ringe sind ziemlich
scharf begrenzt; der Basalring ist doppelt so breit als der Spitzenring.
Beide sind zart weißlich behaart. Metatarsus größtenteils gelb mit
heller Behaarung, die Spitze schwärzlich. Flügel durchaus gleichmäßig
dunkelrotbraun tingiert; das große Randmal fast schwarz. Alle hellen
Fleckchen sind auch rotbräunlich angehaucht, daher sehr wenig auf-
fällıg. Spitzenbinde breit, von Rand zu Rand reichend. Die drei
Rosetten wie bei »luvialis. Hinter dem Stigma ein großer weißer
Fleck mit dunklem Kern. Hinterrandzellen 1—3 und 5 mit hellem
Randfleck.
Japan. Type 9: Koll. Collin.
Chrysozona trıstis Big.
9: Ob es sich hier um eine eigene Art handelt oder um eine
lokale Variante von pluvialis vermag ich nach der sehr schlecht er-
haltenen Type nicht zu entscheiden. Shirakı spricht sie als gute
Art an.
Länge 11, Fühler (?), Flügellänge 10, Flügelbreite 4 mm.
Der Grundton der Flügel ist ein reines Dunkelgrau mit warmem bräun-
lichen Ton, wie er bei pluvialis mir nie vorgekommen ist. Die Apikal-
binde ist breit, reicht von Rand zu Rand. Die Rosetten sind einfach,
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A.12, 8 12. Heft
114 ONKTOHEr:
klar, in Punkte aufgelöst. Hinterrandzelle 1—3 und 5 sind weiß
gefleckt. Seitenflecken des Hinterleibes auf Ring 3 fehlend, auf Ring 4
und 5 kaum erkennbar, sich nur ganz wenig abhebend. Die hellen
Hinterrandsäume sind in der Mitte nicht dreieckig ausgezogen, so daß
eine helle Mittelstrieme fehlt; vielleicht eine Folge des Erhaltungs-
zustandes. Hinterschenkel dunkelgelbgrün.
Tabanus (Therioplectes) aethereus Big. /ä von Europa?
ıst Ochrops plebejus Fll. var. calvus Sazil.
Tabanus yokoamensiıs Big. sind (2 2) Tab. mandarinus Schin.
Ein drittes 9, mit stark vorgewölbtem, glänzend schwarzen, vielleicht
abgeriebenen Stirndreieck, breiter Stirnstrieme, die zwei Schwielen ge-
tragen zu haben scheint, dıe untere quadratisch, die obere lang oval,
fast reckeckig, ‚gehört in die Gruppe cordiyer Meıg., ıst vielleicht
diese Art selber.
Tabanus canıpalpiıs Big. (der Originalzettel lautet canidipalpis
oder candidipalpis) gehört in die Gruppe bromius L.
Atylotus polyzonatus Big. ist Tabanus intermedius Egg. oder
Tab. mixtus Szil., aber vollkommen verschmutzt. Keine Spur von
Augenhaarung. Beim 5 ist der Ozellenhöcker länglıch, nicht kugelig.
Das Tasterendglied ist etwas keulig, dann an der Spitze schnell zu-
gespitzt. Schwingerknöpfchen fast ganz rotgelb. Behaarung nicht mehr
erkennbar. Beim © ist die schwarze Haarreihe der Hinterschienen am
Außenrand sehr kurz und schwach. Basalhälfte des Knöpfchens gelb-
braun statt schwarzbraun. Hinterleib stark verdunkelt, nur Ring 1—3
rotbraun bezw. rotgelb. Bauch durch feine anliegende gelbe Behaarung
seidig erscheinend, im Grunde graulich, nach dem Ende zu, durch die
Behaarung graugrünlich erscheinend.
Länge: 5 12,2, © 17 mm, Flügellänge: 5 14. ( © 16 mm, Flügelbreite:
cd 45, 9 5,1 mm.
Atylotus alazınus Big. © gleicht außerordentlich 7. maeculi-
cornis Zett. Nach der Beschreibung soll es ein 2 vom Kaukasus sein,
In Bigots Sammlung stecken zwei © von dort; beide tragen ein
blaues Zettelchen mit der Aufschrift „‚alazinus“.
Atylotus abazus Big. unterscheidet sich von voriger Art nur
durch die Form der Verlängerung der Stirnschwiele, dürfte identisch
sein. Bei alazinus reicht die Leiste fast bis zum Ozellenhöcker,
bei abazus ıst sie nur so lang wıe die Augeneckenschwiele hoch und
verhältnismäßig dick.
Atyl. alazinus Big.
©: Länge 12 bis 12,2, Fühler 1,7, Flügellänge 11 bis 12,5,
Flügelbreite 3,5 bis 4 mm,
Gleicht vollkommen T. maculicornis Zett. Augen schwarzbraun, ohne
Binden, dicht, aber kurz jund zart weiß behaart. Stirnstrieme parallel-
randıg, ca. viermal so hoch als unten breit, weißgrau, schwarzhaarig.
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 115
Untere Augeneckenschwiele glänzend schwarz, fast quadratisch, oben
etwas abgerundet, unten ın drei Zacken ausgezogen. Die etwas spindel-
förmige Verlängerung reicht fast bis zum Scheitel. Keine Spur von
Ozellenhöcker oder -schwiele. Augenhinterrand leicht gewulstet, weıß-
lichgrau, ganz kurz weiß behaart. Hinterkopf dunkler grau. Am
Scheitel sind die schwarzen 'Haare länger und dichter. Stirndreieck ım
Grunde schwarz mit grauem und ockergelbem Toment bedeckt. Unter-
gesicht weißgrau, zart, aber lang und dicht weiß behaart. Fühler
schwarz, matt; Grundglied etwas länger als breit, dicht kurz schwarz
beborstet, unten mit wenigen weißen Haaren. 2. oben in einen feinen
Dorn ausgezogen, etwas gelbbraun. 3. mit großer Platte, eigentlich
ohne Zahn. Die Platte ist mit gelblichem Toment bedeckt. Endgriffel
dick und schwarz. Das letzte Glied sitzt stark abgeschnürt als Spitze
darauf, Von oben gesehen, ıst der Fühler fast lineal. Taster gelbbraun,
Grundglied lang abstehend weil behaart. Endglied sehr lang, stark
knieförmig gebogen, die Spitze wieder etwas vorgekrümmt und hier
dicht schwarz b'ehaart, so dal ein schwarzer Fleck erscheint. Sonst
die Außenseite zart und kurz schwarz anliegend behaart; die Innenseite
ohne schwarze Haare, daher viel heller erscheinend. An der Basıs
stehen unten etliche ganz lang abstehende weiße Haare. Rüssel wenig
länger als die Taster. Der ganze Körper schwarz, etwas glänzend,
durch weißliches Toment etwas graulich und matt. Thorax mit Spuren
von fünf feinen weißlichen Längsstriemen. Reste der Behaarung
schwärzlich bezw. bräunlich erscheinend. Brustseiten braun behaart,
vor der Flügelbasıs eine große graue Flocke, darüber eine Reihe
langer feiner schwarzer Haare. Beulen zwischen Flügel und Schildchen
etwas bräunlich. Schildchen gleicht dem Thorax, am Hinterrand mit
Spuren langer weißer Behaarung. Hinterleib bei Betrachtung von hinten
mit weißgrauem Schimmer übergossen. Am 2. Ring bildet dieser
Schimmer in jeder Beleuchtung große unregelmäßige Seitenflecken,
die dem Hinterrand anliegen, auf den andern Ringen sind diese Seiten-
flecken kleiner und unschärfer. Auf dem 2. und 3. Ring liegt eın
eigenartiger brauner Sammet, der vielleicht durch die Konservierung
entstanden oder erhalten ist. Am 7. Ring scheinen die hellen Seiten-
flecken zu fehlen. Auf den hellen feinen weıßgrauen und weiß be-
haarten Hinterrändern der Ringe 1—6 stehen zarte, graubehaarte Mittel-
dreiecke, Die Behaarung des Hinterleibes scheint kurz und schwarz
gewesen zu sein. Bauch schwarz, durch feines weißes Toment gleich-
förmig grau erscheinend mit zarten weißlichen Hinterrändern am 2. bis
6. Ring. Behaarung äußerst zart, mit hellgelbbraunen Schienen. Hüften
weißsgrau bestäubt, lang abstehend weiß behaart. Schenkel und ‚Schienen
minder lang weiß behaart. Vorderschienen ın der Spitzenhälfte ‚schwarz
und hier schwarz behaart. Hinterschienen an der Spitze schwarzbraun
und schwarz behaart. Tarsen schwarz, Sohlen dunkel goldrot behaart.
Flügel graulich hyalın mit ziemlich zarten braunen Adern. Kein Ader-
'anhang. Randmal dunkelbraun. Schüppchen weißlich. Schwinger braun
mit weißlichem Stiel.
8* 12. Heft
116 O. Kröber:
In einem zweiten Exemplar ıst das Tasterendglied etwas weniger scharf
gebogen und an der Basis fast nackt, daher heller erscheinend. Augen-
eckenschwiele unten in der Mitte nicht zackig vorgezogen, Behaarung
der Brustseiten oben reicher 'mit Schwarz gemischt. Die'grauen Seiten-
flecken des 2. Ringes sınd klein und berühren den Hinterrand nicht.
Behaarung der Beine länger und dichter, daher die Schenkel mehr
weißgrau erscheinen. Nach der Originalbeschreibung soll nur ein 2
vorhanden sein; in Bigots Kollektion sind aber zwei mit dem Namen
versehen,
O vom Kaukasus. Type 2: Koll. Collin.
Von obigem ® unterscheidet sich Brgots Tab. abazus nur durch
die Form der Stirnschwiele. Bei der Form T. alazinus ist die Augen-
eckenschwiele mit dem Scheitel durch eine Leiste verbunden; bei T.
abazus ıst die Leiste wenig länger als die Augeneckenschwiele selber
und ist verhältnismäßig dick.
Ich halte beide für identisch und wähle den Namen Tub. alazinus Big.
Type 2 von abazus Big.: Koll. Collin.
Tabanus nıveipalpis Big.: Nach Mitteilung von Mr. Collin
ist die Type in der Bigotschen Sammlung nicht vorhanden.
Tab.camaronensis Big. stammt nach Mitteilung von Mr. Collin
aus Madere-Camerones, also nicht von Madeira, sondern aus Kamerun
und ist eine typisch 'afrıkanische Spezies.
Tab. canıpalpis Big.
Q: Länge 11,2, Flügellänge 10, Flügelbreite 3,2 mm.
Gleicht außerordentlich T. bromius, nur ist die Augeneckenschwiele
vielleicht etwas kürzer, und die Taster sind aufgeblasen, wie bei 7.
cordiger, —
Augen dunkelgrün mit einer 'hellpurpurnen Querbinde. Taster fast
rein weıß, mit zarter, anliegender, glänzend weißer Behaarung und in
der Spitzenhälfte an der Außenseite mit wenigen zarten schwarzen
Börstchen. 1. und 2. Fühlerglied hell rotgelb. Reste der Stirnbe-
haarung zart weiß. Schläfenrand linear, ganz kurz weiß behaart.
Untergesicht wollig weiß behaart. Thorax schwarz mit vier erkennbaren
Längsstriemen, deren mittlere durch eine hellere Linie im ersten Ab-
schnitt geteilt wird. Präalarcallus groß, auffallend hellgelbbraun, fast
rotgelb, unten durch eine'Reihe schwarzer Borsten begrenzt. Behaarung
der Brustseiten greis, lang, wollig. Schildchen schwarz, etwas glänzend,
schwarz gewesen zu sein; alle Segmenthinterränder sind fein rotgelb.
weißlich behaart. Hinterleib schlecht erhalten, scheint im Grunde
l. und 2. Tergit mit großem gemeinsamen rotgelben Seitenfleck, der noch
etwas auf den Vorderrand des 3. übergreift. Unterhalb desselben liegt
“am Hinterrand des 3. Tergits noch ein zweiter rotgelber Fleck, und
eine Spur eines solchen findet sich auch noch am 4. Ring. Der große
Fleck am 2. Ring steht schräg von vorm/innen nach hinten außen. Alle
rotgelben Stellen sind zart anliegend weiß behaart. Gleiche Behaarung
Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden. 117
steht auf den Hinterrändern und z. T. noch auf den Mitten, wo vielleicht
fein behaarte Mitteldreiecke gewesen sind. Am 1. Ring ist ein solches
deutlich vorhanden. Behaarung der dunklen Teile schwarz. Seiten-
ränder des 6. und 7. Ringes und Hinterecken des 5. durchscheinend
rotgelb. Bauch am 1. bis 4. Ring rotgelb, nach hinten zu etwas ver-
dunkelt, ohne jede Spur von Fleckung. 2. bis 7. mit feinen gelben
Hinterrandsäumen, 5. bis 7. 'sonst tief schwarz. Behaarung äußerst
zart, anliegend, sılberweiß, auf den letzten Ringen länger, schwarz,
besonders lang am 7. Hüften und Schenkel schwarz, durch anlıegende
zarte weißßc Behaarung grau erscheinend; Schenkelspitze gelblich. Die
zwei Basaldrittel der Vorderschienen hell rotgelb, anliegend weıß be-
haart: Enddrittel tief schwarz, ebenso behaart. Tarsen schwarz. Mittel-
und Hinterschienen bleich gelbbraun, das äußerste Ende der letzteren
etwas gebräunt. Mitteltarsen braun, das 1. Glied größtenteils gelb.
Schüppchen weißlichhyalın, Schwinger weißlich, Knöpfchenbasis bräun-
lich, Flügel hyalin, Adern sehr zart ah z. T. gelb.
Persien. Type 2: Koll. Collın.
Therioplectes trichocerus Big. % ist Th. macularis F.,
Type von Marokko.
Therioplectes batnensıs Big. O, Type von Batna ın Alsıer
ist Afylotus nemoralis Meig. Am Augenhinterrand stehen mäßig lange
und dichte weißgelbe und schwarze Haare; am Scheitel nur
Atylotus Letourneuxi Big. 9 ıst Atylotus tomentosus Meig.
Type von Batna in Algıer.
Therioplectes fezianus Big. J ist Altylotus villosus Macqu.
Type von Marokko nach (der Bzschreibung. Die Type trägt ein Etikett
Tanger, ein zweites Algier.
Therioplectes calopsıs Big. ıst Afylotus nemoralis Meıg,
oder ein» ganz nahe verwandte Art. Die Type von Batna ist sehr
schlecht erhalten, in einer Flüssigkeit konserviert gewesen,
Länge 11,5, Fühler 1,8, ‚Flügellänge 9,2, Flügelbreite 3,2 mm.
Die Augen stoßen eigentlich nur in der Mitte auf ganz kurze Strecke
zusammen. Kein Ozellenhöcker vorhanden. Augen lang weißlich be-
haart. Die Fazetten der obern zweı Drittel sind braun und bedeutend
größer als ım untern, wo sie schwarzbraun erscheinen. Die Type trägt
Bigots Bemerkung: Yeux d’un vert fonce, 4 lignes noırätres.. In
der Beschreibung steht: Sur le vivant, les yeux sont d’un vert brillant,
avec quatre zones brunes. Das würde die Ärt von nemoralis scheiden,
Beim Aufweichen kann ich nur eine Purpurbinde an der Grenze der
Fazetten, eine zweite auf der Mitte der kleinen Fazetten und einen
roten Unterrand wahrnshmen, aber keine vierte Binde. Stirndreieck
dunkelgrau, matt, die oberste Spitze heller grau; zwischen beiden
Farben eine matt bräunliche Binde, fast glanzlos. Hinterkopf dunkel-
grau, oben mit wenigen, sehr langen vornübergeneigten schwarzen Haaren.
Untergesicht dunkelgrau, ziemlish ling wii !ge’b behaart. Fühler schlank,
12. Heft
118 O. Kröber: Beiträge zur Kenntnis palaearktischer Tabaniden.
tief schwarz, nur die äußerste Basıs des 3. Gliedes düsterrotbraun.
1. Glied mit langer schwarzer Behaarung, länger als das Glied selber.
2. Glied kurz, oben mit langer Spitze. 3. schlank, unmittelbar an der
Basıs mit ganz kleiner scharfer Ecke, direkt in den dicken schwarzen
Griffel übergehend, der fast ebenso lang ist wie die Platte selber
und schwach segmentiert ist. Taster ziemlich lang, Endglied etwas
keulig, weißgelb, lang weil behaart, wodurch das Glied noch länger
und spitzer erscheint. Es ist ca. dreimal so lang als breit. Rüssel
fast kopflang, schwarz. Thorax und Schildchen glänzend schwarz mit
Spuren von 3 mattgrauen Längsstriemen. Reste der Behaarung an-
liegend gelblich glänzend und lang abstehend zart schwarz. Brust-
seiten dicht gelblich behaart. Schüppchen bräunlich hyalin. Schwinger-
stiel gelbbraun, Knöpfchen dunkelbraun, Spitze gelblich. Hinterleib
schmal, schlank, stark konisch, glänzend schwarz. 2. und 3, Tergit
mit gemeinsamem braungelben Seitenfleck, der ca. '/; der Ringbreite
einnimmt, genau die 2 Segmente vom Vorderrand bis Hinterrand aus-
füllend und eine fast parallelrandige schwarze Mittelstrieme frei-
lassend. Seitenrand des 4. Tergits etwas gelbbraun, In der Hinter-
ecke des 3. Tergits liegt in dem hellen Fleck eine schwärzlich schwarz
behaarte Stelle. 2. bis 7. Ring mit deutlichem hellgelbbraunem Hinter-
randsaume. Es scheint, als ob jeder Ring außerdem 3 grautomentierte
Flecken getragen hat, die bei Beleuchtung hart von hinten zum Vor-
„chein kommen: ein Mitteldreieck und rundliche schrägliegende Seiten-
tlecke, die den Hinterrand breit berühren. Die hellen Partien sind
gelblich behaart, der Rest schwarz. Besonders lang sind die Haare an
den Seitenrändern oder Tergite. Bauch matt schwarzgrau ‚mit deut-
lichen gelbin Hinterrändern und langer gelber Behaarung. Flügel zart
bräunlich hyalın. Adern schwarzbraun, z. T. gelblich. Stigma groß,
hellbraun. Aderhang sehr klein, kaum !/; des Basalstücks des oberen
Gabelastes erreichend. Hüften schwarz, durch Toment grau, Schenkel
schwarz, Behaarung beider langweiß. Knie und Schienen bleichgelb-
braun, weıß bereift, schwarz behaart. Die Spitzen der Schienen und
Tarsen bräunlich, Enden der letzteren fast schwarz. Vorderbeine
dunkler gefärbt, fast dıe halben Schienen, unten sogar bis zur Basıs
schwarz. Tarsen tief schwarz.
W. Schreitmüller: Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 119
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordost-
frankreichs und der angrenzenden Gebiete
Belgiens.
Bearbeitet von Wilhelm Schreitmüller (Frankfurt a. M.) unter
Mitarbeit von Dr. W. Wolterstorff (Magdeburg).
Mit 28 Textfiguren und 9 Kartenskizzen des Verfassers.
Vorbemerkung.
Die Fülle sorgfältıger Aufzeichnungen über das Vorkommen des
Triton alpestris Laur. (= Alpen- oder Bergmolch) im einstigen
ÖOperations- und Besatzungsgebiet, welche mir Herr Wilhelm
Schreitmüller für einen anderen Zweck zur Verfügung stellte,
veranlassen uns, die Beobachtungen in einer besonderen Arbeit zu-
sammenzufassen und auch Mitteilungen aus Feldpostbriefen anderer
Herren anzugliedern. Nach Fertigstellung des ın sich abgeschlossenen
Abschnittes über den Bergmolch erschien es wünschenswert, auch
die Funde der übrıgen Urodelen, der Anuren, der Reptilien des Gebietes,
welche teilweise aus Feldpostbriefen ın den „Blättern für Aquarien- und
Terrarienkunde“ (Verlag: Julius Wegner, Stuttgart, heraus-
gegeben von Dr. W. Wolterstorff, Magdeburg) bekannt ge-
geben sind, zusammen zu stellen. Für die Beschreibung des Geländes
seı stets auf die Angaben in Abschnitt I verwiesen!
Von besonderem Werte und Interesse für die
Wissenschaft sind die Funde von: Rana arvalis Nilss.
(= Moorfrosch), — neu für Frankreich, — 'Bufo viridis
Laur. (= grüne oder Wechselkröte), — neu für Nord-
ostfrankreich, — Pelodytes punctatus Daud. (= Schlamm-
- taucher), — neu für Nordfrankreich (Departement
Nord) (von Schreitmüller’s Sohn Kurt auch neu für
Belgien nachgewiesen),) Emys orbicularis L.(=Sumpf-
schildkröte), — wohl neu für Nordfrankreich, Ran«a
agilis Thom. neu für Nordfrankreich.
Dr. Willy Wolterstorff.
Abkürzungen.
Bl. — Blätter für Aquarien- u. Terrarienkunde. Redaktion: Dr. W. Wol-
terstorff-Magdeburg. Verlag: J.E G. Wegner-Stuttgart.
) Kurt Schreitmüller sammelte noch in englischer Gefangenschaft
fleißig Beobachtungen.
120 Wilhelm Schreitmüller:
W. — Wochenschrift für Aquarien- u. Terrarienkunde. Redaktion: Max
Günter-Berlin. Verlag: G. Wenzel & Sohn-Braunschweig.
15: — Lacerta, Zeitschrift des Bundes der Reptilien- und Lurchfreunde-
Redaktion: Dr. Paul Krefft- Braunschweig. Verlag; G.
Wenzel & Sohn-Braunschweig. (Jetzt eingegangen.)
N. — Natur, Zeitschrift der deutschen u. österreichischen naturforschen-
den Gesellschaft. Redaktion; Prof. Dr. B. Schmid-München-
Solln. Verlag: Th. Thomas-Leipzig.
N. B. — Naturwissenschaftlicher Beobachter, Zeitschrift für Naturfreunde.
Redaktion: Dr. R. Mertens, Fr. a. M. Verlag: Mahlau &
Waldschmidt-Frankfurt a.M. (Jetzt eingegangen.)
D. F. K. = Deutseke Fischerei-Korrespondenz, Organ für die gesamten Inter-
essen der Binnenfischerei. Redaktion: Otto Berbig - Köln
a. Rh. Verlag: Oster & Joisten-Köln a. Rh.
l. Abschnitt.
Urodela (Schwanzlurche).
l. Der Alpen- oder Bergmolch (= Triton alpestris Laur.).
Ausführliche Nachrichten über das Vorkommen des Berg-
molches verdanken wir unter anderen W. Schreitmüller. Er
fand den Bergmolch im Besatzungs- und Operationsgebiet während
der Jahre 1915 bis 1918 in dem ganzen Gelände zwischen Noyon und
St. Quentin im Westen, Hirson ım Osten, Fismes im Süden,
Sains bei Avesnes im Norden, d. h. im Departement Aisne und
in den Grenzgebieten der Departements Marne, Oise, Nord bei
insgesamt 50 bis 60 Ortschaften. Von den Departements Marne,
Oise, Nord ist Triton alpestris ın Bedriaga, „Urodela”
noch nicht angegeben.
Die Landschaft ist teils hügelig, teils eben (oft Hochfläche) meist
100 bis 200 m hoch, der höchste Punkt liegt'nach Andrees Hand-
atlas bei La Capelle, 240 m, der tiefste (Spiegel der Oise)
südlich Noyon (= etwa 36 m). Der Untergrund besteht im süd-
lichen Teile bis Laon meist aus tertiärem Kalk (Grobkalk) und ım
Norden und Nordosten aus oberem Kreidekalk.
Im Süden des Gebietes, bei Fismes, ist das Gelände tief gelegen,
sandig. ziemlich trocken, stellenweise mit Heidekraut und alpinen
Pflanzen bestanden. Etwas Laub- bezw. Mischwald, Tümpel sind spär-
‘lich vorhanden. Trotz der ungünstigen Verhältnisse trıtt Triton alpestris
hier auf, dann folgen Triton cristatus, — vulgaris und — palmatus.
Triton alpestris wurde z. B. in einem Wassergraben bei Fere
en Tardenois, südwestlich Fismes, und in einer Zisterne bei der
Les Pr&s Ferme (dicht nördlich Chery) gefunden.
Larven dieser Art auch in einem kleinen Tümpel dicht bei der
Ferme, die als Pferdelazarett diente.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordosifrankreichs usw. 121
Ferner wurde Triton alpestris z. B. bei Braisne (Braine)
beobächtet.?) Anders die Gegend des Chemin des Dames, süd-
ach Laon. Hier von Vailly bis La-on ıst das Gelände teils
hügelig, teils bergig mit teilweise viel Laubwald, feuchten, von Gräben
durchzogenen Wiesen, mit wassergefüllten Granattrichtern. (Frühjahr
1918). Die Wälder sind teilweise arg zugerichtet, die abgeschossenen
Bäume schlagen aber bereits von unten wieder aus und bilden Büsche,
Bodengrund sandig-lehmig, darunter Kalk. Hier wurden alle
vier Molcharten beobachtet. Triton alpestris herrscht hier öfter
vor, aber auch Triton palmatus ıst häufiger, da Wald und Bergland!
— Fundorte z. B. Vaiılly, Chavignon, Bruge£res, ÄAthies
sous Laon. Bei Laon selbst alle vier Arten, so Triton palmatus
am Fußc der Zitadelle ın Landform beobachtet. — In einer Zisterne
östlich Laon fand ich einige Triton alpestris am 14. 1. 1918. Wahr-
scheinlich bleiben die Tiere hier dauernd ım Wasser.
Zwar vermißte L. Koch (t) (briefl. Mitteilung) den Alpen-
molch bei Veslud westlich Laon, wo Triton eristatus, — vulgaris
und — palmatus auftraten, doch entdeckte ich (Verf.) ihn auch hier
später, ca. !/, Stunde nördlich davon in Wasserlöchern im Walde. Auch
ım Tal der Ailette, nördlich des Chemin des Dames, fand
L. Koch (f) nur Triton cristatus und — vulgaris (lt. briefl. Mittlg.).
Südwestlich und westlich Laon ist die Gegend meist flach, nur
teilweise etwas hügelig, war aber in früherer Zeit stark bewaldet. So
lag Pr&montre (Prämonstratenser Kloster) einst in einem unwirt-
lichen Dickicht, von einem Morast durchzogen, ım tiefen Walde von
Coucy.?) Auch sonst ist noch viel Laubwald vorhanden, z. B. im großen
Walde südlich von La F&re. So bietet das Gelände trots seiner tiefen
Lage mit seinen Wiesen, Triften, Feldgehölzen und Wäldern, mit
kleinen Bächen, Gräben, kleinen Tümpeln dem Triton alpestris noch
‘günstige Aufenthaltsbedingungen.
Ich traf die Art z. B. bei Anizy, Schloß Coucy, am
Waldlager Chivy, Blerancourt, Pr&montre, Chauny,
St. Gobin, Viry, Fargniers, Tergnier, Noyon (im Wald
vonLaFere), LaFerean.
In den Ausbuchtungen des Flüßchens Ailette selbst wurde der
Bergmolch gkichfalls vereinzelt beobachtet, ein Fingerzeig,
daf% unter Umständen, durch Hochwasser, auch heutzutage die Ver-
schleppung der Molche sehr möglich ist!
Am Waldlager Chivy (südl. Laon) beobachtete ich z. B. Triton
alpestris, — palmatus und — vulgaris ın einem Wiesengraben, am Rande
spärlich mit Zitterpappeln und Weiden bestanden, mit zahlreichen
°) Wir führen .hier nur Ortschaften an, die in Andrees Handatlas ent-
halten sind. D. Verf.
®) Jetzt noch liegt das Städtchen Premontr& in einem, rings von
bewaldeten Höhen des Houte For&t de Coury umgebenen Tale. (Daniel
Handbuch, Geographie). Der Verf.
12, Heft
122 Wilhelm Schreitmüller:
Wasserpflanzen und Kleingetier aller Art. Auch Salamandra maculosa
wurde in der Nähe des Waldlagers Chivy nördlich Chivy les
Etouvelles (südl. Laon) in einem Exemplar gefunden. (Bl. 1417,
S, 269, 334, 343. N. 1917, S. 41).
Etwa '/, Stunde nördlich des Bahnhofes L a on liegen einige Teiche
mit dichtem Schilfbestand. Hier wurden Triton vulgaris, — cristatus
und vereinzelt — alpestris gefunden, — palmatus scheint hier zu
Glambräi .
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Karte 1. Festgestelltes Verbreitungsgebiet von Triton alpestris, — vulgaris
und — cristatus in Nordirankreich.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 123
fehlen. (?) Weiter nördlich Laon erstreckt sich bis Barenton-
sur-Serre (links der Bahnstrecke nach Hirson) ein flaches Ge-
lände mit Moorboden, nur kleine baumbestandene Hügel erheben sich auf
ihm. Zwischen Barenton-Bugny und Verneuiı bis etwa Ba-
renton-sur-Serre befindet sıch ein ausgesprochenes kleines Moor-
gebiet mit großen Gräben, Tümpeln und Rinnsalen, durchflossen von der
Serre (südlicher Quellbach, auf anderen Karten ‚„Riviere des
Berentons“ bezeichnet), Das Wasser ist hier sehr tief, langsam
fließend, so daß Wasserrosen u. a. Wasserpflanzen gedeihen. Der
Untergrund ist moorig, ohne Felsen und Steine. Das Moorgebiet ist
reich an interessanten Tieren und Pflanzen,
Auch hier überwiegt auffallender Weise Triton alpestris an einigen
Stellen, trotz der freien Lage. Ich fand ıhn bei Barenton-Bugny,
Verneuil, Barenton-sur-Sgrre, hier wie an der Ailette
auch einige Male in Ausbuchtungen des Flusses selbst — und bei Mor-
UIIEHR.S;
Triton palmatus wurde z. B. bei Verneuil vermißt.
Im nordwestlichen und nördlichen Teil des Departements Aısne,
in der Gegend von Chauny bis St.Quentin, [bei St.Quentin
fanden ıhn auch R.G. Krüger (Bl. 1916, S. 161) und W. Schreit-
müller (1916)]. Itancourt, Bohain, Guise ıst das Gelände
ziemlich flach. (Meeresnöhe von St. Quentin 75 m.)
Wir finden hier Wiesen mit Gräben und Bächen, Erlenbrüche,
Feldgehölze, Laubwälder, Sandgruben, seltener Steinbrüche. Uhnter-
grund teilweise sumpfig. Grund der Gewässer schlammig, ohne Steine.
Triton alpestris kommt hier fast an allen genannten Orten vor, mit ıhm
Triton vulgaris; Triton cristatus tritt zurück. Triton palmatus fehlt
auch hier. Beispielsweise wurde der Bergmolch bei Chauny auf
sumpfigen Wiesen mit nıederem Laubwald (Erlen, Birken, Weiden
und Eichen) längs des Oisekanals nıcht sehr häufig angetroffen.
Im Nordosten des Departements Aısne und in den angrenzenden
Teilen des Departements Nord, von Guise bis Fourmies und
von letzterem bis Sains bei Avesnes ist die Gegend teils hügelig
(bis 240 m, bei La Capelle), mit wenig Laubwald, teilweise
sumpfigen Wiesen und Feldern, kleinen Tümpeln und Gräben. Humus
teils sandig-lehmig, teils moorig.
Triton alpestris wurde z. B. bei La Capelle, LeNouvion,
nördlich von Fourmies bei Trelon, Feron, Sains-Avesnes
gefunden. Tr. alpestris und Tr. vulgaris überwiegen oft. Tr. eristatus
ist nicht selten; Tr. palmatus wurde auch hier nicht gefunden.
Weiter nördlich, bei Maubeuge, wurden bei kurzer Umschau
Tr. vulgaris, — palmatus, — cristatws häufiger, Tr. alpestris nur
vereinzelt beobachtet. Auch L. Gercke fand Tr. alpestris ım hüge-
lıgen Waldgelände bei Dimechaux bei Maubeuge (Bl. 1918,
5. 239);
Die Gegend von Fourmies bis Anor und Hirson, nahe der
belgischen Grenze, ist teilweise hügelig und geht bereits in das belgische
12, Heft
124 Wilhelm Schreitmüller:
Bergland über. Sie weist viele Viehweiden mit Hecken und Tümpeln,
Viehtränken, feuchte Wiesen, Felder, viele Haine und Laubwald,
Brüche mit Erlen und Weiden und Waldwiesen auf.
Vor allen Dingen ist hier der Wald von Mondrepuis zwischen
Fourmies und Anor zu nennen, reich an Reptilien und Lurchen,
In den Wäldern fanden sich Tümpel mit moorıgem Untergrund.
Auch hier herrscht Triton alpestris oft vor. So fand ıhn Schreit-
müller ım Frühjahr 1915 sehr zahlreich in einem Laubwald an der
Bahnstrecke Fourmies— Anor in Löchern und Waldtümpeln, mit
Triton erıstatus und — vulgaris sowie vereinzelt Tr. palmatus. Im
Wald von Mondrepuis ist er ziemlich häufig. Auch Tr. palmatus
fehlt hier nicht.
Die gleichen Geländeverhältnisse finden sich bs Chimay und
Vireux in Belgien, auch hier wurde Tr. alpestris gefunden,
Nordöstlich von Barenton-Bugny, ca. 10 km nördlich Laon
bis Hirson ist die Gegend dagegen ziemlich trocken und größtenteils
waldarm. Der Untergrund wird meist vom oberen Kreidekalk gebildet.
Auch hier herrscht Tr. alpestris oft vor, daneben wurden Tr.
vulgaris und — cristatus gefunden.
In Cilly, an der Chaussee Marle— Bosmont-—- Tavaux,
wurde Tr. alpestris im Winter 1917 in einer Zisterne mıt Rana tempo-
raria zahlreich angetroffen, ebenso in kleinen Tümpeln auf sumpfiger
Waldwiese. *)
Weitere Fundorte für Triton alpestrissind z. B. Marle (zwischen
Marle und Cilly in einem Kalkbruch in Landtracht gefunden) ’),
Vıgneux, Montcornet, Plomion, Vervins, Voulpaix.
Aubenton und Martıgny. Triton palmatus fand sich nur bei
Montcornet vereinzelt.
Oestlich und südöstlich Laon, ın der Gegend von Lappion,
Sıssonne, Corbeny, Craonne, ıst das Geländ: meist ziemlich
flach und wasserarm. Die Meereshöhe keträgt nur ca. 100 m, allmählich
nach Osten ansteigend. Wenig Wald und dieser fast vernichtet. Nur
kleine Feldgehölze, Felder, Wiesen mit Gräben und Granattrichtern.
Sandgruben, Kalkbrüche. Von stehenden Gewässern beobachtete ich
nur einige Tümpel und einen kleinen Teich bei Sissonne, auch mit
Wasser gefüllte Granattrichter waren vorhanden.
Beı Craonne (Gelände hügelig), näher der Aısne, fand L.
Koch (t) im Frühjahr 1916 nur Triton eristatus, — vulgaris und
— palmatus (Bl. 1917, S. 46).
Im Teiche am Bahnhof Lappion, südlich Dizy-le-Gros,
wo L. Koch (t) den Felodytes punetatus ın größerer Anzahl ge-
*, Zwischen Cilly und Bosmont findet sich Mischwald mit Edel-
kastanien, Buchen, Eichen, Eschen, Roßkastanien, wilden Kirschen, Schlehen
u. a. Der Verf.
°) Hier fanden sich auch große Mengen von versteinerten See-
igeln (Micraster coranguinum) und Nummuliten usw. Der Verf.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 125
sammelt hat (Bl. 1919, S. 66), fand derselbe Triton cristatus und
— vulgaris sehr zahlreich, nicht aber — alpestris. Auch Schreit-
müller traf die Art hier nicht an.
Der Teich liegt sehr sonnig, Wald fehlt. Ebenso vermißte L.
Koch. (t) den Bergmolch bei Notre Dames de Liesse
und Schreitmüller bei St. Erme südlich Sissonne.
In einem Tümpel bezw. Teich bei Sissonne wurden dagegen
noch anı 7. 6. 18 Triton alpestris, — cristatus und )— palmatus yn-
getroffen, — Tr. vulgaris fehlte.
Auch die Hochebene von La Ville aux Bois bıs Dizy-le-
Gros und weiter ist öde, trocken, waldlos. Es wurden hier fast nur
Brachfelder, vertrocknete Wiesen, abschüssige Feldraine mit Schlehen,
Hundsrosen, Kletten, Brombeeren u. a. bestanden, alte Kalkbrüche
und Sandgruben beobchtet.#) Hier fanden sich in dem sehr trockenen
Hochsommer 1918 nur Triton cristatus und — vulgaris ın Landtracht
bei La Villeaux Bois. Neben diesen fing ich hier auch Pelodytes
punetatuss (= Schlammtaucher) (Bl. 1918, S. 238), Bufo
calamita, Rana temporaria und — esculenta, Hy!a arborra und zahl-
reiche Alytes obstetricans.
Rana arvalis scheint hier zu fehlen. (?)
Offenbar ıst Triton alpsiris in der ganzen Gegend von Liesse,
La Villeaux Bois, Dizy-le-Gros, Lappion sehr selten °),
falls er überhaupt vorkannit;
An der Östgrenze des Departements Aısne von der Chau-
montagne Ferme bis Waleppe und Rozoy sur Serre
treten teilweise Laubwaldungen und sumpfige Wiesen auf. Hier traf
ich ım Oktober 1918 nur einige Triton alpestris und eristatus in Land-
tracht unter Steinen an kleinem Waldbach an.
Die weite Verbreitung und relative Häufigkeit des Triton alpestris
in diesen Gebiet, auch an manchen waldarmen Orten, sowohl im Moor-
selände bei Verneuil als in den trockenen Strichen um Sissonne
und Fismes z. B. dürfte auf verschiedenen Ursachen beruhen, einmal
auf der ozeanischen Luftströmung und der damit verbundenen größeren
Luftfeuchtigkeit — die abnorme Dürre des Sommers 1918 war wohl
eine Ausnahme —, dann auf der Höhenlage und dem felsigen Unter-
grund mit kühlem Quellwasser (Zisternen usw.) und Höhlungen, —
°) Hier fing ich auch eine für Mitteleuropa seltene Rad-
spinne (ÄArgiope Bruennichii), deren Heimat für gewöhnlich Nordafrika
und Südeuropa ist. Ich sandte mehrere konservierte Belegstücke an Dr.
Wolterstorff- Magdeburg ein. Der Verf.
‘) Ein Teil des Depart. Aisne, auch die hier geschilderte Gegend zählt
nach Andrees Handatlas zu den regenärmsten Strichen Frankreichs. Wenn
auch Regenarmut und Trockenheit nicht identisch sind — auch manche S'riche
der flandrischen Küste sind regenarm — so dürften doch hier Wallarmut und
Regenmangel vereint auf die Vegetation und die Tierwelt von Einfluß sein.
Der Verf.
12. Heft
126 Wilhelm Schreitmüller:
Aehnlich wie hier dürften die Verhältnisse in anderen Gegenden
Nordfrankreichs liegen. — Vielleicht wurden und werden im
Departement Aısne jene Plätze, welche an sich für Trifon alpestris
weniger geeignet sind, von den Waldgebieten und von den Ardennen
aus (viele Bäche und Flüsse entspringen von dem Bergplateau westlich
der Maas [= Meuse]) besiedelt. Dafür spricht der Fund von
Alpenmolchen in zwei Flüssen (Serre und Ailette).
Jedenfalls bleibt aber auffällig, daß Triton alpestris an vielen
Orten überwiegt.
Offenbar hat er sich den Verhältnissen hier besser angepaßt als ım
ebenen Nordwestdeutschland, wo sein Vorkommen fast stets an den
Wald gebunden ist,
Auch in Belgien zu Everbach bei Brüssel überwiegt er
in der Moorebene, ich erhielt von da von K. Maas vor dem Kriege
Tr. alprstris stets ın größerer Anzahl als die übrigen drei Arten (W,
Schreitmüller).
Ferner fand ich noch ein © in Landtracht im Oktober 1918 bei
Sterpenich in Luxemburg, dicht an der belgischen Grenze,
H. Geyer fand ıhn ferner bei Sedan (Bl. 1915, S. 254) und
Artur Conrad bei Mondey nahe Charleville (Bl. 1917,
S. 205). R. G. Krüger fand Tr. a'p. und die ‘anderen drei
Arten auch bei Verdun (Bl. 1916, S. 191).
ll. Salamandra maculosa Laur, (= Der Feuer-
salamander).
Salamandra maculosa Laur. traf ich in dem ganzen erwähnten Gebiet
nur an zwei Stellen an, und zwar handelt es sich im ersten Falle um
vier Exemplare, welche ich im Jahre 1915 nahe Fourmies nördl,
Hirson ım Walde von Mondrepuis antraf. Nach Aussage der
Franzoser. soll sie in dem an der Bahnstrecke Fourmies-—- Anor-—
Hirson sıch hinziehenden Laubwald nicht selten, ebenso von Four-
mıes nördlich im Walde von Trelon zu finden sein.
Abbild. 1. Salamandra maculosa Laur. (Feuersalamander) J.
Im zweiten Falle fand ich ein halbwüchsiges Jungtier im Jahre 1917
nahe dem Waldlager Chivy südlich Laon (Bl. 1917, S. 334)
in einem kleinen Wäldchen vor, um welches feuchte Wiesen und sumpfige
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 127
Gräben herumliegen. An anderen Orten habe ich das Tier nicht ge-
funden.
Wie mir ferner ein Artillerie-Offizier sagte, hat dieser die Art
auch in dem großen Wald südlich Reims (= Foröt de la Mon-
tagne de Reims) angetroffen. Außerdem schrieb mir mein leider
gefallener Freund Arthur Wetzel (f), daß er Salamandra macu-
losa bei Apr&mont nordwestlich Verdun gefunden habe.
G. Scholze stellte sie ferner in den Argonnen fest (Bl. 1915,
S. 254). W. Rosenbaum überwies dem Magdeburger Museum von
hier ein Exemplar. In der Cöte Lorraine bei St. Maurice
fand E. Marherr zahlreiche große Larven dieser Ärt in einer
Zisterne mit über 1 m Wasserstand. Erwachsene Exemplare traf er
dort nıcht an. (Briefliche Mitteilung an Dr. Wolterstorff.)
Von W, Matthies wurden Larven dieser Art in einem 1—3 m
tiefen Graben bei Bruy&res gefunden, ebenda ım trockenen Teil
des betreffenden Grabens auch ausgewachsene Stücke von 16—20 cm
Länge (Bl. 1921, S. 327).
Il. Triton cristatus subspec. typica Laur. (= Großer
Kammolch).
Dieses Tier ist in dem erwähnten Gebiet mancherorts recht zahl-
reich, an anderen Orten wieder weniger häufig zu finden,
Abbila. 2. Triton cristatus subspec. iypica Laur. Q (großer Kammolch).
Natürliche Größe.
Der südlichste Ort von Laon, wo ich ihn feststellte, ıst ein
kleiner Teich dicht bei der Les Pres Ferme nördlich Chery,
6!/;s km südlich Fismes. Hier fand ich im Sommer 1918 Larven
dieses Molches in ziemlicher Anzahl vor.
Er ist ferner im ganzen Gebiet nördlich und nordwestlich von
diesem Ort von mir beobachtet worden, z. B. bei Vailly, :Cha-
vignon, Vendresse, Bruyeres bis ziemlich Laon. InLaon
selbst und in dessen nächster Nähe hatte ich ihn vor 1918 nicht ge-
funden (Bl. 1917, S. 102), erst nach dieser Zeit stellte ich ıhn dort
nachträglich noch fest, woraus ersichtlich ıst, daß Tiere doch öfter
auch an solchen Orten vorkommen, wo man sie vorher nicht gesehen hat.
12. Heft
128 Wilhelm Schreitmüller:
Im Gebiet des Chemin des Dames ist er fast überall zu
finden. L. Koch (f) traf ıhn auf den Craonner Höhen dan
(Bl. 1917, S. 46). Während des sehr heißen, regenlosen Sommers
1918 fand ich viele dieser Tiere im Wasser.
Westlich und südwestlich Laon habe ich ihn bei Anızy,
Coucy-le-Chäteau, Pr&emontre bis Chauny und nahe
Noyon (Bl. 1915, S. 111) und von hier aus nordöstlich bis La
Fere gefunden.
Nördlich Laon traf ich ıhn 1917/18 ca. '/, Stunde nördlich des
Bahnhof, Laon in Teichen mit Schilfbestand, ferner in dem Gebiet
von Barenton-Bugny bis Barenton sur Serre einschließlich
Verneuil und Mortiers ziemlich häufig an.
Von hier aus nördlich bis Guise, Bohain, Itancourt und
nordwestlich bis St. Quentin trıtt er mehr zurück und kommt
stellenweise nur vereinzelt oder gar nicht vor. (Bei St.Quentiw
und Verdun fand ıhn auch R.G.Krüger [Bl. 1916, S. 191/192.])
So sah ich ıhn z. B. bei Erlon westlich Marle /nicht. —
Der nördlichste Punkt, wo ich ihn bemerkte, ist Maubeuge.
Von hier ab südlich und südöstlich tritt er in der Gegend von Avesnes,
Le Nouvion, La Capelle, Trelon und F&ron zurück resp.
ich fand ihn hier nur in geringer Anzahl, teils in Landtracht, teils
ım Wasser vor.
Ziemlich zahlreich hingegen war er wieder südwestlich von Trelon
— von Fourmies bis ca. Hirson —, hauptsächlich bei Four-
mies in Wiehtränken, auf Wiesen und in Wasserlöchern an der
Chaussee Fourmies—AÄnor, die durch den Wald von Mondre-
puis führt (Bl. 1915, S. 152).
Südwestlich Hirson stellte ich ıhn 1917 in Voulpaix westlich
Vervins in Landtracht fest. Von hier aus südlich traf ıch ihn wieder
bei Cilly und zwischen Marle und Cilly, während ich ıhn yın
der Gegend von Vigneux und Montcornet vermißte, desgleichen
bei Aubenton und Plomion östlich Vervins. Sonderbarerweise
traf ich ıhn dann aber wieder bei Leuze nordwestlich Aubenton,
und zwischen La Ville aux Bois und Dizy-le-Gros (hier
abends nach Regen auf der Chaussee); sowie bei der ‚ei haumon-
tagne Ferme nördlich Waleppe (Herbst 1918) in ‚Langiraest
unter Steinen an einem kleinen Waldbach an.
Südlich La Ville aux Bois ist er beı a Bon-
. court, Sissonne und St. Erme gemein. Auch bei Athies
östlich Laon stellte ich ıhn fest.
L. Koch (t) sandte auch Stücke von Veslud östlich Laon
dem Magdeburger Museum.
Von St. Erme südlich fand ich ihn im Sommer 1918 bei Gou-
delancourt-les-Perrieux auf Wiese in einer Viehtränke vor.
Westlich Lappion fand ihn L. Koch (ft) 1916 zahlreich bei
Liesse und Sissonne (Bl. 1918, S. 231, Bl. 1917, S. 46).
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 129
Südlich Reims kommt er nach Mitteilung eines Artillerieoffiziers
ım Großen Wald von Reims vor.
Dr. Kniesche übermittelte dem Magdeburger Museum Exem-
plare von Billy bei Spincourt, Kurt Bessiger Stücke von
Vaudry (Ardennen) und Schreitmüller solche von La
Ville aux Bois und Verneuil etc.
Im Moorgebiet von Verneuil fand ich auch 92 dieser Art
mit gelbem Rückenstreifen.
Siehe auch: Junghans (Bl. 15, S. 254 [Lille]), Unge-
nannter Autor (Bl. 1915, S. 287 [Westflandern)]), L.
Koch (t) (Bl. 1917, S. 46 [Craonner Höhen] und Bl. 1918,
S..231 [Liesse]),,. W. Schreitmüller :(Bl. 1915, S. 111
[Chauny], Bl. 1917, S. 101 [Chauny, Viry], W. 1918, S. 228
und „N. B.“ 1921, S. 45) u. a.
IV. Triton vulgaris subspec. typica L. (= Kleiner
Teichmolch oder Streifenmolch).
Der Streifenmolch ist hier weit verbreitet und von mir
fast allerorts gefunden worden, so daß es sich eigentlich erübrigt,
an dieser Stelle alle in Frage kommenden Orte nochmals aufzuzählen,
Abbild. 3. Triton vulgaris subspec. fypica L. ( J) in Brunit.
Natürl. Größe.
Der südlichste Ort von Laon aus, wo ich ihn fand, :ist eine
Wiese nahe einem kleinen Laubgehölz, unweit Fereen Tardenois
(südiien Fıismes), wo ıch ıhn ım Sommer 1918 unter Steinen in
Landtracht erbeutete.e Der südwestlichste Ort von Laon aus ist
Leuilly (südlich Coucy le Chäteau), wo er sich in kleinen
Tümpeln und Gräben ım späten Frühjahr 1917 vorfand.
Der westlichste Punkt von Laon aus liegt zwischen Noyon
und Apilly an der Chaussee Noyon— Chauny, hier tritt er
ın kleinen Tümpeln, Gräben und Pfützen ziemlich zahlreich auf (Früh-
jahr 1915).
Der nördlichste Fundort von Laon aus war Guise, hier sah
ich ıhn auf Wiesen in Viehtränken und Gräben. Von hier aus nord-
östlich fand ich ihn auch bei Maubeuge. In südlicher Richtung
hiervon allenthalben, auch z. B. bei Trelon, Fourmies, Anor,
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 12, 9 12. Heft
130 Wilhelm Schreitmüller:
Hirson bis hinunter nach Rozoy sur Serre. Sogar in der öden,
trockenen Gegend zwischen La Ville aux Bois und Dizy-le-
Gros fand ich ıhn, sowie Tr. cristatus ım Herbst 1918, abends nach
Regen auf der Chaussee herumlaufend, in Landtracht vor. In den meisten
Fällen handelte es sich hier um halbwüchsige Jungtiere, während
Tr. alpestris und Tr. palmatıus hier fehlten.
Von La Ville aux Bois aus südlich und südwestlich ist er
ın dem ganzen Gebiet bis Lappion, Liesse, Sissonne, St.
Erme und Craonne zu finden, ist also überall zu Hause.
Besonders häufig fand ich ıhn bei Fourmies (in Viehtränken
etc.), ferner in Gräben und Tümpeln im Walde von Mondrepuis
und in und bei Cilly bei Marle nordwestlich Laon. Ferner
nördlich hiervon (Laon) bei Verneuil. Hier kommt er mit Tr.
cristatus zusammen, auch links der Bahnstrecke Vervins—Laon,
ın einem Graben in Menge vor, das Moorgebiet selbst liegt rechts der
Bahn. Hier auch Larven dieser Art in Unmenge.
Westlich Laon kommt er bei Chauny, südlich von Laon bei
Waldlager Chivy in Wassergräben und Tümpeln vor. Oestlich
Laon war er besonders häufig bei Lappion, Liesse und Bon-
court, ferner südlich hiervon bei St. Erme. Auch L. Koch (f)
fand ıhn —- „auffallend häufig” — bei Lappıon (ebenso Tr.
cristatus) vor. Es dürfte dies dieselbe Stelle sein, wo auch ich ihn
sehr zahlreich fand, nämlich in einem Teich nahe dem Bahnhof Lap -
pion, ın dem aber Tr. alpestris fehlte (Bl. 1917, S. 46)
In einem Teich nahe Sissonne, worin ıch 1918 Tr. alpestris,
— cristatus und — palmatus beobachtete, fehlte er sonderbarer Weise,
obwohl ıhn L. Koch (f) nahe bei Sıissonne zahlreich festgestellt
hatte. Auch auf den Craonner Höhen fand er ihn im Frühjahr
1916 (Bl. 1917, S. 46). H. Geyer hingegen vermißte ıhn bei
Sedan, er fand hier nur Tr. alpestris vor (Bl. 1915, 'S. 254) ‚(sicher
kommt er aber dort vor. Der Verf.).
Außer an genannten Orten stellten ıhn in anderen Gegenden fest:
A. Conrad bei Montey Notres Dames (Ardennen) (selten!)
(Bl. 1917, S. 205) und bei Gent (Flandern), ferner L. Koch (f)
bei Busendorf (Lothr.) (Bl. 1917, S. 207), Dr. Kniesche bei
Billy nahe Spincourt, Bahn Metz— Konstanz —- woher
das Magdeburger Museum Exemplare erhielt, desgl. von W.Schreit-
müller aus La Ville aux Bois (1918) etc, L. Koch (})
von Neuville und Ailes nördlich vom Aıisnekanal und ım
Jahre 1918 Stücke von Veslud östlich Laon usw.
Ändere Funde siehe: „Bl.“ 1915, S. 111, 152/53 (Chauny und
Fourmies), „Bl.“ 1917, S. 117 (Chauny und Viry), „Bl.“ 1918,
S.. 240 (La: Ville aux Bois), „Bl.“ 1918,.S. 205 (Marle-
G«illy),: „BE 1919. 5:23 fund Wi 1918, 5.228, N. ZB SWR
S. 45 bis 47, sämtlich von W. Schreitmüller, ferner „Bl.“ 1917,
S. 207 (Busendorf ı. Lothr.), „Bl.“ 1917, S. 46 (Craonner
Höhen) L. Koch (t), „Bl.“ 1917, S. 205 (Ardennen) A.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 131
Conrad, „Bl.“ 1915, S. 287. (Westflandern) ungenannter
Autor, „Bl.“ 1916, S. 191 (Verdun) R. G. Krüger.
Jens <ülbet lenrelii ode Kriege Triton vulgaris von K. Maas
aus Everbach beı Brüssel zugesandt.
V. Triton palmatus Schneider (=Leisten-, Faden-
oder Schweizermolch).
Diese Art findet sich im Gegensatz zu ihren übrıgen Verwandten
nördlich und westlich, sowie nordwestlich und nordöstlich von Laon
fast überall nur ın geringer Anzahl, vereinzelt oder gar nicht, kommt
aber südlich, südöstlich und südwestlich Laon fast überall und oft
zahlreich vor.
In Laon selbst fand ich Triton palmatus ın Landtracht an der
Nordseite der Zitadellenmauer (Bl. 1917, S. 162). Auch bei Wald-
Abbild.4. Triton palmatus Schneider & (Leisten-, Faden- od. Schweizermolch).
Natürliche Größe.
lager Chivy südlich Laon war er vereinzelt zu finden (Bl. 1917,
S. 334). Der südlichste Punkt von Laon aus, wo ich ıhn antraf,
ist Vaılly (1918).
Zwischen Neuville und Aıles nördlich des Aisnekanals
fand ihn L. Koch (+) 1916 und sandte von da Exemplare an das:
Magdeburger Museum ein. — .
Nördlich resp. nordöstlich von Vaılly fand ich ıhn in Wasser-
löchern und in kleinen Tümpeln nahe Vendresse. Nordwestlich von
letzterem trat er bei Chavignon ım Waldgelände auf.
Der nächste Ort, wo ıch ıhn feststellte, ist Bruy&res südöstlich.
Laon. Hier war er in kleinen Gräben mit dichtem Pflanzenwuchs zu
finden; auch diese Gegend ist teils hügelig, teils bergig und ‚mit Misch-
Sa en
9* 12. Heft
132 Wilhelm Schreitmüller:
Südwestlich Laon kommt er vor bei: Anızy, Coucy und
Pr&montre, hier teils vereinzelt, z. B. bei Coucy und Anizy.
Westlich Laon fand ich ihn vereinzelt bei Semilly, etwas
häufiger bei Chauny und nahe Noyon. In mehreren Exemplaren,
Vitry. up NE Gr:
oHoveovrf.
Mareoin
un @Bertineoorf:
2 eby.
eMoıslais.
2
AForgnite
0Aomsern“
Be Nynevx:
e: Tavaux
we; 772
eBaisııe.
B
Karte 2. Festgestelltes Verbreitungsgebiet von Triton palmatus Schneider
(Faden-, Leisten- oder Schweizermolch).
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 133
doch auch nicht zahlreich, nordöstlich hiervon wieder bei La Fere
und Umgegend, z. B. bei Fargniers (Bl. 1917, S. 101).
Nördlich Laon fehlte er von Laon-Vaux bis Mortiers
nördlich Verneuil, auch im Moorgebiet von Verneuil selbst fand
ich ihn nicht. Er fehlt ferner von hier aus nördlich bis ca. St. Quen-
tın, Guise und Bohain. Von da aus war er nordöstlich bis
Avesnes nicht anzutreffen. Südöstlich Avesnes trat er wieder
vereinzelt zwischen Fourmies und Hirson, namentlich in dem
zwischen Fourmies und Anor gelegenen Wald von Mondre-
puis und in dem sich längs der Bahnstrecke Fourmies— Hıirson
hinziehenden Wald auf, wo er ın kleinen Waldtümpeln und Gräben
lebte. Nördlich Fourmies vermißte ıch ihn bei Feronund Trelon
selbst, doch kam er östlich Trelon im Wald wieder vereinzelt vor.
Südwestlich Trelon fehlte er wieder bis ca. La Capelle und Le
Nouvion. (Hier dürfte er aber ım Wald südlich und südöstlich da-
von vorkommen. Der Verf.)
Von da aus südlich bs Vervins und Voulpaix und östlich
bis Aubenton, auch bei Marle, Cilly, Bosmont und Ta-
vaux war er nicht zu finden. Hingegen dann wieder südöstlich von
letzterem, bei Montcornet vereinzelt. Von hier aus südlich ver-
mißte ich ihn bei La Ville aux Bois und Dizy-le-Gros;
auch bei dr Chaumontagne Ferme nördlich Waleppe fand
ich ıhn nicht. Dagegen ist er häufig weiter südlich von Lappion,
Sıssonne, Liesse bis hinunter nach Corbe&ny und Craonne,
wo ihn z. B. L. Koch (ft) auf den Craonner Höhen und bei
Veslud östlich Laon erbeutete. (Bl. 1917, S. 46). Hiervon sind
auch Belegstücke im Magdeburger Museum. Der nordöstlichste Punkt
von Laon aus, wo ich ihn antraf, ist Maubeuge (1915) (Bl. 1917,
S. 101), aber auch hier war er nicht häufig. 1915 fand ich ıhn
ferner bei Lüttich in Belgien (Bl. 1917, S. 101) in einem
schmalen Graben vor. Hier waren die Tiere ziemlich klein und
von ganz dunkler Rückenfärbung, sie hatten sich anscheinend
dem dunklen Bodengrund angepaßt. R. G. Krüger stellte ıhn
auch bei Verdun fest (Bl. 1916, S.191). Auch diese Art erhielt
ich vor dem Kriege von K. Maas aus dem Moorgebiet won
Everbach bei Brüssel zugesandt.
Auch von Triton palmatus sind meine Aufzeichnungen nicht mehr
ganz vollständig, da mir ein Teil derselben während des Rückzuges ab-
handen gekommen ist, doch dürften obige Angaben genügen, um zu be-
weisen, daß er im Gegensatz zu den übrigen Arten, doch mehr an be-
stimmt: Gebiete (Chemin des Dames etc.) gebunden ist, welche
ihm bergiges oder hügeliges Waldgelände bieten. Auch diese Art
(dürfte z. B. durch Hochwasser aus ıhren einstigen Standorten ver-
schleppt worden sein, wofür ihr öfteres Vorkommen an manchen Orten
zeugt, die anscheinend nicht günstig für diesen Molch sind.
Uebrigens habe ich den Tr. palmatus auch in Deutschland
vereinzelt in Gegenden (Mainebene etc.!) gefunden, die anscheinend
12, Heft
134 Wilhelm Schreitmüller:
nicht günstig als Aufenthaltsort für ihn sind. (Bl. 1914, S.454). Auch
nahe Darmstadt kommt er vor, wie Frl. Aenny Fahr (Darm-
stadt) mitteilt. (Bl. 1914, S. 332).
I. Abschnitt.
Anura (Froschlurche).
"Von sämtlichen Reptilien und Lurchen sind unstreitig die
Anuren in Nord- und Nordostfrankreich am häufigsten
und in großer Artenzahl vertreten, denn ıch könnte mich nicht feines
Ortes oder einer Gegend entsinnen, wo ich solche nicht angetroffen hätte
und zwar ganz gleich, ob es sich um wasserreiche, oder auch trockene,
bergige oder ebene Plätze und Gegenden handelte. Meine Beobach-
tungen erstrecken sich auf das Gebiet südlich Laon bis F&ere-en-
Tardenois südlich Fismes, westlich bs Noyon, Chauny und
Blerancourt, nördlich bis Saıins und Avesnes und östlich bis
Hirson, Trelon, Eppe-Sauvage (letzteres nahe der bel-
gischen Grenze). Von den in diesen Grenzen angetroffenen Frosch-
lurchen ist
I. Der gemeine Grasfrosch (= Rana temporaria L.)
überall und am häufigsten vertreten. — Ich traf ihn an: auf Wiesen bei
Fere-en-Tardenois, bei Chery südlich Fismes und in einer
Zisterne bei der Les Pr&s Ferme (nördlich Chery) (Sommer
1918),. woselbst er auch in Menge an und in einem kleinen Teich, der
dicht mit Brunnenkresse (= Nasturtium) bewachsen war, auftrat.
Hier war er in allen möglichen Farbenspielarten, von fast lichtocker-
gelb bis dunkelbraun und schwarzgrau anzutreffen (Bl. 1918,
3.1258; 273).
. Von Chery nördlich kam er im ganzen Gebiet bis Laon, teils
häufig, teils vereinzelt vor; so daß es genügen dürfte, hier nur einige
wenige Stellen anzuführen, wo ich ıhn sah oder fing.
Es kommen folgende in Frage:
St. Gilles (südlich Fismes), Bacoches (hier auf Wiesen
an der Vesle) (Fluß). Ferner bei Vailly, Chavıgnon (im
Walde), Nouvion le Vigneux (auf nasser Wiese), bei Mon-
thenault (im Gesträuch am Bach), sodann bei Etouvelles, Wald-
lager Chivy, Bruyeres, Eppes und anderen Orten.
Letztere sınd teils von Wald, Waldwiesen, Hainen und Triften
umgeben, auch kleine Tümpel, Bäche und Gräben, mit Wasser gefüllte
Granattrichter etc. fehlten nicht.
Südwestlich Laon ist er gleichfalls überall zu finden, so z. B.
bei Leuilly, Blerancourt, Anızy, Semilly, Noyon,
Chauny bis La Fere, nirgends fehlt er.
Nordwestlich und nördlich Laon fand ich ıhn ebenfalls allerorts
und zwar von La Fere bis Guise und von Laon-Vaux bis
Marle u. a. Orten.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 135
In dem Moorgebietvon Verneuil und auf den angrenzenden
Wiesen und Feldern zwischen Barenton-Bugny und Barenton
sur Serre war er besonders häufig und in verschiedenen, interessanten
Farbenspielarten vertreten, so daß ich nicht umhin kann, meine hier
gemachten Funde etwas näher zu erläutern. Unter anderen fand ich
hier eine ziemlich große Form dieses Frosches mit großen schwarzen.
Makeln und Flecken auf Rücken und Flanken, die teilweise öfter zu-
sammenflossen und namentlich nach dem Kopfe zu — mit einzigen,,
weißen Pünktchen besetzt waren. Tiere mit solcher Färbung zeigten.
an der Bauchgrenze eine fast zitronengelbe Zone, die nach dem Bauche.
zu ın ein gelblichgrau überging. Der Bauch und die Kehle waren röt-
lichgelb marmoriert. Die Innenseite der Schenkel gelb, und zeigten.
diese oben schwärzlichbraune Querbänderung. Die am Rücken entlang:
laufenden Seitenwülste traten hoch hervor und hatten hellbräunliche
Farbe, während der Grundton des Tieres dunkelrötlich-braun war.
Eine zweite Farbenspielart hatte hellockergelbe Grundfärbung,,
von der die Rückenwülste fast weißlichgelb abstachen. Die Fleckung,
der Oberseite und die Bänderung der Schenkel war hellbräunlich. Die:
Bauchgrenze gelb, der Bauch weißlich mit rosafarbener Sprenkelung
und Fleckung versehen. Diese Tiere hatten auffallendbreite Köpfe
und Schnauzen.
Eine dritte Form zeigte schwarzgrauen Grundton am Rücken. Die
Seitenwülste hoben sich hellgrau ab. Rücken und Schenkel schwärz--
lich gebändert und gefleckt. Bauchgrenze ins Gelbliche übergehend ;:
Bauch weıßgrau mit dunklerer grauer Fleckung und Marmorierung. Bei.
dieser Form resp. Farbenspielart fiel besonders die ziemlich spitz aus-
laufende Schnauze auf.) Eine halbwüchsige Jugendform des Gras--
frosches fand ich ferner in fast einfarbig ziegel- bis
dunkelroten Tieren vor; es hoben sich nur die hellrot gefärbten.
Rückenwülste, sowie die zwischen den Schultern stehende Winkelzeich-
nung 7* und der dunkle Schläfenfleck bei dieser als auch bei allen vorher’
beschriebenen Tieren dunkel ab, das Gleiche gilt von der Querbänderung.
der Schenkel, dem Streifen über der Schnauzenkante und dem an der
Innenseite des Oberarmes vorhandenen Streifen. —
Von Marle ab nördlich habe ich ihn bei LaCapelle, Ferom
und Glageon, ferner nordwestlich von Marle bis Trelon und
Eppe-Sauvage beobachtet. Im Walde von Trelon (=Foret
de Trelon) ist er sehr häufig. Südlich von hier ist er bei Four -
mıes und Mondrepuis gemein. Er ist ferner in dem ganzen Ge--
biet bs Hirson, Vervins, Rozoy-sur-Serre, La Ville
aux Bois, Sıssonne bis hinunter nach Craonne und Fismes.
zu finden. Auch ım Walde südlich von Reims ist er nach Aussage
eines Offiziers allerorts zu Hause.
®, Es handelt sich bei diesen Tieren aber nicht etwa um solche, die erst
kürzlich ihre Winterquartiere verlassen hatten und aus diesem Grunde noch:
dunkel gelärbt waren. Der Verf.
12, Heft
136 Wilhelm Schreitmüller:
Hier anschließend möchte ich noch eine interessante Beobachtung
bekannt geben, die ich im Jahre (Herbst) 1917 unweit Cilly, an der
Chaussee Marle-Cilly-Bosmont machte (Bl. 1917, S. 355).
In der sehr mondscheinhellen Nacht vom 29. zum 30. September 17
beobachtete ich gegen 11 Uhr nachts einen großen Zug wandernder
Grasfrösche (= Rana temporaria L.). Die Nacht war nicht be-
sonders kühl, aber auch nıcht warm. Ich war, wie öfter, "mit meiner
elektrischen Taschenlampe ausgezogen, um Pelodytes punctatus (=
Schlammtaucher) u. a. zu suchen und bemerkte, die Chaussee
entlang laufend, ungefähr 100 m vor mir einen dunklen, ziemlich breiten
Streifen, der sich über die Chaussee bewegte. Ich eilte rasch hinzu,
und sah nun, daß der dunkle Streifen fast völlig aus wandernden Gras-
fröschen bestand. Links der Landstraße war ein leeres Hafer-
stoppelfeld, rechts zeigte sich eine VWiehweide mit kleinem Bächlein,
Weiden, großen Beständen von Sium angustifolium L. (= Merk),
Veronica Beccabunga und V. anagalis L. u. a. Pflanzen. Die Seite,
von welcher die Frösche kamen, war trocken, staubig und abfallend.
Die Frösche wanderten von Ost nach West. Der sich bewegende
Zug nahm ungefähr eine Breite von 2 bis 2,50 m ein und/dauerte ca,
6 bis 8 Minuten. Nach meiner Schätzung waren es mehrere tausend
Exemplare. Die Tiere zogen alle ein und denselben Weg; sie kamen
das abschüssige Haferstoppelfeld herab, durchhüpften den staubigen
Straßengraben und zogen dem Sumpfgelände zu.
Sonderbarerweise befanden sich unter all diesen Tieren fast aus-
nahmslos nur Grasfrösche, vermischt mit einigen wenigen Kröten
(Bufo vulgaris L. u. B. calamita Laur.), sowie eingen Wasser-
fröschen (=Rana esculenta subspec. typica L.), soweit ich in der
Eile erkennen konnte. Wie sich später herausstellte, handelte es sich
in diesem Falle um eine „Auswanderung der Frösche, da
ca. !/, bis !/s Stunde von dem Ort entfernt, wo ich sie beobachtet hatte,
eine kleine Sumpfstrecke mit Kalksteinen etc. ausgefüllt und trocken
gelegt wurde. Das Wasser der betreffenden Sumpfwiese war von Kalk
und Kreide ganz weiß geworden, was die Tiere anscheinend veranlaßte,
sich einen anderen Wohnort zu suchen. (Bl. 1917, S. 355).
Mein Sohn Kurt fand diese Art zahlreich bei Peronne und
Hazebroek, L. Koch (ft) auch in der Woevre-Ebene bei
Parventrupp und Villers, hier am 13. Oktober 1916, 20 bis
30 Stück im Wasser (Bl. 1917, S. 46). Siehe auch: Bl. 1915, S. 153
(Fourmies) W. Schreitmüller, Bl. 1917, S. 269 (Chivy)
W, Schreitmüller, W. 1918, S.228 (La Ville aux Bois)
W. Schreitmüller „N.B.“ 1922, S.76 (W. Schreitmüller),
Bl. 1915, S.254 (Lille) Junghans, Bl. 1917, S.46 (Craonner
Höhen) L. Koch (f), Bl. 1917, S. 207 (BusendorfinLoth-
ringen) L. Koch (ft), Bl. 1917, S. 269 (Sıssonne) Braun,
Bl. 1917, S.287 (Champagne) E. Schermer, BI. 1918, S.273
(Les Pr&s Ferme) W. Schreitmüller. N. 1917, S.41 (La
Fere) W. Schreitmüller etc.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 137
II. Rana arvalis Nils, (= Moorfrosch).
Als neu für Frankreich entdeckte ich Rana arvalis Nilss.
(= Moorfrosch).
Das erste Exemplar dieser Art fand ich im Jahre 1915 unweit
Fourmies im Walde von Mondrepuis auf einer feuchten
Waldwiese. Im Jahre 1917 erbeutete ich ihn ferner !/, Stunde nörd-
lich des Bahnhofes von Laon und bei Semilly auf Wiesen mit
Schilfteichen und fing daselbst auch solche Tiere in von mir angelegten
Fanggruben (Bl. 1917, S. 347, 1919, S. 48).
Hier ist das Tier ziemlich häufig vertreten und erstreckt sich sein
Vorkommen von hier aus nördlich bis zu dem Moorgebiet von Ver-
7 Avesnes. 2
oe Plomien.
4 Hary. £ Vigmeux
Mar /e Tavauk
= Dryyaon
® Seruncovri@
Karte 3. Festgestelltes Verbreitungsgebiet des Moorfrosches
(Rana arvalis Nilss.) in Nordfrankreich.
neuil zwischen Barenton-Bugny und Barenton sur
Serre. Speziell bei Verneuil ıst er zahlreich vorhanden, so daß
ich Herrn Dr. W. Wolterstorff von da (ebenso von Laon und
Semilly und anderen Orten) eine ganze Anzahl 'Belegexemplare ver-
schiedenen Alters und Größe senden konnte.
») Er dürfte da und südlicher auch häufiger sein, doch war die Hitze
und Dürre des Sommers 1918 in Frankreich (in dieser Gegend) zu groß,
sodaß sich die Tiere wohl verkrochen hatten, infolge der starken Trockenheit.
Der Verf. _
12. Heft
138 Wilhelm Schreitmüller:
Südöstlich Laon habe‘ich ihn nur bei Vendresse°) ange-
troffen (1 Stück), sonst nırgends. (Bl. 1919, S.225). Hingegen fand
ihn L. Koch (f) in einem Exemplar bei Liesse nordöstlich Laon,
(Bl.1918, S.231). Ich fand ıhn ferner bei Samoussy, Eppes
und Sıssonne östlich Laon vereinzelt vor. Auch auf Wiesen
nahe einer Kalkgrube an der Chaussee Marle-Laon sah ich ihn,
ın der Gegend westlich Monceau le Wast an einzelnen Stücken
(meist halbwüchsige Jungtiere), so daß ich annehme, daß der Moor-
frosch in dem Gebiet südwestlich Laon, ungefähr von Eppes,
Veslud, Sıssonne aus und nördlich Laon bis ca. Erlon,
Marle, östlich und nordöstlich bis ca. Fourmies und Mondre-
puis vorkommt. Auch bei Le Nouvion südlich Avesnes und
beı Vıgnehies westlich Fourmies fand ich je ein Stück dieser
Art (1915).
Er bewohnt aber nur Strecken, die mit Schilfteichen, Sumpfwiesen,
feuchten Waldwiesen, Mooren und Brüchen (Verneuil, Laon)
versehen sind.
Jungtiere dieser Art treiben sich im Herbst aber auch weit ab von
solchen auf Kleeäckern, Aeckern, Wiesen etc. herum.
In dem Strich nördlich bis Vervins und von da südöstlich bis
Dohis, Rozoy sur Serre, La Ville aux Bois, Dizy-
le-Gros, Sevigny und Walleppe habe ich ıhn nicht ge-
funden. In fast allen Fällen traf ich von dieser Art nur die'mit hellem
Rückenstreifen versehene ‚var. striata“ an; nur im Moorgebiet von
Verneuil kam auch die einfarbig braune Form dieses Frosches vor,
(„N. B.” 1921, 8..78,.,.L7 192035497)
III. Rana agilis Thomas (= Springfrosch).
Diese Art habe ich in dem ganzen von mir erwähnten Gebiet (De-
partement Nord, Oise, Aisne) nicht einmal gefunden, auch
sınd keine Mitteilungen über das Vorkommen dieses Frosches in
diesen Departements in den „Blättern“ und „Wochenschrift“ für
Aquarien- und Terrarienkunde von anderer Seite erschienen. Auch
Dr. Wolterstorff erhielt während des ganzen Krieges nicht ein
Belegstück aus diesen Gegenden zugesandt. Die Art dürfte hier sehr
selten sein.
R. G. Krüger beobachtete den Springfrosch nur nahe
Verdun (Bl. 1916, S. 191/192). Ferner wurde das Tier von
F. Hauchecorne- Berlin, 1916 ın dr Woewre-Ebene
festgestellt (Bl. 1922, S. 207).
IV. Rana esculenta subspec. Zypica L. (= gem. Wasserfrosch).
Diese Art ist in den genannten Gegenden an den gleichen Orten
wie Rana temporaria L. und sehr häufig anzutreffen, teilweise sogar an
ziemlich trockenen Stellen in kleinen Wasserlöchern, Zisternen und in
mit Wasser gefüllten Granattrichtern.. Er kommt wie bei uns in vielen
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 139
Farbenspielarten vor, z. B. von grün bis gelb- und graugrün bis braun,
sogar grünblau bis hell- und dunkelhimmelblau. Von
solchen hell- und dunkelblauen Stücken fand ich Exemplare
in einem Tümpel zwischen Chavignon und Nouvionle Vineux
(August 1918) (W.1919, S.331) und in einem kleinen Teich bei
Sissonne (östl. Laon, 1918). Die Umgebung dieser Gewässer
war äußerst trocken und dürr, da der Sommer 1918 ganz besonders
heiß und regenlos in Frankreich war. Zwei weitere, dunkel-
himmelblaue Stücke sah ıch ferner im Sommer 1917 in dem.
Moorgebiet von Verneuil, wo diese Tiere aber seltener waren.
Abbild. 5. Rana esculenta subspec. Lessonae L. © (Wasserfrosch).
Natürliche Größe,
Auch Prof. Dr. V. Franz teilt in den „Bl.“ 1918, S. 275
mit, daß er zwischen Quesnoy und Freilinghien bei Lille,
himmelblaue und blaugrüne Wasserfrösche häufig ge-
funden habe. Er schreibt:
s... Blaue Wasserfrösche waren wie grüne in Stücken
von 3—7 cm Länge von der Schnauzenspitze bis zum After vor-
handen...” usw.
Ich möchte hierzu bemerken, daß ich dieses „Blauwerden
der Frösche mit auf die im Jahre 1918 herrschende enorme Hitze und
Trockenheit zurückführe.
Uebrigens sind mir blaue Wasserfrösche schon längere
Zeit bekannt, ich fand solche z. B. vor Jahren an den Moritzburger
Teichen bei Dresden, ferner vereinzelt in und an den Elbe-
tümpeln von Loschwitz und Pillnitz, sowie Laubegast
und Zschieren bei Dresden. Auch in Hanau befinden sich
solche blauen Stücke in den Freilandanlagen des „Hanauer Aquarien-
12. Heft
140 Wilhelm Schreitmüller:
und Terrarienvereins , wie W. F. Misset, Hanau, in den „Bi.“
1915, S. 100, mitteilt.
Ferner berichtet Dr. Hans Stadler, Lohr a. M. (Bl. 1920,
S. 233/235) in seinem Artikel „Einiges von der Tierwelt Uhnter-
frankens“, daß blaue Tiere dieser Art auch im Wülzheimer
See bei Kahl vorkommen. 1°)
Bruno Dürigen erwähnt in seinem Buche „Deutschlands Am-
phibien und Reptilien“ 1897 ebenfalls „blaue Wasserfrösche‘.,
Er schreibt darin auf Seite 425 u. a. wie folgt:
„...9o kann der grüne Grundton aufhellen zu grüngelb und
andererseits zu dunkel-, oliven- und blaugrün, ja, wie Leydig an
niederrheinischen und G. H. Douglas an oberrheinischen Stücken
erfahren hat, zu einem entschiedenen Himmel- bis Dunkel-
blau umsetzen...“ usw.
Die Entstehung dieses „Blau“ beruhte nach Leydig offenbar
darauf, daß, die individuell und wahrscheinlich unter dem Einfluß der
Oertlichkeit, die Menge der dunklen Chromatophoren in der
Haut eine sehr große war, so daß sie als Ganzes eine schwärzliche,
zusammenhängende Schicht erzeugten und, indem dieses Schwarz von
dem „trüben Mittel“ des Bindegewebes und der Epidermis überlagert
wurde, das ‚Blau‘ hervortrat.
Mit diesem Blau als Hautfarbe hat der sogenannte „blaue
Reif‘, der zu Zeiten das Grüne des Teichfrosches, wie das
Braun der Landfrösche gleich einem bläulichen Duft oder Hauch
überzieht, nichts zu tun! — (Z. G. 9, S. 4.)
Im übrigen habe ich an gefangen gehaltenen Wasserfröschen
schon öfter beobachtet, daß solche kurz vor dem WVerenden öfter
bläuliche bis bläulichgrüne Farbe annahmen (W. Schreitmüller).
Rana escul'nta L. kommt wohl an allen, auch für R. temporaria
L. angegebenen Orten vor. Sie zählt demnach neben dieser, ferner
Bıufo vulgaris L. und B. calamita Laur. zu den häufigsten und weit
verbreitetsten Lurchen Nord- und Nordostfrankreichs, sowie
Belgiens.
Siehe auch: Junghans (Bl. 1915, S. 254, Lille), Willy
Schmidt (Bl. 1916, S. 345, Valenciennes), L. Kock
(Bl. 1917, S. 46, Craonner Höhen, Bl. 1918, S. 231, Liesse),
Prof. Dr. Franz. (Bl. 1918, S. 275, Quesnoy-Freilinghien
bei Lille). R. C. Krüger (Bl. 1916, S. 191, Verdun), W Schreit-
“ müller (Bl. 1918, S. 274, Les Pres Ferme bei Chery,
Bl. 1918, S, 279, Vendresse, Bl. 1919, S. 15, La Ville aux
Bois, W. 1919, S. 331, Chavignon und Nouvion, W. 1918,
S. 228 etc.).
10) Derselbe Autor teilt ferner in Bl. 1922, S.62 (Isis-Bericht) mit,
daß auch im und am Langensee bei Pahl blaue Wasserfrösche
in Menge vorkommen sollen. Der Verf.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 141
Mein Sohn Kurt beobachtete die Art bei Hazebroek sehr
zahlreich. \
Mit der subspec. Zypiea L. zusammen kommt auch fast überall
die subspec. Lessonae L. vor (Bl. 1919, S. 20).
V, Rana ridibunda Pall. (= Seefrosch).
Der Seefrosch scheint in Nordfrankreich nicht häufig
zu sein. (?) Ich habe nur drei Exemplare, welche ich für solche
ansprach, gefunden.
Ein Stück erbeutete ich im Herbst 1917 dicht bei Cilly nahe
Marle an der Serre, ein zweites Tier im Moorgebiet von Ver-
neuil an der Serre und ein drittes zwischen Chambray und
Athies an der Serre (unweit Laon). Letzteres, ein , zeigte
ausgesprochen graue Schallblasen und hatte eine Länge von
ca. 11 cm.
Ich halte die von mir gefundenen Tiere für sichere ridibunda.
VI. Hyla arborea L. (= gem. Laubfrosch).
ist ım ganzen Gebiet zu finden. Sehr häufig ist er im Moorgebiet
von Verneuil. Sonderbarer Weise fand ich ıhn hier aber nur in
einem am Bahndamm bei Verneuil liegenden kleinen, ca. 15 bis
20 m langen und 7 bis 8 m breiten Tümpel in Menge :vor. Hier
stehen viele Sträucher, wie: Salix capres und — vitellina, Alnus
glutinosa, Sambucus nigra und Rhamnus sowie längs des Dammes
(oben) Weißdornhecken. Hier waren brünftige Tiere dieser Art
ım Frühjahr 1918 massig vorhanden, während ich solche im eigentlichen
Moorgebiet zur Laichzeit nur vereinzelt sah. Von mehreren Sendungen
an Dr. Wolterstorff verunglückten „leider einige, so kam z. B.
von einer größeren Sendung, enthaltend 10 Hyla arborea, ebensoviele
Rana arvalis, einige Lacerta vivipara und Alytes obstetricans, — von
den 10 Hylen nur eine lebend an.
Auch bei Voulpaix westlich Vervins fand ich ıhn an einem
Teich (Frühjahr) und auf Hecken und Sträuchern in großer Anzahl
vor. Bei Waldlager Chivy südlich Laon ist er auch vertreten,
ebenso bei Sissonne östlich Laon. Schreien hörte ich ihn ferner
bei Vendresse in Hecken, bei Chery in kleinem Mischwald etc.
Nordöstlich Laon ist er allenthalben zu finden, sogar in der
öden, trockenen und waldlosen Gegend von La Ville aux Bois,
Dizy:le-Gros bis Sevigny, wo er in Ermangelung von Wald
auf Wiesen, in Hecken, Gärten, in mit niederem Gesträuch (Schlehen,
Eichen, Kletten, Brombeeren etc.) bestandenen Kalkbrüchen und Kies-
gruben und an den Böschungen von Feldwegen usw. lebt. (Von hier
aus sandte ich ihn auch an E. Schermer, Lübeck, und ‚Dr.
Wolterstorff ein, nebst vielen Alytes obstetricans).
Nördlich von La Villeaux Bois ist er überall bis Hirson,
Fourmies, Trelon und Eppe-Sauvage zu finden, bewohnt
also das ganze Gebiet und ist stellenweise sogar sehr häufig.
12. Heft
142 Wilhelm Schreitmüller:
Auch bei Cılly und Marle fand ıch ihn (Bl. 1918, S. 205).
L. Koch (ft) meldete ıhn von Ölutre und Dizy-le-Gros,
sowie; von)denCmaonmerHöhen südlich‘ Laon'und voran
selbst (Bl. 1918, S. 231). ©. Tofor, Hamburg, stellte ihn bei
Pinon fest (Briefl. Mitteilung an Verf.).
Halbwüchsige Jungtiere fand ich allerorts, sogar in der prallsten
Sonnenhitze, frei auf Brombeer-, Kletten-, Erlen- und Eichenblättern
sitzend vor. Besonders häufig traf ‘ich solche Tierchen am Rande
eines Laubwäldchens an der Chaussee Marle—Cilly und bei
Waldlager Chivy südlich La on in kleinem Laubwäldchen mit Wiesen
und Wassergräben an, ebenso waren solche in und bei Voulpaix
häufig auf Hecken und niederem Gesträuch zu finden.
Er scheint im ganzen Gebiet nırgends zu fehlen.
Siehe auch: Bl, 1917, S. 46 (Craonner Höhen)L,Koch(f),
dito Bl. 1917, S. 206 (Dizy-le-Gros und Outre), Bl. 1916,
S. 191 (Verdun) R.G. Krüger, Bl. 1915, S. 139 (Fourmies),
Bl. 1918, S. 205 (Marle-Cilly), Bl. 1919, S. 48 (Verneuil
und Voulpaix) W. Schreitmüller etc.
VII. Bufo calamita Laur. (= Kreuzkröte).
Diese ıst von den echten Kröten (= Bufonidae) unbedingt die
häufigste Art. Sie traf ich überall in Menge an, so daß es sich
erübrigt, nähere Angaben bezüglich der Orte zu machen,
Ich möchte hier nur bemerken, daß die KreuzkröteinFrank-
reich auch an solchen Orten vorkommt, welche absolut frei von
Schilfbeständen und größeren Gewässern sınd.: Man findet sie sowohl
un und in Mauern, Steinhadfen, im Mulm hohler Bäume, ın Kärten,
Chausseegräben, Kalk- und Steinbrüchen, Kiesgruben, auf Feldern,
Wiesen, im Walde und auf Wegen, kurz, sie ist überall au
Hause! —
Unter anderen wurde sie z. B. gefunden: Von L. a} (+)
zahlreich im Maı 1916 beı St. Erme südlich Sıssonne (Bl. 1917,
S. 46) und in dr Woewre-Ebene bei Parventrupp. Ich
fand sie sehr häufig bei La Ville aux Bois, Voulpaix westlich
Vervins und an den Bahndämmen bei Verneuil, bei Waldlager
Chivy, wo sıe abends auf einem blühenden Mohnfeld in Masse
umherhüpfte (Bl. 1915, S. 111, Bl. 1917, S. 269, B1.1919, S. 15 «usw.).
Außerdem traf mein Sohn Kurt diese Art zahlreich bei Pe-
ronne, Juniville und nördlich Reims an. R. G. Krüger
fand sie bei Verdun (Bl. 1916, S. 191).
Mein Freund Arthur Wetzel (t) sandte mir 1916 diese
Art in vielen Exemplaren aus Apr&mont in den Argonnen nord-
westlich Verdun zu. Von diesen Tieren erhielt auch Professor Dr.
Franz Werner (Wien) durch Dr. Wolterstorff, dem ich
diese Kröten zustellte, mehrere Belegexemplare.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 143
VIII. Bufo vulgaris L. (= gem. Erdkröte).
Von ihr gilt das Gleiche wıe von Bufo calamita. Auch sie traf
ich allerorts häufig an. Sonderbarer Weise ist gerade diese Art ‚im
Moorgebiet von Verneuil, wenn auch nicht selten, so doch nicht
besonders häufig anzutreffen.
In solchen Mengen, wie man sie bei uns in Deutschland (zur
Laichzeit oft sieht, habe ich sie in Frankreich nirgends angetroffen.
Nur im Spätsommer und Herbst konnte man nach Regen Hunderte
junger Kröten und Frösche ın den Schützengräben, in Granattrichtern
etc., ın die sie hineingefallen waren, finden.
Recht zahlreich war sıe nur (im Frühjahr) ı in einem, rechts der
Chaussee Fourmies— Anor auf einer Wiese gelegenen Teich
und um Laon herum, sowie bei Voulpaix zu finden.
Abbild. 6. Bufo vulgaris L. 5‘ (Gem. Erdkröte).
Verkleinert.
Besonders große Exemplare traf ich nirgends an. In einem
Teich bei Fourmies fiel mir sogar die geringe Größe der ‚Tiere
besonders auf, die hier eine ganz sonderbare, von weitem dem .Bufo
calamita oder ”— viridis ähnelnde Färbung zeigten und ganz eigenartig
gefleckt erschienen. —
Sonst traf ich sıe ın allen, auch bei uns vorkommenden Farben-
spielarten von grau, graugrün, rötlichbraun, dunkelbraun, gelblich bis
schwarzbraun an.
Gemeldet wurde sie von: Junghans aus Lille (Bl. 1915,
S. 254), L. Koch (t) Craonner Höhen (Bl. 1917, S. 47),
Woewre-Ebene bei Parventrupp (Bl. 1918, S. 231),Schort-
mannaus Ponte dela Deule (Bl. 1917, S. 206), R. G. Krüger
aus der Gegend von Verdun (Bl. 1916, S. 191), Wilh. Schreit-
müller Verneuil, Vaux-Laon, Cilly, La Ville aux
Bois, Fismes, "Chery, Semilly-Laon, Chauny, La
12. Heft
144 Wilhelm Schreitmüller:
Före, Fourmies, Hirson, Sissonne, St. Erme, Lap-
pıon u. a, Orten („Bl.“ 1917, S. 269, 320, Bl. ;1918. S. 205, 228.
320, ;;B1:"1915.°8. 111,189 781749195: 715° .N VOTE
„N. B.“ 1921, S. 111 usw.).
Als neu für Nordostfrankreich entdeckte ich ferner im
Jahre 1915 erstmahg:
IX. Bufo viridis Laur. (= Die grüne oder Wechselkröte).
Diese ıst aber sehr selten und kommt nur an einigen wenigen mir
bekannten Orten vor. Nie habe ich sie (außer der Laichzeit) an nassen
Orten gefunden, stets zog sie trockene vor.
Abbild. 7. Bufo viridis Laur. 2 (Grüne oder Wechselkröte).
Natürliche Größe.
Karte 4.
Festgestelltes Verbreitungsgebiet der
grünen oder Wechselkröte (Bufo
viridis Laur.)
77a
a/lyr!
“ Bo Veyl,
0
Sissonne
e Blerancevrf
Lauf o
© (Javıgnon.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 145
Das. erste Exemplar fand ich 1915 zwischen Noyon und Ba-
beuf an der Chaussee Noyon— Apilly—Chauny, wo es
nahe einem kleinen Feldgehölz an einer Quadermauer in einer Höhlung
saß. Es war ein Weibchen mittlerer Größe.
An den Teichen der Bahnstrecke Fourmies— Anor—Hıir-
son, nahe Fourmies, fand ich ebenfalls 1915 (Frühjahr) zwei
Stücke dieser Art vor, und zwar in copula.
Der nächste Ort, wo ich sıe antraf, ıst der Wallgraben der kleinen
Festung La Fere nordwestlich Laon. Hier fand ich sıe zur
Brunftzeit ım späten Frühjahr 1916 in Höchstzahl von 13 Stück (Bl.
1916, S. 251).
Im Sommer 1917 sah ich ferner ein halbwüchsiges, leider zer-
tretenes Tier dieser Art auf der Chaussee Chivy— Etouvelles
südlich Laon, ferner erhielt ich im Sommer 1916 von meinem leider
gefallenen Freund Arthur Wetzel drei Stück Wechselkröten
. (nebst vielen Kreuzkröten und Wasserfröschen) aus Apre&-
mont in den Argonnen (nordwestlich Verdun) zugesandt.
Im Jahre 1918 fand ıch nicht ein Stück.
Herr Dr. Wolterstorff, dem ich ein Tier zustellte, hat dieses
geprüft und als „typischen Bufo viridis‘‘ befunden.
Die Franzosen; welchen ich diese Kröten zeigte. nannten sie
Orapaud pipa verte, ım Gegensatz zur Geburtshelferkröte,
welche sie als Orapaud pipa, Orapaud pipa petite und Crapand
accucheur bezeichneten. Daß sie aber de Wechsel-nicht mit der
Kreuzkröte verwechselten, bewies mir der Umstand, daß sie letztere
als Crapaud des jones benannten („N. B.“ 1921, S. 123).
Von F.Hauchecorne wurde das Tier auch bei W o&l in der
Woewre-Ebene (1916) und 1917 bei Valleroy in Lothrin-
gen festgestellt (Bl. 1922, S. 206).
Nach Bedriaga „Die Lurchfauna Europas“ (Bull. Soc. Nat,
Moscou, 1889, erschienen 1891) und Boulenger „The tailles Ba-
trachians of Europe“ (Ray Society, Jahrg. 1896 und 1897, erschienen
1897 und 1898) kommt Bufo viridis ım ganzen Westen Europas,
Frankreich, Belgien und Holland, anscheinend gar
nicht vor. Nach Boulenger (Part. II, S. 235) fehlt sie auch dem
Nordwesten und dem äußersten Südwesten Deutschlands, als West.
grenze betrachtet er die Rheinlande etwa von Elberfeld bis
Mainz.)
Dagegen wurde Bufo viridis bei Bourget ın den Seealpen
nahe der italienischen Grenze, von Blanchard gefunden. (Nach
Dr. Wolterstorff.)
11) Ich (Verf.) fand die Wechselkröte öfter bei Frankfurta. M,,
Mainz, Kempten a. Rh., Bingen a. Rh., Wiesbaden u. a. Orten.
Der Verf.
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 12. 10 12. Heft
146 Wilhelm Schreitmüller:
Von der Familie der Froschkröten (= Pelobatidae) ist
X. FPelobates fuseus Laur. (= Die Knoblauchkröte).
ziemlich häufig, stellenweise sogar gemein.
Da diese Tiere sehr versteckt leben (bei Tage), so kann man sie
nur abends und des Nachts ın größerer Anzahl erbeuten, während ihre
großen Kaulquappen mancherorts in Menge zu finden sind,
Südlich Laon, wo sie COrapaud brun genannt wird, habe ich
sie ın ausgebildeten Exemplaren nur vereinzelt gefunden, z. B. bei
Etouvelles, Chivy u. a. Orten, wo sie meistens auf Wiesen
und in Chausseegräben in Erdlöchern lebte.
Bei und um Laon herum ist sie gemein bei Semilly, Vaux,
ferner in dem schon erwähnten Gebiet !/, Stunde nördlich des Bahn-
Abbild. 8. Pelobates fuscus Laur. 2 (Knoblauchkröte).
Verkleinert.
hofs Laon auf feuchten Wiesen mit Teichen, ferner weiter nördlich
bis Barenton-Bugny, Verneuil, Barenton sur Serre,
Mortiers bis hinauf bis Marle, Cilly, Vervins und Voul-
paix. Nordwestlich Laon war sıe häufig ın dem Gebiet von Ver-
vins bs Fourmies und Trelon; westlich hiervon fand ich sie
nicht (obwohl zweifellos vorhanden! Der Verf.). Oestlich Laon
stellte ich sie fest bei: Athies, Samoussy und Sissonne bis
Lappion, d. h. hier fand ich ausgebildete Tiere nur in minimaler
Anzahl vor. Kaulquappen hingegen mancherorts, z. B. zwischen
Sıssonne und Lappioni in einem Teich in Menge. L. Koch (f})
fand die Art auch unweit des Bahnhofes Liesse östlich Laon
(Bl. 1918, S. 231).
Von Lappion nördlich fand ich sie nicht bei: La Ville
aux Bois, Dizy-le-Gros, Sevigny, Waleppe, Chau-
montagne Ferme und Rozoy sur Serre ; hingegen dann wieder
auf der Chaussee zwischen Archon und Dohis, nördlich Rozoy
sur Serre ein Z' in den Fahrrinnen der Straße.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 147
Südlich Sissonne war sıe nur vereinzelt zu finden, und zwar
auf Wiesen und an trockenen Grabenrändern bei Goudelancourt,
Corbeny und Chevreux nordwestlich Craonne, Auf den
Craonner Höhen selbst traf sie L. Koch (t) an. Südwestlich
Laon fand ich Kaulquappen dieser Art ın einem kleinen Tümpel
bei Chavıgnon. Westlich Laon solche bei Chauny, Tergnier
und La Fe&re; am letzteren Ort auch einige brünstige Tiere in
copula (1916).
Mein Sohn Kurt fand Kaulquappen dieser Art in großer
Menge bei Hazebroek (1917), Schortmann bei Ponte de la
Deule (Bl. 1917, S. 206).
Es ıst möglich, daß ich diese Kröte auch noch an andern Orten
fand, doch sind meine Aufzeichnungen hierüber nıcht mehr ganz voll-
ständig.
Im großen und ganzen scheint Pelobates fuscus wohl in ganz
Nord- und Nordostfrankreich heimisch zu sein, ausgenommen
vielleicht auf einigen Strecken, deren Bodenverhältnisse ihr nicht zu-
sagen.
N. B. Nachträglich finde ich noch eine Notiz, nach welcher
ich das Tier (Kaulquappen) auch bei Noyon (1915) gefunden habe.
XI. Pelodytes punctatus Daud. (= Der Schlammtaucher).
Von dieser Art schreibt Bedriaga in seinem Werke „Frosch-
lurche Europas“ 1891 (Bull. Soc. Nat. Moscou) ausdrücklich: „Die
Abb. 9. Pelodytes punctatus Daud. (Schlammtaucher).
ca. natürliche Größe.
Angabe Fournels (von 1836), wonach das Tier auch in das Mosel-
gebiet eindringt, hat sich bis jetzt nıcht bestätigt. Im Nordosten
Frankreichs scheint das Tier zu fehlen!“
Ferner gibt Boul&nger in seinem Prachtwerk „The tailles Ba-
trachians of Europe“ 1897 an: „In Frankreich noch nicht gefunden
in den Departements Nord, Ardennes, Lorraine“,
Ich (Verf.) fand das Tier bereits 1915 unweit Fourmies
(Depart. Nord!) nördlich Anor an einem mit verschiedenen
Wasserpflanzen dicht bewachsenen Teich in zwei Exemplaren, hörte
es ferner in dem Gebiet von Fourmies bis Hirson öfter schreien
10* 12. Heft
148 Wilhelm Schreitmüller:
(Bl. 1917. S. 347).. L. Ko ch (+) fand ihn hierauf 'ım Frühjahr
1916 XLaichzeit) an den Böschungen eines Teiches nahe dem B ahnhof
Lappion, sieben Kilometer von Sissonne, nordöstlich Laon,
woselbst ich ihn 1918 ebenfalls fand. Dr. Grimme, Kiel, teilt
ferner in Bl. 1919, S. 66, mit, daß er den (Frosch 1915 (Herbst)
in einem Exemplar auch im Dorfe La Seloe östlich Sıssonne
fand.
In der gänzlich ungeeignet erscheinenden trockenen und öden Gegend
zwischen La Ville aux Bois und Dizy-le-Gros nordwestlich
Laon fand ich das Tier ferner im Jahre 1918 (Herbst) an ganz
3 Karte 5 (nebenstehend).
%, Festgestelltes Verbreitungsgebiet
“von Pelodytes punctatus Daud.
(Schlammtaucher) in Nordfrankr.
Karte 6.
Festgestelltes Verbreitungsgebiet
von Pelodytes punctatus Daud.
(Schiammtaucher) in Belgien und
nahe der be'gischen Grenze in
Nordfrankreich. ;
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.
trockenen Straßenböschungen vor, wo es ganz nach
Art des Alytes obstetricans Laur. in Erdlöchern lebte (Bl. 1918,
S. 238). Im August 1917 traf ich das Tier ferner bei Semilly
westlich Laon und auf Wiesen und an Schilfteichen ca. '/, Stunde
nördlich des Bahnhofs von Laon in ziemlicher Anzahl an. Von
hier aus nördlich zieht sich sein Verbreitungsgebiet über das Moor-
gebiet von Verneuil zwischen Barenton-Bugny und Baren-
ton sur Serre hin, wo es außer an letzterem Ort auch an den
Bahndämmen der Strecke Laon— Vervins in Erdlöchern lebt und
ferner die angrenzenden Wiesen, Felder und Wege abends belebt. -—
Auch bei Waldlager Chivy südlich Laon ist er anzutreffen;
hier an mit Sumpf- und Wasserpflanzen dicht bewachsenen Wasser-
gräben und auf sumpfigen Wiesen.
Daß er weiterhin südlich von Laon bis Fismes, F£re en
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 149
Tardenois und weiter nıcht fehlen wird, dürfte letzterer Fundort
beweisen,
Nördlich Verneuil fand ich ihn 1917 direkt in Cilly nahe
Marle, wo er häufig in Gärten und auf Wiesen auftritt. Zwischen
Cilly und Bosmont fand ich in einer Lehmlache auf einer Wiese
im Herbst 1917 Kaulquappen des Schlammtauchers ın
verschiedenen Größen und Entwicklungsstadien vor, so daß die An-
gabe Boulengers und der meisten Herpetologen, Pelodytes laiche
jährlich zweimal, auch für Nordfrankreich gerechtfertigt er-
scheint.
Westlich Laon habe ich ıhn nicht angetroffen, auch nicht nörd-
licher als Fourmies und östlicher als Sissonne und Lappion,
wo ıch ıhn ım Sommer 1918 vereinzelt sah.*)
Ich kann mich der vielfach geäußerten Ansicht, Pelodytes
sei — ähnlich den Unken — ein vorwiegend aquatil lebender Frosch-
lurch, nicht ganz anschließen, denn man trifft diese Tiere
öfter in Erdlöchern lebend an, als am und im Wasser. Letzeres
scheint vielmehr nur während der Laichzeit — eine Periode lang
— ständig aufgesucht zu werden, denn ich habe ıhn in den meisten
Fällen weit ab vom Wasser, ja, sogar ın fast ganz wasserlosen
Gegenden (La: Ville aux Bois, Dizy-le-Gros) gefunden,
wo die Tiere ähnlich wie Aly’es ebenfalls in Erdlöchern, unter
ae zwischen Mauerritzen (Cilly) und dergl. lebten. Auch
Grimme, Kiel, teilt mit (Bl. 1919, S. 26), daß er ıhn ın
Dr Selle unSrcaaen fing.
Auch L. Koch (t) fand ıhn an den Teichböschungen bei
Lappion in Erdlöchern lebend vor. Ich habe auf die eigenartigen
Aufenthaltsorte schon früher hingewiesen (Bl. 1918, S. 85—86,
Bl. 1918, S. 238). Andererseits kommt es öfter vor, daß dieser
Froschlurch — wie schon Bedriaga angıbt — klettert; so
traf ich ihn z. B. nördlich Laon zweimal auf Erlen und
Kletten sitzend in einer Höhe von 50 cm bis 1,50 m hoch vom Boden
entfernt an, und zwar bei Tage ım Sonnenschein, wo die Tiere sich
sonnten und auf Insekten lauerten. Wahrscheinlich tun sie dies aber
nur bei Tage, denn zu anderen Zeiten (z. B. abends) jhabe ich ylies
Verhalten nie beobchtet (Bl. 1919, S. 49).
Nach meinen im Freien gemachten Beobachtungen scheinen sie sich
auch ganz nach Art des Alytes u. a. Kröten hauptsächlich von
kleinen Regenwürmern, Nacktschnecken, glatten Raupen, Spinnen und
dergl. zu nähren, wofür ihre nächtliche Lebensweise sprich. Daß
sie jedoch auch andere Insekten und anderes Getier nıcht verschmähen,
sah ich an gefangen gehaltenen Exemplaren, welche ich mit Fliegen,
kleinen Raupen und dergl. fütterte.
*, Von F. Hauchecorne wurde das Tier 1916 auch bei Avillers
unterhalb den Cötes Lorraines, ferner 1918 bei Landoucy (Aisne De-
part.) gefunden. (Bl. 1922, S. 205.)
12. Heft
150 Wilhelm Schreitmüller:
Uebrigens sind die Tiere (FPelodytes) abends nicht leicht zu
finden, denn sie drücken sich beim Herannahen eines Menschen glatt
an ‘den Boden an und bleiben meistens ruhig im Grase sitzen, wobei
ihre graugrünscheckige Färbung sie den Blicken des Verfolgers sehr
leicht entzieht.
Auf offener Chaussee und an Teichen hingegen fliehen sie ın
ziemlich weiten Sprüngen und Sätzen oder stürzen sich in das Wasser,
worin sie sofort untertauchen und sich in den Schlamm einwühlen,
Zur Laichzeit sieht man sie öfter nach Art der Unken mit
ausgespreizten Beinen an der Oberfläche des Wassers hängen,
Jungtiere hingegen sind im Herbst ziemlich weit umherschweifend,
z. B. auf Wiesen, Kleeäckern, in Kalk- und Steinbrüchen, Kiesgruben
und dergl. Orten, zu finden.
Dr. Wolterstorffs und meine Vermutung, daß sich Pelo-
dytes punctatus noch weiter nördlich und selbst in Belgien finden,
vielleicht im weiteren Vordringen befindlich sein dürfte, ist inzwischen
durch die Beobchtungen meines Sohnes Kurt, der ım Oktober
1919 nach 13 Monaten aus englischer Gefangenschaft zurückkehrte,
bestätigt. Er fand die Art bei Poperingen und Vlamertinghe
westlich Ypern — neu für Belgien —, ferner bei Bailleul
(= Belle) in Frankreich nahe der belgischen Grenze.
Auch bei Moronvillers östlich Reims traf er sie an. (Siehe
auch Lit. in: „L.“ 1920, S. 41 und „N. B.“, Jahrg. 1921, $. 125.)
Von der Familie der Scheibenzüngler (= Discoglossidae)
existieren in Nordfrankreich nur zwei Arten, und zwar erstens die
gelbbauchige Unke (= Bombinator pachypus Bonap.) und der
Feßler oder de Geburtshelferkröte (= Alytes obstetricans
Laur.).
XI. Bombinator pachypusBonap. (Die gelbbauchige Unke).
ist in Nord- und Nordostfrankreich ziemlich häufig, stellenweise sogar
sehr gemein.
In größerer Anzahl findet sie sich nördlich Laon im Moorgebiet
von Verneuil und zwischen Barenton-Bugny und Barenton
sur Serre, hauptsächlich aber bei Verneuil. Hier fand ich sıe
im Frühjahr 1918 in jeder kleinen Pfütze oft in ganz erheblicher. An-
zahl vor. Ich habe Hunderte von Tieren dieser Art in Händen gehabt,
um zu sehen, ob nicht auch die rotbauchige Unke (= Bombi-
dator igneus Laur.) darunter sei, jedoch vergebens, letztere war nie
zu finden, was ja auch ganz erklärlich ist, da diese Art ja -schon
in ganz Westdeutschland, z. B. im Rheingebiet, fehlt.
Um Laon herum fand ich sie ferner an den schon bei Pelodytes
erwähnten Teichen und Gräben, nördlich des Bahnhofs von Laon,
sowie in Wasserlöchern und Gräben in und bei Semilly vor. Weiter
südlich Laon traf ich sie in Gräben bei dm Waldlager Chivy
und nahe Etouvelles in Wasserlöchern und .in einem an der
Chaussee Laon—Soissons nahe dm WaldlagerChivy entlang
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 151
fließenden kleinen Bach an. Der südlichste Punkt, wo ich die gelb -
bauchige Unke fand, ist Braisne (Braine) nordwestlich
Fisnes. Hier konnte ich sie in mehreren Stücken auf einer an der
Vesle (Fluß) sich. hinziehenden nassen Wiese feststellen. 1918
traf ich sie ferner südöstlich Laon bei St. Erme und hiervon
nördlich bei Sissonne an. Von hier aus nördlich sah ich ;sie erst
wieder nahe Lislet bei Montcornet.
In der Gegend von La Ville aux Bois bis Sevigny war
sie nicht zu finden. Nordwestlich Montcornet stellte ich sie.
bei Cilly fest, von hier aus nördlich bis St. Gobert habe ıch .sie
vermißt. Hingegen trat sie westlich Vervins bei Voulpaix wieder
zahlreich auf. In Voulpaix selbst war sie an einem Teich und an
Gräben stellenweise gemein. Von Vervins östlich bis ca. Auben-
ton habe ich sie vermißßt (obwohl sicher vorhanden!).
Nordwestlich Aubenton fand ich sie bei Leuze an einem
Teich, ferner kommt sie von hier nordwärts in der Gegend von
Hirson-Anor, Mondrepuis— Fourmies bis F&ron und
Trelon vor.
Bei Fourmies ıst sie z. B. in Viehtränken auf eingeheckten
Wiesen und Viehweiden und an Tümpeln fast überall zu finden.
Westlich und nordwestlich Laon stellte ich sie bei Chauny,
Viry, Tergnier und La Fere fest.
Mein Sohn Kurt fand sie zahlreich bei Peronne und
Poperingen, ferner bei Juniville nahe Reims und beı St.
Martin östlich Reims. Fr. Müller traf sie in Menge auch
bei Huy ın Belgien an (Bl. 1915, S. 255).
Weitere Literatur: „N. B.“ 1921, Jahrg. LXII, S. 128 u. a.
XI. Alytes obstetricans Laur. (= Feßler- oder Geburts-
helferkröte).
Diese trıtt mancherorts sehr häufig auf. Sie bevorzugte fast
überall, wo ich sıe fand, trockene Plätze, wie Erdlöcher, hohle Bäume,
Mauerritzen, Bruchwandritzen von Kalk- und Steinbrüchen, Steinhaufen.
Ebenso kommt sie unter Treppenstufen vor den Häusern, ın letzteren
selbst, an Grabenböschungen, Bahndämmen und in Straßengräben vor.
Häufig sind sie namentlich am Anfang und am Ende von
Dörfern, wo sıe ım Mauerwerk etc. wohnen. Von hier aus lassen
sie von abends bis früh gegen 5—6 Uhr ihr „Geläute“ -ertönen,
welches jedoch verstummt, sobald es hell wir. Am Tage sind sie
schwer zu finden. Abends jedoch, mit eintretender Dunkelheit, kommen
sie aus ihren Verstecken hervor und hüpfen in kurzen Sprüngen oder
laufend, wie Bufo calamita, umher.
Der südlichste Punkt, wo ich diese Art gefunden habe, ist die
Les Pr&s Ferme nördlich Chery (ca. 6!/; km südlich von
Fismes). Schreien hörte ich sie ferner am Nordausgang der Stadt
Fısmes, ferner bei Braisne nordwestlich davon. Nordöstlich hier-
von fand ich ein Stück bei Vendresse. Von’ hier aus nördlich
12. Heft
152 Wilhelm Schreitmüller:
bis Monthenault ist sie mir nicht aufgefallen, doch war sie in
und bei Bruy&res südöstlich Laon wieder häufiger vertreten, wo
sie den Mulm hohler Bäume und Mauern bewohnte. Von da ab bis
ziemlich Laon selbst vermißte ich sie wieder, doch ist sie da sicher
vertreten,
Westlich und südwestlich Laon kam sie an folgenden Orten
vor, wo ich sie teils fing, teils „läuten“ hörte: Chavıgnon,
Leuilly und Anizy, ferner hiervon nordwestlich bei Apılly
nahe Noyon, Chauny (im Mulm hohler Bäume), Tergnier,
Vimy, Fargniers und La Fere. Bei letzterem Ort bewohnte
sie die Wallmauerritzen in großen Kolonien. Auch direkt westlich,
dicht bei Laon, war sie bei Semilly und in Laon selbst zu
finden. Nördlich von Laon fand ich sie bei Vaux und in großen
Abb. 10. Alytes obstetricans Laur. (Feßler- cder Geburtshelferkröte).
Männchen mit Eischnüren belastet.
(ca. natürl. Größe.)
Kolonien an den sandıg-lehmigen Bahndämmen der Bahnstrecke Laon
— Vervins—Hirson bei Verneuil, wo sie in dem schon
bei Hyla arborea erwähnten Tümpel und in einem Graben rechts
der Bahn laichte. Hier fanden sich auch Kaulquappen dieser
Art in Menge vor, neben solchen von Prlobates, Bombinator pachy-
pus, Rana arvalis, — temporaria und esculenta sowie Hyla arborea.
Oestlich Verneuil war sie häufig von La Ville aux Bois
bis Dizy-le-Gros, ferner nordwestlich hiervon bei Marle und
Cilly und hiervon nördlich bei und in Voulpaix westlich Ver-
vins, wo sie besonders unter den Treppenstufen vor den Haus-
eingänger. und in alten Gehöftemauern hauste. Von Voulpaix nord-
östlich habe ich sie von Hirson bis Anor und von da bis Mondre-
puis und Fourmies festgestellt. Nördlich von letzterem Ort trat
sie in großen Kolonien in einer alten Quadermauer, ca. 10 Minuten
von F&ron, an der Straße Fourmies— Feron—Avesnes
auf (zwischen Fourmies und F&eron). Hier fing ich sie bereits
1915 sehr zahlreich und oft. Oestlich Laon war sie an Straßen-
grabenböschungen vor Samoussy zu Hause, ich hörte sie da
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 153
wenigstens rufen. Auch bei Sıissonne und zwischen letzterem und
Lappion fehlte sie nicht; hier besonders an den Böschungen der
Chaussee, wo sıe ebenfalls in Erdlöchern hauste. Südlich von Sis-
sonne bei St. Erme habe ich sıe vor dem Nordende des Ortes
an einer Brücke „läuten“ hören. Auch bei Cregey, Chambray,
Corbeny, St. Quentin und Montcornet fand ich sie, ferner
stellte se mein Freund Arthur Wetzel (}) bei Apr&emont
nordwestlich Verdun fest.
Nach Aussage eines Artillerieoffiziers ıst sie auch südlich von
Reims an trockenen Abhängen und in alten Mauern etc. zu finden.
Derselbe Herr sagte mir ferner, daß er sie auch in der Umgebung
von Vouziers und bei und in Rethel nordwestlich Reims ge-
funden habe.
Mein Sohn Kurt fand den Feßler bei Peronne, Mo-
ronvillersöstlich Reims, ferner bei Neuflize,Hazebroek,
sowie bei Poperingen und Vlamertinghe in Belgien, er
sah oder hörte ıhn teilweise auch nur rufen. L. Koch (t) fand
ihn bei Outre und Dizy-le-Gros (Bl. 1917, S. 206).
Nach Gewittern und Regen fand ich im Spätsommer und Herbst
Jungtiere dieser Art ın Menge ı ın Gräben und Granattrichtern eic. vor,
in welche sıe während der Nacht hineingefallen waren.
Dr. Grimme, Kiel, fing die Art auch bei La Seloe östlich
Sissonne (Bı. 1919, S. 66) an Steinhaufen.
III. Abschnitt.
Reptilien (Reptilia)'?).
Wie ıch schon an anderer Stelle einmal erwähnte, sind Reptilien
in Nord- und Nordostfrankreich weniger häufig als ın
Deutschland anzutreffen. Auch Prof. Dr. V. Franz erwähnt
dies ın seinen Mitteilungen (Bl. 1917, S. 61 und 319) und muß ich
ihm hierin völlig beipflichten. Es mögen hier wohl auch die durch
den Krieg hervorgerufenen Unruhen, Schießereien, Sprengungen u. a.
mitgewirkt haben, welche die Tiere teils verscheuchten, teils ın ihren
Schlupfwinkeln zurückhielten.
Außerdem findet man ja auch bei uns Reptilien in größerer
Anzahl nur im Frühjahr und Herbst, da diese während des heißen
Sommers ihren sogenannten Sommerschlaf halten. Ich fand Ei-
dechsen aller drei erwähnten Arten an sämtlichen hier angeführten
Orten Frankreichs nur vereinzelt vor, nur Lacerta vivipara
Jacqu. (= Bergeidechse) wurde gelegentlich häufiger festgestellt.
2) Beschreibung des Geländes siehe usiter Abschnitt I, Triton alpestris
Laur. (= Bergmolch). Der Verf.
12. Heft
154 Wilhelm Schreitmüller:
I. Lacerta agilis L. (= Zauneidechse).
Diese stellte ich an folgenden Orten fest, und zwar in dem
Gebiet bs Fere-en-Tardenois im Süden, Noyon-Chauny
und Blerancourt ım Westen, Hirson-Trelon und Eppe-
Sauvage im Östen und Avesnes-Sains ım Norden.
Von Fere-en-Tardenoıs südlich Fismes bis Laon
fand ich sie an folgenden Orten vor: Zwei Stück nördlich der Les
Pres Ferme (1918) an den Böschungen des Chausseegrabens
Chery-Fismes. Ich fing hier zwei Männchen. Der Graben war
bestanden mit Gräsern verschiedener Art, Natterkopf, Ochsenzunge,
Disteln, Lichtnelken, Habichtskraut, Günsel, Guntermann, wilden Rosen,
Schlehen und Weißdornsträuchern. Der Bodengrund war ziemlich
sandıg, darunter befand sich Kreidekalk.
Nahe Bourg (westlich Vaılly) an der Chaussee Vaılly—
Beaurieux— Neuchätel) sah ich ferner ein O an einer Graben-
Abbild. 11. Lacerta agilis L. 5 (Zauneidechse).
(Etwas verkleinert.)
böschung. Ein halbwüchsiges Tier und ein erwachsenes 5% beobachtete
ich bei Vendresse (südl. Laon), ein weiteres 5 bei Monthe-
nault (westlich Corbeny) an einer kleinen mit Büschen bestandenen
Anhöhe. — Ein & und ein ® sah ich ferner ;ca. !/, Stunde nördlich
Bruy&res an der Grabenböschung der Chaussee Laon— Bru-
yeres— Monthenault usw.
Dieses S war auffallend stark grün gefärbt, so daß fast der
ganze dunkle Rückenstreifen verschwand. — L. Koch (t) fand diese
Art auf den Craonner Höhen (Bl. 1917, S. 46). Ein Offizier
sagte mir, daß sie auch in dem großen Wald südlichReims (=For£t
de la Montagne de Reims) ziemlich häufig auftritt.
Westlich und siüdwestlich Laon stellte ıch sie an ne
Orten fest (ebenfalls nur vereinzelt!): Bei Leuilly (1917),
zwar ın einem Stück (J') (Bl. 1917, S. 343), ferner bei a
court (1915) am Rande eines Feldgehölzes.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 155
Nahe Chauny (zwischen Chauny und Ognes) beobachtete
ich 1915 ein ca. 7—8 cm langes Jungtier und ein © ‚dieser Art
am Rande eines Gehölzes, das mit Eichen, Rhamnus, Birken und
Erlen bestanden war. Das betr. © zeigte eine ganz auffällige Färbung
und war fast ganz fleckenlos, sein Bauch war weißlich mit ‚dunklen
Pünktchen besetzt. — Nördlich Laon war die Zauneidechse
nur bei Verneuil, hier an den trockenen Bahndämmen rechts der
Bahnlinie Vervins— Laon und bei Mortiers in einzelnen
Stücken zu finden.
Nordöstlich Laon traf ich sie an den Straßengrabenböschungen
zwischen Monceau le Wast und Goundelancourt (1918)
vereinzelt an. Ein J, welches ıch auf dieser Strecke (zwischen
Pierrepont und Goundelancourt) beobachtete, war ebenfalls
fast ganz grün und zeigte nur am Rücken einen ganz schmalen, dunklen
Rüczensıreifen.
In dem ganzen Gebiet von Corbe&ny, nördlich bis ca. Lappion,
habe ich Zauneidechsen während des Sommers 1918 nicht be-
cbachtet (wahrscheinlich hatten die enorme Hitze und Dürre, welche
während dieses Sommers herrschten, Schuld daran), während ich sie
wieder nördlich Waleppe, dicht beider ChaumontagneFerme,
am Rande eines kleinen Wäldchens (Anfang Oktober 1918) sah.
Auch in der Gegend von La Ville aux Bois bis Dizy-le-
Gros und Sevigny konnte ich sie 1918 nicht feststellen. Dagegen
traf ich sie vereinzelt wieder bei Marle-Cilly an (Bl. 1918, S. 205,
W. 1917, S. 457, W. 1918, S. 128, Schreitmüller).
Nördlich von Marle, in der Umgebung von Vervins, sah
ich sie ebenfalls nur in wenigen Exemplaren, z. B. bei Voulpaix,
westlich Vervins. Dieser Ort ist mit zahlreichen Hecken und
Viehweiden durchzogen, Böschungen, Feldgehölze, Wiesen, Aecker,
ein Teich und Wassergräben begünstigen ıhn als Aufenthaltsort für
Lacerta agilis.
Inn Osten von Laon (mehr nordöstlich) ıst sıe häufiger bei und
in der Umgebung von Fourmies. Hier z. B. an den Bahndämmen
der Bahnstrecke Fourmies— Hirson und nahe der großen Eisen-
bahnbrücke, die 1914 von den Engländern (oder Franzosen ?) gesprengt
wurde. Diese liegt am Nordende von Fourmies selbst, und befinden
sich unweit von den Fundstellen ein kleiner Bach, ein Teich und Wiesen.
Am Bahndamm selbst auch niederes Gesträuch, Steine und dergl. Der
Boden ist sandig-lehmig, darunter Senon (Kalk).
In dem an der Bahnlinie Fourmies— Hirson sich hın-
ziehenden Wald ist Lacertu agilis nicht selten. Dieser Wald besteht
meistens aus lichtem, ausgeholztem Laubwald, Stangenörtern, Brüchen
und Hainen.
Im Wald von Mondrepuis, der sich von Noires- Terres
bis Mondrepuis und weiter hinzieht, ist L. agılıs auch vertreten,
Ich fand sie hier 1915 in mehreren Stücken vor (Frühjahr). Im
Sommer 1917 sah ich an der Chaussee Fourmies— Noires-
12. Heft
156 Wilhelm Schreitmüller:
Terres ein @ dieser Art ım Straßengraben. In der Gegend von
Trelon findet sie sch ım Wald von Trelon (= Fort de
Trelon) bis ca Eppe-Sauvage (nahe der belgischen Grenze)
vor und weiter westlich bis ca. Feron und Glageon.
Mein Sohn Kurt fand sie nordöstlich Reims ın Wäldern
und Hainen etc., z. B. bei Juniville, ferner bei Peronne.
Im großen und ganzen kann man sie in Nord- und Nordost-
frankreich als mäßig häufig bezeichnen, denn in solcher Anzahl,
wie man sie stellenweise bei uns zu sehen bekommt, habe ich sıe dort
nirgends gesehen.
Die rotrückige Form „var. erythronotus Fitz.“ fand ich
nirgends, ebenso fehlten melanotische Stücke gänzlich.
ll. Lacerta vivipara Jacqu. (- Dielebendgebärende Wald-,
oor- oder Bergeidechse)
ist noch mehr an bestimmte Orte gebunden als die Zauneidechse,
da sie Heideboden, Moor, feuchte Wiesen und Wälder bevorzugt.
Der einzige Ort, wo ich sie in
Frankreich öfter und in
größerer Anzahl antraf, ıst das
Moorgebiet zwischen Barenton-
Bugny und Barenton sur
Serre. Hier war sie hauptsäch-
lich bei Verneuil häufiger. Sie
bewohnt hier die Schilfbestände
und die Uferregion des Moores.
Vereinzelt traf ich sie auch !/;
Stunde nördlich des Bahnhofs
Laon an mit Sträuchern und
Schilf bestandenen Teichen und
auch bei Mortiers an (W. 1918,
Sn 28.
Auch im WaldevonMon-
drepuis (Bl. 1917, S.62) habe
ich sie gesehen, doch ebenfalls nur
vereinzelt. Südlich von Laon traf
.ıch sie bei WaldlagerChiv:,
bei Nouvion le Vineux und Abbild. 12. Lacerta vivipara Jacqu.
auf sumpfiger Wiese, dicht an ‚der (lebendgebärende Berg-, Moor- oder
Vesle bei Bacoches unweit Waldeidechse). Verkleinert.
Fismes an.
Nordwestlich Laon kommt sie vor bei der Chaumontagne
Ferme nördiich Waleppe (vereinzelt), wenigstens fand ich da
Anfang Oktober 1918 nur ein 2 dieser Art vor. — Von hier aus
bis ca Rozoy sur Serre scheint sie zu fehlen. (?)
Weiter nördlich von hier fand ich sie bei Leuze (westlich
Aubenton) auf Sumpfwiesen mit Teichen, bestanden mit Sträuchern,
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 157
Schilf und einzelnen Bäumen. Von da aus scheint sie in bewaldeten
Gegenden, bs Fourmies, nirgends zu fehlen, doch tritt sie nie
in Menge auf. Auch ım Wald von Trelon ist sie zu Hause, —
ein Stück fing ich ım Juli 1915 dort.
Bei Voulpaix westlich Vervins sah ich sie im Sommer
1918 an mit Brombeeren bestandenem Wäldchenrand in drei Exem-
plaren.
Mein Sohn Kurt traf sie ım Wald südlich von Reims
und bei Moronvilliers nahe Reims an.
Aus den Argonnen sandte G. Scholze 1915 ein Stück
(irrig für Lacerta muralis angesprochen) an das Magdeburger Museum.
R. G. Krüger stellte sie ferner nahe Verdun fest (Bl. 1916,
8:19);
III. Lacerta muralis var. fusca Bedr. (= braune Form der
Mauereidechse).
Als ich 1915 Frankreich das erste Mal betrat, glaubte ich, daß
Lacerta muralis daselbst ziemlich häufig zu finden sei, da ich ver-
schiedentlich gelesen und gehört hatte, daß sie hier nicht selten sei! —
Offen gestanden, war ich deshalb sehr enttäuscht, als ich das
Tier bloß an ganz wenigen Orten und nur in einzelnen Stücken vorfand.
Kaıte 7.
Festgestelltes Verbreitungs-
gebiet von Lacerta muralis
var. fusca Bedr. (braune
Form der Mauereidechse).
© Blerancourk-
>15, Aubi i
In allen Fällen handelte es sich um die braune Form ‚‚var.
fusca Bedr.‘
Der erste Ort, wo ich sie antraf, lag unweit Fourmies nördlich
Hirson. Hier habe ich sie an den 'Bruchwänden eines außer Betrieb
befindlichen kleinen Steinbruches zwischen Fourmies und Anor
gefunden. Dieser ist von lichtem Mischwald umgeben, An Ort und
12. Heft
158 Wilhelm Schreitmüller:
Stelle wachsen: Besenginster, Brombeeren, Genista tinc-
toria L., Hauchechel, Galium u. a, ferner unten an den
Bruchwänden Epheu, Erdbeeren und andere Pflanzen. Der Stein-
bruch lieg. sehr sonnig und ist wenig feucht — fast trocken.
Auch am Ende des Waldes von Mondrepuis habe ich diese
Echse auf großen Steinhaufen nahe der Chaussee vereinzelt gesehen,
ım Wald selbst war sie nie zu finden (Bl. 1917, S. 62).
Bei Blerancourt sah ıch sie (1915) zwischen Blerancourt
und St. Aubien in einer Kiesgrube ebenfalls nur vereinzelt (Bl.
19175. 3.62).
Der letzte Ort, wo ich sie antraf, ıst ein alter Kalkbruch an
der Chaussee zwischen Marle und Cilly (1917) (Bl. 1918, S. 205).
Ich fand hier nur einige wenige Jungtiere '(halbwüchsige) neben solchen
von Lacerta agilisL. vor („N. B.“ 1921, S. 150) (,„L.” 1921, S. 49).
Mein Sohn Kurt sah drei Exemplare in einem Steinbruch
zwischen Neuflize und Anıcourt nordöstlich Reims.
G. Scholze (Bl. 1915, S. 254) erwähnt die Art von den
Argonnen, doch handelte es sich nach Bestimmung durch Dr.
Wolterstorff um Lacerta vivipara Jacqu.
Der nördlichste Fundort der Mauereidechse ist — laut
„Brehms Tierleben“ — Groningen in Holland (53° nördlicher
Breite).
IV. Anguis fragilis L. (= Die Blindschleiche)
kommt im Gegensatz zu vorher erwähnten Echsen fast überall, teils
zahlreicher, teils weniger häufig vor, da sıe ja in Bezug auf ihr Wohn-
Abbild. 13. Anguis fragilis L. 2 (Blindschleiche).
gebiet weniger Ansprüche stellt, als die übrigen Eidechsenarten. Sıe
kommt, wie bei uns, auch ın Frankreich an allen möglichen Orten vor,
auch an solchen, wo man sie manchmal gar nicht vermutet. So fand
ich z. B. im Sommer 1918 in Verneuil ein solches Tier in unserem
derzeitigen Barackenpferdestall — wahrscheinlich mit Grünfutter ein-
geschleppt. Sie lebt in Wäldern, an Bahndämmen, in Hainen, Brüchen,
auf Feldern, im Moor, in Gärten und sonstwo,
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 159
Während des heißen Sommers 1918 war aber auch sie nur
spärlich zu finden, wohingegen ich sıe die Jahre vorher fast überall
ziemlich häufig und: oft antraf. Man findet sie am ehesten zeitig
frühmorgens, zu welcher Zeit sie im Gras und Moos ım Sonnenschein
umherkriecht, während sie sich mit zunehmender Sonne versteckt. Auch
ın den Abendstunden fand ich sıe öfter. In dem Teil südlich von Laon
bis Fere en Tardenois habe ich sie nur selten gesehen (da 1918
der Sommer zu heil und trocken war). So entsinne ich mich, daß
ich sie aut einer Wiese zwischen Vendresse und Chamouille
sah. L. Koch (ft) fand sie ferner auf den Craonner Höhen,
desgl. meldete er sie aus der Woevre-Ebene bei Parventrupp
(Bl. 1917, S. 46).
G. Scholze fand sie in den Argonnen (Bl. 1915, S. 254).
Nahe bei Bl&erancourt sah ıch 1915 ein Stück in einem
kleinen Feldgehölz. Auch ın der Nähe von Chauny tritt sie auf
den am. Oisekanal entlanglaufenden Wiesen und in kleinen Gehölzen
daselbst auf. Westlich Vervins fand ıch sie nebst der var. in-
certa Kryn.'?) (= var. colchica) direkt in Voulpaix selbst, ın
Gärten und Gesträuch etc. (Bl. 1917, S. 62 etc.). Unweit Cilly
nahe Marle traf ich ım Herbst 1917 eine Anzahl Blindschlei-
chen (im Winterquartier) in den Fraßgängen von Weidenbohrern
(Raupen) in einer alten, umgestürzten Weide an (,W.“ 1907, S. 457,
„N. B9213 5,2:
Weiter nördlich fand ich sie öfter ım Wald von Mondre-
puis (hier auch die „var.incerta Kryn.“‘) (,„Bl.“ 1917, S. 215), ferner
bei und in Fourmies und ım Wald'von Trelon, am letzteren Ort
ist sie ebenfalls häufiger zu finden. Auch beı Noyon fand ich sie
1915 (desgl. die var. incerta) (Bl. 1917, S. 215). Das Magde-
burger Museum erhielt zwei Exemplare, gefunden in den Cham-
pagnehöhlen vor Soissons.
Mein Sohn Kurt stellte sie im Walde von Reıms fest,
ferner bei Juniville und Moronvilliers nahe Reims, beı
Peronne und in Belgien bei Poperingen und Vlamer-
tinghe. Die Franzosen nennen sie „Örvet“ und „AÄnvoie“, währende
sıe in Belgien „Örvege“ genannt wird.
Sie scheint fast allerorts aufzutreten, wo sie ihr zusagende Boden-
und Nahrungsverhältnisse vorfindet.
V. Tropidonotus natrix L.(=DieRingelnatter)
ist eine Schlange, die in Frankreich wohl die meisten Soldaten
gesehen haben werden, denn sie ist hier ziemlich zahlreich zu finden.
Wie aus den veröffentlichten Feldpostbriefen hervorgeht, ist sıe z. B.
von W. Rosenbaum ım Taille-Wald in den Argonnen,
1 km südlich von Lancon, und bei Montrebeau in Exemplaren
mit dunklen (nicht gelben!) Nackenflecken gefunden worden
2) Die blaugetüpfelte Form dieser Art. Der Verf.
12. Heft
160 Wilhelm Schreitmüller:
(Bl. 1919, S. 13). Auch ich fand solche Stücke bei Bruy&äres®),
G. Scholze meldete sie aus den Argonnen (Bl. 1915, S, 254),
Ich selbst fand sie ferner noch bei Vendresse südlich Laon
(19) (Bl. 1918, S. 279).
L. Koch (f) traf sie auf den Craonner Höhen an (Bl,
Abbild. 14. Typischer Wiesenbach zwischen Sissonne und La Malmaison,
südöstlich Laon, bestanden mit: Forellen, Groppen, Schmerlen, Stichlingen,
Neunaugen, Steinbeißern, Rotaugen und Gründlingen. In der Umgebung:
Ringelnattern, Blindschleichen, Gras-, Moor- und Wasseıfrösche, Schlamm-
taucher, Laubfrösche und Unken (gelbe).
“ Aufnahme von W. Schreitmüller (1918).
1917, S. 46), ferner in dr Woevre-Ebene bei Parventrupp
(Bl. 1917, S. 46).
Auch Prof. Dr. V. Franz hat sieim Departement Äisne
gefunden. ©. Tofohr traf sie zahlreich bei Glagy, dicht süd-
westlich Laon an (briefliche Mitteilung an W. Schreitmüller).
»») Im Jahre 1919 fing ich solche Stücke auch bei Hohe Mark im
Taunus, wovon Herr Dr. Rob. Mertens-Frankfurt a.M. Belegstücke
erhielt, der sie für das Senckenbergianum konservierte. Der Verf.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 161
Von den vielen Orten, wo ich sie sah oder fing, sollen hier
nur noch einige Erwähnung finden.
Nördlich Laon sah ich sie bei Voulpaix (1918) in mehreren,
teils gefleckten Exemplaren, ebenso bei Bosmont nahe Tavaux
und bei Montcornet. Weiter östlich bei Anor und ım Walde
von Mondrepuis, ferner bi Fourmies. Auch weiter nach
Trelon zu kommt sie nicht selten vor. Im Moorgebiet von Ver-
neuil traf ıch sıe ebenfalls an, und zwar meist da, wo Gebüsch ın
der Nähe war.
Südlich von Chauny fand ich sie bei Bl&rancourt (Bl.
1917, S. 62) ımı Jahre 1915. In der Gegend des Chemin des
Dames ist sie allenthalben zu finden; hier bieten ıhr Wiesen mit
Gräben und Tümpeln, mit Wasser gefüllte 'Granattrichter, kleine Bäche
und dergl. genügend Wasser, neben diesen ist auch Wald vorhanden.
Bei La Ville aux Bois, Dizy-le-Gros und Sevigny
und hiervon östlich bi Waleppe, Rozoy-sur-Serre und
Chaumontagne Ferme habe ich sie nicht beobachtet, hingegen
je in einem Stück hiervon nördlich bei Dohis und Leuze auf
Wiese mit Gräben und an einem Schilfteich.
Auch mein Sohn Kurt traf sie überall an, am häufigsten
ım Walde von Reims.
R. G. Krüger fand sie nahe we (Bl. 1916, S. 191).
Im allgemeinen kann man annehmen, daß Trop. natrix L. in
dem von mir erwähnten Gebiet fast überall vorkommt.
VI.Coronella austriaca Laur. (= Glatte oder Schlingnatter).
Diese scheint in Nord- und Nordostfrankreich nirgends
besonders häufig zu sein. Ich fand sie nordöstlich Laon nur bei
Feron nördlich Fourmies, ferner im Wald von Mondrepuis
an lichten Waldstellen mit Bern Haselnüssen, Eichen und Eber-
eschen (Bl. 1916, S. 62). '*)
L. Koch (f) erbeutete sie südlich Laon auf den Craonner
Höhen, wo sie etwas häufiger vorkommt (Bl. 1917, S. 46) und ich
hei Bleräneourtedheh Chauny und nördlich von Chavignon
südwestlich Laon.
Wie mir ein Artillerieoffizier sagte, hat er diese Art auch öfter
ın dem großen Wald südlich von Reims gefangen. Sie bewohnt
nach diesem Herrn daseibst Höhenabhänge, die mit Misch- und
Laubwald bestanden sind.
Allerdings ist Coronella eine sehr scheue und versteckt lebende
Schlange, die sich den Blicken des Beobachters leicht entzieht und
wohl nur aus diesem Grunde so wenig beobachtet worden ist.
“) Hier wächst auch das sogen. Hasenglöckchen (= Scilla non
scripta L.) in ungeheurer Menge. Im Frühjahr sind große Flächen lichter
Waldstellen direkt blau oder weiß durch seine Blüten gefärbt. D. Verf.
Archiv für Naturgeschichte.
1923. A. 12. 11 12. Heft
162 Wilhelm Schreitmüller:
VII. Vipera berus L. (= Die Kreuzotter).
habe ich während der vier Kriegsjahre nur einmal angetroffen, und
zwar handelt es sich um ein 9‘, welches ich nahe dem Moorgebiet
von Verneuil, zwischen Mortiers und BarentonsurSerre,
am Fuß eines mit Gesträuch bestandenen, ca. 12—-15.m hohen Hügels
in teilweise sumpfiger, mooriger Umgebung sah (Bl. 1919, S. 48 und
W, 1918, S. 128).
O. Tofohr, Hamburg, schrieb mir ferner, daß er die Art
(ein starkes 9) nahe Glacy bei Laon fing. Ferner sah mein
Sohn Kurt zwei Exemplare — ein typisch gefärbtes © und ein J
der var. prester L. — bei St. Martin östlich Reims in Laubgehölz
mit feuchtem Bodengrund.
Jedenfalls scheint das Tier in Nordfrankreich nicht besonders
häufig zu sein. (?) (Siehe auch Nachtrag. Der Verf.)
VII. Vipera aspis L. (= Jura- oder Aspisviper).
Die Aspisviper traf ich ganz gegen meine Erwartungen ım
Herbst 1915 am Abhang eines alten Kalkbruchs zwischen Versigny
Abbild. 15. Vipera aspis L.
(Aspis- oder Juraviper).
Verkleinert.
Abbild. 16 (nebenstehend).
Cladonia spec. (eine Strauchflechte),
die in eineın Kalkbruch zwischen
La Fere und Versigny in großer
Menge auftritt.
(Etwas verkleinert.)
und La Fe&re an. An Ort und Stelle wuchsen: ee Schlehen-
und Feldahorn-, Feldulmen- und Weißdornbüsche, ferner massenhaft
eine hübsche silbergraue Flechte (Cladonia spec.) (Bl. 1916,
S. 267).
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 163
Ein anderes, ca. 50-55 cm langes Tier fing ich im Sommer
1915 direkt am Nordende von Fourmies, und.zwar an der Ostseite
des „Pac- verte“ daselbst, welcher nahe der schon bei Lacerta agilis
erwähnten Eisenbahnbrücke liegt, an deren Dammböschungen allerhand
Gesträuch und Pflanzen wachsen (Bl. 1916, S. 266).
Ein drittes üind letztes, ca. 20—25 cm langes Tier dieser Art
erhielt ich am 4. Maı 1915 von einem französischen Bauer, der mir
angab, daß er jährlich vier bis fünf solcher Schlangen auf seinem
Grundstück erlegt habe. Das Tierchen war unweit Fourmies bei
Vıignehies erbeutet worden, wies aber, als ich es bekam, schon
derartige Verletzungen auf, daß es bereits am 6. Mai 1915 einging.
Sonst habe ich ın Frankreich nirgends Vıipern angetroffen.
Sıe scheinen in diesen Gegenden ziemlich selten zu sein und sich wohl
nur an ganz besonderen, für sie gut eignenden Plätzen aufzuhalten.
Nach „Brehms Tierleben“ (4. Aufl.) ist Vipera aspis L. über
einen großen Teil Frankreichs verbreitet, insbesondere in den südlichen
Departements, während sie in den nördlichen seltener auftritt, sie
kommt noch in der Gegend von Metz vor. Im Elsaß ist sie
überhaupt stellenweise häufig.
Karte 8.
Festgestelltes Ver-
breitungsgebiet der
Jura- od. Aspisviper
(Vipera aspis L.)
u,
‚Premenfre
Karte 9.
Von mir festgestelltes Ver-
breitungsgebiet von Emys
orbicularis L. (europäische
Sumpfschildkröte) bei Ver-
neuil.
IX. Emys orbicularis L. (= Europäische Sumpfschild-
kröte).
Diese fand ich nur in dem Moorgebiet von Verneuil. Letzteres
habe ich ausführlich in den „Bl.“ 1919, S. 118, beschrieben, so daß
ich hierauf verweisen kann.
Ich fing zu Verneuil ım Sommer 1918 zwei Stücke dieser
Art; eins von 6—7 cm Panzerlänge und ein größeres von ca. 10--12 cm
Panzerlänge. Ein drittes Tier kaufte ich an Ort und Stelle einem
kleinen Franzosenknaben ab, der es kurz zuvor im Schilf gefangen
hatte. Nach Aussage eines alten Franzosen, welcher 'da Schilf schnitt,
11* 12. Heft
164 Wilhelm Schreitmüller:
sollen die Schildkröten an der betreffenden Stelle nicht selter
vorkommen und in früheren Jahren viel häufiger als jetzt gewesen sein;
sie wurden aber ım Laufe der Jahre von „Froschschenkel-
jägern‘, welche auch diese Tiere nicht schonten, sehr dezimiert.
Auch die Sumpfschildkröte ist bisher aus Nord- und
Nordostfrankreich noch nicht bekannt, das Grenzgebiet ihres
Vorkommens ist in den einschlägigen Werken viel südlicher angegeben.
Sıe kommt jedoch auch in Holland stellenweise vor, auch werden
und wurden verschiedentlich Sumpfschildkröten im Gebiet des
Niederrheins, so z. B, wie Dr. Pilgrim, Essen, in den
„Bl.“ 1920, S. 254/55, mitteilt, in der Nähe des Eversloher
Abbild. 17. Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis L.)
Verkleinert,
Baches, der durch eine sumpfige Niederung der rechtsrheini-
schenWaldung des Fernewaldes ander rheinisch-westfälischen
Grenze fließt, beobachtet. Verschiedentlich wurden auch Exemplare dieser
Art bei Mörs, Bluyn, Schaephusen und Rheurdt gefangen,
also im Westen des mittleren Teiles des Kreises Mörs. Nachdem
die Kreisbahn Mörs— Hoerstingen gebaut worden ist, haben
Eisenbahnbeamte verschiedentlich zwischen den Schienen Sumpf-
schilakröten in dem Bruchgelände westwärts der Bluyner
Staatswaldung aufgelesen, das durch einen Wasserlauf mit den
Niepkulen, die sich zwischen Krefeld und Mörs erstrecken,
ın Verbindung steht. —
Auch im nahen Maasgebiet von Holländisch-Limburg
kommt sie nach Brehm-Werner, Bd. 4, S. 413, vor.
Ferner wurde sie auch schon öfter am Main gefunden (Bl. 1920,
S. 233/35) (Siehe auch Nachtrag.)
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostirankreichs usw. 165
Zusammenstellung.
Folgende Arten sind also für das in Frage kommende Gebiet
einwandfrei festgestellt:
1. Tropidonotus natrix L. (= Ringelnatter) überall anzu-
treffen, stellenweise gemein. Im Taille-Wald südlich Lancon,
ın den Argonnen kommen auch Stücke mit dunklen (nicht gelben)
Nackenflecker vor, dito bei Bruye£res.
2. Coronella austriaca Laur. (= Sl rue) nicht be-
sonders häufig. stellenweise nur vereinzelt, z. B. auf den Craonner
Höhen, bei Chavignon, ım Wald von Mondrepuis, bei
Feron und ım Wald von Reims.
3. Vipera berus L. (= Kreuzotter) anscheinend nicht sehr
häufig, nur einige wenige Stücke festgestellt, unter anderem unweit
des Moorgebiets von Verneuil zwischen Mortiers und Ba-
renton sur Serre, ferner bei Glacy nahe Laon und beı St.
Martin östlich Reims beobachtet. (Siehe auch Nachtrag.)
4. Vipera berus var. prester L. (= schwarze Form der
: Kreuzotter) wurde nur in einem Stück bei St. Martin östlich
Reims beobachtet.
5. Vipera aspis L. (= Jura- oder Aspisviper) (Vipere
rouge der Franzosen) selten. Beobachtet bei Fourmies,
Vıgnehies und zwischen > Fere und Versignyın Kalkbruch,
sonst nirgends.
6. Anguis fragilisL. (= RR allerorts zu finden,
z. B. bei Vendresse, Craonner Höhen, Cilly-Marle,
häufig'ım Wald von Mondrepuis und bei Voulpaix ım
ganzen Gebiet.
7. Anguis fragilis L. var. incerta Kryn. (= blaugetüpfelte
Form der Blindschleiche) ist nicht häufig, nur bei Voul-
paix, Noyon und im Wald von Mondrepuis nahe Four-
mies festgestellt.
8. Lacerta agilis L. (= Zauneidechse) nirgends häufig,
vereinzelt bi Noyon, Chauny, Blerancourt, Mortiers,
Monceau-le-Wast, Cilly, Marle, Voulpaix, Chau-
montagne-Ferme.
9, Lacerta vivipara Jacqu. (= lebend gebärende Moor-,
Berg- oder Waldeidechse) vereinzelt bei Waldlager
Chivy, Nouvion le Vineux, Chaumontagne Ferme,
ım Wald von Mondrepuis, Voulpaix, Moronvillers bei
Reims, Verneuil häufiger.
10. Lacerta muralis var. fusca Bedr. (= braune Form der
Mauereidechse) nicht häufig in Steinbruch nahe Fourmies,
in Kiesgrube bei Blerancourt und auf Steinhaufen am Ende des
Waldes von Mondrepuis (nahe der Chaussee), sowie in einem
Kalkbruch an der Chaussee Marle—Cilly und in einem Stein-
bruch zwischen Neuflize und Anicourt vereinzelt festgestellt.
12, Heft
166 Wilhelm Schreitmüller:
11. Emys orbicularisL. (= Europäische Sumpfschild-
kröte!) — neu für Nordfrankreich! — ist von mir nur aus
dem Moorgebiet von Verneuil nachgewiesen worden. (Siehe
auch Nachtrag.)
12. Salamandra maculosa L. (= Feuersalamander) nicht
häufig beobachtet bei Waldlager Chivy, im Wiaaldvon Mon-
drepuis, Apr&mont nordwestlich Verdun, bei Bruyeres.
und in den Argonnen. Larven dieser Art wurden festgestellt
in einer Zisterne bei St. Maurice in der Cöte Lorraine und
in einem Graben bei Bruy&res (von Matthies).
13. Tritoncristatus subspec. fypica Laur. (=Großer Kamm-
molch) weit verbreitet, stellenweise gemein. Zahlreich bei Liesse,
Siıssonne, St. Erme, Fourmies, Les Pr&s Ferme,
weniger zahlreich bei La Capelle, Trelon, F&ron etc, fast
ım ganzen Gebiet zu finden,
14. Triton alpestris Laur. (= Berg- oder Alpenmolch) —
neu für die Departements Marne, Aisne, Nord ın
Nordfrankreich — ziemlich weit verbreitet. Bevorzugt jedoch
waldige, bergige Gegenden, z. B. Chemindes Dames etc. Häufig
in Tümpelu: des Waldes von Mondrepuis und anderen Orten.
Kommt auch oft im flachen Gelände vor, wie z. B. im Moor-
gelände bei Verneuil etc.
15. Triton vulgaris subspec. typica L. (= Kleiner Teich-
oder Streifenmolch) allgemein verbreitet und gemeinhäufigste Art.
In Gräben, Tümpeln und Teichen im ganzen Gebiet.
16. Triton palmatus Schneider (= Leisten-, Schweizer
oder Fadenmolch) bevorzugt hügeliges, bergisches, bewaldetes Ge-
lände, kommt aber vereinzelt auch in anderen Gegenden vor. Es ist
die am wenigsten häufige Art aller Tristonen. Massenhaft habe ich
ihn nirgends gesehen. In größerer Anzahl nur südlich, südöstlich und
südwestlich von Laon festgestellt. Fehlt nördlich von Laon von
Vaux bis Mortiers, Verneuil bis ca. St. Quentin. Ver-
einzelt wurde er gefunden bei Montcornet, im Wald von
Mondrepuis und bei Maubeuge (nördlichster Punkt). Vermißt
wurde er in dem Gebiet von Marlebis Tavaux, La Ville aux
Bois, Dizy-le-Gros etc. Häufiger ist er nur südlich von
Lappion, Sissonne, Liesse, Craonne und Corbeny.
17. Ranatemporaria L. (= Grasfrosch) im ganzen Gebiet
gemein. Besonders häufig bei Verneuil, auf Wiesen und an Teichen
von Fourmies etc,
18. Rana arvalis Nils. (= Moorfrosch) — neu für
Frankreich! — Häufig nur im Moorgebiet von Verneuil.
Vereinzelt festgestellt bei Waldlager Chivy südlich Laon, Se-
milly bei Laon, im Wald von Mondrepuis, Liesse, Sa-
moussy, Vendresse etc. Nördlich Laon fehlt er von Ver-
neuil ab eine große Strecke. Erst wieder bei Le Nouvion und
bei Vignehies (bei Fourmies) festgestellt.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 167
19. Rana agilis Thomas (= Springfrosch). Von mir und
anderen in den Departements Oise, Aısne und Nord nicht
gefunden, nur von R. G. Krüger in der Gegend von Verdun
festgestellt (Bl. 1916, S. 191). Von F. Hauchecorne auch in
der Woewre-Ebene gefunden.
20. Rana esculenta subspec. fypica L. und var. Lessonae
(= Gemeiner Wasserfrosch) überall im ganzen Gebiet häufig
und gemein, es kommen auch hımmel- und dunkelblaue Stücke
vor. Besonders häufig im Moorzebiet von Verneuil.
21. Ranaridibunda Pall. (= Seefrosch). Von dieser Art
fand ich nur drei Stück, welche ich für R. rıdibunda anspreche.
Eins fing ich an der Serre bei Cully, eins an der Serre zwischen
Chambray und Athies und ein drittes Stück (JS), welches aus-
gesprochen graue Schallblasen zeigte, an der Serre bei
Verneuil.
22. Hyla arborea L. (= Laubfrosch) überall häufig und
weit verbreitet. Besonders häufig im Moorgebiet von Verneuil,
23. Bufo vulgaris L. (= Gemeine Erdkröte) allenthalben
ım ganzen Gebiet anzutreffen und gemein.
24. Bufo calamita Laur. (= Kreuzkröte) gemeinste und
häufigste aller Krötenarten des Gebiets, kommt überall zahlreich vor.
25. Bufo viridis Laur. (= Grüne oder Wechselkröte) —
neu für Nordostfrankreich — sehr selten! Nur an ganz
wenigen Orten festgestellt, z. B. bei Fourmies, La Fere,
Chaussee Chivy—Etouvelles, ferner zwischen Noyon und
Baba&uf und bei Apr&mont nordwestlich Verdun. Immer nur
vereinzelt. (Siehe auch Nachtrag.)
26. Pelobates fuscus Laur. (= Knoblauchkröte) stellen-
weise ziemlich häufig. Erwachsene Tiere schwer zu finden. Kaul-
quappen dieser Art wurden ın Menge festgestellt bei Laon, Se-
mılly, Verneuil, zwischen Sıssonne und Lappion, auf
den Craonner Höhen und anderen Orten, so z. B. bei Ponte
de Deule und Hazebroek etc.
27. Pelodytes punctatus Daud. (= Schlammtaucher) —
neu für Nordfrankreich (Departement Nord)! —
Mancherorts, namentlich zur Laichzeit, in großer Anzahl befunden
werden bei Lappıion (nahe Bahnhof in einem Teich), ferner bei
Laon, Semilly, Verneuil, La Ville aux Bois, Dizy-
le-Gros, Cilly-Tavaux, be Waldlager Chivy südlich
Laon und bei Fourmies. Ferner — als'neu für Belgien —
auch bei Poperingen und Vlamertinghe westlich Ypern und
nahe der belgischen Grenze (in Frankreich) bei Bailleul (=Belle).
28. Bombinator pachypus Bonap. (=Gelbbauchige Unke)
überall sehr häufig, besonders im Moorgebiet von Verneuil.
Auch bei Huy in Belgien zahlreich beobachtet worden usw.
12. Heit
168 Wilhelm Schreitmüller:
29. Alytes obstetricans Laur. (= Feßler- oder Geburts-
helferkröte). Ueberall und weit verbreitet. Sehr zahlreich wurde
sie festgestellt im Moorgebiet von Verneuil am Bahndamm, ferner
bei La Fere, Voulpaix und La Ville aux Bois etc, wo
sie ziemlich starke Kolonien bildete.
Nicht beobachtet oder festgestellt wurden:
Bombinator igneus Laur. (= rotbauchige Unke), Sala-
mandra atra Laur. (= Mohren- oder Alpensalamander),
Tropidonotus tesselatus Laur. (= Würfelnatter), Coluber lon-
gissimus Laur. (= Aeskulapnatter), Lacerta viridis Laur.
(= Smaragdeidechse), ferner die rotrückıge Form der
Zauneidechse (=Lacerta agilis Laur. var. erythronotus Fitz.)
und die grüne Form der Lacerta muralis Laur. (= Mauer-
eidechse).
Abbild. 18. Typisches Stück eines Moorgrabens aus dem Moorgebiet von
Verneuil, in dem Schleien, dreistachlige Stichlinge, Aale und Schlammbeißer
vorkommen. In der Umgebung finden sich: Pelodytes punctatus, Bombinator
pachypus, Rana arvalis, R. temporaria und R. esculenta, Emys orbicularis,
Hyla arborea u. a.
Aufnahme von W, Schreitmüller (1918).
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 169
IV. Abschnitt.
A.
Säugetiere.'’) |
(Bearbeitet von Wilhelm Schreitmüller, Frankfurt a. M.)
A. Fledermäuse (Handflatterer) (= Chiroptera).
I. Kleine Buschfledermaus (= Pipistrellus pipistrellus
Bechst.).
Allenthalben im ganzen Gebiet angetroffen. In Fourmies,
wo wir 1915 eine Zeit lang in einer Schule einquartiert lagen, kamen
diese Tierchen abends in Menge durch die offenen Fenster in die
Stuben geflattert und setzten sich hier an den Rohren der Gasleitung,
oben an den Wänden, nahe der Decke, fest, wo sie tagsüber hängen
blieben. Ich sandte von da von dieser Art einige in Sprit konservierte
Belegexemplare an das Magdeburger Museum (an Dr. Wolter-
storff) ein (1915).
Weitere Fundorte: Laon, Chery, Fismes, Chauny und
andere mehr, wo ich sie teils fliegen sah, teils ın Ställen, Scheunen
und unter der Rinde von Bäumen etc. fing.
Il. Gemeine Fledermaus (= Vespertilio murinus L.).
Diese ist ebenfalls eine gewöhnliche Erscheinung und von mir
an vielen Orten festgestellt worden. Sie bevorzugt meistens Mauer-
ritzen, Türme, hohle Bäume und dergl. In den großen Höhlen am
Chemin des Dames war sie häufig zu finden. Andere Fundorte:
Kirchturm zu Cilly bei Marle, Fourmies (Dachboden der
Schule am Place verte), La Fere (in einer Gartenlaube).
Il. Großer Abendsegler (= Pterigystes noctula Schreb.).
Häufig angetroffen in Fourmies, ferner in hohlen Bäumen
(Weiden) am Walde von Mondrepuis, in Voulpaix (im
Gebälk einer Scheune), auf der Les Pres Ferme südlich Fismes
(auf Dachbeden). Auch diese Art kam abends in die Stuben der
Schule zu Fourmies geflogen und hing sich an den Rohren der
Gasleitung fest. Weitere Fundorte: Laon, La Fere und die
Höhlen am Chemin des Dames etc.
III. Großohrige Fledermaus (= Plecotus auritus L.).
Vergesellschaftet mit dm Abendsegler und anderen Fleder-
mäusen in den Höhlen des Chemin des Dames, ferner ım
Glockenturm der Kirche zu Cilly bei Marle, sonst nirgends ge-
sehen. (Am letzteren Orte befand sich oben beim Glockenstuhl im
Mauerwerk auch ein Stock wilder (?) Bienen, der seiner Zeit
(1917) von habgierigen Soldaten total ausgeraubt und verwüstet wurde.
Ebenda fanden sich im Gebälk auch große Mengen der großen, violett-
flügeligen Holzbiene (Xylocopa violacea L.) vor.
15) Ich bringe die Säugetiere an zweiter Stelle, da ich diese erst nach-
träglich bearbeitet habe. Der Verf.
12, Heft
170 Wilhelm Schreitmüller:
IV. Wasserfledermaus (= Leuconoe daubentoni Leisl.).
Von mir nur in einem Exemplar zwischen Cılly und Bosmont
in einer hohlen Pappel an der Serre gefunden.
B. Insektenfresser oder Kerfiäger.
V. Der Igel (= Erincaceus europaeus L.)
wurde von mir, soweit ich mich erinnere, sonderbarer Weise nur
dreimai während der Zeit vom Januar 1915 bis Oktober 1918 an-
getroffen.
Ein Stück (5) sah ich 1915 zwischen Anor und Hirson
auf der Landstraße, eins (9) 1917 bei Verneuil auf einem Klee-
acker und ein drittes Stück (J) 1918 zwischen Vendresse und
Bruye eres ım Straßengraben.
Der Igel wird in Frankreich von der ärmeren Bevölkerung
gegessen.
VI. Maulwurf (= Talpa vulgaris L.).
Im ganzen Gebiet häufig und gemein. Nur ı in der sandıgen
Gegend um Fismes, Chery etc. sah ich seine aufgeworfenen
Hügel weniger häufig.
Abbild. 19. Gemeiner Maulwurf (Talpa vulgaris L. (= T. europaea).
Verkleinert. (Aufnahme von Rud. Zimmermann.)
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 171
Ein partiellen Albinismus aufweisendes Exemplar, welches
aber leider zertreten war, fand ich unweit Bacoches nördlich
Fismes auf der Chaussee; dieses hatte ganz hellgraue Färbung.
VI. Wasserspitzmaus (=Neomys [Crossopus] fodiens Pall.).
Besonders häufig von mir im Moorgebiet von Verneuil
beobachtet, und zwar hier in besonders großen und sehr
dunkelgefärbten Exemplaren. Weitere Fundorte: An der Serre
und am Dorfgraben bei Cılly, am Tümpel bei der Les Pres
Ferme südlich Fismes, in Wassergraben bei Bruye£res, an
der Vesle (Fluß) bei Bacoches, in Teichen nördlich des Bahn-
hofs Laon, ferner in Gräben bei Chauny und Fourmies, am
Aıisne- und Oisekanal, in einem Teich bei'V oulpaix westlich
Vervıns und ım Wallgraben von La F£re.
VII. Zwergspitzmaus (= Sorex pygmaeus Pall.).
Nur einmaı gesehen, und zwar in einem Obstgarten zu Semilly
beı Laon.
IX. Hausspitzmaus (= Crocidura russulus Herm.).
Diese Art ıst ziemlich häufig. Typisch grau gefärbte Stücke
fand und salı ich an folgenden.Orten: Trelon, Fourmies,Cilly,
Voulpaix, Laon, Chery und Chivy südlich Laon und
Blerancourt usw.
Diese Art hält sich meistens in der Nähe menschlicher. Wohnungen
auf, doch fand ich sie verschiedentlich auch auf Feldern und Wiesen
vor, so z. B. auf einem Kleeacker bei Monceau le Wast und
anderen Orten. Im Herbst fand ich oft (zeitig frühmorgens) Exem-
plare dieser Art, welche fast erfroren oder halb erstarrt waren während
der Nacht.
Ein Stück mit partiellem Albinısmus fing ich 1918 zu
Vaux bei Laon, das ich an das Magdeburger Museum als Beleg-
stück einsandte. Zwei weitere solche gescheckte Stücke sah
ich zu Verneuil in unserer derzeitigen Baracke, worüber ich ın
den „Blättern“ 1918, S. 278, wie folgt berichtete:
„Betr. der gescheckten Hausspitzmaus kann ich Ihnen
mitteilen, daß ich zwei weitere Stücke gleicher Färbung auch in
unserer Baracke zu Verneuil sah, wo die Tierchen — ein Paar -—
unter dem Holzboden hausten. Sie waren ganz zutraulich und zahm
und liefen auch bei Tage unter den Tischen umher, wo sie nach
Tischabfällen und Speiseresten suchten. Es gelang mir leider nicht,
die beiden Tiere lebend zu fangen. Ich habe sie ca. drei Wochen
lang täglich beobachtet, bis eines Tages ein Soldat eins der beiden
Tierchen absichtlich zertrat (2), worauf sich von dieser Stunde an
auch das 5 nicht mehr blicken ließ; ‚es war anscheinend ausgewandert.
Das Ihnen in Sprit zugesandte Exemplar stammt aus Vaux beı
12, Heft
172 Wilhelm Schreitmüller:
Laon usw. Diese gescheckten Spitzmäuse sollen nach’ Aus-
sage der Franzosen in dieser Gegend ziemlich häufig auftreten.” —
Herr Dr. Wolterstorff fügte Obigem folgende Zusatznotiz
hinzu:
„Das Tierchen gehört zu Crocidura russulus, der Hausspitz-
maus, gekennzeichnet durch die weißen, nicht an der Spitze rotbraun
(wie bei Sorex araneus - vulgaris, der gemeinen Waldspitz-
maus) gefärbten Zähne, Kopf, Vorderrücken, die vordere Bauchhälfte,
das Rumpfende und der größte Teil des Schwanzes sind dunkelgrau,
der größte Teil des Rückens, hintere Bauchhälfte, sowie das
Schwanzende rein weiß gefärbt, ganz wie bei gescheckten
Hausmäusen. Derartige Exemplare finde ich in Brehms Tierleben
(4. Auflage) nicht usw.“ —
X. Die Waldspitzmaus (= Sorex araneus [= vulgaris) L.)
ist ebenfalls häufig anzutreffen. Sie bevorzugt jedoch Waldränder,
Feldgehölze, lichte Waldungen, Waldblößen und dergl. Orte.
Ich fand sie bei Cilly, La Fere, in den Wäldern von.
Mondrepuis und Trelon, am Chemin des Dames (an
mehreren Orten), ferner fand ich im Oktober 1918 ein Stück bei
der Chaumontagne Ferme nördlich Waleppe unter einem
großen Stein an einem Waldrand. Sie scheint im ganzen bewaldeten
Gebiet nirgends zu fehlen.
VI. Abschnitt.
C.
Nagetiere (= Rodentia)
I. Siebenschläfer (= Myoxus glis L.).
Mancherorts häufig, stellenweise fehlend oder weniger häufig.
Fundorte: Laon (in Obstgärten), bei Fourmies, wo die Tiere
Astlöcher bewohnten '%); ferner bei La Ville aux Bois, Cha-
vigenon und im Wald von Mondrepuis. In Laon stellte
ich sie als arge Obstbaumknospenverwüster fest (Bl. 1918, S: 246).
I. Großer Gartenschläfer (= Eliomys quercinus_L.).
Stellenweise sehr häufig. Da ich gerade diesen Nager sehr
eingehend und oft zu beobachten Gelegenheit hatte, will ich hier etwas
näher und ausführlicher auf ihn eingehen.
Nordfrankreich mit seinen vielen dichten Hecken von Haselnüssen,
Schlehen, Weißdorn, Hainbuchen, Cornus mascula, — sericea und
— alba u. a., die alle systematisch beschnitten und künstlich ver-
16) Sogen. Starkästen, die sie bei uns gern bewohnen, findet man in
Frankreich gar nicht oder nur äußerst selten, ich sah z. B. nirgends solche.
Der Verf.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 173
schlungen werden, so daß sie ım Laufe der Zeit undurchdringliche
Dickichte und Wände bilden, bietet diesen lichtscheuen Tieren treffliche
Verstecke und Uhnterschlupfe. Ich habe den großen Garten-
schläfer an vielen Orten, wo ich war, beobachtet und hierbei manches
mir noch nicht bekannte an diesen Tieren kennen gelernt. Am häufigsten
traf ich diese Nager in und in nächster Nähe von Dörfern und kleinen
Ortschaften an. Bei Tage sieht man sie nur äußerst selten, dagegen
unternehmen sie mit Anbruch der Dämmerung und des Nachts ihre
Streifzüge. Hierbei laufen und klettern sie im Gezweig geschickt und
schnell -— eichhörnchenartig — durch die Hecken und Büsche, kommen
öfter auch zu Boden, um ırgend ein Kerbtier oder sonstiges Kleingetier
zu fressen, entfernen sich aber selten aus dem Bereich der Sträucher,
ihr Haupttreiben vollzieht sich im Geäst und Gesträuch. Aber auch
ın hohlen Bäumen und unter Dachböden, ım Gebälk von Scheunen
und in Strohdiemen und -dächern fand ich sie vor. Gelegentlich eines
Biwaks, 2 km südlich von Laon, konnte ich einst (1917) eine ganze
Gartenschläferfamilie recht gut beobachten. Wir hatten gegen
Abend Biwak bezogen, mein Lager hatte ıch unter einem Munitions-
wagen gewählt. Dieser stand dicht bei einer großen Hecke unter
Bäumen. Zirka drei Meter von meinem Lager entfernt hatte ich vorher
Pferdefutter an meinen Zug ausgegeben, und so lagen denn daselbst
verstreut eine Menge Getreidekörner umher. — Ich lag, in meine Decke
eingehüllt, unter dem Wagen und rauchte noch eine Zigarette, als ich
plötzlich einige seltsame Laute vernahm. Als ich mich behutsam
umdrehte, sah ich einen alten und vier junge „große Garten-
schläfer“, die sich an den Körnern gütlich taten. — Sonderlich
scheu waren die Tiere nicht, wenigstens nahmen sie keinerlei Notiz
davon, als ich mich beweste,
Nachdem die Tierchen satt waren, begaben sie sich wieder zur
Hecke, worin sie unter Spielen und Jagen verschwanden, wobei sie
anscheinend von der Alten geleitet wurden, denn diese ließ ab und zu
schmatzende Töne hören.
Daß dieses Tier gelegentlich auch Nesträuber sein kann, habe ich
bei Cılly beobachtet. Eines Abends (1917) sah ıch ein altes Exem-
plar, daß in einer Hecke ein mir "bekanntes Grasmückennest geplündert
und die Eier gefressen hatte — ich kam gerade hinzu, als es das
letzte Ei erfaßt hatte, das es beitimeiner Annäherung mit wegschleppte.
Ein anderes Mal sah ich zu Vaux bei Laon einen erwachsenen
Gartenschläfer mit einem nestjungen Vögelchen im Maule einen
Apfelbaun: erklettern.
Im Jahre 1917 fiel es mir auf, daß ım Garten meines Quartiers
(Cilly), wo einige große Apfelbäume mit prächtigen Früchten ‚standen,
andauernd die schönsten und größten Aepfel angenagt, und zwar nur die
rote Seite, unter den Bäumen lagen. Ich glaubte, daß dies Mäuse
verursacht hätten, bemerkte aber eines Abends, als ich mich zur Be-
obachtung aufgestellt hatte, daß nicht solche, sondern große Garten-
schläfer die Uebeltäter waren. Die Tiere fraßen die Früchte nur
12. Heft
174 Wilhelm Schreitmüller:
teilweise an und ließen diese dann zu Boden fallen. In anderen
Fällen warfen sie das Fleisch der Aepfel weg und fraßen nur die
Kerne. Es war ganz erstaunlich, welche Mengen Obst diese Tiere
verwüsten konnten. Insekten und dergl. sah ich sie öfter fressen,
desgleichen grüne, glatte Raupen (von''Eulen [?]). Jedes Futter wurde
eichhörnchenartig mit den Vorderfüßen erfaßt und in aufrecht sıtzender
Stellung verzehrt.
Nester dieses Nagers fand ich mehrere, teils mit, teils ohne
Junge. Zwei halbwüchsige Stücke, welche ich in einer großen Ratten-
falle gefangen hatte, hielt ich einige Zeit in einer mit Drahtgeflecht
ausgenagelten Kiste, welche mit Schlafkasten und Astwerk versehen
war. Die Tierchen nahmen als Nahrung alles Genießbare an, wie:
Edelkastanıen, Nüsse, Bucheckern, Kürbiskerne, Früchte vom Weiß-
dern, Eicheln, Getreide aller Art, Obst, Beeren, Brot, Käfer aller
Art, Heuschrecken und dergl. mehr. Setzte ich andere Tiere, wie
Mäuse, Sperlinge, Eidechsen und Frösche zu ihnen in den Käfig, so
fielen sie über diese in mordgieriger Weise her, töteten diese und
fraßen sie nach und nach auf. Hierbei verzehrten sie stets das
Gehirn, Augen und andere Kopfteile zuerst (cf. kurzohrige Erd-
maus). In bezug auf Ernährung sind sie also absolut nicht wähle-
rısch. Gegen Abend sah ich meine Tiere öfter trinken, bei Tage nie,
Abends und des Nachts klettern sie munter umher, wobei sie einen
Höllenlärm vollführen (in Gefangenschaft), das Nagen, Springen und
Pfeifen nımmt kein Ende. Bei Tage schliefen sie ständig und waren
nur selten sichtbar (Bl. 1918, S. 245).
Weitere Fundorte: Wald von Mondrepuis, vielerorts am
Chemin des Dames, Wald von Trelon, bei Voulpaix,
Cilly und Rozoy sur Serre.,
III. Haselmaus (= Muscardinius avellanarius L.).
Sıe kommt nach Aussage von Bekannten und Kameraden in Flan-
dern häufig vor. Mein Sohn Kurt stellte sie östlich von Reims
ım Walde fest. Ich selbst habe sie nur zweimal beobachtet, und zwar
nahe denn Moorgebiet von Verneuil und in einem Mischwald
zwischen Bosmont und Cilly (Herbst 1917), welcher mit Edel-
kastanıen, Roßkastanien, Buchen, Hasel- und Wallnüssen, Eichen,
Eschen, Schlehen und wilden Kirschbäumen etc. bestanden war,
Ein Stück wurde mir von einem Kameraden gebracht, das dieser
in einem kleinen Wäldchen bei Rozoy sur Serre gefangen hatte.
IV. Gemeines Eichhörnchen (= Seiurius vulgaris L.).
Teilweise sehr häufig, oft auch nur vereinzelt beobachtet. Es
kommen sowohl rote, als auch schwarze Tiere vor.
Fundorte, z. B. u. a: Wald zwischen Cilly und Bos-
mont (häufig!), Wald von La Fere, Wälder am Chemin
des Dames, z. B. bei Mailly, Fismes, Chery, Bacoches.
Um Bruy&res herum überall zu finden. Im Wald von Mondre-
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 175
puis und Trelon gemein. Auch ım belgischen Bergland
häufig, also fast im ganzen Gebiet zu finden.
V. Wanderratte (= Epimys norwegicus Erxl. = Mus decu-
manus
Diese ıst im ganzen Gebiet ın unglaublicher Menge
und in sehr großen Stücken vorhanden. Man fand .sie an Backen
Kanälen, Teichen, Flußdämmen, Schleusen, in Häusern, Kellern.
Schuppen, Scheunen, Schlachthäusern und sonstwo, kurz, sie war überall,
sogar in Schützengräben und Unterständen eine Plage für die Soldaten.
In Chauny, an einem kleinen, die Stadt durchfließenden Graben,
war sie ın unglaublicher Menge vertreten (1915). Hier sah ich auch
drei ganz schwarze und ein weiß-grau geschecktes Exem-
plar. Diese vier Tiere schof3 ıch nach und nach ab, konnte aber nicht
eins davon erlangen, da sıch die angeschossenen Ratten sofort in das
Wasser stürzten und nicht mehr zu finden waren. Das gescheckte
Tier hatte ganz weißen Bauch, weiße linke Kopfseite, zwei weiße
Flecke auf dem Rücken und linken weißen Hinterschenkel.
Abbild. 20. Gemeine Wanderratte X (Epimys norwegicus Erxl.)
Verkleinert.
Weitere Fundorte: Ich wüßte mich nicht einer Gegend oder eines
Ortes zu entsinnen (in Belgien und Nordfrankreich), wo ich
Wanderratten nicht angetroffen hätte. Die meisten Tiere
beobachtete ich in und bei La F&re,'Chauny, ferner am Aisne-
und Oisekanal, ın Laon, Les Pres Ferme usw. Die
wenigsten auf der Chaumontagne Ferme nördlich Wa-
leppe (drei Stück) (D. F. Ki 1916, 'S. 104, und „N.“ 1917, S. 78).
Sprichwörtlich wurden während des Krieges „Die Ratten von der
Lorettohöhe‘.
12. yeft
176 Wilhelm Schreitmäller:
VI. Hausratte (= Mus rattus L.).
Von mir nur zweimal beobachtet. Das Tier ist anscheinend in
diesen Gegenden von der zahlreich überwiegenden Wanderatte
überall verdrängt worden.
Ein Stück sah ich im Januar 1916 im Schlachthof zu La Fe£re
und ein zweites (September 1918) in einer Scheune der Les Pre&s
Forme südlich Fismes. (Eventuell vom Militär eingeschleppt.) (?)
VII. Wasserratte, Mull- oder Schermaus (= Microtus
terrestris L. = M. amphibius L.).
An verschiedenen Oertlichkeiten angetroffen, teils am Wasser,
teils auch weit von solchem entfernt in Gemüse- und Obstgärten,
Baumschulen, in Hecken, Gärten, ferner an Flüssen, Gräben, Teichen
und Tümpeln. Mn |
‘ Häufiger war das Tier nahe dem Moorgebiet von Verneuil
und in und bei Cilly, wo es an der Serre im Gesträuch und en
dem kleinen Dorfgraben ın Hecken und Gärten etc. lebte.
Weitere Fündorte: Gärten von Chauny, Gemüsegarten der
Les Pr&es Ferme nördlich Chery (südlich Fismes), an Bach
bei dr Chaumontagne Ferme bei Waleppe, La Ville
aux Bois (in Gärten), ferner bei Chivy-Etouvehles südlich
Laon, am Kanal bei Fargniers und Tergnier, La Fere
(hier nur außerhalb der Festung an Gräben, in der Stadt selbst an-
scheinend von den Wanderratten verdrängt [?]).
Die am Wasser lebenden Exemplare sind meist dunkler gefärbt als
solche, die in Gärten, auf Wiesen und Feldern vorkommen. Erstere
nehmen viel tierische Nahrung zu sich, wie: Schnecken, Wasserinsekten,
Frösche, Fische usw., während letztere auch sehr viel vegetabilische
Kost verzehren, wie: Wurzeln und Pflaumen aller Art, Obst,
Beeren und Sämereien. Solche Stücke nehmen aber nebenbei auch:
Landschnecken, Würmer, Raupen, Engerlinge, Heuschrecken, junge
Vögel und Vogeleier zu sich. Ich habe wenigstens an einem ® dieser
Art, welches ich ziemlich 1!/;, Monate gefangen hielt, beobachtet, daß
dieses alles ıhm Gereichte wahllos annahm und fraß.
Bemerken möchte ich noch, daß sich die Schermaus, ebenso
wie die Hausratte da zurückzieht und weniger häufig ist, wo die
Wanderratte in Menge auftritt (D. F. K. 1916, S. 141, „N.“
1917, S. 78).
VII. Hamster (= Cricetus cricetus L.).
Dieser ist von mir nur einmal, und zwar im Herbst 1917, auf
einem Haferstoppelfeld bei Cilly beobachtet worden.!”)
17) Auch der Hamster dürfte erst durch Truppen vom Osten her ein-
geschleppt (?) worden sein, denn ich habe ihn sonst nirgends gesehen oder
in Erfahrung bringen können, ob er anderweitig vorkommt.
Verschiedentlich wurden ja auch einzene Landschildkröten
(Testudo graeca L.) gefunden, welche vom Militär vom Balkan mitgebracht
worden waren und dann entkamen. Der Verf.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 177
IX. Kurzohrige Erdmaus (=Microtus subterraneus Selys.).
Diese in Deutschland seltene Maus kommt ın Belgien
und Nordfrankreich häufiger vor. Ich habe sie gefunden: nahe
Abbild. 21. Kurzohrige Erdmaus (Microtus subterraneus Selys).
Etwas verkleinert.
dem Moorgebietvon Verneuil (1917), bei Fourmies (1915)
und im Herbst 1917 bei Cıilly nahe Marle.
Ausführlich von mir beschrieben ım „Archiv für‘ Naturgeschichte“,
Jahrg. 87, 1922, Heft 7, S. 37—42, worauf ich verweise,
X. Rötel- oder Waldwühlmaus (-Evotomys glareolus Schreb.).
Die Art habe ich verschiedentlich in Wäldern (meist Laubwald!)
beobachte. Manchmal fehlt sie stellenweise anscheinend. (?)
Fundorte: Wälder von Mondrepuis, Trelon und La
Fere, ferner bei Sissonne, St. Erme, Fismes und Fourmies. In
der Gegend des Chemin des Dames öfter beobachtet. Mein Sohn
Kurt sah das Tier auch im Wald östlich von Reims wiederholt.
XI. Brandmaus (= Micromys agrarius Pall.).
Von mir nur bei Monthenault, am Wald von Mondre-
puis und in Wäldchen nahe Fourmies (1915) festgestellt.)
8) Diese Art scheint erst während des Krieges durch Truppen mit Stroh,
Heu u. a. Fourage eingeschleppt worden zu sein (?) — sie ist selten! — Die
Franzosen, denen ich sie zeigte, kannten sie nicht. Der Verf.
Archiv für Naturgeschichte,
1923. A. 12. 12 12. Heft
178 Wilhelm Schreitmüller:
XI. Waldmaus (= Apodemus [Micromys] sylvaticus L.).
Häufig in einem Mischwald zwischen Cilly und Bosmont,
ferner sah ich sie vereinzelt bei La Fere (1916) in den Wäldern
von Mondrepuis und Trelon, sodann bei Vailly, Chery
und in Cilly etc, Sonst ziemlich weit verbreitet
XII. Gelbsternige Waldmaus (= Apodemus [Micromys]
flavicollis Melchior). '?)
Diese auch in Deutschland nicht häufig auftretende Art zeigt
an der Unterseite des Halses einen großen, gelben Fleck und ist
auch am Rücken mehr gelblichbraun gefärbt als die vorige Art, von
der sie auch bezüglich ihrer Größe abweicht (größer als A. sylv.).
Ich sah nur zwei Exemplare davon, eins 1915 ım Wald von Mon-
drepuis und eins in einem Obstgarten direkt in Cilly (1917).
Diese Art scheint auch in Frankreich selten zu sein. Die Franzosen
unterscheiden sie kaum von M. sylvaticus L.
XIV. Feldmaus (= AREIEON arvalis L. = Microtus arvalis
all.)
Ueberall im ganzen Gebiet, wo Ackerbau betrieben wird,
zu finden, doch fand ich das Tier auch oft in Steinbrüchen, Feld-
gehölzen, auf. Wiesen, Kleefeldern usw. vor, wo es auch oft unter
großen Steinen (Steinbrüche), unter Baumstämmen und in Mauern
hauste.?°)
Fundorte: Athies, Chamoussy, La Ville aux Bois,
Chauny, Noyon, Feron, Fourmies, Anor, Aubenton,
Voulpaix und viele andere.
XV. Die Zwergmaus (= Mus minutus L. (= Micromys mi-
nutus Pall.)
bewohnt die Schilfbestände und die Uferregion des Moorgebiets
zu Verneuil (1917), ferner fand ich sie im Jahre 1915 nahe
Fourmies an einem Wäldchenrand, wo ich ein Nest dieser Art
in einem hohen Waldgrasbusch entdeckte, in dem vier, etwa acht
Tage alte Junge lagen, sodann um Laon herum und bei V oulpaix.
Nach Aussage meines Sohnes Kurt, Bekannten und Kameraden
kommt die Zwergmaus auch in Flandern häufig vor („N.”,
XIII. Jahrg., 1922, Heft 12, S. 199/200).
Mein leider gefallener Freund Wetzel (t) stellte sie auch
nahe Apr&mont bei Verdun fest.’)
1%, Diese Art kenne ich von Deutschland nur aus dem Großen
Garten zu Dresden, äus dem „Zoo“ zu Frankfurt a. M. (freilebend) und
aus dem Park zu Belvedere bei Weimar. -D. Verf.
0) Auch die Ackermaus ist an geeichen Orten zu finden.
2!) In Deutschland fand ich sie an den Moritzburger Teichen bei Dresden,
und in den Schi fbeständen der Rheintümpel bei Bingen a. Rh. und Kempten
a. Rh. sowie nahe Frankfurt a.M.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 179
XVI. Die Hausmaus (= Mus musculus L.)
ist im ganzen Gebiet überreichlich vertreten und sehr gemein.
Sıe bewohnte Häuser, Ställe, Scheunen, Schuppen, Unterstände und
Schützengräben, Magazine, Düngerhaufen und andere Orte in großer
Menge.
Ein weıßgrau geschecktes Exemplar dieser Art sah ıch ın
einem Pferdestall zuLaon. Stim, Schnauze, der linke Hinterschenkel
und die Schwanzspitze waren bei diesem weıß gefärbt.
Verschiedentlich traf ich de Hausmaus (graue) auch weit ab
von menschlichen Wohnstätten, z. B. an Getreidediemen bei La Ville
aux Bois (Erbsen) und Fismes (Hafer) an, und zwar ganz auf
freiem Felde. Solche Stücke schienen mir viel heller grau
gefärbt als solche, die in Häusern Ixbten.
Einige Fundorte: La Ville aux Bois, Les Pr&s Ferme,
Chauny, Fourmies, Vendresse, Chery, Laon, La
Fere, Athies etc.
Sonderbarer Weise sah ıch diese Art auch während des Winters
öfter ım Freien.
Im Juli 1918 beobachtete ıch in unserem derzeitigen Quartier
(eine große Ferme) echte Albinos (mit roten Augen) dieser Art
freilebend. Ein Franzose sagte mir, daß solche Stücke schon. viele
Jahre dort vorhanden seien, und zwar öfter viel zahlreicher (?) als
typische graue Mäuse.
Ich fing in kurzer Zeit in Fallen acht Albinos (diese mußten
also doch ziemlich zahlreich sein). An sämtlichen acht Tieren be-
obachtete ich etwas Sonderbares.. Alle, ob alt oder jung,
hatten die merkwürdige Eigenschaft an sich, in Ruhestellung — also,
wenn sie nicht umherliefen — ähnlich wie die sogenannten japa-
nıschen Tanzmäuse langsam seitlich pendelnde Bewegungen
mit denn Kopfe zu machen, die sich ansahen, als könnten die Tierchen
ihren Kopf nicht in der Gewalt behalten. Graue Stücke, die ich
ebenfalls fing, zeigten diese eigene Erscheinung (Degeneration?) nicht!
(Bl. 1918, Heft 22, S. 264.)
XVII. Wildes Kaninchen (= Lepus [= Oryctolagus] cani-
culus L.).
Mancherorts ziemlich häufig, so z. B. in der sandıgen Gegend um
Fismes, m Wald von Mondrepuis, an den mit Hecken
bestandenen Böschungen der Bahnstrecke La Fere— Versigny—
Laon, Sandgruben zwischen La Ville aux Bois und Dizy-
le-Gros.
Ueber das ganze Gebiet verbreitet. Auch in Ortschaften selbst,
in Gärten, Hainen, Wäldern und Feldgehölzen beobachtet.
XVII. Feldhase (= Lepus europaeus L.).
"Ueber das ganze Gebiet verbreitet, auf Feldern, Wiesen,
Viehweiden, in Hainen, Wäldern usw., aber anscheinend nicht zahl-
reich. (?)
122 12. Heft
180 Wilhelm Schreitmüller:
VU. Abschnitt.
D.
Hundeartige Raubtiere (= Canidae).
Fuchs (= Vulpes vulpes L.).
Freilebend habe ich dsesen nur einmal gesehen, und zwar in dem
großen Wald von La Fere im Winter 1915.
VII. Abschnitt.
E.
Marderartige Raubtiere (— Mustelidae).
I. Steinmarder (= Mustela foina Erxl.).
Abbild. 22. Steinmarder (Mustala foina Erxl.)
Ein Exemplar während einer sehr mondscheinhellen Nacht (Sep-
tember 1917) in einem Garten zu Cilly beobachtet.
II. Baummarder (= Mustela martes L.).
Diesen sah ich 1915 nahe Fourmies auf einem Schuppen
und 1917 im Garten der Les Pre&es Ferme südlich Fismes.
III. Iltis (= Putorius putorius L.).
Nur einmal bei Laon in einem Garten gesehen (1918).
IV. Großes Wiesel (= Arclogale ermineus L.).
Verschiedentlich angetroffen in Kalk- und Steinbrüchen, an Feld-
rainen, im Gesträuch an Gewässern etc., z. B. bei La Ville aux
Bois, La Fere, Fismes, Fourmies, Laon, Noyon,
Chauny etc. Es scheint im ganzen Gebiet nirgends zu fehlen, wo
ıhm günstige Aufenthaltsbedingungen geboten sind.
Ein Stück schoß ich bei La Ville aux Bois. Nirgends be-
sonders häufig.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 181
V. Kleines Wiesel (= Arctogale nivalis vulgaris L.).
Ziemlich häufig an Wäldchenrand zwischen Cilly und Marle,
ferner bei Bosmont, Fourmies, Laon, La Fere, Les
Pres Ferme (südlich Fismes), La Ville aux Bois, Wald
von Mondrepuis und anderen Orten, ferner sah ich ein Stück
der Chaussee Dohis—Archon mit einer Feldmaus im Maule
aufen.
VI. Fischotter (= Lutra lutra L.).
Dieser ist in Frankreich ziemlich häufig an geeigneten Stellen.
Ich beobachtete das Tier im November 1917 an der Serre zwischen
Cilly und Marle öfter. Ich wurde dadurch auf diese Art auf-
merksam, indem ich an verschiedenen Stellen am 'Flusse öfter größere
Ansammlungen von Resten zerbissener Frösche und Fische fand. Es
waren dies die Orte, wo der Ojtter stets das Wasser verließ und
seine Beute, welche er unter den Flußufern ‚hervorholte, verzehrte,
Ferner beobachtete ich im Winter 1915 (November) einen Fisch-
otter, welcher nach und nach unter den in einem Fluß liegenden
Steinblöcken, die von einer gesprengten Eisenbahnbrücke herrührten,
fünf Fische hervorholte und am jenseitigen Ufer verzehrte. Da mich
die Art der Fische interessierte, begab ich mich auf Umwegen nach
dem anderen Ufer wnd untersuchte die im Flusse liegenden Spreng-
blöcke. Nach längerem Greifen (dabei bis an den Knien im Wasser
stehend!) kam ich der Sache auf den „Grund“ und beförderte nach und
nach neun Aalraupen (=Lofalota L.) und sieben Flußbarben
(= Barbus fluviatilis Ag.) zutage, die unter den Steinblöcken im
Schlamnı eingewühlt anscheinend ihren Winterschlaf hielten. Die
Fische waren alle ziemlich lethargisch und sehr leicht zu fangen. Nur
dem warmen Winter 1915 war es zu danken, daß ich längere Zeit
ım Wasser herumhantieren konnte, denn bei größerer Kälte wäre dies
unmöglich gewesen, immerhin war es auch im genannten Falle keine
„angenehme Beschäftigung“ für mich, trotzdem ıch lange Stiefel an-
hatte (Bl. 1916, S. 29/30).
Weitere Fundorte: Unweit der Bacoches an der Vesle,
IX. Abschnitt.
F.
Dachsartige Marder (— Melinae).
I. Den Dachs (= Melis taxus Bodd.).
sah ich nur in einem, von einem Offizier geschossenen Exemplar
nördlich Waleppe nahe Rozoy sur Serre.
Nicht beobachtet oder festgestellt wurden:
Der Baumschläfer (=Myoxus nidedula Pall.), der Biber
(= Castor fiber L.), die Bisamratte, das Ziesel, die nor-
dische Wühlratte, die ägyptische Ratte, das Murmel-
tier und de Wildkatze.
12. Heit
182 Wilhelm Schreitmüller:
X. Abschnitt.
G.
Euphyllopoden u. a. Krustaceen.
I. Chirocephalus (= Branchipus) Grubei Dybowski.
‚(Siehe untenstehende Abbildung 23.)
In zahlreichen Exemplaren ın einem Tümpel (Viehtränke) ım
Aprıl 1915 bei Fourmies beobachtet, sonst nirgends. Die betref-
fenden Tiere waren kleiner als solche, die ich ın den Jahren
1905 bis 1910 bei Dresden etc. fing.
Abbild. 23. Chirocephalus
(=Branchipus) GrubeiDyb.
(Männchen). Steıs auf dem
Rücken schwimmend.
Etwas verkleinert.
Gefunden im März 1915
bei Fourmies.
Abbild. 24. Abbild. 25. Großer Schildkiemenfuß
Kleiner Schildkiemenfuß (Apus cancriformis Bosc.).
(Apus productus Bosc.). Bauchseite. 3
Rückenseite. Natürliche Größe.
II. Apus productus Bosc. (= Kleiner Schildkiemenfuß).
(Siehe obenstehende Abbildung 24.)
Nur drei Exemplare in einem Wassergraben bei Vignehies
westlich Fourmies Ende April 1915 festgestellt. Alle drei Tiere
nicht sehr groß, das größte überschritt 3 cm kaum.
III. Apus cancriformis Bosc. (* Großer Schildkiemenfuß).
(Siehe onenstehende Abbi!dung 25.)
Im Jahre 1917 ein Stück in einer Lache zwischen Semilly bei
Laon und Waldlager Chivy gefunden (13. Juli). Das Tier
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 183
war ziemlich 8 cm lang, Andere Euphyllopoden habe ich nicht
gefunden.
Von anderen Krebstieren fand ich noch:
IV, Astacus fluviatilis Rich. (= Flußkrebs)
in je einem Stück in der Serre bei Marle und in einem kleinen
Bach nahe Bruy&res. Soll hier häufig sein.
Außerdem den
V., Gammarus pulex L. (Bachflohkrebs).
Weit verbreitet und in riesigen Mengen bei Cilly, Fourmies,
Chery, Chauny und anderen Orten. Bemerkenswert ist dabei, daß
diese Art, welche für gewöhnlich klare, schnell fließende Gewässer
bewohnt, von mir und anderen auch in ganz verseuchten und
übeiriechenden Gräben und Tümpeln angetroffen wurde, so
z. B. in einem Graben in Cilly, aus dem ich Belegstücke von riesiger
Größe an Dr. Wolterstorff einsande. Im ganzen Gebiet
gemein,
VI. Carinogammarus Röselli L.
Allenthalben im ganzen Gebiet zahlreich und gemein
ın Gräben, Tümpeln, Lachen und Pfützen. Stellt noch weniger An-
sprüche arı die Beschaffenheit des Wassers als die vorige Art.
Xl. Abschnitt.
H.
Spinnen.
Von diesen Tieren möchte ıch hier nur vier Arten erwähnen,
da ich mich mit dem Sammeln solcher weniger befaßt habe, trotzdem
ich Herrn Dr. Wolterstorff eine ganze Anzahl Arten konserviert
zugestellt habe, welche ich aber teilweise nicht kannte.
I. Argiope Bruennichii (eine Radspinne).
Diese in Nordafrıka und Südeuropa heimische, in Mit-
teleuropa seltene, vereinzelt vorkommende schöne Spinne
fing ich nur während des sehr heißen und trockenen Sommers 1918
bei La Ville aux Bois und sandte mehrere Belegexemplare an
Dr. Wolterstorff ein. Ich habe darüber bereits im „Archiv für
Naturgeschichte“, Jahrg. 87, Heft 7, Seite 42/43, berichtet, worauf
ich verweise.
II. Chiracanthium natrix L.
Diese Art fing ich ebenfalls nur an einer Stelle, und zwar nur
in zwei Exemplaren, an trockenen Abhängen zwischen Fısmes und
Bacoches, welche dicht mit Steinen, Geröll und niederem Gesträuch
versehen waren.
Der Biß dieser Spinne ist anscheinend giftig (?), wie ich selbst
an mir erfahren habe. Ein solches Tier biß mich beim Fangen in
12. Heft
184 Wilhelm Schreitmüller:
die weiche Spannhaut zwischen Daumen und Zeigefinger, worauf sich
bald Schmerzen (Brennen), Entzündung und Geschwulst einstellten,
die sich erst dann wieder verloren, nachdem ich die Bißstelle kräftig
ausgedrückt, etwas erweitert und mit Jod behandelt hatte.
Ill. Argyroneta aquatica L. (= Wasserspinne).
Diese ıst mancherorts in Gräben und Teichen öfter anzutreffen.
Ich fing sie z. B. ın einem Graben bei Waldlager Chivy südlich
Laon, im Moorgebiet von Verneuil und in einem Teich bei
Fourmies. Vereinzelt stellte ich sie fest bei Cılly in Tümpeln
und bei Bruye&res in Gräben.
IV. Dolomedes fimbriatusCl. (= Große Ufer-, Wolfs- oder
Floßspinne).
Diese große, teilweise aquatil lebende Spinne beobachtete ich
nur an einem Wiesengraben bei Waldlager Chivy, an Teichen
nördlich des Bahnhofs Laon und im Moorgebiet Verneuil
vereinzelt (Bl. 1918, S. 48, „W.“ 1917, S. 280).
XII. Abschnitt.
Schnecken und Weichtiere.
Von Land- und Süßwassermolusken sammelte ich ım ganzen
79 Arten, welche ich teils an die Herren Prof. Dr. Kobelt (f),
Schwanheim a. M., und Dr. Rob. Mertens, Leipzig (jetzt
Frankfurt a. M.), teils an Dr. W. Wolterstorff, Magdeburg,
und Lehrer E. Schermer, Lübeck, zwecks Sichtung und Be-
stimmung einsandte. Hauptsächlich ersterer und letzterer erhielten
größere Sendungen. Erwähnen will ich an dieser Stelle nur einige
wenige, z. B.:
I. Helix aspersa Müll.
Neben Helix pomatiaL. (- Weinbergschnecke) tritt diese
Art mancherorts recht zahlreich und in vielen Farbenvarıetäten
auf. So schrieb mir z. B. Herr Prof. Dr. Kobelt (+) im Februar
1915 wie folgt: „Unter den mir von Ihnen zugestellten Schnecken
„Helix aspersa“ befanden sich eine große Anzahl recht interessante
und z. T. auch mir neue Farbenspielarten etc.
Weitere Fundorte: Gärtenin Chauny, Fourmies,Änor,
Hirson,LaFe&re, ferner auf dem Friedhofin LaVille aux
Bois (häufig), bei Bruy&res, Vendresse, Sissonne, Oor-
b&eny und im Garten der Les Pres Ferme südlich Fismes
und viele andere mehr (Bl. 1915, S. 168, N. 1915, S. 424).
II. Helix carthusiana Müll.
Häufig bei Cilly, Versigny, Sissonne, Corbeny,
Fismes, Chery usw. an trockenen, kalkhaltigen Abhängen, auf
Aeckern und Wiesen.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 185
III. Helix nemoralis L.
In Hainen, Feldgehölzen etc. zahlreich. Ich erwähne diese Art
hier nur deshalb, weil ich von dieser in einem Laubwald bei
Fourmies (1915) mehrere Exemplare fand, welche „blutrote“
Gehäuse hatten, das Tier selbst war gelblichweiß. Belegstücke er-
hielt Prof. Dr. Kobelt (ft), Schwanheim. Im ganzen Gebiet,
z. B. bei Fourmies, Cilly, Marle, Waleppe, Chivy,
Laon, Voulpaix, Chaumontagne Ferme etc. gefunden.
IV. Cyclostoma elegans L. (= Ericca elegans)
fand ich z. B. in den Anlagen zu Laon in riesiger Menge vor.
Von dieser Art sandte ich an Dr. Wiolterstorff allein 550 Stück
lebende Exemplare, desgl. an E. Schermer 100 Stück und viele
solche Schnecken auch an den „Zoo“ zu Frankfurt a. M. etc. ein.
Wie zahlreich die Tiere gerade in Laon waren, beweist, daß ıch
die an Dr. Wolterstorff und E. Schermer gesandten
Schnecken (zusammen 650 Stück) ın einem Zeitraum von ca. einer
halben Stunde sammeln konnte. Die Tiere belebten Böschungen unter
Sträuchern, wo sie im Moose und Grase umherkrochen, sehr zahl-
reich (Bl. 1918,:S. 251, dito 1918, S. 279).
V. Xerophila intersecta Poır.
An ebensolchen Orten wie H.
cartsusiana, auch in Sandgruben,
Kalkbrüchen etc. und auf Kleeacker
be Laon, Monceau le Wast,
Athies, Fismes, Sissonne,
Corbeny etc.
Neben dieser Art traten auch
auf: X. ericetorum Miüll., X. can-
dicans Ziegl. und X.canditula forma
thymorum Alten.
Von der Aufzählung weiterer
Land- und Süßwasserschnecken sehe
ıch ab, da Herr E. Schermer
hierüber an anderer Stelle berichten
wird.
Betonen möchte ıch, daß ich auf
Veranlassung des Herrn Prof. Dr. Abbild. 26.
Kobelt (}) folgende Süß- Xerophila ericetorum Müll.
wassermuscheln sammelte, auf (Heideschnecke).
welche betreffender Herr besonderen Gefunden in einem Kalkbruch :
Wert legte. (Auch an E. Scher- bei Versigny.
mer sandte ich solche ein.) Natürliche Größe.
12. Heft
186 Wilhelm Schreitmüller:;
K.
Schalentiere.
I. Unio pictorum L. (= Maler- oder Flußmusche!).
Sehr häufig in allen Kanälen, z. B. Aısne- und Oisekanal,
in der Serre etc., fast ım ganzen Gebiet. Dito: U. batavus Lm,
und U. fumitus Retz.
II. Anodonta mutabilis L. (= Teichmuschel).
In allen Kanälen, ferner in Teichen, in der Serre und Ailette
gefunden.
III. Anodonta cygnaea L. (= Schwanenmusche|).
Nur in der Serre zwischen Cilly und Marle erbeutet.
IV. Anodonta piscinalis L.
Ebenfalls in der Serre bei Chambray gefunden.
V, Dreissenia polymorpha L. (= Wandermuschel).
Von dieser Art fand ich nur leere Schalen am Oisekanal bei
Chauny.
VI. Pisidium amnicum Müll. und Pisidium fontinalis C. B.
habe ıch vielerorts gesammelt, z. B. in Gräben bei Bruye£res,
Vendresse, ın Tümpeln bei Laon und beı Verneuil,
VII. Caliculina lacustris Müll.
stellte ıch ın ruhigen Buchten (mit Schilfbestand) an der Serre bei
Cilly und Verneuil fest.
VII. Sphaerium rivicola Leach. und Sph. coreum L.
Fundorte nıcht mehr genau feststellbar, wahrscheinlich (?) stammen
die beiden Arten auch aus der Gegend von Laon oder Verneuil.
Es fehlen leider noch einige, doch sind mir verschiedene Notizen
hierüber abhanden gekommen.
Ich erwähne noch, daß sich unter den von mir gesammelten
Nacktschnecken auch eine große schwarze Wegschnecke
(= Arion empiricorum Fer.) befand, welche einen hellgrünen
Rückenstreifen zeigte, ferner fand ich von dieser Art die Farben-
spielarten: A. emp, Fer. forma marginatus L. (schwarz mit rotem
Sohlenrand), A. emp. Fer. forma rufus L. (rot)und A. emp. Fer.
f. ater L. (schwarz) fast ın allen Wäldern des in Frage kommenden
Gebiets vor.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 187
XII. Abschnitt.
L.
Mücken u. a.
Zum Schluß möchte ich noch mitteilen, daß Herr Dr. P. Kuliga,
Düsseldorf, ım Jahre 1916 zu Leffincourt ın der Cham-
pagne in Kellern, welche in die Kreidefelsen hineingehauen waren,
die Larven einer zu den Mycethophiliden gehörenden Mücken-
art Polylepta leptogaster Winnertz auffand. Er berichtet darüber
wie folgt:
„Die Larven leben nur in solchen Kellern, die in den Kreide-
felsen hineingehauen sind. Sie leben offenbar von den auf und in der
Kreide wachsenden Mikroorganismen. Sie nehmen die Kreide mit
ihren unter dem Mikroskop gut erkennbaren scharfen Freßwerkzeugen
auf und entleeren sie in trockenen kleinen Klümpchen, die an der
Schleimschicht hängen bleiben, die den Lebensweg der Larve an dem
Felsen markieren.
Die Keller, in denen die Larven und Puppen gefunden sind,
sind nicht ganz dunkel, sondern bekommen etwas Licht, teils durch
einen kleinen, bis zur Oberfläche führenden Schacht, teilweise auch
durch die Kellertür. Die Temperatur darin war: ziemlich gleich-
mäßig PC.
Außerhalb der Keller gehen dıe Larven sehr rasch zu Grunde.
Ob daran die höhere Temperatur oder die Einwirkung des Lichts
schuld ist, habe ich in der kurzen Beobachtungszeit von zwei Wochen
nicht entscheiden können. Die Tiere stammen aus dem Ort Leffin-
court in der sogenannten Lausechampagne, 12 km westlich
von Verviers. —
Zusatz: Die betreffenden Mücken und Larven wurden von Herrn
Prof. Dr. Kieffer, einem trefflichen Kenner der Chironomiden,
bestimmt. Er glaubt nıcht, daß die Lebensweise der Polylepta
leptogaster Winnertz bereits bekannt ist (Bl. 1916, S. 259). Der Verf.
N.B. Ueber andere Mücken, Schmetterlinge, Käfer,
Wanzen, Libellen, Heuschrecken und ähnliche Tiere kann
ich nichts berichten, weil ıch mich mit dem Sammeln solcher nicht
befaßt habe, ich will an dieser Stelle nur noch bemerken, daß ich die
„Gottesanbeterin® (= Mantis religiosa L.) ım Jahre 1915
zwischen La Capelle und Le Nouvion in mehreren Exemplaren
(S und ©) an einer Hecke aus Hainbuchen und Weißdorn, ferner
ım Jahre 1918 nahe Fismes (zwischen Fismes und Chery)
an Wäldchenrand auf niederen Pflanzen vorfand. Sonderbarer Weise
waren ın beiden Fällen sowohl grünliche als auch bräunliche
Exemplare vertreten. Sonst habe ich diese Art nirgends beobachtet.
Den sogenannten Ameisenlöwen (=Myrmecoleon formicarius
L.) habe ich verhältnismäßig wenig beobachtet. Trichter mit seinen
12. Heft
188 Wilhelm Schreitmüller:
Larven fand ich häufiger nur in der sandigen Gegend um Chery,
Fismes und Bacoches herum. Ausgebildete Insekten dieser Art
sah ich nicht.
Eine zur Gattung Naucoridae zählende Schwimmwanze
— Aphelocheirus aestivalis F. fand ich ferner nahe Bacoches
Abbild. 27. Abbild. 28.
Myrmecoleon formicarius L. Myrmecoleon formicarius I
(Ameisenjungfer), wegfliegend. (Ameisenjungfer), Ruhestellung.
Natürl. Größe. Natürl Größe,
in dem Flüßchen Vesle (Vesle Riv.) in mehreren Exemplaren.
Die Tiere wurden von Herrn A. Wendt, Rostock, bestimmt.
(„BET 199, S:4273
XIV. Abschnitt.
M.
Würmer.
Der seltene Gordiide Parachordodes tolosanus Desj. wurde
von Herrn Dr. Edm. Boecker in einem Wasserloch an der Orne
(in Lothringen) in einem Stück von 95—100 mm Länge und 0,5 mm
Körperdurchmesser gefangen. (Bestimmt durch Prof. Dr. Collin,
Berlin [,W.“ 1916, S. 407/08].)
XV. Abschnitt.
Nachtrag.
I
Zur Ergänzung und der Vollständigkeit halber will ich aus einem
von F. Hauchecorne, Berlin, verfaßten, in den „Blättern“ 1922,
S. 203/208, erschienenen Artikel noch einige wichtige Fundorte von
Lurchen anschließen. |
Hauchecorne schreibt da z. B., dal) er Rana agilis Thomas
(Springfrosch) ın mäßiger Anzahl auch in der Woewre-
Ebene festgestellt habe. Das Gleiche gilt von Rana arvalis Nilss.
Beiträge zur Fauna Nord- und Nordostfrankreichs usw. 189
(Moorfrosch), welchen er m Niederungsmoor, das sich
westlich Laon zwischen Sissonne und Pierrepont hin-
zieht, fand.
Pelodytes punctalus Daud. wurde ferner von ihm im Frühjahr
1916 im Dorfe Avillers unterhalb den Cötes Loraines, ferner
1917 bei Dizy-le-Gros (wo auch ich [Verf.] ıhn fand) und
1918 bei Landoucy im nördlichen Aisne-Departement
' festgestellt.
Auch Bufo viridis Laur. (grüne oder Wechselkröte) hat
Hauchecorne im April 1916 bei Woel in der Woewre-
Ebene, desgleichen in Lothringen bei Valleroy gefunden.
Auch er ist der Ansicht, daß dıee Wechselkröte in Nord-
und Nordostfrankreich sehr selten ist. Den Triton palmatus
Schneider (Leistenmolch) fand er in dr Woewre-Ebene,
und von Alytes obstetricans Laur. (Geburtshelferkröte) stellte
er ferner große Kolonien bei Valleroy und Auboul ın Loth-
ringen am steilen Ufer der Olrne fest. Desgleichen fand er
Lacerta vivipara Jacqu. (Bergeidechse) ın der Woewre-
Ebene an den Hängen des Cöte Loraines ziemlich häufig vor.
Auck Hauchecorne erwähnt, ebenso wie Prof. Dr. Franz
und ich, daß Reptilien in Nordfrankreich ziemlich
spärlich auftreten, eine Wahrnehmung, der ich völlig beistimmen muß.
Auch er betont, daß Triton alpestris Laur., Tr. vulgaris und Tr.
cristatus im ganzen Gebiet „außerordentlich häufıg“
sind und daß gewöhnlich alle drei Arten gemeinsam
auftraten. Da das ganze Gebiet dem Stufenland angehört, das
vielfach von Hügelketten und Steilhängen durchzogen wird, erscheint
auch Hauchecorne (ebenso wie mir. D. Verf.) das Vorkommen
von Bergmolch und Bergunke, auch in den dazwischen
liegenden tieferen Lagen, nicht verwunderlich!
Letzteres ist auch tatsächlich der Fall, denn ich habe den Triton
alpestris Laur. und Bombinator pachypus Bonap. häufig sowohl
ım bergigen, als auch im hügeligen Gelände und im Flachland
selbst angetroffen.
Kl. Zimmermann beobachtete ferner Lacerta agilis L. bei
Laon und Alytes obstetricons Laur. häufig um Nesle und
Erchon in der Picardie.
Nachträglich fand ich (Verf.) noch eine Notiz, nach welcher ich
Rana arvalis Nilss. 1915 auch nördlich Maubeuge gefunden
habe (ein Stück). | '
II.
Es wäre noch zu bemerken, daß ich Hochwild, wie Edel-
hirsche und Rehe, in größeren Rudeln als höchstens drei bis
fünf Stück nirgends beobachtet habe, erstere namentlich sogar meistens
nur einzeln zu sehen bekam. Damhirsche habe ich nirgends
gesehen Hingegen waren Wildschweine öfters zu bemerken,
12. Heft
190 A. Laubmann:
doch auch nie in größeren Rudeln als höchstens von drei bis vier
Exemplaren auf einmal, “
Die Wıldkatze habe ıch nirgends gefunden, obwohl diese nach
Aussage der Franzosen vereinzelt vorkommen soll.‘) Wohl aber traf
ich in zwei Fällen „vgrwilderte Hauskatzen“ weit ab von
menschlichen Wohnungen an. Ein Stück stöberte ıch an den mit
Buschwerk und Hecken reich versehenen Bahnböschungen der Strecke
La Före— Versigny (1916) auf, wo das Tier in einem ver-
lassener Kanıinchenbau hauste. Das zweite Exemplar traf ich 1915
ım Walde von Trelon an, wo dieses eine alte, hohle Eiche bewohnte,
Beide Tiere waren ähnlich gefärbt wie eingy Wildkatze, also
grau mit dunkler Streifung des Fielles. In und bei ihren Verstecken
fand ich Knochen von Kaninchen und anderem Kleingetier, ebenso
auch Federn von Vögeln verschiedener Art vor, von letzteren herrschten
solche von Rebhühnern, Hähern, Drosseln und kleineren
Singvögeln vor. Es dürfte sich bei diesen Katzen um Tiere
gehandelt haben, welche ehemals von Soldaten in den Schützengräben
gehalten wurden und die von da aus entwichen oder verjagt wurden.
Wie ich nachträglich im Jahre 1923 (7. VII.) von einem ehemaligen
Offizier noch erfahren habe, hat dieser Herr die europäische
Sumpfschildkröte (Emys orbicularis L.) in einem Tümpel
zwischen Oisy-le-Verger und Papaune, ferner bei Bailleul
und Hazebroek südwestlich Ypern, sowie zwischen Douai
und Somain an der Scarp. gefunden. Es handelte sich im ersten
Fallum Tiere mit 6 nnd 8 cm, im zweiten um solche mit 6 und 14 cm
und im dritten um ein Stück mit 18 cm Panzerlänge. (Bl. 1923, S. 229.)
Diese Angaben erscheinen mir nicht unwahrscheinlich, da
Emys orbicularis L. ja auch in Holland (im Maasgebiet von
Holländisch-Limburg) vorkommt.
Die Kreuzotter (Vipera berus L.) hat derselbe Herr unweit
Villers-Cotteres südlich Soissons zwischen Roisel und
Peronne und zwischen Nesle und Roye nordwestlich Noyon
in je einem und zwei Stücken getötet. (Bl. 1923, S. 229.)
— m. —
Ueber die generische Stellung von
Hatcyon feucogasfer Fraser.
Von
Dr. A. Laubmann, München.
Zu denjenigen Vogelarten, über deren generische Zugehörigkeit
die Ansichten der Autoren auch heute noch nicht zu einem abschließen-
den Urteil gekommen sind, gehört ohne jeden Zweifel auch jener kleine
') Wenn es sich bei diesen Tieren nicht auch um „verwilderte
Hauskatzen* handelte (?). Der Verfasser.
Ueber die generische Stellung von Halcyon leucogaster Fraser. 191
farbenprächtige Eisvögel aus dem tropischen Afrika, welchen Fraser ')
unter dem Namen Halcyon leucogaster ım Jahre 1843 bekanntgemacht
hat. Die Tatsache, daß Fraser die Art bei ihrer Beschreibung in die
Gattung Halcyon Sw. 1820?) gestellt hat, kann in keinem Falle
maßgebend für die Beurteilung ihrer tatsächlichen generischen Wertung
sein; denn in der damalıgen Zeit stellte eben, wie ja zum Teil auch
heute noch, die Gattung Halcyon das große Sammelgenus dar, in
das eben alle Eisvögel mehr oder weniger wahllos eingereiht wurden.
Aber als dann ım Jahre 1848 Kaup°?) den Versuch machte, eine
weniger gezwungene Gattungsgliederung bei den Alcediniden zu ermög-
lichen, da begann für unsere in Frage stehende Art der Streit der
Meinungen über ihre generische Stellung, der bis heute noch zu keinem
restlos befriedigenden Resultat geführt hat.
In seiner, für die Beurteilung mancher Fragen beim Studium der so
ungemein reizvollen Gruppe der Eisvögel wichtigen Abhandlung „Die
Familie der Eisvögel (Alcedidae)“ teilt Kaup die Familie der Alce-
dinıden in fünf Genera ein, nämlich: 1. Tanysiptera, 2. Ceryle,
3. Halcyon, 4. Alcedo, 5. Dacelo, welche ihrerseits jeweils wieder
in mehrere Subgenera zerfällt werden. So wird die Gattung Alcedo,
die uns hier vor allem interessiert, von Kaup in fünf Subgenera ein-
geteilt: 1. /spidina, 2. Corythornis, 3. Ceyx, 4. Alcedo, 5. Alcyone,
und in dem vierten dieser Subgenera, bei Alcedo, das von Kaup fol-
gendermaßen charakterisiert wird: „4 Zehen, Schnabel ziemlich lang,
1/, länger als der Kopf, stark, mit zugeschärftem Rücken. Längs der
Firste eine Rinne, Scheitelfedern kurz, locker und gleichbreit“ findet
sich Frasers Halcyon leucogaster gleich als die erste Species auf-
geführt. Allerdings sieht sich Kaup (p. 76) zu der einschränkenden
Bemerkung: „Aehnelt in der Färbung den Ispidinae und weicht auch
in der Schnabelbildung von den übrigen ab“ gezwungen, aus welcher
entnommen werden darf, daß Kaup diese Einreihung nicht mit voller
Ueberzeugung vorgenommen hat, Zunächst fand Kaups Vorgehen den
Beifall der Forscher; so führte Fraser) selbst in seiner „Zoologıa
typıca“ die Art nunmehr nach dem Vorgange Kaups unter dem Namen
Alcedo leucogaster auf; Bonaparte’) tat ein Gleiches, und ihm folgten
noch eine ganze Anzahl Autoren systematisch-faunistischer Arbeiten.
1) Halcyon leucogaster Fraser, Proc. Zool. Soc. London 11, p. 4 (1843.
— Fernando Po, Clarence). j
®) Halcyon Swainson, Zool. Jil. I, 1820, tab. 27, Text. Typus durch
ursprüngliche Bestimmung: Alcedo Senegalensis L.
®) J. Kaup, Die Familie der Eisvögel (Alcedidae); Vrh. naturhist. Ver.
Großherzogtum Hessen u. Umgebung, zweites Heft, p. 61—81; Darmstadt, 1848.
*) Zoologia Typica, or figures of new and rare Mammals and Birds des-
ceribed in the Proceredings or exhibited in the Collections of the Zoological
Society of London, 1849, p. 32.
*) Consp. Av. 1850, p. 159.
12. Heft
192 A. Laubmann:
Doch nicht alle glaubten dem Vorschlag Kaups rückhaltlos folgen
zu dürfen. So vertritt Reichenbach ®) in seinem Handbuch der spe-
ziellen Ormithologie die Ansicht, das Kaupsche Subgenus der Gattung
Alcedo, Ispidina, habe die Berechtigung, als selbständige Gattung ge-
führt zu werden und stellt als erste Art in diese Gattung /spidina
leucogaster (Fras.). Reichenbach gibt I. c. folgende Charakteristik
von der Gattung /spidina: „Schnabel kurz, oben dachförmig, ohne Rinnen
neben der Firste“, und bemerkt beı /spidina leucogaster ausdrücklich:
„Da die Schnabelfurchen fehlen, gehört diese Art unter /spidina, ihr
Schnabel ist zudem kürzer als der Kopf“. Dem Vorgange von Reichen-
bach schloß sich Sharpe an, der sowohl in seiner Monographie’) der
Eisvöge! als auch später im British Catalog®) und in der Handlıst °)
die Art in der Gattung /spidina anführte. Sharpe folgte in der gleichen
Auffassung wiederum A. Reichenow !°), der in seinem großen Werk
über die Vögel Afrikas unsere Art ebenfalls zu /spidina gestellt hat,
und auch Dubois !!) ist noch bei Aufstellung ‘der neuen Form /spidina
leopoldi der gleichen Anschauung.
O. Neumann '?), der im Jahre 1908 die Form von der Goldküste
unter dem eigenen Namen bowdleri abtrennte, machte sich die ältere,
schon von Kaup (l. c.) vertretene Auffassung wieder zu eigen und
stellte den Formenkreis leucogaster wieder in die Gattung Alcedo und
dieser Auffassung folgte dann auch Reichenow !?) in seinem Handbuch
„Die Vögel“.
Wenn wir die Gattung Halcyon aus den schon eingangs an-
geführten Gründen aus dem Kreise unserer Betrachtungen ausschalten,
so sehen wir, daß es nur zwei Gattungen, Alcedo und Ispidina sind,
denen die Autoren je nach ihrer Auffassung unsere Art zugerechnet
wissen wollen. Und erst in allerjüngster Zeit ist J. P. Chapın '+) ın
einer auch in anderer Hinsicht recht interessanten Arbeit im Ibis zu
der Anschauung gelangt, Haleyon leucogaster Fraser wäre am besten
in der Gattung Corythornis Kaup unterzubringen.
Mathews °) schließlich hat den gordischen Knoten dadurch zu
lösen versucht, daß er für die leucogaster-Gruppe eine eigene Gattung
Ispidella aufgestellt hat.
°) Handb. Spec. Ornitiı. Invest. Alced. 1851, p. 6.
) R. B. Sharpe, A Monograph of the Alcedinidae or family of King-
fishers, Lief. IV, I. IV. 1869.
®) Cat. Birds Brit. Mus. XVII, 1892, p. 193.
®) Handlist Gen. Spec. Birds, II, 1900, p. 54.
10) Reichenow, Die Vögel Afrikas, II, 1902/03, p. 288.
11) Dubois, Ann. Mus. Congo, Zool. Ser. IV, 1,fasc. 1, 1905, p. 10.
ı2) Neumann, Bull. B. O. Club, XXIII, 1908, p. 14.
13) Reichenow, Die Vögel, II, 1914, p. 124.
14) Chapin, Ibis, 1922, p. 440445.
15) Mathews, Birds of Australia, VII, 1918, p. 97.
Ueber die generische Stellung von Halcyon leucogaster Fraser. 193
Soweit der historische Ueberblick! Durch die Liebenswürdigkeit
meines Freundes, Herrn Dr. Erwin Stresemann, Berlin, war es mir
möglich, das einzige im Berliner Museum vorhandene Exemplar dieser
seltenen Formengruppe, ein der Form batesi Chapın 1922 zugehöriges,
von A. Reichenow am 8. Dezember 1872 bei Bimbia in Kamerun
gesammeltes Tier auf seine generische Zugehörigkeit hin eingehend
zu untersuchen; Die sich hierbei ergebenden Resultate seien ım Nach-
feigenden dargelegt! Betrachten wir zunächst einmal die drei hier
ın Frage kommenden Gattungen Alcedo, Corythornis und /spidina auf
ihre Unterscheidungsmerkmale, so ergibt sich folgendes:
l. Gattung: Alcedo L. Syst. Nat. 10, I, 1758, p. 115. Type durch
nachträgliche Bestimmung (Swainson, Zool. Ill. I, 1820, Tabl. 26):
Alcedo ispida L. — Schnabel an der Wurzel viel höher als breit,
sehr spitz und schlank. Scheitelfedern nicht auffallend verlängert
2. Gattung: Corythornis Kaup, Verh. naturhist. Ver. Großherz.
Hessen, 2. Heft, 1848, p. 71, 72. Type durch nachträgliche Be-
stimmung (Gray, Cat. Gen. Subgen. Birds 1855, p. 16): Alcedo coeruleo-
cephala Gm. — A. galerita Müller 1776 = A. cristata Pallas 1764.
— Wie Alcedo, nur durch die auffallend verlängerten Nacken- und
Scheitelfedern gut gekennzeichnet.
3. Gattung: /spidina Kaup, Verh. naturhist. Ver. Großherz.
Hessen, 2. Heft, 1848, p. 71, 72. Type durch nachträgliche Be-
stimmung (Gray, Cat. Gen. Subgen. Birds 1855, p. 17): Todus pictus,
Bodd. — Von beiden vorhergehenden Gattungen dadurch unterschieden,
daß der Schnabel an der Wurzel so breit oder breiter als hoch ist.
Betrachten wir unser Exemplar nunmehr auf seine Gattungszuge-
hörigkeit, so finden wir, daß die Gattung /spidina von vornherein
schen ım Hinblick auf ihre ganz andere Schnabelform auszuscheiden
hat, wenn andererseits eine sehr auffällige Uebereinkunft im ganzen
Färbungscharakter nicht von der Hand gewiesen werden kann.
Mit Corythornis stimmt Halcyon leucogaster Fras. hinsichtlich
des Schnabeis nach Morphologie und Färbung gut überein; doch fehlen
unserem Vogel die gerade für diese Gattung allein charakteristischen
verlängerten Scheitel- und Nackenfedern und auch der Färbungscharakter
ist ein recht verschiedener, wenn auch nicht geleugnet werden soll, daß
leucogaster, was die Färbung anbelangt, immer noch mehr mit dieser
Gattung als mit Alcedo zu konvenieren scheint.
Bleibt noch die Gattung Alcedo übrig, mit der die leucogaster-
Gruppe hinsichtlich des Schnabelbaues sehr gut übereinstimmt. Und
doch sprechen sehr schwerwiegende Gründe gegen eine Vereinigung
mit dieser Gattung: einmal kennen wir in der Gattung Alcedo keine
einzige Art, bei welcher der alte Vogel einen roten Schnabel besitzt,
und dann fällt leucogaster auch noch hinsichtlich des Gesamtfärbungs-
bildes vollkommen aus dem Rahmen dieser Gattung heraus,
Wir sehen also, daß sich Halcyon leucogaster ın keines dieser
drei Genera zwanglos einordnen läßt, und aus diesem Grunde glaube
Archiv für Naturgeschichte.
1923 A. 12. 13 12. Heft
194 A. Laubmann:
ich, der Errichtung einer eigenen Gattung unter dem von Mathews
vorgeschlagenen Namen /spidella zustimmen zu müssen.
Nun steht aber — und vielleicht nicht mit Unrecht — ein großer
Teil der Forscher der ımmer fortschreitenden Gattungsspalterei ab-
lehnend gegenüber. So sicher im Laufe der Zeit hinsichtlich der
Artbenennung durch die strikte Einhaltung des Prioritätsprinzips eine
Einheitlichkeit erzielt werden wird, so wenig stabil gestaltet sich die
Benennung der Gattungen durch den weiten Spielraum, der hier dem
subjektiven Ermessen des einzelnen Forschers gelassen ıst. Denn
während der Speciesbegriff etwas in der Natur selbst Gegebenes ist,
handelt es sich bei dem Begriff der Gattung um etwas Künstliches,
von außen in die Natur Hineingetragenes. Und künstliche Begriffe
sınd eben dehnbar. Linne fafßfte den Genusbegriff möglichst weit und
erleichterte sich dadurch den Ueberblick über die zu seiner Zeit be-
kannt gewesenen Tierarten. Dann wuchs die menschliche Erkenntnis,
und mit ihr steigerte sich die Zahl der Species ganz enorm. Nun
wurden dıe Linneschen Gattungen zu artenreich, und dadurch wurde
der Ueberblick sehr erschwert. Die Aufteilung des einzelnen Linnc-
schen Gattungsbegriffes in mehrere neue Genera erwies sich als un-
umgänglich notwendig. Als ebenso natürliche Folge dieser Notwendig-
keit mußte sich aber auch eine riesige Anhäufung neuer Gattungsbegriffe
ergeben. Und heute nun zeigt sich das umgekehrte Bild, indem gerade
durch die enorme Anzahl der Gattungen der Ueberblick wieder beinahe
zur Unmöglichkeit geworden ist.
Es ist ganz klar und auch leicht begreiflich, daß derjenige Forscher,
der sich immer und immer wieder mit einer verhältnismäßig kleinsn
Gruppe von Tieren auf das Intensivste beschäftigt, mehr unterschei-
dende Merkmale auffindet, die ıhn veranlassen, um sich den Ueberblick
zu erleichtern, seine Objekte in mehrere Gruppen (= Gattungen) zu
zerlegen. Und ebenso klar ıst es, daß durch eben das gleiche Verfahren,
durch das sich der Spezialist den Ueberblick zu erleichtern sucht, die
Uebersichtlichkeit für den dieser enger begrenzten Materie ferner
stehenden Forscher notwendiger Weise leiden muß. Wie wir sehen,
ist es also jedesmal das Streben nach Uebersichtlichkeit, das ın dem
einen Fali zur Spaltung der Gattung, im anderen aber zu der Er-
weiterung des Gattungsbegriffes führt. Sache der heutigen Zeit wird
es nun sein, einen Weg zu finden, der für beide Gruppen gleich gangbar
ist; wir werden uns, wie immer im Leben, so auch in dem vorliegenden
Fall, auf dem goldenen Mittelweg zusammenfinden müssen. Man
wird vielleicht beiden Teilen am ehesten dadurch gerecht werden
können, daf man einerseits den Gattungsbegriff etwas erweitert, anderer-
seits aber vielleicht durch die Wiedereinführung des alten Begriffs
der „Untergattung” es dem Spezialisten ermöglicht, die durch müh-
sames Spezialstudium gewonnenen Resultate im System innerhalb der
erweiterten Gattung zur Darstellung zu bringen,
Bei der Anwendung dieses Vorschlages auf unseren konkreten
Fall würde sich etwa folgendes ergeben: Zunächst müßte der Begriff
Ueber die generische Stellung von Halcyon leucogaster Fraser. 195
der Gattuns Älcedo etwas erweitert werden, was leicht durch die
Einbeziehung der Gattungen Corythornis Kaup und /spidella Mathews
geschehen könnte. (Die Gattung /spidina Kaup kann hierbei m. E.
nicht ın Frage kommen, da der anders geformte Schnabel doch zu
sehr gegen eine Verschmelzung mit Alcedo sprechen würde.) Dem
Spezialisten würde durch die Zerlegung der nunmehr die Kollektiv-
gattung Alcedo zusammensetzenden zahlreichen Species ın einzelne
Subgenera ebenfalls Genugtuung gewährt werden.
Auf diese Weise würde sich dıe Gattung Alcedo etwa folgender-
maßen darstellen lassen:
Familie: Alcedinidae. ET Aeodiahde
Kollektivgattung: Alcedo L. 1758.
Alcedo Linnaeus, Syst. Nat. 10, I, 1758, p. 115. Type durch
nachträgliche Bestimmung (Swainson, Zool. Ill. I, 1820, pl. 26): Alcedo
ispida L.
I. Subgenus: Alcedo L.
Typus: Alcedo atthis ispida L.
1. Alcedo (Alcedo) atthis ispida L. 2. Alcedo (Alcedo) atthis
corsicana Laubm. 3. Alcedo (Alcedo) atthis atthis(l..). 4. Al-
cedo (Alcedo) atthis bengalensis Gm. 5. Alcedo (Alcedo) atthis
faprobana Kleinschm. 6. Alcedo (Alcedo) atthis formosana
Laubm. 7. Alcedo. (Alcedo) atthis götzii Laubm. $, Alcedo (Alcedo)
atthis japonica Bp. 9.-Alcedo (Alcedo) atthis hispidoides Less.
10. Alcedo (Alcedo) atthis floresiana Sharpe. 11. Aleedo (Alcedo)
atthis salomonensis Rothsch. u. Hart. 12. Aleedo (Alcedo) atthis
pelagica Stresemann.
II. Subgenus: Megalcedo nov. subgen. »
Typus: Alcedo hercules Laubm.
13. Alcedo (Megalcedo) hercules Laubm.
Ill. Subgenus. Cyanispida nov. subgen.
Typus: Alcedo coerulescens Vieill.
14. Alcedo (Cyanispida) coerulescens Vieill.
IV. Subgenus: Euryzonia nov. subgen.
ıypus: Alcedo euryzonia Temm.
15. Alcedo (Euryzonia) euryzonia Temm.
V, Subgenus‘ Alcedoides nov. subgen.
Typus: Alcedo meninting meninting Horst.
16. Alcedo (Alcedoides) meninting meninting Horst. 17. Al-
cedo (Alcedoides) meninting asiatica Swain. 18. Alcedo (Alcedoi-
des) meninting rufigastra Wald. 19. Alcedo (Alcedoides) menin-
ting scintillans Bak. 20. Alcedo (Alcedoides) meninting coltarti
Bak. 21. Alcedo (Alcedoides) meninting subviridis Oberh. 22. Al-
cedo (Alcedoides) meninting callima Oberh. 23. Alcedo (Alcedoi-
des) meninting proxima Richm.
13* 12. Heft
196 » A. Laubmann.
VI, Subgenus: Pseudalcedo nov. subgen.
Typus: Alcedo quadribrachys quadribrachys Bp.
24, Alcedo (Pseudalcedo) quadribrachys quadribrachys Bp.
25. Alcedo (Pseudalcedo) quadribrachys guentheri Sharpe.
VI. Subgenus: Caeruleornis nov. subgen.
Typus: Alcedo semitorquata Swaın.
26. Alcedo (Caeruleornis) semitorguata Swain.
VII. Subgenus: /spidella-. Mathews,
Ispidella Mathews, Birds of Australia, VII, I, 1918, p. 97.
Typus durch ursprüngliche Bestimmung: Halcyon leucogaster Fras.
27. Aleedo (Ispidella) leucogaster leucogaster (Fras.). 28. Al-
cedo (Ispidella, leucogaster bowdleri Neum. 29. Alcedo (Ispidella)
leucogaster batesi (Chapın). 30. Alcedo (Ispidella) leucogaster
leopoldi (Dubois).
IX. Subgenus: Corythornis Kaup.
Corythornis Kaup, WVerh. naturhist. Ver. Großherz. Hessen,
2. Heft, 1848, p. 71, 72. Typus durch ‘nachträgliche Bestimmung
(Gray, Cat. Gen. Subgen. Birds 1855, p. 16): Alcedo caeruleocephala
Gm. = A. cristata Pallas 1764.
31. Aleedo (Corythornis) eristata cristata Pall. 32. Alcedo
(Corythornis) cristata vintsioides Eyd. u.-Gerv. 33. Aleedo (Co-
rythornis) cristata nais Kaup. 34. Alcedo (Corythornis) ceristata
thomensis (Salv.).
In Somanklatorischer: Hinschr ze m bemerken, daß natürlich
auch hier das Prioritätsgesetz strikte zur Durchführung zu kommen
hätte. Die Kollektivgattung hätte den Namen der ältesten aller ın
ihr vereinigten Gattungen zu führen. Hinsichtlich der Speciesnamen
liegt die Sache etwas komplizierter. So wäre der Fall denkbar, daß
Arten, die bisher in zwei getrennten Gattungen geführt wurden, den
gleichen Speciesnamen tragen. Durch den Umstand nun, daß diese
zweı Gattungen jetzt als Subgenera einer und derselben Kollektivgattung
zu betrachten sind, muß natürlich (wie bisher schon innerhalb jeder
Gattung) der jüngere dem älteren gleichlautenden Speciesnamen weichen,
was dann eine Um- resp. Neubenennung zur Folge haben würde.
Ich übergebe diesen Vorschlag der Oeffentlichkeit in der Hoff-
nung, vielleicht einen Weg gezeigt zu haben, zur Vereinfachung unseres
Systems unter Berücksichtigung speziellster Forscherarbeit. Zu. Dank
“für mir in liebenswürdigster Weise gewährte Hilfe bin ich verpflichtet
den Herren Dr. Ernst Hartert, Tring, Prof. Dr. ©. Neumann,
a Prof. Dr. A. Reichenow, Berlin, und Dr. Erwin Stresemann,
Berlin.
Buchdruckerei B. Meyerheim, Brandenburg (Havel).
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3. Il. Reptilia und Amphibia.
4, IV. Pisces.
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b. Coleoptera.
6. c. Hymenoptera.
7. d. Lepidoptera.
8. e. Diptera und Siphonaptera.
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10. VI. Myriopoda.
VII. Arachnida.
VIII. Prototracheata.
IX. Crustacea: Malacostraca, Entomostraca, Gigantostraca,
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XI. Mollusca, Anhang: Solenogastres, Polyplacophora.
XII. Brachiopoda.
XIII. Bryozoa. |
XIV. Vermes.
XV. Echinodermata.
XVI. Coelenterata.
XVII. Spongiae.
12. XVIIl. Protozoa.
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Inhalt der Jahresberichte.
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II. Reptilia und Amphibia.
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b. Coleoptera.
c. Hymenoptera.
d. Lepidoptera.
e. Diptera und Siphonaptera.
f. Rhynchota.
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VI. Myriopoda.
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VII. Prototracheata.
IX, Crustacea:Malacostraca, Entomostraca, Gigantostraca,
KPureata, [Pyenogonida.
XI. Mollusca. Anhang: Solenogastres; Polyplacophora.
XI. Brachiopoda.
XIH. Bryozoa.
XIV. Vermes.
XV. Echinodermata.
XVI. Coelenterata.
XVIH. Spongiae.
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Protozoa.
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Berlin W 57, Potsdamer Str. 90,
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1838 — 1915
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Jahrgang: 5
1838 — 1916
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Lepidoptera.
Diptera und Siphonaptera.
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Arachnida.
Prototracheata.
Crustacea: Malacostraca, Entomostraca, Glganlonirnca x
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- Mollusca. Anhang: Solenogastres, Polyplacophora.
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